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The Warning!

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Wir nähern uns langsam, aber unaufhaltsam dem Ende - die Story beinhaltet mit zwei Epilogen 30 Kapitel. Wie ihr seht, dauerts also nicht mehr so lang :> Komplett anzeigen

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Sherlock Holmes

- Kapitel vierundzwanzig -

 

 

„Hermine, bitte. Komm aus dem Badezimmer. Ansonsten sehe ich mich gezwungen, ihn zu verprügeln“, offenbarte die einzige Weasley-Tochter, die Hermine seit einer Stunde aufforderte, das Badezimmer zu verlassen, in das sie sich eingesperrt hatte, nachdem der Unterricht vorbei war. „Du kannst dich doch nicht einschließen. Irgendwann wirst du rauskommen müssen, oder?“ Ginny konnte das Elend nicht mehr ertragen, da es zwischenzeitlich auch Auswirkungen auf ihr Gemüt nahm.

 

„Nein, muss ich nicht.“ Sie hatte hier – abgesehen von Essen – alles notwendige, um sich mindestens ein paar Tage im Bad zu verbarrikadieren. Demgemäß könnte sie sehr wohl hier drin bleiben.

 

„Du musst aber spätestens morgen wieder zum Unterricht, oder willst du etwa nicht?“ Damit würde Ginny ihre beste Freundin knacken können. Hermine war es immer wichtig, pünktlich zum Unterricht zu erscheinen – von ihren gemachten Hausaufgaben würde sie gar nicht erst anfangen, die Hermine scheinbar im Schlaf erledigte. „Bitte mach die Tür auf.“

 

„Ginny, muss ich dich daran erinnern, was er getan hat? Dass er mich eben wieder abfing und -“

 

„Musst du nicht und es war auch nicht in Ordnung, dass er dich schon wieder an Forderungen binden wollte.“ Mit gesenktem Kopf sah das rothaarige Mädchen nach unten, während sie zeitgleich die roten Strähnen zur Seite blies und Hermines Erzählung Revue passieren ließ. „Aber du musst auch zugeben, dass dein Verhalten echt kindisch ist, oder muss ich dich daran erinnern, was zwischen euch noch alles passiert ist? Das war alles andere als kindisch.“

 

„Erinnere mich bloß nicht daran.“ Es war zu schade, dass Hermine nicht auf die klischeehafte Ausrede zurückgreifen konnte, unter dem Missbrauch von Alkohol mit Malfoy geschlafen zu haben.

 

Indessen stand Ginny wieder aufrecht vor der Tür – schmunzelnd, während sie eine ihrer Haarsträhnen um ihren Finger wickelte. „Entschuldige, wenn ich das so plump sage, aber mir hast du am Anfang des Schuljahres gesagt, dass das zwischen mir und Blaise noch gar keine Liebe sein kann, aber weißt du was?“ Abwartend blickte sie der noch immer verschlossenen Tür entgegen, aber ihre Freundin verbot sich scheinbar, etwas zu erwidern. „Du und Malfoy, ihr beweist mir das Gegenteil.“

 

Kurzes Schweigen auf beiden Seiten.

 

„Ach, tun wir das, ja?“, drang Hermines Stimme dumpf durch die Tür hindurch.

 

„Absolut“, winkte Ginny strahlend ab. „Ihr liebt euch, und ich bin wirklich überrascht, Hermine, dass du das nicht merkst. Dass Malfoy im Bezug auf die Liebe kein Blitzmerker ist, dürfte bekannt sein, aber du?“ Ausgerechnet einer der klügsten Köpfe ihrer Generation war nicht aufgefallen, dass sie Malfoy zumindest mochte? Ginny wollte es nicht glauben und schien zu wissen, dass Hermine log – hinter einer verschlossenen Tür war das auch keine große Herausforderung. „Ihr seid das beste Beispiel, dass es die Liebe gibt. Das solltest du endlich einsehen und mit Malfoy sprechen.“

 

„Nein.“ Sie kämen auf keinen gemeinsamen Nenner und Hermine wusste, dass ihre nächsten Worte gemein waren. Aber in Ermangelung besser Argumente war ihr nichts besseres eingefallen, als den Spieß umzudrehen. „Hast du Ronald eigentlich von Blaise erzählt?“ Im Anschluss beschloss sie betrübt die Tür zu öffnen, da Ginny sowieso recht hatte. Es war erstens infantil, sich im Bad einzuschließen und zweitens: Was wäre, wenn jemand von den anderen Mädchen ins Badezimmer musste? Lavender und Pavarti würden einen gewaltigen Aufstand veranstalten, sollten sie nicht ins Bad kommen, um ihren Lidstrich nachzuziehen.

 

Lächelnd empfing Ginny ihre Freundin, den Seitenhieb bezüglich ihres Freundes behielt sie jedoch im Hinterkopf. „Hermine, nein, ich habe meinem Bruder nichts von Blaise erzählt. Wozu? Er würde meine Gefühle für Blaise als stupide und irrsinnig abstempeln.“

 

Die Beziehung zwischen Ginny und Blaise erinnerte sie an Romeo und Julia – von William Shakespeare. Angesichts dieser Dystopie, hinsichtlich des dramatischen Endes hoffe Hermine jedoch, dass die Beziehung ihrer Freundin glücklicher ausfiel. „Denkst du nicht, es wäre langsam an der Zeit, deinem Bruder reinen Wein einzuschenken? Du kennst Ronald. Er wird nicht erfreut sein, wenn er es über Umwege erfährt.“ Über Malfoy wollte sie nicht mehr sprechen, weshalb sie das Gespräch geschickt auf Ginny und Blaise lenken wollte. Auch, um der Gefahr zu entgehen, letztendlich nicht doch Seamus' Einladung aus Trotz anzunehmen. Das hatte sie schon einmal getan – im sechsten Schuljahr, als sie mit Cormac McLaggen zu Slughorns Weihnachtsfeier ging um Ron eifersüchtig zu machen.

 

„Vorschlag zur Güte: Wenn du mit Malfoy sprichst, werde ich mit Ron reden. Einverstanden?“

 

Netter Trick, den Hermine allerdings durchschaute. „Ich habe von Vorschlägen erst mal die Nase voll.“ Egal in welcher Form, sie würde etwaige Ratschläge zukünftig immer mit Malfoy verbinden. Er schreckte nicht einmal davor zurück, ihr in Form eines Vorschlages Galleonen anzubieten... In so vielen Situation hatte er ihr aufgelauert und immer versucht, seinem Ziel näher zu kommen – mithilfe von Vorschlägen.

