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The Warning!

von

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Unüberbrückbare Differenzen

- Kapitel dreizehn -


 

Hermine, Harry und Ron beschlossen gestern Abend, dass man Malfoys Inkompetenz, hinsichtlich der Tatsache, sich nicht mit ihnen an einen Tisch zu setzen, behutsam angehen musste. Sie waren gezwungen, den blonden Schönling bedächtig an die Sache heranzuführen, weshalb Harry vorschlug, beide - Hermine und Malfoy - nach der Arbeit vor dem Kamin abzufangen und den starrsinnigen Slytherin vor vollendete Tatsachen zu stellen. Harry baute auf den Überraschungseffekt, wodurch Malfoy so überrumpelt wäre und einem Gespräch zustimmte. 
 

Der Tag im Ministerium dagegen fing früh an, was Hermine spürte, denn sie hatte noch lange wach im Bett gelegen. Na ja, zumindest konnten sie sich in der Mysteriumsabteilung frei bewegen, was das Ganze angenehmer machte. Hier durften Draco und Hermine wirklich etwas tun, statt Akten zu sortieren. Den Raum der Liebe durften sie nicht sehen, da dort ein so massiver und kraftvoller Liebestrank stand, den man immer noch ausgiebig studierte - obwohl dieser seit Anbeginn dort vorzufinden war. Dumbledore hatte Harry einmal erklärt, dass es in diesem Raum die wahre Liebe gab. Etwas, das Harry im Überfluss vorweisen konnte, Lord Voldemort jedoch gänzlich fehlte. So hatte Harry es jedenfalls Hermine geschildert, wobei sie eher davon ausging, dass Dumbledore meinte, dass Harry - im Gegensatz zu Voldemort - fähig war, zu lieben.
 

Ferner passierten Hermine und Draco besagte Tür - die man weder leicht, noch mit Gewalt öffnen konnte -, woraufhin er ihr hämisch entgegen grinste, was Hermine kopfschüttelnd zur Kenntnis nahm. Malfoy war demzufolge immer noch der Überzeugung, sie würde schwach werden. Sicher war es seltsam, wenn man so plump umgarnt und derjenige auch noch Draco Malfoy war, aber das durfte sie nur insgeheim abschrecken. Dieser Tyrann durfte ihre wahre Angst nicht sehen, unter keinen Umständen. Hinzu kam, was ihr noch mehr Willensstärke verlieh, dass sie keine bedeutungslose Trophäe in Malfoys Vitrine sein wollte - wie die vielen anderen Mädchen... 
 

Folglich kam nach dem Raum der Liebe, die Halle des Todes und Hermines Schritte wurden immer langsamer, immer schwerer und quälender. Hinter dieser Tür begann das unverhohlene Elend. Erinnerungen keimten auf, wie Sirius hinterrücks ermordet wurde - von, wie Sirius einmal zitiert hatte, seiner gestörten Cousine Bellatrix Lestrange. Sie alle, Harry, Ron, Luna, Neville, Ginny und Hermine, mussten mit ansehen, wie Harrys Pate durch den durchsichtigen Vorhang gefallen und nicht mehr zurückgekommen war. 
 

„Wir sollten nachher wieder zur Halle der Prophezeiungen.“ Mit diesem Satz konnte sie sich ein wenig ablenken, wenngleich sie alles – egal, was sie taten – mit Sirius' Tod in Verbindung brachte. Verflixt, wären sie damals nicht überstürzt nach London geeilt, wäre all das nie passiert... Andererseits hätte Harry niemals von dieser Prophezeiung erfahren.  
 

„Wir sollen aber hierher“, erklärte Draco, als sie den nächsten Flur betraten und die Tür, durch die sie hindurch mussten, zum Vorschein kam. 
 

„Wir sollen hierher, um mit den Räumlichkeiten vertraut zu werden. Wir sollen wissen, wie faszinierend diese Stimmen hinter dem Torbogen sind, aber ehrlich gesagt muss ich sie nicht hören. Harry konnte sie damals hören, weil er Cedrics Tod sah und Harry, anhand der Stimmen, leiden zu sehen, war schlimm, Malfoy. Da wir ebenfalls... Menschen sterben sahen, werden wir sie auch hören können“, äußerte Hermine teilnahmslos. 
 

„Ich möchte mich gerne selbst von diesem Leid überzeugen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du hast Angst!“, provozierte er sie und öffnete die Tür. „Willst du lieber draußen warten? Dann gehe ich rein, höre es mir an und komme wieder? Klingt das besser?“
 

„Nein“, erwiderte Hermine pikiert. „Dieser Torbogen übt eine seltsame Faszination aus. Malfoy, bitte, geh nicht rein. Ich sagte doch, dass ich gesehen habe, wie Harry darunter litt.“ 
 

„Ich bin aber nicht Potter. Außerdem wärst du mich los, wenn mir etwas passiert.“ Das war eine Fangfrage und sie war gemein. Draco wusste, wie Granger darauf reagieren würde. In ihren Augen durfte und sollte jeder die Chance haben, ein normales und gesittetes Leben zu führen – auch Draco. Grangers Gütigkeit war so animalisch, und obzwar er ständig behauptete, dass ihr das irgendwann das Genick brechen würde, so war er froh, dass sie eben so war, wie sie war. Selbst wenn sie sich das Genick brechen würde, dann... dann würde er sie eben irgendwie schützen. Punkt! Ungeachtet ihrer Warnung öffnete er die Tür, doch Draco konnte nichts hören – keine Stimmen, keine Manipulationen oder sonst irgendetwas. Alles war stumm und verdammt finster. 
 

„Du kannst nicht einfach so rein spazieren. Dann gehe ich mit, nur um sicher zu stellen, dass du lebend diesen Raum verlässt.“
 

„Ich wusste nicht“, Dracos Hand wanderte zu seinem Herzen, „dass du so besorgt um mich bist.“ Mit der anderen Hand zog er seinen Zauberstab aus seinem Blazer und es nervte ihn, dass er auf seinen Umhang verzichtet hatte, als er sich heute Morgen anzog. Er fühlte sich seltsamerweise nackt und das war verrückt. Früher machte es ihm nie etwas aus und nun? Nun wollte er alles verstecken, wollte, dass man nicht in ihn hinein sehen konnte. Andererseits, wenn er mit Granger... Dann müsste er seinen Umhang ja auch ausziehen... Schluss mit diesen Gedanken, schallte es in seinen Gedanken. Lumos!, flüsterte er beherrscht, nahm unerlaubterweise Grangers Hand und zog sie mit sich in den Raum. 
 

Und Hermine? Sie ließ es einfach geschehen. Einfach so! 
 

„Tja, wäre es nicht so... steinig“, begann Draco lachend, „wäre es ziemlich kuschelig und ich würde auch nichts von dir sehen. Ist ja alles stockduster hier“, kicherte Draco vergnügt weiter, während er weiterhin ihre Hand umschloss. Dass sich ihre Haut doch so zart anfühlte, hatte er nicht bedacht und das war nicht vorteilhaft - vor allem nicht, wenn er zuvor daran dachte, dass sie und er... nackt waren, wenn sie miteinander schlafen würden. Ja, ihre Haut fühlte sich unter seinen Berührungen viel zu gut an und obwohl Draco wusste, wie unrecht er all die Jahre hatte, konnte er es nicht über sich bringen, ihr zu sagen, dass er schon lange wusste, das auch in ihren Adern rotes Blut, statt Schlamm floss.
 

Die junge Gryffindor erwiderte, aufgrund seiner Handlung, noch immer nichts. Sie ließ sich von Malfoy in den Raum, der voller Erinnerungen war, hineinziehen. Nein, sie war erleichtert, dass er sie führte, denn unverzüglich wollte die Kälte des Raums ihren Körper erklimmen, ihn in eisige Kälte hüllen. „Malfoy, hör es dir an und dann lass uns gehen!“ Seine anzüglichen Aussagen ignorierte sie gekonnt. Schließlich hatte sie in all den Jahren gelernt, mit Malfoys Beleidigungen umzugehen, da dürften solche Äußerungen seinerseits eigentlich keine Probleme darstellen.
 

Unterdessen näherte er sich dem steinigen Monstrum, das Granger in Angst und Schrecken versetzte. Noch nie war er hier gewesen und diesen Torbogen kannte er auch nur aus Lucius' Erzählungen, der dem dunklen Lord schildern musste, was genau passiert war – natürlich erst, nachdem der dunkle Lord seinen Vater aus Askaban befreite. An diesem Abend änderte sich schlagartig alles. Lucius war das Vorzeigeschild der Schmähungen und Demütigungen des dunklen Lords geworden. Jedes Mal wurde seine Familie vorgeführt und noch heute konnte Draco das Gelächter hören, als sie alle am Tisch saßen und die restlichen Todesser über sie lachten, wie sie... wie sie sich auf Kosten der Malfoys amüsierten, während das Schlangengesicht am Ende des Tisches saß und alles mit blitzenden Augen beobachtete.
 

