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Ich bin doch kein Wolf!

von

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Herzlose Krankenschwester

Ich zog mein Handy aus meiner Schultasche und öffnete die Frontkamera.

Nicht so schlimm wie befürchtet, aber ein blaues Auge war mir sicher. Was mir dagegen eindeutig mehr Sorgen machte war meine Hüfte. Vor den anderen hatte ich noch die Fassung bewahrt, aber jetzt verzog ich schmerzvoll das Gesicht und ließ mich vorsichtig neben meiner Tasche auf den Boden sinken. Gebrochen war sicher nichts, aber die Schmerzen waren schon heftig. Ich stöhnte leise und versuchte mich bequemer hinzusetzen.

Dieser Kampf war wirklich keine Glanzleistung von mir gewesen, und das obwohl mein Herausforderer gar kein so harter Brocken gewesen war. Aber ich hatte mich in Sicherheit gewiegt, und das war mir zum Verhängnis geworden.

Zwei Schläge ins Gesicht, zwei in die Rippen, und ein heftiger Tritt gegen die Hüfte. Das hatte ausgereicht um mich zu Boden zu schicken.

Meine Klamotten waren dreckig und an manchen Stellen sogar zerrissen, das lag aber eher daran dass wir den Kampf auf Schotter ausgetragen hatten als an den Angriffen meines Kontrahenten. Ich spürte wie mir Blut den Rücken hinunter lief und auch mein Arm fühlte sich verdächtig feucht an. Wenigsten hatte ich robuste Jeans und ein langärmliges Shirt getragen sonst sähe ich wahrscheinlich noch schlimmer aus.

Ich warf noch einen Blick auf mein Handy um die Uhrzeit zu checken, dann rappelte ich mich vorsichtig auf und schulterte meine Tasche. Meine Hüfte protestierte sofort mit bohrenden Schmerzen, aber ich biss die Zähne zusammen und setzte mich in Bewegung. Es war nicht weit bis nach Hause, das würde ich schon schaffen.

Ich war kaum hundert Meter weit gekommen da klingelte mein Handy. Auf dem Display blinkte Georgs Name, und ich nahm mit einem leisen Seufzen ab. Wenn der von meiner Niederlage erfuhr war sicher die Hölle los.

„Hey Georg.“

Wir plauderten eine Weile und ich versuchte dabei möglichst keinen verräterischen Laut von mir zu geben. Meine Hüfte schmerzte mit jedem Schritt heftiger, und ich wurde immer langsamer.

„Ist alles okay bei dir? Du keuchst so.“ fragte Georg misstrauisch. Ich zuckte ertappt zusammen und versuchte ruhiger zu atmen.

„Alles gut, ich hatte nur gerade…Sport.“ log ich, aber meine Stimme verriet mich. Und die Tatsache dass Georg meinen Stundenplan kannte.

„Du hattest als letzte Stunde Deutsch, also verarsch mich nicht.“ knurrte er verärgert, und dann fiel bei ihm offensichtlich der Groschen. Seine Stimme wurde um mehrere Stufen kühler als er weitersprach.

„Du hast dich geprügelt, hab ich Recht? Und das obwohl ich dich gewarnt habe!“

„Ja.“ gab ich zerknirscht zu. Leugnen brachte nichts, spätestens morgen in der Schule hätte Georg es sowieso herausgefunden. Mein blaues Auge würde mich verraten.

„Verloren?“ setzte er hinterher, und ich bejahte noch einmal kleinlaut. Georg stöhnte genervt, dann schwieg er kurz. Sammelte er sich für die nächste Standpauke? Mir wurde ganz elend.

Aber nein, seine Stimme klang erstaunlich gefasst als er weitersprach.

„Wo bist du? Ich komm dich abholen. Du klingst als wärst du ernsthaft verletzt, das will ich mir ansehen.“

Soviel Anteilnahme hätte ich gar nicht erwartet. Ich gab Georg meinen Standort durch und setzte mich dann an den Straßenrand um auf ihn zu warten. Er wohnte in der entgegengesetzten Richtung, aber mir fehlte einfach die Kraft um ihm entgegen zu laufen. Inzwischen dröhnte mir zu allem Überfluss auch noch der Schädel und ich spürte Übelkeit meine Kehle hinaufkriechen.