 

Nein, Hermine würde künftig darauf verzichten.

 

„Ich wusste gar nicht, dass unser Haus nebst Tapferkeit auch die Eigenschaften der Starrköpfigkeit vertritt“, quittierte Rons jüngere Schwester feixend, während sie zuerst verschmitzt ihre Fingernägel und abschließend Hermine betrachtete.

 

„Ginny, ich will doch einfach nur meine Ruhe. Kannst du mich nicht verstehen?“ Hermine stand sprichwörtlich mit heruntergelassenen Hosen vor ihrer Freundin, der sie alles anvertraut hatte – selbst die Begegnung mit Myrte. „Ich... kann Malfoy nicht verzeihen. Er hat mich schamlos ausgenutzt, Harrys Identität gestohlen um mich auszuhorchen. Sein Vater hat noch vor Beginn des Schuljahres meine Mutter mittels eines Imperius in Schach gehalten und beinahe dafür gesorgt, dass ich nicht nach Hogwarts zurückkehre. Das kannst du unmöglich als verzeihbare Lappalie hinstellen, oder?“

 

So zerrüttet hatte sie Hermine zuletzt während der Schlacht auf Hogwarts erlebt – nachdem Fenrir Greyback Lavender angegriffen hatte. Damals hatte sie in ihrer Wut den angsteinflößenden Werwolf angegriffen und über die Tatsache hinweggesehen, dass es sich um Won-Wons Ex-Freundin Lavender handelte. Hermine hatte zu jenem Zeitpunkt Stärke bewiesen. „Schalte doch einen Gang zurück, Hermine. Ich verstehe dich schon, aber -“

 

„Nein, du verstehst es nicht, Ginny. Ansonsten würdest du davon absehen, mich überreden zu wollen, dass -“

 

„Du, ich kann ihn auch sofort nach oben bringen? Ist dir das lieber, ja?“

 

Empörung zierte daraufhin Hermines zuvor trauriges Gesicht. „Das würdest du nicht wagen.“ Dass man die Magie umgehen konnte, die auf den Treppen zum Mädchenschlafsaal lagen, wusste Hermine, aber so durchtrieben wäre Ginny nicht, oder?

 

„Oh doch, denn bekanntlich stößt ein Bock niemals alleine und ausgerechnet euch beiden sagt man nach, dass ihr helle Köpfe seid. Tze, momentan merkt man davon nur leider nichts.“

 

„Bin ich jetzt also -“

 

„Nein, bist du nicht“, schnitt Ginny ihr entschieden das Wort ab. „Es war hinterhältig von ihm. Sein Benehmen, seine Art, alles – keine Frage. Aber du machst ihn für Sachen verantwortlich, für die er gar nichts kann, Hermine. Du kannst dir doch denken, wieso Lucius deine Mutter verhext hat und trotzdem gibst du Malfoy die Schuld. Bei Merlin, ihr seid so engstirnig, aber miteinander schlafen, das konntet ihr.“ Nachfolgend wandte sie sich von der älteren Freundin ab, um anschließend auf der Fensterbank Platz zu nehmen.

 

„Das... Das kann man doch gar nicht vergleichen“, antwortete sie errötet. „Das ist etwas völlig anderes.“ Hermine war es unangenehm, dass sie wieder diese Thematik besprachen. Ihre Freundin war im Hinblick auf Sex weitaus offener als sie. Schon im Gespräch mit Harry und Ron hatte sie nicht explizit erwähnen können, was Malfoy und sie getan hatten. Nein, Hermine hatte es mit Verniedlichungen umschrieben. Hinzu kam die Sehnsucht zu diesem Idioten, welche von Tag zu Tag schlimmer wurde. Aber sie war froh, dass ihr Stolz überwog und ihr die Kraft verlieh, standhaft zu bleiben. Andere Kraftreserven waren aufgebracht, nachdem Daphne sie mit der Wahrheit konfrontiert hatte. Man entriss ihr den Boden unter den Füßen, wonach sie eine Klippe hinabstürzte, an deren Ende kein Sicherungszauber angebracht worden war, um ihre Wunden zu minimieren.

 

„Ach, ist das so?“ Kopfschüttelnd musterte sie abermals ihre Fingernägel und sprach weiter: „Du bist eine grottenschlechte Lügnerin, Hermine. Ich dachte immer, es fällt dir schwer, deine Gefühle zu verheimlichen, aber im Lügen bist du noch miserabler.“ Ginny war mit sechs älteren Brüdern aufgewachsen. Natürlich lernte sie den Umgang mit Lügen. „Du weißt, ich würde Malfoy aus seinem hässlich giftgrünen Bett zerren, damit er sich der Realität stellt und seine Fehler einsieht, aber man lässt mich ja nicht. Du leidest, Malfoy leidet. Daher verstehe ich deine Vehemenz nicht. Oder glaubst du, deine Gefühle zu Malfoy wären schlimm? Wenn ja, dann sage ich dir eins: Gefühle sind nicht schlimm, selbst wenn sie in Verbindung mit Draco Malfoy stehen.“

 

„Doch, Ginny. Sie sind schlimm – vor allem wenn sie Draco Malfoy betreffen.“ Wie viele Momente hatte sie beim Schopf gegriffen, um ihm etwas Menschlichkeit zu entlocken? Sie verbrachte so viel Zeit damit, sowohl etwas Gutes, als auch etwas Schönes in ihm zu entdecken. Jenes Vertrauen, das sie sich aufgebaut hatten, zerstörte dieser Mann mit einer einzigen Handlung. „Glaubst du, er hätte mir die Wahrheit gesagt? Denkst du das? Ich wäre heute noch unwissend, wenn Daphne mir nicht die Wahrheit gesagt hätte.“ Dicke Tränen quollen aus ihren Augen. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass Malfoy für so viele vergossenen Tränen verantwortlich sein könnte. „Dem sind die Gefühle“, schniefte sie in ein heraufbeschworenes Taschentuch, „von anderen doch egal.“
 

„Aber erinnere dich an Myrtes Worte. Sie hat dir gesagt, dass er gar nicht so erbarmungslos ist. Er wollte scheinbar nie ein Todesser sein. Er entschied sich für die richtige Sache, weil seine Eltern in Gefahr waren. Das kannst du doch nicht außer Acht lassen.“ Unglaublich, wie stur Ginnys Freundin sein konnte. Hermine war wie Salamanderaugen, die genauso beharrlich waren, wenn es darum ging, sie zu zerhacken.

