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Rondo

von

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|| Aufwartung ||

„Baroness Clifford.“, drang die Stimme ihres Butlers in den Raum, einem kleinen Salon, in welchem sie Besuch zu empfangen pflegte. Ihr Blick hob sich von den Seiten des Buches in ihrem Schoß, woraufhin Henry eine Verbeugung andeutete, seinen Satz vollendend: „Earl Phantomhive ist soeben vorgefahren.“

„Nehmt ihn in Empfang und führt den Earl in den Salon, ich werde ihn hier begrüßen. Und, Henry, serviert unseren aromatischsten Tee.“, mit diesen Worten schloss sie das Gedichtband, ihre Finger ruhten einen Augenblick lang auf den schwungvollen Verzierungen des Einbandes ehe sie das Buch auf den kleinen, runden Tisch vor sich legte. Während Henry den Salon verließ, lehnte sie stumm seufzend ihren Kopf gegen die gepolsterte Rückenlehne. Sie hatte Marian den restlichen Tag frei gegeben, so würde sie sich dem jungen Earl allein stellen müssen. Ihre Augen schlossen sich. Was würde der Wachhund der Königin nur von ihr wollen? Sie hatte seit Ankunft des Briefes darüber nachgedacht, doch Georgina wurde sich keines Verbrechens bewusst, auch war sie in kein Vergehen verwickelt, sofern ihr es möglich war, dies zu beurteilen. Es war ihr unmöglich zu begreifen, welch Interesse Earl Phantomhive an ihr haben könnte.

Der Klang von sich nähernden Schritten riss die Adelige aus ihren Gedanken, langsam öffnete sie die Augen und schielte zu Türe hinüber, an der bereits Henry erneut erschien, diesmal in Begleitung zweier Herrschaften. Ihre gute Erziehung nicht vergessend, erhob die Schwarzhaarige sich von ihrem Platz um sich ihren Gästen begrüßend einige Schritte zu nähern.

Henry trat, sich verneigend, zur Seite um den jungen Earl Phantomhive anzukündigen, welcher kurz darauf den Salon betrat, gefolgt von Sebastian, Butler des Hauses Phantomhive. Georgina beobachtete schweigend, wie Henry sich entfernte, dabei schloss er lautlos die Salontüre hinter sich. Erst als Henry gegangen war, wandte Georgina ihre Aufmerksamkeit dem Earl zu: „Seid gegrüßt Earl Phantomhive.“, sie neigte respektvoll den Kopf und drehte sich leicht zur Seite.

„Welch Umstand verschafft mir die Ehre Eures Besuches?“, während die Baroness sprach, ließ sie sich wieder auf ihren Stuhl nieder und bot den freien Platz dem jungen Earl dar. Schweigend kam Ciel ihrem Angebot nach und sank auf den dargebotenen Platz, den linken Ellenbogen auf der Lehne und den Kopf auf seine Hand gestützt. Sebastian nahm Position rechts hinter seinem Herren, den Blick aufmerksam auf die Gastgeberin gerichtet.

„Ihr habt in London Quartier bezogen.“, antworte Ciel nach einigen Minuten des Schweigens. „Ich mache Euch hiermit meine Aufwartung und begrüße Euch als Freund.“

„Eure Worte schmeicheln mir, dennoch bitte ich Euch ehrlich zu sein. Welchen Grund habt Ihr wirklich, werter Earl?“, ihre Hände strichen unauffällig über den Stoff ihres Kleides. Sie wollte nicht Katz und Maus spielen, darauf wartend, dass Ciel Phantomhive ihr geschickt entlockte, was er wissen wollte.

Über Ciels Lippen huschte ein überraschtes, dennoch amüsiertes, Lächeln. Georgina Cavendish hatte nicht nur ein zynisches Mundwerk, klug schien sie ebenfalls zu sein.

