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Rondo

von

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|| Spielregeln ||

„Frau zu sein ist schwer, denke immer daran Georgina. Eine Frau muss denken wie ein Mann, sich benehmen wie eine Dame, aussehen wie ein Mädchen und schuften wie ein Pferd.“, die Worte ihrer Mutter seufzend zitierend, beugte die Adelige sich näher zum Spiegel, verzog eine Grimasse.

Eines der Mädchen bürstete ihr die schwarzen Locken und beobachtete das Fratzenschneiden ihrer Kameradin mit einem stummen Kopfschütteln. Sicher, sie waren allein, dennoch sollte einer Dame dieses Hauses eine gewisse Grazie eigen sein.

„Meine Mutter pflegt noch heute zu sagen: „Eine Dame achte in der Einsamkeit auf ihre Gedanken, in der Familie auf ihre Launen und in der Gesellschaft auf ihre Zunge.“Sie bildet sich ein, eine kluge Frau zu sein.“, wandte das Mädchen nach Minuten des Schweigens ein, beugte sich über Georginas Schulter und schnitt ebenfalls eine Grimasse, während sie nach den silbernen, mit weißen Steinen bestückten Haarnadeln griff, um die lockige Haarpracht in einem modischen Knoten zu vereinen. Es vermochte ihr nicht ganz zu gelingen. Immer wieder lösten sich widerspenstige Strähnen aus der Menge und fielen energisch auf Nacken und Ohren.

Georgina betrachtete ihre Bemühungen im Spiegel, konnte sich ein amüsierten Schmunzeln, ob der verbitterten Mimik, nicht verwehren.

„Sie hat dich erzogen. Einen gewissen Verstand muss man ihr durchaus zugestehen.“

„Meint Ihr wirklich, es wäre solch Verstand von Nöten um ein Mädchen zu erziehen?“

„Beim Erziehen durchaus, anders beim Produzieren.“

Georgina hielt ihre Handfläche vor das stumme Lachen, als bei ihren Worten das Mädchen erschrocken die letzte Haarnadel fallen ließ.

„Mir scheint Ihr seid sehr ausgelassen.“, murmelnd, beugte die Jüngere sich nach der Nadel.

„Bin ich das?“

„Würde ich es sonst behaupten?“, sie platzierte die letzte Nadel im Haar der Adeligen, ihren Blick im Spiegelbild erwidernd. „Einen Grund, sofern ich spekulieren darf, werde ich Euch ebenso nennen können.“

„Spekuliere.“, forderte Georgina herausfordernd, die Lippen schürzend.

„Ein junger Mann, von Adel vielleicht? Hochgewachsen, charmant, durchdringende Augen, schwarzes Haar, .. soll ich fortführen?“

„Du spekulierst auf diesen Mann? Dieser Kerl, der meine Dienste wünscht und geradezu wohltätig daherkam?“

„Eben diesen Mann, meine ich. “

„Es widert mich an, wie er sich verhielt als sei er auf einem Viehmarkt.“ Georgina erinnerte sich nur ungern daran, wie dieser Butler in jener schändlichen Verkleidung in das Bordell getreten war und nach ihren Diensten verlangt hatte. Madame war mit der Aussicht auf eine - mehr als großzügige - Vergütung rasch mit Sebastian übereingekommen.

So also hatte er sich des Problems annehmen wollen.

Sie seufzte stumm.

„Wahrlich?“

„Sag geradeaus, was du mir sagen möchtest, Mädchen.“, etwas ungehalten, drehte Georgina sich zu ihrer Kameradin herum. Diese hob leicht beschwichtigend die Hände, konnte ein triumphierendes Lächeln jedoch nicht verbergen.

„Ihr müsst mir zugestehen, es hätte euch Schlimmeres wiederfahren können. Die anderen Mädchen sprachen bereits böser Zunge hinter Eurem Rücken.“

„Sollen sie. Ich habe niemals verheimlicht meinen Körper in Ehren zu halten.“

„Deshalb sprechen sie so von Euch.“

Deshalb?

Georgina verurteile diese armen Geschöpfe keinesfalls. Doch war sie keine von ihnen. Sobald diese Farce beendet war, würde sie in ihr behütetes Leben zurückkehren. Wo man stand in dieser Welt wurde stets vom Zufall entschieden. Und Fortuna war keine gütige Frau.

