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The Warning!

von

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Wer von Hoffnung lebt, stirbt an Verzweiflung

- Kapitel sechzehn -


 

Kingsley war unverzüglich durch die Flammen gekommen, nachdem Harry ihm nur spärliche Informationen geliefert hatte. Alles weitere, diese wichtigen Informationen über das Flohnetzwerk zu diskutieren, wäre ein zu gewagtes Unterfangen – man musste immer mit der Angst leben, dass man belauscht wurde. Obwohl die Kamine stets mit speziellen Sprüchen gesichert wurden, gäbe es woanders sicher auch einen passenden Gegenspruch, der die Sicherung aufhob.
 

Der dunkelhäutige Mann war in eine bodenlange, blaue Robe gehüllt, auf dem Kopf trug er seinen blauen, mit goldenen Fäden durchzogenen Zylinder. Der Minister wirkte völlig gefasst, als er sich vor McGonagalls Schreibtisch niederließ und nacheinander in die Gesichter der Anwesenden blickte. Er verzichtete auf die obligatorische Begrüßung, da er sogleich auf den Punkt kam. „Am besten erklärt Mister Malfoy, was genau passiert ist.“ 
 

Die tiefe, ruhige Stimme löste in Draco eine Sperre, denn zuerst wollte er gar nichts sagen, er war felsenfest entschlossen, seinen Mund zu halten und er war auch der Letzte, der davon ausging, vom Minister persönlich gefragt zu werden. Das alleine war schon ein Pluspunkt. Kingsley Shacklebot wollte von Draco - nicht von Potter! - die Umstände erfahren. Ja, der Minister sah ihn vorurteilsfrei an; anders als Potter. Trotzdem... etwas Argwohn begleitete ihn immer noch. „Wollen Sie nicht lieber auf Granger warten?“, entgegnete er stattdessen skeptisch. Die Angst, dass seine Animagusform aufflog und er mit ernsten Konsequenzen rechnen musste, war immer noch vorhanden. Trotz der Tatsache, dass Kingsley besonnen erschien und Dracos Meinung ihn sehr wohl interessierte, konnte er all diesen Menschen im Raum nicht trauen. 
 

„Wozu?“, erwiderte Kingsley und faltete seine Hände im Schoss zusammen. „Ich denke, Ihre Kenntnisse sind ebenso wichtig, wie die von Miss Granger.“ Der Zaubereiminister hegte keinen Groll gegen den Malfoy-Jungen. Neben Snape war auch Kingsley oft Zeuge vieler Gespräche mit Dumbledore geworden, in deren Verläufe sehr oft der Name des Malfoy-Jungen fiel, sowie dessen Erziehungsmaßnahmen, denen er als kleiner Junge ausgesetzt war. „Deine Meinung ist genauso wichtig und außerdem“, Kingsleys Hände wanderten in einer fließenden Bewegung von innen nach außen, „ist Miss Granger noch nicht hier.“
 

Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder war das eine hinterlistige Falle, oder man wollte Draco wirklich nichts böses – zumindest der Minister wollte ihm nichts böses. Potter wünschte Draco sicher die Drachenpocken auf den Leib, aber er sprach gerade nicht mit Potter, sondern mit dem Minister, weshalb er sich entschied, die Karten offen auf den Tisch zu legen. Schließlich musste irgendwann ein Anfang gemacht werden. „Ihr Mitarbeiter, Robin Sterling, ist ein Maulwurf.“ 
 

„Hmm.“ Kingsley wirkte kontrolliert, als könnte ihn diese Neuigkeit nicht aus der Bahn werfen. „Weiter, Draco“, forderte er ihn auf, denn er wusste, es musste mehr dahinter stecken. Mit diesen recht kümmerlichen Informationen stand Kingsley mit leeren Händen da. Ihm waren - ohne handfeste Beweise - die Hände gebunden.
 

„Wollen Sie wirklich nicht auf Granger warten?“, wiederholte er seinen vorherigen Einwand grummelnd. Endlich wurde ihm Gehör geschenkt, aber diese Beklommenheit war ein Hindernis, das er anscheinend nicht überwinden konnte, denn er fühlte sich nicht so selbstsicher und lebhaft wie Potter, der mit diesen Attributen Hand in Hand durch die Gegend schlenderte. Potter war derjenige, dem dieses Gen in die Wiege gelegt wurde - zwanghaft, wohlgemerkt. Draco wollte einfach sein Leben weiterleben – ohne Voldemort und ohne dessen Sohn, der weder Maß noch Ziel kannte. 
 

„Nein, Draco“, entgegnete Kingsley immer noch bedachtsam. Ferner erhob sich der Minister, der ohne Umschweife den Abstand zu Draco schloss, um mit ihm auch gleicher Höhe zu sein. „Robin Sterling ist flüchtig, das habe ich verstanden. Die Frage, die sich stellt, ist: Warum? Je schneller wir das Gespräch geführt haben, umso schneller kann ich maßgebliche Schritte einleiten.“
 

Das war ein Argument. Draco selbst wollte, dass man dieses Aas schnappte. Er blies sich vereinzelte Strähnen aus dem Gesicht und Potter war es, der sich neben ihn stellte und fast wäre der blonde Slytherin zur Seite gesprungen, da das Narbengesicht - aufgrund seiner Positur - den Anschein erweckte, als wolle er Dracos Schulter berühren. Es war als... als wollte der Löwe der Schlange Mut zusprechen. „Malfoy, sag ihm, was du uns erzählt hast. Das ist wichtig!“
 

Wichtig? Ja, war das wichtig? Eben wollte Potter ihm nicht glauben. Versicherte sich extra noch einmal, als er nachfragte, ob Draco sich auch sicher sei und nun diese Wendung? Schnaubend stieß er Potter von sich und kämmte seine Haare zurück. „Lass das, verdammt!“ Er hasste es, wenn Potter wieder einmal den Helden mimte und sich als Retter der Zaubererwelt aufspielen musste. Ob das ein zwanghaftes Verhalten war? „Ich weiß das auch und brauche deine Meinung nicht!“ 
 

