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Konoha Side Stories

von

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Das Chunin-Examen

Als ich diesmal erwachte, lag ich in einem Bett. Einem recht weichen, bequemen Bett. Das Bett stand in einem weiß getünchten Zimmer, zwei Fenster waren geöffnet, und ein kalter Wind strich herein. Das Bett stand in einem Einzelzimmer, deshalb hatte es keine Vorhänge wie es in Konoha üblich war, um jedem Patienten eine eigene Privatsphäre verschaffen zu können. Ich blinzelte. Scheiße, wo war ich?

Omois grinsendes Gesicht erschien über mir. Der obligatorische Lutscher rotierte in seinem Mund. "Keine Sorge, Kleiner. Du bist in Kumogakure, hast einen ganzen Tag durchgeschlafen und bist auf dem Weg der Besserung. Wir haben zufällig die gleiche Blutgruppe, also war ich so frei, dir mein Blut zu spenden. Die Prüfung ist erst in zwei Tagen, und bis dahin kannst du zumindest an der theoretischen Prüfung teil nehmen. Dein rechter Arm wird bis dahin nicht wieder gut sein, den kannst du erst mal vergessen. Bizeps komplett gekappt. Aber ich bin ganz froh darüber. Ansonsten hätte die Klinge womöglich in meinem Genick gesteckt, und das brauche ich noch."

"Das sagst du doch nur so", erwiderte ich mit einer heiseren Stimme, die ich kaum als meine eigene erkannte.

"Du kannst ruhig glauben was du willst. Aber ich schulde dir einen, Mamo-chan." Sein Grinsen war ansteckend, und so rang ich mir auch ein müdes Lächeln ab.

"Willst du was zu trinken? Du hast dein Wasser durch eine Infusion bekommen, aber ich kann mir vorstellen, dass deine Kehle jetzt furchtbar trocken ist."

"Tu dir keinen Zwang an." Der Größere griente mich an und schenkte mir ein Glas Wasser aus einer bauchigen Flasche ein. Ich trank das Glas langsam leer, in vorsichtigen Schlucken, und ließ das Wasser lange in meinem Mund rollen. Ich hatte tatsächlich ein furchtbar trockenes Gefühl im Mund gehabt, nun wurde es besser. "Danke."

Omoi half mir dabei, mich aufzusetzen. "Wann kann ich hier raus?"

"Die Ärzte sagen, morgen. Und ich würde auf die Ärzte hören." Er lachte leise. "Kirabi-sama hat ihnen die Hölle heiß gemacht, damit du eine Vorzugsbehandlung bekommst. Er macht sich furchtbare Vorwürfe, weil dir etwas passiert ist. Deshalb hat er den Ärzten unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass du zur Prüfung fit sein musst. Zumindest fit genug, um einen Stift zu halten."

"Na toll", sagte ich ärgerlich und ließ mich gegen mein Kissen sinken. "Ich bin für die Chunin-Prüfung hier, nicht für einen Schreibtest. Die Prüfung ist in den ersten beiden Phasen ein Teamtest, oder?"

Omoi schmunzelte. "Ja, und ab da wird es noch härter. Ich habe auch schon Shinobi alleine antreten und gewinnen gesehen. Kommt alles vor. Allerdings selten."

Ich setzte mich wieder auf. "Du weißt, dass ich die Prüfung durchziehen werde, sobald ich dieses Bett verlassen kann?"

"Ja, das habe ich befürchtet. Deshalb haben die Ärzte auch alles getan, um dich so fit wie möglich zu kriegen. Aber egal was sie auch leisten werden, den Arm kriegen sie so schnell nicht wieder hin."

Ich betrachtete meinen rechten Oberarm. Rein äußerlich war nichts mehr zu erkennen, bis auf eine dünne weiße Linie. Aber bewegen konnte ich den Arm nicht. Er lag in einer Schlaufe über meiner Brust, um ihn ruhig zu stellen. Nein, so schnell würde der Arm nicht wieder einsatzbereit werden. Das bedeutete fürs Erste auch keine Fingerzeichen, und damit kein Ninjutsu. Verdammt.

"Nimm es nicht so schwer, Mamo-chan. Du musst die Prüfung ja nicht schaffen. Du musst nur dafür sorgen, dass deine Teamkameraden durch kommen. Irgendwie."

"Ja. Irgendwie. Hm. Wenn du gerade von meinen Teamkameraden sprichst, wo sind sie eigentlich?"

"Sie schlafen. Sie haben den ganzen gestrigen Tag und die ganze Nacht bei dir im Zimmer verbracht, und heute morgen hat dein Sensei sie ins Bett gesteckt." Er grinste schief. "Und Samui und Karui gleich mit dazu. Die eine macht sich Vorwürfe, die andere Sorgen. Du hast ganz schön Schlag bei den Frauen, Mamo-chan."

"Witzbold", brummte ich beleidigt. "Sich über jemanden lustig zu machen, der Sorgen hat, ist nicht nett."

"Du kannst einfach nicht den positiven Aspekt sehen, oder?"

"Nein, wahrscheinlich nicht." Ich streckte den linken Arm durch, um ihn zu testen. Ich fühlte mich recht gut. Die Medi-Ninjas von Kumogakure mussten ihr Geschäft verstehen. Mit etwas Glück war ich am Tag der Prüfung zu mehr in der Lage als aufzustehen und einen Stift zu halten. "Ich habe gehört, Kumo liegt in ziemlich dünner Luft. Ich kann hier aber gut atmen."

"In dünner Luft, nicht in kaum vorhandener", erklärte Omoi. "Außerdem liegst du hier schon einige Zeit und konntest dich ein wenig anpassen. Nicht genug für einen ernsthaften Kampf, aber zum spazieren gehen wird es schon reichen. Oder für die schriftliche Prüfung."

Ich lächelte. "Erzähl mir mehr."

"Für das eigentliche Examen gehen wir in ein niedriger gelegenes Bergtal, in der wir ein Shinobi-Trainingsgebiet eingerichtet haben. Da gibt es das Übliche, Dschungel, fleischfressende Pflanzen, wild wütende Riesentiere, alles was das Herz eines Prüflings begehrt. Und die Luft ist da nicht ganz so dünn."

"Aber immer noch dünner als in Konoha."

"Ja, das ist anzunehmen." Er kratzte sich nachdenklich an der Stirn. "Aber das gilt für alle anderen Shinobi auch. Natürlich nicht für unsere eigenen Leute. Ist halt der Heimvorteil."

"Natürlich", sagte ich und lächelte dünn.

"Und was die Prüfung selbst angeht, da wirst du eine Menge Spaß haben, Mamo-chan. Glaub mir, ich hatte meinen Spaß. Natürlich nur, wenn deine Vorstellung von Spaß darin besteht, einen ganzen Tag in akuter Lebensgefahr zu sein."

Ich schnaubte amüsiert. "Ich hasse dich, Omoi."

Der Kumo-Shinobi grinste breit. "Nein, das glaube ich dir nicht, Mamo-chan."

Und er hatte damit Recht.

Er klopfte sich auf die Schenkel und stand auf. "Na, ich muss los. Habe hier Zuhause durchaus mehr Pflichten, als auf kleine Konoha-Shinobi aufzupassen und ihnen beim Schlafen zuzusehen."

Ich nickte verstehend. "Du kommst wieder?"

"Heute Abend vielleicht. Vorher werden deine Teamkameraden hier gewesen sein. Und eventuell meine, oder sogar Kirabi-sama. Ach, und Mamo-chan?" "Ja?" "Du hast wirklich niedlich ausgesehen, als du geschlafen hast."

"Hätte ich was zum werfen, würde ich jetzt danach greifen, Omoi."

"Okay, das glaube ich dir." Er winkte mir zum Abschied zu, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich. Damit ließ er mich allein zurück, mit meinen Sorgen, meinen Gedanken und meinen Selbstvorwürfen. Aber das Beste was ich machen konnte war, schnell wieder gesund zu werden. Deshalb drehte ich mich um und versuchte wieder einzuschlafen.

***

Am nächsten Tag durfte ich nicht nur das Bett verlassen, sondern auch das Krankenhaus. Bei einem normalen Heilungsprozess ohne Chakra-Unterstützung wäre ich mit dem Blutverlust und dieser Wunde ein oder zwei Wochen ans Bett gefesselt gewesen. So aber waren die Auswirkungen des körperlichen Schocks und die negativen Aspekte des Blutverlusts schnell ausgeglichen worden. Außerdem war ich jung und trainiert, das half mir ebenfalls. Und meine Selbstheilung würde noch einige Tage stimuliert bleiben. Einer der Ärzte hatte mir einen Trick gezeigt, wie ich eigenes Chakra dafür aufwenden konnte. Solange ich mehrmals täglich eine bestimmte Menge Chakra im rechten Bizeps konzentrierte, würde ich die von den Medi-Ninjas angeregte Selbstheilung weiter stimulieren. Das würde meine Rekonvaleszenz von mehreren Monate auf einige wenige Wochen reduzieren. Eventuell ging es noch schneller, aber das hing von meinem Heilfleisch ab.

So, ich war draußen. Und das bedeutete, dass das Chunin-Examen wartete.

Wir verbrachten einen weiteren Tag in Kumogakure, den Karin und Hanako zum trainieren benutzten, während Sensei mir jegliche Aktivität verbot und strikte Ruhe verordnet hatte. Ich durfte nicht einmal genug Chakra schmieden, um eine Kerze zu entzünden. Aber ja, ich gebe es ehrlich zu, diese Ruhe hat mir sehr gut getan.

