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Genauso wie du bist...

von

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Der Mann von nebenan

Samstagmorgen, bereits 25 Grad im Schatten, bisher nur einen Kaffee und eine Schale Cornflakes vernichtet und was sagte die Waage?

Mit hängenden Schultern und mieser Laune im Gesicht stieg Elli von eben diesem Glasgestell herunter und würdigte die digitale Anzeige keines Blickes mehr. 126 Kilo...

Schade, dass Ihr Leben kein Bridget Jones Tagebuch war und ihr Gewicht die gleiche Zahl in britischen Pounds, denn dann wäre sie etwas mehr als 57 Kilo leicht, aber so...

Seufzend bezog die Brünette Stellung vor ihrem Bodenlangen Spiegel und betrachtete ihr Gesicht. Das lange, dicke Haar wellte sich leicht an den Spitzen, ihre Augen waren groß und braun wie die Strähnen um sie herum und ihre Nase hob sich keck in einer kleinen Spitze empor. Alles in allem ein niedliches Gesicht, bis hin zu den schwungvollen Lippen und den hohen Wangenknochen.

Doch dann kamen der Hals, der bereits zu dick erschien, und die kleine Speckrolle unter ihrem Kinn. Das Schlüsselbein war gar nicht erst zu sehen und durch ihre Oberarme wirkten ihre Schultern unnatürlich breit.

Nun, das Gute daran war, dass man wenigstens noch die typisch weibliche Sanduhrenform erkennen konnte – anders als bei manch anderen Personen ihrer Gewichtsklasse – doch alles in allem war sich Elli in einer Sache sicher: Vom Hals an abwärts konnte man sie gerne in Stücke hacken.

Sie drehte sich von ihrer vielleicht noch annehmbaren Front zur Seite und begutachtete das Ding, das am schwersten zu verstecken war: Ihren Bauch. Groß und rund stellte er sich von ihr ab, beinahe wie ein Schwangerschaftsbauch, wenn da nicht die kleine Rolle am unteren Ende wäre, die herum zu baumeln begann...

Sie seufzte, wandte sich schnell ab, ehe sie in noch tiefere Depressionen versinken konnte und griff sich das Knielange weiß-schwarze Sommerkleid über dem Badewannenrand.

„Elli“, hallte es da schon durch die Wohnung und noch bevor sie den Neckholder richtig schließen konnte, platzte ihre Mutter herein. „Elli, Elli, hast du schon mal raus gesehen?“, sang sie mit quietschender Stimme und sprang wie eine Siebzehnjährige zum Fenster.

Ihre Tochter seufzte theatralisch.

„Mama, was willst du?“, fragte sie wenig begeistert und stieß dabei schwer die Luft aus.

„Mama hat schon wieder einen neuen Freund für dich gefunden.“, sang ihr zehnjähriger Bruder von der Wohnungstür her, in der er mit verschränkten Armen lehnte. „Knutsch, knutsch.“

„Ben, hast du heute nicht ein Fußballspiel?“, wollte Elli wissen und kam zu ihm hinüber geschlendert.

„Ja und genau dahin waren wir eigentlich gerade unterwegs...“, grummelte der Blondschopf, als ihre gemeinsame Erzeugerin erneut zu ihnen gesprungen kam, ihre Tochter schnell am Handgelenk packt und mit sich schliff zum Fenster.

„Da guck nur, guck, ist der nicht süß?“, freudig hüpfte sie von einem Fuß auf den Nächsten und wies hinaus.

Von Peinlichkeit geblendet – zum Glück konnte niemand außer ihrem Bruder das Schauspiel miterleben – warf Elli einen Blick durch die Scheibe und sah gerade noch einen kurzgeschnittenen, dunkelblonden Kopf und zwei muskulöse Arme eine große Kiste in das Nachbargebäude tragen.

„Also Mama, ganz ehrlich, früher hast du ja wenigstens noch Fußballerwaden vollgesabbert, aber dass du jetzt schon auf Pappkartons stehst... na ich weiß ja nicht.“

„Sie meint den Typen darunter, du Huhn!“, warf Ben von hinten in die Runde und Elli konnte nur die Augen verdrehen. Langsam kam der süße, kleine Junge wohl doch ins schwierige Alter...

„Eben, du Huhn, ich meine doch den Typen darunter!“

Elli versuchte krampfhaft dagegen zu widerstehen, sich nicht eine Hand an die Stirn zu schlagen. Der Apfel fiel wohl doch nicht weit vom Birnenbaum.

„Du weißt doch, die alte Frau Kroll, die nebenan gewohnt hat.“

Elli nickte. Natürlich erinnerte sie sich an die liebenswürdige alte Dame. Besonders an den Tag vor vier Wochen, als der Notarzt kam und sie am Ende nur noch zugedeckt aus dem Haus trug...

„Das ist Christopher, ihr Enkelsohn. Sie hat ihm ihr Haus vermacht.“

„Schade, also keine Maklerprovision für mich?“, fragte das Mädchen desinteressiert.

„Ach, Elli“, jammerte ihre Mutter und lief ihr quer durch die Stube ihrer Einliegerwohnung des eigenen Familienhauses hinterher in die Küche. „Christopher ist ein sehr netter junger Mann und nur ein paar Jährchen älter als du! Er ist Physiotherapeut, weißt du, und Magda hat mir erzählt, dass er im Bereich Fitness und Ernährungsberatung arbeitet.“

Mit schelmischem Grinsen im Gesicht lehnte sich ihre Mutter an den Tresen und fuhr mit spitzen Lippen fort: „Das wäre doch bestimmt der richtige Mann für dich.“

„Ja, der richtige Mann, um ein paar Kilo abzuspecken!“, brüllte Ben und konnte gerade noch so den Apfel fangen, der dafür auf ihn zu gesaust kam.

Elli lachte noch, doch ihre Mutter trieb es weiter: „Das wäre der hübsche Nebeneffekt. Es würde dir sicher nicht schaden, ein bisschen Bauch zu verlieren. Nur ein wenig!“

„Mama“, mit einem Schlag änderte sich Ellis Laune. „Ich sage es dir noch einmal: Es geht dich nichts an und ich will nicht darüber reden!“

„Aber Elli, das geht doch alles irgendwann auf deine Gesundheit...“

„Mama, es reicht!“, warf sie noch einmal dazwischen und funkelte die Frau böse an.

„Ich sage ja nur, dass...“, zum Glück musste Elli nicht weiter zuhören. Draußen ertönte eine Hupe und Ben wurde nervös.

„Komm schon, Mama, wir müssen los! Ich bin in der Start-Elf!“

„Eben, geht zum Spiel, damit ich mich in Ruhe auf meine Hauspräsentationen vorbereiten kann.“, meinte Elli mit einem Grinsen – sie versuchte die Stimmung wieder zu lockern – und scheuchte ihre Mutter vor sich her, hinaus aus der Wohnung in den Hausflur.

