Zum Inhalt der Seite

Expect the unexpected

Steve/Bucky
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

„Abraham, denkst du wirklich, wir sollten solch ein Risiko eingehen? Wir wissen nicht, was für eine Wirkung das Präparat letztendlich auf den Jungen haben wird. Willst du ihm das tatsächlich zumuten?“ Dr. Abraham Erskine schenkte seinem alten Freund ein schmales Lächeln.
 

„Wenn wir jetzt nichts tun, dann stirbt der Junge so oder so.“
 

Howard Stark senkte seinen Blick auf den schwer atmenden, jungen Körper vor sich, der sich bis jetzt doch überraschend zäh gezeigt hatte. Trotz all der Dinge die mit diesem nicht stimmten. Trotz des erst kürzlich, erlittenen Unfalls und des damit verbundenen Verlustes seines letzten Elternteiles.
 

„Der Kleine hat Kampfgeist, das ist wahr. Aber sollte es funktionieren, ist immer noch nicht klar, wie es sich im Laufe der Zeit damit verhalten wird. Er wird definitiv anders sein.
 

Dr. Erskine zog eine bernsteinfarben Flüssigkeit aus einer gläsernen Ampulle, in eine Injektion auf.
 

„Ich denke, es ist ein Zeichen zu vertrauen, dass der Körper des Jungen das fremde Enzym angenommen hat, obwohl er es hätte abstoßen müssen. Ein ungewöhnlicher Fall, aber auch eine außergewöhnliche Entdeckung in unserer Forschung.
 

Nur leider verbraucht die Metamorphose, in seinem schwachen Zustand, einfach zu viel von seiner derzeit eh schon geringen Kraft.“
 

Sanft strich Dr. Erskine das verschwitzte Haar des Jungen zur Seite, was diesen seine Augen unter deutlicher Mühe öffnen ließ. Mit ruhiger Stimme sprach Dr. Erskine auf ihn ein.
 

„Steven, wir werden dir jetzt etwas verabreichen, das dir helfen soll. Es liegt aber dennoch an dir, ob es seine Wirkung tun kann. Es braucht deinen uneingeschränkten Willen, wieder gesund werden zu wollen, auch wenn es sich für dich ungemein anstrengend anfühlen wird. Du musst stark bleiben, nur so kann es funktionieren. Hast du das verstanden?“ Die glasigen und ihres vollen Blau beraubten Augen schauten auf das Mittel in der Injektion. Ein mattes Nicken folgte und Dr. Erskine strich Steven aufbauend über die schmale Schulter.
 

„Du bist ein tapferer, kleiner Kerl.“
 

Es kostete ihn Kraft, aber Steven legte ein Lächeln auf seine farblosen Lippen, gefolgt von einem etwas abgehackten Durchatmen, als er seine viel zu spröde Stimme befehligte.
 

„Kein Kampf vor dem ich davonlaufe.“
 


 

***
 


 

Steve verspürte ein beschwingtes Gefühl der Aufregung. Etwas, das er so schon länger nicht mehr bei sich hatte wahrnehmen können. Diese Aufregung stellte auch den Grund dar, warum er den ganzen Tag etwas mit dem Kopf in den Wolken unterwegs war. Sein Morgen hatte demnach damit begonnen, dass seine Schale Frühstücksmüsli auf dem Küchenboden gelandet war. Mit einem fast umgerannten Zeitungsständer an einem kleinen Kiosk weitergezogen, als er sich eine Tageszeitung holte und zeigte sich jetzt, als er auf dem Parkplatz des Einkaufzentrums stand und nicht mehr wusste, wo er seinen Wagen geparkt hatte.
 

Dennoch, er hatte keinen Grund mürrisch zu sein.
 

Im Gegenteil.
 

Heute war ein Tag, auf den er schon lange gewartet hatte.
 

Nach etwas Umherlaufen und aufmerksamen Umblickens fand er seinen dunkelblauen Honda schließlich und machte sich zurück auf den Weg nach Hause.
 

Er gab zu, dass er die ihm ans Herz gewachsene Nachbarschaft vermissen würde, sollte ihm das Glück heute tatsächlich hold sein. Schließlich hatte er hier, den größten Teil seiner Jugend verbracht. Das kleine Haus mit der weißen Holzfassade, das nun in sein Sichtfeld kam, mit dem alten, imposanten Nussbaum im hinteren Garten, waren ihm ein gutes und liebesvolles zu Hause gewesen. Er mochte es, im Frühling auf die ersten Frühblüher vor dem Haus zu warten und sie dann in seinem Skizzenbuch zu verewigen. Er mochte es, im Sommer auf der Veranda zu sitzen und mit seinen Freunden in die Abendstunden hineinzureden. Im Herbst, gab das bunte Laubwerk der die Straße säumenden Bäume, ein herrliches Farbenspiel wieder, bevor der Winter die ersten Wochen mit tristen Tönen einkleidete, bis es schließlich Weihnachten wurde.
 

Dann strahlten unzählige bunte und blinkende Lichter von sämtlichen Häusern der Umgebung und verwandelten das müde Bild, das der Winter gezeichnet hatte, in eine aufgeweckte und vorfreudige Wunderwelt.
 

In diesem Jahr wären es dann drei Jahre, seit sein Adoptivvater Abraham Erskine verstorben war.
 

Er würde ihn um diese Zeit wieder besonders vermissen.
 

Dieser hatte ihm das Haus hinterlassen.
 

Von daher dachte er auch nicht daran, es verkaufen zu wollen. Er hatte jemanden, in dessen Obhut er es geben konnte. Peggy war eine seiner besten und langjährigsten Freundinnen und er vertraute ihr blind. Deshalb wusste er auch, dass sie gut darauf aufpassen würde.
 