Für das Examen erwartete uns am nächsten Morgen ein Schulungsraum in der Residenz des Raikages.
 

Als ich Kumogakure das erste Mal betreten hatte, war ich besinnungslos gewesen und hatte nur die wenigen Fotos und die Berichte über die Stadt gekannt. Die harschen Sicherheitsmaßnahmen, die wenigen Zufahrtswege, zum Teil vermint, Checkpoints, die regelmäßig getestet wurden. Konohagakure war eine fröhliche, weltoffene Stadt des Handels und des Lebens. Kumogakure war eine uneinnehmbare Bergfestung.

Mit großen Augen bestaunte ich die hohen, in die Berge hinein gebauten Häuser, Türmen gleich, viele mehrstufig angeordnet.

Die Straße wirkte so belebt seltsam fremd, ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass in dieser Festung so etwas möglich war wie ein normales Leben. Konoha kannte viele Geschäfte und Gaststätten. Hier schien mir das undenkbar zu sein, bis ich bemerkte, dass sich das Leben in dieser Stadt in den mehrgeschossigen, übereinander gestapelten Häusern abspielte. Nur wenn jemand von Turm zu Turm wechselte, musste er auf die Straße. Das war auch eine Form des Lebens, und bei einem langen Wintersturm in dieser Gegend in dieser Höhe machte es wohl auch mehr Sinn. Ich vermutete, dass die Haustürme durch Laufgänge unter der Straße miteinander verbunden waren, die den Fußgängern im Winter zusätzlichen Schutz boten. Wahrscheinlich hatte man sie gleich mit errichtet, als die rigorosen Verteidigungen installiert worden waren.

Mein Blick ging über die Menschen, mit denen wir unterwegs waren, und von denen die meisten nur eines mit uns gemein hatten, den Stirnschutz mit dem Symbol ihrer versteckten Ninja-Stadt. Kumogakure bot einen recht beträchtlichen Anteil auf, aber ich erkannte auch die Symbole von Sunagakure, Kirigakure und Iwagakure. Diese vier großen Dörfer stellten den Hauptanteil der Prüflinge, und ein wenig wurmte es mich schon, dass ausgerechnet Konoha als fünfte der großen Städte nur ein einziges Team ausgesandt hatte, um sich der Prüfung zu stellen. Außerdem sah ich Teams von kleineren Dörfern, aber nur Amegakure und Getsugakure sandten mehr als ein Dreier-Team aus.

Für heute morgen standen die schriftlichen Prüfungen an, und es hieß, dass sie die Zahl der Prüflinge hier schon halbieren wollten. Auf der Straße unterwegs waren sechzig, und ich vermutete, dass ungefähr die Hälfte davon noch kommen oder bereits im Saal warten würden. Neunzig, vielleicht hundert Genin, schätzte ich. Etwas über dreißig Teams.

Wenn man dann auch noch bedachte, dass bei manchen Prüfungen nicht einmal der Sieger des abschließenden K.O.-Turniers ein wirkliches Anrecht auf den Chunin-Rang hatte, konnte einem ganz anders werden. Das ganze Examen war ein Schaulaufen, so wie man besonders beeindruckende Pferde vor einer Auktion vor dem Kaufwilligen paradieren ließ, damit sie sich jene mit den viel versprechendsten Merkmalen sichern konnten, nicht unbedingt den Sieger.

Andererseits war es eigentlich üblich, dass drei bis fünf Genin anschließend aufgrund ihrer Leistungen zum Chunin befördert wurden. Wir taten das hier also nicht völlig umsonst.
 

Ich stockte im Schritt, als die Gruppe vor mir, eine der beiden aus Getsugakure, anhielt und die Tür zur Residenz blockierte. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass sie stoppten. Nämlich genau jenen, den der derbe Schmerz in meinem rechten Oberarm brauchte, um einmal quer durch meinen Körper zu fahren, als ich auf den ersten Shinobi auflief. Nachdem ich die Schmerzen einigermaßen überstanden hatte und mein Blick sich geklärt hatte, konnte ich die besorgten Stimmen von Hanako und Karin hören, die von einem dumpfen Ton zunehmend klarer wurden. "Es geht", ächzte ich, und fixierte den dicken Getsugakure-Ninja, in den ich hinein gerannt war. Der Bursche hätte ohne Weiteres in Karins nähere Verwandtschaft gepasst, aber ich bezweifelte, dass er die überflüssigen Pfunde für das Familien-Jutsu brauchte - er war einfach nur fett. Andererseits hatte er nicht mal reagiert, als ich in ihn hinein gerannt war. Erst jetzt wandte er sich langsam um, und offenbarte ein Gesicht, das einem wohl dreißig Jahre alten Mann gehörte. Er musterte mich und die Situation. "Sicher, dass du an der Prüfung teilnehmen willst?"

Ich lächelte den größeren mit schmerzverzerrter Miene an. "Das Chunin-Examen ist leider nur einmal im Jahr, da kann ich nicht viel Rücksicht nehmen."

Für einen Moment schien der Mann verblüfft. Dann lachte er laut auf und klopfte seinen beiden Kameraden auf die Schultern. "Amir, Hassin, lasst doch mal die drei Küken aus Konoha vor. Einer von denen hat richtig Schneid." Die anderen beiden Ninjas aus Getsugakure drehten sich nun auch zu mir um. Der Rechte, ein großer, fast skeletthaft dürrer Shinobi, grinste mich an. "Was meinst du, Amir? Sollen wir?"

Der dritte in der Runde, ein kleiner, drahtiger Bursche, musterte uns eindringlich. Schließlich zuckte er mit den Schultern. "Warum eigentlich nicht? Es kann ihnen nur gut tun."

Die Konversation hatte ein wenig Aufmerksamkeit erregt, und neben den Getsu-Ninjas machten uns nun auch andere Shinobi Platz. Die Meisten von ihnen waren schon etliche Jahre im Geschäft, und sicher war dies nicht ihre erste Chunin-Prüfung. Als wir also vorgelassen worden ahnte ich, dass uns etwas erwartete, was speziell für die Neulinge bei der Prüfung inszeniert wurde.
 

Unter den grinsenden Blicken der Älteren gingen wir vor, passierten ein regelrechtes Spalier. Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie die Getsugakure-Ninjas ihre zweite Gruppe zurückhielten, augenscheinlich Ninjas in unserer Altersstufe. Andere Gruppen wurden ebenfalls vorgelassen, und wir standen an der Spitze.

Bald hatten wir den Pfropfen an älteren Ninjas passiert. Dahinter erwartete uns ein gut belaufener, aber nicht überfüllter Gang. Ich ahnte, dass die Älteren absichtlich warteten, und einige sich dabei um ihre Kohais kümmerten, also die jüngeren Shinobi ihrer Orte. Die Getsugakure-Ninjas hatten auch uns zurückhalten wollen, und das rechnete ich ihnen spontan an; und vielleicht hatten sie uns nur durchgelassen, weil sie damit rechneten, das wir überwinden konnten was immer uns erwartete. Oder auch nicht.

Vor einer großen Tür, über deren Sims ein Schild darauf hinwies, dass der Prüfungsraum hinter ihr lag, stauten sich die jungen Genin. Eine Gruppe Kumogakure-Ninjas in unserem Alter hatte sich davor aufgebaut. Sie wirkten wie Wachtposten, aber sie hielten nicht wirklich jemanden zurück. Doch jeder, der den Mut aufbrachte, zwischen den vier bulligen, bösartig dreinblickenden Ninjas hindurch zu gehen, wurde wie von einer unsichtbaren Barriere zurück geworfen. Das stachelte andere an es zu versuchen, aber ihnen erging es nicht besser. Ich muss zugeben, auch ich fühlte mich von dieser Problematik, dieser Barriere, angezogen. Wie ich schon erzählt hatte, waren meine erbärmlichen sensorischen Fähigkeiten die Besten in der Gruppe, aber auch ich konnte nur eine große, dichte, kompakte Wand ertasten, welche das Jutsu darstellte, das uns den Weg versperrte.

"Warum macht Ihr nicht einfach auf?", rief ein Sunagakure-Shinobi entrüstet, und der wütende Ruf pflanzte sich schnell durch die Reihen fort. Ein eifriger Kirigakure-Ninja ließ sich zum Angriff auf den Kumo-Ninja ganz rechts hinreißen, und bevor er sich versah befand er sich am Boden, durch einen wirksamen Hebelgriff, den dieser mit nur einer Hand ausführte, fixiert.

"Langsam, langsam. Wir blockieren hier nichts und niemanden. Und wenn Ihr wirklich durch diese Tür wollt, dann müsst Ihr euch schon anstrengen. Das hat absolut nichts mit uns zu tun", sagte der Bursche selbstgefällig, und sein Grinsen reizte mich bis aufs Mark.

Karin zupfte an meinem Ärmel. "Mamo-chan, vielleicht...", begann sie. Aber sie verstummte, als Hanako-chan eine ärgerliche Verwünschung auf die unverschämten Kumo-Ninjas ausstieß.

"Was?", hakte ich nach, aber das Mädchen winkte ab. "Nur so ein Gedanke, Mamo-chan. Ist bestimmt nicht richtig."

