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Desaster

von

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Hier kommt genug Soap Opera Inhalt, dass ihr alle für die nächsten Wochen gesättigt an kitschigem Geschnulze sein werdet. Ich fasse es nicht, dass ich das geschrieben habe. Ich fasse es noch viel weniger, dass ich das tatsächlich poste.
 


 

Starr vor Schreck wurzelte Steve in der Tür fest. Es hatte ihn beunruhigt als Jarvis ihn auf dieser Etage aus dem Fahrstuhl gelassen hatte, zumal er ihn zwar nach Hause beordert, aber keine Erklärung dafür abgegeben hatte. Halb hatte er schon mit irgendeinem Problem Tony betreffend gerechnet, über das die KI nicht hatte sprechen dürfen und ihn nun brauchte um ihren Erschaffer von irgendetwas abzuhalten. Das war gar nicht so weit hergeholt. Und bereits vorgekommen.

Aufgerissene grüne Augen erwiderten seinen Blick. Auch der Asgardier schien nicht fähig zu sein sich zu rühren. Aber sonderlich überrascht schien er nicht.

„Loki?“, brachte der Soldat schließlich hervor und trat einen Schritt in den Raum hinein. Prüfend musterte er seinen Freund. Es schien ihm nichts zu fehlen. Zumindest auf den ersten Blick nicht. Die Müdigkeit war ihm anzusehen. Der Anblick war Steve nicht fremd. Ungewöhnlich war seine Kleidung.

Mit einer schwarzen Tunika, dem langen Mantel darüber, die beide immer wieder mit Gold verziert waren und dem grünen Umhang, der an seinen Schultern herabhing, sah er aus wie während seiner Invasion. Selbst seine Haare waren nach hinten zurückgekämmt und kürzer als gewohnt.

Sich am Sessel festhaltend, machte der Asgardier einen Schritt nach hinten. Sofort stürmte Steve los, an Natascha, Clint und Pepper vorbei und ergriff Loki ohne zu zögern. Fest drückte er ihn an sich und spürte wie sein Freund sich komplett verspannte. Aber er war tatsächlich hier. Das hier war nicht nur eine Projektion oder wie auch immer Loki das nannte. Er war wirklich hier. Bei ihm.

Eine Weile standen sie einfach nur da. Steve drückte seine Nase hinter Lokis Ohr in die dunklen Strähnen und schloss seine Augen. Der übliche Duft stieg ihm in die Nase. An seiner Hand am Rücken spürte er die längeren Haare seines Freundes. Seine Kleidung war nass, schon fast triefend und nirgendwo in seiner Umarmung kam ihm der auslandende Umhang in die Quere. Diese gesamte Erscheinung war nichts weiter als eine Illusion. Mal wieder. Loki versteckte sich schon wieder hinter Lügen.

„Nein.“, hörte er dann seine zitternde Stimme. Hände schoben sich zwischen sie und versuchten Steve wegzudrücken. „Nein. Nein. Nein. Nein.“ Wie ein Mantra wiederholte er es immer wieder so leise, dass Steve es kaum verstehen konnte und mit einer Verzweiflung in der Stimme, die mit jedem Wort mehr und mehr schmerzte.

„Es ist gut, Loki.“, versicherte er ihm. Er dachte nicht einmal daran seine Umarmung um seinen Freund zu locken, geschweige denn sie zu lösen oder ihn gar loszulassen. „Du bist hier sicher. Alles ist gut.“ Wie könnte er ihn auch nur jetzt loslassen? Vielleicht würde der Asgardier dann die Chance nutzen und sich einfach in Luft auflösen. Vielleicht konnte er das auch, wenn er festgehalten wurde. Steve hatte keine Ahnung welche Regeln dafür galten. Aber sicher würde er kein unnötiges Risiko eingehen! Warum auch immer er hier war mit dieser dämlichen Illusion, Steve befürchtete, dass er nicht erneut wiederkommen würde, wenn er ihn jetzt nicht daran hinderte zu verschwinden. Also zog er den schmalen Körper in seinen Armen noch ein kleines bisschen enger an sich, den Widerstand ignorierend und hielt ihn einfach fest.

Irgendwann wurde der Widerstand weniger. Langsam fing Steve an ihn etwas hin und her zu wiegen. Ruhig flüsterte er ihm beruhigende Worte zu. Die hektische Atmung normalisierte sich wieder und bald darauf sackten Loki die Beine weg, sodass Steve das einzige war, das ihn noch aufrecht hielt. Lokis Kopf fiel nach vorne gegen seine Schulter als die Müdigkeit ihn schließlich übermannte.

Einige Zeit blieb Steve noch so mit ihm stehen. Das wenige Gewicht in den Armen machte ihm Sorgen. Er war sich nicht sicher, ob das weniger war als noch vor zwei Wochen. Hatte sein Freund gegessen, während er weg gewesen war? Wie schnell nahmen Asgardier ab, wenn sie keine Nahrung erhielten? Bildete er sich das nur ein? Denn er machte sich immer wieder Sorgen wegen seines Gewichts. Und Loki wicht jeglichen Gesprächen dies betreffend aus. Wie so vielen anderen.

Schließlich hob der Soldat den anderen Mann auf seine Arme und verließ das Appartement. Das hier war nicht mehr Lokis Wohnung. Es war Thors. Auch wenn das farbliche Thema noch immer grün war, Tony würde sich schon darum kümmern, dass es sich wieder änderte.

Ohne ein Wort mit Jarvis wechseln zu müssen, öffneten sich die Fahrstuhltüren auf Steves eigener Etage, sodass er ihn direkt in ihr Bett bringen konnte. Vorsichtig ließ er ihn auf die Bettdecke sinken. Lokis Kopf fiel zur Seite und einige schwarze Strähnen fielen ihm ins Gesicht.