„Minister“, wandte sich Harry an Kingsley, „wir verlieren nur Zeit.“ Obwohl er anfänglich Zweifel äußerte, bezüglich Malfoys Worten, so hatte Harry Angst. Angst davor, dass seine Mühen umsonst gewesen waren. Die Angst, einem auferstandenen Voldemort gegenüberzustehen, war allgegenwärtig und setzte sich in Harrys Gliedern fest. „Ich -“
 

„Harry“, stoppte Kingsley den kleineren der beiden heranwachsenden Männer, „warte. Ich verstehe Dracos Misstrauen.“
 

Tat er das? Nein, das war eine Falle. Der Minister spannte die Falle auf, in der Hoffnung, Draco wäre so naiv und würde tatsächlich glauben, dass er unbeirrt sprechen konnte – ohne verurteilt zu werden, aber was blieb ihm auch anderes übrig, als zu antworten? „Sterling ist der Sohn des dunklen Lords. Er hat Granger und mich in der Halle der Prophezeiungen angegriffen.“ Ehe Kingsley gekommen war, hatten McGonagall, Harry und Draco sich darauf geeinigt, dass sie die Stelle mit dem Horkrux ausließen, da sie nicht wussten, wie weit man dem Ministerium trauen konnte. 
 

Der Minister setzte sich anschließend auf den Stuhl zurück. Sein rechter Arm ruhte auf der Armlehne, während die Finger seiner linken Hand seine Mundpartien auf und ab wanderten. „Sterling stand unter Beobachtung, weil andere Mitarbeiter besorgt waren, ja. Mir wurde berichtet, dass Sterling sich öfters in dieser Halle herumtreibt, aber nie wurde er der schwarzen Magie überführt.“
 

Das war die Rechtfertigung des Ministers? „Sie wussten davon?“, empörte sich Draco. „Sie haben Hogwartsschüler ins Ministerium gelassen, mit dem Wissen, dass – trotz ihrer erhöhten Sicherheitsvorkehrungen und wie ich feststellen muss, erschöpfenden Verteidigungsmaßnahmen – etwas im Gang ist und setzen dann genau den Mann auf uns, der nicht sauber ist?“ Die Wut sprach aus Draco, wie so oft. Er konnte sich das Verhalten des Ministeriums nicht erklären. Wenn sie doch von Unannehmlichkeiten dieses Mannes wussten, wieso wurde diesem Menschen noch solch eine Verantwortung in die Hände gelegt? Warum war der Mann in dieser Position tätig? Weshalb versetzte man ihn nicht in eine andere Abteilung, in der er unter besserer Beobachtung stand? Wieso entzog man diesem Mann nicht die Möglichkeit, die Halle der Prophezeiungen aufzusuchen? Besser wäre es gewesen, ihm den Zutritt zur Mysteriumsabteilung zu untersagen, aber dafür war es auch zu spät. Das Kind war bereits in den Brunnen gefallen.
 

„Wir wollten wissen, wie sich die Sache entwickelt. Wir mussten klare Linien beibehalten. Sterling wäre sofort misstrauisch geworden, wenn wir ihn plötzlich versetzt hätten“, erklärte Kingsley, immer noch ruhig. Er konnte die Aufregung verstehen. Wie sollte man das auch sonst sehen, wenn man jahrelang anders erzogen wurde? Draco kannte nur die Extreme. Draco lernte früh, sich mit Gewalt und Drohungen durchzusetzen, er kannte die humane Seite nicht. Wie sollte ein Heranwachsender wissen, wie die andere Seite aussah – Lösungen ohne Gewalt zu finden –, wenn man diese gar nicht kannte?
 

„Malfoy, der Minister wird schon wissen, was er macht, in Ordnung? Du musst auch mal der anderen Seite vertrauen!“, beharrte Harry, der ein wenig Sicherheitsabstand zu Malfoy aufbaute. 
 

Draco ignorierte ihn und wandte sich stattdessen an Kingsley. „Sterling trug eine Todessermaske. Soweit ich sie erkennen konnte“, kurz hielt er inne und überlegte. Hatte er zu vorschnell geantwortet? Er gab schließlich gerade zu, dass er bestens über die Todesser Bescheid wusste. Er gab indirekt zu, dass er ein enormes Wissen angesammelt hatte und würde Kingsley ihm etwas böses wollen – wovon Draco bis jetzt nicht ausging –, könnte er Draco nachträglich vor den Zaubergamot laden. Scheiße!
 

„Sprechen Sie weiter, Draco. Was Ihre Angst angeht, so kann ich Ihnen versichern, dass alles, was wir hier besprechen, diesen Raum nicht verlassen wird. Mister Potter hat im Übrigen bereits für Sie ausgesagt und der Freispruch ist rechtskräftig, wie Sie wissen.“
 

„Was ist jetzt mit deiner dämlichen Existenztheorie, Malfoy? Ist es wirklich da, wenn wir es sehen? Oder wie war das noch?“, grunzte Harry, der Malfoy im Nachhinein hämisch ins Gesicht grinste, was dieser jedoch teilnahmslos zur Kenntnis nahm. Es war, als wollte Draco sich nicht mehr provozieren lassen, obwohl genau das Harrys Intention war. Wenn er Malfoy nur lange genug stichelte, würde er sicher plaudern – vor Wut, um Harry zu beweisen, dass er Recht hatte. 
 

„Du hast meinen Wortlaut ganz falsch gedeutet, Potter“, brummte Draco und wandte sich erneut an Kingsley. Er würde ihm die Wahrheit sagen. Hauptsache, man würde Sterling finden. „Sterling trug die Maske von Dolohow. Sie sollten prüfen, ob diese Maske fehlt, da sie sicher konfisziert wurde.“ Draco wusste das, weil der Tagesprophet auf einem ihrer Titelblätter ein großes Foto veröffentlicht hatte, als man sämtliche Todesser-Utensilien wegsperrte. Draco und sein Vater besaßen noch ihre Masken, da, dank Potters Aussage, niemand auf Malfoy Manor war, um nach Todesser-Uniformen oder Masken zu suchen.
 