Als wollte sie sich vergewissern, dass ihre Familie auch wirklich ging, folgte sie ihnen bis zur Tür hinunter. Ben lief bereits vor zu dem Wagen ihres Vaters, der in der Auffahrt stand und leise vor sich her brummte.

„Hör zu, Süße, ich habe Wackelpudding angerührt und Lasagne für dich und Patricia gekocht. Bring doch was Christopher hinüber, ja? Dann kannst du ihn kennen lernen.“

„Ja, Mama...“, jammerte Elli entnervt. Was sollte sie noch sagen? Es war unsinnig jetzt mit ihr zu diskutieren, besonders wenn sie einfach nur in dieses Auto einsteigen musste, damit sie endlich verschwunden war. Manchmal konnte die Frau wirklich anstrengend aufdringlich sein, dabei war die Fünfundzwanzigjährige doch schon lange aus dem Alter heraus, in dem man sie bemuttern musste.

„Mach ‘s gut, ja?! Ich Drück dir die Daumen!“, rückwärts lief die Mutter zum Wagen, macht ein Gesicht als müsse sie krampfhaft Blähungen zurück halten und hielt ihr immer wieder die gedrückten Daumen entgegen.

Wer glaubte, dass es nicht peinlicher werden konnte, der kannte Ellis Glück nicht. Gerade, als ihre Mutter sich endlich auf den Beifahrersitz gleiten lassen wollte, kam ihr neuer Nachbar wieder aus dem Haus gelaufen.

Er war groß und sonnengebräunt, blondes, kurzes Haar und stramm durchtrainiert. Ein Leckerbissen in jeder Beziehung, besonders ohne Hemd bei diesem Wetter...

Nein, den würde Elli niemals ansprechen können! Nicht diesen...

„Oh, Chrisopher!“ - oh Gott, warum hatte man sie nur mit dieser Mutter gestraft - „Christopher, mein Kleiner...“

Der junge Gott schob lachend seine Kiste in den großen Umzugswagen zurück und kam ihrer Mutter entgegen, die in ihren flachen Ballerinas über die Auffahrt tippelte, bis zu der niedrigen Hecke, die die Grundstücke voneinander trennte.

„Hallo Tilda, ich dachte ihr müsst früh los? Hat Ben nicht ein Spiel?“, lachte er mit samtweicher Stimme.

„Ach, Christopher, ich kann doch nicht einfach gehen, wenn du hier so schwer schuftest! Meine Tochter Elli...“, sie winke ihrer Tochter zu, was diese im erst Moment vom Schreck erstarrt erwiderte. „...wird heute den ganzen Tag zu Hause sein. Sie ist Immobilienmaklerin, weißt du, und sie muss die Präsentation ihrer neuesten Häuser vorbereiten.“

Die junge Frau spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss, besonders bei dem Grinsen, das der Mann ihr zuwarf und so senkte sie das Gesicht und rieb sich die Augen. Ob es wohl reichte sich einzureden, dass sie ihre Mutter nicht kannte? Vermutlich nicht, denn diese sprach weiter: „Ich habe ihr Mittagessen vorgekocht. Komm doch so gegen eins zu ihr rüber, dann bekommst du auch was ordentliches Warmes zu essen.“

Als wäre sie ein kleines Kind... Oh Erde, tu dich auf!

„Oh, wenn das so ist und es deiner Tochter auch nichts ausmacht…?“, nun winkte auch er, doch der schelmische Gesichtsausdruck zeigte ihr nur zu deutlich, dass er genau um ihre Verlegenheit wusste und – sie konnte es sich nicht anders erklären – es amüsierte ihn maßlos.

War das peinlich!

„Elli, komm doch mal her und begrüß unseren neuen Nachbarn!“

Sie seufzte und tat, was ihr gesagt wurde. Wenn sie sich jetzt noch auf die Nase legen würde, dann wäre das Dilemma perfekt. Doch so weit kam es zum Glück nicht.

„Christopher, das ist Elli. Elli, das ist Christopher.“, grinste ihre Mutter. „Und ich muss jetzt los. Bis heute Abend, ihr Süßen, und macht mir keine Schande!“, sie drehte sich um, machte noch einen albern grinsenden Zappelkasper vor ihrer Tochter und hüpfte eilig davon zum Auto. Elli sah ihrer Familie nach. Auch ihr kleiner Bruder und ihr Vater amüsierten sich köstlich, doch das Verhalten der Hausherrin war ihnen genauso peinlich und ihr Vater drückte als Konsequenz extra stark auf die Tube.

„Wow...“, murmelte Elli endlich, als sie außer Sichtweite waren.

„Deine Mutter, hm?“

Sie nickte eifrig.

„Tja, mach dir nichts draus. Meine ist ähnlich. Nur dass die mich jeden Tag auf Arbeit anruft, um zu hören, ob ich endlich jemanden kennen gelernt habe und sie Enkelkinder bekommt.“

Elli machte ein schmerzliches Geräusch, musste aber grinsen.

„Aua! Da ist mir meine Mutter lieber. Die geht das ganz subtil an. Sie durchstöbert meine neuesten Ausschreibungen und träumt davon, jedes Haus kindersicher einzurichten.“

Sie brachen beide in Gelächter aus, doch diesem eher kurzen Ausbruch folgte eine Phase des Schweigens.

„Tja, also ich mach dann mal weiter. Ist es dir wirklich recht, wenn ich zum Mittag rüber komme? Bei mir ist noch nichts angeschlossen und der Kühlschrank ist auch nicht gefüllt. Die Alternative wäre irgendein Schnellimbiss.“

Elli zuckte schnell die Schultern und musste breit grinsen. Plötzlich wurde sie nervös. Man, was so viele, so hochgestapelte Muskeln doch bewirken konnten...

„Klar, kein Problem. Meine Mutter macht immer viel zu viel zu essen... Aber das sieht man sicher!“, sie rieb sich spaßend den Bauch und er lachte wieder, sagte aber nichts weiter dazu.

„Alles klar, dann sehen wir uns nachher.“, er nickte ihr noch mal zu und joggte wieder zurück zu seinem Transporter, um die nächste Kiste heraus zu holen. Elli sah ihm kurz schwer durchatmend nach und schlenderte wieder zurück zum Haus, als er mit einem letzten Lächeln für sie in seiner Haustür verschwand und dafür ein altes, dunkelblaues Cabrio auf den Hof fuhr und vor der Garage parkte.

„Hey Elli“, rief die Fahrerin hinter dem Steuer und schob sich die Sonnenbrille über das schwarze Haar.