"Okay." Ich hob eine Augenbraue. "Aber vielleicht willst du..."

"N-nein, nein. Es ist in Ordnung. Ich bin sicher, du bringst uns rein, Mamo-chan", sagte sie hastig.

Ich lächelte sie an. "Den Versuch ist es wert."

"Ja, genau", ereiferte sich Hanako. "Mamo-chan wird schon einen Weg durch die Barriere finden - schneller als alle anderen! Hörst du, Mamo-chan, die Ehre Konohas steht auf dem Spiel!"

Natürlich hatten das andere Ninjas gehört. Das Ergebnis war Aufmerksamkeit. Und zwar weit mehr als ich mochte. Hana-chan hätte sich in meiner Situation sicherlich wohl gefühlt, aber selbst sie verstand es, sich aus Dingen heraus zu halten, die sie nicht bewältigen konnte. Also schob sie mich vor.

Der Bursche aus Sunagakure musterte mich beinahe ärgerlich. Suna gehörte zu Konohas engen und besseren Verbündeten, aber ehrlich gesagt fand ich den Burschen schon von der ersten Sekunde an unsympathisch. Und das nicht nur weil er mit seinem viel zu groß gewickelten Turban lächerlich aussah. "So, so. Du kleiner Idiot willst also erreichen, woran der beste sensorische Ninja Sunagakures gescheitert ist, der große Tooma?" Er grinste mich abfällig an. Dann machte er eine einladende Geste zur Tür mit den vier grinsenden Wächtern. "Bitte sehr, Konoha, dein Versuch."

Oh, ich zweifelte schon daran, dass dieser Tooma der beste sensorische Ninja Sunagakures war. Aber ich zweifelte nicht daran, dass er besser war als ich. Und in meinem Geist machte das einen Baustein im Mosaik, welches die Situation gerade für mich bildete. Mit einem mentalen Klick fand es seinen Platz. Und mit einem kräftigen Stoß in den Rücken fand ich mich ganz vorne wieder. Dadurch schmerzte natürlich meine Schulter wieder, und ein gequälter Laut entwich meinen Lippen, bevor ich ihn unterdrücken konnte.

"Hey! Ich weiß nicht wie es bei euch Zuhause ist, aber hier wird auf einen verletzten Menschen mehr Rücksicht genommen!" Ein riesiger Schatten senkte sich auf mich nieder. Ich wandte mich um. Hinter mir kam ein wirklich großer Kumo-Shinobi heran. Er legte mir eine Hand auf die rechte Schulter, und wohlige Wärme durchströmte mich. "Wir kümmern uns nämlich um die Idioten, die das nicht können!" Der Bursche war mindestens zwei Meter zwanzig groß, und in den Schultern maß er genügend für zwei Männer. Er war muskelbepackt und so braungebrannt wie Kirabi-sensei. Er trug eine dicke Sonnenbrille, und das lange weiße Haar offen, wie eine Flut auf seine Schultern fallend. Er sah über mich hinweg auf das Tor zum Prüfungsraum und grinste breit. "Ach, dieses Spielchen schon wieder? Euch fällt auch nichts Neues ein", tadelte er die vier Torwachen."

Klick, ein weiteres Sortimentssteinchen.

Der Kumo-Shinobi ganz links grinste breit. Er sah nicht ein Jahr älter aus als ich, und dennoch hatte der Riese ihm vorgeworfen, so etwas öfter zu machen. Da die Austragungsorte des Examens variierten, bedeutete dies einen von zwei Fällen: Entweder reisten diese Shinobi von Prüfung zu Prüfung, oder sie waren auch schon bei der letzten Chunin-Prüfung in Kumogakure dabei gewesen. Den Punkt mochte ich nicht ausschließen. Immerhin hatte Konoha mit dem Jounin Kakashi Hayate einen Ninja, der bereits mit fünf Genin, und mit sechs Chunin geworden war. Doch ich bezweifelte sehr, dass dies allen vier Kumogakure-Shinobi vor mir gelungen war. Wenn ich also die Vermutungen wegließ und mich auf das stürzte, was wahrscheinlicher war, dann hieß das, dass diese vier auch beim letzten Examen in Kumogakure hier gestanden hatten, um die Tür zum Examensraum zu blockieren. Aber blockierten sie es wirklich? Nach eigener Aussage nicht. Und was hatte das für einen Sinn, wenn ältere Shinobi, die vielleicht selbst schon Chunin waren, den Saal blockierten?

War das ein schlechter Scherz? Oder schon die erste Prüfung? Ein Versuch, uns zu demoralisieren?

Tausend Gedanken wirbelten mir durch den Kopf. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beidem, um die Schwächeren unter uns vorab weich zu kochen, um es den Prüfern zu erlauben, die Sahne von der Milch leichter abschöpfen zu können.

Der letzte Stein fiel ins Mosaik, während mich die anderen jungen Genin erwartungsvoll ansahen. Nein, diese Genin aus Kumo blockierten die Tür nicht. Und sie hatten auch kein Jutsu gewirkt. Nicht so jedenfalls, wie wir es erwarteten. "Karin, was wolltest du mir gerade sagen?" "I-ich... Nicht so wichtig, Mamo-chan."

"Karin!", sagte ich scharf. Ich hörte sie hinter mir erschrocken einatmen. Dann klang ihre Stimme laut und hysterisch auf. "Dieses Jutsu ist wie eine massive Wand!" Leiser, beinahe kläglich fügte sie hinzu: "Denke ich."

Ich lachte laut auf. Ich hielt mir die Linke an die Stirn und lachte. Unruhe kam in die beobachtenden Shinobi. Unverständnis. Sie raunten unzufrieden. Der Anführer der Wächter griente mich an. "Wir behindern niemanden, hier durch zu gehen", wiederholte er. Aber dieser Aussage hatte es nicht mehr bedurft, damit ich mir sicher war. "Hana-chan", sagte ich ernst, ohne mich umzudrehen, "wie ist der Name dieses Raumes?"

"Das siehst du doch selbst! Examensraum! Steht doch groß drüber!", antwortete sie ärgerlich.

Ich sah sie an. "Bist du dir sicher?"

Sie starrte wütend zurück, aber da war ein winziger Moment, ein Augenblick, in dem sie mich verstand, in dem wir uns verstanden, in dem unser Teamwork sichtbar wurde. Sie sah mich überrascht an. Dann musste sie lächeln. Sie formte Daumen und Zeigefinger beider Hände zu einem Rechteck und sah hindurch, auf die schwere Holztür zum Examensraum. "Es steht doch nicht drüber."

Nun war es wieder an mir zu lachen. "Kommt, gehen wir. Wir haben hier keine Zeit mehr zu verschwenden."

An der Spitze meiner Gruppe ging ich tiefer in den Gang, bis ich den ersten Wegweiser sehen konnte. Der riesige Kumo-Shinobi folgte uns zufrieden grinsend.

"Hey, Konoha!", rief Tooma aufgeregt hinter mir. "Gibst du auf? Ist das Problem zu schwierig für dich? Ist das alles was Konoha zu bieten hat?"

Ich grinste noch immer, als ich mich noch einmal umwandte. "Geh doch ruhig weiter mit dem Kopf durch die Wand, wenn du willst. Ich für meinen Teil gehe mit meinem Team jetzt zur Prüfung."

Damit wandte ich mich wieder um. Ich war nicht hier, um dieses Rätsel für Sunagakure zu lösen, aber immerhin war ich nett genug gewesen, den anderen einen Hinweis zu geben. Einige der jungen Shinobi schienen zu begreifen. Manche lachten, andere schienen sich über sich selbst zu ärgern, aber nach und nach machten fast alle Gruppen Anstalten, uns zu folgen. Sicher hatten nicht alle erraten, was es mit der Barriere auf sich hatte. Oder vielmehr mit der Illusion, welche die vier Kumo-Ninjas dort gewoben hatten.

Unsicher sah Tooma über die Ninjas, die uns folgten, und noch unsicherer betrachtete er den stetigen Strom der erfahreneren Ninjas, die sich nun ebenfalls ins Gebäude ergossen und die Tür ignorierten. Ihm blieb schlussendlich nichts anderes, als seinen eigenen Leuten zu folgen, wollte er nicht allein zurückbleiben.
 

"Danke für den Hinweis, Omoi. Sonst hätte ich vielleicht nie gemerkt, dass deine Leute eine Tür vorgegaukelt haben, wo es in Wirklichkeit nur eine harte Steinwand gibt."

Verlegen sah der Riese mich an. Er löste sein Jutsu auf, kramte in seinen Taschen und zog fünf Lutscher hervor, die er großzügig unter uns verteilte. "Was hat mich verraten?"

Ich grinste breit. "Eigentlich nichts. Ich habe nur geraten. Du hast es mir gerade bestätigt."

"Gefährlicher kleiner Rüpel, du", tadelte Omoi und lachte zufrieden. "Ich sehe schon, Ihr Shinobi aus Konoha habt Potential. Aber du hättest bestimmter sein sollen, um deinen Verdacht zu äußern, Karin-chan." Das Mädchen senkte schuldbewusst den Kopf. "Und du hättest vielleicht von vorneherein mit einem Genjutsu rechnen sollen, Hana-chan." Die junge Frau wurde rot vor Ärger und Scham, sagte aber nichts. Sehr ungewöhnlich für sie. Und ein Zeichen dafür, wie gut Omoi getroffen hatte.

