Zum Inhalt der Seite

Blurred

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 6

Bewaffnet mit einem Stift hatte ich mich aufs Bett gesetzt und die erste Seite des „Vertrags“ aufgeschlagen.

Alleine der erste Absatz machte mich schon wieder wütend und ließ Kaibas sadistische Veranlagung deutlich werden.

Denn laut diesem war es mir untersagt, während der gesamten Dauer unserer „Beziehung“ öffentlich Zuneigung zu einer anderen Person zu bekennen.

Mit anderen Worten: Es war mir vermutlich für den Rest meines Lebens verboten auf Dates zu gehen, jemanden auf der Straße zu küssen oder gar Händchen zu halten.

Man könnte fast meinen Kaiba legte solche Klauseln fest, weil er schnell eifersüchtig wird oder sich die Exklusivrechte sichern möchte.

Aber wir alle wussten, warum dieser Satz aufgeführt war: Er wollte nur seinen eigenen Arsch retten! Es würde seinem Ruf nämlich sehr schaden, wenn sich sein ,,Verlobter" öffentlich mit anderen sehen ließ.

Und so wie ich die Klatschblätter der Stadt kannte, würden sie mir am Ende noch eine Affäre mit Yugi, Tea oder Tristan andichten, sollte ich Ihnen in der Öffentlichkeit zu nahe kommen.

Mein Herz machte bei diesen niedergeschriebenen Worten einen großen Seufzer und gleichzeitig fragte ich mich, ob Kaiba meine Affären in dieser Villa dulden würde. Denn wenn ich hier für den Rest meines Lebens bleiben musste, würde es zwangsläufig dazu kommen! Ich werde nämlich mit Sicherheit nicht als keusche Jungfrau in meinen Sarg klettern!

Weil das aus dem Rest von Absatz 1 nicht klar hervorging, markierte ich die Stelle und schrieb meine Anmerkungen auf die letzte Seite. Diese lautete wie folgt: Mir soll es erlaubt sein potentielle Partner mit in die Villa zu bringen.

Danach machte ich mich auf zu Absatz zwei.
 

Dem Kindergarten (Def. für Yugi Muto, Tristan Taylor, Tea Gardener und sämtlichen anderen Klassenkameraden) ist das Betreten der Villa strengstens untersagt.
 

Ich hatte mit so etwas ähnlichem schon gerechnet, allerdings nicht auf Seite eins.

Und weil ich ganz genau wusste, dass die nächsten dreißig Seiten nicht besser werden würden, klappte ich den Vertrag einfach wieder zu und schob ihn von mir weg.

Bevor ich auch nur daran denken würde diese Strafe zu unterschreiben, sollte sich Kaiba ein paar ordentliche Klauseln überlegen. Immerhin bin ich kein Gefangener, sondern ein Gast. Und ich wäre nicht hier, wenn er nicht auf meine Anwesenheit angewiesen wäre.

Ein paar Momente grübelte ich noch über dieses ganze Gedöns nach, ehe ich aus meinem Rucksack einen Block herausholte und damit begann meinen eigenen Vertrag zu schreiben.

Denn was Kaiba konnte, dass konnte ich schon lange!
 


 

׺°”˜`”°º× ☯☯☯ ׺°”˜`”°º×
 


 

Taika betrat mein Zimmer ungefragt, stellte sich neben meiner Schlafstätte auf und beäugte meine Arbeit - mit der ich immer noch nicht fertig war - kritisch.

»Haben Sie eine Handaugenkoordinationsstörung Mister Wheeler?«

Ich zog die Augenbrauen zusammen und sah sie fragend an. »Wieso?«

»Weil ihre Handschrift aussieht, wie die eines Hundes, dem man versucht hat ein Kunststück beizubringen!«

»Zufälligerweise bekomme ich in Klassenarbeiten immer Extrapunkte für Schönschrift!«

»Sagte der Köter und versuchte auf zwei Beinen zu laufen!«

Beinahe hätte ich vor Wut geknurrt. Weil ich aber keine Lust auf einen weiteren Joey-Hund-Vergleich hatte, riss ich mich zusammen und klappte meinen Block wieder zu.

»Was kann ich denn dieses Mal für Sie tun?«, fragte ich sie ziemlich ungehalten.

Irgendwie bekam ich langsam das Gefühl, dass Kaiba nicht das schlimmste war, was in dieser Villa hauste.

Mit dem konnte ich mich vielleicht sogar arrangieren, wenn ich ihm nur so oft aus dem Weg ging, wie es möglich war.