„Ich habe ein Zuckerhäuschen  in dem ein tollwütiger Köter sitzt, und alle Brotkrummen führen zu Euch.“, während er sprach, fixierte sein Blick jede Regung an ihr. „Vielleicht könnte Baroness mir bei Suche nach dem Schlüssel für besagtes Häuschen behilflich sein.“

„Wie könnte ich Euch bei solch einem Problem behilflich sein?“, verwirrt über die Umschreibung seines Anliegen, strich Georgina sich eine Locke von der Stirn. „Außer Euch zu raten den armen Hund von seinem Leiden zu erlösen.“

„Das habe ich in der Tat vor.“, seine freie Hand machte eine wage Bewegung in der Luft, um von Georgina gewünschte Antworten zu erhalten, würde er wohl einige Details preisgeben müssen. „Es gab bisher drei Opfer, drei Menschen, die scheinbar nichts verbindet, außer der Umstand, dass alle Drei direkt vor ihrem Tod mit Euch in Kontakt waren.“

„Im Laufe der Jahre ginge viele Menschen im Haus Cavendish ein und aus. Ihr müsstet etwas präziser werden.“

Das Klopfen an der Salontüre unterbrach just den jungen Phantomhive, welcher erneut das Wort an Georgina richten wollte, welche nun den Butler des Hauses herein rief. Henry balancierte auf einen silbernen Tablett das edle Höchster Porzellanservice. Der Tee war bereits in die Tassen gegossen worden, so nahm der ergraute Butler besagte Tassen vom Tablett und platzierte diese vor den beiden Adeligen ehe die Teekanne und ein  kleines Gefäß mit Zucker folgte. Während jenem Unterfangen herrschte Schweigen. Erst das leise Schließgeräusch der Türe durchbrach die Stille.

„William Goodwrite, Jacob Garnison und Magda Wesley. Sicher sind Euch diese Namen bekannt.“, ergriff Ciel nun erneut das Wort. Seinem wachsamen Auge entging es nicht, wie die junge Baroness sich bei Erwähnungen besagter Namen auf die Unterlippe biss. Natürlich waren ihr diese Namen und die Personen dahinter bekannt, sie erinnerte sich an die Ohrschelle gegen Sir Goodwrite, das ständige Murmeln des Schusters Garnison und auch an das warme Lächeln der gutmütigen Wäscherin Magda. Sie alle waren also tot, ermordet von einem Unbekannten und nun glaubte der Wachhund ihrer Majestät die Antwort bei ihr, Georgina Cavendish, zu finden.

In Unglauben und Schock verfallen, umschlossen ihre Finger den Griff ihrer Teetasse um deren Rand an ihre Lippen zu führen. Henry hatte sich für einen würzigen, leicht säuerlichen Tee entschieden. Vielleicht etwas zu exotisch für den englischen Gaumen.

„Eure Vermutung entspricht der Wahrheit.  Aus welchem Grund hätte jemand ihren Tod gewollt?“, ihre Augen schweiften zu Ciel hinüber, die Tasse unsicher in den Händen haltend. Sie konnte sich nicht erinnern etwas Seltsames beobachtet zu haben, während den letzten Aufeinandertreffen. Die Opfer waren sich zu jener Zeit nicht einmal begegnet. Vielleicht war es einfach Zufall, dass es gerade diese Menschen getroffen hatte.

„Ich glaube nicht an Zufälle, Baroness. Was auch immer der Grund für diese Morde ist, Ihr scheint den Schlüssel in den Händen zu halten.“
 

Ihre Gabel kratzte über den Rand ihres Tellers.

Sie hatte noch einige Minuten über die Morde gesprochen, so hatte Georgina Details der Tat in Erfahrung bringen können. Als der junge Earl begann seinerseits Fragen an die Baroness zu richten, wurden sie erneut von Henry unterbrochen, der die Adeligen zu Tisch bat.

Während der gesamten Zeit im Salon verweilte Sebastian schweigend an der Seite seines jungen Herren, nun, seitdem die Gastgeberin und der Earl im Speisesaal platz genommen hatten, spürte Georgina unnachgiebig den Blick des schwarzen Butlers auf sich. Sie wagte nicht ihrem Drang nachzugeben und seinen Blick zu erwidern. Jedoch vermochte sie ihre Unsicherheit nicht zu verbergen.

Ihre dunklen Augen hafteten teilnahmslos am unberührten Stück Roastbeef, nicht einmal  die gestampften Kartoffeln konnte sie anrühren. Nur am süßen Weine nippte sie.