 


 

Dr. Erskine hatte nie Zweifel aufkommen lassen, dass er Steve wie einen Sohn liebte, als dieser ihn, nach dem Tod seiner Mutter, bei sich aufgenommen hatte.
 

Dr. Erskine war es möglich gewesen, seinen schwachen, kranken Körper über die Jahre zu stabilisieren, so dass er zu einem gesunden Mann heranwachsen hatte können.
 

Aber es blieb nie aus, das Steve sich traurig fühlte, wenn er an seine Mutter dachte und daran, dass seine Erinnerungen an sie, nach diesem Unfall kein vollständiges Ganzes mehr für ihn ergaben.
 

Verblieben waren vereinzelte Sequenzen, doch meist befanden sie sich im Zentrum eines behäbigen Nebels, der sich nie komplett lichten wollte. Manchmal verspürte er über diese wagen Bilder auch Emotionen, jedoch waren diese kaum mehr als ein dumpfes Pulsieren. Oder gleich einem Fingerschnippen. Kurz und ohne einem offenbarenden Nachklang.
 

Dennoch war er nicht völlig ahnungslos. Es gab Fotos, ein paar der wenigen Andenken an sein altes Leben, bevor er seine Mutter verloren hatte.
 

Sie zeigten ihn in jungen Jahren, mit einer liebevoll lächelnden blonden Frau, die seine Mutter gewesen war. Und es machte Steve noch immer das Herz schwer, dass er sie und ihre Fürsorge nicht deutlich in seinen Erinnerungen abrufen konnte.
 

Nachdem er noch kurz etwas gegessen und sich etwas anderes angezogen hatte, verließ er das Haus wieder und begab sich nun zu seinem angesetzten Termin.
 

Es war gut eine halbe Stunde Fahrt, in einen anderen Teil der Stadt, aber das störte ihn nicht, wie ihn auch der etwas zählaufende Verkehr nicht störte. Er lebte lange genug in New York, um sich damit schon abgefunden zu haben. Es bedurfte eben immer etwas extra Zeit, in einer Planung und die hatte er einkalkuliert.
 

Die Gegend in die er sich begab, war nicht mit dem schicken, kleinen Vorstadthäusern und ihren fein säuberlich getrimmten Vorgärten zu vergleichen. Doch sie hatte ihren eigenen Charme.
 

Bis zu seinem zehnten Lebensjahr, hatte er hier gewohnt. Es war ein Detail, das Dr. Erskine ihm über seine Vergangenheit erzählen konnte. Ein weiteres Bruchstück der Vergangenheit, an die er kaum eine Erinnerung hatte.
 

Manchmal fragte er sich, ob er nicht irgendwann am Verlust seiner Mutter zerbrochen wäre, hätte er sich genau an ihr gemeinsames Leben erinnern können.
 

Man sprach von Amnesie durch Schock, ausgelöst von seiner erlittenen Kopfverletzungen. Und dem unsagbaren Stress, den sein Körper durchleben musste, um nicht aufzugeben.
 

Er hatte danach Monate in Dr. Erskines Klinik verbracht, und erst dort war ihm mit jedem weiteren Tag bewusst geworden, dass er nun vollkommen allein war und er keine Ahnung hatte, wie es für ihn weitergehen sollte.
 

Es war eine Zeit, wo er anfing, sich immer mehr in sich zurückzuziehen und mit der Welt, die sich so unaufhaltsam um ihn herum bewegte, nichts mehr zu tun haben zu wollen.
 

Er fühlte sich nur noch wie ein überflüssiges Puzzleteil, das nicht passte, das für das große Ganze nicht relevant war. Es war ohne ihn schon komplett. Und allein konnte er kein Bild für sich ergeben.
 

Und dann hatte Dr. Erskine ihm gesagt, dass er sich freuen würde, ihn bei sich aufzunehmen, wenn er das wolle. Er selbst hatte keine Kinder und seine Frau war vor einigen Jahren an einer Krankheit verstorben. Das Einzige, was er noch hatte, war seine Arbeit.
 

Am Ende ergänzten sie sich gegenseitig und Steve war ihm so dankbar, dass er diese Chance bekommen hatte.
 

Er hatte es bei Dr. Erskine nie schlecht gehabt, hatte sich dieser doch hingebungsvoll um ihn gekümmert und ihn so viele Dinge ermöglicht, die sein Leben zu bereichern gewusst hatten.
 

Deshalb hat er es sich auch zur Aufgabe gemacht, sein zweites Leben, so gut es ihm möglich war, auszufüllen. Um ihm zu zeigen, dass er zu schätzen wusste, was man für ihn getan hatte und auch um seinen Adoptivvater stolz zu machen. Ihm zu zeigen, dass auch er seine Entscheidung ihn aufgenommen zu haben, nicht bereuen musste.
 

Schule, Beruf, finanzielle Sicherheit er hatte es sich alles hart erarbeitet und er war stolz darauf.
 

Und jetzt, wo er die Möglichkeit vor sich hatte, wollte er versuchen auch seine ersten Jahre, etwas in dieses große Uhrwerk einzubringen, das sein Leben darstellte. Und vielleicht fand er das ein oder andere Zahnrad wieder, konnte das vergilbte Ziffernblatt entstauben und dessen Zeiger ebenso wieder zum Rücken bringen.
 

Zumindest dann, wenn das Glück auf seiner Seite war.
 


 

Es war etwas schwierig einen Parkplatz zu finden, aber Steve war der letzte, der sich über das zurücklegen von ein paar zu laufenden Metern beschweren würde.
 

Eine adrett gekleidete Dame, mit schwarzen Haaren, die ihr in leichten Wellen über die Schultern fielen, wartete bereits vor dem Eingang des Hauses, das Steve um jeden Preis zu seinem Eigen machen wollte.
 