 

„Ja, er wollte vielleicht kein Todesser sein, aber das zeigt doch nur, dass er keine Entscheidungen treffen kann und manipulierbar ist. Seine Eltern -“

 

„Hörst du dir zu, Hermine? Gerade diese Entscheidung – ein Todesser zu werden – war vermutlich die erste Entscheidung, die er bewusst getroffen hat, weil er verdammt nochmal seine Eltern beschützen wollte.“ Aufgebracht hüpfte Ginny von der Fensterbank und ging vor Hermine in die Hocke, die zwischenzeitlich auf dem Bett saß. „Siehst du es denn nicht? Malfoys Entschluss zeigt, dass er menschlich ist. Merlin verflucht, es wird dir quasi auf einem Silbertablett serviert.“ Vorsichtig umschlossen ihre Hände die zitternden Finger ihrer Freundin. „Und ich denke schon, dass er dir die Wahrheit gesagt hätte.“

 

„Aber -“

 

„Hermine, er war doch bewusstlos. Wann hätte er dir erklären sollen, was er getan hat und wieso? Du hast mir gesagt, dass er es getan hätte, weil er in deiner Nähe sein wollte. Wieso sollte Malfoy etwas zugeben, das ihm gleichzeitig das Genick brechen könnte? Er hat sein Gesicht vor dir verloren, indem er zugab, dich zu mögen.“ Aber müsste nicht gerade Ginny ihrer Freundin abraten, Malfoy eine Chance zu geben? Schließlich kannte sie den Slytherin-Schönling, der Ginny vor den Kopf stieß, als er sie und Blaise auf den Ländereien erwischt hatte. „Ich kann es auch nachvollziehen, dass du ihn zappeln lässt, aber -“

 

- aber?“, griff Hermine den Satz ihrer Freundin kritisch auf. „Ich soll ihm nicht die Schuld an Lucius' Taten geben?“ Folglich schnappte sie nach Luft, da ihr vollkommen klar war, wieso Lucius auf diese Maßnahme zurückgegriffen hatte. „Tja, dann hätte er zumindest den Versuch wagen können, seinen Vater zu aufzuhalten.“
 

„Malfoy wusste doch gar nichts davon.“
 

„Ja, sagt Malfoy“, erwiderte Hermine pikiert.

 

„Und du solltest ihm glauben.“

 

„Ginny, wir drehen uns im Kreis. Lucius hat in vollem Bewusstsein meine Mutter verhext. Soll ich das kommentarlos akzeptieren?“

 

„Das mag sein, dass wir uns im Kreis drehen, aber die schlaue Hermine begreift es leider noch nicht so wirklich und relativiert viel lieber“, bemerkte Ginny augenrollend. „Dabei wissen wir doch, dass Lucius nur so gehandelt hat, weil er die Zuneigung seines Sohnes dir gegenüber zu keinem Zeitpunkt unterschätzte. Alleine dieser Punkt müsste dir zeigen, wie ehrlich Draco Malfoy es mit dir meint. Merlin, Hermine“, ergänzte Ginny missmutig, nachdem sie Hermines Ausdruck sah. „Wie viele Beispiele brauchst du noch?“ Natürlich würde sie den Imperius-Fluch nicht schönreden. Schließlich gehörte dieser zu einem der unverzeihlichen Flüche, aber erkannte die Ältere von beiden nicht, wieso ein solch drastischer Weg gegangen wurde? „Ich appelliere an deine Menschlichkeit, wenn du Malfoys Menschlichkeit schon nicht sehen willst.“

 

„Bitte, lass mir noch etwas Zeit, ja?“ Natürlich war ihr klar, dass Malfoy für die Taten seines Vaters nicht zur Rechenschaft gezogen werden konnte, aber konnte ihre Freundin nicht ihre Sichtweise verstehen? Dass Malfoy einen Teil dazu beitrug, der Lucius bestärkte, ihre Mutter unter einen Fluch zu setzen? Ihr Kopf war mit so vielen unsortierten Gedanken, Überlegungen und Gefühlen gefüllt, dass sie erleichtert aufatmete, nachdem Harrys Stimme zu hören war.

 

Zumindest war auf ihn Verlass, der genau im richtigen Moment gekommen war. Hermine befürchtete schon, dass sie Ginnys Belegen nicht länger standhalten konnte. Außerdem war es ein fabelhafter Grund, sich weiteren Gesprächen mit ihrer Freundin zu entziehen, obwohl sie das vor Wochen noch unbedingt wollte.

 

„Hermine? Ginny? Wollt ihr mit uns nach Hogsmeade – zu George?“ Harry stand bereits startklar vor dem Treppenabsatz, der zu den Mädchenschlafsälen führte und betrachtete mit gekräuselten Lippen die Treppe, die sich in eine Rutsche verwandelte, wenn ein Junge sie betrat.

 

Eindeutig. Hermine würde sich lieber mit Harry, Ron und George über Quidditch unterhalten, statt sich Ginnys fragenden Blicken zu stellen. Aber um eins würde sich nicht herumkommen: Sie würde früher oder später mit Malfoy sprechen müssen. Sie wollte die Wahrheit und wissen, ob Lucius tatsächlich nach ihren Vermutungen handelte.

 

Ob Malfoy, wenn er älter wurde, seinem Vater ähneln würde? Würde Draco Malfoy die gleiche Vorgehensweise wie sein Vater bevorzugen? Seltsamerweise waren das Fragen, die Hermines Kopf zuzüglich umkreisten.

 

Fragend blickte sie, nachdem sie von der verschlossenen Schlafsaaltür absah, über ihre Schulter: „Möchtest du mitgehen?“ Im Nachhinein bemerkte sie selbst, wie sinnfrei ihre ihre Frage war, da Ginny bereits schweigend den Kopf schüttelte und mit einer stummen Bitte verlangte, dass Hermine sich eine Ausrede, hinsichtlich ihres Fernbleibens ausdenken sollte.