Tief durchatmend riss Steve sich zusammen. Am liebsten würde er sich direkt neben seinen Freund legen, ihn an sich ziehen und einfach losheulen, bis er ausgetrocknet war. Er riss sich zusammen. Unmöglich konnte er Loki in den klatschnassen Sachen liegen lassen. Auch wenn er nicht wusste, ob ein Asgardier unter solchen Bedingungen überhaupt erkranken könnte.

Doch schon dabei ihm die Stiefel auszuziehen, ergaben sich Probleme, denn was auch immer ihm seine Augen weiß machen wollten, er hatte keine an. Stattdessen erspürte er Schnürsenkel direkt unten am Fußrücken. Mit Sicherheit trug er die Schuhe, in denen er vor zwei Wochen verschwunden war. Danach ließ Steve seine Augen geschlossen. Wenn er hinsah, verwirrte es ihn lediglich. Nach und nach entledigte er ein Kleidungsstück nach dem anderen, bis sein Freund komplett ausgezogen war.

Glücklich darüber es geschafft zu haben, öffnete er die Augen wieder.

Nackt lag Loki vor ihm auf dem Bett. Er war halb zur Seite gewälzt davon, als Steve ihm das Hemd ausgezogen hatte. Oder zumindest glaubte Steve, dass es sich um ein Hemd gehandelt hatte. Der Stapel an Kleidung, aussehend als wäre es die asgardische Tracht die er angehabt hatte, lag neben ihm auf dem Boden.

Nachdem sie ihn im Workshop einmal umgezogen und verarztet hatten, hatte Steve den Asgardier nie wieder so komplett unverhüllt gesehen. Seinen Oberkörper hatte er stets bedeckt gehalten und keine direkten Berührungen geduldet. Selbst nachdem Steve die erste Illusion durchschaut hatte.

Der Anblick, der sich ihm jetzt hier bot, verschlug Steve den Atem. Dürr wie Loki war, zeichneten sich die Rippen gegen seine Haut gut sichtbar ab, auch wenn es zugegeben sehr viel besser aussah als zum Zeitpunkt seiner Rettung. Doch die Kraterlandschaft auf dem nun ansonsten komplett verheilten Rücken, sah er zum ersten Mal in ihrer vollen Ausprägung. Als hätte sich ein Wahnsinniger daran ausgetobt, zogen sich tiefe Narben teils von seiner Hüfte zu seinem Nacken hoch. Einige von ihnen waren durch Narbengewebe aufgefüllt und hoben sich nach oben ab. Diese kleinen Erhebungen konnte Steve unter seinen Fingern spüren.

Andere waren so tief und breit, dass die Haut dort nicht wieder richtig zusammengewachsen war und Einkerbungen hinterlassen hatte, die von unebenen Wundrändern umschlossen waren. Diese waren es auch, die tief rot verfärbt waren, als wären sie entzündet. Doch es gab sonst keinerlei Anzeichen für eine Entzündung. Keine Schwellung. Nichts. Diese Narben häuften sich auf den Schulterblättern und mittig im unteren Bereich seines Rückens.

Vorsichtig streckte Steve die Hand aus und führte eine Hand an die Ansammlung von Kratern an der rechten Schulter. Ein seltsames Empfinden beschlich ihn, als seine Fingerspitzen in Kontakt mit der geschundenen Haut kamen. Als würden die Wunden ihn ablehnen, nicht angefasst werden wollen.

Irritiert beugte Steve sich etwas näher ran. Sie sahen aus wie gewöhnliche schlecht verheilte Wunden. Doch als er seine Hand wieder wegzog, kibbelten seine Finger. Als wären sie eingeschlafen und nun würde das Gefühl in sie zurückkriechen. Er wiederholte es mit dem gleichen Ergebnis. War das Lokis Magie, die weiterhin versuchte diese Wunden zu schließen?

Erst als seine Sicht verschwamm, merkte Steve, dass ihm Tränen in die Augen gekrochen waren. Schnell wischte er sie weg und drehte seinen Freund vorsichtig auf den Rücken zurück. Doch der Anblick wurde nicht angenehmer. Seine Brust sah ebenso aus. Völlig vernarbt. Abwechselnd weiße und rote Narben, Erhöhungen und Vertiefungen, Unebenheiten, Stellen an denen die roten Narben sich häuften. Nur nicht in gleichem Ausmaß.

Als die erste Träne über Steves Wange lief, zwang dieser sich aufzuhören zu starren. Nur um sicher zu gehen, holte er Fenrir aus der Schublade seines Nachttisches hervor, ignorierte das vertraute Gefühl bei Hautkontakt, als würde der Dolch ihn begrüßen und legte ihn in Lokis Hand. Kurz wartete er ab, doch es geschah nichts. Würde Steve es überhaupt sehen, wenn der Heilzauber sich aktivierte? Er hatte keine Ahnung. Warum wusste er das nicht? Wieso hatte er nicht gefragt, als er es noch hatte können?

Wütend auf sich selbst legte er die Waffe zurück in die Schublade. Wenn etwas passieren würde, dann wäre es das längst. Außerdem glaubte er nicht wirklich, dass Loki sich hier an der Schwelle des Todes befand. Er sah zu, dass er den Asgardier unter die Bettdecke bekam und legte sich einfach dazu, zog Loki an sich, vergrub seine Nase in den dunklen Haaren und ließ dann erst zu, dass seine eigene Verzweiflung ihn mit sich riss.

Der Rest des Tages, sowie die Nacht blieben ereignislos. Erst am nächsten Morgen informierte Jarvis ihn, dass sowohl Tony als auch Bruce darum baten – Bruce bat, Tony verlangte – eingelassen zu werden, um Loki sehen zu können.