Minerva lauschte dem Gespräch und war offenbar viel zu konfus, um etwas nützliches beizutragen. Ihre Haut wirkte in dem Moment noch viel zerfallener und älter, als vorher. Auch sie schien sich vor den Konsequenzen, sollte Sterling Erfolg haben, zu fürchten. Man sah, dass der Krieg auch an ihr nicht spurlos vorbeigezogen war. Auch sie hatte Freunde in dem Krieg fallen sehen. 
 

„Das ist das Erste, was ich in die Wege leiten werde“, erwiderte der Minister und wollte zum Kamin, als Draco ihn zurückhielt.
 

„Warten Sie. Sie gehen doch nicht etwa zurück?“, wollte Draco wissen.
 

„Ich werde die Fahndung einleiten, oder haben Sie einen besseren Vorschlag?“
 

„Ich glaube“, mischte sich Harry ein, „was Malfoy sagen will, ist, dass wir das nicht an die große Glocke hängen sollten?“
 

Doch, genau das wollte Draco! Man sollte diesen Mistkerl endlich fassen und wenn es nach Draco gehen würde, dann hätte Sterling zehn Küsse von Dementoren verdient, auch wenn ein einziger ausreichen würde. 
 

Vielleicht war es doch keine gute Idee, das Ministerium mit einzubeziehen, überlegte Harry indessen dumpf.
 

„Harry, du willst mir doch nicht sagen, was ich gerade denke?“, äußerte Kingsley besorgt, nachdem er den zweifelnden Gesichtsausdruck des Jungen sah, der bereits in jungen Jahren so viel Leid mit ansehen musste. Hinzu kam eine Vermutung, die der Minister noch nicht aussprechen wollte.
 

„Was denken Sie, würde ich wollen?“, fragte Harry und war gespannt auf die Antwort. Kingsley kannte ihn doch recht gut, ging ihm auf. 
 

„Du willst auf eigene Faust los, Harry. Ich kenne diese Andeutungen zu gut aus unserer gemeinsamen Zeit.“
 

Draco wurde hellhörig. Welche Zeit? Und Potter wollte losziehen? Nur zu! Dann hätte er mehr Zeit für Granger. Besser, Potter würde Weasley noch mitnehmen. Hogwarts hätte dann durchaus schön werden können, wenn diese beiden Menschen außer Haus wären. „Was ist mit dem Praktikum?“, fragte Draco stattdessen. 
 

„Unter diesen Umständen wird natürlich keiner meiner Schüler mehr zum Ministerium zurückgehen“, artikulierte Minerva energisch und klinkte sich in die Unterhaltung. „Ich werde keinen meiner Schüler einer Gefahr aussetzen! Auch Sie nicht, Potter!“
 

Oh, schade. Draco hätte Potter zu gerne zugestimmt, hätte ihn sogar tatkräftig beim Koffer packen unterstützt, aber auf der anderen Seite schmunzelte Draco. McGonagall wollte also auch nicht, dass Potter sein Helden-Gen und seine heroische Art auslebte.
 

„Ich nehme Malfoy mit“, schlug Harry vor – völlig ausdruckslos. 
 

„Was?“, entfuhr es Draco und er wandte sich schockiert zu Potter. Der Goldjunge und er sollten auf Voldemort-Jagd? Bestimmt nicht. Morgen könnte er den Vielsaft-Trank nehmen, weshalb er sich nicht leisten konnte, mit Potter auf irgendeine überspannte, irre und spontane Mission zu gehen. Draco war kein Held und er wollte auch nicht zu einem Harry-Potter-Double mutieren. Er wollte das Narbengesicht lediglich imitieren, sonst nichts. „Bist du übergeschnappt? Das letzte Mal hat dir wohl nicht gereicht, was? Musst du ständig Merlin spielen? Du kannst nicht immer über Leben und Tod entscheiden, Potter“, warf Draco ein und verschränkte seine Arme. „Du forderst dein Glück zu oft heraus!“
 

„Besorgt?“, grinste Harry spitzbübisch. 
 

„Um dich? Sicher nicht. Aber bitte, riskiere deinen Kopf, aber ohne mich!“, erwiderte er indigniert. Als ob Draco sich um den Alleskönner sorgte. Dass Potter das in Erwägung zog, war für Draco schon beleidigend genug. 
 

„Die Idee ist nicht einmal schlecht“, bemerkte Kingsley im Anschluss. „Sterling soll sich in Sicherheit fühlen, während ihr ihn aufspürt. Wer weiß, welche Kontakte er zum Ministerium hat? Falls sich die Auroren jetzt schon einschalten, könnte er das herauskriegen! Aber wenn ihr ihn zuerst aufspürt, kann ich die Auroren lossenden, ohne, dass er was merkt. So schnell kann auch ein Robin Sterling nicht an diese Information kommen, wenn sich Auroren auf direktem Weg zu euch befinden.“
 

„Minister, bei allem nötigen Respekt, aber eine solche Mission könnte Monate dauern“, stellte Draco laienhaft fest, da ihm schlicht die Erfahrung im Umgang mit mörderischen Missionen fehlte, die Potter anführte. Dennoch erinnerte er sich, wie lange Potter, Weasley und Granger unterwegs waren.
 

„Malfoy, komm. Du weißt, wie Sterling aussieht.“ Mit Malfoy konnte Harry viel mehr über die dunkle Seite erfahren. Malfoy wusste, wie die gegnerische Seite tickte, wovon sich Harry einen Vorteil versprach.
 

