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Rondo

von

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|| Rettung ||

Sie drehte sich im weißen Kleid unter dem dunklen Nachthimmel.

Stetig um die eigene Achse, bis die Welt vollkommen um sie herum verschwommen war. Abrupt riss etwas sie nach hinten. Eine Schlinge, die sich um ihren Hals legte, zog sie unnachgiebig nach unten. Vergebens schlug sie um sich, versuchte ihrem Peiniger habhaft zu werden, doch ihre Hände griffen ins Nichts. Immer enger wurde die Schlinge auf ihrer Kehle. Sie spürte wie ihre Schließmuskeln drohten nachzugeben. Ihre Lippen fühlten sich mit einem Mal spröde an und hinter ihren Augäpfeln herrschte ein stechender Schmerz vor. Wahllos gruben sich ihre Finger ins feuchte Erdreich. Ihr Herz hämmerte panisch gegen ihre Brust.

Sie wollte nicht sterben.

Plötzlich spürte sie ein zartes Kribbeln an ihren Händen, auf ihren Armen. Etwas drängte sich an ihren Beinen entlang. Sie glaubte durch verschleierten Blick den Umriss eines großen Hundes auszumachen, welcher über sie hinweg stieg. Irgendwo zu ihrer Linken krächzte eine Krähe.

Ihre Kräfte verließen sie und sich in ihrem Schicksal ergebend schlossen sich ihre Augenlider. Es würde bald enden.

Ein spitzer Schrei gellte über ihr auf. Der Druck an ihrem Hals löste sich schlagartig, während zugleich eine vertraute Stimme an ihre Ohren drang. Sie rang nach Luft, doch die Augen vermochte sie nicht zu öffnen. Und dann hob sie jemand in die Höhe …
 

Sie hielt den Atem an.

Unter dem Blick der rötlichen Augen sank Georgina tiefer in die Kissen. Erst langsam kehrten die Erinnerungen an die letzten Ereignisse, und somit an die Ursprünge des Traumes, zurück. Dies erklärte jedoch nicht, weshalb sie beim Erwachen, ins Antlitz des schwarzen Butlers blickte.  

Sie schluckte.

Wenn Sebastian hier war, dann befand sie sich wohl auf dem Anwesen der Phantomhive. Wie lange sie wohl bereits Gast in diesem Hause war? Sie hoffte nicht allzu lange, und so womöglich um zu testen ob sie noch träumte, hob Georgina die Hände und ließ jene gegen die Wangen des Butlers sausen.

Sebastians Reaktion darauf bestand lediglich in einem überraschten Blinzeln. Kurz darauf zog er sich zurück: „Verzeiht, Baronin, Ihr habt im Schlaf um Euch geschlagen und wärt womöglich aus dem Bett  gefallen.“, um sich höflich zu verneigen, ein Lächeln, als wäre es eigens für ihm gemalt worden, auf den Lippen.

„Und da dachtet Ihr, Euer Gewicht wäre die effektivste Absicherung?“, sie dachte nicht daran ihm diese Unsitte zu verzeihen, auch wenn es den Anschein hatte, als spräche er die Wahrheit. Sie wusste zwar nicht was genau in den Stunden ihrer Bewusstlosigkeit geschehen war, doch ersann sie sich der nötigen Diskretion, welche einem Butler eigen sein sollte.

„Miss Sullivan befand Ihr solltet zur Kräften kommen.“, der Butler des Hauses ignorierte ihren feixenden Einwand. Schließlich war er ein Teufel und solch Anschuldigungen waren schlicht lächerlich.

„Warum bin ich auf dem Anwesen des jungen Earl?“, sie tat es ihm gleich, ignorierte seine Worte schlicht. Ein leichter Schatten legte sich über Sebastians Gesicht. Diese Dame war tatsächlich eine unausstehliche Göre, es dämmerte ihm langsam weshalb man ihr nach dem Leben trachtete.

„Hier glaubte Euch der junge Herr in Sicherheit, bis er sicher war, dass Ihr außer Gefahr seit.“

„Gefahr gebannt?“, während sie sprach, schlug sie die Decke zurück und warf die Beine über die Kante aus dem Bett, setzte sich auf.

„Nun ..“, sein Blick folgte Georgina, welche sich mit einem eleganten Schwung von der Bettkante erhob: „ ..es besteht keine unmittelbare Gefahr für Euer Leben, Baronin.“ Sie wollte gerade etwas erwidern, da gaben die Beinen unter ihr nach. Ungehalten, mit einem erstickten Schrei, sackte sie auf ihre Knie.