 

Na toll.

 

„Du kannst ihnen nicht immer aus dem Weg gehen, Ginny“, flüsterte sie daraufhin.

 

„Wenn du Malfoy aus dem Weg gehen kannst, dann -“

 

„Schön“, unterbrach Hermine sie und dieses Mal war sie diejenige, die schnaufend mit den Augen rollte, ehedem sie zur Tür schritt, den Knauf umgriff und das Holz nach innen zog. „Harry, ich muss Ginny entschuldigen“, rief sie nach unten, während sie ihre beste Freundin anklagend ansah, weil sie ihretwegen Harry belog. „Ihr geht es nicht so gut“, fuhr sie nahtlos fort, bevor sie ihren Umhang vom Haken schnappte und ein letztes Mal nach hinten sah, ehe sie die Tür hinter sich schloss.

 

„Aber du kommst doch mit?“, hörte Ginny die männliche Stimme nach oben rufen, wonach Ginny auch unverzüglich Hermines Stimme wahrnahm.

 

„Bin schon auf dem Weg, Harry!“ Um Harrys Fragen – die sicherlich gekommen wären – zu umgehen, hüpfte sie pfeifend die Treppe hinab, bis sie ihren besten Freund erblickte und zu strahlen anfing. „Hey, wo ist denn Ron?“

 

„Ron ist schon vorgegangen – vermutlich wollte er noch vorher aufs Klo. Was fehlt Ginny?“

 

„Äh... Sie liegt im Bett – Bauchschmerzen.“ Sie fühlte sich furchtbar, dass sie Harry anlog. Zusätzlich deckte sie Ginny, weil sie sich vermutlich mit Blaise treffen würde. Aber es war doch okay, ihre beste Freundin zu schützen, oder? Soweit sie nicht ihre besten Freunde belog, ja... Verflucht, wieso konnte sie nicht in ihre Grundschulzeit zurück, bevor sie Adam Smith traf und alles wunderbar war? Wieso wurde sie erwachsen und wo war Peter Pan, wenn man ihn einmal brauchte, um dem Erwachsen sein zu entfliehen? Wieso war er nicht zu ihr gekommen, um sie mit nach Nimmerland zu nehmen?

 

Zauberei dagegen existierte, aber Peter Pan nicht? Wie skurril war das und eigentlich hätte sie sich ohrfeigen müssen, dass sie einen winzigen Moment gehofft hatte, nichts von dieser Welt zu wissen, die – im Gegensatz zu Nimmerland – genauso schmerzhaft war wie die Welt der Muggel.

 

„Sie hat bestimmt wieder etwas gegessen, was ihr nicht bekommt“, bemerkte sie und blickte errötet zur Seite.

 

„Ihr habt über ihn gesprochen, nicht wahr?“, wollte der bebrillte Junge wissen, nachdem sie das Portrait der fetten Dame erreichten, das Portal jedoch nicht durchschritten. „Du denkst über Malfoy -“

 

„Harry, bitte.“ Grundgütiger, was war das denn? Hermine war froh, dass sie vor Ginny flüchten konnte, nur um in Harrys Fängen über selbiges Thema zu sprechen? Das war doch nicht fair, zumal Harry ebenso das Thema anschnitt, das Hermine unbedingt hinter sich lassen wollte. „Können wir nicht das Thema wechseln? Ich will wirklich nicht über Malfoy sprechen.“ Statt auf Peter Pan zu warten, hätte sie sich einen faradayschen Käfig um ihren Körper herum bauen sollen, der das Innere statt vor elektrischen Feldern, vor Gefühlen und lästige Themen schützen sollte.

 

„Dann reden wir heute nicht darüber?“ Harry wusste, wann Hermine dicht machte und wann nicht. Ein solcher Moment war gekommen, da er die gestaute Wut in ihren Augen sah. Es würde höchstwahrscheinlich noch drei Mal nach Malfoy fragen dauern, bis sie die Fassung verlor. Aber er sah auch, dass Malfoy ihr fehlte und er wusste genauso, dass das auf Gegenseitigkeit beruhte, da auch Malfoy sie vermisste. Schließlich war Harry nicht ganz so dumm, wie der Slytherin einst sagte. Nein, Harry hatte die Blicke – die die beiden untereinander austauschten – bemerkt. Er sah auch die Berührungen, als sie im Zelt am Tisch saßen und sie über die weitere Vorgehensweise diskutierten – bezüglich Robin Sterling. Oh ja, er hatte gesehen, dass Malfoy sie angefasst hatte. Ja... auch das hatte Harry gesehen, doch behielt er das Wissen für sich, um Hermine nicht weiter zu kränken.

 

„Gar nicht mehr. Ich werde ihm nicht verzeihen. Nicht mal, wenn er auf dem Zahnfleisch zu mir gekrochen kommt.“ Sie hätte, im Hinblick auf das Gespräch, auch gleich bei Ginny bleiben können. „Wir müssen uns über Malfoy keine Gedanken mehr machen, weil wir wissen, dass er nicht kriechen wird“, äußerte sie bitter.

 

„Dass du dich selbst belügst, weißt du aber, oder?“, fragte er abgeklärt, dennoch ruhig. Derweil steckte er die Hände in seine Hosentaschen, während er das Mädchen immer noch aufhielt, das ihm in den vergangenen Jahren unendlich wichtig geworden war. Er würde für Hermine durch die Hölle und zurückgehen.

 

„Schön. Ja, Ginny und ich haben über ihn gesprochen – viel mehr diskutiert. Beantwortet das deine anfängliche Frage, Harry Potter?“ Schelmisch grinsend stieß sie ihre Schulter gegen seine, woraufhin er ebenfalls lächelnd und übertrieben zur Seite taumelte, ehe er das Portraitloch öffnete und mit Hermine hindurchging. Merlin, Harry war genauso hartnäckig wie Ginny. Bloß gelang es ihr in Harrys Anwesenheit nie, ihm so spielerisch auszuweichen.

