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Ich bin doch kein Wolf!

von

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Auch Lügen sind Rudeltiere

Ich starrte verblüfft auf die Nummer, dann nahm ich ab.

„Ja?“

„Hallo Ricci, hier ist Mariam. Tut mir Leid dass ich mich nicht mehr gemeldet habe. Ich dachte das wäre besser so. Aber Hector sagt du könntest jetzt eine Freundin gebrauchen. Ich bin in einer Dreiviertelstunde am Bahnhof, holst du mich ab?“

Ich war völlig überrumpelt, ich brauchte einen Moment um mich zu sammeln, aber dann sagte ich ihr zu. Ich hatte ja mit vielem gerechnet, aber nicht damit dass Hector seine Schwester mit hineinziehen würde. Ihm lag wohl wirklich viel daran mich von Georg fern zu halten, und ich würde ihm da sicher keine Steine in den Weg legen.

Außerdem freute ich mich auf das Wiedersehen.

Aber vorher musste noch eine Sache geklärt werden.

Ich zog mein Handy wieder aus der Tasche und schickte Hector eine Nachricht.

„Hallo, hab gerade mit Mariam gesprochen. Danke. Was hast du ihr erzählt?“

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

„Kein Ding ;) Nur das nötigste, dass du bisschen Stress im Rudel hast. Nichts von Georg. Das kannst du selbst machen.“

Ich steckte das Handy weg und atmete tief durch. Das hatte ich hören wollen. Damit hatte ich die Möglichkeit meinen Zwist mit Georg außen vorzulassen ohne unhöflich zu wirken. Mariam würde sicher nicht nur herkommen um mir stillschweigend das Händchen zu halten, aber ich fühlte mich einfach noch nicht bereit dazu noch jemandem von meinen Problemen zu erzählen. Also mussten meine  Niederlagen als Thema ausreichen.

Ein kleines bisschen schlechtes Gewissen hatte ich schon, immerhin kam Mariam extra angereist um sich meine Sorgen anzuhören, und ich würde sie nur mit dem nötigsten abspeisen. Aber damit hätte Hector auch rechnen können, er hatte ja gemerkt wie viel Überwindung es mich gekostet hatte selbst ihm von meinen Problemen mit Georg zu berichten. Und egal wie sehr ich Mariam mochte, so gesehen war sie eine Fremde für mich. Ein hübsches Mädchen, ja, bei dem ich wirklich gerne Chancen gehabt hätte, aber niemand mit dem ich ernsthaft meine Probleme bereden wollte.

Aber nun war sie unterwegs, und ich würde mich natürlich bemühen und mich von meiner besten Seite zeigen.

 

Der Bahnhof lag genau wie unser Haus etwas außerhalb des Dorfes, das war unpraktisch, aber früher war er wohl nur für den Güter- und nicht für den Menschenverkehr angefahren worden, und bis jetzt hatte man offensichtlich noch keinen Grund gesehen seine Lage etwas besucherfreundlicher zu machen.

Mariam hatte mir noch eine Nachricht geschrieben dass ihr Vater ihr Gepäck mit dem Auto abholen würde und wir zwei dann ja einen gemütlichen Spaziergang Richtung Dorf machen könnten. Das Wetter war passend, erstaunlich warm und sonnig für diese Jahreszeit, also hatte ich nichts dagegen.

Zum Bahnhof hin brachte mich meine Mutter, trotz aller Vorfreude schmerzte mir immer noch fast jeder Knochen im Leib, und zweimal die ganze Strecke laufen traute ich mir dann doch nicht zu.

Mariam wartete bereits am Ausgang auf mich, sie trug eine dicke himbeerfarbene Jacke, schwarze Winterstiefel, und einen großen mausgrauen Schal mit passender Mütze. Sie sah hinreißend aus. Ihre ebenfalls grauen Augen strahlten als sie mich aus dem Auto steigen sah, dann verdunkelte sich ihr Blick und sie wirkte besorgt.

Natürlich, mein zerschlagenes Gesicht.

Inzwischen sah ich zwar nicht mehr ganz so ramponiert aus, aber die Blutergüsse waren immer noch als dunkle Schatten zu erkennen.

