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Ahnungslose Augenblicke

von

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Ermittlung

Aufgebracht stand Agent Starling auf der Terrasse seines Hauses. Jodies Abwesenheit in der Nacht und auch noch am nächsten Morgen ließen ihn und seine Frau sich die schlimmsten Bilder ausmalen. Was wenn ihr doch etwas Passiert war und sie jetzt irgendwo in einem Graben lag? Oder gar entführt wurde? Vielleicht wurde ihr in jenem Augenblick noch etwas viel Schlimmeres angetan. Und wie sollte er jetzt noch seine Frau beruhigen? Angela war mit den Nerven am Ende. Es gab Tage da hasste er seinen Beruf, weil er die Menschen genau kannte. Und obwohl er jahrelang seine Familie beschützte und es auch weiterhin vorhatte, trat nun der Worst Case ein. Er war machtlos und konnte nichts tun, außer zu warten und zu hoffen. Jetzt gehörte er unter Anderem zu den Opfern und musste sich gedulden. „James“, zischte er in das Handy. „Natürlich weiß ich, dass Jodie noch nicht lange weg ist und so was zum Erwachsenwerden dazu gehört. Aber du weißt genau, dass ein solches Verhalten nicht zu ihr passt.“

James seufzte. „Du hast mir doch selber erzählt, dass sie sich in den letzten Wochen verändert hat. Kann es nicht sein, dass...“

„Nein, kann es nicht“, kam es sofort von dem Agenten. „Ja, sie hat sich verändert, was aber nur an dem schlechten Einfluss von Amber liegt. Und ja sie hat sich an dem Abend wohl raus geschlichen, aber ich kenne meine Tochter. Wenn sie bei Amber gewesen wäre und feststellen musste, dass doch kein Treffen mit den Jungs stattfindet, wäre sie sicher nicht lang geblieben und danach nach Hause gekommen. Jodie kennt uns doch. Sie weiß, dass wir zwar sauer gewesen wären, aber wir hätten ihr nicht den Kopf abgerissen. James, ich hätte dich nicht angerufen, wenn ich nicht denken würde, dass es ernst ist. Ich hab wirklich ein ganz ungutes Gefühl bei dieser Sache. Sie ist definitiv nicht bei Amber, auch wenn ich mir immer noch wünschen würde, dass das Mädchen sie versteckt. Glaub mir James, da ist etwas im Busch.“ Starling seufzte. „Ich habe Feinde, James. Angehörige oder Freunde von Tätern drohten mir schon mehrfach. Was wenn einer von denen Jodie hat? Ich kann nicht untätig rumsitzen.“

James runzelte die Stirn und blickte auf seinen Computer, anschließend aus dem Fenster. „Ich schicke zwei Agenten zu dir, aber du kennst die Prozedur. Du musst die Wahrheit sagen und alles offen legen, egal wie schlimm es auch sein könnte. Ich muss auch die Polizei informieren, aber für den Anfang sollte es keine Einmischungen geben.“

„Danke.“ Starling wirkte erleichtert und ging in das Wohnzimmer.

Angela blickte ihn unter Tränen an.

„Ich hab mit James telefoniert. Er schickt uns ein paar Agenten vorbei. Das FBI beschäftigt sich jetzt mit der Suche nach Jodie. Ich bin mir sicher, wir werden sie finden.“

Angela nickte hoffnungsvoll.
 

„Wann haben Sie ihre Tochter das letzte Mal gesehen?“, wollte Agent Pierce wissen und schlug sein graues Notizbuch auf. Er saß auf dem Sofa im Wohnzimmer der Starlings während seine Partnerin – Agent Fries – an der Wand neben der Eingangstür zum Wohnzimmer lehnte. Angela saß auf dem Sessel und hielt ein Kissen in der Hand. Ihr Mann stand neben ihr, seine Hand ruhte auf ihrem Oberschenkel und er nickte ihr aufmunternd zu.

Angela holte tief Luft und drückte das Kissen. „Jodie ist gestern Nachmittag aus der Schule nach Hause gekommen“, begann sie. „Eigentlich wollte sie gestern Abend zu ihrer Freundin Amber gehen, aber da sie Hausarrest hat, hab ich es verboten. Daraufhin haben wir uns gestritten. Sie wollte unbedingt zu Amber. Laut Jodie waren einige Schulkameraden eingeladen. Als wir bei Amber waren, hieß es, dass nur noch zwei Jungs kommen sollten.“

Pierce sah sie fragend an. „Haben Sie die Namen?“

„Chad und Connor. Amber schickte unserer Tochter eine Nachricht, dass die Beiden absagten.“

Pierce wirkte überrascht. „Sie haben das Handy Ihrer Tochter?“ Er sah zu seiner Partnerin, dann wieder zu Angela. „Entschuldigung, bitte fahren Sie fort. Wir kommen nachher noch auf das Handy zurück.“

„Normalerweise gebe ich bei Jodie häufig nach, aber dieses Mal blieb ich standhaft. Das hat ihr nicht gefallen und wir haben uns das ein oder andere an den Kopf geworfen. Irgendwann wurde es mir zu viel und ich habe Jodie geohrfeigt. Ich weiß, dass es nicht richtig war und ich bereue es. Jodie war auch schockiert darüber und lief dann nach oben. Ich hab mehrfach versucht mit ihr zu reden, aber sie schwieg mich nur an. Irgendwann hab ich nur noch an die Tür geklopft. Als keine Antwort kam, hab ich mir nichts dabei gedacht.“

„Ich kam gegen 18 Uhr nach Hause. Seitdem sich Jodie in einer rebellischen Phase befindet, seh ich immer nach ihr. Sie war noch da“, fügte Agent Starling an.

