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Ich bin doch kein Wolf!

von

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"Schau mal, es gibt einen Werwolffilm!"

„Hey Ricci, hättest du eine Minute?“ Mariam stand plötzlich hinter mir. Ich war so in Gedanken gewesen dass ich sie nicht hatte kommen hören, und jetzt fuhr ich mit einem äußerst unmännlichen Quieken herum. Und wurde sofort feuerrot. Schon wieder so ein peinlicher Auftritt.

Mariam hielt sich eine Hand vor den Mund und lachte.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.  Ich wollte dich eigentlich nur etwas fragen.“

Ich stopfte schnell den Rest meiner Unterlagen in meinen Rucksack und versuchte tief durchzuatmen. Zum Glück konnten Georg und Hector mich jetzt nicht sehen. Ersterer hätte mich wohl ausgelacht, letzterer eher umgebracht.

Meine Wangen glühten immer noch als ich endlich alles verstaut hatte, aber ich fühlte mich wenigstens wieder dazu in der Lage mich wie ein normaler Mensch zu verhalten. Zumindest so lange wie ich Mariam nicht ins Gesicht sehen musste.

Die schien auf eine Reaktion von mir zu warten, sie wippte auf den Zehenspitzen vor und zurück und hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Ihre langen blonden Haare fielen ihr offen über die Schultern, ihre grauen Augen blickten mich erwartungsvoll an.

„Ähm, ja, kein Ding. Frag ruhig.“

Was für eine Glanzleistung. Das Blut schoss mir direkt wieder ins Gesicht und meine Stimme schwankte vor Nervosität. Aber Mariam schien meine Unsicherheit entweder nicht zu bemerken, oder es war ihr egal. Sie lächelte mich so offen an das mir ganz schwindelig wurde.

„Du bist echt niedlich. Ich wollte dich fragen ob wir mal einen Kaffee zusammen trinken gehen wollen? Oder ins Kino? Ich war schon ewig nicht mehr mit einem hübschen Jungen im Kino, also bitte sag ja!“

Ich wand mich. Einerseits vor Verlegenheit, andererseits...

„Aber Georg hat gesagt...“

Mariam blies die Wangen auf und guckte mich empört an.

„Ist er deine Anstandsdame oder was? Ich hab DICH gefragt, und nicht unseren Mister Unberührbar. Also?“

Ohje, hatte ich es mir jetzt bei ihr verscherzt? Ich ruderte schnell zurück.

„Nein, ist er nicht, ich meine, wegen Hector...“ stammelte ich ein bisschen unglücklich, und sofort hellte Mariams Miene sich wieder auf.

„Achso! Ach, meinem Bruder ist egal mit wem ich mich treffe! Er plustert sich zwar gerne auf, aber ich gehöre nicht mehr zum Rudel, also kann ich machen was ich will.“

Sie zwinkerte mir zu.

„Was ich auch vorher schon gemacht habe, aber pssst!“
 


 

„Wartest du schon lange?“ Mariam strahlte mich an als ich mich zu ihr umwandte, und ich erwiderte ihr Lächeln genauso glücklich. Sie war wirklich gekommen! Ich gab es nicht gern zu, aber ich hatte nicht wirklich damit gerechnet. Nicht weil ich sie für einen unzuverlässigen oder gemeinen Menschen hielt, sondern wegen Hector. Egal was Mariam gesagt hatte, wenn ich Georg glauben durfte war der nicht so begeistert davon wenn seine Schwester sich mit jemandem aus dem Rudel einlies, und er besaß theoretisch die Autorität um genau das zu unterbinden.

Andererseits, Mariam gehörte wirklich nicht zu unserem Rudel, und damit war Hector auch nicht ihr Rudelchef. Und wenn sie nur normale Geschwister waren…konnte er ihr schlecht etwas verbieten.

Meine Gedankengängen wurden je unterbrochen als Mariam sich wie völlig selbstverständlich bei mir unterhakte und mich in Richtung Kino zog. Ich stolperte neben ihr her und versuchte so gut es ging Haltung zu bewahren.

Meine Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht tendierten peinlicherweise ziemlich gegen Null, und Mariams forsche Art verunsicherte mich noch zusätzlich. Ich hätte Georg gern ein bisschen über sie ausgefragt, aber sein Ausbruch direkt nach unserer ersten Begegnung hatte mich dazu gebracht lieber den Mund zu halten. Ganz offensichtlich konnte er sie nicht leiden, und ich wollte ihn nicht noch weiter verärgern in dem ich ihn über sie ausquetschte.