"Aber Ihr habt ja den großartigen Mamo-chan dabei. Was soll da noch schief gehen?"

Karin meldete sich mit einem schüchternden Handzeichen zu Wort. "Omoi-kun, die vier Genin, die da an der vermeintlichen Tür standen..."

"Ach, das hast du erkannt und nichts gesagt?" Omoi grinste, als auch auf Karins Wangen ein kräftiges Rot auftauchte. "Ein gutes Team lebt von den Fähigkeiten aller Mitglieder, und davon wie der Anführer die Informationen bekommt und verarbeitet. Ihr habt Mamo-chan nicht gut zugearbeitet."

"Er ist ja wohl auch nicht unser Anführer!", blaffte Hana-chan.

"Ich denke, für diese Prüfung wird er es sein. Und wenn du schlau bist, siehst du das auch ein, Hana-chan." Omoi wandte sich Karin zu. "Du hast also erkannt, dass die vier gar nicht in eurem Alter sind. Sondern dass sie sich ebenfalls mit Genjutsu ein jüngeres Aussehen gegeben haben, und oben im Saal als Prüfer auf euch warten."

"Äh, ja, bis auf das mit den Prüfern."

Okay, so weit hatte nicht mal ich gedacht. Ich sah Karin an, und fragte mich, ob ich sie nicht zu oft unterschätzte. Je mehr sie für sich behielt, desto schlimmer konnte das fürs Team werden.

"Karin", sagte ich ernst, "in Zukunft sprichst du alles aus, was dir durch den Kopf geht. Egal wie banal es klingt. Ich will alles hören." Omoi sah mich erstaunt an, und auch Hanakos Blick wäre unter anderen Umständen Gold wert gewesen. "A-alles?", fragte Karin unsicher.

Nun war es an mir, verlegen zu sein. "Ich meine natürlich im Einsatz", korrigierte ich mich. "Wir haben alle drei unterschiedliche Fähigkeiten und unterschiedliche Methoden, um Informationen aufzunehmen. Was nützt uns das, wenn wir die Informationen nicht zusammenlegen?"

"Okay. Ich verstehe", erwiderte sie. Sie lächelte fröhlich, und das war ein viel zu seltener Anblick. Ich machte mir bewusst, dass ich auch dafür verantwortlich war, der wortkargen und unsicheren jungen Akimichi mehr Grund zum Lächeln zu geben. Viel mehr Grund zum Lächeln. Immerhin waren wir mehr als Teampartner. Wir waren Freunde, und aufeinander angewiesen.

Omoi klopfte mir auf die Schulter. "So, hier geht es rein. Ihr müsst euch auseinander setzen, damit das Spiel nicht zu leicht wird. Aber keine Sorge, ich bin im Saal und schaue zu."

"Als einer der Prüfer?", argwöhnte ich.

"Als einer der Prüfer", erwiderte Omoi grinsend. Er betrat den bereits leidlich gefüllten Saal, und ging die Schräge bis zur großen Tafel durch, wo bereits weitere Shinobi warteten, unter ihnen auch Kirabi-sama und Uzuki-sensei.

Einige weitere Shinobi hatten sich bereits an den Wänden postiert und beobachteten die Eintreffenden mit mürrischen Mienen. "Aufteilen, Konoha", schnarrte einer von ihnen böse.

Ich sah Karin und Hanako an. "So, jetzt gilt es. Vergesst nicht, wenn wir diese Hürde nicht meistern, dann war es das für den Chunin-Rang. Ein ganzes Jahr lang. Also gebt euch Mühe. Und vergesst nicht, wir arbeiten so lange wir können als Team."

Die beiden nickten bestätigend. "Mamo-chan, wenn du es schaffst, kriegst du vielleicht was von mir", sagte Hanako. "Vielleicht. Und von Karin auch."

"Ja, ja, was auch immer. Und jetzt sucht euch Plätze, möglichst weit auseinander."

Für einen Moment starrte Hana-chan mich an, bevor sie mit einem gezischten "Idiot" an mir vorbei huschte. Auch Karin sah mich so merkwürdig an, beinahe verzweifelt, bevor sie sich mit einer gemurmelten Entschuldigung an mir vorbei drückte.

Und, was war das jetzt schon wieder? Ich seufzte. Als wenn ich mit dem gekappten Bizeps nicht schon genug Ärger hätte.

Karin hatte sich gemäß ihrer Art ins hinterste Drittel gesetzt, möglichst weit weg vom Vortragspult auf der Sohle des Saals. Hanako als alte Streberin hatte sich den letzten freien Platz in der zweiten vorderen Reihe links ausgesucht, und für mich blieb damit eine freie weite Auswahl.

Ich ließ meinen Blick über die freien Plätze schweifen und bemerkte Omoi, der wieder herauf stieg, um seinen Platz an der Wand einzunehmen. Kurz trafen sich unsere Blicke, und ich wusste, wo ich sitzen wollte. Direkt in seiner Nähe.
 

Die schriftlichen Prüfungen waren bereits ausgeteilt, aber die blanken Seiten lagen oben. Ein Ninja, dessen Stirnzeichen ich nicht erkennen konnte, wurde aus dem Saal geworfen, als er es wagte - noch nicht einmal besonders geschickt - unter die Zettel zu linsen.

Ein anderer machte es besser, indem er den Test durch einen Windstoß anhob und sein Ninja-Haustier, ein dürres pelziges Frettchen, an dem Hana-chan und Karin-chan sichtlich ihre Freude gehabt hätten, drunter schauen ließ. Ich bemerkte, dass Omoi das auch sah, aber dieser Ninja wurde nicht rausgeworfen.

Es dauerte einige Zeit, bis ich auf dem unbequemen Stuhl eine einigermaßen gute Sitzhaltung gefunden hatte, vor allem mit dem rechten Arm in der Schlinge war das nicht sehr leicht.

Als ich mich für einen Moment zurücklehnte, um zu entspannen, hörte ich wie der Stuhl neben mir zurückgezogen wurde. Ich sah herüber. "Tooma."

"Eben der." Er blickte mich grießgrämig, aber nicht böse an. "Du hättest mir das mit der Wand auch sagen können, anstatt mich dumm da stehen zu lassen."

Ich grinste dünn. "Was denn? Ausgerechnet der größte sensorische Ninja von Sunagakure braucht meinen Rat?"

Für einen Moment wirkte er ärgerlich, dann aber lächelte er dünn. "Vielleicht war ich mehr als ungerecht, als ich dich in die Mitte der Aufmerksamkeit schob. Vielleicht habe ich meinen Frust an dir abreagieren wollen. Das sind beides keine guten Eigenschaften für einen Shinobi. Und dafür entschuldige ich mich." Seine Miene wurde starr. "Aber das ich dich nicht mag ist eher eine persönliche Sache, Konoha."

Ich lachte leise. "Okay, damit kann ich sehr gut leben. Ich bin Mamoru Morikubo. Du musst mich also nicht weiterhin Konoha nennen."

"Und was ist, wenn ich das aber will?"

Ich schnaubte leise. "Dann nenne ich dich eben Suna."

"Ist mir vollkommen Recht, Konoha."

Für einen Moment tauschten wir ein freches, beinahe verständnisvolles Grinsen, das aber nichts daran änderte, das wir ab diesem Moment Rivalen waren.
 

"Wenn die beiden Herren aus Konoha und Suna sich dazu entschließen könnten, auch endlich zuzuhören", klang eine trockene, laute Frauenstimme zu uns hoch, "dann könnten wir mit der Prüfung eventuell beginnen. Falls es den beiden Herren genehm ist, meine ich."

Ätzender Spott stand in den Augen der blonden Frau am Rednerpult. So viel Spott, wie ich nicht ertragen konnte. War es das, was mich damals zu dieser Dummheit trieb? Wahrscheinlich ja. Ich war immer gut darin, meine eigenen Fehler einzusehen, aber Überheblichkeit hatte mir immer zu schaffen gemacht, vor allem Überheblichkeit gegenüber meiner Person. "Bitte, Sensei, tun Sie sich keinen Zwang an", sagte ich gönnerhaft.

Für einen Moment huschte Ärger über ihr Gesicht. Sie machte sich eine Notiz auf ihren Zetteln, und neben mir murmelte Omoi so etwas wie "Mamo-chan, du kleiner Idiot". Andererseits stand ich auch zu meinen Fehlern, gerade zu den dümmeren.

"Noch einmal für unsere beiden Helden aus Konoha und Suna: Ich bin Yugito Nii, die Hauptprüferin des schriftlichen Examens der heutigen Chunin-Prüfung. Die Prüfung besteht aus einem achtseitigen Fragenkatalog zu den Themen Aufgaben und Fähigkeiten eines Shinobi, speziell aber zu Führungsrollen. Es sind insgesamt achtundsechzig Fragen zu neun Wissensgebieten, von denen vierzig sogenannte Multiple Wahl-Fragen sind. Ihr könnt euch dort also, wenn Ihr die Antwort nicht wisst, eine von vier vorgegebenen Antworten aussuchen. Das Zeitlimit ist zwei Stunden und zehn Minuten." Sie sah in die Runde. "Noch ein wichtiges Wort in die Runde. Ihr habt gesehen, dass wir noch vor Beginn einen Shinobi aus dem Saal gewiesen haben, weil er versucht hat, sich die Prüfungsunterlagen anzusehen." Sie seufzte theatralisch, und ich fühlte mich versucht, auf den anderen Shinobi hinzuweisen, der nicht des Saales verwiesen worden war.