„Das sollte das kleinste Problem sein“, fügte Kingsley hinzu. „Ich kann dir eine Fotografie zukommen lassen.“
 

„Ach wirklich?“, wollte Draco doppelzüngig wissen. „Sterlings Aussehen war eine Verwandlung. Er ist nicht blond.“
 

Nun war auch der Minister schockiert. Trotz ihrer Mühen, gelang es einem Todesser, sich sowohl zu verwandeln, als auch sich ins Ministerium zu schleusen. Durch den Nachnamen seiner bereits verstorbenen Mutter fiel er – als er sich um die Stelle des Abteilungsleiter bewarb – nicht weiter auf. Konnte Kingsley es demzufolge in Kauf nehmen, wenn Hogwartsschüler die Suche aufnahmen? Normalerweise nicht, aber er vertraute Harry. Harry bewies viel zu oft, dass er im Stande war, sich gefährlichen Situationen zu stellen und einen kühlen Kopf zu bewahren. „Dann sollten Sie durchaus mitgehen, Draco. Sie uns Miss Granger sind die Einzigen, die Sterlings wahres Äußeres zu kennen scheinen und ich kann von Glück sagen, dass er wohl so dumm gewesen war und sich in seiner wahren Gestalt gezeigt hat.“
 

„Minister, Sie können unmöglich meine Schüler in eine Sache mit einbeziehen, die Sie lange intern hätten klären können. Noch bevor das Praktikum anfing. Sie hätten reagieren müssen und vor allem mich informieren müssen. Unter diesen Voraussetzungen, hätte ich dem Praktikum niemals zugestimmt“, maßregelte Minerva den Minister. „Was, wenn den Schülern etwas passiert? Wie soll ich das Fernbleiben, einiger auserwählter Schüler, den restlichen Schülern erklären?“
 

Den Schülern erklären, dachte Draco? Wie sollte sie das Lucius erklären, dachte Draco weiter, wenn ihm etwas passierte?
 

„Das geht Ihre Schüler nichts an. Stellen Sie sie frei, Minerva. Zwei Wochen! Wenn bis dahin nichts geschieht und er sich nicht zeigt, müssen wir anderweitig verfahren. Weiß Sterling, wo sich sein Vater befindet?“, fragte Kingsley an Draco gewandt. Es war seltsam, zu wissen, dass Voldemort einen Sohn hatte. Das Ministerium hatte dafür gesorgt, dass Voldemort an einem anonymen Ort begraben wurde, um ehemaligen Todessern keine Pilgerstätte zu ermöglichen. 
 

„Keine Ahnung“, erwiderte Draco kopfschüttelnd. Woher sollte er das auch wissen? Er war nicht Potter und hellsehen war auch etwas, was er scheinbar nicht konnte.
 

„Okay, ich werde das in Erfahrung bringen. Sobald ich die genauen Koordinaten habe, könnt ihr dort mit der Suche beginnen. Wir haben nämlich noch einen Trumpf.“
 

Gespannt warteten Minerva, Harry und Draco, bis Kingsley weiter sprach. „Alle Mitarbeiter müssen ihre Stäbe eichen lassen. Es ist zwar nur ein kleiner Schritt nach vorne, dem wir dennoch nachgehen sollten. Anhand der Eichung können wir den Zauberstab in einem Umkreis von fünfzig Meilen lokalisieren.“
 

„Also orten?“, fragte Harry nach und schaute erstaunt zu Kingsley. Tatsächlich wurde im Ministerium, unter Kingsleys Führung, etwas getan. Zwar noch nicht genug, aber eine Steigerung war durchaus zu erkennen. Auch wenn das einer Überwachung gleichkam, so wollte das Ministerium nur sicherstellen, dass, wenn etwas geschah, sie sofort wussten, wo es passierte - sofern es um Mitarbeiter des Ministeriums ging.
 

„Ja, ich werde die Masken und Roben überprüfen, gleichzeitig aber auch den Umkreis, in welchem ihr suchen solltet, lokalisieren. Ohne Zauberstab kommt er nicht weit. Wir müssen uns an diesen Strohhalm klammern und hoffen, dass er keinen neuen Stab hat. Heute Abend habe ich die Ergebnisse, sodass du morgen aufbrechen kannst - mit Mister Malfoy.“
 

Was? Nein, nein, nein! Nicht morgen! Die Stimme des Ministers klang einschneidend, die darüber hinaus vermitteln sollte, dass Kingsley keine Widerworte duldete, allerdings müsste er morgen den Vielsaft-Trank einnehmen. Oh Merlin, wie sollte er das anstellen, wenn Potter gleich um die Ecke wäre und er mit Potter in irgendeinem Wald saß? Scheiße! Er musste diese Zwickmühle umgehen und den Trank heute einnehmen. Merlin, in dem Zaubertrankbuch stand, dass man den genauen Zeitplan einhalten musste. Draco spielte schon mit dem Feuer, als er den Beschleunigungstrank benutzte. Er würde sich in ein potterähnliches, genmanipuliertes Wiesel verwandeln... Fein, er müsste den Trank also heute Abend nehmen und Granger irgendwie abfangen. Daher sollte er sich besser jetzt nach Grangers Zustand erkundigen und nachforschen, wie lange sie noch im Krankenflügel bleiben würde. 
 

Kingsley verabschiedete sich und Minerva blieb mit ihren Schülern zurück. „Schön, ich wünsche, dass Sie darüber Stillschweigen bewahren, verstanden? Außerdem werden Sie“, Minerva blickte Harry über ihre Brille hinweg an, „sicher nicht auf Mister Weasley und Miss Granger verzichten wollen, nehme ich an?“
 

„Weasley? Oh, auf den können wir gewiss verzichten!“
 

„Kannst du nicht einmal den Mund halten?“, zischte Harry verärgert. 
 

Draco hämmerte sich Potters Bewegungen ein. Ähnlich, wie bei einer Klausur. Da funktionierte das einhämmern des Lernstoffes – kurz vor der Klausur - auch fabelhaft. Er müsste sich innerhalb weniger Minuten Potters Mimik, Gestik, Haltung und seine Stimme einprägen – egal wie. „Nein? Kann ich nicht, wenn du es genau wissen willst.“ Eigentlich wollte Draco Potters Haltung heimlich und in Ruhe studieren und nicht zwischen Tür und Angel.
 

„Fängt ja schon gut an“, beklagte sich Harry. „Sei morgen früh einfach pünktlich. Wir treffen uns hier.“ Harry hoffte, dass das für Professor McGonagall in Ordnung war, dass er einfach den Treffpunkt in ihr Büro verlegte. 
 

„Und was ist mit Kingsleys Informationen, die er heute Abend schon preisgeben will?“, fragte Draco vorsichtig nach. Er hatte sich in der kurzen Zeit schon einen einfachen Plan zurechtgelegt. 
 