„Ihr seid also bereits als Säugling in die Familie Cavendish genommen worden?“, nahm Ciel Phantomhive das unterbrochene Gespräch wieder auf, während er nach seinem Weinglas griff. Der Teller vor ihm war leer.

„So wurde es mir erzählt.“, langsam ließ sie ihre Gabel sinken: „Ich verbrachte meine ganze Kindheit in dem Wissen der Bastard des Duke Devonshire zu sein.“

„Und Eure Mutter?“

„Tot. Meine Mutter überlebte meine Geburt nicht.“, mehr hatte man sie nie wissen lassen, stets hatte sie jene Antwort auf ihre Fragen erhalten. Nicht einmal den Namen ihrer Mutter war ihr bekannt. Auf Georginas Worte hin, legte sich ein verwirrter, skeptischer Schatten über Ciels Mimik: „Habt Ihr Euch niemals gefragt, weshalb man Euch soviel Güte entgegen brachte?“

„Sicher, habe ich mir diese Frage gestellt. Es gab keine Papiere, Briefe oder ähnliches, und niemand schien über die Beweggründe etwas zu wissen. Viele meinten, es sei lediglich einer Laune des Duke zu verdanken.“

Ciels Finger strichen nachdenklich über den Rand seines Glases, diese Neuigkeit machte ihn stutzig, weshalb nahm der Duke seinerzeit ein Neugeborenes unter seine Obhut, ohne eine Sicherheit.

Ciels Augen schielten neugierig zu dem Dämon im Gewand eines Butlers empor. Über Sebastians Lippen war seit ihrer Ankunft kein Wort gekommen, nicht einmal als  Cavendishs Butler, beim Öffnen der Weinflasche, den Korken fallen ließ. Keine Regung war durch den Körper des Teufels gegangen. Erst jetzt, als der Blick seines Herren auf ihn lag, regte sich Sebastian sich. Er wandte seine Aufmerksamkeit von Georgina auf den jungen Earl, schenkte diesem sein süffisantes Lächeln, ehe er ebenfalls das Wort an die Baroness richtete: „Mir scheint das alle Fäden zu Euch führen und sich langsam um Euren zarten Hals legen.“

„Wollt Ihr mir sagen, mein Leben sei in Gefahr?“, erwiderte sie skeptisch, beobachtete wie Sebastian zu ihr hinüber schritt und hinter ihr zum Stehen kam um sich flüsternd hinab zu beugen: „Ihr begreift also die Misslichkeit unserer Lage. Das gesamte Vorgehen des Mörders ergibt keinen Sinn, noch nicht, da dem jungen Herren etwas zu entgehen scheint.“, er drückte die Lehne des Stuhles auf dem Georgina saß, sachte nach hinten, sodass ihre Füße den Halt zum Boden verloren: „Also sagt mir Baroness, welches Puzzleteil fehlt uns?“
 

Gedankenverloren sah sie der Droschke des Earl Phantomhive nach, welche das Haupttor passierte um wenig später in der Dämmerung zu verschwinden.  Es war spät geworden, später als Georgina  angenommen hatte, als sie Ciel in ihrem Hause erwartet hatte. Sie war erschöpft. Die Unterhaltung mit dem königlichen Wachhund hatte ihr besorgniserregende Dinge offenbart, und seitdem Essen wurde sie dieses beklemmende Gefühl nicht mehr los, welches sie bisher nur des nachts in ihren Träumen begleitete.

Henrys verhaltenes Räuspern holte sie in die Gegenwart zurück, mit einem letzten Blick über den Hof drehte sie sich herum und schritt ins Foyer. Schweigend winkte sie den Butler davon, er solle sich den restlichen Abend persönlichen Dingen widmen. Die lockigen Haare zurück streichend, betrat sie den Salon. Auf dem kleinen Tisch thronte noch das Schachspiel. Die Partie hatte sie nicht für sich entscheiden können. Mit einem stummen Seufzer griff sie nachdem schwarzen Springer und drehte den Pferdekopf zwischen Daumen und Zeigefinger. Warum wurde sie damals von Duke Devonshire aufgenommen? Ihr hatte es an nichts gefehlt, die beste Erziehung, die schönen Kleider und sogar jenes Stadthaus. Ihre Existenz hatte nur Schatten über seinen Familienstammbaum gelegt. Und wäre er nicht vom alten Adel, man hätte ihn sicher gesellschaftlich kastriert.