„Mr. Rogers. Es freut mich, dass sie es einrichten konnten.“ begrüßte ihn Ms.White mit dem geschäftstüchtigen Enthusiasmus eines Immobilienmaklers, und streckte ihm ihre Hand entgegen.
 

Steve erwiderte diese Geste mit einem Lächeln und ließ seinen Blick über das Haus vor ihnen wandern. Es musste eindeutig einiges daran gemacht werden, aber er war dennoch optimistisch. Von solchen Kleinigkeiten würde er sich nicht abschrecken lassen.
 

Steve unterdrückte ein freudiges Grinsen. Peggy hatte diese Besichtigung für ihn organisiert. Einfach aus dem Grund, weil sie meinte, dass Steve eine zu leichte Beute wäre für profitgierige Immobilienhaie. Und so gesehen hatte sie auch Recht. Er war über glücklich gewesen, als er erfuhr, dass dieses Haus zum Verkauf stehen würde. Er hatte seit Jahren ein Auge darauf gehabt und jeder seiner Freunde wusste darüber Bescheid. Es war Tony gewesen, der ihm vor einem Monat darüber informiert hatte, dass die vorhergehenden Besitzer es zum Verkauf anboten und Steve hatte keine Sekunde gezögert, sich darüber kundig zu machen.
 

Seine Euphorie war somit sein großer Schwachpunkt, und Peggy wusste das nur zu gut. Sie hatte ihm vor diesem Treffen heut, noch einmal eindringlich ins Gespräch genommen, und ihn wissen lassen, dass er sich zurückhalten solle. Am besten sollte er einen beständigen, kritischen Blick aufsetzen und sich nichts einreden lassen. Jeder Mengel, der ihm auffiele, sollte er aufführen und generell den eher unnahbaren Käufer vermitteln, als den naiv hechelnden Golden Retriever. Somit hieß es also Zunge rein, die himmelblauen Augen von ihrem Sternenglanz befreien und zurück zu seinem militärischen Rang als Captain finden.
 

„Können wir?“, erkundigte er sich mit gestrafften Schultern und einen Hauch Autorität in der Stimme, was sonst nie sein Ziel verfehlte. Und auch in diesem Falle verfehlte er seine Wirkung nicht, schob sich Ms. White ihre filigrane Brille etwas nach vor und schenkte ihm einen Blick, den Steve nur zu deutlich zuordnen konnte. Er vergaß manchmal, was diese Art von Ton bei manchen Menschen, außerhalb der Armee bewirken konnte. Er hatte alle Mühe, über ihre lüsterne Aufmerksamkeit, seine stramme Fassade nicht gegen peinlichen Scham zu tauschen, die er dadurch in sich aufkommen fühlte. Auf diese Art und Weise wollte er das Haus nun auch nicht erwerben.
 

„Nach ihnen, Mr. Rogers.“, gab Ms. White mit einer kurzen Geste ihrer fein manikürten Hand zu verstehen und Steve fühlte sich mit einem Mal ganz und gar nicht mehr autoritär, spürte er das Interesse, das man seinem Hintern zukommen ließ, unangenehm eindringlich.
 

Er hätte vielleicht doch nicht allein kommen, und auch weniger enge Jeans anziehen sollen.
 

Drei Stufen führten auf die hölzerne Veranda, auf der schon zwei der dunklen Blanken gebrochen waren und ausgetauscht werden müssten.
 

Ein Schatten huschte unerwartet aus dem umstehenden Gesträuch des verwachsenen Gartens hervor und Steve erkannte eine Katze, die sich mit einen grazilen Sprung auf das marode knarrende Holzgeländer begab. Ihr Fell war dunkel braun und zottelig, wohl eine ganz bestimmte Rasse. Ihre Augen, mit denen sie ihn betrachtete, hatten etwas Ungewöhnliches. Geschmolzenes Silber, das ihr eine mysteriöse Aura verlieh.
 

Es löste ein seltsames Gefühl in ihm los. Aber vielleicht lag es auch nur daran, dass er eigentlich allergisch auf Tierhaare reagierte.
 

Ein Grund, warum er täglich ein Präparat zu sich nehmen musste, damit es sein Leben nicht erschwerte. Etwas, das Dr. Erskine höchst selbst für ihn entwickelt hatte. Keiner kannte seine Patientenakte so gut wie er.
 

Denn es ließ sich nie vermeiden, einem Tierbesitzer über den Weg zu laufen und es wäre mehr als unangenehm im Coffee Shop einen allergischen Anfall zu erleiden, nur weil die Dame vor ihm in der Reihe einen Stubentiger besaß.
 

„Das ist Chocolate. Die Vorbesitzer des Hauses haben sich um sie gekümmert. Aber so gesehen ist sie eher ein Streuner. Ich denke, es ist Macht der Gewohnheit, dass sie immer wieder herkommt, auch wenn das Haus nun leer steht. Die Nachbarn meinen aber, sie wäre verträglich und würde keinen Ärger machen. Sollte sie sie dennoch stören, kann auch das Tierheim beauftragt werden, sie einzufangen und in Gewahrsam zu nehmen.“
 

Ms. White schien selbst kein großer Tierfreund zu sein oder es gehörte einfach zu ihrem Job, sich auf etwaige Kriterien eines potentiellen Käufers einzustellen. Aber Steve sah keinen Grund, warum Chocolate nicht weiter in der Nachbarschaft umherstreifen sollte, wenn sich niemand von ihr gestört sah. Er mochte keine Ahnung von Katzen haben, aber er wusste dennoch, dass für sie das Leben in Freiheit weitaus bessere Optionen darstellte, als ein überfülltes Tierheim.
 

„Schon gut. Ich sehe kein Problem darin, wenn sie sich ab und an hier zeigt. Am Ende vermisst sie einfach nur die Leute, die sich um sie gekümmert haben.“ Steve konnte dies recht gut nachvollziehen, auch wenn er sich nicht sicher war, ob Katzen überhaupt zu solchen tiefgehende Emotionen im Stande waren.
 