„Miss Sullivan hatte davon abgeraten“, der Butler streckte ihr die Hand entgegen um ihr auf zu helfen. In jenem Moment war Georgina sich sicher gewesen, diese Information hatte der Butler des Hauses Phantomhive bewusst unterschlagen. Der Anblick der ihm zu Füßen liegenden Adeligen musste ihn geradezu befriedigen. Für einen kurzen Moment wollte sie seine Hand, in ihrem Stolz verletzt ausschlagen, doch ebenso wollte sie sich keine weiteren Blöße geben. So griff sie schweigend nach seiner Hand und ließ sich von Sebastian in die Höhe ziehen, dabei kamen sich ihre Gesichter erneut sehr nahe. Wieder fielen ihr diese emotionslosen, rötlich schimmernden Augen auf, welche sie zu hypnotisieren schienen. Jenem unsittlichen Drängen nachzugeben, würde sie direkt ins Nichts reißen, dessen war sicher.

Und dennoch drängte diese süße Verlockung in diesen kalten, durchdringenden Augen.

Wer, was war dieser Butler wirklich?

Langsam, beinahe zögerlich, löste die Schwarzhaarige von seinem Anblick, ließ ihren Blick nun prüfend an sich herab wandern.

Bis auf ihr weißes Unterkleid war sie unbekleidet. Ihr Kleid war sicherlich untragbar geworden, wenn sie an den Unrat und Moder zurück dachte. Nun konnte sie allerdings unmöglich in Unterwäsche in eine Kutsche steigen.  

„Mein junger Herr bittet Euch sein Geschenk anzunehmen. Ihr solltet bei Tisch angemessen gekleidet sein.“, während Sebastian sprach, deutete seine Hand auf eine schwarze Kleiderschachtel, eine blau-weiß gestreifte Schleife zierte das Päckchen. Neugierig, erahnend welch Inhalt es birgt, trat Georgina an das Paket auf dem kleinen Tisch heran, zog die Schleife auf um ungehindert den Deckel anzuheben. Ein cremefarbener Stoff kam zum Vorschein.

Noch während sie den Schachteldeckel zur Seite legte, zog Sebastian den Stoff aus der Schachtel um ihn in voller Pracht seiner neuen Besitzerin zu präsentieren. Das Kleid war aus sehr hellem creme-weißem Stoff gefertigt worden, der nach außen matt erschien und von unten wie Seide schimmerte. Von der eng anliegenden, hohen Taille fiel es geschmeidig in einen bodenlangen, weit schwingenden Saum, darüber saß in einer eleganten, zweiten Lage ein geraffter Überrock, der nach hinten an Volumen zu nahm.

„Gestattet diesem Diener Euch beim Ankleiden behilflich zu sein.“, der Butler verneigte sich leicht demütig. Georgina nickte zustimmend. Da Marian nicht zu gegen war, würde sie mit dem Phantomhive Schoßhund vorlieb nehmen müssen.
 

Eine breite, schwarze Spitzenrüsche zauberte eine romantische Note in die klassische Silhouette und setzte sich effektvoll vom hellen Farbton des Kleids ab. Schwarz war auch das breite Band, mit dem hinten über dem Rockschoß eine Schleife geknotet wurde. Und auch am Ausschnitt blitzte eine Spitzenrüsche in Schwarz auf, während ein Pailletten besetztes, filigranes Zierband den Saum der kurzen Ärmel und die Front unterhalb des Dekolletés verschönerte.

Sebastian griff über ihre Schultern hinweg nach hinten, hob die dunklen Locken nach vorne. An der rechten Seite fixierte er eine weiße Lilie. Skeptisch über die Wahl des Haarschmuckes ließ Georgina ihre Finger über die süßlich duftende Blüte streichen.

„Eine Friedhofsblüte?“, mit zynischem Unterton sah sie zu Sebastian hinüber.

„Die Lilie ist die Königin unter den Blumen.“, unbemerkt von seinem Butler und der Baronin hatte Ciel Phantomhive den Raum betreten, stand nahe der Türe und betrachtete die Adelige: „Eleganz, Würde, Sinnlichkeit und Hochachtung. Diese Blume ist mehr als nur ein einfaches Grabgesteck.“

„Und, welch Bedeutung ersinnt diese Blüte für mich, Earl?“

„Ich habe sie Euch nicht angesteckt, Lady Cavendish.“, sein Blick huschte leicht provokant zu seinem Butler. „Manche sehen in der Lilie das Zeichen der Reinheit und Zuneigung.“

„Ist dem so.“ Ein Schmunzeln legte sich auf Georginas Lippen: „In diesem Haus auf solch Symbolik zutreffen, überrascht mich.“, während sie sprach, schritt sie zur Türe, blieb auf Ciels Höhe stehen und schenkte dem teuflischen Butler einen amüsierten, lasziven Blick: „Eure Hochachtung ehrt mich, Sebastian.“

„Ich bin lediglich ein einfacher Butler.“ Es erschreckte Sebastian wie ähnlich sie sich doch waren, sein junger Herr und diese Dame.

So unausstehlich.
 

„Heute serviere ich Ihnen traditionellen French Toast bestückt mit Omelette und gerösteten Bacon.“ Ein Frühstück wie Georgina Cavendish es aus Kindertagen kannte.