„Hey Patt“, begrüßte sie Patricia, ihre alte Schulfreundin, die ihre dünnen Knochen vom Sitz pulte.

„Hab ich mich gerade verguckt?“, fragte sie aufgeregt, als sie sich mit zwei Küsschen begrüßten und schielte wieder hinüber zum Nachbarhaus. „Was war das denn gerade für ein sexy Popo, der da in das Haus der alten Kroll gewackelt ist? Zum anbeißen!“, sie ahmte ein ziemlich krankes Katzenfauchen nach und reckte den Hals, in der Hoffnung, dass Christopher gleich wieder heraus kommen würde, doch Elli schob schon einen Arm unter den ihrer Freundin und zog sie eilig mit ins Haus.
 

„Glaub mir... Es war so peinlich! Was denkt der Typ denn jetzt nur von mir?“, jammerte Elli und zog drei Teller aus dem Hängeschrank der Küche ihrer Mutter, um sie ihrer Freundin über die Ablage zuzuschieben, die sich noch immer vor Lachen fast auf dem Boden wälzte.

„Deine Mutter ist cool!“, erklärte sie. „Ich bin wirklich auf diesen Christopher gespannt. Wenn der so heiß ist, wie sein Hintern, dann...“, sie quiekte wie ein kleines Kind an Weihnachten und schnappt sich die Teller und das Besteck, das inzwischen ebenfalls darauf gelandet war und trug das Ganze hinaus.

Wie schön, dass es Leute gab, die sich so über ihr Leid amüsieren konnten. Elli griff die Ofenhandschuhe und langte in die Röhre, um das knusprig gebackene Mahl heraus zu holen.

Schnell drapierte sie alles auf einem großen Holzbrett und trug es hinaus.

„Wackelpudding?“

„Kühlschrank.“

Patricia sprang schon wieder eilig hinein, um das Dessert heraus zu holen, während Elli noch einmal den großen Sonnenschirm auf der Terrasse richtete.

Himmel, sie war so nervös!

Ständig sah sie auf die Uhr, der große Zeiger hatte die zwölf bereits verlassen und passierte in vier Minuten den kleinen Zeiger.

Er war sechzig Sekunden zu spät, aber sie war so hibbelig, dass es ihr wie eine Stunde vorkam.

Obwohl Patricia da gewesen war, um sie abzulenken, hatte sie die ganze Zeit nur darüber nachgedacht, was er von ihr dachte nach der Tour ihrer Mutter… Und wie konnte sie sie wohl angemessen bestrafen?

„Hey Elli“, erschrocken hob sie den Blick. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie das Gartentor zum Nachbargrundstück geöffnet worden war und nun stapfte schon Christopher – scheinbar verlegen und leider wieder vollbekleidet – über den Rasen zu ihr hinüber.

„Ich habe was zu essen gerochen.“, erklärte er witzelnd und blieb vor den zwei Stufen zur Terrasse hinauf stehen.

„Ja, ist gerade aus dem Ofen gekommen. Setz dich, freie Platzauswahl.“

Er nickte leicht lächelnd und kam hinauf.

„Wir sind zu dritt? Das hat deine Mutter gar nicht erwähnt.“, erklärte er und schien... erleichtert?

Das verunsicherte sie nun wiederum noch mehr.

„Ja, eine Freundin von mir, Patricia. Sie ist immer mein Dummy, wenn ich die Arbeit vorbereite. An ihr übe ich meine Gebäude so vorzustellen, dass es jeder versteht.“

„Ne hohle Nuss?“, fragte er lachend und Elli stimmte ein, korrigierte dann aber: „Nein, das nun nicht. Ich neige nur zum Schwafeln, wenn ich nervös bin.“

Sie nickte eifrig und er machte ein verstehendes Geräusch.

„Wackelpudding im Anmarsch!“, brüllte da schon ihre Freundin von Drinnen und preschte hinaus, sodass es ein Wunder war, dass sie nicht über die Türschwelle in den Garten geflogen kam.

Sie steuerte gerade den Tisch an, als ihr Lächeln einer überraschten Miene wich und sie noch einen Zahn zulegte.

„Christopher, hey, na, wie geht es dir?“, sie ließ die Glasschale achtlos auf dem Tisch sinken, quetschte sich durch die Sitzgarnitur und ließ sich in die Arme des Mannes sinken, der für sie wieder aufgestanden war.

„Ach, ihr kennt euch?“, fragte Elli irritiert das Schauspiel musternd. Oh bitte, lass ihn kein Exfreund ihrer besten Freundin sein!

„Ja, klar, er ist Trainer in meinem Fitnesscenter!“, erklärte Patricia sofort aufgeregt und wählte wie zufällig den Platz, der Christopher am nächsten war.

„Ah“, machte Elli nur und begann in der Auflaufform mit dem Löffel herum zu stochern, um die erste Portion zu lösen. Sie hielt Christopher gerade eine Hand hin, dass er ihr den Teller geben sollte, als er schon weiter sprach: „Ich bin Fitnesstrainer und Ernährungsberater. Eigentlich ja Physiotherapeut, aber naja...“

„Aber Physiotherapie bietet der Club ja auch an.“, warf Patricia sofort ein. Elli hörte einfach freundlich lächelnd weiter zu, aber mit einem Schlag fühlte sie sich deplatziert. Natürlich hatte ihre Mutter ihr gesagt, dass er irgendwas in der Richtung machte, nur was sollte sie ihm antworten, wenn er fragte, warum sie nichts für ihre Figur tat?

Wie dumm war denn bitte die Ausrede: „Ich habe keine Zeit.“?

Der heutige Tag war ja das beste Beispiel dafür, dass sie eigentlich Zeit genug hätte. Nun hatte sie eindeutig keinen Hunger mehr. Vor allem nicht auf Lasagne.

„Wow, das sieht super lecker aus!“, erklärte Patricia dann endlich, was nicht wirklich hilfreich für Elli erschien.

„Ich hab solchen Hunger!“, bestätigte auch Christopher und nahm seine Gabel. „Also dann, guten Appetit.“

Die beiden begannen zu essen und tratschten weiter über ihre Sportkurse, während sich ihre Gastgeberin erst noch etwas auftat und sich dann endlich hinsetzte.

„Wie läuft es mit dem Zusatzstudium in Orthopädie?“, wolle dann Patricia wissen.

„Super!“, meinte er. „Aber ich muss sagen, dass mir die Arbeit im Studio doch mehr Spaß macht.“

„Hm... ist ja doof. Jetzt hast du so viel dafür bezahlt!“

„Das ist nicht schlimm. Es ist für Physiotherapie und für die Kurse eigentlich nur förderlich. Aber egal, genug davon. Was machst du eigentlich, Elli?“

„Hm?“, machte sie erschrocken. Wollte er jetzt etwas über ihren nicht geplanten Sport wissen? Sie sah hilfesuchend zu Patricia, aber die lachte nur.