»Das Abendessen ist fertig und man erwartet Sie im Esszimmer. Mister Johnson wird Ihnen heute Gesellschaft leisten!«, antwortete sie schnippisch. »Sehen Sie zu, dass sie ihren Hintern nach unten bewegen - schnellstmöglich, es sei denn sie wollen heute Nacht frieren!«

Sie wartete meine Antwort nicht ab, drehte sich um und verschwand.

Irgendwie erinnerte sie mich ein wenig an Cruella DeVille. Und wenn ich nicht aufpasste, würden meine Flecken in Zukunft ihren Mantel zieren.
 

Der Rest des Haushalts hatte sich bereits am Esstisch versammelt, als ich dazu stieß.

Zu meiner Überraschung saß Mister Johnson zu Mokubas linker Seite - also genauso weit von Kaiba entfernt, wie ich es beabsichtigte zu essen.

Entweder dudelte der Hausbesitzer niemanden in seiner Nähe oder selbst Mister Johnson hielt es nicht länger aus, als unbedingt nötig.

Eine Angestellte tischte auf und innerhalb von Sekunden bekam der Raum zwei Seiten.

Die nördliche Tischseite konnte man mit dem Königreich der Eiskönigin verwechseln, von der eine eiskalte Böe zu uns in die zauberhafte Welt von Oz hinüber wehte, sobald wir etwas zu laut wurden.

Bei uns hingegen fand eine rege Unterhaltung statt, an der sich zu meiner Überraschung sogar Mister Johnson beteiligte. So erfuhren wir zum Beispiel das er erst 27 Jahre alt ist - hätte ihn eher so Mitte 40 geschätzt - und das sein Vater bereits für den ehemaligen CEO der Kaiba Corp. gearbeitet hatte.

Der Kerl konnte sogar lachen und zu meiner Überraschung ziemlich gute Witze erzählen. Hätte ich von jemandem der acht Stunden seines Tages mit Seto Spaßbremse Kaiba verbringt gar nicht erwartet!

David Johnson schien also ein wirklicher Verbündeter zu werden. Im Gegensatz zu Taika, die ich so eben zu meiner Erzfeindin aus erkoren hatte.

Und weil mir das Abendessen heute so gut gefiel, blieben wir drei sogar noch etwas länger am Tisch sitzen und unterhielten uns angeregt.

Die Schneekönigin hingegen zog sich in ihr Eisschloss - er nannte es Arbeitszimmer - zurück.

Auch Mokuba blieb uns nicht sehr lange erhalten und verschwand ebenfalls in sein Bett.

Doch David - er hatte mir im Laufe des Gesprächs das Du angeboten - und ich ließen uns von Kaibas Angestellter noch etwas zu trinken einschenken.

Irgendwann blickte er mich schließlich direkt an und sagte: »Seto ist ein aufstrebender junger Mann, er ist nur so eklig zu den meisten, weil er einsam ist und nicht weiß wie man soziale Kontakte knüpft!«

Ich zog nur die Augenbrauen hoch und nahm einen großen Schluck Cola um das aufkeimende Lachen runterzuspülen.

Kaiba ist nicht einsam. Er ist überheblich, aalglatt und ein eingeschworener Menschenfeind. Er ist ekelig zu anderen, weil er jeden - außer sich selbst - hasst. Okay, Mokuba hatte sich noch eine kleine Ecke in seinem eingefrorenen Herz gesichert, aber danach hörte es mit der Nächstenliebe auch schon wieder auf!

David schien meinen zweifelnden Gesichtsausdruck mitbekommen zu haben, denn er begann zu grinsen und schwenkte das Whiskeyglass in seiner Hand hin und her ohne den Blick davon wegzunehmen.

»Ich war von Mokubas Idee zu Beginn nicht sehr begeistert - vor allem nicht, als er mir erzählt hat das du und Setos keine allzu freundliche Zwischenmenschliche Beziehung miteinander führt. Aber mittlerweile glaube ich, dass wir niemand besseren hätten finden können!«

»Warum?«

So richtig wollte mir das Ganze nicht einleuchten. Mag an meinem - angeblich - unterdurchschnittlichen IQ liegen. Oder einfach daran das David gequirlten Mist redete.

Das Grinsen des Anwalts wurde breiter.

»Ich glaube du kannst aus ihm einen anderen Menschen machen. Du musst nur hartnäckig bleiben und darfst nicht aufgeben. Dann könnte die ganze Verlobungssache in ein paar Jahren vielleicht Realität werden und die Bedingung dafür wäre kein Vertrag, sondern Liebe!«

Ich hätte vor Schreck beinahe meine Cola umgestoßen und versuchte das ganze danach mit einem vorgetäuschten Lachen lächerlich zu machen.

