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Ahnungslose Augenblicke

von

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Schlechter Umgang

Jodie schlich die Treppen hinunter. Die 17-Jährige Tochter von FBI Special Agent Starling achtete darauf, dass sie beim Gehen kaum Geräusche machte. Sobald sie auf der untersten Stufe ankam, ließ sie ihren Blick in Richtung des Wohnzimmers schweifen. Der Fernseher lief, aber dies musste nichts heißen. Jodies Vater war immer auf der Hut – egal zu welcher Tages- und Nachtzeit. Als sie sich sicher war, bewegte sich Jodie schnell zur Garderobe. Mit fixen Bewegungen griff sie nach ihrer Jacke und schlüpfte in ihre Schuhe. Ein weiteres Mal blickte sie in Richtung des Wohnzimmers, ehe sie zur Haustür ging.

Jodie atmete erleichtert auf und drückte die Türklinke nach unten.

„Wo willst du hin?“

Die Gefragte zuckte zusammen. Jodie ließ die Türklinke los und drehte sich um. „Dad“, fing sie an. „Du hast mir gerade einen richtigen Schrecken eingejagt. Musst du dich auch immer so anschleichen?“, versuchte sie das Thema zu wechseln.

Der FBI Special Agent ließ seine minderjährige Tochter nicht aus den Augen. „Lenk nicht ab, junges Fräulein.“

Jodie seufzte. „Ich will zum Lernen zu einer Schulfreundin.“

„Zu welcher Freundin?“, kam es sofort als Gegenfrage.

Jodie biss sich auf die Unterlippe. „Amber.“

Agent Starling verengte die Augen. „Du bleibst hier. Dein Hausarrest ist immer noch nicht aufgehoben.“

„Dad!“ Jodie rollte mit den Augen. „Ihr habt gesagt, dass die Schule und alles was damit zu tun hat, nicht vom Hausarrest betroffen sind. Deswegen kann ich jetzt auch gehen.“

„Wir wissen doch beide, dass du bei Amber nicht lernen wirst“, begann er. „Solltet ihr aber wirklich lernen wollen, kannst du Amber hierher einladen.“

„Damit ihr uns kontrollieren könnt? Warum könnt ihr mir nicht wieder vertrauen?“, wollte Jodie wissen. „Dad, das ist so peinlich.“

„Du weißt genau, warum wir das nicht können“, sagte Starling ruhig. „Du hast uns leider Anlass gegeben, dir nicht mehr zu vertrauen. Aber du kannst dir unser Vertrauen erarbeiten, wenn du es wirklich willst. Für den Anfang ist es hilfreich, wenn du dich nicht einfach so raus schleichen würdest. Und für die Zukunft gebe ich dir den Rat, nicht mehr die Schule zu schwänzen.“

„…und wenn doch, sollte ich mich nicht erwischen lassen…“, murmelte Jodie.

„Wie war das?“

„Ich hab nichts gesagt“, kam es von Jodie. „Ich darf also nicht raus?“

Agent Starling nickte. „Das hast du richtig verstanden.“

Jodie schnaubte. „Toll.“ Sie legte die Jacke auf das Geländer der Treppe und sah ihren Vater erneut an. „Du weißt gar nicht wie es ist, ich zu sein. Du bist total unfair und willst nicht, dass ich meinen Spaß habe und meine Jugend genieße.“

„Jodie!“, mahnte er sie. „Achte auf deine Wortwahl.“

„Und wenn nicht? Du wartest doch nur darauf, dass ich einen Fehler mache und du mich bestrafen kannst.“ Jodie kamen die Tränen. Sie lief an ihrem Vater vorbei und die Treppen nach oben. Sobald sie in ihrem Zimmer ankam, schlug sie die Tür zu und warf sich auf das Bett.
 

FBI Special Agent Starling sah seiner Tochter nach und seufzte laut auf. Er nahm Jodies Jacke und hing sie zurück an die Garderobe. Zurück im Wohnzimmer, hatte seine Frau die Lautstärke des Fernsehers bereits herunter reguliert. „Sie wollte sich also tatsächlich ohne Absprache raus schleichen?“

„Leider ja.“ Starling setzte sich auf den Sessel. „Sie wollte zu Amber…zum Lernen…“

„Was sie aber nicht getan hätten.“

Starling nickte. „Das wissen wir alle. Aber sie tut trotzdem alles, um ihren Hausarrest irgendwie zu umgehen. Jodie glaubt, ich würde nur nach einem Fehler von ihr suchen. Vielleicht hat sie damit sogar recht…gerade seitdem…“ Er brach ab.

„Seitdem sie nicht mehr unser kleines Mädchen ist“, murmelte Angela Starling.

„Was ist nur passiert? Früher hat Jodie doch immer zu mir hoch gesehen. Heute denk ich, dass ich ihr peinlich bin und sie nicht mehr mit mir zu tun haben will.“

„Du darfst nicht so streng zu dir sein. Und was Jodie jetzt gerade sagt, darfst du dir nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Du weißt doch, wie das ist. Sie ist jetzt ein Teenager…und da ist einiges an Ärger vorprogrammiert. Vor allem wenn sie die Tochter eines FBI Agenten ist.“

„Was soll denn das wieder heißen?“, wollte Starling wissen.

„Ach, du weißt doch…Jodie wurde schon früher immer mit deinem Beruf konfrontiert. Und gerade in den letzten Jahren fiel es ihr schwer, Freunde zu finden, weil jeder dachte, du würdest die Polizei auf sie hetzen. Ich hatte mir so sehr gewünscht, dass alles anders werden würde, seitdem sie sich mit Amber anfreundete…“

Agent Starling nickte. „Am Anfang tat Amber auch so, als sei sie ein braves Kind. Sie war höflich und zuvorkommend, aber je mehr Jodie mit ihr unternahm, desto mehr zeigte sie ihr wahres Gesicht. Ich hatte bei ihr schon immer ein schlechtes Gefühl. Amber ist für unsere Jodie ein schlechter Umgang. Wenn es so weiter geht, wiederholt Jodie das Schuljahr…und das nur wegen dieser Schwänzerei…“

„Und den schlechteren Noten“, fügte Angela an.

„Die Jodie aber hat, weil sie schwänzt. Von mir aus kann Amber gern das Schuljahr ein weiteres Jahr wiederholen, aber Jodie verbaut sich damit ihre Zukunft. Irgendwann wird sie Probleme haben ihre weitere Laufbahn zu genüge zu erklären.“

„Andererseits ist es mir lieber, wenn Jodie bei Amber ist. Versteh mich nicht falsch, aber ich sehe sie lieber dort, als festzustellen, dass sie nicht mehr zu Hause ist. Bei ihrem jetzigen Verhalten ist es mir einfach zu gefährlich. Wir wissen nur, dass Amber einen schlechten Einfluss auf sie hat. Momentan ist es nur das Schule schwänzen. Aber was kommt, wenn wir ihr zu viel auf einmal verbieten?“

Agent Starling schluckte. „Im Grunde ist sie ein gutes Kind. Sie muss nur wieder zurück auf den richtigen Pfad finden. Unser kleines Mädchen versucht viel zu schnell erwachsen zu werden. Sie glaubt, sie müsse Amber ähneln um von ihren Mitschülern respektiert zu werden.“ Starling seufzte. „Wie soll ich sie ihre eigenen Fehler machen lassen, wenn ich jedes Mal Sorge haben muss, dass ihr irgendwas passiert?“

Angela nickte. „McAllister sagt uns jetzt immer Bescheid, wenn Jodie nicht im Unterricht ist oder wenn sie anders auffällig wird.“

„Ich hoffe, dass genügt damit Jodie ihren Abschluss macht. Spätestens im Studium muss sie doch merken, dass ihr Amber nicht gut tut…oh Gott…ich hoffe, Amber überredet sie nicht das Studium sausen zu lassen.“

„Mal nicht den Teufel an die Wand“, mahnte ihn seine Frau. „Jodie wird studieren oder sie macht eine Ausbildung. Egal was es ist, wir werden nicht zulassen, dass sie nur zu Hause rumsitzt und von einem Tag in den nächsten lebt. Wahrscheinlich werden wir in ein oder zwei Jahren über die Situation heute lachen.“

„Das hoffe ich“, nickte er. Starling sah nach oben an die Decke. „Sie war ganz schön sauer.“

„Sie wird sich schon wieder beruhigen. Und selbst mit dem Hausarrest hat sie noch immer Kontakt zu Amber.“

„Leider…“
 

Jodie lag auf ihrem Bett und weinte. Niemand verstand sie. Ihre Mitschüler nicht, die Lehrer auch nicht und ihre Eltern am Wenigsten. Nur Amber war für sie da. Und trotzdem fühlte sich Jodie manchmal alleine. Als sie das kurze Klingeln ihres Handys vernahm, setzte sie sich auf und wischte sich die Tränen weg. Jodie zog das Handy aus der Hosentasche und strich über den Display. Als sie die eingegangene Nachricht öffnete, seufzte sie laut.

Wo bist du?

„Na wo wohl“, murmelte das Mädchen und schrieb zurück.

Zu Hause. Dad lässt mich nicht gehen.

Jodie sah angespannt auf das technische Gerät. Amber tippte eine Nachricht. Jodie wartete geduldig, nur um dann festzustellen, dass sie erneut getadelt wurde.

Dann komm online.

Langsam stand Jodie auf und setzte sich an ihren Schreibtisch. Sie startete ihren Computer und gab das Passwort ein. Früher kannten auch ihre Eltern dieses. Aber seitdem sich ihr Leben so schnell änderte, behielt Jodie einiges für sich. Nachdem alles soweit hochgefahren war, öffnete sie das Chatprogramm und klickte auf Ambers Namen. Schnell setzte sich Jodie ihr Headset auf und starrte gebannt auf den Bildschirm.

Amber tauchte am anderen Ende der Leitung auf. „Da bist du ja endlich. Haben dich deine Eltern erwischt?“

„Leider ja. Dad hat sofort gewusst, dass wir nicht lernen und ich muss hier bleiben.“

„Na toll“, murmelte Amber. „Ich hab dir doch gesagt, wie du das raus schleichen machen sollst.“

„Das hab ich ja versucht“, entgegnete Jodie. „Sobald der Fernseher lief, bin ich ganz leise runter gegangen und zur Tür. Aber Dad hat mich trotzdem gehört. In der letzten Zeit ist er einfach zu streng zu mir…“

„Oh man“, sagte Amber. „Du darfst nicht immer alles tun, was dir dein Daddy sagt. Willst du, dass dich die anderen für ein kleines Baby halten?“, wollte sie wissen. „Kein Wunder, dass du so unbeholfen warst, als wir uns kennen lernten.“

„Ich bin kein Baby“, gab Jodie sofort zurück. „Dann versuch ich das mit dem raus schleichen gleich nochmal.“

Amber seufzte. „Ja, genau, jetzt wo deine Eltern auf der Lauer liegen. Das ist eine wirklich gute Idee. Lass es lieber sein.“ Amber lehnte sich nach hinten und überlegte.

„Tut mir leid…“

„Ist jetzt auch egal. Dann überlegen wir uns was anderes.“

Jodie nickte und zog ein Heft heraus.

„Das ist jetzt nicht dein ernst“, fing Amber an. „Du solltest nur so tun, als würden wir lernen oder Hausaufgaben machen. Als ob wir die jetzt gleich machen würden…“

„Aber…“ Jodie sah auf die Aufgaben.

