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Something Worth Fighting For

»[AcexOC]«
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House Of Cards

Nikiras Leben glich einem Kartenhaus, welches drauf und dran war, einzustürzen. Sie hatte lange versucht es aufrecht zu erhalten. Heute sollte es jedoch so weit sein. Sie würde die letzte Karte aus dem wackeligen Gerüst ziehen und es so zum Fall bringen. Das hatte sie entschieden, als sie bis spät in die Nacht wach gelegen und über ihre Zukunft nachgedacht hatte. Länger konnte sie es nicht mehr hinauszögern. So sehr sie sich auch wünschte, dass all dies nur ein schrecklicher Alptraum war. Es war keiner. Das hier war bittere Realität.
 

Die Augen der 18-Jährigen wanderten müde und erschöpft durch den Raum. In der Kajüte sah es aus, als hätte hier nie jemand gelebt. Alles war feinsäuberlich zusammengeräumt. Kaum ein Staubkorn war zu sehen. Es war das Ergebnis einer fast schlaflosen Nacht und dem zwanghaften Vermeiden ihrer Gedanken an den nächsten Tag.
 

Sie seufzte und stand auf. Ihren gepackten Seesack schmiss sie sich über die Schulter. Ein letztes Mal sah sie zurück. Es fiel ihr schwer, all das hinter sich zu lassen, doch sie hatte eine Entscheidung getroffen. Eine endgültige.
 

Bedacht schloss sie die Tür und richtete ihren Blick sofort auf den Boden. Sie spielte das mögliche Gespräch wieder und wieder durch. Dabei war sie komplett in Gedanken versunken, sodass ihr erst nach der Hälfte auffiel, dass es merkwürdig leise war. Zu leise für die sonst so belebte Moby Dick. Das Frühstück hatte sie verschlafen, deshalb müssten die meisten unterwegs sein. Dennoch kam ihr keine Menschenseele entgegen. Diese Tatsache kam ihr äußerst suspekt vor und für einen Moment vergaß sie sogar das bevorstehende Treffen mit dem Kaiser.
 

Skeptisch öffnete sie also die Tür und kniff die Augen zusammen, als ihr das Sonnenlicht erbarmungslos ins Gesicht schien. Sie hob ihren Arm und schirmte so die Strahlen ab. Langsam betrat sie zur Gänze das Deck und stutzte. „Was soll das?“, murmelte sie zu sich selbst. Unzählige Mitglieder der Bande hatten sich hier versammelt. Nicht unüblich, dass viele hier waren, aber niemand sagte etwas. Es herrschte vollkommene Stille.
 

„Was ist hier los?“ Sie fragte leise einen ihr unbekannten Piraten. Sein Gesicht wirkte bedrückt und langsam aber sicher wurde die Unruhe immer größer. Etwas stimmte hier nicht. Als er mit ihr sprach, sah er sie nicht mal an. Stur starrte er auf den Boden. „Es geht um Thatch.“ Der Mann schluckte und Tränen sammelten sich in seine Augen. „Er...Er...ist tot.“
 

Selten brauchte sie so lange, um eine Aussage zu verinnerlichen. Seine Worte erreichten sie nur Stück für Stück. Buchstabe für Buchstabe traf es sie mitten ins Herz. „Nein“, hauchte sie fassungslos und schüttelte energisch den Kopf. Das konnte nicht stimmen. Er war nicht tot.
 

Aus ihrem Gesicht war jegliche Farbe gewichen. Ihre Atmung hatte sich beschleunigt und das Blut rauschte durch ihren Körper. Ihr Seesack glitt ihr aus den Fingern und fiel dumpf zu Boden. Niemand schenkte dem Beachtung. Nikira schluckte und ballte ihre Hände zu Fäusten. Die erste Erinnerung, die ihr durch den Kopf ging, war das Gespräch an Deck. Seine Definition von Liebe. Dabei hatte er so sehnsüchtig aufs Meer hinausgeblickt. Schon lange hatte sie der Tod einer Person nicht mehr so gewaltig getroffen.
 

„Es ist wahr und weißt du, was das Schlimmste daran ist? Ein Crewmitglied hat ihn umgebracht.“ Die Stimme des dicken Mannes klang bitter und verächtlich.
 

Der Rothaarigen wurde kalt und ein unangenehmer Schauer jagte über ihren Rücken. Ein Crewmitglied? „Wer?“, fragte sie atemlos. Hass flammte in ihr auf. Wie konnte jemand Thatch so etwas antun? Er war doch immer so freundlich zu allen gewesen...
 