Kaiba und ich, heiraten aus liebe? Erst nachdem mindestens drei Ärzte meinen Hirntod festgestellt hatten!

»Ich glaube das kannst du dir ganz schnell wieder aus dem Kopf schlagen! Kaiba und ich hassen uns abgrundtief. Ein paar fehlende Gemeinsamkeiten sollen zwar förderlich für eine langanhaltende Beziehung sein, aber bei uns wären das definitiv zu viele. Wenn ich könnte würde ich eine Galaxie weiterziehen - und selbst das wäre vermutlich nicht genügend Abstand!«

David leerte sein Glas ohne etwas zu sagen und stand anschließend auf.

»Weißt du was ich an deinen Ansagen am meisten schätze? Du lehnst Kaiba als Persönlichkeit ab, aber nicht sein Geschlecht.«

Er grinste jetzt noch dümmlicher vor sich hin als vorher.

»Aber weißt du was: Ich kann die beiden gut leiden, trotzdem hätte ich mich auf so einen Deal niemals eingelassen, nicht mal Mokuba zu liebe! Und du machst das auch nicht nur wegen Mokuba - da steckt mehr dahinter du weißt es nur noch nicht!«

Ich verdrehte die Augen. Noch so ein klischeehafter philosophischer Satz und ich ziehe ihm eine über! Echt jetzt!

»Du hast recht; ich bin unsterblich in ihn verliebt und sprühe nur so vor rosa Herzchen wenn Kaiba mir über den Weg läuft! Es war schon immer mein größter Traum hier zu sitzen und mich sein Verlobter zu nennen! Und nachts ... Oh ja nachts, da reißen wir uns voller Leidenschaft alle Klamotten vom Leib und vögeln uns gegenseitig das Hirn raus!«

Ich versuchte so viel Ernsthaftigkeit in meine Stimme zu legen wie ich aufbringen konnte.

Warum waren eigentlich alle der Meinung Kaiba und ich würden ein so wundervolles Liebespaar abgeben? Wir würden vermutlich innerhalb von einer Woche die Villa in Schutt und Asche zerlegen, sollten wir jemals zusammenkommen.

Was rede ich da - ich würde ihn kastrieren bevor auch nur auf die Idee kam mich anzufassen.

Kaibas und Wheelers waren eben einfach nicht kompatibel. Das hatte die Natur so festgelegt. Wir waren quasi genetisch dazu programmiert worden, uns zu hassen!

»Ich glaube das könnte dir so passen Wheeler!«

Augenblicklich wurde ich rot, als die schneidend kalte Stimme direkt hinter mir ertönte.

»Oh glaub mir Kaiba, das war ein Witz! Bevor ich dich ranlasse müssen noch ein paar tausend Sterne verglühen!«

Der reiche Pinkel zog nur spöttisch einen Mundwinkel nach oben und machte ein komisches Geräusch.

»Und ein Köter wie du bräuchte ein paar Flohbäder!«

Jetzt geht das wieder los.

Langsam wurde es echt langweilig und er sollte sich mal was Neues überlegen.

»Ein weiteres überzeugendes Argument für getrennte Betten - ach was erzähle ich: Getrennte Wohnorte! Gute Nacht David!«, zischte ich, drehte mich zu Kaiba um.

Ich blickte direkt in die eisblauen Augen, die plötzlich gar nicht mehr so spöttisch dreinschauten. Musste ich mir jetzt Sorgen um seine Gesundheit machen? Als Krankenschwester war ich wirklich ungeeignet! Yugi konnte da ganz witzige Anekdoten erzählen.

»Gute Nacht - Herrchen!«

Ich konnte mir diesen Spitznamen beim besten Willen einfach nicht verkneifen. Und weil ich keine Lust auf eine weitere Diskussion mit Kaiba hatte, flitzte ich die Treppe hoch und verschanzte mich in meinem Zimmer.

Meine Augen erfassten sofort den Block und den Stift. Ich begann diabolisch zu grinsen.

Flöhe sprangen auch auf Menschen über und ich würde dafür sorgen, dass sie Kaiba wegen meiner Anwesenheit die Haut wund und blutig kratzte.

Das hier würde mich kein Zuckerschlecken werden und für Kaiba sollte es erst recht keins werden.