Ihr Blick schweifte zum Earl Phantomhive hinüber, welcher am anderen Ende des Tisches platzgenommen hatte. Der Earl hatte veranlasst, eine Depesche zu senden, um Jonathan Cavendish über die Genesung seiner Schwester zu informieren. Sicher würde der junge Mann sofort los eilen um sie nach Hause zu holen. Georgina musste bei diesen Gedanken milde Schmunzeln, Jonathan behandelte sie in mancher Hinsicht, wie ein kleines Kind. Dabei musste er sich kaum um sie sorgen.

„Dieses Kleid kleidet Euch ausgezeichnet, Baronin.“

„Ich danke Euch, Earl.“, Georginas Blick schweifte zu ihrem Teller vor sich. „Ihr habt ein geübtes Auge.“, geschickt manövrierte die Adelige den Bacon an den Tellerrand. Sie konnte diesem fettigen Streifen Fleisch nichts abgewinnen, essen konnte Dies Andere. Nicht einmal aus guten Manieren heraus, bekam sie es herunter gewürgt. Sowohl Ciel als auch Sebastian beobachteten diese Aktion mit monotoner Mimik, während das Dienstmädchen des Hauses, etwas zu nervös für Georginas Geschmack, um die Tafel herum huschte und den Tee servierte, ehe sie sich schweigend zurück zog.

Kaum war das Mädchen verschwunden, ergriff Earl Phantomhive erneut das Wort, diesmal mit deutlich unterkühlter Tonlage. „Zum Glück seid Ihr wohlauf.“, er ließ sein Frühstück unberührt, griff lieber zur Tasse. Sie hingegen wich seinem prüfenden Blick aus, indem sie weiterhin ihren Bacon am Tellerrand platzierte: „Ich danke Euch für Eure Gastfreundlichkeit. Wisst Ihr bereits etwas über diese Person zu berichten?“

„Tatsächlich befinden sich der Vater und die Nichte der Dame bereits im Irrenhaus.“, langsam ließ Ciel die Tasse sinken: „Beide beginnen einige Mordversuche auf öffentlicher Straße. Der Irrsinn liegt wohl im Blut. Wobei diese Obsession Euch betreffend .. nun, neu war.“

„Mir ist nicht nach French Toast, verzeiht.“, murmelnd schob die Schwarzhaarige den Teller von sich, ebenso die Tasse Tee. Sie verstand es nicht. Wie hatte ihr so etwas geschehen können?

Sie war behütet aufgewachsen, man hatte ihr jeden Wunsch erfüllt. Und man hatte ihr stets das Gefühl gegeben, bei Unrecht nicht wegsehen zu dürfen. Damals hatte sie diesem armen Ding wohl auch nur helfen wollen. All die Zeit war man ihr wie ein Schatten gefolgt, bedrohlich, schleichend. Ihre Brust schnürte sich zu und sie begann nach Luft zu schnappen, während die Welt um sie herum schwankte. Das Antlitz des jungen Earl verschwamm, kippte zur Seite. Nein, sie kippte zur Seite. Kaum hatte sie sich von dem Mordversuch körperlich erholt, da schlug ihre geschundene Seele mit aller Macht zu.

Sebastian Michaelis war mit wenigen Schritten bei der Adeligen, fing ihren Sturz ab ehe sie auf den Boden prallte. Sie hatte ihre Hände vor der Brust verkrampft, japste hektisch nach Luft. Wie leicht Menschen in Panik verfielen, wie leicht sie doch zu erschüttern waren. Sie wollten Stark sein und waren doch so zerbrechlich.

„Beruhigt Euch, hört auf zu atmen.“, noch während er sprach drückte Sebastian Georginas Mund und Nase zu, bis ihr Atem langsam abebbte. Sie schloss die Augen, als er seine Hand schließlich von ihren Lippen zog.

Schon wieder dieser Butler.

Nun verdankte sie ihm ein zweites Mal ihre Unversehrtheit.

Die weiße Lilie indes war ihr aus dem Haar gefallen, zierte nun den Schoß des Butlers. Dieser griff danach und schob sie Georgina ins Haar zurück. In diesem Moment öffnete sie die Augen, sah ihn durch trübe Irden an. Er spürte ihren warmen Körper an seiner Brust.

Er roch ihre Seele und schmeckte das Leben in ihr. In jenem Moment spürte der Teufel dort ein Flackern in ihrer Seele. Ein reines, unberührtes Licht, umschattet von Leid und Verzweiflung. Eine Seele, die seines jungen Herren gleich - selten und köstlich, aber vor allem eines Teufels würdig.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lula-chan
2018-07-18T18:27:10+00:00 18.07.2018 20:27
Tolles Kapitel. Gut geschrieben.
Oh Mann. Das läuft ja wirklich spitze. Nicht. Georgina hat es echt nicht leicht. Was wohl noch so auf sie zukommt? Spannend wird es sicherlich. Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel.

LG
Antwort von:  kaltes
18.07.2018 20:29
Hallo 😁
Sie hat es wirklich nicht leicht. Und es wird nicht besser 😅
Vielen Dank für deine lieben Worte ❤

Lg


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