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Alle Jahre wieder

Adventskalender 2019
von

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Falkenauge und die nette Dame

4. Türchen:

 

Falkenaugen wurde von einem lauten Ruf geweckt. Verschlafen öffnete er eines seiner Augen und inspizierte die Umgebung. Außer ihm war keiner da. Hätte ihn auch sehr gewundert. Ins Zeltdach verlief sich selten einer und schon gar nicht zu seinem selbst gewählten Schlafplatz. Er liebte die Höhe. Es konnte nicht höher sein. So hing seine Hängematte dicht unter Zeltdach. An der letzten Möglichkeit noch zu Fuß hinzukommen ohne das man Klettern musste. Aber auch das hätte er in Kauf genommen, wenn die alte schrullige Hexe Zirkonia nicht was dagegen gehabt hätte.

Falkenauge hörte wie jemand nach Tigerauge rief. Die Stimme klang ganz aufgeregt und ein wenig wurde er neugierig was denn am frühen Morgen so wichtig war, dass man das ganze Zelt aufwecken musste.

Mühsam schwang er sich aus der unbequemen Hängematte. Streckt zu allererst seinen Rücken durch wartete bis die Welle des Schmerzes abgeklungen war.

„Falkenauge, bist du wach?“ hörte er schon seine schrille Stimme durch das Zelt rufen. Genervt blickte er von dem schmalen Steg hinunter und erblickt die blaue Haarpracht des Mannes, der für den ganzen Radau verantwortlich war. Keine Ahnung was bei Fischauge schief lief, aber eines stand fest, dieser Kerl hatte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Sah aus wie Frau, ohne den entsprechende Vorbau, benahm sich wie ein Frau aber besaß die Körperteile und die Kraft eines Mannes.

„Hey, was ist? Komm runter du Schlafmütze“, hörte er nun auch seinen anderen Freund. Tigerauge stellte sich direkt hinter Fischauge. Die lange blonde Mähne wallte in leichten Wellen auf dessen Rücken. Dieser Mann hatte auch nur Probleme. Wie konnte man auf junge Frauen stehen. Die waren doch nur laut und anstrengend. Bei Fischauge fing er erst gar nicht an zu überlegen. In dessen inneren schlug das Herz einer Frau. Kein Wunder das er auf Männer stand.

Falkenaugen schüttelte sich. Bevor er noch weiter über seine Freunde nachdenken musste, sprang er elegant mit einem Salto hinunter zu ihnen. Sie beide warfen ihm einen abschätzigen Blick zu. Falkenauge zuckte aber nur mit der Schultern. Doch bevor sie sich darüber in die Wolle bekommen konnten, ergriff Fischauge das Wort und auch seinen Arm.

„Das musst du dir ansehen“ und zerrte ihn ohne ein weiteres Wort der Erklärung zum Zeltein- bzw. ausgang.

„Ist das nicht schön.“ Falkenauge schlug eine eiskalte Welle entgegen. Da er nun wirklich nicht viel trug, begann sein Körper von alleine wild an zu zittern. Er wollte gar nicht mehr sehen was zu sehen geben soll. Ihm war kalt. Er wollte schnell wieder ins warme innere. Aber Fischauge ließ ihn nicht.

„Nun guck doch mal.“ Falkenauge schlang sich die Arme um seinen Körper und tat Fischauge den Gefallen. Eher würde dieser eh keine Ruhe geben. Seine Augen erblickte eine weiße Landschaft. Wunderschön und voller Ruhe. Als hätte jemand die Welt da draußen mit einer weißen Decke zum Schlafen hingelegt.

„Ich habe sowas noch nie gesehen.“ Fischauge rannte hinaus in das herrliche Weiß und Tigerauge folgte ihr. Falkenauge blieb drin und bestaunte nur das viele Weiß. Fischauge hatte recht. Es war schön und sowas hatte er auch noch nie gesehen.

„Was ist denn hier los!“ polterte eine laute Stimme durch das Zelt. Falkenauge zuckte erschrocken zusammen und drehte sich um. Oben auf der Kanzel war Zirkonia erschienen. Eine alte grimmige Frau, die nicht mal Falkenauge attraktiv fand und er war derjenige der auf ältere Damen stand.

„Es hat geschneit“, kehrte Fischauge zurück. Völlig durchgefroren folgte Tigerauge ihm. Gemeinsam stellten sie sich vor Zirkonia hin, die kein bisschen freundlichen dreinblickte. Falkenauge fragte sich, ob sie überhaupt dazu in der Lage war, einen anderen Gesichtsausdruck zustande zu bringen, als diese grimmige Grimasse.

„Geschneit. So so..“ murmelte Zirkonia „Ist das ein Grund so auszuflippen!“, brüllte sie dann. Alle drei zogen die Köpfe ein. „Ihr habt weiß Gott genug zu tun, als das ihr euch mit sowas ablenken könnt.“ Ihr kleiner Gehilfe projizierte ein Bild in ihre Hand. Sie betrachtete es und warf es dann zu ihnen runter. Es war selten das Zirkonia ihnen ein Foto einer Person gab. Eigentlich konnten sie sich eines unter vielen in der Bar aussuchen. Fischauge nahm das Bild in die Hand und rümpfte gleich die Nase.

„Hier, das ist was für dich.“ Falkenauge nahm das Bild entgegen. Schulterzuckend drehte er sich um. Er hatte sich das Bild seiner Zielperson nicht mal angesehen. Es war im Grunde ja immer das Gleiche. Wann das wohl aufhören würde? Sicher wenn sie diesen Pegasus gefunden und gefangen hätten und ihre Königin endlich dafür sorgeträgt, das dieses alte Weib sie nicht mehr nervt.

 

Der Wind hatte ihn Nullkomma nichts durchgefroren. Er spürte die Kälte in jedem seiner Knochen und er entschied, dass er den Winter nicht mochte. Er musste zwar zugeben, dass der Winter schön anzusehen war aber zu fühlen war er ein Alptraum. Der Sommer mit der Wärme deutlich angenehmer zu ertragen.

Lust zu arbeiten hatte keine. Dass er nicht drum herum kam, das wusste er. Aber Zirkonia hatte ihm keine Frist genannt. Deshalb setzte er sich auf die nächste Bank die fand. Sie stand mitten im Juuban Park auf einem Hügel von der man eine wunderschöne Sicht auf den zugefrorenen See und die weiße Wiese drum herum hatte.

Falkenauge hatte sich eine warme rote Winterjacke beschafft und dazu Winterstiefel und eine Jeans aus warmen Stoff. Die Hände hatte er in die Taschen gepackt und so beobachtete er die Menschen.

Zwei Kinder, dick eingepackt und mit Mütze und Schal, rollten Kugeln aus dem Schnee. Drei Stück in unterschiedlicher Größer. Falkenauge sah ihnen dabei neugierig zu. Die beiden Kinder wollten grade damit beginnen die Kugeln auseinanderzustellen, da lenkte Falkenauge ein lautes Lachen ab.

Menschen mit komischen Schuhen traten auf den zu gefrorenen See und liefen darum. Ziemlich schnell sogar. Interessiert erhob er sich und überwand den kleinen Abstand zwischen der Bank und dem Geländer. Dort blieb er stehen und da denn Menschen beim Eislaufen zu.

Wie lange er ihnen zu sah, wusste er nicht. Erst als er von etwas kalten in den Nacken getroffen wurde, kehrte er aus seiner Trance zurück. Er wischte den nassen und kalten Schnee aus seinem Nacken und suchte nach den Schuldigen. Zu den beiden Kindern, die eben noch Kugeln gestapelt hatten, tobten jetzt mit anderen durch die weiße Pracht und bewarfen sich damit.

„Passt auf wohin ihr damit werft“, rief er sauer.

„Ach waren das noch Zeiten…“ Falkenauge rutschte das Herz in die Hose. Normalerweise erschrickt er nicht so leicht. Die alte Dame hatte er nicht bemerkt. Wann war die neben ihn getreten? Wie lange stand sie schon neben ihm?

„Wie meinen?“

„Als ich noch so jung war und im Schnee getobt habe.“ Sie blickte ihn aus ihren warmen braunen Augen an. Kleine Fältchen zeigten deutlich, dass sie einiges in ihrem Leben erlebt hat. Falkenauge überflog die Frau schnell nochmal. Ihre Haut war alt und erzählte von Geschichten. Er schätzte sie ungefähr auf Mitte 50 bis Anfang 60. Sie war kleiner als und wirkte gemütlich und freundlich. Sie trug einen beigen Wintermantel mit einer passenden Mütze. Schal und Handschuhe trug sie nicht. In ihren Augen glitzerte die Sehnsucht nach früheren Zeiten. Vielleicht besseren.

„So alt sie doch noch gar nicht“, versuchte er charmant zu sagen. Sie schenkte ihm ein freundliches Lächeln, aber er merkte dass sie gar nicht so fröhlich war.

„Sie haben leicht reden. Sie sind noch jung. Haben das Leben noch vor sich. Aber ich… Auf mich wartet niemand. Außer vielleicht der Mann in Schwarz…“ bitter lachte sie auf und beobachtete die Kinder beim Spielen. Falkenauge wurde schwer ums Herz. Warum genau wusste er nicht, aber die Frau tat ihm leid. Er wusste aber nicht was er sagen sollte oder konnte, damit es dieser Frau besser geht.

„Wieso haben sie ein Foto von mir?“

„Foto?“ Die alte Dame zeigte auf seine Hand. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass er die Hände aus den Taschen genommen hatte. Er hob das Bild an, welches er von Zirkonia bekommen hatte. Die alte Dame hatte recht. Das war sie auf dem Foto. Neugierig musterte Falkenauge die Frau. Die traurige alte Dame soll einen wunderschönen Traum haben in dem sich Pegasus versteckt? Das konnte er sich nicht vorstellen.

„Ich war gerade auf den Weg zu ihnen“, begann er sich spontan eine Geschichte auszudenken. Das war ihm auch noch nicht passiert. Dass sein Opfer zu ihm kam.

„Zu mir? Was sollen sie denn von einer alter Frau wollen?“ Verwirrt blickte sie ihn an.

„Ich komme von dem Verein Träume wahr werden lassen.“

„Davon habe ich noch nie etwas gehört.“ Falkenauge zitterte kurz. Der Wind frischte auf und seine Knochen begannen langsam vor Kälte zu schmerzen.

„Sie sind ja ganz durchgefroren. Kommen sie man mit. Sie können mir alles unterwegs erklären.“

 

 
 

 

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Die Wohnung verschlug Falkenauge die Sprache. Schon als er reingekommen kam ihm ein Geruch von Vanille und Zimt entgegen. Die Wohnung war klein und auf den ersten Blick konnte man erkennen, dass die alte Dame einsam war. Im Flur hingen ganz viele Bilder. Unterwegs hatte sie ihm erzählt dass ihre Kinder nur selten zu Besuch kamen. Immer kam etwas dazwischen. Auch die Enkelkinder habe sie seit Jahren nicht gesehen. Das einzige was sie von ihrer Familie bekam, war jedes Jahr ein Foto zu Weihnachten.

„Ach war das schön, als sie noch klein waren.“ Sie führte ihn ins Wohnzimmer, welches sehr niedlich eingerichtet war. Lachsfarbene Möbel und ein Eichenholzstich. Ein bunter Teppich und Blumen auf der Fensterbank. Falkenauge wusste nicht was für welche es waren, aber die roten Blüten gefielen ihm.

„Jedes Jahr zu Weihnachten, in der Adventszeit, haben wir jeden Sonntag Plätzchen gebacken.“ Der alten Dame lief eine Träne aus dem Auge, die sie schnell wegwischte. Falkenauge hatte sie aber gesehen und das Foto in seiner Hosentasche wog schwer. Pegasus könnte sie wirklich bei so einer einsamen Frau verstecken. Noch wusste er nicht was ihr schönster Traum war, aber er konnte sich vorstellen das es der schönste Traum sein wird den er jemals zu Gesicht bekommen würde.

„Sie hatten gesagt, dass sie wünschen erfüllen?“

„Ja. Das macht mein Verein“, blieb er bei seiner Geschichte.

„Das finde ich nett. Wir alte Menschen werden immer als Selbstverständlich hingenommen. Wenn man uns braucht sind wir gut genug. Braucht man uns nicht, werden wir vergessen. Keiner kümmert sich mehr um unsere Belange oder Wünsche.“ Sie setzte sich auf das Sofa und wirkte so verletzlich, das Falkenauge sich ganz mies fühlte. Dieser armen Frau sollte er das letzten nehmen was sie hatte. Ihren Traum.

„Was ist denn ihr größter Traum?“ Falkenauge setzte sich auf den Lachsfarbenen Sessel, der vor der Fensterbank stand.

„Sie meinen das ernst oder?“

„Ja. Also was ist ihr größter Traum…“

 

 

„Nein nicht so... Mensch sie müssen die Schüssel festhalten…“ Falkenauge wusste noch immer nicht wie ihm Geschah. Aus irgendeinem Grund stand er mit der alten Dame in dessen Küche. Er trug einen Weiß-blaugepunkte Schürze, die scheußlich aussah, und versuchte den Teig zu rühren.

„Kommen Sie ich zeig ihnen mal wie das geht“ die alte Dame wollte ihm die Schüssel aus der Hand nehmen, aber Falkenauge schüttelte den Kopf. Beide zerrten an der Schüssel bis diese beiden aus den Händen rutschte und mit einen lauten Peng auf dem Küchenboden aufschlug und winzig kleine Teile zerbrach. Beide blickten runter auf zerbrochene Schüssel. Warum sie dann anfingen zu lachen, das wussten sie wohl beide nicht. Sie lachten bis ihnen die Tränen in die Augen traten und als sie sich beruhigten, fingen sie von vorne an.

Nach einer Stund saßen beide wieder im Wohnzimmer mit frisch gebackenen Plätzchen.

„So viel Spaß wie heute hatte ich schon lange nicht mehr“. Falkenauge nickte. Soviel Spaß hatte er noch nie gehabt. Er zog das Foto aus der Tasche und blickte auf herab. Keine Ahnung was Zirkonia mit ihm machen wird, es war ihm auch egal. Dieser Frau würde er kein Haar krümmen. Er zerriss das Foto und die alte Frau sah ihn erschrocken an.

„Warum tun sie das?“

„Darf ich nächstes Jahr wieder kommen und mit ihnen Plätzchen backen?“Verwirrt von dieser Frage, nickte sie lächelnd. Falkenauge nahm sich ganz fest vor. Jedes Jahr mit dieser Frau Plätzchen zu backen und sich ihre Geschichten anzuhören.

 

 

 

 

 

4. Türchen



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