Ich begrüßte Mariam mit einem schiefen Lächeln, ich wusste nicht so recht wie ich auf sie zugehen sollte, aber sie nahm mir diese Entscheidung natürlich postwendend ab. Sie schloss mich in die Arme und küsste mich dann überraschenderweise sogar auf die Wange.

Mein Herz begann schneller zu schlagen und ich räusperte mich ein bisschen verlegen.

„Hattest du eine angenehme Fahrt?“

Mariam überhörte meine Höflichkeitsfrage und musterte mich ernst.

„War Georg das?“ sie deutete auf die blauen Flecken in meinem Gesicht, und ich schüttelte ohne schlechtes Gewissen den Kopf.

„Nein, das ist noch von meinem letzten Kampf. Da habe ich mich ja nicht gerade mit Ruhm bekleckert.“ Ich versuchte möglichst gelassen zu klingen, aber Mariam ließ sich davon nicht beeindrucken. Ihr Blick blieb weiterhin misstrauisch.

„Hector hat mir gesagt dass du Probleme hast, aber er hat mir nicht genau gesagt was das für welche sind. Aber wenn du darüber reden willst, dann bin ich für dich da!“ jetzt endlich lächelte sie wieder, und mir wurde direkt ein bisschen leichter ums Herz.

Nun war ich doch froh dass sie da war.

Ich würde ihr einfach von meinen letzten beiden Niederlagen erzählen, und vom Prüfungsstress, und damit wäre sie hoffentlich zufrieden gestellt. Ich musste Mariam ja nicht direkt anlügen, ich würde ihr einfach nur nicht alles erzählen. Bei der Sache mit Georg konnte sie mir eh nicht helfen, das konnte allerhöchstens Hector, und außerdem war sie was ihn anging nicht gerade vorurteilsfrei. Ich wollte die Sache nicht noch komplizierter machen als sie sowieso schon war.

Wir setzten uns langsam Richtung Dorf in Bewegung, Mariam hatte sich wie selbstverständlich bei mir untergehakt, und ich erzählte ihr lang und breit von meinen letzten beiden Kämpfen, und wie ich sowohl in Mathe als auch in Geschichte zu scheitern drohte. Die schulischen Probleme waren mir dabei ehrlich gesagt völlig schnuppe, die taten mir nicht weh, aber als ich jetzt die Prügeleien noch einmal Revue passieren ließ merkte ich erst dass die Niederlagen mich doch ganz schön mitgenommen hatten. Nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. In Hectors Gunst war ich zwar nicht gesunken, aber die anderen Rudelmitglieder behandelten mich seit dem zweiten verlorenen Kampf ganz öffentlich von oben herab, und das machte mir schon zu schaffen. Normalerweise fiel es mir nicht schwer Freunde zu finden. Aber die Hierarchie des Rudels legte mir unüberwindliche Steine in den Weg. Solange ich weiter verlor solange würden die anderen mich weiter schneiden. Oder im schlimmsten Fall sogar noch nachtreten.

Ich verstummte, und wir liefen eine Weile schweigend nebeneinander her. Der Wind hatte inzwischen aufgefrischt und pfiff uns eisig um die Nase, aber die Sonne schien und es war keine einzige Wolke am Himmel. Wäre unser Gesprächsthema nicht so bitterernst gewesen wäre das hier ein wirklich wundervoller Spaziergang gewesen.

Als wir das Ortsschild passierten blieb Mariam plötzlich stehen und zog ihr Handy aus der Jackentasche, sie schien etwas zu überprüfen, dann schenkte sie mir wieder ihr strahlendes Lächeln.

„Lass uns noch einen Kaffee oder einen heißen Kakao trinken gehen, ich bin völlig durchgefroren, und das lenkt dich vielleicht auch ein bisschen ab.“

Ich hatte nichts dagegen, also änderten wir unsere Route und setzten uns schließlich in das einzige Bistro des Dorfes, idyllisch gelegen direkt neben der ebenfalls einzigen Tankstelle. Ich war noch nie hier gewesen, aber es hatte schon irgendwie Charme. Der Besitzer war offensichtlich ein großer Fan amerikanischer Diner, der Boden war mit weißen und schwarzen Fliesen im Schachbrettmuster ausgelegt, es gab eine lange rot-verchromte Verkaufstheke, eine Jukebox, blinkende „Open“- und „Beer“-Reklamen, und auf der gegenüber liegende Seite eine Reihe klebrig aussehender, mit rotem Leder bezogene Sitzbänke, verteilt um tischdeckenlose Metalltische.