„Elli ist Immobilienmaklerin.“

„Ja, schon klar, aber wie darf ich mir das vorstellen?“

„Na ja, also im Wesentlichen warte ich auf Beauftragungen durch Kunden, dass ich ihre Häuser verkaufen oder vermieten soll. Oder ich kümmere mich um die Häuser des Unternehmens, für das ich arbeite. Wir kaufen Häuser, um sie zu sanieren und dann wieder zu verkaufen oder zu vermieten. Nichts Besonderes also.“

„Nichts Besonderes? Das stelle ich mir sehr interessant vor.“

„Ich bin viel Unterwegs und treffe manchmal wirklich die schrägsten Personen, ja. Aber an sich finde ich es nun nicht so ungewöhnlich oder aufregend.“

„Was für Personen denn zum Beispiel?“

„Ach, ich hatte schon eine Frau, die hielt sich für ein Medium und war der Meinung, dass sie in einem Neubau die Seelen von einem Duzend Toten spüren würde, die unter Qualen im Krieg verstorben wären und böse gesonnen. Ein paar Tage später wurde sie von der Polizei verhaftet, weil sie das Haus in Brand setzen wollte, um es zu läutern oder so.“

„Was? Wow!“, Christopher sah sie beeindruckt an und nun schöpfte sie endlich Mut und begann aufgeregt weiter zu plappern: „Einmal habe ich für eine Erbengemeinschaft das Haus des verstorbenen Großvaters verkauft. Die neuen Besitzer wollten den Garten umgestalten lassen und fanden prompt fünf Skelette. Den Zahnunterlagen nach zu Folge alles Frauen, die zwischen 2000 und 2003 verschwunden waren...“

„Boa, danke, Elli!“, jammerte Patricia und schmiss ihre Gabel beiseite. „Das ist echt ekelig!“

Doch Christopher lachte nur.

„So spannend ist es dann glaube ich doch nicht bei uns im Fitnesscenter. Wobei... letzten Sommer, als es so heiß war, ist ein Typ in meinem Alter auf dem Laufband gestorben. Ein echt sportlicher Kerl, super nett, plötzlicher Herzinfarkt. Hat die Hitze vermutlich unterschätzt.“, er zuckte die Schultern.

„Boa ihr seid scheiße!“, jammerte Patricia, doch Elli und Christopher lachten nur erneut und grinsten sich breit an.

„Ja, ja, Sport ist wichtig, aber man sollte schon wissen, was man sich alles zumuten kann.“, das war vermutlich der falsche Satz aus dem Mund der kleinen, runden Frau.

„Machst du gerne Sport, Elli?“

Da war er. Solche Momente hasste sie, wenn man sie nach sportlichen Aktivitäten fragte. Und das Schlimmste: Dieses Mal hatte sie es selbst provoziert.

„Unheimlich! Sieht man das nicht an dieser sportlichen Figur?“, witzelte Patricia und kicherte leise. Es war nicht böse gemeint, Elli machte ja selbst sehr gerne solche Scherze von sich, doch im Beisein eines Mannes wie Christopher war es ihr unangenehm und peinlich, dass Patt so von ihr sprach. Doch sie überspielte es einfach, indem sie sie ignorierte und direkt auf seine Frage einging: „Nicht mehr. Irgendwie bin ich von der Arbeit immer zu ausgelaugt. Klingt scheiße ich weiß... Früher bin ich täglich für wenigstens dreißig Minuten auf den Hometrainer meines Vaters gestiegen. Der steht inzwischen auch in meiner Wohnung, setzt aber nur Staub an. In der Grundschule habe ich zwei Jahre Volleyball gespielt. Allerdings wurden wir dann zu viele und man hat die Mannschaft geteilt. Ich wurde ausgerechnet der Gruppe zugeteilt, deren Training erst um zwanzig Uhr starten sollte. Und selbst wenn mein Vater es geschafft hätte mich mit dem Auto abzuholen, wäre ich wohl erst gegen elf Uhr abends zu Hause gewesen. Und das dienstags und donnerstags. Da habe ich dann gesagt, dass ich das nicht mehr machen will.“

„Verständlich als Grundschülerin. Aber warum hast du nicht einfach die Mannschaft gewechselt oder bist später wieder darauf zurückgekommen?“

„Ich habe nie die Kurve bekommen, muss ich gestehen.“

Er nickte verstehend.

Was er sich jetzt von ihr dachte?

Vermutlich nur das Offensichtliche: Fett und faul. Eine im wahrsten Sinne des Wortes tödliche Kombination. Sie seufzte innerlich und stocherte in ihrem Essen herum. Der gerade eben zurückkehrte Appetit wich erneut absoluter Übersättigung.

„Ich habe überlegt jetzt auch in den Yogakurs von dir zu kommen!“, erklärte da plötzlich Patricia und riss seine Aufmerksamkeit wieder an dich.

„Klar, wenn du willst, dann mach das. Ich habe die beiden Kurse Montag und den Abendkurs am Mittwoch.“

„Ja ich weiß, steht ja alles auf dem Plan!“, erklärte Patricia lachend. „Welcher ist denn noch nicht so voll?“

„Die meisten Teilnehmer habe ich immer abends. Such dir also einfach einen aus und komm, wann du kannst.“

„Gerne.“, sie grinste wieder und alles worüber sie sich weiter an diesem Nachmittag unterhielten war Sport. Kein sonderlich schönes Thema für Elli, also schwieg sie den Rest der Zeit soweit es ging.

Was hätte sie schon auch geistreiches dazu beisteuern können?

Abgesehen davon: In Patricias Gegenwart hätte sie seine Aufmerksamkeit ohnehin nicht so lange halten können.

Ihre wunderschöne Freundin zog immer früher oder später alles Interesse auf sich.
 

„Ok, ok, ich muss ganz schnell los!“, erklärte Patricia, als sie gerade das Geschirr reintrugen.

„Das sieht dir ähnlich. Alles dreckig machen, aber sobald es um 's Aufräumen geht, bist du schneller als der Road Runner.“, erklärte Elli. Amüsiert hob Christopher die eingeschäumten Hände aus dem Wasser und stellte einen der Teller auf den Geschirrtrockner.

„Lass sie gehen, wir bekommen das auch ohne ein chronisch faules Girly sauber, oder?“, beschloss er.

„Chronisch faul trifft es wohl!“, erklärte Elli und stellte die Auflaufform neben ihm ab, damit er sie nach dem Geschirr reinigen konnte.

„Ha, ha, ihr seid wirklich irre komisch!“, Patricia trat von hinten an sie heran und legte ihnen beiden ihre Arme um die Nacken und zog sie dich an sich heran.

„Aber wisst ihr was? Das Ding hier unter der Ablage nennt sich Geschirrspüler. Soll ein praktisches Gerät sein!“

Sie zwinkerte ihnen zu und Elli rollte nur mit den Augen, wobei ihr Blick auf das Grinsen von Christopher traf.

Na endlich schien sie wieder aufzuwachen. So viel Feingefühl hatte er dann doch, um zu bemerken, dass ihr das Tischgespräch – über Rückenübungen, Muskelaufbautraining und wer sich wie am besten verbiegen konnte – doch nicht sonderlich gefallen hatte. Er konnte es ihr nachfühlen. Er hatte im Club viele Schützlinge von noch runderer Statur als sie und er stand ihnen allen nahe genug um zu wissen, dass vielen ein Gespräch über körperliche Fitness unangenehm war, weil sie sich mehr schämten, als sich andere Leute – die es nicht selbst erlebt hatten – vorstellen konnten.

Das hieß bei Weitem nicht, dass sie nicht ein schönes Leben hatten und viele auch mit ihrem starken Übergewicht super auskamen.

Elli war der beste Beweis dafür. Es war beinahe faszinierend wie sie sich bewegte. Es schien nicht so, als würde die zusätzliche Körpermasse sie beeinflussen. Sie war flink, geschmeidig und wendig. Er war geübt sowas am Gang zu erkennen. Je schneller sie lief, desto weniger schienen ihre Füße den Boden zu berühren.

Nein, der Grund, warum sich viele schämten und unwohl fühlten, war einzig und allein die Sicht der Öffentlichkeit auf Menschen die unter Adipositas litten. Er selbst konnte es häufig auch nicht fassen, was für Knochengerüste als schön empfunden wurden. Und eigentlich, so sah er das, sollten sich jene Leute dafür schämen, die diese Hungerleider glorifizierten und übergewichtige Mitmenschen sogar verspotteten. Beide Lebensweisen waren gefährlich…

Er wusste wovon er sprach, denn auch er hatte sich lange genug so verhalten und besonders während seiner Schulzeit gerne auf den dickeren Kindern herumgehackt und sie als emotionalen Sandsack verwendet.

„Verschone uns mit deinen Weisheiten des Tages und verschwinde endlich.“, bat er dann einfach Patricia, als Elli ihre dunklen Augen endlich abwand und sich aus der Umarmung rollte, um die Ofenhandschuhe wieder zurück zu hängen.

„Wieso? Wollt ihr unanständige Sachen machen?“

„Patt, du bist schlimmer als meine Mutter. Zieh deine Gedanken aus der Gosse und befördere dich zur Tür hinaus, bevor du mir einen Grund gibst dich persönlich über die Schwelle zu treten.“

Patricia lachte nur.

„Keine Sorge, ich weiß doch, wie anständig ihr seid. Mehr Sorgen würde ich mir machen, wenn ich hier bleiben würde.“, sie zwinkerte Christopher zu und umarmte ihn dann kurz lachend.

„Tja, Süße, leider wäre es für das Wohl des Studios nicht sonderlich förderlich, wenn ich die Träume aller hübschen Single-Ladies zerstören würde und eine Beziehung mit einer einzigen einginge. Ich meine, nur deshalb kommt ihr doch alle: Um zu gucken und zu schmachten.“, witzelte er. Wenn er nur geahnt hätte, wie nahe er mit dieser Aussage an die Wahrheit kam. Zumindest was einige Mitglieder anging…

„Ach, keine Sorge, mein Hübscher. Wir würden auch dann weiterhin sabbernd in die Duschräume kommen und dir beim einseifen zuschauen, wenn hinter uns eine Verrückte mit Gewehr stünde.“

Er lachte nur und entließ sie, als sie ihm einen Kuss auf die Wange drückte.

„Wir sehen uns morgen, oder? Zum Power-Cycling.“

Er nickte.

„Vierzehn Uhr, ich werde da sein!“

„Das hoffe ich! Du leitest den Kurs!“

Sie winkte ihm noch einmal und verließ schon die Küche.

„Ich bringe dich noch zur Tür.“, damit folgte Elli ihr und Christopher machte sich wieder daran, das Geschirr abzuwaschen. Natürlich hatte Patricia Recht, aber er war gut erzogen und als Dank für das gute Essen, würde er das Geschirr per Hand spülen.

„Ich liebe dich, Elli! Egal was andere sagen, du bist eine Göttin!“, erklärte Patricia und hopste von einem Bein auf das andere. „Chris ist vermutlich das Schärfste, was zurzeit auf dem Markt herum rennt und du hast mir eine Möglichkeit gegeben ihm näher zu kommen, als alle anderen Mädels im Center! Ich weiß jetzt, wo er wohnt!“

Elli lachte.

„Ja, ja, aber halt dich lieber bedeckt. Meine Mutter würde dich vermutlich zerhacken. Sie hat ja Hoffnung, dass er ihr Schwiegersohn wird. Aber das hat sie, denke ich, bei jedem Kerl, der halbwegs gut aussieht.“

„Halbwegs? Hast du Tomaten auf den Augen? Er ist absolut lecker!“

Elli schüttelte nur den Kopf.

„Dann reiß ihn halt auf.“

„Das hab ich vor!“, sie sang freudig und beugte sich vor, um ihrer Freundin einen durch Luftsprünge verschmierten Kuss auf die Wange zu drücken.

„Ich ruf dich morgen nach dem Training an und berichte dir alles brühwarm!“

„Ja, mach das.“

Patricia klatschte und tippelte auf einer Stelle im Kreis vor Aufregung, dann lief sie hinüber zu ihrem Wagen, öffnete als erstes das Verdeck und fuhr dann schnell davon mit einem letzten Winken an ihre Freundin.

Als sie endlich außer Sichtweite war, machte Elli kehrt und ging zurück ins Haus, wo Christopher am Tresen lehnte und sie entschuldigend anlächelte, als sie wieder herein kam.

Gefühlt zum hundertsten Mal drehte er den Porzellanteller in dem Geschirrtuch in seiner Hand herum.

„Weißt du, dass sie Recht hat? Meine Mutter hat einen Geschirrspüler.“

„Ja schon klar.“, er nickte und stellte ihn endlich beiseite, um den zweiten zu nehmen. „Aber ich dachte mir, wir beseitigen lieber alle Spuren, damit deine Mutter nicht so viel damit zu tun hat. Sie hat uns schon dieses geniale Essen gekocht.“

„Es freut mich, dass es dir geschmeckt hat. Ich richte es ihr aus.“

Er nickte dankbar und reichte ihr das nasse Besteck, als sie sich ein zweites Handtuch herangeholt hatte.