Der dunkle Lord hatte alles zerstört - nicht nur Menschenleben löschte er aus, nein, auch die verwundbaren, hilflosen Seelen waren seiner Tyrannei machtlos ausgesetzt worden. Nicht nur Lucius war Zeuge des grenzenlosen Hasses geworden - auch Draco, was schlussendlich dazu führte, dass er derselbe Eisklotz wie sein Vater geworden war. Draco ließ man nicht die Chance, sich für eine Seite zu entscheiden. Man warf ihn dieser Gesellschaftsmaschinerie zum Fraß vor, die ganze Arbeit leistete. 
 

Hätte Draco doch nur einmal Mut bewiesen, dann wäre es ihm gelungen, Dumbledores Hilfe anzunehmen. Diese echte Hilfe, die er ausgeschlagen hatte, weil er zu stolz, zu feige... und zu schwach gewesen war. 
 

Und heute? Hatte er sich geändert? Nein, denn wie Granger schon feststellte, wurde er noch schlimmer, weil er sich in seinem Mitleid suhlte, das er wiederum wunderbar kaschierte, indem er seine arrogante Ader an die Oberfläche ließ, aber... aber... konnte sie nicht zwischen den Zeilen lesen, nicht sehen, wie er sich auf sie verließ? Wie er innerlich darauf hoffte, sie würde erkennen, wie ängstlich, feige und verletzlich er schlussendlich doch war? 
 

„Hast du genug gehört?“, holte Granger ihn zurück in die Realität. In eine schmerzende Realität, die er hinter sich lassen und am besten vergessen sollte. Draco konnte auf nichts glorreiches zurückblicken. Alles, was er hatte, war... war so gesehen Granger. An Granger konnte er sich klammern. Sie zeigte ihm, dass es auch anders ging. Sie war es, die ihn unbewusst lehrte, über den Tellerrand zu blicken und doch konnte er sich nicht ändern, Gott verflucht. Granger, die er in den Ferien heimlich beobachtete, war sein Halt, sein rettendes Ufer. Fast täglich reiste er in den Ferien nach Muggellondon – in einen kleinen Vorort; zu ihr. Bürgerlich, nicht zu arrogant... Am Anfang tat er dies noch, weil er einfach wissen wollte, wie sie damit klar kam – mit ihren Erlebnissen, denn Draco kam nicht gut mit diesem Kuriosum zurecht. Er wurde zu einem Außenseiter degradiert. Seine Familie war gefallen, mit dem Finger wurde auf ihn gezeigt. 'Seht, das ist der Todesser, der Todessersohn von Lucius Malfoy!'
 

„Ich höre gar nichts“, feuerte er zurück, um anschließend wieder nach ihrer Hand zu greifen. Viel mehr krampfte er sich in ihrer Hand fest. Der Trotz sprach aus ihm, weil er in seinen eigenen Gedanken versunken war und die Stimmen ignorieren konnte, ja, das wusste Draco, dem man sowohl einen klugen Kopf, als auch Brillanz – ähnlich wie bei Granger – nachsagte. Sollte er demnach nicht auch langsam mal damit anfangen, diesen Eigenschaften gerecht zu werden? 
 

„Malfoy“, wimmerte Hermine, „du tust mir weh!“
 

Scheiße! Ja, vermutlich tat er ihr gerade weh, weil er ihre Hand umkrampfte, aber er konnte sich auch nicht lösen. Viel zu groß war die Versuchung, ihr endlich nahe zu sein und ihre Nähe anhand der Berührung zu fühlen. Es beruhigte ihn ungemein und Merlin, nein, er wollte ihre Hand jetzt nicht einfach so loslassen. Er wirbelte sie zu sich herum, sodass sie direkt vor ihm stand. Er wollte gar nicht reden, sondern sie einfach nur ansehen – in ihren Augen lesen, ihre Gedanken kennen, aber etwas so banales schien ihm nicht vergönnt zu sein.
 

Säuerlich schaute Hermine zu ihm nach oben und es war qualvoll, zu wissen, dass er sie überragte. Sie fühlte sich so unbedeutend klein ihm gegenüber, dass es ihr schwer fiel, ihn anzusehen. Sie konnte seinem Blick nicht standhalten. Alleine, wie er sie in Position brachte, ängstigte Hermine. Ja, sie fürchtete sich vor Draco Malfoy, vor seiner Gabe, die Menschen anhand eines Blickes zu beeinflussen, weshalb sie erneut den Kampf gegen ihn verlor... 
 

„Sieh mich an, verdammt!“, knurrte Draco und zwang sie, ihn endlich anzusehen. Seine freie Hand hielt ihr Kinn, womit sie gezwungen war, ihn anzusehen und dennoch fand sie Wege... Natürlich, sie war ja auch Granger. Übergangslos schloss sie ihre Augen. „Granger!“ Sein Griff um ihr Kinn wurde gröber. Sieh.mich.endlich.an! Nach jedem Wort pausierte er, um sie noch mehr einzuschüchtern. Er konnte einfach nicht mehr. Und wieso, verfluchte Hippogreifkacke, konnte sie ihn nicht ansehen? Es war die reinste Folter für Draco. „Hörst du die Stimmen?“ Er senkte seinen Blick, bis er sich so nah vor ihrem Gesicht befand, dass er, wenn sie die Augen geöffnet hätte, jeden einzelnen Farbsplitter ihrer Augenfarbe hätte herauskristallisieren können.
 

Sein warmer Atem kitzelte ihre Nase, was sie dazu bewog, endlich ihre Augen zu öffnen und sie hätte es wissen müssen. Er stand ihr so nah, ihre Gesichter waren so nah beieinander, dass man die dazwischen befindliche Luft hätte schneiden können, woraufhin sie scharf nach Luft schnappe. Die Angst saß in ihren Knochen, welche sich durch ihren gesamten Körper zog und abermals von ihr Besitz ergreifen wollte. Dahin war ihr Entschluss, Malfoy keine Angst zu zeigen. Jawohl, sie konnte dabei zusehen, wie ihre Entschlossenheit seelenruhig davon schwamm.
 

„Nein!“ Draco rüttelte sie. „Du fällst nicht noch einmal in diese Starre! Was ist los mit dir? Bin ich so abstoßend, dass du mich nicht einmal ansehen kannst? Sag es mir, Granger! Was mache ich falsch? Irgendetwas muss es geben, denn Sterling kannst du ja auch ununterbrochen ansehen.“ Endlich! Das holte sie zurück. Sie schaute endlich zu ihm auf, in seine schiefergrauen Augen. „Was?“, blaffte er. „Glaubst du, es fällt mir nicht auf, wie du diesen Wichser ansiehst?“
 

Klasse! War das – wie Blaise es so gerne ausdrückte – Eifersucht? Oder doch nur ein Totalschaden seiner Nerven, die zerfleddert in der Ecke lagen? Tja, wer wusste das schon? Jetzt fehlte nur noch seine Entourage – bestehend aus Blaise, Goyle und Pansy –, die sich um ihn aufstellten, bevor sie ihm ins Gesicht brüllten, wie recht sie doch hätten, bezüglich der Eifersucht... Sie hätten es ihm doch gesagt... Ja, verdammt. Blaise sagte es ihm fast täglich, maßregelte und nervte ihn ständig. Pansy warf ihm vor, er würde sich nicht für seine Freunde interessieren. Sie sagte, er könnte nicht alles alleine lösen. Doch, denn er tat nie etwas anderes. Und Goyle? Nun, er hatte es immerhin verstanden und mischte sich nicht ein. Aber wieso sollten Blaise und Pansy das beherzigen? 
 

Endlich konnte sich auch Hermine losreißen, nachdem sie ihn zur Seite stupste. „Was redest du da?“, keuchte sie erschrocken, bevor sie die Falten ihres Blazers glättete, die entstanden waren, als Malfoy sie schüttelte. 
 

Ach, jetzt tat sie so, als wüsste sie von überhaupt gar nichts? „Granger“, Draco sackte belustigt in die Knie, ehe er sich wieder zu seiner vollen Größe aufbaute, „war ich immer noch nicht deutlich genug?“
 

Augenrollend stemmte sie ihre Hände in die Hüften. Schrittweise kam ihre Sicherheit zurück, zum Glück. „Man könnte meinen, du wärst eifersüchtig, Malfoy. Was interessiert es dich, wen ich wie ansehe? Und noch was: Du kennst mich kein bisschen. Du weißt nicht, wie ich jemanden ansehe, den ich -“ Nein, genug. Wieso unterhielt sie sich ausgerechnet mit Malfoy darüber?
 