"Wir sind hier alle tapfere, erfahrene Shinobi, die alle eine Führungsrolle anstreben. Um das zu erreichen erwarten wir große Fähigkeiten, ja, Perfektion. Ich kann hier keinen kleinen Trottel passieren lassen, der derart plump zu betrügen versucht! Nur eine erstklassige Technik bringt hier den Erfolg!"

Erschrocken sackte ich ein Stück im Stuhl zusammen. Interpretierte ich das richtig, und hatte Nii-sensei uns gerade die Erlaubnis gegeben zu schummeln, wenn wir nur gut genug waren?

"Die Schiedsrichter an den Wänden beobachten euch genau", fuhr sie fort, "und beurteilen eure Leistungen. Jeder, der dreimal beim plumpen Abschreiben erwischt wurde, fliegt aus dem Saal. Und mit ihm seine Gruppenmitglieder."

Erneut runzelte ich die Stirn. Der erste Bursche, der raus geflogen war, war jedenfalls alleine gegangen. Aha. Klick. Ein Mosaiksteinchen in meinem Kopf fand seinen Platz.

"Also benehmt euch, wie es sich für fähige Shinobi und zukünftige Chunin gehört, und enttäuscht die Prüfer nicht."

Sie sah ins weite Rund, und der letzte Blick galt Tooma und mir. Natürlich. Es war kein besonders netter Blick. "Beginnt... Jetzt!"
 

Schnell wendete ich die Blätter und erkannte schon auf Seite eins, dass der Durchschnitt der Fragen für mich problemlos zu beantworten war. Der Block mit den vorgefertigten Antworten war da schon schwieriger zu beantworten, und ich ahnte, dass Karin die meisten nicht schaffen würde. Knapp die Hälfte war auch mir zu schwierig, und in einigen Bereichen, die Hana-chan geradezu lächerlich leicht fielen, würde ich raten müssen. Hm. Ich sah die Ränge hinab. Hanako lächelte verschmitzt zu mir herüber. Anscheinend hatte sie die gleiche Idee wie ich. Anschließend sahen wir Karin an, die bei der Art der Fragen schon leichte Anzeichen von Verzweiflung zeigte. Aber unsere zuversichtlichen Blicke beruhigten sie.

Wenn ich Nii-sensei richtig verstanden hatte war schummeln und abschreiben erlaubt, wenn wir es wie gute Shinobi machten. Also sprach nichts dagegen, dass Hana-chan ihr Familien-Jutsu des Bewusstseinstransfers benutzte, um mich und Karin zu übernehmen. Alle unsere Antworten zusammengenommen mussten sie in die Lage versetzen, bei jedem von uns die richtigen Antworten einzutragen. Und alles was ich dafür tun musste, war all jene Fragen zu beantworten, deren Antwort ich wusste, und Hana-chan dann ein Zeichen zu geben. Das war doch zu schaffen.

Zuversichtlich blätterte ich bis auf die letzte Seite durch. Der Text dort überraschte mich doch sehr. Frage achtundsechzig, stand da, würde erst in den letzten zehn Minuten der Prüfung mündlich gestellt werden und mehr Gewicht haben als alle anderen siebenundsechzig Fragen zusammen genommen. Ich widerstand der Versuchung, mir an den Kopf zu fassen und laut aufzustöhnen. Was also hinderte komplette Fachidioten daran, alles auf eine Karte zu setzen, die anderen Fragen zu ignorieren und darauf zu hoffen, nur die letzte beantworten zu können? Das bedeutete eine Fünfzig-Fünfzig-Chance. Mehr noch, es machte alle anderen Fragen nahezu wertlos.

Mein Blick ging zu Omoi, aber der Kumo-Ninja gab sich unbeteiligt und sah mich nicht an. Es hätte mich nicht besonders überrascht, wenn er begonnen hätte, unschuldig zu pfeifen.

Dennoch, es blieben über zwei Stunden totzuschlagen, und da ich Risiken nicht sehr mochte - damals wie heute - machte ich mich an die Beantwortung der Fragen.
 

Während ich meine Fragen bearbeitete, bemerkte ich aus den Augenwinkeln etliche der anderen Prüflinge kräftig arbeiten. Der mit dem Frettchen ließ es laufen, damit es bei seinen Teamkameraden auf die Tests schauen konnte. Das war den Prüfern jedoch offensichtlich zu simpel, und nach dem dritten Versuch wurden alle drei zum Hauptausgang aus dem Saal geworfen.

Andere machten es besser. Ich bemerkte einen Kirigakure-Ninja, der mit Hilfe zweier Kunais einen Spiegel an der Decke platziert hatte, mit dem er seinen Nachbarn vor sich in die Texte blicken konnte. Das fand anscheinend Gnade vor den Prüfern. Ein anderer benutzte ein winziges Insekt, das für ihn von Blatt zu Blatt flog. Es erinnerte mich sehr an den Aburame-Clan in Konoha. Und es machte mir bewusst, dass wir in Konoha nicht die einzigen Insektenbändiger hatten.

Zwei weitere Ninja tauschten ihre Unterlagen blitzschnell aus, obwohl sie aus unterschiedlichen Dörfern stammten. Zumindest behaupteten das ihre Stirnbänder. Hm. Auch die Methode fand Gnade vor den Prüfern, andere jedoch nicht. Zum Ablauf der ersten Stunde hatten von rund einhundert Shinobi schon über dreißig den Saal verlassen müssen.

Ich selbst hatte ausgefüllt was ich wusste. Es wurde Zeit, Hana-chan ein Zeichen zu geben.

Ich ließ den Stift fallen, zerdrückte einen derben Fluch zwischen den Lippen und nahm den rechten Arm aus der Schlinge. Dann streckte ich beide Arme durch, und wie erwartet zuckte beißender Schmerz durch den Oberarm und ließ mich fast aufheulen. Das provozierte einiges an Gelächter. "Ich dachte, das wäre schon fertig", murrte ich entschuldigend, musste aber den linken Arm zu Hilfe nehmen, um meinen verletzten Arm wieder in der Schlinge zu platzieren.

Dann schlug das Bewusstseinstausch-Jutsu der Yamanakas zu, und ich tauschte mit Hana-chan die Körper. Bis sie fertig war, würde ich wehrlos sein, gefangen in ihrem Leib, ohne etwas zu fühlen, ohne handeln zu können. Aber sehen konnte ich, und Hanako hatte sich vor dem Bewusstseinstransfer so platziert, sodass ich auf ihre Unterlagen sehen konnte. Genau auf jene Parts, die sie beherrschte, und die mir schwer fielen. Das kleine Biest konnte es nicht lassen, mir eine Nachhilfelektion zu erteilen. Und durch die Lähmung konnte ich ihr nicht entkommen. Das frustrierte beinahe ebenso wie es mich amüsierte.

Eine Viertelstunde später löste sie das Jutsu auf, und ich konnte zufrieden auf fast sechzig ausgefüllte Fragen schauen. In diesem Moment würde sie wohl Karin übernehmen und ihre Fragen beantworten. Eventuell, wenn die Zeit reichte, würde sie dann noch mal meinen Körper übernehmen, und die restlichen Fragen beantworten.

Zwei weitere Gruppen wurden aus dem Raum geworfen, und die Arten des Abschreibens wurden immer subtiler. Ich bemerkte zwei Shinobi aus Kumogakure, die ein ähnliches System wie wir zu verwenden schienen. Eine Gruppe aus einem Ninjadorf, dessen Zeichen ich nicht kannte, eine große Achtelnote, tauschten sich durch eine Art Summen am oberen Ende des hörbaren Spektrums aus. Das war ein Bereich, den neunzig Prozent aller Shinobi nicht hören konnten, und viele von ihnen verloren diese Fähigkeit mit zwanzig, dreißig Jahren auch noch.

Und dann war da auch noch Tooma neben mir, der seinen Bogen mit schlafwandlerischer Sicherheit ausgefüllt hatte. Doch nun schien er in einer Klemme zu stecken, denn er klopfte nervös mit seinem Stift einen leisen, aber energischen Takt auf dem Holztisch. Zumindest wirkte es so auf mich - auf den ersten Blick. Bis ich bemerkte, dass einer von Toomas Partnern vor ihm saß; und wie sich der Schriftzug auf dessen Rücken subtil veränderte und neue Worte bildete. Tooma beantwortete dies, indem er heftig zu radieren und gut hörbar erneut über das Papier schrieb. Es ergab ein ähnliches Stakkato wie das Klopfen. Ich musste zugeben, das war subtil und geschickt.

Als die zweite Stunde um war, befanden sich nur noch knapp fünfzig Prüflinge im Raum. Unter ihnen waren die meisten älter. Ich wusste, das hatte etwas zu bedeuten.

"So, legt die Stifte beiseite." Nii-sensei fixierte Tooma und mich. "Auch die beiden Scherzbolde auf der fünften Bank, bitte. Es wird Zeit für die letzte Frage."

Gehorsam legten wir die Stifte beiseite.