„Natürlich mussten sie reden.“, sie wich einer eindeutigen Antwort aus. „Doch bedenke, auch jetzt werden sie reden. Ein wohlhabender Mann stürzt sich für eine niedere Hure in den Ruin. Es wäre wider der Natur täten sie sich nicht das Maul zerreißen.“

„In Euren Falle wohl Bauerntrampel.“

„Tu nicht, als wüsstest du nicht worauf ich hinaus wolle.“

„Was Ihr sagt, mag der Vernunft entsprechen. Doch, frag ich Euch, seit wann scheren sich Gefühle um Vernunft und Herkunft?“

Lächerlich zu denken, dieser Kerl wäre aus romantischen Interesse an sie heran getreten. Georgina verzog missmutig die Lippen.

„Schlussendlich ist es nur ein Mann.“, kühl antwortend erhob Georgina sich. Sie vermied es, ihre gesamte Gestalt im Spiegel zu betrachten und hoffte inständig Sebastians Bemühungen würden auf fruchtbaren Boden fallen. Madame war bekannt, für angemessenes Geld ihr Fleisch und Blut zu verkaufen, doch würde ein spendabler, liebestoller Gentleman ihre Interesse auf Georgina richten? Wäre es ausreichend, um die Dunkelhaarige in ihre Geheimnisse einzuweihen?

Während Georgina die Stufen hinab ins Foyer stieg, dessen schwerer Blütenduft sie nach Luft schnappen ließ, schweifte ihr Blick über Sebastians hochgewachsener Gestalt. Das längliche, dunkle Haar war elegant nach hinten gekämmt worden, dennoch fielen etliche Strähnen verwegen um sein schmales Gesicht. Die Kleidung glich jener eines reichen Kaufmannes und eine kleine, runde Brille säumte seine Nase.

Sie konnte es nicht leugnen. Er sah wirklich anziehend aus und es wunderte kaum, dass die Huren verstohlen zu ihm hinüber sahen. So manch eine mochte Georgina wohl beneiden. Aus den Augenwinkel erblickte sie jenen Offizier an der Bar, welcher bereits am Vortag an ihrem Tresen gesessen hatte. Er schenkte ihr ein sanftes Lächeln.

Hastig wich Georgina seinem Blick aus.

Weshalb musste ausgerechnet dieser Mann anwesend sein. Ihre Worte vom Abend mochten nun nur noch leere Silben sein. Wenn ein Gast sie haben konnte, würden auch Andere ihre Gesuche beziffern.

Den Blick gesenkt haltend, huschte Georgina zu Sebastian. Dieser neigte im Gruße sachte den Kopf. Sie hingegen schenkte ihm einen kalten Blick.

Dann harkte sie sich bei ihm unter und führte ihn schweigend, begleitet von etlichen Blicken hinauf. Im Flur ließ sie von ihm ab und schritt zu einem der Zimmer. Madame hatte ihr das geräumigste zugesagt. Langsam öffnete Georgina die Türe und trat ins Innere.

Es war dunkel, und sie hätte längst die Lampen entzünden müssen. Georgina rührte sich nicht. Sie sah nur auf die Dunkelheit und ließ ihren Gedanken freien Lauf.

Plötzlich hielt sie inne.

Sie konnte keinen Laut hinter sich vernehmen, dennoch spürte sie, dass sie nicht mehr allein war. Sebastian war ihr lautlos gefolgt.

„Was wollt Ihr hier?“, fragte sie, ohne sich umzudrehen.

„Ich habe mich gefragt, warum Ihr keine Lampe entzündet habt, obwohl die Nacht längst hereingebrochen ist.“, antwortete der Butler gedehnt.

Überrascht fuhr Georgina herum: „Ihr wisst, dass meinte ich nicht!“

„Gewiss.“

Sie spürte wie er sich ihr näherte und hielt augenblicklich den Atem an, als erwarte sie eine Berührung.

„Ihr fragt Euch, weshalb diese Farce?“, während er sprach, griff Sebastian nach ihrer Hand.

„Ihr solltet atmen.“, amüsiert hauchte der Teufel einen Kuss auf ihre Fingerknöchel.

„Ich sollte endlich eine Lampe entzünden.“

Sie machte zwei Schritte in die Richtung, in welcher sie die Lampe vermutete, und stieß sich das Schienbein schmerzhaft an einem Stuhl.

