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Ich bin doch kein Wolf!

von

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"Er muss dich nicht mal unterwerfen damit du nach seiner Pfeife tanzt!“

Das einzige was mich an Hector ein bisschen nervte war sein Drängen darauf dass ich meinen Stand im Rudel verbessern müsste. Den letzten Kampf hatte ich verloren, und bis jetzt war ich jeder weiteren Konfrontation erfolgreich aus dem Weg gegangen. Ich stand nicht darauf mich zu prügeln, aber wenn ich dazu gehören wollte führte leider keine Möglichkeit daran vorbei.

Mit Hectors Hilfe bekam ich einen groben Überblick darüber wer sich an welcher Stelle befand, und ich begann mir einen Plan zurecht zu legen. Natürlich durfte Hector mir nicht sagen bei wem ich die besten Chancen auf einen Sieg haben würde, das wäre unfair den anderen gegenüber, aber ich traute mir auch alleine zu zu entscheiden bei wem ich es versuchen könnte ohne gleich wieder im Dreck zu landen.

Meine erste Wahl fiel auf einen meiner eigenen Klassenkameraden. Er war mir körperlich in etwa gleich gestellt aber im Rang weit genug über mir um meinen Stand im Falle eines Sieges gleich um mehrere Punkte zu verbessern.

Wir trafen uns nach der Schule hinter dem Sportplatz, es gab keine Zeugen, und im Nachhinein war ich dafür auch sehr dankbar. Vielleicht lag es daran dass ich körperlich noch nicht völlig wieder hergestellt war, oder ich hatte mein Gegenüber einfach maßlos unterschätzt.

Er machte mich problemlos fertig.

Mein erster Impuls nach dieser Niederlage war es Hector anzurufen, aber dann wählte ich doch Georgs Nummer. Schmach gegen Vorwürfe, es war wie die Wahl zwischen Pest und Cholera. Aber ich wollte einfach nicht dass Hector mich so sah, ich fühlte mich erniedrigt, und das würde Georg kaum noch schlimmer machen können.

Ich hatte mich geirrt.

Er war bereits wütend als er nach endlos langem Klingeln endlich ans Handy ging, ich hatte ihn mit meinem Anruf mitten aus einer Nachhilfestunde geklingelt, und als ich ihm auch noch den Grund mitteilte warum ich anrief war es völlig vorbei.

Hirnloser hormongesteuerter Idiot war noch eine der netteren Sachen die ich mir von ihm anhören durfte. Georg tobte noch eine Weile, dann atmete er tief durch und schien sich zu sammeln. Ich hatte seine Schimpftirade schweigend über mich ergehen lassen, mir dröhnte der Schädel, und ich spürte wie mir feine Blutfäden über Wange und Stirn liefen. Ich wagte es nicht deren Ursache genauer auf den Grund zu gehen.

Georg hatte sich inzwischen wieder soweit beruhigt dass er normal mit mir sprechen konnte. Er fragte wie schwer es mich erwischt hatte, und als ich ihm nur von ein paar oberflächlichen Verletzungen im Gesicht und einem harten Schlag gegen den Kopf berichtete entschied er das die erste Hilfe auch noch bis nach seiner Nachhilfestunde warten konnte. Ich sollte mich einfach so wenig wie möglich bewegen und mich nicht von der Stelle rühren.

Auch wenn es mir gegen den Strich ging schon wieder so bevormundet zu werden  blieb ich brav wo ich war und wühlte in meiner Schultasche nach ein paar Taschentüchern. So wie ich aussah hätte ich eh nicht zu Hause aufschlagen können, meine Mutter wäre glatt in Ohnmacht gefallen.

Bis Georg endlich auftauchte hatte ich mir das Gesicht bereits grob mit Taschentüchern gesäubert, aber seinem missbilligenden Blick nach zu urteilen sah ich immer noch furchtbar aus. Ohne etwas zu sagen reichte er mir die Hand und zog mich auf die Beine, dann schulterte er meine Schultasche und deutete mit einem Nicken Richtung Haupthaus.

„Ich hab den Schlüssel fürs erste Hilfe-Zimmer, du hast Glück.“ er musterte mich noch einmal prüfend, dann verzog er das Gesicht.

„Auch wenn man dich eigentlich eher Einschläfern lassen müsste, allein für deine Dummheit hättest du es verdient.“

Ich biss mir so heftig auf die Zunge dass ich Blut im Mund schmeckte.
 

Wir betraten das Schulgebäude und Georg führte mich zielstrebig zu dem kleinen Raum Nahe den Naturwissenschaftsräumen. Er schloss die Tür auf und schob mich hinein, dann verriegelte er sie hinter uns und deutete mit einem Kopfnicken auf den Stuhl der neben der ausgeklappten Erste-Hilfe-Barre stand.