„Danke.“

So standen sie einige Sekunden schweigen einander gegenüber und polierten beinahe den Lack vom Geschirr.

„Also, du bist heute auf Heimatbesuch?“

„Nein, ich wohne hier.“, sie grinste ihn an. „Also nicht hier bei meinen Eltern und meinem kleinen Bruder. Ich habe im Obergeschoss auf der anderen Seite“, sie wies in Richtung seines Hauses, „eine kleine Einliegerwohnung. Schlafzimmer, Arbeitszimmer, Bad und Wohnzimmer mit Kochnische. Nichts Besonderes also.“

„Die große Maklerin hat kein eigenes Haus?“

„Ach, was soll ich denn allein mit einem Haus? Ich hätte mir auch in der Stadt eine Wohnung suchen können, aber denk was du willst: Im Haus meiner Eltern zu wohnen ist am einfachsten. Und ich zahle nur Strom, Wasser und Heizung.“

„Keine Sorge, du musst dich nicht rechtfertigen. Ich habe auch die ganze Zeit bei meinen Eltern gewohnt und nun die Möglichkeit ergriffen daraus kommen.“

„Und wohnst dafür allein in dem großen Haus.“

„Na ja, wer weiß, vielleicht mache ich eine WG auf oder so.“, er lachte. „Aber fürs erste will ich das Haus umbauen und renovieren.“

„Wenn du es doch mal irgendwann verkaufen willst, dann ruf mich an.“

Er lachte.

„Ja, keine Sorge, du bist meine erste Wahl!“

Sie stimmte ein und sortierte das Besteck weg.

„Übrigens: Tut mir leid.“, durchbrach er die Stille, als er ihr die Teller reichte. Verständnislos sah sie ihn an.

„Wie, es tut dir leid? Was tut dir leid?“

„Du warst so ruhig beim Essen. Tut mir leid, wegen der Themen. Ich hatte das Gefühl, dass es dir unangenehm ist.“

Sie winkte ab.

„Ach, schon in Ordnung. Ihr beide kennt euch durch den Sport und natürlich unterhaltet ihr euch dann darüber. Ich glaube, dass es so besser war, als wenn Patricia nicht dabei gewesen wäre. Überleg doch mal, hätten wir so viele Themen zum bereden gehabt, wie ihr beide?“, sie lachte leise.

War das alles traurig. Christopher war ein absoluter Sportler. Mal ehrlich, was sollte sie miteinander bereden?

Sie würde ihre Mutter eindeutig die Leviten lesen, wenn sie von dem Fußballspiel wieder zurück war.

„Was macht dich da so sicher? Ich hätte gerne noch mehr Stories von deiner Arbeit gehört.“, entschied er. „Und als Immobilienkauffrau kennst du dich doch sicher auch mit einigen rechtlichen Bestimmungen aus, die ich nebenan bei dem Umbau beachten muss.“

Sie lächelte ihn dankbar an. Irgendwie halfen diese Worte von ihm.

„Ja, vielleicht…“

„Siehst du.“, er lachte. „Und dann gibt es ja noch Standardgesprächsthemen, wie die Familie, die Kindheit, Zukunftspläne, Interessen...“

Sie lachte auf.

„Ok, dann fangen wir doch ganz klassisch an: Was machst du gerne?“

Er sah ertappt zur Decke und schwang den Kopf unschlüssig hin und her.

„Ich singe gerne unter der Dusche. Am liebsten sehr laut und falsch.“

Nun konnte sich Elli wirklich nicht mehr halten.

„Musikalisch, ja?“

„Jeder hat seine Laster. Was ist deines?“

„Hm... Wenn man mich lässt und mir der Rhythmus gefällt, tanze ich selbst zu den schrägsten Liedern durchs Haus. Mein Höhepunkt war mit vierzig Fieber zu den Backstret Boys die Treppe rauf und runter.“

„Das würde ich gerne mal sehen!“

„Nein, würdest du sicher nicht.“

Er lachte.

„Warts ab, ich schaffe das irgendwann!“, er nahm sich die Auflaufform, die sie tatsächlich komplett geleert hatten, und begann sie zu schrubben. „Aber sag mal, wir haben hier doch so viele Seen. Hast du als Ureinwohner einen Tipp für mich, wo man ungestört einige Runden schwimmen könnte?“

Und schon waren sie wieder bei dem Thema Sport.

Ihr Lächeln verschwand, oder zumindest wich es einem Erzwungenen, und sie nahm sich einen Lappen, um den Tresen zu säubern.

„Ach, du hast hier vorher nicht gewohnt?“

„Doch, schon, aber am anderen Ende der Stadt. Ich dachte an eine Badestelle hier in der Nähe.“

Sie überlegte kurz: „Ich denke schon, dass ich da etwas weiß. Aber ich kann dir nicht versprechen, dass es ein großer Geheimtipp ist. Als ich klein war, da war da nicht viel los, aber ich bin schon so lange nicht mehr Schwimmen gewesen, inzwischen kann sich das geändert haben. Badeanzug, du verstehst?“

Er sah sie nickend an, aber auch mit einem Ausdruck von Unglauben.

„Ach komm, mach dich doch nicht kleiner, als du bist. Glaube mir, auch du bist nicht die dickste Frau der Welt.“

„Ja, schon klar. Aber ich mag es trotzdem nicht so sehr. Also ich liebe Wasser, so ist es nicht. Und ich bin auch immer sehr gerne Schwimmen gewesen – eine Zeit lang jeden Sonntag mit meinem Vater – wenn ich es auch nicht so besonders gut kann.“

„Also wenn du doch mal was in der Richtung machen willst, dann rate ich dir definitiv zu einer Sportart im Wasser. Am besten Schwimmen oder noch besser Wassergymnastik. Das schont die Gelenke und fordert gleichzeitig die Muskelkraft, aufgrund des Wasserwiderstandes.“

Elli seufzte schwer.

„Ja, ich weiß.“

„Ich leite einige Kurse bei uns im Club. Momentan immer dienstags, donnerstags und samstags um zehn und um vierzehn Uhr. Nur eben heute nicht, wegen dem Umzug.“

„Ich weiß, was du meinst. Meine Mutter schlug mir solch einen Kurs schon einmal vor. Sie hat das in irgendeiner Reportage über ein Rheazentrum gesehen und meinte sofort, dass das die beste Sportart für mich wäre.“

„Und da hat sie recht!“, plötzlich klang er vollkommen euphorisch. Er wurde von einer Welle von Glückshormonen durchströmt, weil er das Gefühl hatte Elli zum Sport bewegen zu können, doch diese überschwängliche gute Laune demotivierte die junge Frau wiederum.