„Wir werden schon miteinander klar kommen, nicht?“ In einen versöhnlichen Versuch, streckte Steve seine Hand dem Tier entgegen, das seine Bewegungen genau aufnahm. Seine Finger waren gerade dabei über Chocolates Kopf streichen zu wollen, als diese ein missmutiges Fauchen von sich gab und mit einer Pfote nach seiner Hand schlug. Seinen Reflexen sei Dank, verfehlten ihn die Krallen jedoch und Steve zog seine Hand rasch zurück.
 

„Ok, versteh schon.“ Er hatte keine Ahnung von Katzen, und Chocolate schien das auch genau zu wissen. Mit einem Satz sprang diese wieder von der Verandaumzäunung und verschwand im Unterholz eines üppigen Rhododendrons.
 

Ms. White führte ihn durch das komplette Gebäude und erzählte ihm eifrig von den Vorteilen, die solch ein altes Schmuckstück zu bieten hatte. Steve war beeindruckt, wie routiniert man versuchte, ihm selbst die unschönen Seiten, wie das komplette Renovieren oder das Reparieren diverser Leitungen positiv zu reden.
 

Er machte den Eindruck von einem kompetenten Heimwerker, der sich dieses Haus somit nach seinen Wünschen, Stück für Stück zu einem individuellen Heim ungestalten könne.
 

„Ihre Partnerin wird sicher ganz begeistert sein, wenn sie erst einmal mit der Innendekoration beginnen kann.“
 

Steve hatte seine Aufmerksamkeit auf die unerwartet neu erscheinende Einbauküche gerichtet und ließ auch nicht davon ab, über diesen nicht unbedingt subtilen Hinweis. Er war Single und er hatte schon mehr als eine Variante vorgesetzt bekommen, herauszufinden, ob er denn in festen Händen wäre oder nicht.
 

Er war Single und er mochte diese Freiheit, so wie wohl auch Chocolate ihre Freiheit mochte und deshalb wiegelte er mit einem Einfachen „Da bin ich mir sicher.“ die Situation soweit herunter, dass Ms. White davon ausgehen musste, das er leider schon vergriffen sei.
 

Im Großen und Ganzen hatten sie fast zwei Stunde damit zugebracht, sich alles anzusehen und über Kosten und Finanzierung zu sprechen.
 

Es wäre wahrlich viel zu tun, um dieses Haus zu neuem Glanz zu bringen, aber Steve sah es dennoch positiv. Wenn man es nach und nach in Angriff nahm, sollte es nicht unmöglich sein. Außerdem hatten ihm seine Freunde bereits mitgeteilt, dass sie ihm gern bei dem ein oder anderen behilflich wären. Auch wenn er nicht unbedingt auf Tony zurückkommen würde. Dieser hatte zwar fürs Technische einen brillanten Verstand aber für das simple Handwerkliche…
 

Am Ende würde dieses Haus einem Raumschiff ähneln und womöglich auch sämtliche Energie der Nachbarschaft verbrauchen.
 

Mit einer Mappe voller Unterlagen und einer Visitenkarte von Ms. White, auf welcher auch ihre private Nummer ergänzt geschrieben stand, machte er sich wieder auf den Weg zu seinem Wagen.
 

Er kramte gerade seine Schlüssel aus seiner Jackentasche, als ihm eine rasche Bewegung im rechten Augenwinkel seinen Blick in diese Richtung werfen ließ. Auf der anderen Straßenseite, direkt auf dem Gehweg, saß Chocolate und schien ihn augenscheinlich zu beobachten. Es machte zumindest den Eindruck, was Steve prüfend hinter sich schauen ließ, ob dort nicht etwas deren Aufmerksamkeit erregt haben könnte.
 

Ein Vogel vielleicht.
 

Aber er sah weder einen Vogel, noch sonst etwas das ihm Wert erschien, sich darauf zu konzentrieren.
 

Steve zog etwas irritiert seine Augenbrauen zusammen, als er Chocolate erneut ansah. Hatte sie vielleicht gehofft, dass Leute im Haus auch etwas zu Fressen bedeuteten und wartete nun darauf, dass man ihr etwas zukommen ließ? Es war ein trauriger Gedanke, dass Chocolate womöglich darauf wartete, dass die alten Hausbesitzer zurückkommen würden und sich wieder jemand um sie kümmerte.
 

Womöglich war Chocolate recht einsam und auf der Suche nach etwas Zuwendung.
 

Oder aber sie wollte sicher gehen, dass er sich wieder verzog, war ihre erste Begegnung ja eher etwas ruppig ausgefallen. Vielleicht hatte er etwas an sich, dass sie nicht mochte. Unter Menschen, war dies ja auch nichts Ungewöhnliches. Und es würde ihn nicht davon abhalten, in dieses Haus zu ziehen. Und wer wusste es schon. Am Ende würden sie doch noch miteinander zurechtkommen, sollte Chocolate weiterhin dort auftauchen.
 

Doch bis dahin würde es noch etwas dauern, konnten sich solche Abwicklungen doch unerwünscht in die Länge ziehen. Ein Umstand den Steve hoffte, vermeiden zu können. Somit setzte er sich, nach einem letzten Blick auf Chocolate, in seinen Wagen und fuhr zurück nach Hause, um Peggy über den Verlauf der Dinge Bericht zu erstatten.
 


 

„Ich sehe, du warst recht überzeugend, Stuffy.“ Peggy schaute Steve mit einem Schmunzeln an, die Visitenkarte in ihren eleganten, schmalen Fingern, den man einen kräftigen, rechten Haken wahrlich nicht zutrauen würde. Aber Peggy war eine Frau, die gern zu überraschen und nicht weniger zu überzeugen wusste, wenn sie sich etwas in ihren hübschen und intelligenten Kopf gesetzt hatte.
 