Um diese Uhrzeit war nicht allzu viel los, die einzigen Gäste außer uns schienen Leute auf der Durchreise zu sein, und die saßen auf den Barhockern direkt an der Theke und futterten fettige Pommes und matschig aussehende Burger.

Mariam verzog keine Miene als sie sich mir gegenüber auf eine der Lederbänke fallen ließ, sie schälte sich aus ihren dicken Winterklamotten, dann griff sie nach der fleckigen Speisekarte und grinste mir verschwörerisch zu.

„Die Burger solltest du hier meiden, aber die Sandwiches sind okay, und die Pommes auch, wenn man keine allzu hohen Ansprüche hat.“ Sie blätterte kurz, dann tippte sie mit dem Finger auf eine Stelle in der Karte.

„Aber ich denke ich werde mich auf einen großen Cappuccino mit Sahne beschränken, und du?“ Mariam schob mir die Karte zu, und ich entschied mich für einen heißen Kakao ohne alles. Es dauerte keine zehn Minuten, dann standen die dampfenden Getränke vor uns. Nach den eisigen Temperaturen draußen war das wirklich eine Wohltat, und nach den ersten beiden Schlucken begann auch meine Laune langsam wieder zu steigen.

Mariam löffelte den Schaum von ihrem Cappuccino und starrte dabei gedankenverloren aus dem Fenster, so hatte ich ein paar  Augenblicke um sie in Ruhe zu mustern.

Sie trug einen geringelten Rollkragenpullover mit grauen und dunkelgrünen Streifen, dazu unauffällige silberne Armkettchen und Perlenohrstecker. Ihr langes blondes Haar lag in einem lose geflochtenen Zopf auf ihrer linken Schulter, außerdem hatte sie ein dezentes Makeup aufgelegt.

Sie war wirklich atemberaubend.

Unter normalen Umständen wäre ich wirklich glücklich gewesen dass sich ein so hübsches Mädchen für mich interessierte, aber die Konflikte mit Georg und meine Probleme mit dem Rudel überschatteten unser Treffen wie drückende dunkle Wolken. Ich war viel zu sehr mit Grübeln beschäftigt als dass ich unsere Zweisamkeit hätte genießen können.

„Du siehst schon wieder so bedrückt aus. Woran denkst du?“ unterbrach Mariam meine trüben Gedanken, und ich zuckte erschrocken zusammen. Ich versuchte mich mit einem flüchtigen Lächeln zu retten und nippte schnell an meinem inzwischen lauwarmen Kakao. Warum war ich nur so einfach zu durchschauen? Wenn selbst Mariam mir meine Gedanken vom Gesicht ablesen konnte war es kein Wunder dass Georg mich immer wieder eiskalt erwischte.

Ich war ein offenes Buch, und das anscheinend für wirklich jeden.

„An gar nichts, ich bin nur froh dass du da bist.“ Ich schenkte Mariam noch ein zweites Lächeln, und diesmal erwiderte sie es. Vielleicht könnten wir so das Thema wechseln. Ich wollte ihr wirklich nichts von Georg erzählen, ich hatte ja noch nicht einmal richtig verdaut dass ich das alles Hector gegenüber zugegeben hatte. Und da waren Folgen meiner Tat einfach noch nicht vorhersehbar genug als das ich ein weiteres Risiko hätte eingehen wollte.

Zum Glück sprang Mariam auf meinen Themenwechsel an, sie wischte sich eine verirrte Haarsträhne aus der Stirn und lehnte sich mit einem kleinen Seufzer auf der quietschenden Lederbank zurück.

„Ich hatte mich eigentlich schon viel früher melden wollen, aber Hector hielt es für besser wenn ich mich erstmal zurückhalte. Er will keine Unruhe in seinem Rudel, und das kann ich verstehen. Ich fand es zwar nicht gut, aber ich wollte ihm auch keine zusätzlichen Probleme machen.“ Mariam rührte kurz gedankenverloren in ihrem Getränk, dann richtete sich ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich. Der Ausdruck in ihren Augen gefiel mir gar nicht.