Ha! Wäre Blaise hier, würde er Granger applaudieren, da sie Blaises Worte eins zu eins wiedergab. „Oh doch, das weiß ich. Potter, Weasley und“, seine Augen verdunkelten sich, als sie beide einen dunkleren Ecken erreichten, in welchen Draco sie drängte, „mich siehst du niemals so an!“ Ja, kennen war über das Ziel hinausgeschossen, das stimmte, aber wüsste sie, dass er sie beobachtet hatte und sie aufgrund dessen hinter ihrem Rücken kennenlernte, dann... dann würde sie zurecht Reißaus nehmen. Merlin, er kannte ihre Lieblingslektüre und wusste sogar, dass sie Cappuccino trank. Was auch immer Cappuccino sein mochte, aber er wusste es! Und Granger? Sie trieb ihn an den Rand des Wahnsinns, bei Merlin, ja, das tat sie – und sie hatte offenbar kein schlechtes Gewissen deswegen. Zu keiner Sekunde, obwohl sie wusste, was er von ihr wollte.
 

„Malfoy, du bist nicht mehr ganz bei Trost. Erwartest du Rechenschaft? Was soll das?“ Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie wirklich von Eifersucht ausgehen, aber das war absurd. Dank seiner eigenen Andeutungen war sie über seine Absichten bestens im Bilde. Seine Taktik, ihr Vorwürfe zu machen und den eifersüchtigen, pubertären Teenager zu spielen, bewirkte rein gar nichts. „Ich sage es dir jetzt zum allerletzten Mal. Lass mich endlich in Ruhe. Wir arbeiten hier nur zusammen. Bilde dir nicht ein, dass das etwas ändert, nur weil wir gezwungenermaßen an einem Strang ziehen!“
 

„Ich könnte dich auch einfach so nehmen?“, schlug er lasziv grinsend vor.
 

Hermines Mund öffnete sich perplex. Was sagte er da? Sofort trat sie irritiert zurück. „Das wagst du dich nicht!“ Unverzüglich zückte Hermine ihren Zauberstab – jederzeit kampfbereit, obwohl sich ihre Glieder wie Blei anfühlten. 
 

Fast wäre ihm seine Kinnlade zu Boden gefallen. Sie traute ihm diese Perversität zu? Wirklich? Sofort verwandelte sich sein Grinsen in einen bösen Gesichtsausdruck. Müsste nicht jetzt Blaises Stimme schreien? Ihn endlich auffordern, sich umgehend zu ändern, wenn sie schon so weit war, so etwas abartiges von ihm zu denken? Aber... es geschah nichts. Kein Blaise stand hinter ihm, der ihm die Worte schreiend eintrichtern konnte. Stattdessen sah er Granger, wie sie vor ihm stand und den Stab auf ihn richtete – jederzeit bereit, einen Fluch auf ihn zu hetzen, wenn er einen Schritt auf sie zugehen würde. 

 

„Hast recht!“ Seine Arme hingen schlaff an seiner Seite. „So abartig bin selbst ich nicht, auch wenn du das in mir siehst.“ Es kotzte ihn an. Er musste sich dringend in Potter verwandeln. 
 

Wie schnell er seine Stimmungen ändern konnte. Hermine begriff es einfach nicht, aber sie würde mitspielen – so lange könnte sie wenigstens wieder Kraft sammeln. Sich wappnen und im richtigen Augenblick, sollte es zu gefährlich werden, zuschlagen. „Das... das denke ich nicht von dir.“
 

„Lügnerin, aber ich kann es dir nicht einmal verdenken. Ich frage mich nur, wieso du dir ausgerechnet jemanden aussuchst, der ebenfalls groß gewachsen ist, blonde Haare und blaue Augen hat – gut, mit blauen Augen kann ich nicht dienen, aber ansonsten sind wir uns recht ähnlich“, kommentierte Draco, nachdem seine Stimme ruhiger wurde und sein Körper hinuntergekühlt war. Abschließend nahm er eine lässigere Haltung an. Er merkte, dass er sie mit seiner Strenge einschüchterte und immer mehr widerstrebte es ihm, sie in Angst zu versetzen. Der Torbogen, weswegen sie eigentlich hier waren, war längst vergessen... 
 

„Er ist nett!“ Nun rechtfertigte sich Hermine ja doch. 
 

„Nett?“, grinste Draco, doch waren seine Augenbrauen in die Höhe geschossen. „Nett ist die kleine Schwester von Scheiße. Merlin, ich bin überdurchschnittlich nett, wenn man mich lässt.“
 

„Willst du mir etwa damit sagen, dass ich vorsichtig sein soll, was Robin Sterling betrifft?“ Was für eine Wendung nahm dieses Gespräch bitte an? Das war ja nicht das erste Mal, dass Malfoy plötzlich von aggressiv auf fürsorglich umschalten konnte, aber es verwirrte Hermine nach wie vor, dass er so flexibel war, angesichts seiner Stimmung.
 

„Gott bewahre, nein. Du hörst ja sowieso nicht auf mich“, beteuerte Draco stoisch. Er trat ein wenig zur Seite und gewährte ihr, an ihm vorbeizugehen. Als ob er etwas dagegen tun könnte. Schön wäre es, wenn sie das täte, was er wollte, aber sie tat es ja nicht und Zwang zählte nicht zu seinem Repertoire.
 

„Gut. Können wir zurück?“, wollte Hermine wissen, während eines ihrer Beine hin und her wippte, um ihre Nervosität zu verschleiern. Der Ort war grauenvoll. Hinzu kam Malfoys Art, die sie zusätzlich verunsicherte. „Wir sollten uns die Prophezeiung noch einmal ansehen. In Ordnung?“
 

„Könnte das nicht auffallen, wenn wir ständig in dieser Halle herumschwirren?“, stellte Draco die Gegenfrage und war auf ihre Antwort gespannt. Schon am ersten Tag beschloss er, nicht weiter auf ihre Kleidung zu achten, aber dieser weiße Blazer... Merlin, er leckte sich die Finger nach ihr. Ihre goldbraunen Haare lagen anmutig auf ihren Schultern und der weiße Blazer wusste ganz genau, welche Wirkung er zu erzeugen hatte. 
 

Von all dem Ärger abgesehen, war Hermine froh, dass wenigstens ihre Mutter aufgegeben hatte, denn es kam kein einziger Brief, seit sie in Hogwarts angekommen war. Dieser Stress hätte ihr jetzt, in diesem Tohuwabohu, gerade noch gefehlt. „Nein“, erwiderte Hermine. Zu schnell. Zu laut. Zu übereifrig. 
 

„Also ja“, schloss Draco aus ihrer hektischen Antwort und marschierte zur Tür.
 

„Ich habe nein gesagt! Schließlich arbeiten wir hier“, echauffierte sich Hermine und folgte ihm. Sie lief ihm hinterher, ohne in Betracht zu ziehen, dass er plötzlich anhalten könnte. Denn genau das tat er, weswegen sie gegen seine Brust stieß und hätte Malfoy nicht geistesgegenwärtig seine Hand nach ihr ausgestreckt, wäre Hermine durch den Zusammenstoß auf ihrem Hintern gelandet.
 

„Wenn“, begann Draco und hielt ihr Handgelenk behutsamer fest, „du in meiner Gegenwart nein sagst, muss ich vom Gegenteil ausgehen. Denn insgeheim sind wir öfters einer Meinung, als du es wahrhaben willst“, stellte er entschlossen fest und strich mit seinem Daumen über ihr Gelenk. „Du bist einfach zu stur, um zuzugeben, dass wir viel öfter einer Meinung sein könnten. Auch wenn ich gestehen muss, dass ich recht beeindruckt war, als wir uns gestern das erste Mal einig waren und du keine nervtötende Xanthippe warst.“
 

Ach, war das gerade ein verstecktes Kompliment? „Das wird aber als Kompliment gewertet!“, antwortete Hermine bissig und gestattete Malfoy ein weiteres Mal, sie zu berühren. 
 

„Kannst du so auffassen.“ Niedlich. Sie umging seinen Einwurf, denn Draco dachte noch viel weiter. Er dachte, nein, er hoffte vielmehr, dass ihre Starrköpfigkeit ein Schutzmechanismus war, weil sie tatsächlich zu feige war, um zuzugeben, dass sie ihm doch näher kommen wollte. Okay, sie stritt es immer ab, dennoch hatte Draco genug Hoffnung übrig, um zu glauben, dass sie ihm nur nicht näher kommen wollte, weil sie sich schämte.
 

