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Lost & Found

von

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Part One

Ellie streckte triumphierend die Arme gen Himmel und richtete ein lachendes »Gewonnen!« an ihren Kontrahenten. Dieser schnaufte hörbar und brachte seinen Hengst bereits in die Koppel während Ellie weiter oben auf saß und sich die Freude über das gewonnene Wettrennen nicht verkniff. Erneut war sie die Siegerin und da sie bislang nur einen Bruchteil verloren hatte, zog sie ihren Freund dementsprechend gerne auf. Schließlich lag er in anderen Belangen eine Nasenlänge voraus und machte es meist nicht anders.
 

»Ja, ja«, winkte er ab, »sagen wir, ich habe dir einen Vorsprung gegeben. Würde ich ständig gewinnen, würde ich dir täglich die Laune verderben. Nenn mich einen Gentleman!« Er griente verschmitzt und lehnte mit verschränkten Armen gegen das geöffnete Holztor.
 

»Oh, du bist zu gnädig, Sam!«, äffte Ellie und streckte ihm die Zunge entgegen. »Sieh’s endlich ein, Cal ist unschlagbar.« Und dem konnte Sam nichts entgegen bringen; momentan hatte sie mit Cal das schnellere Pferd und gewann meist um zwei Längen. Nun stieg Ellie selbst vom Pferd, löste noch das Gewehr aus der Halterung und trat an Sam vorbei, der das Tor hinter ihr schloss. Die Abzäunung hatte sie in den letzten Jahren selbst erneuert. Denn manchmal blieben sie länger hier und so brauchten sie den Pferde nicht länger an der Veranda festzurren. Selbst die Stallung hatten sie nach schweiß- und nervenaufreibender Arbeit repariert, sodass sie über Nacht bleiben konnten, ohne Angst haben zu müssen.

Beim ersten Besuch in Jacksonville, war Ellie hierher geflüchtet, nachdem Joel sie seinem Bruder übergeben wollte. Einfach so, aus dem ersten Impuls heraus, das sie durchaus in Schwierigkeiten gebracht hatte. Seitdem Ellie nun gänzlich in der Siedlung wohnte, ritt sie oft hierher, hatte – zusammen mit Sam verstand sich – etliche Reparaturen vorgenommen. Besonders nach einem rauen Winter. Das Anwesen gehörte irgendwie ihnen alleine, selten kamen andere hierher. Und fern der Siedlung und des Kraftwerkes, konnten sie unter sich bleiben und wahrlich eine gewisse Freiheit genießen. Daher packten sie jede erdenkliche Möglichkeit beim Schopf.
 

Es war früh am Morgen und Sam blickte gen Himmel empor; schlenderte durch das von der Nacht noch feuchte Gras; dabei blähte er seine Nasenflügel, holte tief Luft. »Riecht nach Schnee«, verließ seine Lippen und sein Blick wanderte weiter über das übersehbare Fleckchen Freiheit. Die Laubbäume hatten mittlerweile fast gänzlich ihre Blätter verloren und der Boden hatte sich in ein Farbenspektakel verwandelt. Bald schon, das spürte er, würde der erste Schneefall einsetzen und dieser würde die Landschaft unter einer weißen Decke einbetten. Er freute sich darauf.

Leider bedeutete der Winter weniger Ausritte; weniger Zeit für eine Verschnaufpause innerhalb dieser Oase. Zwar gingen sie weiterhin auf Jagd – und diese Jahreszeit hielt sie besonders auf Trab, denn forderte sie mehr Ausdauer – aber hierher kamen sie kaum.
 

»Sam, seit Tagen riechst du Schnee. Lass dich lieber untersuchen«, neckte Ellie und verspielt boxte sie dessen Oberarm.

Brummend verzog er das Gesicht. Vielleicht, aber nur vielleicht, stimmten ihre Worte, aber konnte Sam seine Vorfreude auf die bevorstehende Zeit kaum verleugnen. Und für ihn roch es nach Schnee, es war einfach so.
 

»Wenn nicht heute, dann morgen!«, lachte er, »So, ich hol mal das Werkzeug.« Lieber machte er sich an die Arbeit, als noch länger darüber zu reden, da es am Ende sowieso in eine verspielte, aber nervenaufreibende Diskussion schlitterte.