„Wie läuft es eigentlich mit Georg? Habt ihr euch wieder vertragen? Hector hat mir erzählt dass er nun plötzlich doch hinter dem Rudel steht. Das ist doch eine Erleichterung für dich, oder nicht?“

Und ihre Fragen gefielen mir genauso wenig.

Das waren genau die Dinge über die ich nicht mit ihr reden wollte, und sie traf sie genau auf den Punkt.

Ich nahm noch einen Schluck von meinem Kakao, einzig und allein um Zeit zu schinden, aber natürlich fielen mir in den paar Sekunden auch keine passenderen Antworten ein.  Mariam zu belügen war das letzte was ich wollte, das hatte sie auch nicht verdient, aber mir würde nichts anderes übrig bleiben wenn ich die Wahrheit vermeiden wollte.

Also zuckte ich betont gleichgültig die Schultern und senkte den Blick auf mein Heißgetränk.

„Wir haben uns direkt danach wieder vertragen. Wir sind immer noch Freunde, und dass er jetzt zum Rudel gehören will ist toll. Hector hat sich riesig gefreut. Und ich mich natürlich auch.“

Kein Wort davon war wirklich gelogen. Georg und ich waren weiterhin befreundet, und Hector und ich waren auch glücklich über seinen plötzlichen Sinneswandel gewesen. Nur leider hatte letzterer sich zu einem völligen Desaster entwickelt. Sowohl für Hector, als auch für mich. Und ich wusste einfach nicht wo das noch hinführen würde. Ich hatte das Gefühl Georg wurde von Tag zu Tag ätzender, er behandelte mich mit einer Arroganz die ich vorher nie an ihm wahrgenommen hatte, und von Hector hielt er sich so gut es ging fern. Wahrscheinlich war es ihm einfach zu anstrengend unseren Rudelchef auch noch an der Nase herumzuführen so wie den Rest des Rudels.

„Das hätte ich nie von Georg gedacht.“ Mariam klang nachdenklich, und ein bisschen ungläubig. Man konnte sehen wie es hinter ihrer Stirn arbeitete. Ich wusste nicht wie gut sie Georg kannte, aber ich hoffte wirklich dass sie ihm nicht auf die Schliche kam. Denn dann würde es auch Hector erfahren, und er würde wissen dass ich ihm nicht alles erzählt hatte. Das musste ich verhindern!

„Ich war auch überrascht, aber vielleicht ist er einfach vernünftig geworden. Das ist doch gut.“ versuchte ich Mariams Bedenken zu zerstreuen. Sie misstraute Georg, und das leider zu Recht. Was das anging war sie eindeutig cleverer als ihr Bruder.

„Na ich weiß nicht, Georg war nie besonders vernünftig. Aber wenn er etwas im Schilde führen würde würdest du das doch merken, oder?“ sie sah mich fragend an, und ich spürte wie mir das Herz in die Hose rutschte. Ich musste sie anlügen. Es ging nicht anders.

„Ja, ich denke schon. Aber er macht uns nichts vor, das weiß ich. Und Hector vertraut ihm doch auch!“

Beziehungsweise hatte er das. Dann war ich gekommen und nun hatte er Zweifel.

Ich hatte wirklich ein Händchen für heikle Situationen.

Mariam war nicht überzeugt, aber sie schien zu merken dass sie mit dem Thema bei mir nicht weiterkommen würde, und ließ es zu meiner Erleichterung fallen.

Ich trank den letzten Schluck meines inzwischen völlig kalten Kakaos und winkte dann die Bedienung heran um zu bezahlen. Natürlich lud ich Mariam ein, immerhin war sie nur wegen mir hier.

Wir verließen das Bistro und tragen hinaus in die kalte Abendluft.

„Bringst du mich noch nach Hause? Oder soll ich meinen Vater anrufen damit er mich abholt?“ fragte Mariam während sie sich den Schal tiefer ins Gesicht zog. Unser Atem dampfte in kleinen Wölkchen vor unseren Gesichtern.

„Ich bring dich heim, ist doch selbstverständlich.“

Schweigend traten wir ihren Heimweg an, es waren kaum noch Autos unterwegs, und die wenigen Leute die uns begegneten beachteten uns nicht weiter. Ich genoss diese Ruhe.

Mariam hatte sich wieder bei mir eingehakt und schien tief in Gedanken versunken. Ich wusste nicht was Hector mit diesem Treffen bezwecken wollte, aber ich verbot es mir schon wieder misstrauisch zu sein. Mariam hatte mich nicht ausgehorcht, sie war anständig. Viel anständiger als Georg.