„Die werde ich mit Ron alleine abholen können. Du musst also nicht meine Hand halten, Malfoy. Morgen früh erfährst auch du alles.“
 

Weltklasse. In Draco explodierte ein Feuerwerk. Potter wäre heute Abend also hier und würde mit dem Minister die Auswertung seiner Nachforschungen analysieren. Dieses Zeitfenster musste Draco unbedingt nutzen. Nicht nur Potter forderte sein Glück heraus, sondern auch Draco. „Oh, keine Sorge. Das hatte ich auch nicht vor.“ Er drehte sich um, wollte das Schulleiterbüro verlassen, als Potter ihn aufhielt, gerade, als sich seine Hand nach dem Türknauf ausstreckte. Mitten in der Bewegung hielt er inne und wartete – ohne zurückzublicken. 
 

„Den Kleinkrieg zwischen Ron, dir und mir... den... müssen wir jetzt einfach mal vergessen, ja?“ Es klang versöhnlich, fast flehentlich aus Harrys Mund, aber sie mussten sich irgendwie aufeinander verlassen. Die Entscheidung, Malfoy mitzunehmen, schmeckte ihm selbst nicht, aber sie mussten einfach an einem Strang ziehen. Auch wenn Harry keinen Dank von Malfoy zu erwarten hatte – sei es, weil er ihn aus dem Raum der Wünsche gerettet oder für ihn ausgesagt hatte –, so erwartete er wenigstens ein bisschen Respekt und ein Miteinander, statt ein Gegeneinander. 
 

„Bring das Weasley bei und nicht mir“, fauchte Draco und ließ Harry, ohne dass dieser sich wehren konnte, stehen. Draco würde jetzt zu Granger marschieren. Punkt.
 

~*~
 

Er hatte sich bei Madam Pomfrey erkundigt und die Krankenschwester gab ihm – gutmütig wie sie war – die Information, die Draco haben wollte. Eigentlich hätte sie stutzig werden müssen, denn nie kam Draco jemanden im Krankenflügel besuchen und Granger schon gar nicht, aber Madam Pomfrey ging davon aus, aufgrund der schlimmen, traumatischen Erlebnissen, dass er zu ihr wollte, weil sie gemeinsam etwas schlimmes erlebt hatten – zum Teil stimmte das, zum Anderen aber war Dracos Fell recht dick geworden; es musste recht dick sein, wenn man mit Lucius aufwuchs. 
 

Laut Madam Pomfrey erlitt Granger eine leichte Gehirnerschütterung, die mit wenigen Tränken geheilt werden konnte. Angesichts der unterschätzten Gefahren eines Schädel-Hirn-Traumas, bestand die herzliche Krankenschwester jedoch darauf, dass Granger zumindest eine Nacht hier blieb. 
 

Er betrat den großen Saal, in welchem mehrere Betten standen – zehn, um genau zu sein. Neun der zehn Vorhänge, die sich an den Betten befanden, waren zurückgezogen. Ein Vorhang war zugezogen. Draco ging darauf zu, doch bevor er ihn ungefragt zurückzog, schluckte er und klopfte gegen den Vorhang.
 

Er klopfte an einen Vorhang? Genial! 
 

„Granger, bist du wach?“ Das Glück stand noch einmal auf seiner Seite, da er wusste, dass sie erst morgen früh, rechtzeitig zu ihrem Aufbruch, die Krankenstation verlassen durfte. Unterdessen wartete er, aber sie antwortete nicht. „Granger?“, wiederholte Draco und schlug etwas härter gegen den Vorhang, der daraufhin zu knattern anfing. Aber auch jetzt folgte keine Antwort. Sagte Pomfrey nicht, dass es ihr gut ging? 
 

Schnell schob er den Vorhang zur Seite, um selbst nachzusehen. Nachher wäre sie noch bewusstlos, oder...

 

„Granger!“, knurrte der junge Slytherin angespannt. Sie saß putzmunter in ihrem Bett, in der Hand hielt sie ein Buch und es schien ihr wunderbar zu gehen. „Wieso antwortest du nicht?“ Er schob den Vorhang weiter zur Seite und zog ihn direkt zu, nachdem er dahinter verschwunden war.
 

„Ich wollte wissen, ob du noch einmal rufst oder gehst?“, erzählte sie neutral und blätterte eine weitere Seite ihres Buches um.
 

„Fein, was liest du?“ Es war ihm unangenehm, dass sie ihn bereits so gut kannte. Er dachte, sie wäre ohnmächtig, stattdessen testete sie ihn bloß. Weiterhin tippte er knurrend seinen Fuß auf den Boden, immer im selben Takt.
 

Emma, von -“
 

„Jane Austen“, plapperte Draco unüberlegt und überspielte das mit einem Grinsen. Fast wäre ihm rausgerutscht, dass er wusste, wie oft sie dieses Buch schon gelesen hatte, aber im letzten Moment fing sich Draco. Als er sie in den Sommerferien beobachtet hatte, fiel ihm sehr wohl auf, dass Granger die Werke von Jane Austen bevorzugte. Sie hatte in den Ferien dieses Buch ebenfalls gelesen, sowie Stolz und Vorurteil verschlungen und sich danach dem Werk Verstand und Gefühl gewidmet. Daraufhin wollte Draco wissen, wer Jane Austen war – eine Muggelautorin, deren Werke im 19. Jahrhundert geschrieben wurden. „Ich habe auch mal ein Buch von ihr gelesen.“ Schnell überlegte Draco, von welchem ihrer Werke er gelesen hatte - als er über Jane Austen nachforschte -, da er nicht gerade Stolz und Vorurteil oder Verstand und Gefühl erwähnen wollte. „Überredung hieß das Buch.“
 

„Du liest Muggelbücher?“, fragte Hermine frech und legte ihr Buch aufgeklappt auf ihren Schoss. 
 

Nun, dass sie das feststellte, war ihm lieber, als dass sie noch nachfragte, woher er Jane Austen kannte. „Ja, stell dir vor. Ich lese nicht nur dunkle Zauberbücher. Ich kenne sogar andere Muggelautoren.“ Stolz verschränkte Draco die Arme vor seiner Brust, als er zu ihrem erstaunten Gesicht hinab sah. 
 

„Ach ja?“, fragte Hermine lauernd. „Wen denn?“ Nun war sie aber gespannt. 
 