Sie waren also erneut bei dem Thema Sport und wie immer war sie diejenige, die dabei bequatscht wurde. Jedes einzelne Wort in ihre Richtung, was sie alles an Sport machen konnte, wandelte sich in ihrer Interpretation in eine unterschwellige Ohrfeige, wegen ihres Übergewichtes, um.

Da sie schwieg verschwand nun auch Christophers Lächeln wieder. Seine Schultern sanken kaum merklich und er sah auf ihren braunen Haarschopf hinab.

„Entschuldige. So meinte ich das wirklich nicht.“

„Schon klar. Ich zeig dir einfach die Badestelle demnächst, in Ordnung? Warte, meine Mutter hat hier sicher eine meiner Visitenkarten herum zu liegen. Das hat sie immer, für den Fall, dass eine ihrer Tratschfreundinnen einen Makler braucht.“, sie lachte wieder verlegen und begann die Schubfächer zu durchwühlen, bis sie ihm eine kleine, durchsichtige Karte gab.

„Wow! Die sieht cool aus!“

„Nicht wahr? Stell dir vor, du hast so eine in der Hand. Du wirst dich doch immer daran erinnern, oder?“

„Das auf jeden Fall! Das ist strategisch richtig genial! Das prägt sich einem richtig ein.“

Elli kicherte leise und nahm ihm das Kärtchen wieder ab, um mit einem Edding eine zweite Handy- und Festnetznummer darauf zu kritzeln. „Bitte, sobald du weißt, wann ich dir die Badestelle zeigen kann, rufst du mich einfach an und ich versuch mich frei zu machen.“

„Alles klar. Aber was hältst du gleich von Morgen?“

„Morgen?“

„Ja, ich hab einen Kurs Power-Cycling um vierzehn Uhr. Das wird um fünfzehn Uhr beendet sein – länger hält eh keiner durch – danach duschen und dann wäre ich so gegen halb vier fertig. Du kannst mich abholen, oder wir treffen uns dann hier und machen von hier aus los.“

„In Ordnung, das bekomme ich hin. Am besten treffen wir uns hier. Es ist kein langer Fußweg. Eine Viertelstunde etwa. Außerdem weiß ich gar nicht, wo genau das Studio ist.“

Er lachte.

„Oh, da kann ich helfen.“, erklärte er und griff in seine Hosentasche auf Kniehöhe. Er zog sein Portmonee heraus und durchwühlte es, zog dann eine blassgelbe Visienkarte hervor.

„Sekunde.“, er nahm sich einen Stift und kritzelte auch dort noch zwei weitere Nummern rauf. „Bitte. Meine Karte und alle Nummern, wo du mich erreichen kannst.“

Sie nahm sie an und gluckste.

„Alles klar, vielen Dank, die lasse ich mir gleich rahmen.“

„Davon gehe ich aus.“, sie lächelten einander an, dann nickte Christopher plötzlich und sah auf das inzwischen saubere Waschbecken hinunter.

„Also dann, vielen Dank für das Mittagessen, Elli. Ich komme morgen einfach vorbei, sobald ich wieder da bin.“

Sie nickte.

„Ist gut, tu das.“

Sie wackelten beide weiter mit den Köpfen, nicht wirklich wissend, was sie sagen sollten, und schließlich löste sich Christopher endlich vom Fleck.

„Wir sehen uns.“, er trat auf sie zu und beugte sich nach kurzem Zögern einfach runter.

Ihr erster – zugegebener Maßen törichter – Impuls, war ein Sprung ihres Herzens, als sie ihn näher kommen sah, doch er wollte keine anzüglichen Annäherungsversuche starten. Wie Patricia zuvor, umarmte er sie lediglich zum Abschied und verschwand nach einem letzten „Bis Morgen“ wieder durch den Garten.

Sie sah ihm nach.

Ach, verdammt. Was ein beschissener Tag. Sie hoffte nur, dass ihre Mutter sie in Ruhe lassen würde, sobald sie von ihrem Ausflug zurück war.

Sie starrte noch einige Augenblicke auf seine Visitenkarte hinab, ehe sie sich mit schwer frustriertem Gesichtsausdruck daran machte, ihre Arbeitsunterlagen einzusammeln und sich in ihre Wohnung zurück zu ziehen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  bella230109
2018-07-02T16:51:37+00:00 02.07.2018 18:51
nicht schlecht für denn anfang bin gespandt wie es weiter geht

ld bella
Antwort von:  XdramaX
02.07.2018 19:29
echt? nicht schlecht? das erste Kapitel finde ich irgendwie langweilig hahahaha