Nikira presste ihre Lippen aufeinander. Es traf sie so unvorbereitet und die nächsten Worte machten es nicht besser. „Es war Teach.“ Die Stimme gehörte jemand anderem, weshalb sie sich umdrehte. Marco stand hinter ihr und sah sie mit einem düsteren Gesichtsausdruck an. Er wirkte angespannt, was durchaus verständlich war.
 

Bei dem Namen des Verräters tauchte in ihrem Kopf sofort ein Bild auf. Ein großer, dicker Mann mit schwarzen Haaren und fehlenden Zähnen grinste ihr widerlich entgegen. Wie konnte sie ihn auch vergessen? Er hatte sie damals nach dem Streich ins Messer laufen lassen. Zusätzlich hatte er öfters abartige Anspielungen gemacht, sobald sie in der Nähe war.
 

„Wieso hat er das getan?“, fragte sie entgeistert. So sehr sie ihn auch verachtet hatte, nicht mal ihm hätte sie so eine Tat zugetraut.
 

„Er war hinter der Finsterfrucht her.“ Jozu und Haruta waren neben ihr aufgetaucht. Beide mit demselben bedrückten Gesichtsausdruck wie der Großteil der Piraten an Deck.
 

Die 18-Jährige erinnerte sich genau an die Worte einer Krankenschwester. „Derjenige, der die Frucht entdeckt, hatte alleiniges Recht darauf.“ Sie wiederholte die Tatsache verächtlich. Wie konnte er es wagen? Für eine verfluchte Teufelsfrucht hatte er Thatch getötet.
 

Von all den Mitgliedern der Whitebeard-Piraten, stand sie dem Kommandanten der vierten Division neben Ace am nächsten. Er war immer nett zu ihr gewesen. Hatte ihr Dinge erklärt, von denen sie keine Ahnung gehabt hatte. Die Welt war einfach nicht fair!
 

Wütend knirschte sie mit dem Kiefer. „Wo ist Ace?“ Sie sah Marco an, der seine Arme verschränkt hatte und nachdenklich auf den Boden starrte. Bei ihren Worten blickte er beinahe verärgert auf.
 

„Dieser Idiot ist heute Morgen losgesegelt.“
 

Perplex runzelte sie die Stirn. „Losgesegelt? Was soll das denn heißen?“
 

„Na, was wohl?“, zischte der Phönix impulsiv. „Ace will sich Teach holen. Dieser Mistkerl war in seiner Division und er will ihn zur Rechenschaft ziehen.“ Er klang nicht sonderlich begeistert über den Entschluss des Schwarzhaarigen. Dazu hatte er auch jeden Grund.
 

Nikira selbst entgleisten die Gesichtszüge. „Was? Das ist Selbstmord. Hat keiner von euch versucht ihn aufzuhalten?“ Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. So stark Ace auch war, einem skrupellosen Teach, der eine der mächtigsten Kräfte besaß, war er höchstens ebenbürtig, aber keinesfalls überlegen. Sorge machte sich in ihr breit und sie vergrub ihre Nägel in den Handinnenflächen.
 

Marco wurde bei ihren Worten wütend. „Glaubst du wirklich, dass wir das nicht versucht haben? Nie im Leben hätten wir dieser Idee mir nichts dir nichts zugestimmt, aber wir können ihn nicht zwingen, hierzubleiben.“ Er funkelte die Rothaarige an, die verbissen den Blickkontakt mied. Ihr war klar, dass er Recht hatte und doch hätten sie ihn aufhalten sollen. Keine Ahnung wie, aber sie hätten es tun sollen.
 

„Dieser verdammte Sturkopf“, zischte sie, überfordert mit der Situation. Sie hatte sich diesen Tag anders vorgestellt. Sie hatte ihn geplant. Von vorne bis hinten. Stattdessen kam alles anders als erwartet. Thatch war tot und Ace verschwunden. Und der Mann, der an diesem Chaos schuld war, trug den Namen Teach.
 

Nikira schloss kurz die Augen und fuhr sich übers Gesicht. Die wenigen Stunden Schlaf machten sich bemerkbar. Hinzu kam der psychische Stress. Träge griff sie schließlich nach ihrem Seesack, der noch immer auf dem Boden lag. Sie musste jetzt zumindest eine Sache abhaken und zwar jene, die sie bereits vor langer Zeit hätte erledigen sollen.
 