Und Steve hatte über die Jahre gelernt die Zeichen richtig zu deuten und zu wissen, wann es keinen Sinn machte, sich mit ihr anzulegen. Er wünschte nur, sie würde endlich von diesem albernen Kosenamen ablassen. Er war schließlich keine ungelenke zwölf mehr.
 

„Was soll ich sagen, es passiert einfach. Selbst wenn ich andeute, vergeben zu sein.“ Steve ließ sich mit einen Seufzen neben Peggy sinken und reichte ihr die gerade aus der Küche geholte Flasche Bier, die sie dankend entgegen nahm.
 

„Was ist nur aus dem kleinen, schmächtigen Kerlchen geworden, der bloß bei dem Gedanken an ein Mädchen zu stottern begann?“ Peggy lehnte sich mit einem sinnierenden Lächeln auf der Couch zurück. „Dein erster Kuss mit Hana Basket war eigentlich schon filmreif, wenn es eine Komödie hatte sein sollen.“ Steve spürte wie ihn ein Schwall verjährter Verlegenheit traf, war dieser Vorfall schon über dreizehn Jahre her.
 

Hana Basket war ein süßes Mädchen mit buschigen, rotbraunen Zöpfen und Sommersprossen gewesen. Ihre Eltern hatten eine kleine Bäckerei und jeder, der mit ihr befreundet war, bekam immer ein Stück Kuchen umsonst. Viele versuchten ihre Gunst zu erhalten, so wie man es in diesem kindlichen Alter eben zu Stande bekam, schien die Aussieht auf Kuchen wohl Anreiz genug, sich versuchen zu wollen.
 

Steve konnte bis heute nicht sagen, warum Hana sich gerade auf ihn fixiert hatte, verband sie eigentlich nicht mehr, als dass sie in dieselbe Klasse gingen. Er hatte sich nie an diesem Trubel beteiligt und fand es auch ziemlich albern, sich jemandes Freundschaft erschleichen zu wollen, nur, weil ein Bonus dabei heraussprang.
 

Außerdem war er es nicht gewöhnt, dass sich ein Mädchen für ihn interessierte, zogen diese es doch eher vor, immer nur zu tuscheln und über ihn zu kichern, wenn er an einer Gruppe von ihnen vorbei ging.
 

Deswegen fühlte er sich auch ausreichend überfordert, mit Hanas Interesse an ihm. Aber egal wie unbeholfen er sich ihr gegenüber auch zeigte, sie ließ nicht von ihm ab und es gab ihm das Gefühl, womöglich doch nicht nur ein unscheinbarer Außenseiter zu sein.
 

Er lernte sie zu mögen, aber das änderte nichts an seiner Schüchternheit. Und Hana schien es auf ihrem Schulbasar wohl einfach darauf ankommen lassen zu wollen, was in diesem ersten Kuss-Desaster endete. Sie hatte ihn hinter den Anbau des Schulgebäudes gezogen und er erinnerte sich daran, wie seine Hand, die sie ergriffen hatte, feucht mit Schweiß geworden war. Und dann stand sie vor ihm, mit einem scheuen Lächeln auf den rosafarbenen Lippen und eine leichte Prise brachte den maigrünen Stoff ihres Kleides ein wenig zum Tanzen.
 

Sie hatte seine Hand nicht losgelassen und er fühlte sich unbeholfener denn je. Er war sich sicher, dass er mit seinem hochroten Kopf Hanas roten Lackschuhen farblich in nichts nachstand.
 

Und dann hatte sie sich vorgebeugt und ihn geküsst. Womöglich hatte sie sich etwas bei ihrer Schwester und deren Freund abgeschaut oder sich intensiv mit romantischen Filmen beschäftigt, zeigte sie doch rechten Einsatz im Gegenzug zu seinem Unvermögen und seiner Ahnungslosigkeit.
 

Und zwischen all dem aufeinanderpressen von Lippen und dem Versuch irgendetwas Geschicktes entgegenbringen zu wollen, passierte es.
 

Es hatte gut zwanzig Minuten gebraucht, ihre Zahnspangen wieder entwirren zu lassen, begleitet von einer Schar aus Schülern, Eltern und Lehrpersonal. Es war das Peinlichste, was Steve je widerfahren war. Und Hana schien es nicht anders zu sehen, war dies das letzte Mal gewesen, dass sie ihm Beachtung geschenkt hatte.
 

Im Nachhinein war dies wohl schon der Anfang der Tendenz, sich im Laufe seines weiteren Lebens nicht nur auf Frauen zu beschränken, was sein sexuelles Interesse anbelangte. Eine Beziehung mit einem Mann, war in manchen Belangen einfach unkomplizierter. Aber es war nicht weniger zermürbend, wenn es wieder zu Ende ging und man genau wusste, dass der Grund dafür bei einem selbst lag. Deswegen war er einfach nur froh, wenn er seine Freunde um sich haben konnte, die ihn ab und an einfach packten und zu etwas sozialem Tamtam mitschleiften. Sonst würde er wirklich nur zu Hause sitzen.
 

Sam meinte schon mehr als einmal, dass er Seniorenpotential besitze mit seiner faden Glückseligkeit, die ihm ein gutes Buch oder ein Abend mit dem Discovery Canal brachte.
 

Aber sollte er sein Haus wirklich bekommen, dann hätte er für einige Zeit ausreichend Arbeit, die seine Freizeit einnehmen würde.
 

Es juckte ihm schon jetzt in den Finger loslegen zu wollen, war sein Kopf voller Pläne und Ideen, was die Sanierung und Renovierung betraf.
 

Und nicht zu vergessen der Garten.
 

Es gäbe so viel zu tun.
 