 

„Ja, und egal, wie du dich entscheidest. Ron, Ginny und ich werden immer zu dir stehen, Hermine. Das weißt du, ja?“

 

„Das weiß ich, Harry.“

 

„Es ist dein Leben, wobei ich nichts dagegen hätte, wenn du ihn aus Versehen von der Klippe stößt, aber das ist eher unwahrscheinlich, oder?“, entgegnete er hoffnungsvoll, allerdings mit einem Schwung Sarkasmus in der Stimme. Nachdem er ihre erhobene Augenbraue sah, sprach er weiter: „Wollte ich nur mal am Rande erwähnen. Tu dir also keinen Zwang an, wenn du das plötzliche Bedürfnis verspürst, Malfoy zu verhexen oder so.“

 

Dass solche Worte Harrys Mund verließen, wunderte sie doch sehr. „Harry, du bist wirklich witzig. Das mag ich so an dir – dass du nie deinen Humor oder deinen Optimismus verlierst, egal wie düster die Situation ist.“ Lächelnd streckte sie ihre Hand nach ihrem besten Freund aus, damit sie ihn mit sich ziehen konnte. Wie es kleine Kinder taten, die Hand in Hand ihren gemeinsamen Weg bestritten.

 

„Du lächelst. Da ist mir jedes Mittel recht, solange du letztendlich lächelst.“ Dankend nahm er ihre Hand, um sich von ihr mitziehen zu lassen, während sie die Steinstufen hinabstiegen – ohne ein weiteres Wort über den Mann zu verlieren, den Hermine liebte. Dass sie nicht über ihn reden wollte, bestätigte bloß Harrys längst gehegten Verdacht.

 

 
 

~*~

 

 

„Weasley“, feuerte Draco genervt in die Richtung des rothaarigen Jungen, der sich dazu erdreistet hatte, ihn auf dem Flur anzusprechen, weshalb sie sich seit zwei Minuten gegenüberstanden. „Was bewegt dich dazu, mich anzusprechen? Bist du von allen guten Geistern verlassen?“ Er hatte sich nach Weasleys mehrmaliger Aufforderung doch noch entschieden, stehen zu bleiben und sich zu ihm umzudrehen – was wohl sein Fehler war. Draco hätte einfach weitergehen sollen, was jedoch dazu geführt hätte, dass dieser impertinente Idiot ihm gefolgt und weiter seinen Namen gerufen hätte.

 

„Malfoy, ich wollte bloß mit dir reden. Ist das verwerflich?“, antwortete Ron betrübt, weil er im Augenblick sich gerade dieselbe Frage stellte: Wieso hatte er Malfoy angesprochen?

 

„Was? Willst du darauf eine ehrliche Antwort?“ Diese Worte... Draco hatte sie heute schon einmal gehört, nachdem Potter ihm in die Kerker gefolgt war, weil er ebenfalls mit ihm reden wollte. Aber Granger hatte es ihm ganz deutlich gezeigt. Nie würden sie – Draco, Potter, Weasley und Granger – ein ernsthaftes Gespräch führen können, weil sich nichts geändert hatte. Nach wie vor herrschte Zwist zwischen dem Slytherin und den Gryffindors. Sie waren... Feinde, die sich weiterhin ignorierten oder gelegentliche Beleidigungen hinterherwarfen.

 

„Ja?“, zögerte Ron, dem die Röte ins Gesicht stieg.

 

„Verdammt, ja. Es ist verwerflich, Weasley“, klärte Draco ihn fassungslos auf.

 

Ron hatte all seinen Mut zusammengenommen, nachdem er vorgab, nach Hogsmeade vorzugehen, während Harry Hermine fragte, ob sie die beiden Jungs in das nahegelegene Dorf begleiten wollte und alles, was Malfoy ihm antwortete, war... nichts. Nein, es war nicht nichts. Es war eine freche Antwort. „Ich dachte, du -“

 

„Stopp!“, schnaufte Draco, dessen Arme wild zu gestikulieren anfingen. „Hör auf zu denken, Weasley. Hör einfach auf.“

 

Mit aufgerissenen Augen betrachtete der Angesprochene Malfoys Gestikulation, verbot sich jedoch seiner Forderung nachzukommen und wiederholte seinen begonnen Satz: „Ich dachte, du hättest dich geändert.“

 

„Und ich dachte, du Narr hättest gelernt, wann es Zeit ist, seine forsche Klappe zu halten. Das hast du auf unserer harmonischen Reise doch auch geschafft. Aber war wohl ein Irrglaube meinerseits, denn geändert hat sich gar nichts, Weasley – abgesehen von meiner verlorenen Würde, weil ich mit euch gegangen bin. Auf ein Himmelfahrtskommando.“ Bei Merlins rosa Unterhose. Wer käme als nächstes, um mit ihm zu plaudern? Goyle? Granger wäre unwahrscheinlich, aber man durfte ja hoffen.

 

Nein, das durfte man nicht, schimpfte Draco in Gedanken. Der Grundsatz, dass die Hoffnung zuletzt starb, war Unsinn, um Menschen bei Laune zu halten.

 

„Ihr geht es schlecht, Malfoy. Deinetwegen“, informierte Ron ihn – völlig aus dem Kontext gerissen. Aber alle dachten ständig, dass er blind gewesen sei. Er, der dumme Ron. Aber er war nicht blind. Wie Ginny und Harry, sah auch Ron Hermines Leid, das er gerne auf sich genommen hätte, um Hermine zu helfen.

 

„Halt den Rand“, donnerte Draco, weil er nichts davon hören wollte. Es war sowieso gelogen, denn wenn es Miss-Besserwisserin wirklich schlecht gehen würde, wieso in aller Welt ignorierte sie Draco seit einer Woche und alberte stattdessen mit Finnigan herum? Weil es ihr schlecht ging? Nein. Selbst wenn es stimmte, was Draco nicht glaubte, hasste er den Gedanken, dass es ihm nicht egal war, da er anstelle von Wut, Weasley mit Hohn und Spott überzogen hätte, angesichts seiner Äußerung. „Ihr könnt in Zukunft jemand anderen vorsätzlich verarschen.“

 

„Malfoy, ich -“

 

„Nimm dich in Acht, Weasley. Nimm dich ja in Acht“, drohte er mit gestreckten Zeigefinger, der zitternd auf den rothaarigen Abschaum gerichtet war. „Ich will nichts davon hören, verstanden?“

 

Allerdings gab Ron nicht so leicht auf. Anstatt zu gehen, näherte er sich Malfoy behutsam – die Arme beschwichtigend nach vorne gehoben. „Malfoy, ich würde dich nicht durch den halben Korridor verfolgen, wenn es mir nicht ernst wäre. Es... Es gefällt mir einfach nicht, dass Hermine leidet und... wir sie in dem Zustand sehen müssen.“ Er tat das falsche. Ron hatte kein Recht, sich in Hermines Angelegenheiten zu mischen, wenngleich es der jüngste Sohn der Weasleys gut meinte. Er wollte Hermine eine Stütze sein, doch hatte er es unbeabsichtigt verschlimmert, indem er Malfoy aufgesucht hatte, um ihm zu erzählen, wie schlecht es seiner besten Freundin wirklich ging.