"Aber bevor wir dazu kommen..." Nii.-sensei hielt inne, bis von den Prüfern Notizzettel bis zu ihr durchgereicht worden waren. "...möchte ich feststellen, dass es keine Gruppe hier im Raum gibt, die nicht betrogen und abgeschrieben hat. Ihr habt Glück und seid alle unter höchsten zwei Versuchen geblieben. Aber diese Häufung und Dreistigkeit kann ich nicht dulden. Ich fürchte, ich muss hier ein wenig Selektion betreiben, bevor wir zur letzten Frage kommen." Sie zeigte ein strahlendes Lächeln, als sie mich direkt ansah. "Ah, Konoha Eins. Morikubo, Yodama, Akimichi. Ihr habt alle je zwei Verweise wegen Abschreiben. Das ist ein wenig viel, meint Ihr nicht?" Sie seufzte laut. "Aber ich will mal Gnade vor Recht ergehen lassen, weil Ihr euch Mühe gegeben habt. Ich schließe einen aus eurer Gruppe aus und gestatte den anderen beiden, hier im Raum zu bleiben. Karin Akimichi, du bist die Schwächste in der Gruppe. Du wirst..."

Ich fuhr auf und schlug auf mein Pult. Das heißt, ich wollte drauf hauen, aber von unten klang bereits der harte Schlag einer Hand auf Holz zu mir herauf. Hana-chan stand bereits. Sie sah Nii-sensei böse an. "Wenn, dann müssen Sie uns alle drei bestrafen, Sensei, denn es war eine Gemeinschaftsarbeit! Und wagen Sie es ja nicht, Karin als die Schwächste in unserer Gruppe zu bezeichnen! Sie kennen sie ja gar nicht!"

Nii-sensei runzelte die Stirn. "Hör mal, Kleines, ich versuche hier, euch die Chance zu geben, doch noch in die nächste Prüfung zu kommen, und..."

"Das können Sie sich sparen", sagte ich ernst. "Wir sind, wie Sie so schön sagten, Konoha Eins, und wir lassen unsere Kameraden nicht im Stich. Karin soll den Raum verlassen? Dann gehen wir mit."

Nii-sensei lachte abfällig. "Und du meinst, bei der nächsten Prüfung wird es dir leichter fallen? Dir oder ihnen?"

"Wir werden sehen. Und hart dafür trainieren", erwiderte ich. "Gehen wir."

"Nicht oben raus. Unten lang", sagte Nii-sensei und deutete auf die Tür neben der Tafel.

Omoi verließ seinen Platz neben meiner Bank. Mit steinerner Miene stieg er auf die untere Ebene herab und öffnete die Tür für uns drei. Hanako stand der Trotz deutlich ins Gesicht geschrieben, und Karin sah so aus als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. Ich legte meinen gesunden Arm um sie und drückte sie tröstend. "Lass dir das nicht an die Nieren gehen. Das war reine Willkür. Und nächstes Mal machen wir es eben einfach besser, okay?"

Ihre Augen schimmerten feucht, als sie neben mir durch die Tür in einen weiteren, kleineren Saal trat. Kirabi-sama erwartete uns hier. Seine Augen und seine Miene waren ausdruckslos. Mit einer fahrigen Geste zeigte er auf eine Reihe von Stühlen. "Setzt euch, bitte. Es wird noch ein wenig dauern."

Gehorsam nahmen wir Platz. "Auf jeden Fall wissen wir jetzt einiges über die Fragen, die gestellt werden", sagte Hanako mit einem falschen, fröhlichen Lächeln. "Das wird uns nächstes Jahr mächtig weiter helfen."

"Interessant. Wollen wir dafür eine Studiengruppe bilden?", klang Toomas Stimme an der Tür auf. An der Spitze seiner Sunagakure-Gruppe trat er ein und folgte der Aufforderung Kirabi-samas, sich ebenfalls zu setzen.

"Vielleicht sollten wir das, wenn das bedeutet, dass der beste sensorische Ninja Sunas mit uns ist", stichelte ich.

Bevor er antworten konnte, öffnete sich die Tür erneut, und ein weiterer Trupp trat ein. Ich erkannte sie als die Gruppe älterer Ninjas aus Getsugakure; ihre jüngeren Kameraden waren schon während der Prüfung wegen Schummelns raus geflogen. Sie sagten nicht viel, und auch Kirabi-sama machte nicht viele Worte. Tooma und ich schwiegen, während der Saal sich in den nächsten zehn Minuten deutlich füllte. Das waren in etwa jene zehn Minuten, die für die letzte Frage veranschlagt worden waren, ging es mir durch den Kopf. Der Strom an Ninjas versiegte. Es waren vor allem ältere Teams im Saal, nur wir, Toomas Gruppe und eine aus Kirigakure war in meinem Alter.

Aus dem Prüfungssaal erklang plötzlich wütendes Geschrei, dann war es schlagartig still.
 

Nii-sensei trat ein, abfällig schnaubend, gefolgt von einigen der Prüfer. "Jedes mal der gleiche Ärger mit den Halbstarken", sagte sie und kam zu Kirabi-sama.

"Bitte, Yugito-kun", sagte Kirabi, aber die junge Frau winkte ab. "Nein, Sempai, Sie haben heute ein persönliches Interesse, das Ergebnis zu verkünden, oder?"

Kirabi-sama schnaubte bestätigend. Übergangslos verschwand das aufgesetzte, nichtssagende Gesicht, und dem jungen Mann schien ein Leuchten aus den Augen zu springen.

"Ergebnis?", fragte ich irritiert, als ich nun auch noch Omoi, Karui und Samui lächeln sah.

"Herzlichen Glückwunsch!", sagte Kirabi-sama, und sah uns an, eine Bande von jetzt noch knappen vierzig Shinobi, "Ihr habt die schriftliche Prüfung bestanden!"

Überrascht schnaubte ich aus. Neben mir begann Karin zu weinen, während Hanako-chan konsterniert in Richtung des Kumo-Shinobi starrte.

Auf meiner anderen Seite stockte Tooma mitten in einem abgehackten Lachen, und seine beiden Teamkameraden klopften sich jubelnd auf die Schultern. Das Meiste ging im allgemeinen Jubel unter, der plötzlich herrschte.

Als es ein wenig ruhiger geworden war, lächelte Nii-sensei ins Rund. Sie hob eine Hand, und nach und nach kamen die Jubelnden zur Ruhe. "Lasst mich das erklären. Wir haben hier nicht nur euer Wissen getestet, sondern auch eure Fähigkeiten, vor allem aber die Zusammenarbeit und eure Ninja-Techniken. Ihr konntet alle maximal einhundert Punkte erreichen, musstet aber jeder für sich mindestens achtzig schaffen. Alle die hier sitzen haben einzeln über achtzig Punkte erreicht. Das letzte Hindernis war die achtundsechzigste Frage, nämlich ob Ihr einen Teamkameraden zurücklassen würdet, um im Examen weiter zu kommen."

Sie hielt kurz inne, und ein Blick voller Respekt streifte Hanako. "Für einen Shinobi ist es natürlich wichtig, seinen Auftrag zu erfüllen, das Missionsziel zu erreichen. Dafür muss er oft genug Wagnisse eingehen, auch Kameraden opfern, und irgendwann auch das eigene Leben, wenn es hart genug wird. Aber er muss auch erkennen, wann er dies tun muss, und wann er besser seine Leute zurücknimmt und auf eine zweite, bessere Chance wartet. Shinobi sind wertvoll und sollten nicht in aussichtslosen Situationen verheizt werden. Vor allem nicht, wenn absehbar ist, dass es eine zweite Chance gibt."

"Oder anders ausgedrückt, als Ihr aufgefordert wurdet, einen von euch zurückzulassen um weiter zu kommen, obwohl im nächsten Jahr eine weitere Prüfung ansteht, musstet Ihr euch entscheiden, geschwächt in die zweite Runde zu gehen, oder besser vorbereitet in einem Jahr zu wiederholen." Kirabi-sama sah ins Rund. "Alle, die hier sitzen, haben die richtige Wahl getroffen und erfüllen den Standard, den wir von einem Chunin erwarten. Also noch mal, Gratulation."

Merkwürdig, wenn ich mich recht erinnere, war die Erleichterung für mich so groß, dass ich zehn Minuten lang den schmerzenden Bizeps nicht mehr spürte. Die erste Runde war geschafft.

"Aber ab hier wird es nur noch schwerer", mahnte Nii-sensei. "Ab hier wird die Zahl der Teilnehmer mindestens halbiert werden."

Sie sah zu mir und meinen Kameradinnen herüber. "Konoha Eins, mir wurde zugesagt, dass Ihr nächstes Jahr Erlaubnis habt, die theoretische Prüfung zu überspringen, wenn Ihr euch wegen der Verletzung von Mamoru Moribuko zurückzieht."

Im ersten Augenblick wollte ich energisch widersprechen, aber dann begriff ich, dass auch meine nächste Antwort eine Prüfung war. Wenn schon nicht für das Chunin-Examen, dann aber doch für mich selbst. Ich war verletzt, nicht gerade leicht verletzt, und wir wussten nicht, was uns als nächstes erwartete. Da wir "halbiert" werden sollten, lief es wohl auf eine Prüfung unserer Leistungsfähigkeit hinaus. Und ich war definitiv gehandicapt.

Hana sah mich ernst an; sie überließ die Entscheidung mir. Karins Blick war ängstlich, aber auch sie schien entschlossen, meiner Entscheidung zu folgen.

"Kirabi-sama?" Der große weißhaarige Mann wiegelte mit beiden Händen ab. "Schieb das nicht auf mich, Junge."