„Verdammter Mist.“

Sie tastete nach der Sitzfläche und ließ sich darauf sinken. Für einen Augenblick kämpfte sie mit den Tränen. Nicht nur wegen des Schmerzes in ihrem Bein. Seine Hand tastete nach der Ihrigen: „Seid Ihr verletzt?“ Es klang keinesfalls besorgt. Eine schlichte, pflichtbewusste Frage eines Butlers.

„Nein, es geht schon.“

„Soll ich Euch führen? Dann kann Euch nichts passieren. Ihr könnt mir vertrauen, ich bin nicht geneigt die Situation auszunutzen.“

„Kann ich das?“, seufzend umfasste Georgina seine Hand und erhob sich.

Erst zögernd, dann immer zuversichtlicher ließ sie sich von dem Teufel leiten. Als habe sie es immer getan.

„Wer war dieser Mann an der Bar?“, seine Stimme hatte sich in ein vages Flüstern gewandelt.

„Ein Gast von Madame.

„Er scheint Euch zugetan.“

Sebastian konnte hören, wie Georgina krampfhaft atmete. Natürlich war er das. Ein quälendes Gefühl zwang sich in ihre Eingeweide. Sie ahnte worauf Sebastian hinzielte.

„Warum lasst Ihr es nicht zu? Er könnte nützlich sein.“

Sie wandte ihren Blick zu ihm, wollte ihre Hand zurückziehen, doch er festigte seinen Griff und zog sie näher an sich heran. Sie spürte seinen Atmen auf ihren Wangen. „Umschmeichelt ihn. Es wäre klug, sich Optionen offen zu halten.“

Seine freie Hand löste die Haarnadeln, woraufhin ihre Locken auf ihre Schultern wallten.

Mit einer harschen Bewegung schlug sie ihm die Haarnadel aus der Hand. „Ich werde keine falschen Erwartungen in diesem Mann wecken.“

Sie wollte sich von ihm distanzieren. Es gelang ihr nicht. Seine Hand hielt sie erbarmungslos in seiner Nähe. Ein zarter Duft von Erde und Darjeeling kitzelte ihre Nase. Wider ihres Willens schlug ihr Herz plötzlich einen Takt schneller gegen ihre Brust.

„Ihr solltet Eure Haare offen lassen. Und dies …“, mit einer eleganten Bewegung streifte Sebastian den feinen Stoff ein Stück von ihren Schultern. „… richtet Ihr, sobald ihr ins Foyer zurückkehrt.“

Mürrisch biss Georgina sich auf die Unterlippe, nickte jedoch verstehend.

Es sollten noch einige Minuten vergehen, bis der teuflische Butler den Raum verließ. Er hatte sie angewiesen noch einige Zeit zu verweilen ehe auch sie ins Foyer zurückstoßen würde. In Gedanken versunken bückte Georgina sich nach der Haarnadel. Das vorlaute Mädchen hatte wahrlich kein Geschick. Nur eine Nadel zu lösen hatte bereits ausgereicht um ihr die Frisur zu ruinieren. Sachte löste sie die restlichen Haarnadeln aus ihren Locken und schritt durch den Flur zurück ins Foyer.

Dort wurde Georgina von dem üblichen Treiben begrüßt.

Mit einem kurzen Blick durch den Raum trat sie an ihrem angestammten Platz zurück.

„Georgia.“

„Ja. Madame?“, überrascht stotternd, wandte Georgina sich der Älteren herum. Die Bordellbetreiberin schenkte ihr ein anerkennendes Lächeln: „Gute Arbeit, Mädchen.“

„Vielen Dank. Madame.“

Welche Summe hatte dieser wunderliche Butler nur gezahlt? Wie hoch mochte der Preis für diesen zufriedenen Blick gewesen sein?

Ein eisiger Schauer übermannte sie.

Hastig richtete sie sich das Kleid und griff nach einem Glas Cognac – ungeachtet wem dieses Getränke gehören mochte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lula-chan
2018-08-16T18:22:52+00:00 16.08.2018 20:22
Tolles Kapitel. Gut geschrieben. Gefällt mir.
Gar keine so schlechte Idee von Sebastian. Das hat sicher was gebracht.
Na mal sehen, wie das weitergeht. Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel.

LG
Antwort von:  kaltes
16.08.2018 22:56
Jahaa~ Sebastian und seine Ideen. Obwohl ich ja mehr den Verdacht hege, es war mehr Ciels Idee. ;)
Danke für dein liebes Review.
♥️

Lg
Kaltes


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