Ich wollte ja nicht, dass der reiche Pinkel früher oder später doch noch Gefallen an mir fand. Dann müsste ich mir von Taika eins ihrer Beile ausleihen und ihn doch noch kastrieren.

Doch irgendwie gefiel mir die Idee dann doch nicht mehr so gut und mein Herz zog sich ein wenig zusammen.

Jetzt geht es los: Ich bin bereit für die Einlieferung!
 


 

׺°”˜`”°º× ☯☯☯ ׺°”˜`”°º×
 


 

Ich hatte keine Sekunde geschlafen, als Taika am nächsten Morgen meine Tür aufriss.

»Sie sehen beschissen aus!«, waren ihre ersten und einzigen Worte.

Am liebsten hätte ich irgendetwas alla „Danke gleichfalls“ gesagt, aber irgendwie hatte ich die Vermutung das sie ganz tief in ihren Küchenschränken noch eine Dose Hundefutter versteckte und nur darauf wartete, diese zum Einsatz bringen zu können.

»Das Frühstück wird in einer halben Stunde fertig sein - Denken Sie, Sie schaffen es bis dahin Salonfähig zu sein?«

Irgendwie konnte ich bei ihr nicht ganz auseinanderhalten, ob sie eine Frage gestellt oder einen Befehl erteilt hatte.

»Wollen Sie mir vorher vielleicht noch ein Flohbad verpassen?«

Okay, das war nicht beabsichtigt - es ist mir einfach so herausgerutscht. Das passiert eben, wenn man Joey Wheeler hieß!

Taika sah mindestens genauso schockiert aus wie ich mich fühlte.

Sie.

Würde.

Mich.

Töten.

Jetzt ist es amtlich!

»Bevor der Tag kommt, an dem ich dir ein Flohbad verpasse, sperre ich dich eher in die Hundehütte im Garten!«

»Ist bestimmt gemütlicher als diese Designerlounge.«

»Für jemanden der in einem Schuhkarton geboren wurde bestimmt!«

»Gib mir die Schlüssel, ich ziehe sofort ein!«

»Liegen in der Küche, direkt neben der Kette, mit der ich dich fest machen werde - wir wollen ja immerhin nicht, dass du einfach ausreißt!«

»Krieg ich dann auch so ein cooles Nietenhalsband?«

Sie schien damit gerechnet zu haben, dass ich aufgebe. Aber am Ende war ich derjenige der zuletzt lachte und sie aus dem Zimmer vertrieb. Die Quittung dafür würde ich spätestens am Esstisch bekommen, wenn für mich nur noch zwei Näpfe am Boden bereitstehen. Zu zutrauen wäre ihr so eine Demütigung. Und Kaiba würde sie vermutlich köstlich amüsieren.

Doch so leicht werden mich die beiden nicht klein kriegen.

Grinsend sammelte ich meine Blätter zusammen und klemmte sie mir unter den Arm. Ich konnte mir schon vorstellen, wie Kaiba sämtliche Gesichtszüge entgleisen würden, sobald er sich meine Bedingungen durchliest. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie freute ich mich darüber jetzt schon wie ein kleines Kind.

Doch zu meiner Enttäuschung saß Kaiba heute nicht mit uns am Frühstückstisch. Was vermutlich auch der Grund dafür war, dass Mokuba und ich in der Küche essen mussten. Unter Taikas strenger Aufsicht.

Das hätte sie mir auch gleich sagen können, dann wäre ich nämlich erst gar nicht hinuntergekommen.

»Wo ist denn mein ehrenwerter Verlobter?«, fragte ich beiläufig und ließ mich auf den Stuhl neben Mokuba gleiten.

Dieser stopfte sich bereits Cornflakes in den Mund.

»Im Firmensitz der Kaiba Cooperation. Er muss ein paar Dinge regeln! Er wird vor heute Abend nicht zurück sein!«, antwortete Taika und reichte mir drei Scheiben Toast.

Irgendwie hatte ich kein gutes Gefühl dabei und schob den Teller schnell von mir weg.

»Dann scheint es ja kein Problem zu sein, wenn ich mich heute mit meinen Freunden treffe - oder?«

Taikas Stirn legte sich in Falten.

»Sie müssen mir bestimmt nicht sagen wo sie hingehen! Nur tun Sie mir den Gefallen und vergessen Sie Ihr Flohhalsband nicht. Wir wollen ja nicht, dass sie sich auf ihrer Streuner-Tour etwas einfangen oder?«

Ich verdrehte die Augen und stand auf. Dann legte ich die Blätter auf den Tisch.