 

***
 


 

Steve konnte es sich nicht verkneifen euphorisch mitzusingen, als das Radio -Walking on Sunshine- spielte und er einen abermaligen Blick auf den unterschriebenen Kaufvertrag legte, der neben ihm auf dem Beifahrersitz lag.
 

Somit störte er sich auch nicht an den schrägen Blicken, die man ihm schenkte, als er an einer Ampel zum Halten kam, und man seine sichtliche Ausgelassenheit nicht nachvollziehen konnte. Aber wie sollten sie auch.
 

Für heute Abend, war eine kleine Feier geplant. Das hatte er versprochen, sollte der Kauf glücken. Es wären nur seine engsten Freunde. Sam hatte angeboten, sein Chili nach eigenem Geheimrezept zu machen. Somit hieß es also, dass er sich noch um ausreichend Getränkte zu kümmern hatte. Für Tony brauchte er sich nicht verbiegen, würde dieser eh sein eigenes Bier mitbringen. Dieser pflegte an seinem Import Bräu festzuhalten. Und so sehr Steve auch ein gutes Bier, zu einem gemütlichen Abend schätzte, so musste es nicht erst um den halben Erdball gereist sein, um ihn zufrieden zu stellen. Zum Glück sahen es seine anderen Freunde nicht anders.
 

Sein Handy gab ein stummes Vibrieren von sich und Steve griff es von seinem Platz auf den Beifahrersitz auf.
 

Es war Peggy.
 

„Hey, was gibt´s?“ Er hatte sie sofort angerufen, als er sicher war, alles unter Dach und Fach zu haben und sie hatte sich ehrlich für ihn mitgefreut. Womöglich gab es nun aber eine Änderung, mit ihrem abgemachten Abend, die sie ihm mitteilen wollte. Peggy war Chefin von SHIELD, ein Unternehmen, das sich auf Begleitservice für Frauen spezialisiert hatte. In diesem Falle ging es jedoch nicht darum, einen gutaussehenden Herren für einen Abend buchen zu können, sondern darum das Frauen andere Frauen anheuern konnten, damit diese sie begleiteten, wo sie sonst hätten allein unterwegs sein müssen. Denn nicht jede Frau, fühlte sich mit einem Mann an ihrer Seite auch wirklich wohl und sicher. Es waren die verschiedensten Gelegenheiten, wo SHIELD in Anspruch genommen wurde. Manchmal war es nur um jemanden spät abends unversehrt nach Hause zu begleiten, sei es von einer Feier oder dem Job nach den Überstunden. Manchmal aber auch für einen Anlass, wo eine Begleitung das Fehlen eines Partners ausfüllte.
 

Peggy hatte zu Beginn einige Hürden überwinden müssen, aber es hatte sich herumgesprochen und in einer Großstadt wie dieser, war solch ein Service trauriger Weise schon eine Notwendigkeit.
 

Peggys Mädels waren ein starkes Team. Ehemalige Polizistinnen und Soldatinnen. Frauen, die sich auf Kampfsport und Selbstverteidigung verstanden und es sich zur Aufgabe gemacht hatten, anderen Frauen eine Hand reichen zu wollen.
 

Dieses Unternehmen war Peggy durch und durch und Steve bewunderte sie zu tiefst, dass sie sich nie hatte unterkriegen lassen.
 

Doch durch ihre Firma bestand somit auch immer die Möglichkeit, dass ihr etwas dazwischen kam. Wie es jetzt womöglich der Fall sein konnte.
 

„Wegen heute Abend. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn Sharon vorbeischaut? Sie ist gerade in der Stadt und wollte vorbeikommen.“ Die Ampel schaltete wieder auf grün, doch verpasste Steve den Wechsel über Peggys Information, was ihm ein ungehaltenes Hupen hinter sich einbrachte. Er setzte seinen Wagen schließlich wieder in Bewegung, doch konnte er den aufgekommenen, leidlichen Gesichtsausdruck nicht recht abändern.
 

„Warum nicht, sie ist immerhin deine Cousine.“ meinte er daraufhin etwas verspätet, was Peggy ein leises Seufzen in ihr Telefonat einbringen ließ. „Du weißt, ich kann ihr auch absagen, wenn es dir zu unangenehm ist.“
 

Nun war es an Steve gezogen durchzuatmen auf Peggy Vorschlag, war er sich doch im Klaren, dass sie es wirklich auch ernst meinte damit.
 

„Schon ok. Wirklich.“ Er lächelte leicht, was auch in seinen nächsten Worten noch mitschwang. „Nur bitte keine Vorwürfe, wenn sie sich dann wieder bei dir über mich aufregt.“
 

Steve konnte das Augenrollen, das Peggy nun wahrscheinlich wiedergab, deutlich vor sich sehen.
 

„Schon gut Mr. Heartbreacker. Außerdem ist es ihre eigene Schuld, wenn sie es nicht einsieht, dass du kein Interesse an ihr hast.“
 

Das war nicht immer so gewesen, aber über die Zeit, die er mit ihr zusammen war, hatte er festgestellt, dass er ihr nicht das geben konnte, was sie sich von ihm erhoffte. Sie hatte seine Option als Freunde zu verbleiben zwar angenommen, aber zu Steves Leidwesen nicht wirklich aufgegeben.
 

Das Resultat war, dass sie ihn nun stets und ständig umschwärmte, wenn sie aufeinander trafen. Egal, wie oft er ihr auch versicherte, dass es nichts an seinen Gefühlen ändern würde. Doch sie konnte genauso stur sein wie Peggy. Anscheinend war dies eine Eigenschaft, die bei den Carter Frauen ziemlich ausgeprägt daherkam.
 

Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er sie nach einer Feier in seinem noch zu Hause, einmal in seinem Bett vorgefunden hatte, darauf aus ihn mit anderen „Ansichten“ umstimmen zu wollen. Doch auch wenn Sharon eine attraktive Frau war, und der Hauch von nichts, den sie getragen hatte, dies noch um einiges mehr unterstrich, hatte er ihr einfach nur eine Decke übergelegt und auf der Couch geschlafen.
 

Es mochte für den modernen Standard langweilig sein, aber er hatte den Standpunkt im Leben erreicht, wo flüchtige Bettgeschichten ihm als mehr Mühe erschienen, als etwas das, man genießen und auskosten sollte.
 

Denn es war ebenso nicht einfach den richtigen Menschen zu finden, mit dem man sich eine wirklich anhaltende Beziehung zu wünschen erhoffte. Sich verlieben war eine eigensinnige Prozedur.
 

Er war ein Romantiker im Herzen. Der häusliche Typ mit liebevollen Ausnahmen.
 

Sharon war eher das Gegenteil. Sie mochte es auffällig und rasant. Sie war ein Mensch, den es auf alle möglichen Partys zog und für den es immer irgendwie einen Kitzel geben musste.
 

Er hingegen hatte genug Kitzel in seiner Militärzeit erlebt und sehnte sich nun einfach nach einem simplen und ruhigen Dasein.
 

Der Grund warum er es aber eigentlich vermied mit Sharon aufeinander zu treffen, war jedoch nicht, weil er sich belästigt fühlte von ihren Annäherungsversuchen, sondern weil er wusste, dass sie unter all ihrem selbstbewussten und forschen Flirtereien mit ihm, sich am Ende doch stets bei Peggy ausweinte über sein tatsächliches Desinteresse an ihr.
 

Es tat ihm leid, aber er blieb ehrlich zu ihr, auch wenn es sie verletzte.
 

Über all die Gedanken, die er sich zu seinem Privatleben aufgerufen hatte, hatte es ihn nahezu unbewusst zu seinem neuen Wohnsitz gezogen, da er das Gefühl hatte, dass er hier etwas innere Ruhe wiederfinden würde.
 

Er hatte seinen Wagen in die etwas verwilderte Einfahrt gestellt und griff, nachdem er den Motor zum Verstummen gebracht hatte, nach den Schlüsseln, die sich ebenso auf dem Beifahrersitz befanden.
 

Und erst jetzt, wo er allein und ohne Ablenkung davor stand, konnte er das Bild im Ganzen aufnehmen und es versah ihn mit einem blassen, nostalgischen Empfinden, das ihm direkt ins Herz zog. Mit etwas schwermütigen Schritten trat er schließlich weiter auf das Haus zu.
 

Es drängte ihn nach Erinnerungen, die er hier hatte sammeln können.
 

Wie hatte der Garten wohl früher ausgesehen? Hatte seine Mutter viel Mühe dort hineingesteckt? Hatte er ihr geholfen und das ein oder andere dabei gelernt von ihr? Hatten sie im Sommer manche Abende auf der Terrasse verbracht und sie hatte ihm Geschichten erzählt? Und hatten sie diese zu Halloween geschmückt, mit selbstgeschnitzten Kürbissen?
 

Er hatte seine Freude daran entdeckt, wann immer diese Zeit heranrückte und Dr. Erskine hatte ihn stets für sein Talent gelobt, das er in seinen Schnitzereien gezeigt hatte. Seine Kürbisse waren ein Highlight in der Nachbarschaft gewesen. Er konnte sich vorstellen, dass er vielleicht ab und an allein auf der nun recht schief hängenden Terassenschaukel gesessen hatte, und seine Füße hin-und herbaumelten, weil er den Boden damit nicht erreichen konnte. Er fragte sich, ob er womöglich ein anderes Kind war, als das, welches er tatsächlich in seinen Erinnerungen abrufen konnte.
 

Ein leises, rostiges Quietschen holte Steve aus seinen Gedanken und er erkannte Chocolate, die nun auf der Armlehne der Schaukel saß, und ihn erneut beobachtete.
 

Steve überkam sofort ein schlechtes Gewissen. Er hätte ihr etwas zu fressen mitbringen sollen. Aber sie sah nicht mager oder ungepflegt aus, was ihn ein wenig erleichterte. Anscheinend kümmerte sie sich auch ohne sein Zutun um ihre Verpflegung.
 

„Hey.“, begrüßte er sie mit einem leichten Heben seiner Hand und kam sich augenblicklich etwas albern vor.
 

Er überlegte, ob er noch einmal versuchen sollte, sich mit ihr anzufreunden. Ein Scharren über Asphalt und ein darauffolgendes lautes Fluchen brachte Steve jedoch von seinem Vorhaben ab und er suchte nach der Quelle des nun anhaltenden Schimpfens. Er erkannte einen Jungen mit wilden, braunen Haaren, der sich nun wieder aufrappelte und nach seinem Skatboard griff, dass er nun prüfend musterte.
 

Steve sah, dass dessen linkes Knie unter der nun verrissenen Hose blutete.
 

Er ging ein Stück zurück in Richtung Straße. „Alles OK?“, erkundigte er sich, was den Jungen seinen Kopf abrupt auf ihn lenken ließ und er ihn aus großen, braunen Augen anschaute. „Uhm, ja alles klar. Nur…“ Er hielt das Board etwas nach oben, wo zu erkennen war, dass eines der Räder fehlte. „Sollte mir nun wirklich mal ein neues zulegen.“, grinste der Junge mit einem spitzbübischen Ausdruck und klemmte sich sein Board unter den Arm.
 

„Also dann.“ Damit zog dieser in einem leichten Joggen wieder weiter.
 

Als Steve zur Eingangstür zurückkam, war Chocolate bereits wieder verschwunden. Mit etwas Mühe schloss er die Tür auf und notierte sich gedanklich, dass etwas Öl sicherlich nicht verkehrt sein konnte.
 