 

„Weasley, ich rate dir zu gehen. Jetzt.“

 

„Warum?“

 

„Weil es Momente gibt“, begann Draco sichtlich genervt, „in denen ihr Gryffindors noch immer nicht versteht, dass ihr Grenzen überschreitet.“ Im Anschluss machte er auf dem Absatz kehrt, um der Nervensäge zu entkommen, die es wagte, die winzige Flamme der Hoffnung in Draco zu entfachen. Nicht länger wollte er Weasleys Worten zuhören. Sie verletzten Draco, weil es Granger schlecht ging und er damit leben musste, fortan nicht mehr Teil ihres Lebens zu sein. Dem Wortgefecht als Erster den Rücken zu kehren, war nur die Spitze des Eisbergs, die Draco jedoch verkraften würde...

 

„Ja, dann hau doch ab“, rief Ron ihm hinterher. Sein Mund war wieder schneller als sein Denken, weshalb er hastig hinzufügte: „Das kannst du ja so gut, aber dann lass auch Hermine endlich in Ruhe, damit sie ihr Glück in Seamus finden kann. Der ist wenigstens -“

 

„Was?“, brüllte der Slytherin-Schüler hasserfüllt zurück, nachdem er sich umdrehte und Ronald Weasley in Schweigen versetzte. Währenddessen fiel ihm ein Buch aus der Hand, das er soeben aus der Bibliothek ausgeliehen hatte. Es schlug ohrenbetäubend auf den Boden – als wäre ein Fluch neben ihm eingeschlagen. Langsam, um Herr seiner Sinne zu werden und die dazugehörigen, surrealen Gedanken zu sortieren, näherte er sich Weasley, vor dem er stehen geblieben war. „Wiederhole das“, verlangte er anschließend schnaubend, während er sein Gegenüber mit blindwütigen Blicken strafte. Hinzu kam der Kontrollverlust seiner Magie, die aus seinem Körper ausbrechen wollte, obwohl er seit acht Jahren Hogwarts besuchte, um genau das zu lernen – seine Magie zu beherrschen.

 

Automatisch hob Ron seine Hände, um Malfoy zu beruhigen. „Ich... Ich meine ja nur. Seamus ist ein feiner Kerl.“ Tapfer streckte er seinen Rücken durch, während er die Magie spürte, die die beiden Männer umgab. Sie war sogar kraftvoll genug, um Rons Haare hin und her zu wehen, was den Rotschopf ängstigte. „Malfoy, was... was machst du?“

 

Als wären die Worte dieses Idioten ein Messer, das auf Draco einstach, besann er sich und konzentrierte sich auf den Inhalt der Aussage. Finnigan war Weasleys Worten zufolge ein feiner Kerl, der Granger glücklich machen könnte? Ha, auf eine derartige Mitteilung hatte der Malfoy-Erbe doch nur gewartet – half sie ihm doch, zu seinem alten Leben zurückzufinden. Oh ja, Draco würde dort weitermachen, wo er aufgehört hatte, nachdem er von der Besessenheit zu Granger umnachtet wurde. Draco würde folglich wieder Sex haben – ungebunden und unromantisch. Er würde Sex haben, der ihn zu keinen Verpflichtungen zwang. Keinen weiteren Gedanken würde er an das Mädchen verschwenden. Keinen Moment mehr würde er in Gedanken ihre dunklen, gezähmten Locken durch seine Finger gleiten lassen. Draco würde nicht mehr an ihre langen schlanken Beine denken, deren Konturen er im Traum nach fuhr, ehe seine Finger unter ihrem Höschen verschwanden. Auch wurde es unverzüglich windstill, nachdem Draco seinen Fokus auf unverbindlichen Sex legte und somit der ausbrechenden Magie Einhalt geboten wurde.

 

Granger hatte ihm zukünftig egal zu sein – wie Lucius es damals verlangte, als er ihn fast totgeschlagen hatte.

 

„Geh, Weasley“, erwähnte er im Nachhinein bloß, statt auf Rons Frage einzugehen.

 

Konsterniert blieb Ron stehen. Mit seinen Absichten, Hermine zu helfen, hatte er alles nur schlimmer gemacht, indem er Malfoys Zorn schürte.

 

„Verschwinde aus meinem Blickfeld, verdammt!“, bellte Draco und bemerkte erst danach die hinzugekommenen Zweitklässler, die der Szenerie neugierig, aber auch ängstlich gegenüberstanden. „Uhd ihr“, blaffte er daraufhin in die Gesichter der eingeschüchterten Schüler, „seht zu, dass ihr Land gewinnt!“ Doch ohne darauf zu warten, dass seinem Befehl Folge geleistet wurde, wandte er sich von Weasley und den restlichen Schülern ab, um seinen Weg fortzusetzen – abermals zur Bibliothek.

 

Indessen hoffte er, dass Finnigan sie richtig hinters Licht führte. Und wenn sie gebrochen war und am Fallen wäre, würde Draco sie auffangen und -

 

Nein! Nein, er würde sie nicht auffangen. Merlin sollte ihn vor solch niederträchtigen Gedanken bewahren. Draco würde sie genauso fallen lassen, sofern sie Hilfe ersuchte. Er würde sie auslachen, hinsichtlich der Tatsache, dass sie auf einen Schwachkopf wie Finnigan hereingefallen wäre.