Mariam dagegen schien überhaupt keine Berührungsängste zu haben und so wie sie aussah war das hier auch garantiert nicht ihr erstes Date. Warum sie keinen festen Freund hatte war mir ein Rätsel.

„Was wollen wir sehen? Schau mal, es gibt einen Werwolffilm!“ Mariam deutete kichernd auf ein Plakat über dem Verkaufstresen. Ich folgte ihrem Blick und runzelte die Stirn. Das Bild zeigte ein geiferndes blutverschmiertes Wesen halb Mensch, halb Wolf welches den Mond anheulte. Seine klauenbewerten Füße standen auf einem Berg aus milchigweißen Menschenknochen, sein Körper trug noch die letzten Fetzen menschlicher Kleidung.

Widerlich.

„So sehe ich aber nicht aus.“ Knurrte ich missmutig, und Mariam stieß mir lachend in die Seite.

„Das hab ich ja auch gar nicht behauptet. Aber stell dir mal vor ihr würdet euch jeden Vollmond zusammen rotten und gemeinsam den Mond anheulen. Ich finde das lustig!“ sie grinste mich breit an, und ich musste ebenfalls grinsen. Ihr Lachen war einfach ansteckend.

„Also keinen Film über deine Verwandtschaft…wie wäre es stattdessen hiermit?“

Wir entschieden uns schlussendlich für eine seichte Komödie und amüsierten uns beide prächtig. Der Film ging bis kurz nach neun Uhr, es blieb also noch Zeit genug um etwas essen zu gehen. Mariam schlug ein etwas abgefahrenes Sushi-Restaurant nur ein paar Straßen weiter vor, und da ich noch keine Gelegenheit gehabt hatte die Stadt genauer zu erkunden überließ ich ihr die Entscheidung.

Dafür dass das hier nur eine Kleinstadt war war noch erstaunlich viel los auf den Straßen, Mariam erklärte mir auf meine überraschte Beobachtung hin dass sich die Jugend der umliegenden Dörfer vor allem am Wochenende gerne hier sammelte. Die nächstgrößere Stadt war über eine Dreiviertelstunde Autofahrt entfernt, und die wenigsten hier hatten ein Auto.

Also blieb ihnen nur dieses kleine Kaff.

Ich blickte mich verstohlen um ob ich ein paar bekannte Gesichter entdeckte, aber zu meiner Erleichterung kannte ich keinen der Nachtschwärmer. Ich wusste nicht ob Mariam ihrem Bruder gesagt hatte was und vor allem mit wem sie heute Abend etwas vorhatte, aber ich wollte nicht riskieren dass uns irgendjemand bei ihm verpetzte.

„Suchst du jemanden?“ Mariam musste meine umherschweifenden Blicke bemerkt haben und ich zuckte ertappt zusammen.

Dann schüttelte ich den Kopf.

„Nein, alles gut. Ich gucke nur so.“

Ich war ein schlechter Lügner.

„Mach dir keine Sorgen wegen Hector, ich habe ihm gesagt dass wir uns treffen.“ Mariam lächelte mir beruhigend zu. „Er war zwar nicht begeistert, aber er weiß dass er mir nichts verbieten kann. Und dir wird er auch nichts tun, dann bekommt er nämlich Ärger mit mir!“ sie zeigte mir grinsend die Zähne, und ich zuckte erschrocken zurück. Mariam lachte, dann hakte sie sich wieder bei mir unter und seufzte.

„Ich vergesse immer wieder wie sehr ihr auf solche Gesten anspringt, sorry. Seit ich nicht mehr im Dorf lebe muss ich auf sowas nicht mehr achten, und bei den wenigen Besuchen hier treffe ich außer auf Hector und meinen Vater kaum auf andere Wölfe. Du bist der erste. Naja, und Georg natürlich.“ Bei der Erwähnung von letzterem verzog Mariam unwillig das Gesicht, und ich nutzte den sich bietenden Augenblick um direkt nachzuhaken.

„Was hast du denn gegen Georg?“

Mariam schien genau zu überlegen was sie antworten sollte, sie hatte ja gesehen dass wir ganz offensichtlich befreundet waren und wollte jetzt wohl nichts falsches sagen.

Sie zuckte die Schultern und hielt sich wage.