Skeptisch schielte sie zu ihm herüber. Immer noch zog sein Daumen sanfte Kreise um ihr Gelenk. „Ach, das stört dich nicht?“ Immer noch schwang ein Hauch von Bissigkeit in ihrer Stimme mit.
 

„Sollte es? Du wirst Potter und Weasley wohl kaum erzählen, dass ich dir ein Kompliment gemacht habe“, entgegnete Draco und ließ ihre Hand los. „Ich würde nicht mehr hier stehen, gut aussehend und charmant, wenn deine beiden Helden von allem wüssten.“ Das war ein Faktum! Und Draco traf mitten ins Schwarze und Merlin, er genoss ihren erschrockenen Blick, wonach sie reumütig nach unten sah. „Ich habe also recht“, bemerkte er abermals grinsend und öffnete die Tür. Ganz der Gentleman, ließ er ihr den Vortritt.
 

„Das kann sich ganz schnell ändern!“, drohte sie in seine Richtung, als sie mit erhobenem Kinn an ihm vorbei marschierte. 
 

„Das bezweifle ich“, rief er ihr nach, bevor er zu ihr aufschließen konnte, doch das war nicht nötig, da sie diejenige war, die abrupt anhielt. Mit offenem Mund, aber einem dezenten Lächeln auf den Zügen, wandte sie sich um und hob ihre Hand, aber auch hier würde Draco ihr zuvorkommen. „Du hättest es längst getan, Liebes!“, quittierte er nach wie vor lachend. „Meine Avancen scheinen dich demnach nicht allzu sehr zu stören.“
 

„Doch, Malfoy. Doch, sie stören. Sie stören mich, meine Umgebung, meine Gefühle, meinen Verstand und meine Rationalität!“
 

„Dann habe ich mein Ziel erreicht, wenn ich etwas in dir auslöse“, ergänzte er mit ausgebreiteten Armen und einem sardonischen Grinsen.
 

„Alles was du erreichst, ist, dass ich noch mehr genervt bin. Hinzufügen möchte ich, dass die Frage, weshalb du all das tust, in meinem Kopf festsitzt. Du weißt, ich bin keine Jungfrau. Du weißt, ich bin genervt von dir und ich sehe nichts anderes, als einen tiefen Stachel, der Hogwarts zum Bluten gebracht hat, in dir“, erklärte sie schnaubend. 
 

„Ich habe es mir eben anders überlegt“, erklärte er völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Draco bezog sich auf seine Aussage, dass Jungfrauen reizvoll waren und daher sein damaliges Interesse ihr gegenüber rührte. Auch wollte er lässig klingen, allerdings hörte man seinen rauen Unterton deutlich heraus. „Ich kann, sobald du dich mir endlich nicht mehr verwehrst, Dinge mit dir tun, die Jungfrauen nicht mögen.“
 

Haltung, Hermine! Haltung! 
 

Die Wände... Die schwarzen Steinwände kamen immer näher... Immer schneller... In einem rasanten Tempo kamen die Wände auf Hermine zugerast. 
 

Nicht die Nerven verlieren. Nicht jetzt. Nicht vor Malfoy!
 

„Du... du hast gesagt, dass du mich nur interessant fandest, weil du dachtest, ich sei Jungfrau.“ Oh Gott, das Gespräch entwickelte sich immer mehr in eine Richtung, die Hermine unangenehm war. 
 

„Ich bin ein Slytherin? Ich sage viel, wenn der Tag lang ist“, wehrte er ab. Oh, das war doch eine gute Epiphanie, dachte Draco dumpf. Nun, sie war bis zu dem Zeitpunkt gut, bis er sie Granger auf einem Silbertablett servierte.
 

„Das muss doch langweilig werden, nicht?“ Eigentlich wollte sie diesen Satz nicht fragend stellen, sondern eine Feststellung formulieren. 
 

„Ja“, antwortete er monoton. Das war eine glatte Lüge, aber wollte er ihr auch noch erzählen, dass es ihm Spaß machte, sie zu jagen? Gewiss nicht! Da wäre er ja völlig neben der Rolle. Soweit war Draco noch lange nicht. 
 

„Dann -“, wisperte Hermine. Was? Es wurde langweilig und trotzdem gab er nicht nach?
 

„Ja?“
 

Ohne weiter darauf eingehen zu wollen, drehte sie sich um und ging weiter. „Ich will nicht mehr mit dir sprechen, Malfoy!“ Oh, was würde nur passieren, wenn sie aus dem Kamin kamen und Harry und Ron da stehen würden? Oh je, besser nicht daran denken. Das schneeweiße Lächeln, das er ihr im Anschluss schenkte, war die Spitze des Eisbergs. Oh, dafür hätte Hermine ihn – wie im dritten Schuljahr – gerne geschlagen. Ihre Eltern wären neidisch, wenn sie seine weißen Zähne sähen. Ha, folglich kam ihr ein lustiger Gedanke. Sie stellte sich vor, wie Malfoy in der Praxis ihrer Eltern säße und sich behandeln ließ. 
 

„Urkomisch, Granger. Zum Brüllen. Gib doch einfach zu, dass dir die Argumente ausgesehen, aber ich bin gespannt, wie lange du dich an deine eigenen Prinzipien hältst. Ich würde auf meine Uhr sehen, um die Zeit zu stoppen, aber -“
 

„Sei ruhig, Malfoy!“, fauchte Hermine. Malfoy war wirklich ihr rotes Tuch, wie sie immer wieder feststellen musste. 
 

„Wie schlecht. Keine zehn Sekunden durchgehalten. Willst du noch einen Versuch?“
 

Wutschnaubend drehte sich Hermine zum wiederholten Male um. „Leidest du an irgendeiner Wahrnehmungsstörung, oder wieso änderst du ständig deine Stimmung?“
 

„Es fällt mir unheimlich schwer, wenn du so garstig bist, ernst zu bleiben. Das erleichtert mir vieles, Granger. Wirklich. Wärst du nicht, müsste ich eine Menge Alkohol trinken, um mein erbärmliches Leben halbwegs erträglich zu machen. Du bist sozusagen mein Alkohol“, erzählte er im Plauderton, doch auch das war gelogen. Draco wurde, sobald er Alkohol trank, aggressiv. Aber in gewisser Weise war Granger wohl doch sein Alkohol. Oft machte sie ihn wütend, wenn man nur an ihre Schwärmerei für Sterling dachte. Der Gedanke brachte Draco schon zum Kochen – dieser... Draco fand keine passende Injurie für dieses Arschloch. 
 

„Du... Du“, schnaufte sie.
 

„Sprich dich aus, Liebes.“ Draco bereitete seine Arme aus. „Wir sind gerade unter uns.“
 

„Der Klügere gibt nach“, konterte Hermine siegessicher. Um dem ganzen mehr Nachdruck zu verleihen, hoben sich ihre Mundwinkel, sodass ein anmaßendes Grinsen entstand. Angrenzend machte sie auf dem Absatz kehrt und ließ Malfoy wieder stehen. 
 

Dass sie ihn stehen ließ, störte ihn nicht. Sobald er sie provozierte, würde sie sowieso stehen bleiben und ihm Gehör schenken. Wozu also Wut, wenn sie unnötig war? „Deswegen regieren die Dummen die Welt! Ja, ja, ich weiß.“
 

Fassungslos blieb Hermine stehen. War das sein ernst? „Malfoy, es reicht! Versuch nicht, mit mir über Politik zu sprechen. Du bist unfreundlich, du hast keinerlei Kompetenz, welche dir gestatten könnte, dieses Thema überhaupt anzuschneiden. Darüber hinaus bist du ein Xenophobiker, der sich gegenüber ‚Fremden‘ ein negativ konnotiertes Fremdbild geschaffen hat. Der Unterschied ist, dass sich dein Hass gegen Muggel, statt eine gesamte Nationalität richtet. Rassismus der obersten Güte. Ihr Reinblüter seid viel zu borniert, um aus Fehlern der Muggel zu lernen! Du willst ernsthaft mit mir darüber diskutieren, dass die Dummen die Welt regieren? Soll - in deinem Jargon - heißen, dass Todesser die besseren Regenten gewesen wären?“ Sie hatte sich in Rage gesprochen. „Willst du das damit sagen? Wenn ja, dann widerst du mich jetzt nur noch mehr an. Du fragst dich, wieso ich mich gegen eine sexuelle Bindung zu dir sträube?“ Wäre Hermine ein Stier, hätte man spätestens jetzt die ausgeschiedene Luft aus ihren Nasenlöchern sehen können. „Weil ich eine Muggelgeborene bin, die ihre Herkunft verraten würde, wenn ich mit einem wie dir“, sie betonte dieses dir, spuckte es förmlich aus, „schlafen würde, gar andere Gefühle, als Verachtung, zulassen würde.“ Tränen bildeten sich in ihren Augen und es war ihr egal, dass es Malfoy war, der ihre vergossenen Tränen sah. Zuerst unterhielten sie sich noch normal und nun stand sie hier, und weinte vor Malfoy.
 