Als sie eintraten, hatten sie auch Pepper dabei. Steve hatte sich nicht von Lokis Seite wegbewegt, lediglich im Bett aufgesetzt, trug noch seine gestrigen Klamotten und hielt eine von Lokis Händen fest, als seine Freunde eintraten.

„Hat er mit dir gesprochen?“, fragte Bruce leise, als er sich an die Bettkante setzte und kritisch den schlafenden Asgardier betrachtete. Er schob einige der schwarzen Strähnen aus dem blassen Gesicht und drehte es etwas hin und her, um es komplett zu betrachten.

Als Antwort schüttelte Steve lediglich den Kopf.

„Ist direkt eingeschlafen, wie?“, wollte Tony wissen und warf Steve einen prüfenden Blick zu. Dieser nicke nur. Er fürchtete, sobald er den Mund aufmachte, würde er nur wieder in Tränen ausbrechen.

„Ist er verletzt?“, ergriff Bruce erneut das Wort.

Als Steve diesmal mit dem Kopf schüttelte, ging Pepper um das Bett herum, setzte sich direkt an ihn heran und schloss ihn in ihre Arme. Ihre Stirn legte sie an seine Schläfe.

„Wir klären das alles mit ihm.“, versicherte sie ihm und rieb mit einer Hand aufmunternd über seinen Rücken. Die erste Träne floss über Steves Wange. Er ignorierte das.

„Ja.“, stimmte Tony zu. Sein Blick war starr auf das schlafende Gesicht des Asgardiers gerichtet.

„Okay.“, durchschnitt Bruce die Stille nach einigen Minuten in dem Steve versucht hatte nicht loszuheulen, Pepper dafür still damit angefangen und Tony einfach stumm weitergestarrt hatte. „Ich schätze, du legst keinen Wert auf Gesellschaft?“ Die leichte Hoffnung schwang in seiner Stimme mit, dass er sich irrte. Oder zumindest glaubte Steve das herauszuhören. Er löste seinen Blick von der schmalen Hand in seiner eigenen, die im Vergleich wie eine Pranke aussah und drehte den Kopf etwas zur Seite.

Mit deutlicher Verzweiflung im Gesicht besah Bruce sich den Asgardier. Es war eindeutig, dass er sich nicht von seinem Fleck wegbewegen wollte. Dass er hier sitzen und warten wollte.

„Nein.“, bestätigte Steve dennoch. Es fühlte sich schlecht an, ihm das zu verweigern. Aber er wollte niemanden hierhaben. Er wollte einfach daliegen, mit Loki in seinen Armen und vor sich hin weinen.

Normalerweise war die Anwesenheit seiner Freunde hilfreich, doch hier empfand er sie eher als störend. Außerdem befürchtete er seinen Freund nur noch mehr Stress auszusetzen, wenn er erwachte und sich von so vielen Leuten umringt sah.

Er hasste es, dass er so fühlte. „Tut mir leid.“, fügte er also gleich hinzu und ließ seinen Kopf etwas nach vorne in seine freie Hand fallen. Einige weitere Tränen befreiten sich aus seinen Augen, bevor er den Fluss stoppen konnte. Ihm war es ja auch nicht verweigert worden bei Pepper zu sein, bis sie nach ihrer OP aufgewacht und dann noch einige Stunden, bis ihr Zustand geklärt gewesen war. Und selbst dann war er nur widerwillig gegangen. „Natürlich, kannst du hierbleiben.“

„Nicht, dass du uns davon abhalten könntest.“ Missgelaunt zog Tony sich einen Stuhl heran und setzte sich darauf in einer Manier die eindeutig aussagte, dass er ihn schon heraustragen müsste, wenn er ihn nicht hierhaben wollte. Trotzig verschränkte er die Arme vor der Brust, offenbar deutlich beleidigt von der ersten Antwort. Der scharfe Blick, der Steve traf, ließ seine Eingeweide sich zusammenkrampfen.

Die nächsten Stunden verbrachten sie in gemeinsamem Schweigen, während sie alle den Asgardier in ihrer Mitte anstarrten. Irgendwann verließ Tony das Zimmer nachdem Jarvis ihn auf einen Termin in Zusammenhang mit Stark Industies aufmerksam gemacht hatte. Einige Zeit später musste auch Pepper gehen als ihr Termin zur Physiotherapie näher rückte. Es schien Bruce nervös zu machen mit ihm allein zu sein und er sah immer wieder zu Steve, als wollte er etwas sagen. Doch jedes Mal verwarf er dieses Vorhaben offenbar wieder und sah gequält zurück auf Loki. Bevor sich dieses Verhalten in unregelmäßigen Abständen wiederholte.

Schließlich platzten Pepper, Clint und Natascha mit Essen herein und zwangen Steve dazu etwas zu sich zu nehmen. Keiner von ihnen verließ danach den Raum wieder. Stattdessen gesellte sich Tony irgendwann wieder dazu. Sie erzählten ihm, was sich zugetragen hatte, als Loki im Tower aufgetaucht war. Erst spät abends wurde es wieder ruhiger. Und Tony verließ das Zimmer als letztes mit Pepper. Sicherlich auch nur deshalb, weil Pepper mit ihrer malträtierten Halswirbelsäule ein richtiges Bett zum Schlafen brauchte und er sie auf keinen Fall alleine lassen würde.

Steve sank wieder zurück in sein Bett und zog seinen Freund an sich. Diesmal kamen keine Tränen mehr. Diese Nacht wurde unruhiger. Immer wieder schienen Loki Albträume zu plagen, die Steve aber schaffte mit gutem Zureden zu verscheuchen ohne ihn aufzuwecken.