Kurz bevor wir in die Straße einbogen in der ihr Vater und Hector wohnten blieb Mariam plötzlich stehen und wandte mir ihr Gesicht zu. Ihr Ausdruck war undurchdringlich, und mir wurde ein bisschen flau im Magen. In diesem Moment hätte ich vieles dafür gegeben ihre Gedanken lesen zu können.

Sie biss sich auf die Lippe und schien offensichtlich etwas sagen zu wollen, doch dann beugte sie sich plötzlich vor und küsste mich.

Das war nicht mein erster Kuss, und trotzdem fühlte ich mich völlig unbeholfen. Und mal wieder überrumpelt.

Mariams Lippen waren warm, ihre Nasenspitze eiskalt, sie schmeckte nach Cappuccino und dem Lipgloss das sie aufgetragen hatte. Ich versuchte nicht zu viel zu denken, ich wollte diesen Augenblick genießen, aber meine Gedanken rasten unaufhörlich durch meinen Kopf, und ich spürte…nichts.

Mariam wusste was sie tat, man merkte dass das hier nicht ihr erster Kuss war, aber schließlich gab sie es auf und löste sich von mir. Sie musterte mich genau und sah zum ersten Mal verunsichert aus.

„War das falsch?“ flüsterte sie, und ich bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Sie konnte ja nicht wissen was zwischen Georg und mir vorgefallen war, und ich hatte ihr höchstwahrscheinlich auch noch Hoffnungen gemacht.

Ich schüttelte den Kopf und lächelte sie an, dann nahm ich ihre behandschuhte Hand und drückte sie leicht.

„Nein, war es nicht. Ich weiß nur nicht wo mir der Kopf gerade steht. Ich mag dich wirklich sehr, aber ich glaube ich bin momentan einfach nicht bereit dafür.“ Ich versuchte aufrichtig zu klingen, aber meine Stimme schwankte verdächtig. Ich wollte Mariam nicht verletzen, ich fühlte mich wie ein Arschloch, aber ich konnte ihr auch  nichts vormachen. Sie würde es so oder so herausfinden. Und dann wäre es noch schlimmer für sie.

Mariam wischte sich mit ihrer freien Hand über die verdächtig glitzernden Augen, dann schenkte sie mir ein kleines Lächeln. Sie sah so niedergeschlagen aus dass sich alles in mir zusammenzog.

„Schon okay. Ich mag dich auch, aber ich werde versuchen nichts zu überstürzen. War wohl wirklich ein schlechter Zeitpunkt.“ Sie drückte mich noch einmal kurz zum Abschied, dann wandte sie sich ab und bog in ihre Straße ein. Ich blieb wie festgefroren stehen und starrte ihr hinterher. Ich hätte gerne noch etwas gesagt, mich irgendwie bei ihr bedankt, aber mir fiel einfach nichts passendes ein. Mein Gehirn war wie leergefegt, und ich kam mir vor wie der letzte Trottel.

Das hatte ich also auch versaut.

Weder die Kälte noch der einsetzende Nieselregen wurden mir auf meinem Heimweg richtig bewusst, ich setzte mechanisch einen Fuß vor den anderen und ignorierte die Schmerzen die inzwischen wieder in jeder Ecke meines Körpers aufflammten.

Mariam tat mir leid, ich mochte sie wirklich, und ich hatte sie auch nicht vor den Kopf stoßen wollen, aber selbst wenn da mal irgendwann Gefühle für sie gewesen waren, nun waren sie weg. Auch wenn es gemein klang, aber der Kuss hatte mir nichts bedeutet. Ich bedauerte dass ich Mariam verletzt hatte, ich wollte nicht dass sie schlecht von mir dachte, aber mir war einfach nichts Besseres eingefallen. Die Situation hatte sich plötzlich ergeben und ich hatte darauf reagiert. So ehrlich wie es mir möglich gewesen war.

Und trotzdem fühlte ich mich hundeelend.

 

Ich schlich mich leise ins Haus und lief direkt hoch in mein Zimmer. Ich hatte keinen Appetit, und als meine Mutter mich kurz darauf zum Essen rief war ich bereits tief und fest eingeschlafen.



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