„Du verstehst mich falsch.“
 

„Oh nein“, erwiderte Hermine herrisch. „Bestimmt nicht, Malfoy! Bestreitest du, dass du immer noch an die Ideale von Voldemort glaubst? Wenn du das abstreitest, dann ist das eine große Lüge, da du ihn nicht einmal beim Namen nennen kannst. Du zollst ihm weiterhin Respekt, indem du sein Pseudonym verwendest, das er euch Todessern aufgezwungen hat.“
 

„Du benutzt doch auch eines seiner Pseudonyme.“
 

„Ja, weil das ein Pseudonym war, mit welchem er Angst und Schrecken verbreiten wollte. Niemand sollte - vor lauter Angst - diesen Namen, außer er selbst, aussprechen dürfen. Hast du dich nicht gefragt, weshalb wir gefunden wurden, nachdem man uns zu dir nach Hause gebracht hatte? Weil Voldemort wusste, dass wir seinen Namen laut sagen. Ihm war klar, dass wir - und viele andere - seinen Namen, an dem so viel Blut klebt, aussprachen und ahnungslos wie er war, wusste er sich nicht anders zu helfen, als den Namen mit einem Tabu zu belegen. Dieses Tabu ermöglichte unsere Entdeckung erst, du unwissender, naiver Junge!“, schrie sie ihm entgegen. Eine Träne nach der anderen rollte über ihre blasse Wange. 
 

Dass er sie aufgrund einer albernen Redewendung, die er übrigens aus Muggelkunde kannte, ins Chaos stürzen konnte, war ihm nicht bewusst. Es tat weh, sie so zerstreut und zerrüttet zu sehen... Ihre Tränen waren so schmerzhaft. Es fühlte sich an, als wären ihre Tränen messerscharfe Klingen, die sich in Dracos Haut schneiden wollten. Sie warf ihm Dinge an den Kopf, die vermutlich der Wahrheit entsprachen, er jedoch nicht damit umgehen konnte. Nur kurz verspürte er das Bedürfnis, sie in den Arm nehmen, aber sie war so... unfair, fand Draco. „Naiv nennst du das? Wenn du schon urteilst, dann bleib bei den Themen, von denen du was verstehst!“, knurrte Draco ärgerlich. Sie verstand nichts. Gar nichts! Sie kannte nur die helle Seite. Vielleicht auch noch irgendeinen Schund aus ihren geliebten Büchern. „Weißt du irgendwas von der dunklen Seite? Und ich rede nicht von irgendwelchen sinnlosen Phrasen, die in Büchern niedergeschrieben wurden, von irgendwelchen Idioten, die ebenfalls nur die eine, glänzende Seite der Medaille kennen wollen. Aber Überraschung, Granger, eine Medaille hat immer zwei Seiten.“ Während sie sich wieder stritten, liefen sie die Flure immer weiter. Ganz hinten konnte Draco die Tür erkennen, die sie zur Halle mit den Prophezeiungen führte. „Du weißt gar nichts, Granger. Hör auf, über Dinge oder Situationen zu urteilen, von denen du nicht im Ansatz weißt, was vorgefallen war. Während du dich nämlich mit Potter und Weasley versteckt hast, hatten andere wirkliche Probleme! Wir konnten uns nicht in dichte Wälder, versteckt in einem Zelt am warmen Feuer, zurückziehen. Und ja, verdammt, wir haben nichts vom zweiten Weltkrieg gelernt, doch schiebe mir das nicht in die Schuhe. Als der Krieg unter den Zauberern ausbrach, war ich noch gar nicht geboren. Die Generation vor uns -“
 

„Schwachsinn. Kompletter Schwachsinn!“, unterbrach Hermine ihn hart und mit Tränen in den Augen. „Sag nicht, dass unsere vorherige Generation Fehler gemacht hat. Unsere Generation hätte sich dagegen wehren können. Hast du das, Malfoy? Hast du dich dagegen gestellt? Nein, ihr habt euch rekrutieren lassen!“
 

„Schluss!“, brüllte Draco und zog seinen Stab, den er konsequent auf Hermine richtete. „Du begibst dich auf sehr dünnes Eis.“ Ja, verdammt. Draco sah selbst ein, dass er falsch gehandelte hatte, dass er sich... für die falsche Seite entschieden hatte. Sie musste das nicht immer und immer wieder mit ihren ach so tollen Analysen dramatisieren. 
 

„Wenn du keine Argumente mehr hast, löst du es also auf diese Weise?“
 

„Nein, ich werde dich höchstens mit dem Silencio belegen, damit du deine vorlaute Klappe hältst! Küssen ist dir ja unangenehm, und führt dazu, dass du einen Knoten ins Höschen bekommst, aus Angst, du könntest doch schwach werden und mit mir schlafen wollen!“ Nachdem sie nichts erwiderte, steckte er den Stab zurück. Nun war sie es also, die keine Argumente mehr fand. Interessant, aber dieses Wissen aussprechen? Niemals. „Tut weh, die Wahrheit, was? Ich will mich gar nicht mit dir streiten. Jedenfalls so lange nicht, bis wir diese Glaskugel-Horkrux-Geschichte nicht bewältigt haben, aber Merlin, Granger, du machst es einem nicht leicht.“ Das stimmte nur zum Teil. Draco wollte, dass sie nicht mehr weinte und das schien nur zu funktionieren, wenn er aufgab und ihr sagte, dass er nicht weiter streiten wollte - zumindest hoffte er, dass sie dadurch aufhören würde zu weinen. Auch wenn ein Teil in ihm schrie, dass er sie endlich in seine Arme ziehen sollte, wehrte sich der Teufel auf seiner Schulter erfolgreich dagegen. „Wenn das erledigt ist, können wir uns gerne wieder angiften, bis wir schlussendlich doch miteinander Sex haben und ja, Granger, Sex! Keine Liebe machen oder miteinander schlafen. Einverstanden?“, bemerkte er amüsiert, als wäre zehn Sekunden vorher nichts gewesen. 
 

Empört darüber, richtete sie ihr Gesicht kommentarlos nach oben und stolzierte durch die Tür, ohne darauf zu warten, bis Malfoy sie öffnen und ihr den Vortritt lassen würde. 
 

Knapp verdrehte er die Augen, bevor er ihr folgte. „Du wärst eine perfekte Reinblüterin, Granger. Du bist genauso arrogant und anmaßend!“ Und stur, fügte er in Gedanken hinzu.
 

Augenblicklich sank ihr Gesicht nach unten gegen ihre Brust, sie verzog säuerlich ihren Mund, jedoch ging sie nicht weiter darauf ein. Es reichte schon, dass sie vor Malfoy weinte. Mehr demütigen musste sie sich selbst auch nicht. Sie wollte sich nicht weiter beeinflussen oder einschüchtern lassen und setzte ihren Weg fort, bis zu dem Regal, welches sie zwang, endlich wieder rational zu denken. Das Regal, das ihre Intelligenz herausforderte, jawohl. Ohne auf ihn einzugehen, marschierte sie zur Reihe einhundertfünf. Im siebten Regal hatten sie die Kugel zurückgelassen. Fieberhaft suchten ihre Augen nach dem grauen Nebel und dem leeren Pergament. Malfoy, der mit verschränkten Armen und amüsiertem Blick neben ihr stand, half ihr keinen einzigen Moment. Viel mehr brachte er sie aus dem Konzept, wie er da stand und einfach nichts tat. 
 

Hermine kniff ihre Augen zusammen, nur um festzustellen... „Die Kugel ist verschwunden“, resignierte sie nüchtern. 
 

„Was?“ Seine saloppe Haltung verschwand und auch seine Arme entwickelten ein Eigenleben. Er stellte sich direkt neben sie und seine Hände griffen nach jeder Kugel, die er zu fassen bekam. „Das...“ Draco suchte immer weiter. Wiederholte die Prozedur und untersuchte wieder jede Kugel. „Das ist unmöglich!“ Seine grauen Augen waren aufgerissen vor Verwunderung. 
 