Ellie blickte ihm mit gehobener Braue hinterher. Wie die Male zuvor schenkte sie ihrem besten Freund keinen Glauben. Klar, bald kam der Schnee tatsächlich, doch noch hatten sie ein wenig Zeit. Sams Einbildung konnte sie allerdings verstehen, er liebte den Winter, aber für sie war der Herbst ein weitaus angenehmerer Partner, denn die verschneite Landschaft brachte ungute Erinnerungen zurück an die Oberfläche.

Ellie rieb sich die Hände; zwar ließ sich die Sonne blicken, aber noch stand das Anwesen zu sehr im Schatten. An der obersten Stufe blieb sie stehen und ihre Ohren lauschten dem Rascheln der Blätter, die sanft vom Wind umspielt wurden. Fünf Jahre nannte sie Jacksonville ihr Zuhause und obwohl sie sich anfangs an das Leben gewöhnen musste, mochte sie es mittlerweile sehr. Soldaten, Plünderer oder sonstige Fraktionen tauchten selten auf, und selbst wenn, hatten sie alles unter Kontrolle. Die Bewohner waren ein eingespieltes und gut aufgestelltes Team, das jedem Feind das Fürchten lehrte. Jeder erfüllte seinen Part und hielt sich an jene Vorschriften, die ihnen allen das Überleben sicherten.

Manchmal kamen die Erinnerungen hoch, doch hatte sie gelernt mit ihnen umzugehen. Mittlerweile hatte sich Ellie gut mit ihrem Leben arrangiert und konnte tatsächlich davon reden, das es schön war.
 


 

‹●›
 

Sam atmete flatterhaft; seine Arme hielt er vom Körper. Jede Faser hatte sich auf eine Zerreißprobe hin angespannt und die gesamte Aufmerksamkeit galt einzig und allein dem Eindringling, der sich in der Küche befand. Eine junge Frau, ungefähr in seinem Alter richtete einen Revolver auf ihn. An Schulter und Bauch machte er Verletzungen aus; das Langarmshirt war an jenen Stellen rot getränkt. Selbst im Sitzen war eine krumme Haltung auszumachen und doch, ihre Schusshand zitterte nicht, war vollkommen ungerührt, jederzeit bereit.
 

»Ich bin nicht auf Blutvergießen aus, okay?«, versuchte Sam ins Gespräch zu kommen; ihr verständlich zu machen, dass er nicht auf eine Konfrontation aus war. Zeitgleich durchforstete er seinen Verstand nach dem Fehler. Was hatte er beim Betreten übersehen? Normalerweise achtete er penibelst auf Hinweise, die ein Eindringen aufzeigten. Nichts von dem war Sam ins Auge gestochen. »Mein Name ist Sam, ich kann dir helfen.« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf ihre Wunden.
 

»Ziemlich jung für einen Arzt.« Ein schwaches Grinsen umspielte ihre Lippen. Die Ranch hatte einen soliden Eindruck ausgestrahlt; wirkte in Schuss gehalten, aber nachdem sie alles unter die Lupe genommen hatte, hatte sie niemanden ausgemacht und gedacht, sie konnte sich hier ausruhen, wieder auf Vordermann bringen. Denn ein Haus bot weitaus mehr Schutz als es die Wälder derzeit konnten. Vielleicht eine zu leichtsinnige Entscheidung, wenngleich der junge Mann sie nicht gerade einschüchterte; aber konnte das täuschen.
 

»Hab nie behauptet ein Arzt zu sein. Siehst dennoch … scheiße aus.« Bedacht sank seine rechte Hand. »Ich bin nicht dein Feind«, betonte Sam und beinah in Zeitlupe löste er die Pistole aus der Halterung. Keine einzige Sekunde ließ er die Unbekannte aus den Augen, die jede seiner Bewegungen äußerst aufmerksam beobachtete. Seine Waffe legte er auf den Boden; das Gewehr hatte er im Flur gelassen, er war unbewaffnet. »Draußen wartet eine Freundin. Unsere Siedlung ist nicht weit, dort haben wir einen Arzt.«
 

»Ziemlich hilfsbereit. Du kennst mich nicht«, sprach sie geringschätzig. Zu hilfsbereit ihrer Ansicht nach. Solch eine Hilfestellung kannte sie nicht und machte sie skeptisch.
 

»Bislang hast du nicht geschossen und bei den Unbekannten, die ich kenne, wird erst geschossen und dann gesprochen. Sagt viel über deinen Charakter aus, glaub mir.«

Ein Schweigen legte sich über sie, in dem sie sich lediglich in die Augen sah, herausfinden wollte, ob der jeweilige andere sich seine Haltung nicht noch anders überlegte.
 