„Sie muss zwischen 18 und 20 Uhr verschwunden sein“, murmelte Angela. „Ich war kurz nach 20 Uhr oben bei ihr. Sie hat nicht reagiert, aber ich wollte noch unbedingt mit ihr reden, weswegen ich in ihr Zimmer rein bin. Sie war nicht dort. Das Fenster stand weit offen und ihr Handy lag auf dem Tisch. Ich hab überall nachgesehen, aber Jodie war nirgends“, wisperte Angela.

„Sie erwähnten vorhin den Hausarrest. Wie kam es dazu?“

Starling seufzte leise. „Jodie war immer ein gutes Kind. Aber je älter sie wurde, desto mehr Probleme hatte sie, Freunde zu finden. Es lag an meinem Beruf. Ihre Mitschüler hatten immer Angst, dass ich sie überprüfen lasse oder versuche gegen sie zu ermitteln. Also gingen ihr alle aus dem Weg. Dann kam Amber Weston. Sie wiederholte das Schuljahr und freundete sich schnell mit Jodie an. Am Anfang waren wir auch sehr erleichtert deswegen, aber dann mussten wir feststellen, dass Amber kein guter Umgang für Jodie war. Jodie lernte weniger für die Schule und traf sich in jeder freien Minute mit Amber. Irgendwann kam Schule schwänzen dazu. Wir wussten nichts davon. Jodies Lehrer hat uns darüber informiert und seitdem achteten wir mehr auf das, was sie tut. Als es nicht mehr ging, gaben wir ihr Hausarrest.“ Starling versuchte zwanghaft zu lächeln. „Es hat aber nichts gebracht. Vor einiger Zeit hat Jodie versucht sich raus zu schleichen. Ich habe sie dabei erwischt. In der nächsten Zeit sprach sie nur noch das Nötigste mit uns.“

„Das stimmt“, entgegnete Angela. „Als sie gestern nach der Schule wieder mit mir gesprochen hat, wusste ich, dass sie etwas will. Ich hätte aber nie gedacht, dass es so ausartet.“

Pierce nickte. „Als Sie bemerkten, dass Jodie verschwunden war, was haben Sie getan?“

„Wir sind direkt zu Amber gefahren“, antwortete der FBI Agent. „Anders als erwartet, fand keine Party statt. Es waren nur Amber und ihre Mutter Leila da. Wir haben Leila schon mehrfach gesehen und immer nur paar Worte miteinander gewechselt. Sie bestätigte, dass Jodie nicht dort war. Ich hab trotzdem nachgeschaut und Amber eindringlich zu verstehen gegeben, dass Jodie nach Hause kommen soll. Zu dem Zeitpunkt nahmen wir noch an, dass sich Jodie bei Amber versteckt. Danach sind wir nach Hause gefahren und haben auf Jodie gewartet. Als sie auch am nächsten Morgen nicht da war, bin ich ein weiteres Mal zu Amber gefahren. Jodie war dort immer noch nicht aufgetaucht.“

„Ich verstehe“, entgegnete Pierce. „Sie haben vorhin Jodies Handy erwähnt. Können wir darauf noch einmal zurück kommen? Haben sie den Pin-Code?“

„Nein, Jodie hat uns vertraut und wir ihr“, sagte Starling. „Wegen meinem Beruf haben wir abgesprochen, dass sie ein Ortungsprogramm auf das Handy gespielt bekommt. Aus dem Grund hat sie sich auch gegen einen PinCode entschieden. Es gab nichts Verwerfliches auf ihrem Handy. Sie können es gerne mitnehmen.“ Starling setzte sich auf die Lehne des Sessels. „Auffällig ist allerdings, dass Jodie Amber die Nachricht schickte, dass sie sich ohne Handy auf den Weg macht. Einige Minuten später schickte Amber die Absage. Das passt meiner Meinung nach nicht zusammen.“

„Wir prüfen das.“ Pierce runzelte die Stirn. „Wie war Ihr Draht zu Amber?“

„Nicht gut“, murmelte Angela. „Wie gesagt, sie hatte einen schlechten Einfluss auf Jodie. Und dann war da noch die Sache…“

„Die Sache?“

„Die Sache mit mir“, schaltete sich Starling ein. „Am Anfang kam Amber noch häufig Jodie besuchen. Die beiden Mädchen saßen oft bis spät in den Abend zusammen. Als Vater eines Teenagers habe ich Amber natürlich nicht alleine nach Hause gehen gelassen. Manchmal fuhr Jodie mit, sodass die beiden noch etwas Zeit zusammen hatten. An einigen Tagen fuhr ich Amber alleine nach Hause. Sie hat mir auch ein sehr eindeutiges Angebot gemacht…natürlich hab ich abgelehnt und meiner Frau davon erzählt. Seitdem war unser Verhältnis zu Amber recht angespannt.“

„Verstehe“, murmelte Pierce.