„Sie ist nicht da!“, verdeutlichte Hermine leicht panisch. „Du kannst alle Kugel noch fünf Mal anfassen. Sie ist einfach nicht mehr da!“
 

„Jetzt bleib ganz ruhig, Granger.“ Draco wollte keine neue Panikattacke von ihr miterleben, weshalb er seine Hand versöhnlich, aber auch beruhigend auf ihre Schulter legte. „Vielleicht sind wir in der falschen Reihe.“
 

Nein, nein, nein! Sie waren nicht in der falschen Reihe. Hermine hatte sich die Reihe extra gemerkt. Hatte sich die Reihe eingeprägt, nur um am Ende sicher sagen zu können, dass sie richtig waren. Auch wenn sie mit diesem Ausgang nicht rechnete, so ging sie immer vom Schlimmsten aus und prägte sich alles genau ein, um solche Aussagen zu widerlegen, die Malfoy gerade von sich gab. 
 

Gleichzeitig vernahm Draco ein Geräusch, was ihn veranlasste, sich schlagartig, mit gezücktem Zauberstab, umzudrehen. Er schritt sofort zu Granger, packte sie um ihre Taille und legte seine Hand, in der sich sein Stab befand, auf ihren Mund, um sie am schreien zu hindern. „Schhhh!“, flüsterte Draco in ihr Ohr. 
 

Da Hermine so vieles wissen wollte, hatte sie auch alles über Schweißdrüsen und deren Funktionen gelesen, doch nie fiel ein Wort darüber, wie schnell sich Schweißperlen bilden konnten. Auf ihrer Stirn sammelten sich bereits welche an und Malfoys Hand lag auf ihrem Mund. Sofort dachte sie an die Zugfahrt nach Hogwarts. Was war passiert? Hermine selbst konnte es nicht einordnen, sie hatte nichts gehört. Anders sah es wohl bei Malfoy aus. Er schien höchst konzentriert zu sein. Seine Hand lag ruhig auf ihrem Mund – kein Zittern ging von ihm aus, während Hermine am liebsten sofort los gelaufen wäre, um den Ursprung des Geräuschs aufzuspüren. Gerade erst waren die Tränen von eben versiegt, schlugen sich bereits neue hervor – aus Angst. Angst vor dem Ungewissen... 
 

„Bereit, mich ein Stück zu begleiten?“, hauchte Draco energischer als zuvor in ihr Ohr. Seine Hand lag ganz sanft auf ihrem Mund. Er presste sie nicht darauf, auch übte er keinen Druck aus, nein, er wollte nur nicht erwischt werden. Womöglich war derjenige, der die Prophezeiung wegnahm, noch hier und hatte ihn und Granger noch nicht gesehen, denn in einem glaubte er Granger – sie irrte sich nicht. Schon gar nicht, wenn es um diese Kugel ging. Nein, sie waren definitiv in der richtigen Reihe und die Kugel war eindeutig verschwunden.
 

Ihr Kajal, sowie ihre Wimperntusche waren aufgrund der vielen Tränen bereits verschmiert und hinterließen schwarze Linien auf ihren Wangen, als sie Draco leicht zunickte. 
 

Gemeinsam gingen sie auf leisen Sohlen durch die Flure. Dracos Stab war erloschen, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Längst hätte er sie loslassen können, doch er wollte nicht. Er wollte – wie Potter oder auch der dämliche Weasley – wenigstens einmal ihr Held sein und sie vor Unheil bewahren, auch wenn sie das niemals glauben würde. Aus dem Grund sah er auch davon ab, ihr genau das zu sagen, nachdem sie so viele Flure ausgekundschaftet hatten und er schlussendlich seine Hand von ihren weichen Lippen nahm. Ja, es gab keinen Grund, sie länger zu berühren...
 

„Erklärst du mir jetzt, was los war?“, keuchte Hermine, deren Atem raste und ihr Herz Salto schlug. Es war mehr als betrüblich, wenn man sein eigenes Leben in die Hände eines anderen legte und demjenigen auch vertrauen musste. Das kannte sie sonst nur von Harry und Ron. Ihnen würde sie ihr Leben blind anvertrauen, aber wieso tat sie das bei Malfoy? 
 

„Irgendjemand war hier. Ich habe Schritte gehört.“
 

„Ich habe niemanden gehört.“
 

„Dann hast du ein schlechtes Gehör, Granger“, erklärte er trivial. Gut dass ihr Gehör, im Gegensatz zu ihrem Gehirn, nicht perfekt war. Man müsste nur überlegen, was wäre, wenn sie ihn erwischt hätte, als er sie in den Ferien beobachtet hatte. Ebenso hatte Draco die Befürchtung, dass derjenige - der mit ihnen in diesem Raum war - sich im Verbergen auskannte, anders war es nicht zu erklären. Draco selbst wusste, wie man sich im Dunkeln verhielt und wie man auch im Dunkeln blieb – somit war er im Vorteil. So schnell konnte man ihm darin nichts vormachen. Auch er wusste, wie man vorging, um unerkannt zu bleiben.
 

Geflissentlich überging sie seinen Seitenhieb. Sollte sie ihn stattdessen vorwarnen, wegen Harry und Ron? Sie könnte es ja ganz anders aussehen lassen. „Glaubst du nicht, dass wir jetzt mit Harry und Ron sprechen sollten? Jetzt, wo diese blöde Kugel weg ist?“
 

„Wozu?“, sprach er in normaler Lautstärke. Niemand war mehr hier, jedenfalls nicht in Hörweite. „Potter und Weasley können nichts ausrichten.“ Dennoch blieb Draco vorsichtig. Immer wieder schaute er nach links und rechts, er sah über seine Schulter, um auch die kleinste Bewegung wahrnehmen zu können. 
 

„Nein, das nicht, aber vielleicht haben sie einen Plan?“, schlug Hermine vor und hoffte inständig, dass Harry wusste, was er tat. Sicher war, dass Malfoy nicht begeistert wäre, wenn er aus dem Kamin stolperte und praktisch in Harrys Arme fiel.
 

„Ich werde mich dafür später selbst erschlagen müssen, aber dennoch kann das möglich sein.“ Ihr Gesicht war ein Bild für Merlin, im besten Sinne. „Ja, Potter traue ich einiges zu, aber nicht Weasley. Weasley würde am Tisch sitzen und was weiß ich tun. Dinge, die ich mir gar nicht vorstellen will.“ Ihr noch ein Kompliment zu machen, wäre künstlich und unecht. Das wollte er vermeiden. Außerdem wollte er sich ihr gegenüber auch gar nicht verbiegen. Von daher fiel das Kompliment von alleine aus. Draco sah sie ausatmen – anscheinend vor Erleichterung, dass er womöglich nachgab. „Das heißt nicht, dass ich mich mit den zwei Deppen vom Dienst an einen Tisch setze.“
 

„Malfoy, komm schon!“
 

„Granger, komm schon!“, äffte Draco in perfekter Granger-Manier nach. „Ich will auch so vieles und bekomme es einfach nicht. Kannst du dir das vorstellen?“
 

„Du willst ja auch unmögliches.“
 

Sein Mund öffnete sich, gleichzeitig hob sich sein Finger und doch unterbrach sich Draco selbst. Ja, für sie waren es unmögliche Dinge, für Draco selbst war es etwas Natürliches. Sie war eine Frau, er war ein Mann. Es lag doch in der Natur eines Menschen, Sex zu haben. Was war daran so verkehrt? Tiere paarten sich massenweise. „Fein, du kriegst das, was du willst und ich kriege das, was ich will, einverstanden?“
 

„Das ist Erpressung, Malfoy!“
 

„Aber eine verdammt gute Erpressung. Granger, du kennst das doch - eine Hand wäscht die andere. Quid pro quo.“ Sie wollte, dass er mit Potter und Weasley an einem Tisch saß? Manierlich? Oh, da wollte er aber sowas von eine gute Gegenleistung. Ob das gemein und sadistisch war? Ja, das war alles und noch mehr! Es war gegen jegliche Moral, total unkollegial und wusste Merlin, was Granger noch für Attribute wählen würde. 
 

Gut, dann müsste sie eben diesen Weg gehen und Malfoy einfach ins kalte Wasser schubsen. „Vergiss es!“
 

„Dann vergiss auch unserem Stammtisch!“ Schön, er bekam sie dennoch und würde dann eben gemein sein und das Gespräch mit Narbengesicht und Nicht-erwähnenswert vermeiden. Sie, Draco und Granger, sollten sich auf ihre Arbeit konzentrieren und nebenbei würde Draco sich auf seine Potter-Imitation konzentrieren. So einfach war alles. Es konnte nicht sonderlich schwer sein, wie ein Idiot zu laufen. Zwar wäre das Treffen mit Potter hilfreich gewesen, aber lieber beobachtete er Potter heimlich und lernte davon, statt sich mit diesem sturen Affen an einen Tisch zu setzen. Hätte Draco nichts über die Evolutionstheorie gelesen, würde er behaupten, dass Charles Darwin sich geirrt haben musste und der Verstand und die Menschheit rückwärts, statt vorwärts gingen. Dann wäre sein Darwinismus dahin gewesen!