»Können Sie dafür sorgen, dass Seto diese Unterlagen erhält?«, fragte ich sie.

Ich bemühte mich um einen extra freundlichen und höflichen Ton, damit sie mir diese Bitte nicht abschlagen konnte.

Doch ich hatte die Rechnung ohne Taika gemacht, die an allem was ich sagte etwas auszusetzen hatte.

»Sehe ich aus wie seine persönliche Sekretärin? Legen Sie ihm die „Unterlagen“ in sein Arbeitszimmer bevor sie gehen und kleben sie ein rotes Post-It drauf!«

Ich sah ihre Hände zucken und wusste ganz genau das sie bei dem Wort „Unterlagen“ am liebsten Anführungszeichen in die Luft gemalt hätte.

Doch sie verkniff es sich, drehte sich wieder um und presste ein paar Orangen aus. Mit denen wollte vermutlich keiner tauschen, so viel Kraft wie sie dafür aufbrachte. Sie hätte durchaus auch Profi-Ringerin werden können.

Hätte niemals gedacht, dass das Mütterchen solche Kräfte besitzt. Aber das zeigte mir nur einmal mehr, dass ich sie lieber nicht unterschätzen sollte.

Ich verschwand aus der Küche und nahm mir vor unterwegs etwas essen zu gehen. Das bisschen Geld was ich noch hatte, sollte für ein kleines Frühstück reichen.

Als ich wieder in meiner Zelle ankam, schrieb ich zu allererst Yugi und den anderen eine SMS. Sie schienen ihr Handy gerade nicht griffbereit zu haben, weswegen ich unter die Dusche sprang und mir vornahm danach nochmal nach den Antworten zu schauen.

Doch selbst als ich aus dem Bad kam, hatte ich von keinem eine Erwiderung erhalten.

Grummelnd sammelte ich daher meine Blätter zusammen und machte ich auf in Kaibas Arbeitszimmer. Das wollte ich immerhin erledigt haben, bevor der feine Herr nachhause kommt. Dann wäre er mit seinem Tobsuchtsanfall nämlich bestimmt schon fertig, bis ich mich wieder hier blicken ließ.

Ich verirrte mich auf dem Hinweg beinahe wieder, schaffte es aber doch irgendwie vor der breiten Tür anzukommen.

Doch dann bekam ich Zweifel, ob es richtig war einfach in Kaibas Privatsphäre einzudringen. An meinem ersten Abend hier hatte er irgendetwas von „kein Zutritt“ gefaselt. An den genauen Wortlaut konnte ich mich leider nicht mehr erinnern- saublödes Kurzzeitgedächtnis!

Aber Taika hatte gesagt ich solle es ihm persönlich vorbeibringen und wenn Taika das sagte hatte ich doch die Erlaubnis dafür oder nicht? Immerhin steht ihre Weisungsbefugnis in diesem Haus über meiner ... Ich wette das selbst Küchenhilfe Nummer 8 mehr zu sagen hatte als ich. Aber ich bin ja auch nur ein Hund - Haus und Hof Maskottchen. Und die können ja für gewöhnlich nicht reden, geschweige denn richtig und falsch unterscheiden, wenn sie nicht sofort daraufhin gewiesen werden!

Trotzdem warf ich noch einen vorsichtigen Blick über meine Schulter und prüfte den Boden auf Haare, die ich eventuell verloren haben könnte. Man müsste ja keine unnötigen Beweise hinterlassen. Wenn Kaiba mich drauf ansprach konnte ich immer noch sagen, dass Taika ihm die Sachen auf den Schreibtisch gelegt hatte.

Also öffnete ich die Tür ohne weiter darüber nachzudenken. Und ich fand genau das vor, was ich erwartet hatte: Einen großen leeren Raum, dessen einziger Inhalt ein breiter Schreibtisch mit einfachem Bürostuhl ist. Darauf steht ein Laptop, der angeschaltet ist und dem Saal dadurch gerade genug Licht spendet, dass man wenigstens Silhouetten erkennen kann.

Schnellen Schrittes ging ich auf den Tisch zu und legte meinen Vertrag auf die Tastatur des Laptops. Ich ging einfach davon aus, dass Taika ihn dort auch hingelegt hätte, damit man ihn auch wirklich nicht übersehen konnte.

Ich sah den leeren Schreibtisch skeptisch an und fragte mich, wie man in so einer sterilen Arbeitsatmosphäre überhaupt ordentlich arbeiten konnte. Aber Kaiba schien genau das zu brauchen; bloß keine störenden Einflüsse von außen.