Nichts war ihr geblieben von ihrer Mutter, vielleicht war nicht einmal ihr Vorname von ihrer Mutter gewählt worden, sowie es ihre Ziehmutter einst erzählt hatte.

Und dann diese Alpträume, von denen sie Earl Phantomhive nicht berichten konnte.

Vor diesen Jüngling, selbst vor Jonathan, spielte sie die Unantastbare, die Lady, dabei sehnte sie sich nach etwas Freiheit und eine Antwort auf die Frage.

„Wer bin ich?“, murmelte Georgina.

Das dumpfe Pochen des Türklopfers am Eingang riss die Adelige aus ihrer Melancholie. Nun ärgerte sie es, dass sie Henry frei gegeben hatte. Auch Marian war noch nicht ans Anwesen zurückkehrt. So lag es also an ihr der unerwarteten Störung entgegen zu treten.

Die Schachfigur von oben in ihr Korsett schiebend, ging sie durchs Foyer zum Eingang. Mit etwas Mühe zog sie eine der Flügeltüren auf und blickte fragend dem älteren Mann entgegen, der nervös an seinem Filzhut spielte.

„Verzeiht die Störung, Madam.“, es fiel Georgina schwer den Worten zu folgen dank der fahrigen Tonlage, dem Mann schien dies nicht aufzufallen, er sprach hastig weiter: „Meiner Kutsche ist ein Rat gebrochen.“

„Benötigt Ihr H .. ?“

„Nein, nein.“, unterbrach der Fiaker sie mit schüttelnden Kopf: „Ich wollte lediglich um etwas Wasser für meine Pferde bitten.“

Georgina trat einige Schritte aus der Türe, deutete hinüber zu dem überdachten Verschlag des Stalles: „Geht zu Adam. Der Stallbursche wird Euch behilflich sein.“

„Zu gütig, Madam.“, schlaksig verbeugte sich der Mann: „Doch ich suchte bereits nach Eurem Stalljungen, da ich ihn nicht fand, trat ich an Euch heran, Madam.“

„Sicher hat er Euch nicht rufen hören.“, murmelte Georgina ein wenig misstrauisch. Adam war zwar jung, doch zuverlässig. Er verbrachte beinahe Tag und Nacht bei den Pferden und kümmerte sich um Kutsche und Zaumzeug manch besser als der alte Groom. Ohne ein Wort hätte er niemals seinen Posten verlassen. Sachte hob Georgina ihren Rock an und schritt zum Stall hinüber, der Junge musste doch irgendwo stecken.

„Adam?!“, rufend trat sie ins Innere. Die Pferde scheuten in ihren Boxen auf, doch Adam antwortete nicht. Um Sorge wegen Adam, bemerkte sie nicht, dass der Fremde ihr gefolgt war. Erst ein Geräusch unmittelbar in ihrer Nähe holte ihn in ihre Gedanken zurück.

Gerade als sie sich herum drehen wollte, traf etwas hartes ihre Schläfe. Benommen verlor sie das Gleichgewicht und stürzte haltlos zu Boden. Als sie dort mit den Kopf aufschlug, verdunkelte sich schlagartig ihre Umwelt.

Sie verlor das Bewusstsein.

Der Fiaker ließ die Schaufel fallen, beugte sich herunter und tastete nach dem Puls der jungen Dame um sich zu vergewissern, dass sie noch lebte, ehe er sie an den Armen packte und begann sie über aus dem Stall über den Hof davon zu schleifen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lula-chan
2018-07-08T15:35:39+00:00 08.07.2018 17:35
Oh Mann. Georgina wurde also entfernt. Na ganz toll. Gerade eine junge Frau sollte, vor allem in dieser Zeit, in Beisein eines fremden das Haus verlassen.
Trotzdem ein tolles Kapitel. Gut geschrieben.

LG
Antwort von:  kaltes
09.07.2018 12:09
Ja. Sie ist ein wenig naiv in der Hinsicht :)
Danke ♡

Lg


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