Ich nahm Platz, inzwischen fühlten sich meine Beine an wie warmer Pudding.

„Du lässt dich von Hector jedes Mal aufs neue um den Finger wickeln, merkst du das gar nicht? Erst spuckst du große Töne, und dann knickst du doch wieder ein! Er muss dich nicht mal unterwerfen damit du nach seiner Pfeife tanzt!“ Georg funkelte mich an, die Luft um ihn herum knisterte praktisch vor Wut. Ich wusste ja dass er Recht hatte, aber das half meiner aufmüpfigen Ader auch nicht weiter. Eher im Gegenteil. Ich wollte nicht hören wie leicht beeinflussbar ich war.

Also fletschte ich nur im Stillen die Zähne. In meinem momentanen Zustand hätte ich gegen Georg sowieso keine Chance, ihn herauszufordern hätte mir nur eine weitere Tracht Prügel eingebracht. Sauer genug dafür war er auf jeden Fall.

Ich schniefte also nur leise und wischte mir mit dem Pulloverärmel über das blutige Gesicht. Die Demütigung saß tief, und eigentlich hatte ich auch keine Energie mehr um auf jemanden wütend zu sein. Ich wollte nur noch nach Hause und mich in meinem Bett verkriechen, und für den Rest meines Lebens niemanden mehr sehen. Nicht einmal Georg.

Den schien mein fehlendes Kontra ein bisschen aus dem Konzept gebracht zu haben. Er stockte in seinem wutgeladenen Hin- und Hergestapfe, hockte sich vor mir auf den Boden und sah mir prüfend ins Gesicht.

„Hat´s dir die Sprache verschlagen? Oder kommst du langsam zur Vernunft? Das wäre schön, das nächste Mal zerschlagen sie dir nämlich vielleicht nicht nur dein hübsches Gesicht.“ er schnaubte abfällig und stand wieder auf. Diesmal konnte ich von Georg wohl kein Mitleid erwarten. Ich sank auf meinem Stuhl zusammen und vergrub mein geschundenes Gesicht in den Händen. Ich wollte nicht dass er mich heulen sah.

Georg bemerkte es natürlich trotzdem, meine zuckenden Schultern waren kaum zu übersehen. Er seufzte genervt, dann trat er neben meinen Stuhl und zog mich hoch, direkt in seine Arme. Ich wollte nichts lieber als mich in diese Umarmung fallen lassen, aber mein Stolz verbot es mir. Ich schniefte noch einmal kurz auf, dann befreite ich mich aus Georgs Armen und trat einen Schritt zurück, den Blick auf einen Punkt irgendwo hinter seiner linken Schulter gerichtet. Ich wollte vor ihm keine Schwäche mehr zeigen, er hatte mich bereits mehrmals zu Boden geschickt, und ich hatte vor das zu ändern. Georg hatte weder vor mir noch vor Hector Respekt, und ich stand wegen ihm ständig zwischen den Stühlen. Und bekam die schmerzhafte Quittung dafür. Ich musste das beenden sonst würden sie mich irgendwann in Stücke reißen.

Ein letzter zittriger Schluchzer kam über meine Lippen, dann schloss ich die Augen und wappnete mich für das was jetzt kommen würde.

„Ich komme zur Vernunft, ja. Und ich hab genug von euch und euren Machtspielchen. Entweder haust du mir eine aufs Maul oder einer von den anderen, darauf hab ich keinen Bock mehr. Ich mach eh immer alles falsch. Also lasst mich doch einfach in Ruhe!“ die letzten Worte spie ich Georg regelrecht entgegen, dann schnappte ich meine Tasche und stürmte an ihm vorbei aus dem Raum. Mein Herz klopfte zum Zerspringen und mir rannen erneut Tränen über das Gesicht. Ich war praktisch blind, trotzdem fand ich fast problemlos den Weg nach draußen und war froh dass mir dabei kein anderer Schüler begegnete. Ich musste furchtbar aussehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Rentierchan
2019-10-13T19:57:53+00:00 13.10.2019 21:57
Ich kann ihn absolut verstehen. Er wird immer wieder zwischen zwei Stühlen hin und her gezerrt.
Noch ist mir Georg ziemlich unsympathisch, vielleicht ändert sich das noch.


Antwort von:  aceri
14.10.2019 12:18
Ich mach dir nicht allzu viel Hoffnung :P
Antwort von:  Rentierchan
15.10.2019 21:26
XD na toll


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