Als ich die Hand wieder wegzog, verschwand der Bildschirmschoner und gab den Desktop frei. Und ein Bild von Kaiba und Mokuba, worauf beide noch sehr viel jünger waren.

Interessiert beugte ich mich weiter nach vorne und entdeckte etwas, dass mir beinahe Schnappatmung bescherte.

Kaiba konnte Lächeln. Breit und aufrichtig.

Ich zog den Schreibtischstuhl zurück und nahm darauf Platz. Es fiel mir schwer, mich von dem Bild loszureißen.

Es faszinierte mich.

Mir war natürlich klar, dass Kaiba nicht als unsensibler Eisklotz auf die Welt gekommen war, aber ich hatte immer gedacht seine abweisende Art hätte er schon in frühester Kindheit entwickelt.

Doch wenn ich dieses Bild so sah, wurde mir klar, dass Kaiba noch nicht lange so war, wie er sich der Welt präsentierte.

Und mir wurde auch klar, dass seine Maske noch nicht vollfunktionstüchtig war, dass sie immer noch bröckelte.

Ich starrte das Bild noch eine Weile an, ehe ich mich gewaltsam davon losriss und vom Stuhl aufstand.

Ich schob ihn zurück an den Tisch und verließ dann den Raum. Und ich nahm mir vor niemandem von dem Bild zu erzählen. Denn es schien Kaibas Geheimnis zu sein, also würde es von fortan auch meines sein!
 

Zurück in meinem Zimmer, checkte ich zu allererst mein Handy. Erfreut durfte ich Feststellen, dass wenigstens Yugi sich die Mühe gemacht hatte, mir zu antworten.

Viel schrieb er allerdings nicht, außer, dass er heute keine Zeit hatte.

Ich seufzte gefrustet. Wenn Yugi keine Zeit hatte, bedeutete das meistens, dass auch die anderen keine Zeit hatten.

Ich warf mein Handy aufs Bett und ließ mich direkt daneben fallen.

Ich sollte mir Hobbies suchen, wenn ich nicht für immer und ewig in diesem Zimmer versauern wollte.

Vielleicht sollte ich einem Buchclub beitreten, dann könnte ich vielleicht wenigstens meine Bildungslücke schließen.

Angewidert von mir selbst streckte ich die Zunge heraus und schüttelte den Kopf. Bevor ich einem Buchclub beitrete, geht eher die Welt unter ... Es sei denn wir reden von Bilderbüchern.

Gerade als ich ernsthaft an meinem Lebenswillen zweifelte, wurde meine Zimmertür geöffnet.

Ich hob den Kopf, entdeckte Mokuba und versuchte mich an einem Lächeln.

»Was ist Kleiner?«

»Mir ist langweilig!«, antwortete der Zottelkopf.

»Da wären wir ja schon zu Zweit! Wir sollten eine Allianz bilden gegen unser trostloses Dasein!«

Mokuba kicherte.

»Wie wärs wenn wir im Garten eine Runde Fußball spielen gehen?«

Ich starrte ihn schockiert an.

»Du spielst Fußball? Ich dachte im Kaiba-Reich wäre nur Duell Monsters erlaubt?!«

»Mein Bruder hat es ziemlich früh aufgegeben, mir das beizubringen. Ich besitze den Haufen Karten nur um ihn in meinem Zimmer von A nach B zu schieben!«

Ich lachte. Das musste für den reichen Pinkel eine herbe Enttäuschung sein. Sein kleiner Bruder interessierte sich nicht für seinen Lebensinhalt.

Nur um Kaiba eins auszuwischen schwang ich mich vom Bett. Ich hatte keine Ahnung wie gut mein Fuß mit einem Ball harmonieren würde, aber alleine für mein Ego raffte ich mich auf.

Wenn ich in dieser Villa langfristig überleben wollte, brauchte ich Verbündete. Mir war zwar klar, dass Mokuba mich niemals seinem Bruder vorziehen würde, aber eine Gemeinsamkeit mehr konnte uns beiden nicht schaden.

»Na dann lass uns mal loslegen!«

Mokubas Augen begannen zu glänzen und er sprang laut jubelnd in die Luft, ehe er aus dem Zimmer rannte wie ein Berserker.

Ich folgte ihm. Was eine Runde Fußball wohl mit den Blessuren die mein Vater hinterlassen hatte, anstellen würde?
 

Als ich die Küche betrat, stand die Terrassentür sperrangelweit offen und Taika werkelte bereits am Abendessen.