„Du willst sie wirklich machen? Hat da jemand Angst, dass sein Daddy sonst wütend wird?“

„Nein, natürlich nicht.“

„Aber?“

Jodie wirkte verunsichert. „Es gibt kein Aber.“ Sie schob das Heft zur Seite.

„Schon viel besser“, sagte Amber ruhig.

„Und…was machen wir jetzt?“

„Na was wohl? Wir vergnügen uns.“

Jodie sah sich um. Sie war immer noch zu Hause. Wie sollte sie sich da vergnügen?

Amber wirkte genervt. „Du hast keine Ahnung wie man sich amüsiert, nicht wahr? Wie alt bist du eigentlich?“

„17“, antwortete Jodie.

„Das war eine rhetorische Frage“, gab Amber von sich. „Hast du schon einmal was von den vielen Online-Portalen gehört, allen voran die Flirtbörsen?“

„Ja, schon…“

„Gut. Dann sag ich dir, wie wir jetzt Spaß haben werden. Wir melden uns dort an und schreiben den gleichen Typen an.“

„Ich weiß ja nicht“, murmelte Jodie.

„Hallo? Jodie? Es geht nur um das Schreiben. Du sollst dich nicht gleich mit ihm Treffen. Oder bist du verklemmt und genau so spießig wie dein Vater?“

„Nein.“ Amber wusste genau, welche Knöpfe sie bei Jodie drücken musste.

„Gut, das hab ich mir schon gedacht.“ Amber tippte den Namen einer Flirtbörse in die Suchmaschine und schickte Jodie den Link. „Wir nehmen die. Ich nenne mich dort Persephone.“

„Persephone?“, fragte Jodie irritiert. „Wie kommst du auf diesen Namen?“

„Er klingt schön“, entgegnete Amber. „Und du…mhm…du nennst dich dort Clarice.“

„Clarice?“

„Das passt doch. Damit kann man uns nicht miteinander in Verbindung bringen. Außerdem passt der Name als Identifikation zu dir doch ganz gut.“

„In Ordnung“, antwortete Jodie ruhig. „Aber wir tun nichts, was jemanden schaden kann.“

„Wir doch nicht“, schmunzelte Amber. „Es geht nur darum, etwas Spaß zu haben, Jodie.

Jodie nickte und erstellte ihren Account. „Ich bin jetzt online.“

„Sehr gut. Ich auch. Mach dich erst einmal mit der Seite vertraut. Ich such uns derweil einen süßen Jungen.“

Jodie nickte und klickte sich durch die einzelnen Links. „Amber? Persephone wurde bereits vor einigen Tagen erstellt.“

„Mhm? Ja. Was dagegen?“

„Nein. Es wunderte mich nur, weil ich nicht wusste, dass du dort bereits angemeldet bist.“

„Mir war langweilig. Da hab ich die Seite ein wenig auf eigene Faust erkundet.“ Amber streckte sich. „Ich schick dir gleich drei Profile. Du kannst dir dann aussuchen, wenn wir anschreiben.“

„Mach ich.“

„Aber lass dir nicht zu viel Zeit damit. Entscheide aus dem Bauch heraus“, sagte sie und öffnete parallel einen Ordner an ihrem Computer. Amber klickte sich durch mehrere Fotos und aufgenommene Unterhaltungen, bei denen Jodie zugegen war. Dass Amber auch mit Jodie ein falsches Spiel trieb, war dem jungen Mädchen nicht bewusst. „Du kannst ihn auch zuerst anschreiben.“

„Und…was genau soll ich schreiben?“

Innerlich musste Amber schmunzeln. Es war schon wieder zu einfach, aber sie wollte sich nicht beschweren. Einfach war gut. Einfach machte Spaß. „Wie wäre es mit: Hallo, ich bin gerade über dein Profil gestolpert. Es wirkt sehr interessant. Vielleicht hast du Lust mir zu schreiben?“

Jodie überlegte. „Das könnte ich machen.“

„Na dann los. Möge der Spaß beginnen…“



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