Ohne genau zu wissen warum, erwachte Steve schließlich in den frühen Morgenstunden erneut. Alles war ruhig. Kein gequältes Stöhnen, kein unruhiges Herumwälzen, kein hektisches Atmen neben ihm, das ihn aufgeweckt haben könnte. Prüfend öffnete er eines seiner Augen einen spaltbreit.

Loki war weg.

Sofort panisch riss er die Augen auf. Als gäbe es die Möglichkeit ihn einfach übersehen zu haben, tastete Steve den Platz neben sich ab, nur um festzustellen, dass dort tatsächlich nichts war. Voller Adrenalin und mit Jarvis Namen auf den Lippen setzte er sich auf. Und stockte.

Loki stand am Fußende des Bettes. Eine schlichte dunkelgrüne Tunika kleidete ihn und seine Haare waren nun auch wieder länger, so wie Steve sie kannte. Dunkle Strähnen fielen ihm ungeordnet ins Gesicht und verdunkelten es in dem Zwielicht des frühen Morgens zusätzlich. Trotzdem schienen seine grünen Augen fast zu glühen und sein nichtssagender, bohrender Blick war direkt auf ihn gerichtet.

„Lo…ki.“ Es klang kratziger als Steve erwartet hatte. Vorsichtig, fast als wollte er ihn nicht verschrecken, schob er die Bettdecke von sich, ohne ihn auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Langsam kletterte Steve aus dem Bett. Doch als er den ersten Schritt auf seinen Freund zumachte, wich dieser sofort zurück. Die feinen Augenbrauen zogen sich zusammen und er richtete den Blick auf den Boden.

Unsicher blieb der Soldat wieder stehen. Was in aller Welt sollte er tun. Er konnte sich glücklich schätzen, dass Loki überhaupt noch hier war, so wie es schien.

Ein verzweifeltes Lachen durchbrach die Stille schließlich. „Ich hatte dich gewarnt.“ Grüne Augen sahen ihn an und sofort wieder weg. Als traue er sich nicht ihn länger anzuschauen. „Ich sagte, ich würde dir weh tun.“

„Und ich sagte, ich würde das Risiko eingehen.“ Erneut trat er einen Schritt auf den anderen Mann zu. Doch es erfolgte die gleiche Reaktion.

„Das ist lächerlich.“ Wieder lachte der Asgardier leise. Mit einer Hand fuhr er sich über das Gesicht und strich die schwarzen Strähnen in deren Weg nach hinten. Es ließ etwas mehr Licht auf die blasse Haut fallen und verjagte einige der dunkleren Schatten. „Ich denke, es ist das Beste, das hier zu beenden.“, fügte er hinzu.

„Das lehne ich ab.“, widersprach Steve augenblicklich und mit deutlich festerer Stimme als er sich selbst zugetraut hätte. Zu seiner eigenen Verzweiflung und Unsicherheit mischte sich plötzlich Entschlossenheit. „Wenn du kein Interesse an mir hast, das ist ein Grund es zu beenden. Aber diesen ´Ich-bin-nicht-gut-für-dich´-Quatsch akzeptiere ich nicht!“ Als er diesmal auf ihn zuging, ließ er sich nicht davon abhalten, dass Loki bis an die Wand nach hinten zurückwich. Er sah ihn immer noch nicht an und als Steve ihn in eine Umarmung zog, spürte er ihn zittern. „Es ist gut, Loki.“ Er drückte einen Kuss gegen seine Schläfe. „Wir kriegen das hin.“, redete er ihm gut zu. Auch wenn ihm selbst nicht so richtig klar war, was er damit meinte. Um irgendetwas hinzukriegen, musste man zumindest eine Vorstellung davon haben, was eigentlich falsch lief. Steve hatte viele Vorstellungen davon. Auch befürchtete er, dass keine so richtig wiederspiegelte, was der Wahrheit entsprach.

„Es tut mir so leid.“, flüsterte der Asgardier nach einiger Zeit in seinen Armen. Seine Hände krallten sich in Steves Shirt und er ließ sich gegen ihn sinken. Endlich.

„Ich weiß.“, antwortete der Soldat ihm.

Die nächste Zeit standen sie einfach da. Loki vergrub sein Gesicht an seiner Schulter und gab kaum ein Geräusch von sich. Doch anhand des Zitterns und Bebens seines gesamten Körpers war es kaum zu übersehen, dass auch er sich einiger Tränen entledigte. Geduldig wartete Steve, strich ihm beruhigend über den Rücken und hoffte, dass es half.

Irgendwann schob Loki die Hände zwischen sie und drückte Steve ein Stück von sich. Unsicher sah er ihn an und wischte sich schnell über die Wangen, als wolle er noch vertuschen, dass er geweint hatte. Doch ob mit oder ohne die Tränenspuren auf seinen Wangen, die aufgequollenen und rot unterlaufenen Augen verrieten ihn sofort. Ebenso wie die Feuchtigkeit, die in Steves Shirt an entsprechender Stelle gesickert war.

„Besser?“, fragte Steve. Er lockerte seine Umarmung, hielt seinen Freund aber weiterhin fest.

Nickend wandte dieser den Blick wieder ab. „Okay.“ Damit beugte Steve sich vor und drückte seine Lippen gegen die des Asgardiers. Es war nur eine kurze Berührung, die nichtsdestotrotz sich Wärme in seiner Brust ausbreiten ließ. Als er sich wieder zurücklehnte, wurde er mit einer Mischung aus Überraschung und Misstrauen beäugt. Schon fast aus Trotz beugte Steve sich erneut vor und küsste ihn. Diesmal länger und intensiver. Automatisch drückte er ihn dabei gegen die Wand. Es dauerte nicht lange, bis Loki den Kuss erwiderte. Zurückhaltend und vorsichtig, aber er tat es.