Sie beäugte mich kritisch, als ich dem Kaiba Spross nach draußen folgen wollte.

»Das Angebot mit der Hundehütte steht noch!«, ließ sie mich wissen.

Ich lächelte nur gespielt freundlich und warf einen vorsichtigen Blick.

»Ich denke für diese Nacht werde ich das ablehnen - Irgendetwas sagt mir, dass es heute regnen soll!«

Kaibas Hausherrin zog die Augenbrauen hoch.

»Animalische Intuition die sie da an den Tag legen Mister Wheeler!«

»Was wäre ich denn für ein schlechter Labrador, wenn ich nicht mal das Wetter voraussagen könnte?«

Ich sah es ihrem Gesichtsausdruck an, dass sie mir gerne noch irgendetwas an den Kopf geworfen hätte. Doch ich schlüpfte schnell nach draußen bevor es soweit kommen konnte.

Der Garten der Kaiba Villa war genauso unspektakulär wie die Einrichtung der Villa. Es gab keine Blumen, nur akkurat geschnittene Dornenhecken und kurz gemähten Rasen. Ein wenig erinnerte es mich schon an den Park, wo ich mich gelegentlich mit meinen Freunden traf. Nur das vermutlich selbst ein Gefängnishof gemütlicher aussah, als das hier!

Die Terrasse war dafür verhältnismäßig klein und schien wenig bis gar nicht genutzt zu werden. Denn außer einer alten Holzbank stand hier nichts herum.

Mokuba stand ziemlich weit hinten und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich ihn für eine Fata Morgana halten.

Ach so und bevor ich es vergesse: Das mit der Hundehütte war gelogen! Weit und breit ist keine zu sehen.

Mokuba schien unter Fußball tatsächlich nur zu verstehen, sich den Ball ein wenig hin und her zu kicken. Denn ich entdeckte kein Tor, nicht mal ein provisorisches aus Plastikflaschen oder drapierten Jacken.

Der Ball den er hervorgekramt hatte, schien seine besten Zeiten auch schon erlebt zu haben.

Er entdeckte mich, kickte mir den Ball zu und ich kickte ihn zurück. So ging das eine ganze Weile schweigend vor sich hin.

»Wir sollten Yugi und die anderen Mal einladen!«

Schockiert sah ich Mokuba an. »Bist du dir sicher das Kaiba ihre Anwesenheit in seinen heiligen Hallen duldet?«

Ich wette, er versteckt unter seiner Zufahrt einen Burggraben mit Krokodilen. Und jeder ungebetene Gast der hier erscheint verschwindet dann auf wundersame Weise. Yugi würde es bestimmt auch so ergehen, dann wäre der Eisklotz wieder König der Spiele und müsste nicht erneut eine bittere Niederlage einstecken.

»Er ist sowieso nur in der Firma und kriegt das nicht mit - und ein bisschen Gesellschaft tut uns allen gut!«

Ich verzog das Gesicht. Ob Taika von Gesellschaft so begeistert wäre, bezweifelte ich. Wenn sie sich die schwarzen Haare noch etwas länger wachsen lässt, könnte sie der alten aus „The Ring“ Konkurrenz machen. Dann wäre selbst Kaibas Kühlschrank-Blick überflüssig!

Mokuba kickte mir den Ball zu.

»Sag mal Joey: Wenn das jetzt alles nicht so gelaufen wäre, hättest du dich dann trotzdem irgendwann in meinen großen Bruder verliebt?«

Kann mal einer den Defibrillator holen? Ich erleide hier glaube ich gerade eine Herzattacke!

»Ich glaube nicht, dass dein Bruder und ich uns jemals ineinander verlieben werden! Dafür hassen wir uns zu sehr!«

Ich kickte den Ball zurück zu ihm.

»Gegensätze ziehen sich an!«

Der Ball rollte wieder zu mir.

»Kaiba und ich wären zu viel des Guten!«

Ich passte erneut.

»Solange ihr euch Gegenseitig guttut, kann das doch allen anderen egal sein!«

Die Kugel landete wieder bei mir. Ich stellte den Fuß drauf und sah mein Gegenüber an, als hätte der nicht mehr alle Tassen im Schrank.

»Aber reich und arm vertragen sich nicht gut - Dein Bruder und ich sind das beste Beispiel dafür! Wir würden eher dafür sorgen, dass der andere tot unter der Erde liegt, als uns zusammen zu raufen!«

Mokuba zog eine Augenbraue hoch.