„Ich hab nichts gegen ihn, zumindest nicht direkt. Er mag meinen Bruder nicht und ist ihm gegenüber ziemlich respektlos. Das gefällt mir nicht. Es geht mich zwar nichts an, aber er sorgt für Unruhe im Rudel. Und das macht Hector Kopfschmerzen. Für mich ist Georg einfach ein Störenfried der meinem Bruder das Leben schwer macht, nichts weiter.“

Egal wie uninteressiert Mariam sich gab, ich konnte die Abneigung in ihrer Stimme deutlich heraus hören. Ich bereute es überhaupt nachgefragt zu haben, aber jetzt war es zu spät. Am liebsten hätte ich mir für meine Neugier in den Hintern gebissen.

Also ruderte ich zurück.

„Ich mag Georg, aber du hast schon recht. Er könnte manchmal wirklich etwas höflicher sein. Vor allem zu Hector.“ Vielleicht würde sie das Thema fallen lassen wenn ich ihr zustimmte. Ich wollte die Stimmung nicht verderben, und zu meinem Glück ging Mariam auf meine Ablenkungstaktik ein. Sie lächelte mich freundlich an und zwinkerte mir zu.

„Hector kommt schon klar, keine Sorge. Und jetzt gehen wir Sushi essen!“

Der Rest des Abends verlief deutlich entspannter als vorher, wir aßen, lachten, und vermieden das Thema Wolfsrudel so gut es eben ging. Da wir den letzten Bus zurück in unser Heimatdorf längst verpasst hatten musste ich meine Mutter anrufen damit sie uns abholen kam, aber in weiser Voraussicht hatte ich ihr bereits angekündigt dass so etwas passieren konnte.

Sie fuhr erst Mariam nach Hause, dann bog sie wenig später auf unsere Einfahrt ein.

„Kein Küsschen zum Abschied?“ neckte sie mich beim Aussteigen und ich warf ihr einen bitterbösen Blick zu.

„Das war erst unser erstes Treffen, jetzt übertreib mal nicht. Und außerdem will ich nichts überstürzen, okay?“ knurrte ich missmutig was meine Mutter mit einem Lachen quittierte. Sie schloss zu mir auf und öffnete die Haustür, dann warf sie den Schlüsselbund in die kleine Schale neben dem Telefon und räusperte sich.

„Übrigens, dein Freund aus der Schule hat hier angerufen weil du nicht ans Handy gegangen bist, dieser Georg. Ich habe ihm gesagt dass du ein Date hast und ihn danach sicher zurückrufen wirst. War das okay?“

Ich blieb mitten im Flur stehen und spürte wie es mich abwechselnd heiß und kalt durchfuhr. Georg wusste es.

Und er war nicht dumm. Er würde eins und eins zusammenzählen und sofort wissen mit wem ich ausgegangen war. Ich drehte mich langsam zu meiner Mutter um und versuchte betont gleichgültig zu klingen, aber innerlich zitterte ich vor Aufregung.

„Hat er gesagt was er wollte?“

Meine Mutter zuckte die Schultern und schüttelte den Kopf.

„Nein, nur dass er versucht hat dich zu erreichen und du nicht ans Handy gehen würdest.“ Sie sah mich prüfend an.

„Hab ich was falsches gesagt?“

„Nein nein, alles gut! Ich werde ihm einfach eine Nachricht schreiben, er schläft ja sicher schon längst. Gute Nacht, und danke fürs Heimfahren!“ ich trat geschwind den Rückzug an. Tatsächlich zeigte mein Handy drei verpasste Anrufe und zwei Nachrichten, anscheinend alle von vor Georgs Kontrollanruf bei meiner Mutter. Sollte ich ihm antworten?

Nein, wahrscheinlich wäre es besser das am Montag persönlich zu klären. Mit diesem Gedanken zog ich mich um und machte mich bettfertig, und als ich zurück in mein Zimmer kam blinkte mein Handy erneut. Für einen Moment wurde mir flau im Magen, dann erkannte ich Mariams Namen auf dem Display und lächelte erleichtert.

Ich löschte das Licht und kroch mit dem Handy in der Hand unter die Bettdecke, dann erst öffnete ich die Nachricht.

„Ich hoffe ihr seid gut nach Hause gekommen! Kino und Sushi war toll, vor allem mit dir! Ich hoffe wir wiederholen das! Küsschen! Mariam“

Mein Grinsten wurde noch eine Spur breiter, dann tippte ich schnell eine zustimmende Antwort und schob das Handy unter mein Kopfkissen. Alles in allem war der Tag doch super gelaufen. Die Sache mit Georg würde ich am Montag klären, und bis dahin würde ich mir einfach keine Gedanken darüber machen. Ich war glücklich, und das wollte ich mir auf keinen Fall verderben lassen!

 



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