Hätte Draco es nicht besser wissen müssen? Natürlich fragte sie nach und natürlich wartete sie nur auf den passenden Moment, um ihn zu blamieren, doch darauf könnte sie noch lange warten. „Charles Dickens“, schoss es aus seinem Mund, denn dieser Autor war der Einzige – neben Jane Austen –, den er unter den Muggelautoren kannte. „Das ist ein Muggelautor.“
 

„Ich weiß, oder hab ich was anderes gesagt?“, äußerte sich Hermine grinsend und legte ihr Buch zurück auf den Nachttisch. Sie setzte sich aufrecht hin und klopfte mit ihrer Hand neben sich auf die Matratze. Sie tat es völlig unüberlegt und erst im Nachhinein, nachdem die Geste getätigt war, schallte sich Hermine in Gedanken. „Wieso bist du eigentlich hier?“
 

Sie wusste das? Wieso fragte sie dann nach einem Muggelautor? Ja, sie schien praktisch auf einen Fehler von Draco zu warten! „Nun, viel muss ich ja nicht mehr sagen, was Sterling angeht, oder?“ Seine silbernen Augen verwandelten sich währenddessen in ein stürmisches Grau. „Es ist ja nicht so, als ob ich dich nicht gewarnt hätte“, neckte er sie.
 

„Malfoy, was genau willst du mir damit sagen?“, murrte Hermine und hielt in ihrer Bewegung – auf die Matratze zu klopfen – inne. 
 

„Dass“, Dracos Zeigefinger wanderte vor ihr Gesicht und auch sein Körper bewegte sich zu ihr, ganz nah vor ihr Gesicht, „du in Zukunft besser auf mich hörst und nicht immer versuchst, deinen Kopf durchzusetzen, nur weil man dir was Gutes tun will, du aber zu stur bist, solche Warnungen ernst zu nehmen.“ Das Wort beschützen wollte er nicht benutzen. Das klang so persönlich... So vertraut... So intim... „Du bist nicht allwissend und kannst den Menschen nur vor den Kopf schauen – nicht in den Kopf. Merk dir das.“
 

Vor Entrüstung klappte ihr Mund auf. „Ich bin sehr wohl im Stande, auf mich aufzupassen“, skandierte Hermine. Sie war empört, darüber, dass Malfoy offenbar dachte, sie hätte Hilfe nötig oder könnte nicht abwägen, wer oder was gefährlich war. 
 

„Nein, bist du nicht. Wieso hast du sonst den Relaschio benutzt? Was wolltest du damit erreichen?“
 

„Falls du es nicht weißt, der Relaschio passt sich der Zauberwirkung, sowie der entsprechenden Situation an. Soll heißen, dass mein Zauberstab auch heißes Wasser aus der Spitze hätte zaubern können - drittes Schuljahr, Malfoy. Wo warst du nur in Verteidigung gegen die dunklen Künste?“, fragte sie anklagend und hob eine ihrer Augenbrauen. 
 

„Muss ich wohl geschlafen haben, oder meine Hand war im Rock einer Schülerin auf Wanderschaft, wer weiß das schon?“ Sie regte ihn gerade jetzt auf und es würde völlig zutreffen, wenn sie ihm jetzt Eifersucht vorwarf, aber sie wusste nicht, wie egal es ihm war. Sollte sie denken, was sie wollte. Sollte sie in seinem Satz lesen, was sie wollte. Draco war es egal. Er musste morgen, mit drei übermütigen Gryffindors, auf Todesserjagd. Das war Anlass genug, alarmiert und gereizt zu sein.
 

Ihre Augenbraue war immer noch gehoben. Ja, die ganzen Mädchen, die Malfoy in seiner gesamten Laufbahn hier auf Hogwarts hatte, waren beängstigend. Er, der Hochwohlgeborene Malfoy, würde noch einen Rekord darin aufstellen, stellte Hermine mürrisch fest und beständiger als beabsichtigt, klopfte sie wieder auf ihre Matratze. „Willst du dich nicht setzen? Vielleicht kannst du im Sitzen besser mit mir streiten und allem voran mal objektiv bleiben?“, zischte sie abschließend.
 

„Lenkst du ab, weil ich recht habe und Sterling ein Arschloch ist? Du musst mir nicht danken, sondern einfach meinen Befehlen Folge leisten. Ich habe dich gewarnt, dass das mit Sterling nicht gut geht, dass ich diesen Kontakt nicht wünsche und dich niemand anrühren wird, außer mir.“ Er war immer objektiv. Was dachte sie nur von ihm? Dass er passiv war? Nur, wenn es um seine Vergangenheit oder seine Emotionen ging, dann war Draco verschlossen und verlor ab und an auch mal seinen Verstand, wenn sie versuchte, weiter darin herumzubohren, aber ansonsten war er sich immer bewusst, was und wie er es sagte. 
 

Sie ließ ihn aussprechen und war dennoch amüsiert darüber, was er sich alles so in seinem Kopf ausgedacht hatte. „Setzt du dich jetzt endlich, Malfoy? Ich biete dir nicht noch einmal einen Platz an.“ Wieder klopfte sie auf ihre Matratze - zum dritten Mal. Sicher war Malfoy nicht hier, um mit ihr einen Plausch zu halten. Er würde ihr die Neuigkeiten, die sie verpasste, überbringen und kurz verkrampften sich Hermines Zehen, weil sie sich vor den Informationen fürchtete... Wollte sie wirklich alles wissen? Ja, unbedingt.
 

Draco schaute verdutzt zu ihr hinab und ließ sich – mit einem gesunden Abstand – neben sie sinken. Hatte sie plötzlich keine Angst mehr vor ihm? „Du willst aber jetzt nicht mit mir – auf Augenhöhe – kokettieren, oder doch, Granger?“, fragte er blasiert und schenkte ihr ein höhnisches Lachen. 
 

Misstrauisch schielte sie zu ihm herüber. „Nein, ich wollte mich eigentlich für deinen Einsatz in der Mysteriumsabteilung bedanken, du ungehobelter Flegel!“ Nun verschränkte auch Hermine ihre Arme, jedoch aus dem Grund, weil sie beleidigt war. Unbeholfen schaute sie zu dem Mann, der sie immer wieder verunsicherte. Malfoy schaffte es jedes Mal, die Situation zu unterschätzen und Hermine in Bredouille zu bringen. Er war ein unentdecktes Talent, was das betraf und Hermine verglich sich und Malfoy mit zwei Magneten, die jedoch verkehrt herum lagen, die – aber auch nur vielleicht – voneinander abhängig waren.
 

Ungehobelter Flegel? Sie war ja zum Schreien süß. Er schaute ihr in die Augen und was er darin las, ließ seine Glieder erstarren, so weit, dass er davon ausging, seine Atemwege würden nicht mehr richtig funktionieren. Sie bedanke sich bei ihm. Das wollte sie zumindest, wenn er die Situation nicht in ein lächerliches Licht gerückt hätte. Sofort stand Draco auf, obwohl er sich gerade erst hingesetzt hatte und starrte auf Granger hinab. Scheiße, sie meinte das wirklich ernst. Ihre aufrichtige Art machte es ihm unmöglich, länger hier sitzen zu bleiben. Ihr ehrlicher Blick stürzte ihn in ein Chaos!
 

Was zur Hölle tat sie mit ihm? Wieso fiel ihm alles immer schwerer? Er wollte ihr ins Gesicht schreien, ihr erzählen, dass er in Wirklichkeit heute Abend einen Vielsaft-Trank trinken wollte, um an Informationen zu kommen und jetzt? Jetzt saß sie hier, verletzt, und wollte sich bei ihm bedanken. Wofür? Für seine nicht vorhandene Fürsorge? Übergangslos wurde ihm schlecht.
 

„Malfoy? Ist alles in Ordnung?“ Hermine stützte ihre Hände auf ihrem Krankenbett ab und wollte aufstehen.
 

„Bleib sitzen!“, forderte Draco, der ihren Körper anschließend recht widerwillig in ihre Kissen zurückdrückte. Er wollte sie nicht berühren, da es dann zu einer Nähe zwischen ihnen kam, die Draco gefährlich werden konnte, aber er musste auch dafür sorgen, dass sie ihm nicht zu nahe kam. Die ganze Zeit über wollte er sie nur in seinem Bett haben, ging davon aus, dass alles vorbei wäre, sobald er sein Ziel erreicht hätte und jetzt? Jetzt quälte ihn sein Gewissen, das sich mit unendlicher Beißkraft in seinem Kopf festsetze. 
 

„Du bist blasser als sonst“, stellte Hermine erschrocken fest und wollte erneut aufstehen. „Soll ich Madam Pomfrey rufen?“
 

„Leg dich hin! Potter wird dir heute Abend alles erklären“, erläuterte Draco und schlug sich in Gedanken mehrmals ins Gesicht. Nein, er wäre heute Abend derjenige, der ihr alles erklären würde – nur in einem anderen Körper. Merlin, er fühlte sich elendig. Wie ein jämmerliches Stück Dreck und er musste hier weg. Raus aus diesem engen Raum, der ihm eben noch so riesig vorgekommen war. „Pomfrey ist froh, wenn sie mal andere Patienten als Potter, mich oder Longbottom hat, glaub mir. Ihre Hilfe ist nicht nötig.“ Er musste sich fangen.
 

Jetzt! Nicht gleich, sondern jetzt.
 

Ruckartig und schneller als gewollt, verließ Draco den Krankenflügel. Nachdem er vor der Tür ankam, musste er seinen grauen Pullunder ausziehen, sowie die Krawatte, die um den Kragen seines weißen Hemdes lag, von seinem Hals lösen; viel eher zerren. Er eilte die Steinstufen hinab, erreichte das Portrait des blutigen Barons – der die Öffnung in der Steinwand bewachte – und nannte ihm das Passwort, worauf dieser ihn passieren ließ und Draco darin verschwinden konnte. 

 
 

~*~
 

„Draco, das ist ein Himmelfahrtskommando!“
 

Nein, das ging schon die ganze Zeit so, seit er wieder im Kerker ankam und in sein Zimmer geflüchtet war. Offenbar hatte Blaise ihm seine Provokationen am Morgen verziehen – bezüglich der kleinen Weasley. „Nerv mich nicht!“ Draco hatte die Gryffindoruniform bereits angelegt, welche er sich von den Elfen hatte bringen lassen. Die Elfen hatten ihn nur seltsam angesehen, aber etwas zu sagen, dazu waren die Elfen viel zu ängstlich. Auch eine heraufbeschworene Brille lag auf seinem Bett – bereit, zum Einsatz zu kommen.
 

Blaise stand gelangweilt an einem der Bettpfosten, welche hinauf zum Baldachin ihrer Betten reichte. „Interessant. Du kannst dich nicht einmal mehr vernünftig rausreden. Sind wir also schon so weit, ja? Dass du dich nicht mehr artikulieren kannst, sondern die ganze Diskussion beenden willst, ohne, dass diese wirklich begonnen hat?“
 

Hasserfüllt blickte er zu Blaise hinauf. Draco saß angespannt auf seinem Bett. Er hatte alle seine Häuserkameraden aus dem Zimmer geworfen – bis auf Blaise, der sich partout nicht rauswerfen lassen wollte; selbst dann nicht, als Draco ihm drohend seinen Zauberstab vor sein Gesicht hielt. Nicht einmal das schreckte Blaise ab. Nein, er blieb. „Tatsächlich? Alles, was ich die ganze Zeit höre, ist, Draco, Draco, Draco“, affektierte er und hob unterdessen sein Laken an, um den Trank hervorzuholen.
 

„Ich versuche dich vor einer Dummheit zu bewahren, obwohl es mir scheißegal sein könnte, da du auf meine Hilfe ganz deutlich verzichtest. Noch bist du so freundlich und sagst es nicht konkret.“ Blaise näherte sich Dracos Bett, seine Hand legte er auf Dracos Schulter, über die auch er den Trank erblicken konnte. „Du willst das nicht wirklich durchziehen, Draco? Tu mir und Granger das nicht an!“
 

„Dann geh doch einfach?“, schlug Draco vor und füllte den Trank in einen Kelch ab. Die Brühe, die darin schwappte, verursachte einen Brechreiz in ihm und würde der stinkende Geruch noch einmal in seine Nase ziehen, würde er sich übergeben müssen. Soviel stand fest. „Blaise, ich schaff das einfach nicht mehr. Wie oft soll ich dir das noch sagen? Ich kann nicht mehr, verdammt. Willst du es so oft hören, bis deine Befriedigung, mich am Boden zu sehen, endlich gestillt ist?“, argumentierte Draco phlegmatisch.
 

„Du wirst sie gänzlich verlieren, Draco. Du kannst Potter nicht innerhalb weniger Tage imitieren.“
 

„Du weißt nicht, was ich alles kann. Lass mich endlich alleine“, schrie Draco aufgebracht. Verdammt, seine Felle schwammen davon. Erst Granger, die sich bei ihm bedanken wollte und jetzt Blaises Versuche, ihn an seinem Vorhaben zu hindern und an sein Gewissen appellierte. Würde er diesen Trank nicht nehmen, dann würde er Granger verlieren, ja, weil er sie nicht zu kennen schien und er wollte sie endlich kennen; In- und auswendig! Er zweifelte selbst immer mehr daran, das Richtige zu tun, aber seine Überzeugung, hinsichtlich seiner Handlung, war größer... packender. Das zählte und nicht sein erbärmliches Gewissen, das ausgerechnet jetzt auftauchen musste. „Geh, verdammt. Hau endlich ab!“ Schnaubend stellte er den Kelch ab und drehte sich zu Blaise. „Raus!“, brüllte Draco erneut und stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. „Ich brauche Granger, verstanden?“
 

„Wofür?“ Waren sie endlich soweit? Konnte Draco endlich darüber sprechen? Würde Draco jetzt zugeben, dass er in Granger verliebt war?
 

„Granger ist mein Seelenheil, verdammte Scheiße. Ich brauch sie einfach.“ Noch mehr Worte und er würde auf die Knie sinken und weinen. Tränen vergießen, weil er das, was er so sehr wollte, nicht bekam und anscheinend nur mit hinterlistigen Mitteln sein Ziel verfolgen und realisieren konnte. „Ich schaffe es als Draco Malfoy nicht, an Granger heranzukommen!“, schrie Draco weiter. Seine Hand holte aus und er fegte seine Pergamente, die fein säuberlich auf seinem Nachttisch lagen, zu Boden. 
 

„Ruhig bleiben, Draco. Ich bin sicher, wir werden das auch anders lösen können.“ 
 

„Wie?“, wollte Draco wissen und sein Blick verschwamm leicht, jedoch blinzelte er die Tränen, die sich aus seinen Augen drängen wollten, einfach weg. Er durfte jetzt nicht einknicken! Es gab keinen anderen Weg. 
 

„Ic-ich weiß es nicht, aber -“
 

„Raus!“, knurrte Draco und wieder war sein Stab auf Blaise gerichtet. Blaise dachte, man könnte alles anders lösen und doch konnte Blaise ihm kein Beispiel nennen. Allerdings, und das war scheinbar ein Wink mit dem Zaunpfahl, konnte er seinem besten Freund kein Leid zufügen, weshalb er auf Blaise zuging und diesen entschieden zur Tür schob. Als Blaise endlich draußen war, verschloss Draco die Tür. Mit dem Rücken zur Tür gelehnt, sank Draco zu Boden, zog seine Beine an und bettete seinen schweren Kopf auf die Knie. 
 

Zehn Minuten saß er so da, bis er aufstand und zu seinem Kelch schritt. Man durfte ihn nicht so lange stehen lassen. Er zog eine alte Schmuckschatulle hervor, in der er seinen Familienschmuck und Potters Haare aufbewahrte. Grimmig und entschlossen griff er nach den Haaren und streute sie in den bräunlichen Schlamm. 
 

Nachdem das erste Haare die Flüssigkeit berührte, verwandelte sich der Schlamm in eine goldene Flüssigkeit, was Draco fasziniert aufblicken ließ. Er schnappte sich den Kelch und sah der Verwandlung erstaunt zu. 
 

Als alle Haare vollständig in dem Gebräu verschwunden waren, setzte Draco den Kelch an seinen Lippen an. Noch ein letztes Mal schluckte er, ehe der blonde Slytherin den gesamten Inhalt seine Kehle hinab kippte. Er trank alles auf einmal, aus Angst, doch noch einen Rückzieher zu machen. Wenn der Trank schief lief, dann wollte er wenigstens alles getrunken haben.
 

„Bah, na super“, erwiderte Draco, als er alles hinab gespülte hatte und sich mit seinem Handrücken über den Mund rieb. „Jetzt schmeckt Potter auch noch gut!“, beschwerte er sich, denn er hatte gelesen, dass Vielsaft-Tränke niemals gleich schmeckten und immer variierten, je nachdem in was oder wen man sich verwandelte. „Jetzt muss ich mir sogar einen ätzenden Geschmack vorstellen, um Potter nicht noch gedanklich meine Hochachtung zu vermitteln!“, endete Draco und sah seinem Spiegelbild gespannt zu, wie es sich nach und nach veränderte. Wie sich seine blonden Haare in pechschwarze verwandelten und seine Augenfarbe grün wurde.
 

Der Trank war erfolgreich! Er setzte sich die runde Brille auf die Nase und er war verblüfft, wie gut der Trank wirkte. Er war Harry Potter!
 

Für eine Stunde!
 

Mit neu gewonnenem Mut packte Draco seinen Zauberstab und sprach einen Desillusionierungszauber über sich, bevor er sachte die Tür öffnete. Blaise war gegangen, was Draco nutzte. Er sah noch einmal in sein Zimmer und huschte anschließend die Treppen hinab. Ferner ließ er den Gemeinschaftsraum und die Kerker hinter sich. Eilig und zwei Stufen auf einmal nehmend, raste Draco die Steinstufen hinauf, um zu Granger zu eilen.

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  sama-chan
2018-06-19T20:50:55+00:00 19.06.2018 22:50
Oooh jetzt wird es spannend! Sorry - das wird ein kurzer Kommentar. Ich MUSS einfach weiterlesen!


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