Ich sah zu meinen Freunden unter den Kumo-Shinobi herüber, aber die drei fanden plötzlich die Decke sehr interessant. Verräter.

Also sah ich Tooma an, der überrascht zurück sah. "Keine Ahnung, ob du das schaffst. Traust du es dir denn zu?"

Das gab für mich den Ausschlag. "Ninjas müssen oft mit Handycaps kämpfen, nicht selten um ihre Leben. Ich bin gespannt, wie weit ich mit meiner Wunde komme." Ich nickte entschlossen. "Konoha Eins nimmt weiterhin Teil."

"Irgendwie habe ich das geahnt", seufzte Kirabi. "Sie nehmen Teil, Yugito-kun."

"Ja, Sempai." Sie lächelte ins Rund. "Eine Stunde Pause für alle. Mittagessen steht in der Kantine im Erdgeschoss bereit. Anschließend sammeln wir uns wieder im Prüfungsraum und ziehen gemeinsam weiter zur zweiten Prüfung. Ihr seid entlassen."

Mit diesen Worten löste sie die Gruppe auf; wir waren einen großen Schritt weiter auf dem Weg, um Chunin zu werden.

***

"Junge, das war ein Spaß", sagte Omoi und schlug mir dankenswerterweise auf die linke Schulter. "Für nen Moment dachte ich schon, du erkennst die Falle nicht, aber dann kam dir ja Hana-chan zu Hilfe."

"Glücklicherweise", bestätigte Samui mit einem zufriedenen Lächeln.

Ich tauschte einen verdutzten Blick mit Hanako. "Also, wir haben das ernst genommen", sagte ich.

Die beiden Shinobi erstarrten. Karui begann zu lachen. "Da stehen mir ja zwei Einladungen zum Barbeque bevor."

"Ihr habt gewettet?", fragte Karin entrüstet.

"Ja, ob Ihr erkennt, dass die letzte Frage die danach war, ob Ihr einen Partner opfert oder nicht. Bis jetzt dachte ich, Ihr hättet nur gut geschauspielert", murrte Omoi missmutig. "Karui einladen, das wird ein teurer Spaß."

"S-soviel esse ich nun auch wieder nicht", beschwerte sie sich.

"Apropos essen, seid Ihr fertig?", fragte Samui. "Es wird nämlich Zeit für euch. Und ab hier wird es schwerer, nicht leichter."

"Wir sind fertig." Ich lächelte dünn. War das die richtige Entscheidung gewesen? Hätte ich mich vielleicht doch fürs nächste Jahr entscheiden können, mit der Option die erste Prüfung zu überspringen? Aber Ninjas im Feld hatten eher selten die Chance dazu, also war mir meine Entscheidung logisch vorgekommen. Ansonsten hätte ich mit der Verletzung doch nicht mal zur schriftlichen Prüfung antreten sollen, oder? Nun, wenn ich mir das oft genug sagte, dann würde ich es eventuell auch selbst glauben.
 

Im Prüfungsraum angekommen erwartete uns bereits ein düster drein blickender Kerl, groß, vierschrötig, mit einer langen schwarzen Mähne. Die Nase hatte schon bessere Zeiten gesehen, so etwa vor dem vierten oder fünften Bruch. Er stand neben Kirabi-sama und Nii-sensei und betrachtete die neununddreißig Prüflinge, die wieder in den Raum traten. Neununddreißig, das bedeutete dreizehn Teams. Unseres, Toomas Team aus Sunagakure, zwei aus Kirigakure, vier aus Kumogakure, unsere Bekanntschaft aus Getsugakure, dieses Team mit der Note als Stirnbandzeichen, zwei aus Iwagakure, und das letzte aus Kusagakure.

"Da habt Ihr aber ein paar viele Prüflinge übrig gelassen." Er warf Nii-sensei einen bösen Blick zu. "Du wirst weich, Mädchen."

Die blonde Frau lächelte tiefgründig. "Vielleicht sind auch einfach nur so viele ernsthafte Kandidaten für den Chunin-Rang unter ihnen, Motoi-sempai."

Der große Mann ließ einen abfälligen Laut hören. "Ernsthafte Kandidaten für den Chunin-Rang? Du wirst also tatsächlich weich. Das hätte ich ausgerechnet von dir nicht erwartet." Er sah wieder zu den wartenden Genin herüber. "Aber ich werde die Zahl radikal reduzieren." Er lächelte plötzlich, aber er schien in dieser Disziplin so unerfahren zu sein, dass Karin neben mir instinktiv nach meinem Ärmel griff und einen erschrockenen Laut machte. Nein, ich musste mich korrigieren. Mutui wusste genau, wie sein Lächeln wirkte.

"Ich habe das südliche Trainingsgebiet vorbereiten lassen. Wir brauchen sechs Stunden, um es zu erreichen. Deshalb werden wir jetzt sofort aufbrechen. Alles weitere erkläre ich dort." Ohne weiter auf uns zu achten ging er zwischen uns durch zum Ausgang und verließ den Saal. Die anderen Genin folgten ihm, und auch ich wollte mit meinen Kameradinnen aufspringen. Doch Kirabi-sama winkte uns heran.

"Ihr seid gehandycapt", stellte Kirabi-sama fest, "und das ist zu einem beträchtlichen Teil meine Schuld."

"Kirabi-sama, wenn Sie deshalb Schuldgefühle haben, dann..."

"Halte die Klappe, Mamoru." "Ja, Kirabi-sama."

"Also, ich bin Schuld daran, dass Mamoru nur die Hälfte wert ist. Deshalb gebe ich euch ein wenig Starthilfe. Karin, du bist die Recherchekoryphäe des Trupps, also höre aufmerksam zu."

Die nächsten zehn Minuten verbrachte Kirabi-sama damit, uns die gefährlichsten Spezies der Flora und Fauna zu erklären, die uns im südlichen Trainingsgebiet erwarten würden. Das Ganze auf einer Fläche von fünfzehn Quadratkilometern. Das waren wirklich keine schönen Aussichten. Ich wollte weder von pfeilschnellen Raubechsen gefressen werden, die im Rudel jagten und mit ihren Kunai-scharfen Krallen einen Menschen längs aufschlitzen konnten, bevor er schrie; noch wollte ich in das Nest einer roten Winzspinne treten, deren Biss in wenigen Sekunden tödlich war, und die einen Tritt in ihr Nest überhaupt nicht mochte. Das waren nur zwei der Gefahren, von denen die meisten natürlich auch den Kumo-Genin bekannt sein mussten.

Kirabi-sensei musterte uns streng. "Habt Ihr das alles verstanden?"

"Ja, Kirabi-sama." "Gut, dann geht da raus und zeigt Kumogakure aus welchem Holz die Shinobi von Konoha sind." Er verlor sein Lächeln für einen Moment. "Wir hatten eine schwere Zeit miteinander, Kumogakure und Konohagakure. Noch immer gibt es Stimmen im Rat und in den Reihen unserer Shinobi, die sagen, dass wir den Frieden zu leichtfertig angeboten haben, dass wir hätten siegen können. Zwei der Kumo-Genin-Gruppen im Examen haben Mentoren aus dieser Fraktion. Ich würde es gerne sehen, wenn die Stärke von Konoha von unseren Leuten anerkannt wird. Das könnte den Frieden besser sichern als ein Machtwort meines Bruders." Er machte einen enttäuschten Laut. "Du hättest zu keinem schlechteren Zeitpunkt verletzt werden können, Mamoru."

Okay, ich war nicht der Schnellste, weder beim Fast Step, noch beim Denken. Ich war der Erste, der das zugab. Aber ich verstand. Und ich kapierte auch, warum Kirabi-samas Gruppe uns hatte abholen wollen. Wir hatten Kumogakure um jeden Preis erreichen sollen, um den Shinobi und dem Rat präsentieren zu können, dass ein neuer Kampf mit Konoha zumindest kostspielig werden würde. Andererseits zweifelte ich nicht eine Sekunde an der Zuneigung von Kirabi-sama, die er uns zeigte, und auch nicht an der Freundschaft, die sich zwischen uns und Omoi und den Mädchen entwickelt hatte. Für sein Ziel, für unser gutes Abschneiden, war Kirabi-sama sogar so weit gegangen, die Regeln zu biegen. Nicht zu brechen, denn von den natürlichen Gefahren hätten wir früher oder später doch erfahren. Aber er bog sie, indem er uns auf die beiden Kumogakure-Teams aufmerksam machte, die es eventuell auf uns abgesehen haben mochten. Verdammt, und ich konnte keine Fingerzeichen formen.

Er strich den Mädchen mit beiden Händen über die Haare, und gab mir anschließend einen schmerzhaften Knuff gegen mein Kinn. "Enttäuscht mich nicht, meine Kleinen. Zeigt mir, was Ihr drauf habt."

"Und dafür werdet Ihr genügend Gelegenheit haben", sagte Nii-sensei mit einem gefährlichen Grinsen. Wenn ich zuvor nicht geahnt hätte, dass es schwer werden würde - jetzt wusste ich es.

Omoi winkte uns. "Mir nach. Ich kenne eine Abkürzung."