 

Dass er ausgerechnet Potter und Granger über den Weg lief, als er die Biegung zur Bibliothek nahm, konnte nur ein Zeichen dafür sein, dass die Mühlen der Gerechtigkeit mahlten – zwar langsam, aber irgendwann gerecht. Irgendwann würde er nicht mehr an das Mädchen denken, das sein Leben auf den Kopf gestellt hatte und er kurz davor war, sich lächerlich zu machen.

 

All das würde bald aufhören. Ja. Irgendwann.

 

 

 
 

~*~

 

Den Weg zur Bibliothek hatte er leise zurückgelegt, das Buch – das er nach dem Streit mit Weasley wieder vom Boden aufgelesen hatte – fest in seiner Hand umklammert. Und nun saß er seit einer Stunde in einer einem bequemen, wenn auch alten Sessel, der nahe der verbotenen Abteilung stand. Selten verirrten sich Schüler in die Bibliothek und in diesen Winkel schon gar nicht, da es den meisten Schülern sowieso untersagt war, besagte Abteilung zu betreten. Gleichzeitig, während er las, überlegte er, was er heute noch machen könnte, bis ihm einfiel, dass er nach Hogsmeade gehen würde. Er würde der Einladung nachkommen und sich mit Blaise, sowie der kleinen Weasley in den drei Besen treffen – allerdings mit Verspätung.

 

Das wäre die Retourkutsche, dass Blaise über Dracos Kopf hinweg entschieden hatte. Darüber hinaus bemerkte er die näher kommende Person nicht, aber er erschrak auch nicht, als diese ihn ansprach.

 

„Hier bist du also.“ Zierliche Finger landeten auf dem Tisch, an dem Dracos Sessel stand, bis der dazugehörige Körper beschloss, den zweiten Sessel zu besetzen und abwartend in das Gesicht des Schülers zu blicken.

 

„Auf wiedersehen, Pansy“, revoltierte Draco augenblicklich, als er eine weitere Seite des Buches gelesen und umgeblättert hatte – ohne Pansy eines Blickes zu würdigen. Stattdessen ruhten seine Augen auf den vergilbten Seiten, da er die Gepflogenheiten, seine Freunde zu begrüßen, schon lange abgelegt hatte. Als das schwarzhaarige Mädchen jedoch sitzen geblieben war und Draco dabei zusah, wie er las, hob er resigniert den Blick.

 

Sherlock Holmes?“, analysierten ihre braunen Augen die Worte auf dem Buchrücken skeptisch, als sie einen Blick darauf erhaschen konnte, nachdem Draco das Buch mürrisch zuklappte. „Was ist das denn für ein Buch?“ Schon lange sah sie, dass es ihm nicht gut ging und obwohl Draco Malfoy jedem seiner Freunde zu verstehen gab, dass er Probleme alleine bewältigte, verspürte Pansy das Bedürfnis, ihrem Freund zur Seite zu stehen.

 

Mehr als genervt lehnte sich Draco in dem lindgrünen Sessel zurück. Er war verärgert, um es gelinde zu sagen. „Pansy, wieso nervst du mich? Es ist einfach nur ein Buch, das ich lese.“

 

„Wir nerven dich“, murmelte die Slytherin-Schülerin und schlug ihre Faust auf den Tisch, „weil wir deine Freunde sind. Entschuldige, dass wir uns Sorgen machen, die berechtigt sind.“ Ihre Sicherungen waren durchgebrannt, als Draco das Wort Freundschaft immer noch in Relation mit nervigen Fragen stellte. „Wieso lässt du dir nicht von uns helfen?“

 

„Weil es keinen Grund gibt, mir helfen zu müssen.“

 

Pansy nahm dieselbe Haltung wie Draco ein. Zuzüglich überkreuzte sie ihre Beine und grinste: „Ich kann Granger schon verstehen – dass sie dich meidet und -“

 

„Ziemlich gewagt“, knurrte Draco, der augenblicklich nach vorne gerückt war, um nach dem Handgelenk des überheblichen Mädchens zu greifen, das ebenfalls den Versuch unternahm, die Stahlketten zu berühren, in die er seine Gefühle gekettet hatte. „Das muss man dir lassen, Pansy, aber überlege dir in Zukunft, wem du gegenüber Souveränität vorspielen willst“, drohte er und erhöhte den Druck auf das Gelenk. „Hör auf, ihren Namen zu erwähnen. Ansonsten werde ich dir deine schäbige Hand brechen.“ Erst infolgedessen zog er seine Hand zurück.

 

Pansy dagegen dachte keinen Moment daran, sich auf und davon zu machen. Stattdessen richtete sie ihre Bluse und setzte sich wieder aufrecht hin. „Du machst mir keine Angst, Draco, denn an dieser Misere bist alleine du schuld. Deine Wut auf uns zu projizieren zeigt doch, wie verzweifelt du bist. Dabei sind wir lediglich da, um dich nicht fallen zu lassen – aber diese Hilfe schlägst du ja andauernd aus. Wieso eigentlich?“

 

„Hast du was gesagt, Pansy?“

 

„Du willst es nicht verstehen, Draco. Tu mir einen Gefallen und sei einmal nicht so selbstgefällig und arrogant.“ Ihr Blick glitt unterdessen zu dem Buch, ehe ihr Finger darauf deutete. „Mit Sherlock Holmes wirst du sie jedenfalls nicht beeindrucken, auch wenn es sich offensichtlich um ein Muggelbuch handelt.“ Sobald es ihm zuviel wurde, stellte er seine Ohren auf Durchzug – eine nervige Angewohnheit, die er sich zu Eigen machte, wenn es brenzlig wurde. Das tat er schon früher. Immer, wenn es ihn betraf, dachte er, sich mit Aussetzern und Ignoranz retten könnte, aber das war ein Irrtum. Ein gewaltiger Irrtum.

 

Draco konnte nicht immer weglaufen.

 

„Das Gespräch ist lächerlich, das weißt du hoffentlich?“ Dieselbe Ruhe wie Pansy, wollte auch Draco ausstrahlen, obwohl er zu kochen anfing. „Was soll ich deiner Meinung nach tun? Sie mit Geschenken überhäufen?“ Hatte sie sich etwa mit Blaise zusammengesetzt, der Pansy womöglich noch anstiftete, ihn unter Druck zu setzen?