»Riley«, gab sich die Frau schlussendlich zu erkennen. Ihr Körper schmerzte und bevor sie hier tatsächlich ein Blutbad anrichtete, das ihr selbst am Ende zum Verhängnis wurde – schließlich hatte er sie auf seine Begleitung hingewiesen – ließ sie lieber den Revolver sinken. Bedenken hin oder her.

Sam setzte sein allzu bekanntes Grinsen auf, sichtlich erfreut über die Entspannung der Lage.
 

»Ellie!«, rief Sam lautstark während er sich der Frau näherte. Den Blick, dem sie ihm beim Ertönen des Namens schenkte, schien er weitgehend auszublenden.

»Lass mal sehen, wir haben Verbandsmaterial bei uns. Bringen wir dich erst mal ins Wohnzimmer.« Er ging in die Knie und fasste bereits nach ihrem Arm, als schnelle Schritte Richtung Küche hallten.
 

»Sam?!« Ellie bog um die Ecke, hatte das Gewehr im Anschlag. Bei dem Anblick, der sich ihr bot, stockte ihr die Atmung. Jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht und mit geweiteten Augen betrachtete sie den vermeidlichen Grund des Rufes.
 

»Wir haben eine Besucherin und sie ist verletzt«, erklärte Sam das Offensichtliche und schüttelte sacht den Kopf, während er Riley auf die Beine helfen wollte, um ihr ins Nebenzimmer zu helfen. Nachdem sie anfänglich noch mitgeholfen hatte, wurde ihr Körper plötzlich schwer, steckte voller Widerstand.

»Hey, so wird das nichts«, scherzte er. Erst auf Rileys geschockten Ausdruck hin, runzelte er die Stirn und ließ im selben Atemzug von ihr ab.

»Ihr kennt euch«, stellte Sam verblüfft fest, blickte zwischen beiden Frauen hin und her, die sich regelrecht auf dieselbe Weise betrachteten. Dann war Ellie diejenige, die den Blickkontakt zuerst brach und er hörte wie sie die Luft einzog. Bevor er mehr sagen konnte, schulterte sie das Gewehr und flüchtete.

»Ellie!«, rief er hinterher, wollte ihr gerade folgen, als eine Hand seinen Unterarm packte; ihn streng festhielt.
 

»Lass sie.«
 


 

‹●›
 

»Hast du etwas von Riley gehört?«, fragte das Mädchen erwartungsvoll. Wenn jemand wusste, wo sich Riley befand, dann Marlene. Schließlich waren die Fireflies von Anfang an ihr Ziel gewesen. Marlene schüttelte den Kopf, nahm ihr jeglichen Hoffnungsschimmer.
 

»Nein, Liebes«, begann die Frau und übte einen sanften Druck auf die Schulter des Mädchens aus, »es schmerzt, aber finde dich lieber mit dem Gedanken ihres Todes ab.«
 

»Vermutlich«, wisperte Ellie, doch konnte sie nicht einfach abschließen, »aber noch ist alles möglich.« Wenn Marlene nichts wusste und Riley spurlos verschwunden war, dann lebte sie vielleicht, denn Riley war alles andere als dumm und fand stets einen Weg.
 

»Ellie, lass sie endlich hinter dir. Denkst du Riley lässt dich grundlos im Stich? Wohl kaum. Und jetzt leg dich schlafen, morgen wollen wir los.«

Gänzlich konnten die Worte nicht überzeugen. Leider musste sie trotzdem vergessen. Marlene hatte Recht, die Reise würde länger dauern und beschwerlich werden. Dafür brauchte sie Kraft und müde war sie sowieso nicht gerade leicht handzuhaben.
 

»Und ihr habt sie wirklich nicht gesehen? Niemand von deinen Leuten?«
 

»Ellie, habe ich dich je belogen?«
 

»Nein, tut mir leid … Nacht.« Ellie stieß einen tiefen Seufzer aus und schlurfte davon. Das musste aufhören. Das ständige Hoffen auf eine Rückkehr. Über zwei Monate waren seither vergangen und kein einziges Mal hatte sich Riley blicken lassen. In einer Hinsicht hatte Marlene Recht, grundlos ließ die andere Ellie nicht im Stich. Dafür standen sie sich zu nahe.
 


 

‹●›
 

»Nicht schlecht.« Sam schnalzte die Zunge. Sorgsam hatte er Riley ins Wohnzimmer geholfen und kam gerade mit seiner Satteltasche zurück. Von Ellie fehlte jegliche Spur. Entweder hatte sie sich in den Stallungen verschanzt oder sie war in den Wald geflüchtet. Erstere Option gefiel ihm mehr, aber hatte er sich nicht auf die Suche begeben. Ellie war seit jeher seine beste Freundin und er kannte ihre Angewohnheiten sehr wohl. Trotz einem Gefühlschaos fand sie sich zurecht und würde sich nicht von irgendetwas oder irgendjemanden ertappen lassen. Dafür wusste sie zu sehr, was bei einem falschen Schritt auf dem Spiel stand.

»Du bist also die Riley«, fuhr er fort und sank auf den kleinen Holztisch vor dem Sofa, auf dem diese nun saß und sich bereits des Shirts entledigt hatte.
 

»Sie spricht von mir?«, fragte Riley ungläubig. Noch immer rang sie mit dem plötzlichen Wiedersehen. Das war unmöglich, dachte sie. Sechs Jahre waren seitdem letzten Kontakt vergangen. Sechs lange Jahre!
 

»Ja, wir unterhalten uns über das Leben vor Jacksonville.« Eine Seltenheit, aber taten sie es an manchen Tagen. Beide mochten die Zeit davor nicht sehr. Erst in der Siedlung schien das Leben, das sie sich oft gewünscht hatten, begonnen zu haben. Dennoch blieb die Vergangenheit nicht unvergessen und verfolgte sie in regelmäßigen Abständen.

»Muss gesäubert werden. Was ist passiert?«
 

»Gruppe Banditen«, kam die knappe Antwort; darüber wollte sie nicht sprechen; denn ihr Verstand war einzig und allein auf Ellie konzentriert. Selbst als Sam mit der provisorischen Behandlung begann, ignorierte sie den brennenden Schmerz. Immer wieder stellte sich Riley ein und dieselbe Frage: Wie war das möglich? Ellie ging es gut. Ellie … lebte!

»Man sagte mir, sie sei tot«, wisperte sie irgendwann und Sam hörte abrupt auf. Riley schluckte den Kloß, blickte ihn an. »Ich bin fort, habe mein Ziel erreicht – Das Leben als Firefly, yay! – und bei meiner Rückkehr teilte mir Marlene mit, Ellie sei tot.«
 

»Sie wäre beinah gestorben! Dank Marlene!«, entgegnete er gepresst. Sams Wangenknochen stachen hervor. Bei dem Namen zog es ihm den Magen zusammen. »Ellie ist immun, musst du wissen«, erklärte er auf Rileys fragenden Blick hin, »und Marlene wollte sie für Experimente sterben lassen … in der Hoffnung auf ein beschissenes Heilmittel.« Gegen eine Heilung hegte Sam keinen Groll, aber gegen Marlenes damaliges Vorhaben. Ellie dafür zu opfern, ohne handfeste Beweise zu haben, die auf ein Gelingen hinwiesen. Damals, vor fünf Jahren, als er die volle Wahrheit mitbekommen hatte, war er außer sich gewesen. »Entweder lügst du oder sie hat dich nach Strich und Faden verarscht!«


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, ein kleiner Zweiteiler (hoffe ich mal) für Zwischendurch, der mir schon ein gutes Jahr im Kopf herum schwirrt. Ein "Was-wäre-wenn"-Szenario, in dem Ellie und Riley beide überlebt haben (inklusive Sam natürlich!) und sich irgendwann wiedersehen. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Dark777
2016-11-02T20:23:11+00:00 02.11.2016 21:23
Also die Alternative von The Last Of Us gefällt mir richtig gut! Ich habe Sam von Anfang an gemocht und Riley als Ellies Love Interest sowieso. Geschickter Schachzug Marlene als Drahtzieher zu verwenden und somit Riley und Sam das Leben zu ermöglichen. Das Ende von TLOU was genial und hat einfach gepasst. Dennoch habe ich auch tagelang darüber nachdenken müssen, ob es wirklich richtig war ein Menschenleben zu retten, wenn man dadurch alle anderen heilen kann. Aufgrund dessen kann ich Marlene nicht als super-böse ansehen. Obwohl ihre Methoden tatsächlich unlauter waren.

Wie dem auch sei, ein erstklassiges Stück Geschichte von der ich gerne mehr lesen würde!

V(~_^)


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