 
 

~*~
 

„Was zum -“
 

„Malfoy!“ Harry grinste, breitete seine Arme aus und schritt auf Malfoy zu, um ihn zu umarmen. „Ich freue mich, dich zu sehen.“ Sein Grinsen hätte einmal um seinen Kopf reichen können, sofern er keine Ohren gehabt hätte.
 

„Fass mich an und ich breche dir nicht nur die Nase, Potter!“ Sofort ruckte Dracos Kopf zu Granger. Sie hatte ihn reingelegt. Dieses kleine Biest. Sie wollte offenbar wissen, was wirkliche Schmerzen waren, angesichts ihrer noch unentdeckten masochistischen Ader. Hätte er das früher gewusst, hätte er ihr gerne den Weg in tiefere Gefilde gezeigt. Oh, was war Draco gerade wütend. War seine Kriegserklärung nicht ebenfalls deutlich? Verdammte Scheiße! Was musste sie auch so sein? Gerne hätte er mehrmals in die Luft geboxt, um sich abzureagieren. Merlin nochmal. Sie wusste die ganze Zeit, dass sie auf Potter und Weasley treffen würden. Ja, deshalb war sie im Ministerium so siegessicher. Die wüstesten Beleidigungen hatte er im Kopf.

 

Hatte er sich vor Stunden nicht noch gesagt, dass er sie bekommen und das Gespräch umgehen würde? Ein Irrtum! Sie hatte Draco absichtlich in eine Falle gelockt und er war gefangen - gefangen in einem seiner schlimmsten Albträume. 
 

„Ach“, Harry winkte ab, „wieso so förmlich?“ Abschließend wandte er sich ab und ging auf einen der vielen Tische zu. „Setz dich doch“, rief er zu Malfoy herüber, bevor er auf den freien Platz neben sich klopfte.
 

Jetzt! Jetzt wäre der Moment, in welchem er Granger zu gerne richtig zur Sau gemacht hätte. Was fiel ihr ein? Oh, sie sollte sich morgen was gutes einfallen lassen. Er würde sie übers Knie legen. „Ich denk gar nicht dran!“, pöbelte Draco unverfroren, bevor er die Tür ansteuerte.
 

„Jetzt, Malfoy!“ Eindringlich sah Hermine ihn an. Sie nickte mit ihrem Kopf in Richtung Tisch und ging ebenfalls darauf zu. 
 

„Granger, ich -“
 

„Sei still und setz dich endlich!“, giftete Hermine wieder und starrte finster zu ihm hinauf. Sie wollte nicht hören, wie er sie mal wieder maßregelte. Nicht vor Harry oder Ron! Das könnte zeigen, wie schwach sie in Wirklich gegen Malfoy war.
 

Aha! Hier, in Potters schützender Anwesenheit, fand Granger urplötzlich zu ihrer Stärke zurück. Auch Draco erwiderte den finsteren Blick, mit dem Unterschied, dass sein Blick wütender und wirklich ernst gemeint war. Er straffte seinen Umhang, zog ihn enger um sich und ging widerwillig auf die drei Gryffindors zu. Sauer schleifte er den Stuhl neben Potter über den Boden, ehe er sich setzte. Jetzt war endgültig Schluss. Jetzt hatten sie genug Räuber und Gendarm gespielt. 
 

„Malfoy“, begann Harry beruhigend, „wir sollten unsere Anomalitäten wenigstens für heute vergessen, in Ordnung? Wir sind doch erwachsen.“
 

Genervt drehte er seinen Kopf weg. Nein, wenn Erwachsen sein ein Gespräch mit Potter beinhaltete, dann wäre er gerne ein unzugängliches Kind. Bockig verschränkte er die Arme vor seiner Brust. Das Spiel könnte er den ganzen Abend spielen. Er hatte einen verdammt beschissenen Tag. Wieso also konnte Potter nicht wo anders sein? Draco sah auch zu Weasley und es war unschwer zu erkennen, wie schwer es dem rothaarigen Wiesel fiel, sich zu beherrschen. „Auf Weasley ist wenigstens Verlass!“, lachte Draco auf, als er auf Weasley zeigte.
 

„Du blöder Idiot!“, schrie Ron und wollte sich erheben, was jedoch scheiterte, weil Hermine ihn am Arm zurückhielt. 
 

„Da willst du mir erzählen, Potter, dass wir unsere Divergenzen außen vorlassen sollen? Witzig, denn da mache ich diesem impertinenten Wiesel schon ein Kompliment und selbst das schätzt er nicht.“ Draco erhob sich. „Wenns das war, würde ich nämlich gerne gehen.“
 

„Nein“, sagte Harry ernst und stand ebenfalls auf. „Das wars noch nicht!“ Ohne über die Konsequenz nachzudenken, hielt er Malfoy am Arm zurück. „Du kannst uns helfen. Du kannst der Gesellschaft helfen und deinen Ruf herstellen.“ Waren das die richtigen Worte, um Malfoy zu besänftigen? 
 

„Nett“, antwortete Draco und griff angewidert nach Potters Hand, um seinen Arm aus Potters Griff zu befreien. „Nur interessiert es mich nicht, was die Gesellschaft von mir denkt.“
 

„Der Tagesprophet -“
 

„Ernsthaft?“ Nun übertrieb Potter maßlos. Potter wäre ein grottenschlechter Schauspieler. „Nicht einmal ein toter Fisch würde sich darin einwickeln lassen, weil er sich dadurch beleidigt fühlen würde. Als ob ich Wert darauf lege, dass der Tagesprophet meinen Ruf verbessert! Was er nicht einmal tut und das, Potter, müsstest du doch genauso gut wie ich wissen, nicht wahr?“ 
 

„Würde es dir helfen, wenn wir alleine sprechen?“, schlug Harry entschlossen vor. Noch immer standen sich die beiden Jungen gegenüber und grüne Augen trafen auf graue. Der Unterschied war, dass die grauen Augen angriffslustig blitzten. 
 

„Harry?“, rief Ron misstrauisch.
 

„Schnauze Weasley, sonst zaubere ich dir so lange rote Funken in den Arsch, dass man meinen könnte, du hättest rote Beete gefressen, wenn du deinen Mund aufmachst!“ Draco wog ab, ob es sinnvoll war, Potters Vorschlag anzunehmen. Potter hatte ihn in der Bibliothek erwischt. Wäre es wirklich taktisch klug, wenn er mit seinem Intimfeind allein wäre? Gott, er war zerrissen von der Situation. Sollte er die Vergangenheit hinter sich lassen und einmal vertrauen, oder sollte er so verfahren wie bisher? Was sollte er tun? Im Hintergrund hörte er die Uhr Tick Tack schlagen, was ihn nur noch mehr irritierte. Im Augenwinkel konnte er sehen, wie Granger den stürmischen Weasley-Bastard festhielt und ihn somit zur Räson zwang. „Nein, besser wäre es nicht, wenn wir alleine wären.“
 

„Malfoy“, begann Harry angestrengt, „du schaffst es – selbst bei diesem Thema – alles noch ins Lächerliche zu ziehen. Können wir uns nicht einfach nur hinsetzen und reden?“
 

„Dann halte deinen Hund an der Leine“, feixte er in Weasleys Richtung und er sah mit Genugtuung, wie sich Weasleys Wangen aufblähten. „Und sieh zu, dass nicht mit zweierlei Maß gemessen wird.“ Er konnte wirklich nichts dafür. Seine Zunge war unkontrolliert. 
 

„Verdammt, Harry! Hör es dir bitte an“, schrie Ron, mit neuem Elan und noch mehr Wut. „Er unterstellt uns genau das, was er verkörpert. Er ist doch derjenige, der nicht neutral bleibt.“

 

Was für ein Kindergarten, dachte Draco. Aber je schneller er das Gespräch führte, desto schneller kam er hier raus. Mit erhobener Hand beschwichtigte er Potters Rottweiler, bevor er erneut am Tisch Platz nahm. Granger hatte ihm diese Misere eingebrockt. Morgen wäre ein neuer Tag! Oh ja. „Sprichst du noch Parsel?“, stellte er seine Frage direkt an Potter. Er würde keinem der Anwesenden Zeit lassen, sich zu akklimatisieren. 
 

„Nein, ich ging in den verbotenen Wald und -“
 

„Jaaahhh, sonne dich noch mehr in deinem Ruhm. Ich weiß, dass du unsterblich bist. Ich warte noch auf den Tag, an dem ich erfahre, dass du dir selbst in den Arsch beißen kannst.“
 

Harrys Mundwinkel zogen sich nach oben. „Ähm, nun, Malfoy. Ich schätze, dass du darauf lange warten kannst.“
 

„Sicher? Bei dir weiß man ja nie.“ Fein, Potter musste den edelmütigen Ritter spielen und objektiv antworten. Er konnte es, nach allem was passiert war, immer noch nicht lassen. Das Narbengesicht wollte in jedem das Gute finden und Draco fand es erschreckend, dass er sich genauso desolat und jämmerlich verhalten musste, wenn er in Potters Körper nicht auffliegen wollte.
 

Harry wagte den Versuch, ein ernstes Gespräch zu starten. „Ja, ich bin mir sicher. Können wir uns jetzt auf das Wesentliche konzentrieren? Was wissen wir? Wir haben Informationen, die eigentlich keinen Sinn machen.“ Harry wollte pragmatisch vorgehen. Alles von vorne. So machte es Hermine doch auch immer. Sie war immer diejenige, die alles planen wollte und jetzt, da Dumbledore nicht mehr da war, mussten sie wirklich planen, bevor sie agieren konnten. Damals hatte Dumbledore ihn wenigstens in einem Puzzle zurückgelassen, das Harry nur zusammenfügen musste. Jetzt waren sie auf sich alleine gestellt...
 

„Potter, es macht keinen Sinn. Wenn, dann hat es oder ergibt es Sinn“, erklärte Draco doppelzüngig und er wusste, dafür würde er wieder wütende Blicke ernten, aber es war ihm egal – für heute. Er würde noch einen Sturm lostreten, der weder Maß noch Ziel kannte. „Dasselbe gilt per se auch für diese Kugel. Ähnlich wie bei der Existenztheorie, verstehst du? Ist etwas wirklich da, nur weil wir es sehen?“
 

„Malfoy?“ Harry blinzelte mehrmals. „Ich wusste nicht, dass du dich doch so ernsthaft damit auseinandersetzen möchtest, du Klugscheißer.“
 

„Ich muss wohl den Weg des geringeren Widerstandes gehen und das beinhaltet nun mal auch dieses Problem. Wissen tun wir übrigens nur, dass diese Kugel zwei Farben, statt dem üblichen blauen Nebel, im Innern hat. Außerdem wolltest du noch was über den verbotenen Wald erzählen.“
 

„Richtig! Voldemort“, Harry stutzte, als er sah, wie Malfoy zusammenzuckte, „hat seinen Horkrux in mir zerstört, wie du schon von Hermine weißt. Deine Mutter hat Voldemort belogen, nachdem der Fluch mich traf. Sie sollte meinen Tod überprüfen und -“
 

„Harry, nicht!“, rief Hermine dazwischen, doch es war zu spät... Sie hatte es völlig vergessen, Harry darüber zu informieren, diesen Punkt auszulassen. Scheiße...
 

Draco zählte eins und eins zusammen. Seine Hand, die zur Faust geballt war, krachte auf den Tisch, sein Blick wollte sie steinigen. Dieses Mädchen, das ihn wahnsinnig machte, verwehrte ihm diese Information. „Ein netter Punkt, den du gestern ausgelassen hast, Granger. Verdammte Scheiße! Was erzählt ihr mir hier für einen Scheiß? Findet ihr das lustig?“
 

„Wir sollten den Teil vielleicht überspringen?“ Harry versuchte die Situation zu kitten, doch auch Harry wusste, dass es zu spät war.
 

„Einen Scheiß werden wir. Seht zu wie ihr klar kommt.“ Abermals stand Draco auf. Doch dieses Mal würde er wirklich gehen und sich von niemandem zurückhalten lassen. Nicht einmal vom Teufel leibhaftig.
 

„Malfoy, jetzt beruhige dich doch. Bring morgen die Kugel mit und dann reden wir noch einmal“, ergänzte Harry sanft, ehedem er erneut nach Malfoys Arm schnappte.
 

„Reden?“ Draco war es leid. Er drehte sich zu Potter und packte ihn am Kragen, so fest, dass er ihn ein Stück in die Luft hob. „Dann sieh mal zu, wie du an diese Kugel kommst. Sie ist nicht mehr da!“ Ständig dieses Anfassen. Wieso kapierte niemand, dass er das nicht wollte? Fasste er Potter ständig an? Nein! 
 

„Harry!“ Nun reichte es auch Ron. Er riss sich von Hermine los und hechtete um den Tisch herum. Doch Malfoy war einfach viel schneller. Malfoy hatte die besseren Reflexe. 
 

Draco ließ Potter zu Boden krachen, packte seinen Stab und richtete ihn auf Weasley. Stupor! Der rote Funkenstrahl traf Potters besten Freund mitten in die Brust, wonach er leblos zur Seite kippte. Bevor der Auserwählte aufstehen konnte, wandte er sich an Granger. „Du hast gerade dein Todesurteil unterschrieben, Granger! Wann wolltest du mir sagen, dass meine Mutter uns alle verraten hat? Wann?“, schrie er ihr blindwütig entgegen. 
 

„Malfoy, bitte nicht!“ Hermines Hände schossen nach oben, obwohl sie wusste, wie nutzlos ihre Handlung war. Ihre gehobenen Hände, die als eine Art Schild dienen sollten, waren zwecklos. Im Augenwinkel sah sie Ron, der immer noch bewusstlos am Boden lag.
 

„Halts Maul! Es hat sich ausgemalfoyt!“ Mit einem kurz Blick auf Potter konnte er einschätzen, dass er noch auf Granger zugehen konnte. Viel zu unsanft hatte er Potter fallen lassen und er war entsetzt, wie schwach auch Potter war. Draco hätte eher damit gerechnet, dass das Narbengesicht in zwei Sekunden wieder auf den Beinen stand, aber nichts dergleichen. „Wir haben genug Katz und Maus gespielt. Los, was genau ist im verbotenen Wald passiert?“, knurrte er in ihr Gesicht, als er sie endlich erreichte. Wütend knallte er seine Hände auf die Wand - direkt neben ihrem Kopf.
 

„Es war so, wie Harry gesagt hat. Nachdem Harry von Voldemorts Fluch getroffen wurde, sollte deine Mutter seinen Tod überprüfen, aber Narzissa hat stattdessen nach dir gefragt und... und als Harry ihr sagte, dass du lebst, hat sie Voldemort angelogen. Sie hat Harry das Leben gerettet, indem sie seinen Tod vortäuschte. Ich wollte es dir nicht sagen, weil du mir nicht geglaubt hättest!“ Wieso sie noch einigermaßen ruhig bleiben konnte? Weil Malfoy längst gehandelt hätte, wenn er ihr wirklich etwas hätte antun wollen. 
 

„Verdammt!“ Draco hatte sie eingekesselt, aber er wäre am Zug. Er würde als erster den Rückweg antreten. Er musste hier raus, das Gespräch sacken lassen und vielleicht, nur vielleicht, könnten sie morgen in Ruhe reden. Nur jetzt musste er hier weg. Weg von Potter, weg Weasley und... weg von Granger! Jetzt müsste er einen Scotch trinken. Einen doppelten und er hoffte, Blaise hätte noch etwas von dem guten Whiskey, den sie letztens getrunken hatten, als er nach dem nächtlichen Überfall in Grangers Schlafsaal zurückkam. „Du hättest es mir sagen müssen!“ Knurrend ließ er sie stehen und knallte die Tür so fest ins Schloss, dass selbst die Fensterscheiben zerbrachen.
 

Augenblicklich rannte Hermine, ohne den Schock zu verdauen, zu Harry. Sofort reichte sie ihm die Hand, um ihren besten Freund zu stützen, der unterdessen seinen Stab zog und Ron aus der Bewusstlosigkeit zurückholte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Puh, sorry. Ich weiß, das Kapitel ist lang und ich hoffe, man verzeiht mir das. Ich bin eine sehr detailverliebte "Autorin" und ich mag es unheimlich gerne, auf die Gedanken und Empfindungen der Protagonisten einzugehen.
Außerdem haben wir doch auch äh... recht skurrile Seiten von Draco kennenlernen dürfen, wa? ^^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  sama-chan
2018-06-19T19:42:20+00:00 19.06.2018 21:42
Oh nein! Endlich dachte ich, dass Draco so langsam aus seinem Schneckenhaus kriecht und WUMM!!! kracht das ganze Kartenhaus in sich zusammen. Mist.
Aber wer hat die Kugel verschwinden lassen? Das war doch Kalkül, dass die beiden die Kugel gesehen haben und sie am nächsten Tag nicht mehr vor Ort war. Dafür sind bestimmt die Illuminaten verantwortlich. xD
Antwort von:  Dracos-Princess
05.07.2018 22:48
Ha, das wäre doch viel zu einfach :P So einfach durfte ich es dem werten Herren nun auch nicht machen ;P


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