Mir ging es wirklich richtig dreckig.

Georg brauchte insgesamt fast vierzig Minuten bis er bei mir eintraf, und sein verkniffenes Gesicht machte all meine Hoffnungen auf ein bisschen Mitgefühl zunichte. Er griff sich meine Tasche und warf sie sich über die Schulter, dann reichte er mir die Hand und zog mich auf die Beine.

Ich stöhne hinter zusammen gebissenen Zähnen und Georg warf mir einen fragenden Blick zu.

„Hab mir die Hüfte verletzt.“ presste ich hervor, dann griff ich mir an die Seite und richtete mich langsam vollständig auf. Georg beobachtete mich genau, sagte aber nichts.

Obwohl ich mich bemühte mir so wenig wie möglich anmerken zu lassen brauchten wir bis zu mir nach Hause fast doppelt so lang wie normalerweise.

Als wir den Hausflur betraten sandte ich ein Stoßgebet gen Himmel, dann dirigierte mich Georg die Treppe hinauf in mein Zimmer. Das war noch einmal eine Herausforderung, aber die Aussicht darauf endlich Sitzen zu können gab mir noch einmal neue Kraft.

Ich ließ mich mit einem erleichterten Seufzer auf meinen Schreibtischstuhl sinken und zuckte sofort vor Schmerz zusammen. Selbst sitzen tat weh! Ich versuchte die verletzte Seite meiner Hüfte ein wenig zu entlasten und hätte dabei fast das Gleichgewicht verloren. Mit zusammengebissenen Zähnen hielt ich mich an der Tischplatte fest und brachte mich wieder in eine einigermaßen aufrechte Position. Zum Glück war Georg direkt im Bad verschwunden um Verbandsmaterial und Desinfektionsmittel zu holen, das hier war wirklich ganz großes Drama.

Nach zwei zittrigen Atemzügen hatte ich mich endlich wieder so weit im Griff dass ich zumindest nicht mehr Gefahr lief vom Stuhl zu fallen, da ging auch schon meine Zimmertür auf und Georg kam herein. Er ließ mehrere Knäuel Verbände, sterile Tupfer, Klebeband und eine große Flasche Desinfektionsmittel auf meinen Schreibtisch fallen, dann ging er noch einmal zurück und holte eine Schüssel mit Wasser.

Ich fragte mich wirklich in welchen Untiefen unseres Badschrankes er das alles aufgetrieben hatte, aber ich hielt klugerweise den Mund und fragte nicht nach. Georg war eindeutig nicht zum Plaudern aufgelegt, das verriet mir schon die Art wie er sich kommentarlos und nicht gerade sanft meinen zerschundenen Arm griff und den zerrissenen Ärmel nach oben rollte. Er stieß einen halb wütenden, halb resignierten Seufzer aus, dann zupfte er den ersten Tupfer auseinander und tränkte ihn großzügig mit Desinfektionsflüssigkeit.

„Aua, pass doch auf!“ fluchte ich erschrocken und versuchte meinen Arm aus Georgs Griff zu befreien. Das tat gleich noch mehr weh und ich gab den Versuch direkt wieder auf.

Ohne mit der Wimper zu zucken zog Georg meinen malträtierten Arm wieder zu sich heran und setzte seine Behandlung mit der gleichen fehlenden Feinfühligkeit fort. Diesmal stöhnte ich nur innerlich.

Nachdem er jeden Kratzer einzeln gereinigt und versorgt hatte umwickelte Georg meinen kompletten Arm mit einem langen Verband, dann schien er kurz zu überlegen, und kam anscheinend zu einem Entschluss. Seine Miene blieb undurchdringlich.