Ohne den anderen weiter Beachtung zu schenken, drehte sie sich um. So schwer das Verdrängen der vorherigen, schockierenden Meldung auch war, sie durfte sich davon nicht beeinflussen lassen. Sie musste es für einen Moment vergessen.

Mit jedem Schritt wurde ihr Herz noch schwerer als ohnehin schon und die Nervosität stieg ins Unermessliche. Sie holte tief Luft und versuchte zumindest ein wenig sicherer auszusehen. Dass was jetzt kam, war alles andere als leicht für sie. Vielleicht würde es auch das Letzte sein, was sie tat. Es lag an Whitebeard, wie all das enden sollte. Ihr Leben befand sich in seiner Hand.
 

Die ganze Nacht lang hatte sie wach in ihrem Bett gelegen und fieberhaft darüber nachgedacht, wie sie dem Kaiser am besten die Wahrheit sagen sollte. Doch jetzt, wo sie auf dem Weg zu ihm war, wusste sie nicht, ob die zurechtgelegten Worte ihr überhaupt über die Lippen kommen würden.
 

Ohne den Blick von ihm abzuwenden, ging sie schließlich die paar Treppen hinunter und kam mit ein wenig Abstand vor ihm zu stehen. Zum ersten Mal in ihrem Leben verspürte sie pure Angst. Sie hatte Angst, vor den Konsequenzen und Angst vor seiner Entscheidung.
 

Sie sah sich kurz um. Nur vereinzelt befanden sich Mitglieder auf dem sonst so belebten Platz vor dem Thron. Es wurde nicht viel geredet, zu tief saß noch der Schmerz über den Tod von Thatch. Selbst Whitebeard schien, als hätte er Tage nicht geschlafen. Ihr war bewusst, dass es ein denkbar schlechter Moment war, um die Wahrheit zu offenbaren. Doch es war unmöglich, noch länger damit zu leben.
 

„Ich weiß, es ist ungünstig, aber kann ich bitte kurz mit dir reden?“ Sie bemerkte die irritierten Blicke der anderen, doch konzentrierte sich nur auf den Kaiser vor sich.
 

Whitebeard setzte seine Sakeschale an die Lippen an und trank einen großen Schluck davon. Anschließend senkte er seine Hand wieder. „Der Zeitpunkt ist wahrlich nicht gut gewählt, aber sprich.“ Eindringlich sah er sie an. Nikiras Herz raste, aber sie versuchte mit aller Kraft seinem Blick standzuhalten. Mehr oder weniger erfolgreich.

Die Rothaarige warf einen eindeutigen Blick auf die Piraten um sie herum. „Alleine.“ Es klang mehr wie eine Frage, als eine Aufforderung.
 

Der Captain richtete sich ein wenig auf und schien zu überlegen, ob er ihr den Gefallen tun sollte. Schließlich nickte er. Die Crew verstand sofort und machte sich skeptisch davon. Nikira sah ihnen kurz nach, ehe sie sich wieder zu Whitebeard wandte.

Sie holte tief Luft, versuchte Thatch‘ Tod und Ace‘ Verschwinden weit in den Hintergrund zu drängen. „Bevor du urteilst möchte ich, dass du mir zuhörst. Bis zum Schluss. Ich weiß, es ist viel verlangt, aber es ist wichtig.“ Bittend beobachtete sie seine Reaktion. Er hatte eine ausdruckslose Miene aufgelegt und war unheimlich schwer zu durchschauen. „Sag, was auch immer du zu sagen hast.“
 

Sie schloss für einen Moment die Augen. Unzählige Gedanken rasten ihr durch den Kopf. Einer war so klar wie kein anderer, weshalb sie entschlossen ihren Blick wieder nach vorne richtete. „Dass ich damals auf dem Marineschiff war, war kein Zufall. Es war geplant. Alles.“ Nikira hielt abermals kurz inne. Die nächsten Worte fielen ihr überraschend leicht. „Ich bin keine Piratin, sondern Mitglied der Marine. Mein Auftrag lautete, Ace auszuliefern und gelegentlich Information zu vermitteln.“ Ihre Stimme klang fest, obwohl sie mit jedem weiteren Wort innerlich zerbrach. Sie fühlte immer weniger und es kam ihr vor, als würde sie dieses Gespräch von außerhalb mitansehen. „Du hast damals gesagt, dass du Geheimnisse nicht tolerierst. Ich hatte die ganze Zeit eines vor dir, vor euch allen und das tut mir leid. Meine Tat ist unverzeihlich und ich nehme jede Strafe in Kauf.“

Die 18-Jährige schluckte und straffte ihre Schultern. „Ich werde mich jedoch weder rechtfertigen, noch um Vergebung bitten. Vielmehr möchte ich dir und all den anderen danken. Ohne euch hätte ich nie gelernt, was es bedeutet eine richtige Familie zu haben. Ihr habt mir gezeigt, was Zusammenhalt heißt und wie es ist, nicht alleine zu sein. Thatch hat…er hat mir die Bedeutung von Liebe klargemacht.“ Kurz grinste sie bei dem Gedanken an das nächtliche Gespräch, wurde aber schnell wieder ernst. „Ihr und vor allem Ace habt mich zum ersten Mal seit dem Tod meiner Mutter wirklich glücklich gemacht und genau dafür möchte ich euch danken.“ Sie lächelte halbherzig und versuchte die aufkeimenden Tränen in ihren Augen zu unterdrücken.

Sie war noch nicht fertig, denn eine Sache musste sie noch loswerden. Etwas, dass ihr persönlich am Herzen lag. „Damals handelte ich auf den Befehl meines Vaters. Er hat mich jahrelang gelehrt, dass alle Piraten Monster wären und vor keiner Grausamkeit zurückschrecken würden. Heute sehe ich die Dinge mit anderen Augen. Er ist es, der mit eiserner Brutalität seine Ziele verfolgt und so jemand will ich nicht sein.“ Nikira seufzte schwer. „Der Name meines Vaters lautet Sakazuki. Er war derjenige, der Layla all die schrecklichen Dinge angetan hat.“
 

„Du verdammtes Miststück!“ Die Stimme kam so plötzlich, wie der enorme Schmerz in ihrem Gesicht. Marco war wutentbrannt auf sie zugestürmt und hatte mit seiner Faust ausgeholt, noch bevor sie sich ganz zu ihm umgedreht hatte. Nikira stolperte und fiel daraufhin auf den harten Holzboden. Sie keuchte auf, während sie sich mit einer Hand abstützte und die anderen auf die getroffene Stelle presste. Ihre Nase hatte ein beunruhigendes Geräusch gemacht und es fühlte sich an, als wäre sie gebrochen.
 

Sie drehte ihren Kopf und betrachtete Marco, dessen blaue Flammen sich entfacht hatten. Sein Blick war hasserfüllt und er sah nicht so aus, als wäre er bereits fertig mit ihr.
 

Der Vize machte einen großen Schritt auf sie zu, beugte sich zu ihr herab und packte sie am Hals. Mit Leichtigkeit hob er sie hoch und schmiss sie quer über das Deck. Sie flog gegen das Geländer, welches bei dem Zusammenstoß zerbrach. Der Sturz presste ihr die Luft aus den Lungen. Sie hustete schwerfällig und ein metallartiger Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus. Sie spuckte auf den Boden, um diesen loszuwerden. Mit verklärtem Blick sah sie auf und begegnete dem von Marco. Er war geprägt von Verachtung und Abscheu.
 

„Ich schätze, das habe ich verdient“, murmelte sie leise und verzog das Gesicht, als sie sich halbwegs aufrichtete.
 

Der Kommandant schnaubte abfällig. Mit seinem Fuß auf ihrem Oberkörper trat er sie zurück auf den Boden. Wie zuvor auch beugte er sich zu ihr. „Du hast uns alle belogen. Hast so getan, als würdest du zur Familie gehören, obwohl du ein verfluchtes Miststück der Marine bist. Noch dazu hast du Ace etwas vorgespielt, der immer ehrlich zu dir war.“ Er stoppte und drückte sie weiter nach unten. Sie zischte auf, als sich das Holz in ihren Rücken bohrte. „Du hast noch viel mehr verdient als das.“
 

Nikira sah ihm verletzt in die Augen. Nichts als Wut war in ihnen zu erkennen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich schnell, als sie schlussendlich den Blick abwandte. Seine Worte hatten sie schwer getroffen, obwohl ihr all diese Dinge bereits klar waren, aber sie von jemandem wie ihm zu hören, tat weh.
 

„Marco! Es reicht.“ Whitebeards Stimmte hallte autoritär über das Deck und ließ keine Widerrede zu. Mit ernster Miene hatte er sich aufgerichtet.
 

„Wieso? Sie hat-“, fing er verständnislos an, wurde jedoch von dem Kaiser unterbrochen: „Ich weiß, was sie getan hat. Lass es sein und geh. Ich will mit ihr alleine reden.“
 

Marco betrachtete verwirrt seinen Kapitän und schüttelte nach seiner Aufforderung ungläubig den Kopf. Er warf ihr einen letzten, abfälligen Blick zu und verschwand schließlich. Etwas anderes blieb ihm auch nicht übrig.
 

Nikira schloss kurz die Augen und verharrte in ihrer Position am Boden. Sie hätte nicht gedacht, dass Whitebeard ihn unterbrechen würde. Insgeheim hatte sie sich mit dem Gedanken angefreundet, dass sie nicht mehr zurückkehren konnte. Immerhin wollte sie dies gar nicht…
 

Schließlich stand sie langsam wieder auf. Sie hielt sich die Seite, die bereits bei der kleinsten Bewegung schmerzte. Jedoch achtete sie nicht sehr darauf, sondern wischte sich einmal mit dem Handrücken die Blutspur aus dem Gesicht und schenkte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Kapitän des Schiffes.
 

„Ist dir jemals aufgefallen, dass es außer Haruta, den Krankenschwestern und dir keine Frauen an Bord gibt?“, stellte ihr Whitebeard ruhig die Frage und wartete geduldig. Nikira hingegen sah ihn perplex an. Seine ruhige Art verwirrte sie. Sie hatte mit Wut und Aggression gerechnet, aber das Gegenteil war der Fall.
 

„Ich...nein. Nicht so richtig.“ Die Rothaarige runzelte verwirrt die Stirn.
 

Er richtete sich auf und stützte sich mit dem rechten Ellbogen auf der Lehne ab. „Ich nehme nicht einfach so Frauen in meine Crew auf.“
 

„Auf was willst du hinaus?“ Sie schluckte nervös und krallte ihre Finger in den weißen Stoff ihres Shirts. Das ungute Gefühl in ihrem Bauch wurde stärker.
 

„Damals habe ich dich nicht aufgenommen, weil du mich beeindruckt hast. Natürlich fand ich es faszinierend, dass jemand in deinem Alter das Observationshaki anwenden konnte, aber das war es nicht. Du hast mich an jemanden erinnert. Ich war mir nur nicht ganz sicher, ob ich mit meiner Vermutung richtig lag.“ Whitebeards Stimme klang beherrscht.
 

Nikira hingegen wurde zunehmend unruhiger. „Welche Vermutung?“
 

Der Kaiser hielt kurz inne und erhob sich langsam von seinem Thron. Man konnte ihm ansehen, dass es ihm nicht leichtfiel. Er hatte Schmerzen. Dennoch ging er auf sie zu. „Ich war mir nicht sicher, ob es sich bei dir wirklich um die Tochter von Minako handelte.“
 

Zum dritten Mal an diesem Tag blieb ihr Herz für einen Augenblick stehen. Dieser Name. Sie hatte ihn solange nicht mehr gehört und jetzt, wo ihn jemand laut aussprach, löste er so viele Dinge in ihr aus. Der Schmerz, den sie so mühsam versucht hatte zu verdrängen, kroch wieder an die Oberfläche. Stück für Stück.
 

Nahezu geschockt ging sie einen Schritt nach hinten. Mit großen Augen sah sie ihn an. „W-Was?“ Ihr Griff um den Stoff wurde fester und ihr Herz schlug heftig gegen ihre Brust. „Woher...woher kanntest du sie?“ Nur mit Mühe brachte sie die heiseren Worte über ihre Lippen. Ihr Kopf war voll mit Gedanken, die wild durcheinanderrasten.
 

Whitebeard betrachtete sie mit einem Blick, der beinahe mitleidig wirkte. „Sie wuchs auf derselben Insel auf wie ich. Die kleine Minako war...etwas Besonderes.“ Der alte Mann lächelte kurz, machte ein paar Schritte und blieb neben Nikira stehen. Er sah sie nicht an und sein Lächeln war zur Gänze verschwunden. Seine nächsten Worte waren niederschmetternd für sie: „Geh jetzt, Nikira. Du bist hier nicht mehr willkommen.“
 

Ihre Atmung stockte und sie wagte es kaum, sich zu bewegen. Das war der Grund, weshalb sie hier war. Sie war hier, weil ihre Mutter auf derselben Insel aufgewachsen war wie Whitebeard. Sie konnte nicht glauben, was sie hörte. Von Anfang an hatte er gewusst, wer sie war. Deshalb die Worte damals, bevor sie auf ihren Vater getroffen war. Er hatte es gewusst. Doch diese Tatsache war nicht das Schlimmste daran.
 

„Das ist alles?“ Sie drehte sich energisch zu ihm. „Ich belüge euch wochenlang und alles was du zu sagen hast, ist, dass ich verschwinden soll?“ Der anfängliche Schock war verschwunden. Stattdessen war sie wütend darüber, dass er einfach nichts tat. Er erzählte ihr irgendwelche Sachen und blieb dabei total ruhig, als würden sie übers Wetter reden. Sie wollte, dass er außer sich war. Er sollte sie anschreien, schlagen und verdammt nochmal über Board werfen! All diese Dinge waren ihr lieber, als dieses Schweigen!
 

Der Kaiser blieb stehen und drehte sich zu ihr um. Sie sah verzweifelt aus, wie sie so mit geballten Händen vor ihm stand. Sie war durcheinander und die Ereignisse in letzter Zeit waren ihr zu viel. Irgendwann konnte selbst sie nicht mehr.

Edward Newgate seufzte schwer bei diesem Anblick. „Ist es nicht Strafe genug, wenn du zurück musst?“ Er wartete nicht auf ihre Antwort, denn er kannte sie schon.
 

Nikira selbst ließ ihre Schultern sinken. Die angespannte Haltung verflog zur Gänze. Er hatte recht. Wie so oft. Sie hob langsam ihren Seesack auf, der auf dem Boden lag und ging mit gesenktem Kopf an dem Kaiser vorbei. Hier hielt sie nichts mehr.

Mit gemischten Gefühlen suchte sie die Beiboote auf. Dabei versuchte sie alle Piraten zu umgehen, denn vermutlich hatte Marco die meisten bereits eingeweiht. Noch mehr dieser verächtlichen Blicke konnte sie heute nicht mehr ertragen.

Die 18-Jährige kletterte schließlich mit ihren einzigen Habseligkeiten in die kleine Nussschale und ließ diese dann vorsichtig ins Wasser. Sie setzte das Segel und trieb allmählich weg von dem riesigen Schiff.
 

Sie betrachtete wehmütig die Moby Dick, wie sie immer kleiner wurde. Das war es also. Der Abschied. Irgendwie hatte sie es sich leichter vorgestellt. Weniger schmerzhaft. Im Nachhinein war es töricht von ihr, das zu glauben. Sie hätte diese Mission nie annehmen sollen. Hätte sie es nicht getan, dann würde sie noch immer Tag für Tag Soldaten ausbilden und sich ihrer täglichen Routine hingeben. Es wäre unkompliziert. Jetzt würde sie mit nichts in den Händen zurückkehren und ihren Vater endgültig Schande bringen.
 

Sie lehnte sich gegen den winzigen Mast und schloss die Augen. Welch Glanzleistung ihrerseits. So viele Leute, die sie in letzter Zeit enttäuscht hatte. Zum einen Ace, den sie wieder und wieder von sich stieß, obwohl sie es gar nicht wollte. Zum anderen die restlichen Whitebeard-Piraten, die wie eine Familie für sie waren. Dann gab es noch den Kaiser selbst. Alles, was er gewollt hatte, war, dass sie die Wahrheit sagte. Und zu guter Letzt war da noch ihr Vater, der sie vermutlich eigenhändig umbringen würde.
 

Bei dem Gedanken musste sie paradoxerweise grinsen. „Wie sehr ich ihn schon vermisst habe.“ Ihn und ihr eintöniges Leben. Ihn und die ganzen Blicke der Soldaten. Ihn und ihr persönliches Gefängnis namens Marineford.
 

Nein. Sie wollte nicht zurück und doch war es unausweichlich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Hypsilon
2017-11-15T11:47:47+00:00 15.11.2017 12:47
Oh yeah, gleich im ersten Satz den Titel beschrieben^^
Der Verlauf dieses Kapitels ist wirklich gut. Whitebeards Reaktion hätte ich mir nicht anders vorstellen können.
Und irgendwie hatte ich es im Gefühl, dass sie von Marco konfrontiert wird.
Dass es genau der Tag an dem Thatch tot aufgefunden wird, ist nochmal härter.
Oh mann, auf Akainu bin ich jetzt schon gespannt.
Wie sie sich dann mit der Nussschale aufmacht, ging mir ein ganz klein wenig zu schnell, aber sonst wieder ein top Kapitel!

Liebe Grüße Chii

Von:  Miana
2017-09-24T16:54:40+00:00 24.09.2017 18:54
Das Kapitel war wirklich spannend und aufwühlend. Die arme Nikira. Sie tut mir echt leid :(


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