 

„Sollst du nicht, nein. Aber es erschreckt mich nicht einmal mehr, dass Männer einfaches Denken bevorzugen.“ Anschließend betrachtete sie ihre Nägel ausgiebig, während sie im Augenwinkel beobachten konnte, wie Draco zur Seite sah; fehlte bloß noch das bekannte Zischen.

 

„Lass das Goyle nicht hören“, empfahl er ihr spöttisch.

 

„Ich versichere dir“, begann sie lächelnd, „dass Gregory weiß, wie man eine Frau behandelt – im Gegensatz zu dir. Er weiß, wie man mich glücklich macht und ich rede nicht von Schmuck, Draco“, ergänzte sie augenzwinkernd und vertrat die Meinung, dass, wenn ein Mann eine Frau wie eine Prinzessin behandelte, dieser selbst von einer Königin erzogen wurde. In der Tat, Elizabeth Goyle war eine erfrischende Persönlichkeit.

 

„Okay, das reicht.“ Sofort flogen seine Hände nach oben, um Pansy zum Schweigen zu bringen. „Mehr will ich nicht hören.“ Und Anspielungen noch weniger, da er versuchte, Granger zu vergessen, wenngleich das Buch, das er las, eine andere Sprache sprach. Aber um nachzugeben und um die nervtötende Pansy loszuwerden, fragte er: „Was soll ich deiner Meinung nach machen?“

 

Bedächtig faltete sie ihre Hände zusammen, lächelte und sah das geschlossene Buch an, bevor sie Dracos Blick suchte. „Liebst du sie?“ Doch statt etwas wie Euphorie in seinen Augen glänzen zu sehen, bemerkte sie, wie sich seine grauen Augen verdunkelten – ein Zeichen, dass Draco seine Maske aufsetzte, weil er sich in die Ecke gedrängt fühlte.

 

„Was denkst du, Pansy?“, wollte er nonchalant wissen, nachdem er seine Hände über die Armlehnen des Sessels legte. Er setzte ein perfektes Lächeln auf, Grübchen bildeten sich auf seiner Wange und er wartete – auf eine Absolution.

 

„Sicherlich weißt du, was ich denke. Ich möchte es von dir hören, Draco.“ Währenddessen tippten ihre Fingernägel ununterbrochen auf das Holz und es wurde von Sekunde zu Sekunde schneller, was ihre Ungeduld wunderbar widerspiegelte.

 

„Und du weißt, dass ich noch nie der Mensch war, der Rechenschaft ablegt – auch nicht vor dir“, antwortete er und griff nach dem Buch.

 

„Du willst es nicht verstehen, obwohl ich mit dir reden und dir helfen wollte.“

 

„Wolltest du das, Pansy? Ja?“

 

„Ja, Draco. Ich wollte dir eine Freundin sein, aber du bist resistent, im Hinblick darauf, vernünftig mit deinen Freunden zu sprechen. Sobald man sich dir nähern will, betrachtest du das als Angriff auf dein Innenleben.“ Betrübt schob sie den Sessel zurück, da es keinen Sinn ergab, sich weiterhin zu bemühen. „Nicht einmal dein Zustand, geschweige dein Befinden haben Einfluss darauf, sich uns gegenüber zu öffnen.“ Pansy war traurig, aber noch tapfer genug, etwas aus der Innenseite ihres Umhangs zu ziehen, das sie klirrend auf den Tisch warf und gleichzeitig aufstand. Ja, sie würde gehen – wie Draco es wollte. Denn schließlich suggerierte das sein Verhalten. „Sherlock Holmes wird dich ihr vielleicht gedanklich näher bringen, Draco. Ja, offenbar verbindet dich das Buch mit ihr, aber das wird dich nicht glücklich machen. Dennoch: Lies das Buch. In dieser Zeit stellst du wenigstens keinen Blödsinn an und vielleicht lernst du dann auch noch, was es heißt, wenn Freunde füreinander da sind.“ Im Anschluss zog sie kopfschüttelnd von dannen und verschwand hinter dem nächstgelegen Bücherregal.

 

Beeindruckt sah er seiner Schulfreundin nach. Er würde behaupten, dass Pansy noch nie so willensstark in Dracos Anwesenheit gewesen war, indem sie ihre Meinung so offensiv vortrug. Folglich neigte sich sein Blick nach unten – dorthin, wo Pansys Hand gelandet war, nachdem sie aufstand. Es war nicht großes, vom Wert vielleicht eine Galleone wert und doch streckte er die Hand nach dem silbernen Etwas aus, bis es schlussendlich an seinem Zeige- und Mittelfinger baumelte.

 

Es war ein kleines, silbernes Armkettchen. Dasselbe, welches Draco, aber auch Blaise, Goyle, Pansy und zu Lebzeiten auch Crabbe besaß.

 

Und Draco erinnerte sich. Es war die Kette, die sie sich alle zusammen gekauft hatten, als sie ungefähr sieben oder acht Jahre alt waren. Diese Kette sollte sinnbildlich das Band ihrer Freundschaft knüpfen und Pansy hatte ihres noch, aber Draco war sich fast sicher, dass es weder Pansy, noch den anderen – einschließlich ihm – passen würde...

 

Damals passte es noch...

 

Aber das war Vergangenheit, weshalb er das Kettchen missmutig in seine Tasche steckte. Vielleicht, wenn ihm danach war, würde Draco ihr das Kettchen zurückgeben – irgendwann, wenn sie sich beruhigt hätte. Sollte er darüber hinaus ihren versteckten Hinweis befolgen und sich ändern? Immerhin saß er hier in der Bibliothek – mit einem Muggelbuch. War er bereit, sich zu ändern? Ja... Draco wollte sich ändern – für Granger, aber auch für sich selbst.

 

Ferner zog er schnaubend das Buch zu sich heran, um weitere Seiten zu verschlingen – fernab der bösen, realistischen Welt, in der er sich befand. Er wollte schließlich – ehe er nach Hogsmeade ging – entspannt sein, wenn er auf die kleine Weasley traf...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  sama-chan
2018-06-20T07:05:57+00:00 20.06.2018 09:05
Wie kann man nur so destruktiv sein? Die beiden sollten sich schleunigst gegenseitig die Köpfe waschen und dringend überlegen, wie sie es wieder auf die Reihe bekommen. Da verzweifelt man ja schon als Leser über die Verbohrtheit der Beiden!


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