„Zieh dein T-Shirt aus.“

„Was?! Warum denn?“ Ich löste den Blick von meinem bandagierten Arm und sah ihn verblüfft an. Damit hatte ich nicht gerechnet. Er sollte sich um meinen Arm kümmern, nichts weiter. Den Rest würde ich schon allein versorgen können. Nahm ich an. Aber anscheinend hatte Georg keine Lust auf einen Streit mit mir, er zupfte ungeduldig an meiner Schulter und warf mir erneut einen missbilligenden Blick zu. Seine Stimme klang ungeduldig.

„Es ist kaputt, du kannst es eh gleich weg werfen. Und ich möchte mir deinen Rücken ansehen.“

Aha, das machte Sinn.

Ohne weitere Widerworte schlüpfte ich aus meinem Shirt und legte es mir über die Knie. Georg hatte Recht, es war wirklich kaputt. Und schmutzig. Und voller Blut. Sofort wurde mir noch ein bisschen schlechter.

„Georg, ich glaub ich muss mich hinlegen.“ stöhnte ich leise.

Hinter mir ertönte ein ärgerliches Zischen, dann spürte ich Georgs Hand auf meiner Schulter während er mir vorsichtig aufhalf.

„Kotz mir nicht auf die Schuhe!“ knurrte er warnend, und ich musste trotz der Schmerzen ein bisschen lachen. Und bereute es sofort wieder. Aua!

„Ich geb mir Mühe!“

Mit zusammengebissenen Zähnen ließ ich mich von Georg zu meinem Bett führen und legte mich bäuchlings darauf. Das tat noch viel mehr weh, aber immerhin konnte ich jetzt meinen schmerzenden und sich wie wild drehenden Kopf ablegen. Oh man, mir ging es so dreckig!

Ich spürte wie Georg neben mich trag und meinen Rücken inspizierte, dann seufzte er leise und resigniert und wischte mit einer erstaunlich sanften Bewegung die Haare zur Seite. Ich drehte den Kopf und versuchte ihn anzusehen.

„Ist es schlimm?“

Er schien kurz zu überlegen, dann schüttelte er den Kopf.

„Nein, wenn es sich nicht entzündet nicht. Du hast Glück gehabt, Ricci.“

Ich grummelte leise und versuchte mich etwas gemütlicher hinzulegen. Meine Hüfte machte mir am meisten Sorgen, es fühlte sich an als wäre mindestens ein Knochen gebrochen, aber ich wagte nicht mich zu beschweren. Ich wollte nicht ins Krankenhaus, nicht wenn es sich vermeiden lies. Und ich glaubte auch kaum dass der andere genug Kraft angewendet hatte um mir ernsthaft etwas zu brechen. Wahrscheinlich war es nur eine weitere Prellung, wenn auch eine besonders schmerzhafte.

Georg hatte sich inzwischen den Kratzern auf meinem Rücken zugewandt und säuberte sie ebenfalls mit reichlich Desinfektionsmittel. Ich biss mir in den unverletzten Arm um meine Schmerzenslaute zu dämpfen. Ich wollte Georg durch meine Jammerei nicht noch weiter verärgern. Er beendete seine Arbeit, dann ging er wie selbstverständlich hinüber zu meinem Kleiderschrank und suchte mir ein sauberes T-shirt heraus welches er mir ohne Hinzugucken aufs Bett warf.

„Trag in nächster Zeit lieber ein paar dunkle Sachen falls etwas nachblutet. Dann sieht man die Flecken nicht sofort.“

Danach räumte Georg ohne ein weiteres Wort das Verbandszeug auf und verabschiedete sich mit einem halb verärgerten, halb besorgten Blick von mir.

Ich wurde aus ihm nicht schlau. Aber ich hatte auch keine Lust mir jetzt den Kopf über ihn oder irgendetwas anderes zu zerbrechen. Mir ging es hundsmiserabel, und ich wollte einfach nur schlafen. Ich griff nach den Aspirin die Georg mir genauso vorsorglich wie kommentarlos auf den Nachttisch gelegt hatte, und schluckte direkt zwei trocken hinunter. Vielleicht würden sie das Feuer in meiner Hüfte dämpfen.

Lang ausgestreckt und mit schmerzenden Gliedern schloss ich die Augen, und glitt hinüber in einen tiefen, aber ruhelosen Schlaf.



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