Mit einem Lächeln auf den Lippen, beugte Steve sich schließlich wieder etwas zurück. „Ich…“, fing er an. Doch seine Liebeserklärung blieb ihm im Hals stecken, als er in Lokis Augen sah. Die roten Äderchen waren verschwunden, ebenso wie die aufgedunsene Haut unter den Augen. Alarmiert beugte Steve sich weiter zurück. Selbst die Wangen wirkten etwas voller und seine Haare schienen ordentlich über seine Schultern zu fallen.

„Was soll das?!“, verlangte Steve zu wissen. Es klang harscher als er beabsichtigt hatte.

Irritiert erwiderte Loki seinen Blick. „Wieso in aller Welt tust du das?“ Als Steve eine Hand anhob, um durch die schwarzen Strähnen zu streichen und seinen Verdacht zu bestätigen, zuckte der Asgardier zurück. Es versetzte dem Soldaten einen weiteren Stich ins Herz. Einen Moment lang schien es, als wollte Loki sich aus der eingeengten Position befreien, doch dann ließ er es und richtete seinen Blick nach unten.

Langsam ließ Steve seine Hand wieder sinken. Für einen Moment übermannte ihn das Gefühl von Hilflosigkeit. Dann beugte er sich vor, bis seine Stirn die von Loki berührte und griff nach seinen Händen, die er fest umklammerte. „Warum versteckst du dich hinter einer Illusion?“, stellte er seine Frage erneut. Diesmal achtete er auf eine ruhige Tonlage.

„Ich verstehe nicht, wieso es dich dermaßen aufregt.“, ergriff Loki nach einigen Sekunden das Wort. „Es ist eine Verbesserung. Wenn du mir nur sagen würdest, was dich ansprechen würde, könnte ich…“, fügte er dann noch hinzu.

„Du brauchst keine Verbesserung.“, entgegnete Steve direkt erneut mit mehr Nachdruck als er vorgehabt hatte. Das letzte Wort presste er geradezu heraus. Das Thema machte ihn wütend. Nicht auf Loki. Auf niemand bestimmten. Einfach auf die Tatsache an sich. Zumindest bis er herausgefunden hatte, wer seinem Freund solche Gedanken in den Kopf gesetzt hatte. Dann würde seine Wut sich auf diese Person konzentrieren.

Er spürte wie der Asgardier sich verkrampfte und versuchte ihm seine Hände zu entziehen, was Steve tunlichst verhinderte. Als Loki seinen Kopf wegzog, sah er wieder hoch. Eine Mischung aus Schmerz, Angst und Verzweiflung hatte sich in seinem blassen Gesicht breit gemacht. Wieder mied er Blickkontakt. Die Situation war ihm nun anscheinend unangenehm genug, denn er versuchte sich aus seiner Position zu befreien. Doch mehr Freiraum als einen halben Schritt zurückzutreten, gab ihm der Soldat nicht.

„Lass mich los!“, verlangte Loki schließlich und zog und zerrte an seinen Händen.

„Versprich mir, dass du nicht einfach verschwindest.“, verlangte Steve im Gegenzug. Der Asgardier sah auf. Diese Unsicherheit in den grünen Iriden war wie ein Schlag ins Gesicht. „Du kannst nicht jedes Mal davonrennen, wenn wir einander nicht verstehen.“, fügte er also hinzu.

Loki warf ihm einen Blick zu, der offensichtlich die Information transportierte, dass er das sehr wohl konnte. Doch ansonsten blieb er stumm.

„Loki, ich will nichts an deinem Äußeren ändern. So wie du aussiehst, bist du unglaublich attraktiv.“, sagte Steve also und sprach damit genau das an, was Natascha als Auslöser für Lokis Ausbruch beim letzten Mal angesprochen hatte. Er fühlte sich sicher genug in der jetzigen Umgebung. Selbst wenn es zu Handgreiflichkeiten kam, war niemand hier, der in das Kreuzfeuer geraten könnte. Außerdem wusste Steve, dass er ihm nicht erneut vorwerfen würde ihn lediglich zu manipulieren. Er hatte eingesehen, dass das ein Fehler gewesen war. Sonst hätte er sich nicht küssen lassen.

„Hör auf!“, verlangte Loki gereizt und sah ihn warnend an. Diese Reaktion bestätigte nur Nataschas Auslegung. Auch wenn Steve bislang nicht verstand warum das so ein gravierendes Thema für Loki war, es war offensichtlich von großer Bedeutung für ihn.

„Du bist unglaublich gutaussehend.“, reizte Steve ihn erneut als der Asgardier nicht den Anschein machte sein Verhalten zu erklären.

„Hör auf zu lügen!“, brüllte er ihm diesmal entgegen.

„Ich lüge nicht.“, widersprach Steve.

„Natürlich lügst du! Jeder lügt! Jeder, der mir auf diese Weise schmeichelt, will irgendetwas! Die Frage ist nur, warum hast du das nötig!? Warum glaubst du mir diese Lüge unterjubeln zu müssen? Auf Asgard war die Motivation klar. Und ohnehin, so gut wie niemand hätte es gewagt dem Sohn Odins ins Gesicht zu sagen welch Missgeburt er ist! Doch was hast du davon!? Es ist nicht, um mich gefügig zu machen, das sehe ich ein und du besitzt mich bereits, also warum bei den Nornen, solltest du darauf versessen sein mir diesen Blödsinn weißmachen zu wollen!?“

„Wer?“, verlangte Steve zu wissen. Wut kochte in ihm. „Wer hat dir so etwas erzählt? War es Thor?“ Denn es musste jemand gewesen sein, der ihm Nahe genug war, um ihn damit zu verletzen. Auch wenn Steve kaum selber glaubte, dass Thor die Fähigkeiten hätte jemanden derart zu verletzen. Er glaubte ja nicht einmal, dass der gutmütige Donnergott überhaupt fähig war solche Gedankengänge zu haben. Erst recht nicht in Bezug auf Loki, den er so sehr liebte und vermisste.

„Ganz Asgard! Ich bin sehr wohl in der Lage sie auszuhorchen, ohne bemerkt zu werden.“ Wütend stieß er Steve weg. Doch es brachte kaum etwas. Er machte lediglich einen Ausweichschritt nach hinten, bevor er die Lücke zwischen ihnen erneut schloss. „Hinter meinem Rücken sprechen sie darüber, dass sie mich an Friggas Stelle direkt nach der Geburt erschlagen hätten, bevor sie je zugegeben hätten etwas wie mich aus sich herausgepresst zu haben! Und wundern sich wie Odin nur hatte zulassen können, dass ihre Hormone die Überhand gewannen, sodass ich ihr Ansehen in den Dreck ziehe! Ich bin eine Abnormität! Ein Exot, wenn man nicht gewillt ist zu sehr zu lügen! Ich kenne die Meinung des Volkes über mich!“

Fassungslos starrte Steve Loki an.

„Also hör auf mit diesen Spielchen, Steve. Sag mir einfach, was es ist, das du willst!“

Mit wild klopfendem Herzen, legte Steve seine Hand an Lokis Wange und trat wieder näher heran. Ersteres akzeptierte der Asgardier noch ohne zu murren, doch die Nähe schien ihm dann doch unangenehm und er versuchte zur Seite auszuweichen, stieß mit dem Kleiderschrank zusammen und hatte sich somit nur in eine Ecke manövriert.

Steves erster Impuls war es sofort abzustreiten, dass er ihn in irgendeiner Form manipulieren wollte. Doch das hatte bei Loki bislang ja auch nichts gebracht. Außer Widerstand. Er war anscheinend in einer Gedankenschleife gefangen, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatte. Zumindest nicht hier. Also sprach er das an, was ihm selbst so sehr missfiel. Was ihm beim Zuhören nur einen weiteren Dolch ins Herz getrieben hatte.

„Du traust mir zu, dass ich dich damit belügen würde, um dich auszutricksen?“, hakte er also nach. Es dauerte einen Moment, doch dann gefror die Wut in Lokis Gesichtszügen und er schien unsicher zu werden. Sein Blick bohrte sich geradezu in Steves.

„Warum behauptest du es dann?“, wollte der Asgardier schließlich wissen.

„Weil es die Wahrheit ist.“ Er sah Loki schon Luft holen, um zu widersprechen. „Ich weiß nicht, was mit den Leuten auf Asgard ist. Ich weiß nur, dass dich hier niemals jemand so sehen würde.“, sagte er schnell noch. Das ließ Loki den Mund wieder zuklappen und etwas überrascht dreinblicken.

„Ich gebe zu, in dem Bereich habe ich über mögliche kulturelle Unterschiede nicht nachgedacht.“, sagte Loki dann mit deutlicher Vorsicht in der Stimme. Misstrauisch musterte er Steve.

„Du bist zu dünn. Viel zu dünn. Das ist das einzige, was ich an dir geändert sehen will.“ Diesmal ließ Loki ihn näher herantreten. „Aber nicht durch deine Illusionen. Das Thema hatten wir bereits.“

„Ja.“, gab Loki zu und seufzte. Im nächsten Moment waren seine Wangen wieder eingefallen und die Haare standen wirr in alle Richtungen ab.

Lächelnd strich Steve ihm durch die schwarzen Strähnen. „Du bist unfassbar gutaussehend.“

Sofort spannte Lokis gesamter Körper sich an. Und Wut flackerte in den grünen von roten Äderchen umgebenen Iriden auf. Es war traurig, wie automatisch der Widerstand gegen diese Worte sich in Loki manifestierte. „Du solltest dich daran gewöhnen.“, fügte Steve hinzu. Offenbar würde es eine Weile dauern, bis sein Freund diesen Gedanken zulassen würde. Er lehnte sich vor und drückte erneut seine Lippen auf Lokis. „Verschwinde nie wieder einfach so.“

Beschämt sah Loki zu Boden. „Ich…“, fing er an, gab dann ein frustriertes Geräusch von sich und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. Die Worte schienen ihm zu fehlen um seinen Zustand zu beschreiben. Er öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder ohne einen Ton von sich zu geben. Es dauerte einen weiteren Moment, bis er dann doch das Wort ergriff. „Ich vermag nicht zu sagen, warum ich nicht fähig war die Fehler in meinen Gedankengängen direkt auszumachen. Zu dem Zeitpunkt, wirkten meine Schlussfolgerungen völlig logisch.“

„Loki, ich würde niemals…“, fing Steve an, wurde aber sofort unterbrochen.

„Ich weiß!“ Hecktisch sah der Asgardier auf und ihm direkt in die Augen. Er hob die Hände an, als wollte er sie Steve an die Brust legen, ließ sie dann aber wieder unverrichteter Dinge an seine Seiten sinken. „Ich weiß.“, wiederholte er ruhiger. Nachdenklich starrte er wieder nach unten.

„Wie fühlst du dich jetzt?“, fragte Steve nach einer Weile.

„Wie ein Narr.“ Bitter lachte er kurz auf, ließ sich aber an den Händen nehmen und zurück zum Bett führen, wo Steve ihn auf seinen Schoß zog. Sie waren einander zugewandt und Steve musste den Kopf etwas nach hinten kippen, um dem Asgardier ins Gesicht blicken zu können. Eine Perspektive die er schon immer genossen hatte. Egal wie dunkel es um sie herum war und welche Schatten auf dem blassen Gesicht lagen, die grünen Augen schienen immer heller zu sein, als sie sollten, hoben sich ab von ihrem Umfeld. Als würden sie ein schwaches Leuchten ausstrahlen und sich gegen die natürlichen Lichtverhältnisse wehren.

„Auf Asgard wärst du stets von einer Schar an Bewunderern umgeben, die kontinuierlich um deine Gunst buhlen würden. Du könntet kaum auf die Straße treten ohne sofort jegliche Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen.“, sinnierte Loki vor sich hin. Hauchzart legten sich Fingerspitzen an Steves Schläfe und fuhren sachte herab über die Wange und zu seinen Lippen.

„Warum?“, fragte Steve. Ihm war schon klar in Anbetracht der vergangenen Geschehnisse, dass er selbst irgendwie ein gewisses Schönheitsideal erfüllen musste. Doch was dieses genau beinhaltete, wusste er nicht. Ja, es hatte irgendetwas damit zu tun, dass er blond war. Wahrscheinlich auch mit seinen blauen Augen. Aber die Art, wie Loki darüber sprach, konnte doch nicht allein aufgrund dieser Äußerlichkeiten entstehen? „Was ist es, das mir soviel Aufmerksamkeit einbringen würde?“ Vielleicht würde es Steve helfen, wenn er verstand, was Loki in ihm sah. Einen Moment wirkte es, als würde sein Freund diese Frage ignorieren. Als würde er weiterhin schweigen und sich vor ihm verschließen. Er sah ihn an, als suche er etwas in seinen Augen. Schlanke Finger fuhren durch seine kurzen Haare und ein Lächeln legte sich auf blasse Lippen.

„Du bist geradezu der Archetyp asgardischer Vorlieben.“, sprach Loki letztendlich doch weiter. „Goldenes Haar, Augen der Farbe strahlenden Himmels, ein Körper dem man seine Stärke ansieht, hauchzart sonnengeküsste Haut. Hinzukommend deine Freundschaft zum Kronprinzen, dein militärischer Rang und die Fähigkeit diesen zu rechtfertigen. Selbst die hohen Lords und Ladies würden sich darum reißen dich als Schmuckstück an ihrem Arm präsentieren zu dürfen. Das Prestige, das du ihnen brächtest, wäre enorm.“

So verzaubernd der Anfang dieser Erklärung auch war, so abstoßend war das Ende. Steve wollte kein Schmuckstück sein. Er musste entsprechend das Gesicht verzogen haben, denn Loki fing leise an zu lachen.

„Es wäre kein Problem, dass ich ein Mensch bin?“, hakte Steve weiter nach, hoffend dass die Antwort ihm eher eine Antwort darauf geben würde, wie Loki selbst darüber dachte.

„Höchstens ein Vorteil für diejenigen, die lediglich an deinem Status und weniger an dir selbst interessiert wären.“ Mit den Augen rollend sah Loki wieder weg als würde der bloße Gedanken daran ihn ermüden.

„Wie meinst du das?“, wollte Steve also wissen und versuchte seinen Blick wieder einzufangen.

„Midgardier werden lediglich einige Jahrzehnte alt. Solltest du vergehen während du offiziell einen engeren Bund mit jemandem hast, würde das Prestige, das du brachtest, demjenigen erhalten bleiben.“

Diesmal spürte er selbst, wie sein Gesicht sich unzufrieden verzog. Loki lachte jedoch nicht.

„Wie alt werden Asgardier?“, fragte er als nächstes ohne sich sicher zu sein wirklich eine Antwort haben zu wollen.

„Durchschnittliche Asgardier leben inzwischen ungefähr 5000 Jahre lang.“, antwortete ihm Loki nach einer Weile des Schweigens. „Aber es können teils starke Fluktuationen auftreten. Durch Präsentation Goldener Äpfel zur Volljährigkeit wird versucht diese Differenzen auszugleichen, jedoch ist unbekannt welche Effekte dadurch noch erzielt werden können. Es ist eher symbolisch.“

Mit einer Mischung aus Erstaunen und Verwirrung starrte Steve seinen Freund an. Er hatte ja gewusst, dass Asgardier deutlich älter wurden. Aber 5000 Jahre!? Loki sah aus wie Mitte zwanzig!

„Wie alt bist du?“, wollte er dann wissen.

„1049.“

Stille breitete sich erneut aus. Wenigstens lag Steve gar nicht so weit daneben. Umgerechnet war das ja Mitte zwanzig. Glaubte er.

„Ist das ein Problem?“, durchbrach Loki schließlich die Stille. Und Steve fand keine Worte. Er wusste, dass es ihn schon zu den Zeiten der Wikinger gegeben haben musste, ansonsten hätte es keine Legenden geben können. Doch die Zahl wirkte nun so einschüchternd. Und nicht nur sein momentanes Alter, sondern auch seine Lebenserwartung. Wie lange würde es dauern, bis Loki sich nicht einmal mehr an ihn erinnern würde? Die Zeit, die ihnen zusammen zur Verfügung stand, war, wenn er es auf ein menschliches Leben umrechnete, kaum erwähnenswert.

„Ist es das für dich?“, stellte er also lieber eine Gegenfrage, als sich durch den Wust an wirren Gedanken wühlen zu müssen, die auf ihn einprasselten. Als Antwort darauf, beugte der Asgardier sich nach unten, schloss die Augen und drückte ihre Lippen aufeinander. Ob Loki Emma noch darstellen würde, wenn er 80 war und die Illusion erschaffen würde, dass sie gemeinsam gealtert waren? Aber das war eher unwahrscheinlich. Steves Attraktivität würde sich bis dahin in Luft aufgelöst haben. Das einzige, das ihm dann vielleicht noch bleiben würde, wären seine Augen von der Farbe des Himmels. Er wagte zu bezweifeln, dass das einen Gott halten würde.

Seine Augen fielen zu, als Lokis Zunge seine anstupste. Bereitwillig ließ er sich auf einen innigen Kuss ein, der ihm das Gefühl verlieh genau dort zu sein, wo er sein musste und sollte. Dass egal war, dass in einigen Jahren, einem Wimpernschlag für Loki, das hier bereits der Vergangenheit angehören würde. Allmählich konnte er fühlen, wie sein Verstand sich ausschaltete und Geschmack, Geruch und Tastsinn deutlich mehr Informationen lieferten als sie normalerweise taten. Seinem Bedürfnis folgend, legte er seine Hände auf den Hüften seines Freundes ab, zog ihn näher. Ein Kribbeln im Nacken machte sich breit als Loki eine seiner Hände dort platzierte, die schlanken Finger in seine kurzen goldenen Haare hineinleitend, während die andere an seiner Schulter ruhte. Lokis Haare kitzelten ihn angenehm im Gesicht. Jeder Atemzug hinterließ Gänsehaut an den davon berührten Stellen.

Viel zu schnell löste sein Freund sich wieder von ihm und Steve spürte sich nach vorne lehnen, als wollte er seine Lippen wieder einfangen. Vergeblich. Etwas desorientiert und schwindlig öffnete er die Augen. Zwei grüne Juwelen schwebten über ihm. Eine undefinierbare Ansammlung an Emotionen spiegelte sich darin wider und die Farbe schien sich in dem ihr gegebenen Raum zu Bewegen wie Nebel. Steve fühlte sich im ersten Moment als wäre er betrunken. Ein Gefühl, dass er schon lange nicht mehr gehabt hatte. Als seine Gedanken sich wieder klärten, war der Nebel verschwunden und die Emotionen unter Kontrolle.

Zufrieden lächelte Loki auf ihn herab. Ein knappes `Wow´ entkam Steves Lippen. Direkt gefolgt von dem Verlangen den Asgardier einfach zur Seite aufs Bett zu werfen, auf ihn zu klettern, seine blassen Lippen blutrot zu küssen, ihm die Kleider vom Leib zu reißen und das zu tun, was das Internet ihm an Informationen in den letzten Wochen gegeben hatte über gleichgeschlechtlichen Verkehr. Alles davon.

Und gleich darauf sah er vor seinem inneren Auge die panische Reaktion, die sein Freund haben würde. Wie er schreien und versuchen würde sich loszureißen. Möglicherweise würde er Steve erneut durch die Luft segeln lassen. Das Verlangen erstarb jäh wieder.

„Du hast nicht viel gegessen, während du weg warst.“, änderte er stattdessen das Thema. Denn er befürchtete trotzdem etwas dummes zu tun, wenn er seine Gedanken nicht in eine andere Richtung lenkte. Fast andächtig schob er eine der schwarzen, Strähnen aus dem Gesicht seines Freundes. Seine andere Hand legte er auf Lokis Oberschenkel ab.

„Nahrungsaufnahme war nicht wirklich eine Priorität.“ Loki mied seinen Blick als er antwortete. Eine solche Antwort hatte Steve bereits befürchtet. Auch wenn ihm nicht ganz klar war, was so hoch an Prioritäten liegen sollte, dass er zwei Wochen lang kaum gegessen hatte. Oder zumindest einen Teil dieser Zeit.

„Du behinderst damit deine eigene Genesung. Das weißt du.“

Ein leerer Blick traf ihn. Nichtssagende grüne Augen sahen ihn an und dann zu Boden.

Eiskalt lief es Steve den Rücken herab. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals als er realisierte, dass auch das keine Bedeutung für seinen Freund gehabt hatte.

„Was hast du die beiden Wochen getan?“, wollte er dann wissen.

Wieder verging einige Zeit, bis Loki sich äußerte. „Ich habe nach den Toren dieser Welt gesucht.“

Der Soldat zog irritiert die Augenbrauen zusammen. „Tore dieser Welt? Was ist das?“ Und was in aller Welt war daran so wichtig die eigene Nahrungsaufnahme dafür zu ignorieren?

„Wege in die anderen Welten entlang von Yggdrasil.“, kam es ruhig als Antwort. Steve brauchte einen Moment, um die Information einzusortieren. „Ich wusste, dass ich sie mit meiner momentanen Kraft höchstwahrscheinlich nicht von alleine aufzerren könnte. Mit der Konvergenz so nahe, hatte ich gehofft die Verschlüsse geschwächt genug vorzufinden. Ich habe mich getäuscht.“

„Du wolltest die Erde verlassen.“ Es war keine Frage. Loki hatte es ja gerade gesagt. Er hatte sie einfach unwissend über seinen Verbleib hier zurücklassen wollen. Hatte einfach abhauen wollen. „Wir hätten dich nie wiedergesehen.“, fügte Steve dann noch leise hinzu.

„Nein.“, stimmte Loki zu. „Hättet ihr nicht.“

Mit wild klopfendem Herzen starrte Steve seinen Freund an. Sein Mund schien völlig auszutrocknen und er spürte seine Hände leicht zittern. Dann brach Loki den Blickkontakt, krümmte sich etwas zusammen und legte das Gesicht in seine Hände.

„Ich ging nicht davon aus hier noch willkommen zu sein.“, murmelte er zwischen seinen Fingern hindurch.

„Du hast dich geirrt.“

„Nicht das erste Mal seit ich hier bin.“

Ohne ein weiteres Wort, schlang Steve seine Arme um den Asgardier und zog ihn an sich heran. Lokis Stirn kam auf seiner Schulter zum Ruhen. Es dauerte einen Moment bis die filigranen Finger ihren Weg zu seinem Rücken fanden und sich dort in sein T-Shirt krallten.



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