Die Dielen knarrten unter seinem Gewicht, aber das war eben der Charme, den ein solches Haus mit sich brachte.
 

Die vorhergehendem Besitzer hatten ein paar wenige Möbelstücke zurückgelassen, unter anderen auch eine Couch deren Bezug mit einem großzügigen Blumenmuster versehen war. Steve ging darauf zu. Er konnte sich daran erinnern, dass bei seinem letzten Besuch eine dieser Plastikfolien darüber gelegt war, um den Staub davon fern zu halten. Doch jetzt war sie heruntergezogen und lag in etwas Abstand auf dem leicht staubigen Boden.
 

Bei genauerer Betrachtung der Umgebung sah es so aus, als wäre jemand durch das Wohnzimmer gelaufen.
 

Und zwar barfuß.
 

Steve hob eine Augenbraue in skeptischer Analyse dieser Tatsache. Es waren aber nicht die einzigen Spuren. Die Abdrücke von Katzenpfoten waren ebenso zu sehen, welche sich mit den nackten Fußspuren überschnitten. Es lag nahe das Chocolate hier ab und an im Haus umherstreifte. Sicherlich kannte sie den einen oder anderen Weg hier hinein. Was aber nicht erklärte, wer die anderen Abdrücke hinterlassen hatte.
 

Ein zögerliches Klopfen an der Eingangstür ließ Steve seinen Augenbrauen fragend zusammenziehen, als er sich dem erneuten Klopfen entgegenbewegte.
 

Eine zierliche, ältere Dame stand auf der Terrasse und schaute ihn entschuldigend entgegen, als er die Tür öffnete.
 

„Verzeihen sie die Störung, junger Mann, ich bin Mrs. Parker. Ich wohne ein paar Häuser die Straße hinunter. Mein Neffe meinte es wäre jemand hier. Ich habe mich im Auftrag des Maklerbüros ein wenig um das Haus gekümmert.
 

Ms. White meinte es wäre wieder verkauft worden.“ Sie lächelte nun etwas zaghaft. „Ich habe einen Schlüssel und wollte ihn dem neuen Mieter vorbeibringen.“
 

Steve lächelte nun ebenso und bat Mrs. Parker einzutreten, fühlte es sich doch etwas unhöflich an, sie in der Tür stehen zu lassen.
 

„Steve Rogers.“, stellte er sich vor und Mrs. Parker ließ ihn wissen, dass sie May Parker hieße und sie sich freuen würde, dass sich so schnell wieder jemand für dieses Objekt gefunden habe. „Es wäre sehr schade, wenn es verfallen würde. Leider waren die Tailers nicht mehr in dem Alter, um große Reparaturen hier erledigen zu können.“
 

Steve nickte verstehend. „Ich will versuchen, es wieder auf Vordermann zu bringen. Es hat eine gewisse sentimentale Bedeutung für mich.“
 

Mrs. Parker schaute ihn interessiert an. „Haben sie denn einmal hier in der Gegend gewohnt?“ Steve nickte erneut. „Als Kind, zusammen mit meiner Mutter.“
 

„Verstehe, dann ist es ja fast so etwas wie ein nach Hause kommen.“, meinte sie in einem warmen Ton und holte nun den Schlüssel aus ihrer Jackentasche, den sie an Steve weiter reichte.
 

Dankend nahm er ihn entgegen, was nun auch eine Frage in ihm aufkommen ließ.
 

„Wissen sie zufällig, ob es noch einen anderen Weg ins Haus gibt? Also ohne das ein Schlüssel nötig wäre?“ Mrs. Parker schaute Steve etwas verwundert an. „Nicht das ich wüsste. Ist denn etwas nicht in Ordnung?“
 

„Na ja, ich habe ein paar seltsame Spuren gefunden und fragte mich, ob womöglich jemand dieses Haus als eine Unterkunft genutzt hat, während es leer stand.“ Steve führte Mrs. Parker zu den Abdrücken im Wohnzimmer.
 

„Oh.“ Sie legte eine Hand auf ihre Brust und sah etwas bestürzt aus.
 

„Ich will sie nicht unnötig erschrecken, aber vielleicht ist es dieser merkwürdige Obdachlose der hier ab und an herausstreift. Auch wenn ich mir nicht erklären kann, wie er hier hereingekommen sein soll. Ich habe stets alle Türen und Fenster überprüft. Selbst im Keller.“ Sie schaute ihn mit besorgtem Ausdruck an.
 

„Sie sollten vorsichtig sein. Diese Person ist recht unheimlich. Selbst die Polizei hat ihn nicht aufgreifen können, egal wie oft man sie deswegen schon gerufen hat. Er ist meist im Dunkeln unterwegs und manche meinen sogar, dass er nicht einmal Kleidung am Leib trägt. Bis jetzt hat er noch keinem etwas getan, auch wenn behauptet wird, dass er den Hund von Dr. Schmidt fast zu tote stranguliert hat. Aber dafür gibt es keine Beweise.“
 

Steve musste zugeben, dass es eine recht ungewöhnliche Geschichte war, vor allem der Teil mit dem nackt durch die Gegend laufen. Aber es war nicht so, dass er sich unsicher fühlte, er würde nur etwas mehr auf der Hut bleiben. Wenn es darauf ankäme, würde er sich schon zu verteidigen wissen. Jedoch konnte er sich sehr gut vorstellen, dass dieser Obdachlose für einige der Nachbarn eine unangenehme Situation darstellte. Er würde auf jeden Fall ein Auge offen halten, würde er gänzlich hier eingezogen sein.
 

Er bedankte sich bei Mrs. Parker für ihre Mühe und konnte ihr das Versprechen abgewinnen, dass er sie, nachdem er sich hier etwas wohnlich eingerichtet hatte, zu einem Kaffee einladen durfte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück