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Hunter of Darkness

Schattenspiel
von

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Sechzehn

Es war unglaublich befremdlich, ohne ein Klopfen an der Tür zu erwachen. Mishka lag zufrieden schnurrend neben mir im Bett und hob nur kurz ein Augenlid an, um mein Erwachen zur Kenntnis zu nehmen, dann ignorierte er mich wieder. Also rollte ich mich auf die Seite, klaubte mein Handy vom Boden, das ich eigentlich auf dem Nachttisch abgelegt hatte, und schaute eine halbe Minute lang auf die Uhrzeit, während ich die Anzeige mit den unbeantworteten Anrufen meiner Mutter ignorant zur Seite wischte, um sie auszublenden. Es war gerade mal 06:24 Uhr, ich hatte vielleicht 4 Stunden geschlafen und war vollkommen selbstständig so früh erwacht. Ich tat meine Abscheu über die Uhrzeit mit einem angewiderten Geräusch kund und krabbelte dann vollständig aus dem Bett, was bei näherem Betrachten wohl eher an einen verwundeten Käfer erinnerte...

Nachdem ich meine morgendliche Routine in dem kleinen Bad – das lediglich aus Toilette, Waschbecken und Spiegel bestand – abgearbeitet hatte, beschloss ich, die Zeit für eine ausgiebige Dusche zu nutzen. Also machte ich mich kurzerhand auf den Weg zur Frauen-Gemeinschaftsdusche, die ich gestern nach dem Training das letzte Mal zu Gesicht bekommen hatte. Mishka trottete verschlafen hinter mir her.

Die Gemeinschaftsdusche bestand aus einem ziemlich großen Raum, von dem rechts und links mehrere Türen abgingen. Hinter diesen Türen befanden sich geräumige Duschkabinen, sodass man auch als kräftigere Person nicht mit den Wänden kuscheln musste. Ein Haken für das Handtuch befand sich hinter einer kleinen Trennwand nahe der Tür. In jeder Kabine standen verschiedene Shampoos, Spülungen und Duschgels bereit. Die Handtücher selbst konnte man sich aus einer Regalwand im Vorraum herausnehmen und dort in einem großen Korb auch wieder entsorgen. Es war hier also für alles gesorgt. Mit Sicherheit hatte es zu Gefängniszeiten nicht so ausgesehen.

Während ich mich nackt in die Duschkabine bewegte und dort mein Handtuch an den Haken hängte, legte sich Mishka vor deren Tür auf die Fliesen und döste weiter. Ich ließ mir mit dem Genießen des warmen Wassers extra viel Zeit, ehe ich mich von der Brause wieder losreißen konnte.

Nach dem Duschen stieg ich, mit meinem Handtuch umwickelt, über den schlafenden Kater hinweg, trocknete mich gänzlich im Vorraum ab, schlüpfte in meine Unterwäsche und klebte eine neue Wundkompresse über den Kratzer, ehe ich vor meinen Anziehsachen stehen blieb und diese kritisch betrachtete. Mit gerümpfter Nase zog ich meine Hose vom Vortag und das Schlaf-T-Shirt an und beschloss dabei, dass ich zwingend heute an neue Kleidung kommen musste. Auch wenn Loren mich ermahnt hatte, dieses Wochenende besser in der Gilde zu verbringen, so konnte ich nicht damit leben, ständig die selben Klamotten zu tragen und nur dann etwas Sauberes zum Anziehen zu haben, wenn ich mal abends noch beizeiten daran dachte, alles in die Wäscherei zu geben. Eine graue Jogginghose und das graue T-Shirt, das ich nun trug, nutzte ich eigentlich zum Schlafen. Es waren die einzigen anderen Kleidungsstücke, die ich hier ergattert hatte.

„Na komm, Mishka. Ich brauche meinen Kaffee und einen Schlachtplan“, brummte ich wenig begeistert, während ich auf die Tür zu schlenderte. Mit schief gelegtem Kopf betrachtete die weiß-schwarze Großkatze mich einen Moment, ehe er aufsprang und mir in zwei Sätzen nach eilte.

„Ich brauche was zum Anziehen, neue Sachen. Und du hast selbst gehört, dass Loren nicht erfreut sein wird, wenn ich ihm heute sage, dass ich direkt wieder vor die Tür gehen will“, erklärte ich ihm dann beim Gehen und bekam ein leises Schnauben als Antwort.

„Aber zuerst“, kurzerhand schnappte ich mir in der Mensa eine Tasse und bekam gleich einen neugierigen Blick aus der Küche zu geworfen, als ich mir einen Kaffee aus der Kanne zapfte, welche wohl gerade erst hin gestellt worden war. Zur Begrüßung hob ich kurz die Hand und kippte dann einen kleinen Haufen Zucker in die Tasse, ehe ich sie bis zum Rand mit Milch auffüllte. Da ich mir jedoch gleich meine zweite Tasse auffüllen würde, blieb ich neben der Theke stehen und schlürfte den Wachmacher genüsslich und in der letzten Stille, die dieser Morgen brachte. Immerhin würde es nur noch wenige Minuten dauern, bis die ersten Hunter hier eintrudelten. Ausnahmsweise saßen nicht einmal Daisy und ihre Clique an den Tischen, woran ich mich eigentlich bereits gewöhnt hatte. Man sah sie so gut wie immer hier. Okay, die Patienten kamen ja normalerweise auch von draußen erst hier vorbei, bevor sie die Krankenstation erreichen konnten. Eigentlich ja umständlich, wenn man dafür erst die Treppen runter musste, oder nicht...? Na ja, solange ich nicht eines Tages hier halbtot herunter stolpern musste, sollte mich das nicht weiter stören. In Gedanken zuckte ich mit den Schultern und dachte nicht weiter über die Krankenstation nach.

 

Wie geplant holte ich mir gerade meinen Nachschub an überzuckertem, hellen Kaffee, als mich eine Hand von hinten an der Schulter berührte. Augenblicklich verkrampfte ich mich und war wieder einmal froh über meine Selbstbeherrschung, sonst wäre mir mein Kaffee wohl flöten gegangen. Nachdem ich die Tasse abgestellt und die Hände von dieser gelöst hatte, wandte ich mich mit wütendem Blick um, nur um mich Nase an Nase mit Damien wieder zu finden. Scham über die ungeplante Nähe mischte sich in meine Wut und ich machte einen hastigen Schritt zurück, wobei es einige Sekunden dauerte, bis ich meine Sprache wiederfand:

„Nicht anfassen, nerven, ansprechen, erschrecken und Abstand halten, vor meinem dritten Kaffee!“ Meine Worte waren nicht so kraftvoll, wie sie eigentlich geplant gewesen waren und ich spürte die Belustigung meines Partners, als dieser den Jungen beobachtete, der etwas perplex neben mir stand. Während ich nun meinen Kaffee ergriff und ihn in tiefen Zügen in mich hinein kippte, hatte Damien Zeit, sich zu fangen und den Anflug von Unbehagen – und war da etwas Angst? – aus seinem Blick zu vertreiben.

„Tut mir Leid, Krissy, aber du hast mich nicht gehört, als ich dich angesprochen habe.“ Mit finsterem Blick starrte ich über meinen Tassenrand und hob mahnend den Zeigefinger der freien Hand in die Höhe. Augenblicklich bröckelte die entschuldigende Miene Damiens und ein unterdrücktes Grinsen trat an die Oberfläche. Am liebsten hätte ich ihn dafür gebissen, doch lockerte dieses Gesicht meine Morgenmuffeligkeit auch ein wenig auf. Theatralisch verdrehte ich die Augen, holte mir nun meinen dritten Kaffee und überblickte dann kurz die paar Leute, die den Raum in der Zwischenzeit betreten hatten.

„Wenn du das noch ein Mal machst, hetze ich dir Mishka auf den Hals...“ Ich gähnte ausgiebig, während der Kater einen gefräßigen Blick auf den Rotschopf warf und sich über die Lefzen leckte.

„Keine Sorge: Sprechen, Anfassen und andere Kontaktaufnahmen werden auf der Stelle eingestellt.“ Nach einem mahnenden Blick schloss Damien tatsächlich den Mund und grinste mich nur noch belustigt an. Kopfschüttelnd griff ich nach einem Tablett und bediente mich dann an dem aufgetischten Frühstücksbuffet. Aus dem Augenwinkel heraus konnte ich sehen, wie Sammy sich zu Mishkas Pfoten auf den Rücken gerollt hatte und spielerisch mit ihren Pfoten nach seinem Gesicht schlug.

 

Das restliche Frühstück verging tatsächlich in einvernehmlichen Schweigen. Während ich gemütlich die letzte halbe Tasse Kaffee trank, konnte ich in Damiens Blick eine kleine Veränderung wahrnehmen und ich wusste direkt, was das zu bedeuten hatte. Ich sollte mir echt einmal angewöhnen, mich andersherum hin zu setzen... Oder vielleicht sollte ich mir auch einfach einen Drehstuhl organisieren...?

„Guten morgen, Kris“, begrüßte mich Loren, nachdem er offensichtlich mein zufriedenes Kaffeeschlürfen als ausreichenden Konsum richtig gedeutet hatte. Damien wurde von ihm nur mit einem feindseligen Blick betrachtet. Kurzerhand lehnte ich mich an meiner Stuhllehne an, um Loren besser im Blick zu haben, und schaute zu dem blonden Wuschelkopf auf.

„Morgen, Loren.“ Kurz huschten meine Augen umher, doch konnte ich Chester nirgends entdecken. Vielleicht schlief er ja noch, er war meist erst nach mir auf gewesen.

„Setz' dich, iss was“, forderte ich Loren dann jedoch auf, da er mit seinem Tablett noch immer neben mir stand und finster dreinblickte. Nach kurzem Zögern folgte er jedoch meiner Aufforderung und setzte sich neben mich. Wenn man aus Frühstücken so etwas wie eine stille Kriegserklärung machen konnte, dann war Loren ein Naturtalent darin. Also verdrehte ich nur kurz die Augen und wartete ab, wann der Blonde wieder seinen Mund zum Reden öffnen würde. Für gewöhnlich schwieg er ja nie lange.

„Ich wollte dich zum Frühstück abholen“, bemerkte er dann nach einer Weile, in der ich in meine Tasse gestarrt und meinen Rest Kaffee beim Kreisen beobachtet hatte. Kurzerhand trank ich die Tasse nun zur Gänze aus und stellte sie vor mir auf das Tablett.

„Ich bin schon länger wach, ich hab nicht richtig schlafen können.“ Augenblicklich wurde Lorens Blick wieder gefährlicher. Doch noch bevor ich irgendetwas zum Beschwichtigen sagen konnte, meldete sich Damien zu Wort.

„Ich habe Krissy gestern noch ein wenig über die verschiedenen Unterarten der Wesen aufgeklärt. Vielleicht nicht ganz so ausführlich, aber so gut ich konnte.“ Kurz konnte ich sehen, wie sich auf Lorens Gesicht Überraschung und Misstrauen die Klinke in die Hand gaben, dann seufzte er ausführlich und lehnte sich zurück.

„Ja, dazu sind wir noch nicht gekommen“, gestand er leise und schob sich dann eine kleine Bratwurst in den Mund, um nicht gleich weiter reden zu müssen. Kurzerhand nutzte ich diesen Moment der Stille aus.

„Loren?“ Kauend hob der Blonde eine Augenbraue an und musterte mich aufmerksam.

„Ich muss einkaufen.“ Augenblicklich stellte Loren bei diesen Worten das Kauen ein und blinzelte zwei, drei Mal. Er schien sich über die Schwere dieser 3 Worte gerade bewusst zu werden, denn ich hatte weder Geld, noch wollte er, dass ich die Gilde unbedingt verließ. Mit einer gequälten Grimasse schluckte er sein Essen hinunter und musterte mich noch einmal.

„Was brauchst du denn?“ Die Frage war vorsichtig gestellt, so als ob er mich mit den typischen Mädchen von heutzutage verglich, die sich ein Bein ausreißen würden, um die neuesten Markenschuhe, Taschen oder Markenklamotten zu bekommen. Oh, da kannte er mich schlecht... Gut, er kannte mich ja auch erst seit 5 Tagen.

„Na ja, Kleidung.“ Erneut trat ein etwas wachsamer Ausdruck in seine Augen und ich konnte sehen, wie auch Damien uns nun mit vorsichtigem Interesse beobachtete.

„Ich hab ja nichts weiter von zu hause mit genommen. Ich brauch was anderes, als das hier“, ich zupfte demonstrativ an meinem grauen T-Shirt, das ich statt des von Blut ruinierten, anderen Shirts trug. Erst jetzt klang die Vorsicht ab und mein Gegenüber grinste wieder sein typisches Loren-Grinsen.

„Das heißt also, du willst heute einkaufen gehen und du brauchst Geld dafür?“ Schamesröte stieg mir ins Gesicht und ich zog den Kopf leicht ein, ehe ich zusammenzuckte, da der tiefe Kratzer an meiner Halsbeuge sich bemerkbar machte. Kritisch zog der Blonde seine Augenbrauen zusammen und ich konnte seine Finger auf der Tischplatte zucken sehen, doch behielt er sie an Ort und Stelle.

„Gut, Kleidung kaufen also. Aber lass vorher noch mal nach deiner Wunde sehen.“ Als ich nur zaghaft nickte, brummte Loren leise und wandte sich wieder seinem Essen zu.

