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Shuichi Akai - Agent auf Abwegen

von

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Stimmen

Die folgende Nacht konnte Akai das Erste Mal seit seiner Entführung ohne Fesseln verbringen. Das Bett war auch deutlich bequemer, als im Krankenhaus und so schlief er so gut wie schon lange nicht mehr.

Gin hingegen konnte seinen Mörderinstinkt nicht vollständig ablegen und verbrachte die Nacht zur Sicherheit direkt vor Akais Tür. Zwar bekam er nicht gerade viel Schlaf ab, er hatte aber auch viel zu verarbeiten.

So vergingen mehrere Tage in denen Gin langsam erkannte, dass Akai sich an sein Versprechen hielt. Zwar verbrachte der Mörder den größten Teil des Tages im gleichen Zimmer mit dem Agenten, verließ aber auch immer öfter das Haus, da er nicht ständig einen Essens-Service bestellen wollte und sich sein Gefangener schlicht weigerte von ihm zubereitetes Essen zu verzehren.

Die Stimmung zwischen den Beiden veränderte sich mit jedem weiteren Tag. War Gin zu Beginn noch misstrauisch, kontrollierend und innerlich verunsichert, so beruhigte ihn das gleichbleibende, ruhige Verhalten von Akai. Ohne es zu bemerken, war er nicht mehr im Raum, um Akai an möglichen Fluchtversuchen zu hindern, sondern weil er dessen Gesellschaft als angenehm empfand.

Akai wiederum war sich über Gins Unsicherheit bewusst, auch wenn dieser versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Er vermied bewusst alles, was Gin weiter verunsichern würde und versuchte so dessen Vertrauen zu ihm zu stärken. Je entspannter Gin wurde, desto besser fühlte sich auch Akai.

Die anfängliche, angespannte Stille wurde zunehmend von kleinen, lockeren Bemerkungen unterbrochen und es gab immer öfter kurze Gespräche. Selbst wenn keiner von Beiden etwas sagte, war die Stille nicht mehr spannungsgeladen und sie fühlten sich wohl.
 

Gerade war es abends und sie aßen gemeinsam auf dem Bett zwei Nudelboxen, welche Gin zuvor besorgt hatte.

Schon dort auf dem Heimweg hatte ihn der heftige Wind und die Luft, die nach Regen gerochen hatte, stutzig gemacht. Ein Unwetter war laut Wetterbericht eigentlich nicht angekündigt gewesen.

Gin rührte mit einem Löffel noch seinen heißen Pfefferminz-Tee um. Zumindest war Tee kochen für ihn eine einfache Sache, anders als das Zubereiten von Mahlzeiten.

Akai hatte er ebenso einen Tee gemacht. Dieser stand auf dem Nachttisch und dampfte noch.

Der Agent richtete seinen Blick zum Fenster, es war angeklappt. Leider konnte er aber durch das Licht im Zimmer nur schwach nach draußen schauen. Er erkannte nur ein bisschen, dass es bereits dunkel war. Sterne waren nicht zu sehen, der Mond ebenso wenig.

Da momentan Stille im Raum herrschte, konnte Akai von außerhalb das schnelle Wehen des Windes vernehmen, auch das rascheln der Blätter und das Knacken der Äste waren vom Baum vor dem Fenster zu hören.

„Es wird doch wohl kein Unwetter geben?“, warf er eine Frage in den bisherig stillen Raum, um ein Gespräch zu beginnen.

Kurz darauf tropften auch schon die ersten Regentropfen auf die Fensterscheibe, was auch Gins Aufmerksamkeit weckte.

„Scheint so...“, meinte er und nahm einen weiteren Bissen von seinen Nudeln. Den Tee hatte er bereits auch auf dem Nachttisch abgestellt. Getrunken hatte er ihn noch nicht, da er ihn noch als zu heiß empfand.

„Du solltest das Fenster lieber schließen, sonst regnet es noch rein.“, wies Akai wieder zum Fenster hin.

Gerade als Gin ablehnen wollte, nahm der Regen plötzlich zu. Seufzend stellte er seine Nudelbox neben den Tee und bewegte sich mit langsamen Schritten zum Fenster. Während er dies tat, glaubte er einen Blitz bemerkt zu haben. Sicher war er sich jedoch nicht. Das Flackern von Blitzen war in erhellten Räumen nur schwer zu erkennen.

Als er dabei war das Fenster schließen zu wollen, bestätigte sich sein Verdacht. - Ein lauter Donner zog sich durch den Himmel und ließ den Silberhaarigen kurz zusammenzucken.

Akai hingegen saß wie die Ruhe selbst auf dem Bett und musterte ihn.

„Angst?“, fragte er ironisch und konnte sich kein Grinsen verkneifen.

„So ein Unsinn!“, fuhr Gin den Agenten an und knallte das Fenster schließlich zu. Hastig eilte er zurück zum Bett und ließ sich dort schweigend nieder. Kaum saß er, schallte ein weiterer Donner durch den Abend. Ohne es überhaupt zu wollen, hatte sich Gin noch ein zweites Mal erschrocken, fast schon peinlich.

Er kauerte auf dem Bett, da machten sich auf einmal Kopfschmerzen bei ihm bemerkbar. Er fasste sich an die Stirn und schielte zu Akai rüber, der gerade aufgegessen hatte und seine leere Nudelbox auf dem Tisch abstellte, um sich danach seinen Tee zu nehmen.

Jetzt wollte Gin seinen auch trinken, da er aber zu weit davon entfernt war, musste er sich extra wieder aufrichten. Noch im Stehen hatte er vor einen Schluck zu nehmen, doch als wieder ein lautes Donnergrollen die Stille unterbrach, ließ er den Henkel los und ließ die Tasse fallen.

„Scheiße!“, fluchte er unmittelbar danach, was sein Missgeschick aber auch nicht rückgängig machen konnte. Wenigstens blieb die Tasse dabei unversehrt. Nur der Inhalt hinterließ eine Pfütze auf dem Boden.

„Ist alles okay?“, kam es von Akai unsicher. Er konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass dieser Gin Angst vor einem Gewitter haben konnte und doch machte ihn dessen kurze Starre stutzig. Fast hätte er sich angeboten, die Sauerei zu beseitigen, doch das musste er scheinbar nicht.

„Ich hol einen Lappen, du wartest gefälligst hier!“, teilte Gin ihm leicht aufgebracht mit und verließ, ohne auf eine Reaktion abzuwarten, das Zimmer.
 

Im Flur wurde dem Silberhaarigen erst bewusst, wie heftig es inzwischen blitzte. Einer nach dem Anderen erhellte den dunklen Flur. Beim Anblick verschlimmerten sich Gins Kopfschmerzen nur und er beschloss den Lichtschalter zu betätigen.

Beim Umlegen von diesem passierte jedoch nichts. Er versuchte es mehrmals, doch die Lampe ging nicht an. Kurz darauf hörte er, wie Akai vom Schlafzimmer aus rief, dass das Licht ausgefallen war.

„Wieso ausgerechnet ein Stromausfall?!“, dachte Gin verärgert ohne auf Akais Mitteilung einzugehen. Er ging einfach zielgerecht weiter zur Küche, bis Schwindel und sein dadurch verursachtes Schwanken ihn zum stehenbleiben zwangen.

Als er zum Ende des Flurs sah, tauchte plötzlich ein Bild von einem anderen Zimmer in seinem Kopf auf, welches er glaubte nicht zu kennen. Da es nur ein Bruchteil einer Sekunde zu sehen war, konnte Gin auch nicht weiter darüber nachdenken. Das Denken war sowieso unmöglich, da Kopfschmerzen ihn zusätzlich quälten. Er vernahm deshalb fast gar nicht mehr den nächsten Donner. Ohne den Grund dafür zu wissen, begannen seine Hände zu zittern. Jammernde und verängstigte Schreie eines Jungen füllten seinen Kopf. Gin musste feststellen, dass es seine eigene Stimme war.

Er krallte seine Hände in den Kopf und sank mit den Knien zu Boden. Die Schreie wurden lauter, vermischten sich mit seinen eigenen Schreien in der Realität, von denen er nicht einmal merkte, dass er sie von sich gab. Sein Körper krümmte sich. Doch die Schreie sollte nicht die einzige Stimme in seinem Kopf bleiben, eine weitere kam hinzu.

"Sieh mich an… Ich bin hier… Alles ist gut...“
 

Damals kamen diese Worte von Akai. Die Panik fing bereits an von ihm Besitz zu ergreifen und er stand deshalb nun hinter der Schlafzimmertür. Gins Schreie beunruhigten ihn. Er hatte gerade noch genug Beherrschung, um nicht gegen die Tür vor sich zu hämmern.

„Gin!!“ rief er, wie schon einige Male zuvor. Offenbar bekam sein Koibito das nicht mehr mit.

„Du wirst diesen Raum nicht verlassen!“

Dessen Verbot hielt Akai davon ab jetzt auf den Flur zu stürmen und Gin beizustehen.

Ein weiterer Schrei erklang. Fluchend öffnete Akai die Tür, lehnte sich aber nur heraus. Er hoffte etwas erkennen zu können, ohne den Raum wirklich verlassen zu müssen, doch auf dem Flur herrschte absolute Dunkelheit. Er konnte kaum zwei Schritte weit sehen.

"Gin!?", rief er erneut, hoffte seine Stimme würde seinen Koibito jetzt besser erreichen, da sie nicht mehr durch die Tür gedämpft wurde. Doch es erfolgte keine Antwort.

Akais Hand krallte sich in den Türrahmen. Er durfte das Versprechen nicht brechen. Das würde das labile Vertrauen, welches Gin endlich anfing ihm gegenüber aufzubauen, endgültig zerstören...

"Gin?", versuchte er es ein letztes Mal. Nur ein dumpfes Stöhnen antwortete ihm.

Verzweifelt legte Akai seinen Kopf gegen den Türrahmen.

"Was soll ich bloß tun?", fragte er sich. Plötzlich wurde er durch einen hellen Lichtstrahl direkt in sein Auge geblendet. Der Strom war scheinbar wieder zurückgekommen und nun reflektierte irgendetwas das Licht.

Akai drehte instinktiv den Kopf und registrierte dabei, was ihn geblendet hatte.

"Die Handschellen!" Ein Plan nahm in seinem Kopf Gestalt an und entschlossen ging er zum Nachtschrank, auf welchen Gin die Handschellen mit dem Schlüssel gelegt hatte. Ohne den Schlüssel zu beachten, nahm Akai die Handschellen und befestigte sie um eines seiner Handgelenke. Dann führte er beide Arme hinter seinen Rücken und befestigte sie auch um sein zweites Handgelenk. Das würde es ihm zwar deutlich erschweren Gin zu helfen, sollte sich dieser verletzt haben, doch er vertraute darauf, dass ihm dann etwas einfallen würde. Da er sich freiwillig so fesselte würde Gin hoffentlich davon überzeugt werden, dass er den Raum nicht mit der Absicht verließ zu fliehen.
 

Schließlich trat er nach einem tiefen Durchatmen in den Flur. Er brauchte nicht lange, um herauszufinden, wo Gin sich befand.

Akai drehte seinen Kopf leicht nach links und erblickte somit den Silberhaarigen am Ende des Flurs, scheinbar vor der Küchentür. Da der Flur jedoch noch verdunkelt war, konnte Akai nur erkennen, dass Gin auf dem Boden krümmte und sich wohl kaum regte. Der Anblick sorgte dafür, dass die Panik Akais Verstand letztlich doch übernahm.

Während er durch den Gang eilte, erhellten diesen noch einige Blitze, bis wieder ein Donner erfolgte, als der Agent Gin erreicht hatte.

"Gin...! Was ist los?!" Akai ließ sich vor Gin auf die Knie fallen.... weil keine Antwort erfolgte, nahm er stattdessen einen hastigen Atem wahr, welcher ab und zu von einem leisen Stöhnen unterbrochen wurde.

"Hast du Schmerzen...?" Noch ein vergeblicher Versuch eine Antwort von Gin zu erhalten. Akai würde in diesem Augenblick gern dessen Gesicht sehen, doch die silbernen Haarsträhnen darüber ließen das nicht zu.

"Verdammt..." Während der Machtlose fluchte, ertönte noch ein Donner. Daraufhin grub Gin seine Hände in den Kopf, was wirklich nicht gesund aussah. Die zitternden Finger schienen sich regelrecht in die Kopfhaut zu krallen.

Allmählich wurde auch Akais Atem immer schneller. Er konnte sich nur begrenzt vorstellen, was in Gin gerade vorgehen musste. Daher konnte er schlecht einschätzen wie und ob er ihm überhaupt helfen konnte. Akai wollte jedoch nicht länger mit ansehen, wie sich sein Koibito diese Schmerzen zusätzlich selbst zufügte, also handelte er nach der bestmöglichsten Idee, die ihm zuerst einfiel. Er ließ sich nach hinten fallen und verschaffte seinen Beinen ein wenig Freiraum. Zumindest so viel, dass es ihm möglich war, Gins Hände von dessen Kopf wegzutreten.

"Hör auf damit, du tust dir weh!", schrie er dabei, nicht im Glauben daran, dass Gin diese Worte überhaupt erreichen würden. Doch der Tritt schien den Silberhaarigen aufmerksam gemacht zu haben. Er stützte seine Hände auf dem Boden ab und hob seinen Kopf, um Akai ansehen zu können.
 

Dabei wurde es Gin bewusst: Die zweite Stimme in seinem Kopf stammte von seinem Retter. Sie passte zu dem Bild, das sich ihm gerade bot. Genau wie damals, diese panischen, aber auch beruhigend wirkenden Worte, der besorgte Gesichtsausdruck... doch es fehlte diese Wärme. Die Wärme, welche Gin dadurch empfand, weil Akai ihn fest im Arm gehalten hatte. Um diesem fehlenden Gefühl nachzugehen, schlang er seine Arme instinktiv um den Agenten.

Dieser hatte nicht mit solch einer Geste und vor allem nicht mit dem Schwung dabei gerechnet. Beide fielen auf den Boden.

Akai lag durch die Handschellen unbequem auf dem Rücken und Gin auf ihm.

"G-Gin...", brachte Akai vor Verwirrung leise aus sich heraus. Natürlich reagierte dieser nicht. Eher vergrub er seinen Kopf tiefer in Akais Brust und beachtete dabei nicht, dass er dem Agenten dadurch Schmerzen bereitete.
 

Akai versuchte, seine Taille etwas anzuheben, da sein eigenes und Gins Körpergewicht sonst seine gefesselten Hände mitsamt den Armen daran zerquetschen würden. Obwohl er Gin gern in seinen Armen hat und nicht genug körperliche Nähe von seinem Koibito bekommen konnte, lange würde er nicht in dieser Position verweilen können.

"Wie soll ich Gin überhaupt jetzt von mir runter bekommen?" Ihm fiel keine Möglichkeit ein. Gin schien in diesem Augenblick wie benommen. Langsam begannen auch Akais Beine, auf welche er das ganze Gewicht verlagert hatte, zu zittern.

Letztlich ergab er sich und ließ seinen inzwischen erschöpften Körper fallen. Unmittelbar danach durchzog auch schon der erwartete Schmerz seine Arme.

Akai biss die Zähne zusammen und versuchte jeden Laut zu unterdrücken. Würde er jetzt ruhig bleiben, dann würde Gin vielleicht auch irgendwann einschlafen. Er hoffte zumindest, dass der Silberhaarige auf ihm sich vollständig beruhigen würde.
 

Nach einiger Zeit legte sich das Gewitter wieder. Die Blitze erschienen nur noch in weiten Zeiträumen voneinander und der Donner wurde nach und nach leiser. Auch von Gin konnte Akai keinerlei Regung mehr vernehmen.

"Zum Glück...", dachte er erleichtert, als er bemerkte, wie Gin friedlich auf ihm schlief. Trotz der einkehrenden Taubheit in seinen Armen konnte Akai noch ein Lächeln aufsetzen. Gerade erinnerte sein Koibito ihn an das Kind von damals, was er so liebgewonnen hatte. Leider konnte der Agent sich nun aufgrund der unbequemen Liege-Position auf eine wahrscheinlich schlaflose Nacht vorbereiten. Doch es machte ihm nichts aus, solange Gin einen angenehmen Schlaf haben würde, den dieser jetzt wirklich brauchte.

"Was wohl morgen passieren wird, wenn er aufwacht..." Akai fragte sich, ob er sich die Gedanken darüber besser sparen sollte. Ein wenig Angst hatte er schon, Gins Vertrauen zu verlieren. Dann wäre er wieder beim schmerzhaften Anfang, daran wollte er gar nicht erst denken. Seufzend schloss Akai einfach sein Auge und versuchte seinen Kopf zu leeren. Vielleicht hätte er Glück und würde doch irgendwann einschlafen.



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