„Was haben Sie als nächstes vor?“, wollte Angela wissen.

„Wir fahren direkt im Anschluss zu Amber Weston und befragen sie und ihre Mutter. Danach hören wir uns bei den beiden Jungs Chad und Connor um. Ich möchte ehrlich zu Ihnen sein. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Ihre Tochter entführt wurde. Momentan gehe ich davon aus, dass sie sich bei einem Schuldfreund oder einer Schulfreundin versteckt. Ja, Sie sagten, sie hatte außer Amber keine Freunde und trotz Ihres guten Verhältnisses, erzählen Kinder ihren Eltern nicht alles. Wir werden alles daran setzen um zu erfahren, mit welchen Menschen sich Ihre Tochter noch so traf. Und wie Sie aus eigener Erfahrung wissen, ist es normal, wenn junge Mädchen für ein oder zwei Tage ausreißen. Ich glaube immer noch daran, dass Ihre Tochter bald wieder nach Hause kommt. Möglicherweise ist Ihre Tochter auch auf Sie wütend wegen der Sache mit Amber.“

„Sie glauben, Amber hat Jodie erzählt, dass das Angebot von mir ausging?“

Pierce zuckte mit den Schultern. „Es besteht im Bereich des Möglichen. Junge Mädchen sind leicht beeinflussbar.“
 

Stunden später standen die Agenten Fries und Pierce wieder vor der Tür der Starlings. Angela brachte beide in das Wohnzimmer. Aufgrund der besonderen Umstände nahm sich ihr Mann frei und versuchte auf anderen Wegen seine Tochter zu finden. Jodie blieb weiterhin wie vom Erdboden verschwunden.

„Möchten Sie einen Kaffee?“

„Ja, gerne“, nickte Pierce und schüttelte seinem Kollegen kurz die Hand.

„Haben Sie etwas heraus gefunden?“, wollte Starling wissen.

„Leider haben wir keine neuen Nachrichten“, entgegnete er. „Wir sind hier, weil Agent Black darauf bestanden hat, dass wir Ihnen persönlich den aktuellen Stand mitteilen. Wir waren bei Amber und ihrer Mutter. Beide bestätigen, dass sie Ihre Tochter weder gestern Abend noch heute Morgen sahen. Amber selbst war ein wenig…provokant. Entweder sie ist eine gute Schauspielerin oder sie weiß wirklich nichts.“

„Was ist mit ihrem Handy?“

„Das haben wir bereits zur IT gebracht. Sie hat es uns freiwillig gegeben. Aber ich will ehrlich zu Ihnen sein, es besteht die Möglichkeit, dass wir nichts finden oder dass sie ein Zweithandy besitzt.“

Agent Starling biss sich auf die Unterlippe.“Was ist mit den beiden Jungs?“

„Mit denen konnten wir noch nicht sprechen. Beide waren nicht zu Hause. Die Eltern kommen heute von einem Kurztrip nach Hause und Beide sind losgefahren um sie abzuholen. Wir versuchen es gleich im Anschluss noch einmal.“

„Gut.“ Starling verschränkte die Arme. „Wie groß schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass Jodie entführt wurde?“

„Gering“, antwortete Pierce. „In den meisten Fällen liegt innerhalb der ersten zwölf bis vierundzwanzig Stunden eine Lösegeldforderung vor. Wenn man Ihren Beruf mit einbezieht, müsste die Forderung innerhalb von weniger Stunden gekommen sein. Wir dürfen natürlich nicht außer Acht lassen, dass Ihre Tochter ein junges Mädchen ist. Und manchmal wollen junge Mädchen einfach nur etwas Spaß haben, ehe sie nach Hause kommen.“

„Bitte was?“ Starling verengte die Augen.

„Das war keine Wertung.“ Das Handy von Pierce klingelte. „Entschuldigen Sie mich bitte.“ Pierce stellte sich zur Seite und nahm das Gespräch entgegen.

Starling sah zu Fries. Die junge Agentin hatte kaum ein Wort gesprochen, aber James versicherte ihm, dass sie mehr als kompetent war.

„Verstehe…ist gut…Danke…“, sagte Pierce ruhig und steckte das Handy wieder ein. Er sah zu Fries. „Wir müssen los.“

Starling stand alarmiert auf. „Was ist passiert?“

„Agent Starling, wir werden Sie über die neuesten Erkenntnisse auf dem Laufenden halten, wenn wir mehr wissen.“

„Nein, das werden Sie nicht. Sie werden mir jetzt mitteilen, was passiert ist. So wie Sie reagiert haben, steht der Anruf in Verbindung mit Jodies Verschwinden. Also sagen Sie mir jetzt, was passiert ist.“

Pierce sah seinen Kollegen an. „Es wurde eine Leiche gefunden.“



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