„Hast du dir schon einen Gedanken dazu gemacht, wen du zum Einkaufen mitnehmen willst?“ Verdammt, Zwickmühle...

„Ähm“, gab ich leise von mir und versuchte eine Antwort zu vermeiden. Denn, so lange die beiden Anwesenden sich nicht wieder mit Blicken gegenseitig aufspießten, würde ich keinen ihrer Namen nennen. Definitiv nicht, sonst würde das Ganze gleich wieder von vorne los gehen. Während ich nun darüber nachdachte, was eine passable Antwort sein könnte, stand Damien plötzlich auf.

„Ich muss jetzt erst mal bei eurem Erben vorbei schauen. Wir sehen uns dann später, Krissy. Dann kannst du mir ja zeigen, was du gekauft hast.“ Und ehe ich mich versah, hatte er sein Tablett genommen und war verschwunden. Etwas überrascht schaute ich ihm noch eine Weile hinterher, dann erst wanderte mein Blick zu Loren, der ein wenig danach aussah, als wäre er siegreich vom Feld gegangen. Nur, dass dies hier ganz sicher kein Schlachtfeld war.

„Und?“ Mit einem breiten Grinsen wartete der Blonde auf eine Antwort. Seufzend gab ich mich also geschlagen.

„Na ja, du meintest, ich sollte jemanden aus unserer Gilde mitnehmen, da dachte ich eigentlich an dich oder Chester. Immerhin kenne ich hier ja niemanden wirklich.“ Auch wenn ich Celestine, Lars und Daisy in den letzten Tagen grob kennengelernt hatte, konnte man das noch lange nicht als kennen bezeichnen. Ich wüsste nicht, wen ich sonst mitnehmen sollte.

Doch schien diese Aussage Loren zu reichen, denn er grinste noch ein wenig breiter, während er die Tabletts aufeinander stapelte und aufstand.

„Wollen wir dann los? Es ist halb 8, die ersten Geschäfte machen doch um 8 auf?“

„Um 9“, verbesserte ich. „Supermärkte sind keine Innenstadtgeschäfte.“ Lorens verdutzter Blick ließ mich Grinsen, ehe er bestätigend nickte.

„Na, wenn das so ist...“ Grübelnd legte er den Knöchel eines gekrümmten Zeigefingers an sein Kinn.

„Was hältst du von ein bisschen Laufen? Wir wären nicht zu früh in der Stadt und man kann es als kleine Konditions-Trainingseinheit sehen.“ Mein Grinsen wurde schief, als sich eine meiner Augenbrauen ganz von alleine anhob. Na ja, ich besaß kaum Kondition, da ich ständig gezwungen gewesen war, in meinem Zimmer zu sitzen. Da wäre ein wenig Laufen nicht verkehrt. Also nickte ich zustimmend.

Während der Blonde nun die Tabletts wegräumte, stand ich langsam auf und ließ meinen Blick noch einmal wandern. Chester war noch immer nicht hier.

„Sag mal, Loren, wo steckt Chester eigentlich?“ Bei dieser Frage wurde der Blick meines Gegenübers leicht abweisend.

„Er muss etwas erledigen. Frühestens morgen ist er wieder hier.“ Um weiteren Fragen zu entgehen, wandte er sich direkt von mir ab und entfernte sich die ersten Schritte, ehe er sich – wieder grinsend – zu mir umdrehte.

„Kommst du endlich?“ Ich versuchte mir meinen Missmut nicht anmerken zu lassen, als ich Loren folgte. Auch wenn ich nun zu dieser Hunter-Gilde gehörte, so verschwiegen mir offensichtlich alle irgendetwas. Wieso? Lag es an Damien oder gar an mir selbst? Ich verschob diese Gedanken mal wieder und versuchte mich von ihnen nicht runter ziehen zu lassen. Es gab bestimmt Gründe und irgendwann würde man mich schon aufklären. Auch wenn ich Warten und Unwissenheit hasste.

 

Ehe wir die Gilde verließen, machten wir noch einen Abstecher zur Krankenstation, um meine Wunde checken zu lassen. Es war alles in Ordnung und ich bekam erneut ein neues Wundpflaster aufgebracht. Danach führte uns unser Weg ins Lager, damit wir Rucksäcke mitnehmen konnten, in denen wir je eine kleine Flasche zu trinken verstauten und für den Rückweg Platz für die eingekauften Sachen hätten. Auch wenn wir uns später noch spontan entscheiden würden, ob wir tatsächlich zurücklaufen sollten.



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