naja ich habe gesehen, dass das hier irgendwie bei den Schreifaltern - Freischaltern auf dem account gelandet ist mit empfehlung in deren Weblog... ohoh, ich hoffe das endet nicht Böse hahahahaha immer diese Erwartungen!
Antwort von:  bella230109
02.07.2018 19:38
ja erwartungen haben wir lesser sehr viele und bin echt mal gespandt wie es mit elli und chris weiter geht und was sich daraus entwickelt nur eine freund schaft oder doch mehr mal sehen lass mich überraschen
Antwort von:  XdramaX
02.07.2018 19:40
hehehehe
Donnerstag dann mehr dazu ... ;)
Antwort von:  bella230109
02.07.2018 20:25
oh wie schade😞erst donnerstag nun gut damit muss ich leben ist ja nicht solange😁
dann freu ich mich mal auf donnertag
lg bella
Antwort von:  bella230109
02.07.2018 20:27
ach noch was vergessen schönen abend noch und viel spass morgen im büro😁
Antwort von:  XdramaX
02.07.2018 20:40
Jaaaa das war jetzt kein bisschen gehässig hahaha
Du bist wohl schadenfroh, dass ich arme arbeiten muss, was?
Maaaan ich will auch krank sein... oder wenigstens Urlaub haben!
Ich habe jetzt schon keine Lust mehr auf Monat Juli...
Antwort von:  bella230109
02.07.2018 21:26
ach du arme das tut mir leid ich wäre gerne auf arbeit und weis du warum ich arbeite in der küche eines hotel das neu eröffnet hat und bin eine die von anfang an da bei war es macht spass für andere zu kochen oder das fruhstücks buffe herzu richten und das stralen der kunden wenn es ihnen gefählt zu sehen ist echt der hammer
aber da ich auch epeleptiker bin falle ich leider auch ab und zu aus und der monat juli geht auch schnell um wirst sehn 😉und urlaub haste doch bestimmt auch bald wieder oder alles schon verbraucht
Antwort von:  XdramaX
02.07.2018 21:36
Nee, 13 tage habe ich noch für dieses Jahre hihi Wobei die aus der internen verwaltung vergessen haben mir die 5 Tage ende Juni abzuziehen, also offiziell noch 18 muahahahaha
ich schätze im August nehme ich noch mal ein oder zwei Wochen wegen geburtstag... und um mich mental auf November vorzubereiten, da ist meine Kollegin 4 Wochen nicht da und ich darf ihre Kunden betreuen... Graus! (Lohn und Gehalt)
...
Kochen kann ich sowas von gar nicht hahaha nur backen tu ich sehr gerne XD
Aber epilepsi will ich auch nicht haben... mir reichen die Zitteranfälle, wenn ich unterzuckert bin... sieht aus als hätte ich parkinson... und nein ich bin kein diabetiker, aber hab ne hohe insulinresistenz. also eine art vorstufe davon...
Antwort von:  bella230109
02.07.2018 21:46
ok hört sich auch nicht gerde einfach an
aber solange du kolegen hast die hinter dir stehen und dein chef nicht ein arsch ist das habe ich nähmlich oft erlebt macht die arbeit hoffendlich spass
und backen tuh ich auch sehr gerne vor allem zur weihnachtszeit
13(18) tage urlaub ist ja noch was sind ja auch noch ein paar monate bis jahresende und man sollte sich die tage einteilen leider aber gut ich habe auch ende juli oder war es august urlaub weis jetzt garnicht mehr 😅
und du arbeites im lohn unh gehlt bereich ist auch nicht immer leicht was
Antwort von:  bella230109
02.07.2018 21:48
ach und noch was bin gerade beider geschichte ein mal durchchecken bitte nd der anfang ist echt der hammer
Antwort von:  XdramaX
02.07.2018 21:58
oh gott, die alte kamelle? hahahahaha da hab ich mich irgendwann verrannt glaube ich haha weiß ich gar nicht mehr... schon zu lange her...
Da finde ich fast die herrin der Dämonen besser XD
Nee, Hohn und Gewalt (wie meine älteren kollegen immer sagen) ist echt hart... vor allem wenn die eigene Verwaltung zu blöd ist die abrechnungen korrekt zu machen und dann mit uns diskutieren will hahahaha ich meien hey, wem wollt ihr was erzählen? Scheiße wenn man leute abrechnet, die selbst vom fach sind, ne? XD
naja egal
ich will heut enoch nicht an die Arbeit denken... reicht, wenn ich in 8 Stunden wieder los ins Büro muss -.-
Aber ja: Von Ärschen als Chef kann ich auch genug lieder singen ...
und nun verkrieche ich mich im Bett, weil Japan gerade aus der WM geflogen ist... ich bekomme gleich das große heulen!
Antwort von:  bella230109
02.07.2018 22:06
ok dann verkrich dich in dein bett schlaf gut und viel spass morgen auf arbeit ich meld mich einfach zwischen druch mal und geb dir ein fiedback ok und warte dann auf antwort von dir
und scheiß auf japan die nach ahuse fliegen
die deutschen haben sich in der vorrunde raus kicke laßen das ist eine schade ich hab nur gelacht
aber ok in 4jahren haben alle wieder die chance dazu
und nun guten nacht schlaf gut
Von:  GodOfMischief
2018-06-30T22:54:39+00:00 01.07.2018 00:54
Hallo c:

Wow, ich bin überrascht. Fast 6000 Wörter und ich bin schnell und gut durchgekommen :') Du hast einen guten Stil und eine teils witzige Ausdrucksweise. Besonders der Satz >Zieh deine Gedanken aus der Gosse und befördere dich zur Tür hinaus, bevor du mir einen Grund gibst dich persönlich über die Schwelle zu treten.< hat es mir irgendwie angetan xD
Auch die wörtliche Rede gefällt mir sehr gut, sie wirkt 'modern', beziehungsweise real und nicht so gezwungen jugendlich, wie es oftmals der Fall ist.
Zwar haben sich knapp ab der Hälfte ein paar Flüchtigkeitsfehler (vertauschte oder fehlende Buchstaben) eingeschlichen, aber das hat dem Lesefluss eigentlich keinen Abbruch getan.

Was das Thema angeht: Es ist auf jeden Fall sehr interessant, weil man es halt nicht so häufig findet und es für einige womöglich ein zu sensibles Thema ist, oder Andere es abschreckend finden. Ich für meinen Teil bin auf jeden Fall gespannt, was du hieraus noch machst, zumal die Charaktere mir bis jetzt auch recht sympathisch sind.
Zwar kann ich mir schon ein paar Kleinigkeiten ausmalen, aber ich hoffe, dass es nicht diese typischen 'Hollywood-Wendungen' nimmt - was an und für sich Quatsch ist, weil es für Mutmaßungen noch zu früh ist :'D

Aber ich werde dein kleines Projekt auf jeden Fall interessiert weiter verfolgen und freue mich schon auf den nächsten Teil.

Liebe Grüße ^-^/
Antwort von:  XdramaX
01.07.2018 05:29
Huhu, also erstmal freut esich, dass die story, tatsächlich einige zu interessieren scheint hahaha

Ich habe irgendwann das Interesse verloren muss ich gestehen und dann lag sie knapp 2 Jahre unvollendet... In den letzten zwei Wochen hab ich sie dann in einem ritt zuende geschrieben und ich fürchte fast man merkt das irgendwo hahahaha

Besonders dann Ende... Ich hasse es eine Geschichte zu beenden, ich kann sowas nicht... Immer ist alles zu kitschig und besonders hier war es schwer... Aber naja, wenn du es so lange durchhältst wirst du es ja dann sehen hahahah
Von: Heru
2018-06-30T13:06:28+00:00 30.06.2018 15:06
Heyho.

Ich hab auf meiner persönlichen Startseite durch die Meldung der Schreifalter die Beschreibung deiner FF gelesen und fand es interessant.
Also habe ich mich dran gesetzt und das Kapitel hier gelesen und ich muss sagen: es ist mega interessant

Allein einfach mal diese reale Thematik zu lesen und das aus der Sicht einer jungen Frau, die diese Probleme hat, finde ich sehr, sehr interessant. Deine Art zu schreiben ist sehr schön und man kann die Emotionen von Elli richtig gut verstehen.

Ich finde, du hast dir da was schönes aus der Feder geschüttelt und ich freue mich jetzt schon auf das nächste Kapitel dieses kleinen Goldstückes :)

Liebe Grüße
Heru
Antwort von:  XdramaX
30.06.2018 16:23
freut mich hahaha
ich hoffe ich enttäusche dich nicht im laufe der Story hahaha 10 Kapitel sind es, Donnerstags nach der Arbeit stell ich rein :)

... aber was sind denn Schreifalter? :D noch nie gehört! Ich habe jetzt irgendwie Schmetterlinge vor augen, die die ganze Zeit schreien
Antwort von:  XdramaX
30.06.2018 16:25
ach, jetzt hab ich es gesehen hahaha das ist ein User, wie geil ist das denn? genialer name! hahahaha


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