Wieder verließen wir den Saal zum hinteren Raum, von dort führte eine Geheimtür zu einem Laufgang, der zu einer Treppe ohne Stufen führte. Omoi sprang gut ein Stockwerk hinab, und die Mädchen folgten ihm ohne zu zögern. Als ich hinterher sprang, fing mich der große Kumo-Shinobi auf. Ich wusste die Geste zu schätzen, und auch seine Sorge, also verriet ich ihm nicht, dass mir der Arm schlimmer schmerzte, als er es getan hätte, wenn ich alleine gelandet wäre.

Der Gang führte auf den Hof, wo die anderen Shinobi noch immer warteten.

"Gut, wir sind vollständig. Mir nach." Motoi-sensei ging voran, Richtung Norden, was mich anfangs etwas verwunderte. Aber die Wege von Kumogakure waren verschlungen, und bevor wir die dritte Postenkette passiert hatten, waren wir schon wieder auf dem Weg nach Süden.

***

Als wir das Trainingsgebiet erreichten, war es schon dunkel. Die Nacht war Sternenklar, deshalb gab es genügend Licht, um sich zu orientieren. Das würde wahrscheinlich auch bitter nötig sein, denn Motoi machte keine Anstalten, ein Lager zu errichten. Das bedeutete, das er uns sofort in das Trainingsgelände jagen würde.

"So, Ihr Möchtegern-Chunin!", erklang Motoi-senseis kraftvolle Stimme, "heute steht euch eine ganz besondere Mission bevor! Ihr werdet gleich dreizehn Chunin von Kumogakure folgen. Sie bringen euch zu unterschiedlichen Abschnitten des Umgebungszauns. Sie haben feste Pläne, wann sie euch in das Trainingsgebiet hetzen. Diese Zeiten variieren bis zu zwei Stunden. Ihr habt zwei Aufgaben, die eng mit dem Wesen eines Shinobi verbunden sind. Die erste Aufgabe ist, innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden den Turm in der Mitte des Trainingsgebiets zu erreichen. Aber da ich versprochen habe, eure Zahl mindestens zu halbieren, werden nur die ersten sechs Teams auch eingelassen."

Ich atmete heftig aus. Das bedeutete, das sieben Teams nicht eingelassen werden würden. Mit anderen Worten: Es würden die Fetzen fliegen, sobald sich zwei Teams trafen.

"Das ist jedoch nur ein Aspekt der Prüfung. Ein weiterer sind die Kugeln!" Er hielt eine faustgroße Kugel in die Höhe, die seltsam golden von innen schimmerte. In der Kugel schimmerte ein einzelner Stern. "Dies ist eine Teamkugel. Jede von ihnen hat eine gewisse Anzahl Sterne in sich, die sie erst enthüllen wird, sobald zwei Teams aufeinander treffen. Teams, deren Kugeln die gleiche Anzahl Sterne enthalten, sind Partner."

Ich runzelte die Stirn. Auf diese Weise würden wir gezwungen sein, andere Teams zu suchen, alleine schon um zu wissen, welche Anzahl Sterne unsere Kugeln hatte.

"Auf dem Schlachtfeld ist es manchmal sehr schwer, Freund und Feind zu unterscheiden. Außerdem hat man manchmal die merkwürdigsten Verbündeten, und muss sich trotzdem für sie einsetzen. Ninjas, die sich gerade noch gehasst haben, müssen aufgrund der Politik plötzlich gemeinsam kämpfen. Das ist nichts Neues, das ist nichts Ungewöhnliches. Der Auftraggeber hat immer Recht. Und deshalb.."

Motoi-sensei schwieg lange und bedeutungsschwer. Ich ahnte, dass er die Möglichkeiten, uns in Konflikte zu treiben, noch weiter erhöhen würde.

"Und deshalb wird es euch nur gestattet sein, den Turm zu betreten, wenn Ihr mindestens ein Partnerteam gefunden habt! Fragen?"

"Wie viele Partnerteams gibt es?", fragte Tooma, und ich hielt die Frage an sich für schlau. Aber ich erwartete keine ehrliche Antwort.

"Es gibt zwei Zweiergruppen, eine Vierergruppe und eine Dreiergruppe. Auf dem Schlachtfeld sind die Zahlen selten ausgewogen, also gewöhnt euch daran."

Na toll. Nicht nur, dass wir einander suchen mussten, um mindestens eine Partnergruppe zu finden, wir liefen auch Gefahr, von einer Vierergruppe zerquetscht zu werden. Und wenn die Vierergruppe zueinander fand, wer würde sie dann noch davon abhalten, den Turm zu erreichen? Von ihrer Gnade mochte es dann abhängen, welchem anderen Bündnis der Eintritt gestattet wurde. Eines war klar, die Dreiergruppe konnte keine Gnade erwarten, denn wenn sie zusammenfand, hatte sie genau ein Team zuviel. Und Verbündete durften einander nicht angreifen. Ich ahnte, dass die Jounin Kumogakures schon darauf achten würden, ob wir uns an die Regeln hielten.Aber vielleicht ließen sie es durchgehen, wenn wir die Regeln elegant brachen, so wie bei der schriftlichen Prüfung, auf Ninja-Art.

"Keine weiteren Fragen? Dann wartet jetzt auf euren Chunin und begebt euch zu eurem Tor."
 

Es dauerte nicht lange, dann kam Samui zu uns. Sie lächelte in der sternklaren Nacht, und das Licht der Sterne glänzte auf ihren goldenen Haaren und den weißen Zähnen. Ein Anblick, der mich berührte.

"Ich bringe euch zu Tor vier. Ihr dürft in gut zwanzig Minuten als eine der ersten Teams auf das Trainingsgelände." Sie drückte Hanako die Kugel in die Hand. Im Moment war sie noch klar, ohne Stern, aber das würde sich ändern, sobald wir dem erstbesten Team begegneten. Hana-chan ließ die gleißende Kugel in ihrem Kragen verschwinden, und ich fragte mich damals ehrlich, wie der Ball dort genug Halt gefunden hatte, um nicht einmal durch zu rutschen. Ehrlich gesagt hatte ich auch nicht besonders auf die körperliche Entwicklung der Mädchen geachtet, sonst wären mir schon damals ein paar wichtige Details aufgefallen. Das Glimmen wurde so unterdrückt, und ich akzeptierte, dass sie die Kugel so jederzeit griffbereit hatte.

Samui lächelte zufrieden. "Kommt jetzt." Sie führte uns mit Fast Steps von den anderen weg, bis zu unserem Tor. "Uzuki-sensei erwartet euch im Turm. Sie geht fest davon aus, dass Ihr es schafft."

"Natürlich schaffen wir das! Wir sind schließlich bald Chunin!", rief Hanako enthusiastisch. Seltsamerweise stimmte Karin in den Jubel mit ein, und ausnahmsweise war ich es, der eher halbherzig und viel zu leise mitjubelte.

"Mamo-chan!", tadelte sie mich.

"Ich habe Schmerzen, okay?", log ich, um mich aus der Affäre zu ziehen.

"Schmerzen? Sollen wir abbrechen?", fragte sie mitfühlend.

"Verarschen kann ich mich alleine", erwiderte ich frostig. Ihr Konter war so unerwartet gekommen, es löste meinen Beissreflex aus.

Sie sah mich konsterniert an. Zweimal setzte sie zum Sprechen an, doch schließlich wandte sie sich um. "Idiot!"

Samui schloss den Zaun auf. "Die meisten Tiere sind nicht nachtaktiv. Ihr habt es im Dunkeln also leichter. Ihr könnt jetzt los, und viel Glück."

"Danke, Samui-chan", sagte Hana-chan, schon wesentlich milder gestimmt.

"Grüß die anderen und Kirabi-sensei, bitte", fügte Karin an, als sie an Samui vorbei auf das Übungsgelände trat.

"In spätestens vierundzwanzig Stunden sehen wir uns wieder", sagte ich, passierte sie und sprang in den Wald.

"Das war ein Versprechen, richtig?", rief sie uns hinterher. Doch für eine Antwort bewegten wir uns zu schnell in den Wald hinein. Der zweite Teil der Chunin-Prüfung hatte begonnen. Und ich war immer noch schwer verletzt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ace_Kaiser
2012-09-03T20:04:43+00:00 03.09.2012 22:04
Hm? Für mich ist multipel längst eingedeutscht... Man sollte mal auf Duden.de nachforschen.
Stimmt, den Rap habe ich gemieden. Bin nicht sicher, ob ich das kann. ^^°

Morino heißt der zuständige Jounin für körperbetonte Informationsbeschaffung.
Yugito habe ich nur eingebaut, weil ich ihr Ende halbherzig fand, und ihr noch einen positiven Auftritt gegönnt habe. *Seufz*
Von:  Miyu-Moon
2012-09-03T11:40:10+00:00 03.09.2012 13:40
"Multiple Wahl fragen"? Schäm dich für dieses schlechte Denglisch, Ace!
Entweder heißt das Mutliple Choice oder Mehrfach-Wahl Fragen. Nur weil du kein Englisch in ner Deutschen Story einbringen willst (bist ja auch um "Rapp" rumgetänzelt), muss das nicht bedeuten, das du nur halbherzog übersetzt.

Ah, Yugito-chan als Prüferin. klar, wenn Mamoru mit beiden Jinchuuriki klar nehme, wäre er ja ein Stue.
Der vierschrötige Typ erinnert mich leider an den Folterninja aus Konoha (Name entfallen)...vielleicht wäre es besser gewesen einen anderen Körpertyp zu wählen für die Figur, damit so eine Assoziierung eben nicht entsteht.


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