»Aber du würdest ihn niemals im Stich lassen - egal was für ein Arsch er ist! Das beweist diese Aktion ja wohl am besten!«

Ich nahm meinen Fuß vom Ball und kickte ihn zu ihm zurück.

»Ich habe das sicherlich nicht für ihn getan, sondern für dich! Und wenn ich mir das ganze hier anschaue fange ich an meine Entscheidung zu bereuen!«

Der Zwerg verzog das Gesicht.

»Ich glaube, dass du nur noch nicht erkannt hast, was du hier alles hast! Aber ich denke, dass du das erkennen wirst und dann willst du gar nicht mehr gehen!«

Er kickte den Ball zurück, doch ich ließ ihn vorbeirollen und er landete im Dornenbusch.

Doch das kümmerte mich nicht. Mein Blick haftete noch immer an Mokuba.

»Was ich suche werde ich auch hier nicht finden, aber das kann uns allen egal sein! Ich werde das hier solange durchziehen wie nötig und danach ganz weit weg verschwinden und mich niemals wieder an diese Zeit erinnern!«

Ich seufzte. »Ich werde jetzt wieder in mein Zimmer gehen und erst zum Abendessen wieder hinunterkommen!«

Ich wartete seine Antwort nicht ab, sondern ging direkt zur Terrasse zurück.

Taika stand noch immer in der Küche. Als sie mich entdeckte, konnte sie sich eines ihrer hämischen Kommentare nicht verkneifen.

»Ich hoffe man hat sich nicht zu sehr im Dreck gesuhlt! Finde ich auch nur ein Stück auf meinem Fußboden mache ich die Drohung mit der Hundehütte doch noch wahr!«

Ich winkte ihre leere Drohung ab und ging einfach nach oben.

Konnte mir mal einer erklären warum jeder mich dazu überreden wollte, freiwillig hier zu bleiben?

Hatten die alle keine Augen im Kopf: Ich war nicht in Seto Kaiba verliebt und wir passen erst recht nicht zusammen!

Die taten hier alle so, als würde mir das ganze Spaß machen. Aber ich bin mit großer Sicherheit der aller Letze dem das hier Freude bereitete!

Muss ich die Villa erst in Brand setzen, damit die das mal raffen?



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Traumfaengero_-
2019-04-30T18:40:37+00:00 30.04.2019 20:40
Nach wahrscheinlich drei Versuchen diesen Kommentar zu schreiben, werde ich ihn jetzt kurz und „schmerzlos“ halten. Ich habe sicher 3 Mal dieses Kapitel gelesen, weil ich immer vergessen habe, was passiert ist…
Ich kann Joey sehr gut verstehen. Warum glauben alle jetzt schon, dass die beiden so gut zusammen passen? Ich habe noch nicht viele… gut, gar keine Anhaltspunkte gefunden. Vielleicht kann man das Ausbleiben von wirklich bösen Kommentaren als Zuneigung identifizieren, die zumindest als eine gewisse Akzeptanz Joey gegenüber gesehen werden kann. Aber Liebe?
Hm, ich bin mal sehr gespannt, wie es weiter geht. Vielleicht stellt sich in den mittlerweile 4 neuen Kapiteln heraus, was ich da so übersehen habe. :D
Taika ist wirklich herrlich, ich mag sie auch sehr gerne. Dass sie so eigen und ziemlich böse. Allerdings bin ich auch sehr zwiegespalten, denn ich mag es auch nicht, wenn Joey immer wieder einen drauf bekommt. Ja,… dann will ich mal weiter lesen. ^^

Liebe Grüße
Traumfänger

Von:  Satra0107
2018-12-31T19:04:13+00:00 31.12.2018 20:04
Ich kann mich jedes mal köstlich über diese Taika amüsieren. Ihre Sprüche sind ja so gemein und dennoch lachen ich drüber.
Ich bin gespannt was alles in Joeys Version vom Vertrag drin steht.
Von:  Onlyknow3
2018-12-03T14:30:29+00:00 03.12.2018 15:30
Ach Joey der ewige Zweifler an sich selbst, dabei sieht er nicht was andere sehen können.
Denn gerade seine Unwirsche Art ist es doch die Seto Eischrank Kaiba Leben einhaucht.
Sonst wäre diese wohl kaum auf diesen Deal eingegangen um Joey an sich zu binden.
Da der Freiwillig nicht geblieben wäre, Jugendamt hin oder her, Seto hätte auch Roland zum Vormund von Mokuba machen können. Also was soll das sonst, das Theater.
Weiter so, freue mmich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3


Zurück