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Fluch

Das hier ist ein Riesenspaß (für mich). Ich bin niemandem böse, der es nich lesen will.^^°
von

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Fluch
 

Fandom: Yami no Matsuei, Fluch der Karibik, Gravitation

Genre: Fantasy, Shonen Ai (vielleicht auch mehr...)

Warnings: Diese Story ist grotesk, denn sie ist auf meinem Mist gewachsen. Ich vertrete das Volksbegehren "Recht auf Phantasie" und mache derweil schon mal Gebrauch davonXD. Außerdem ist diese Story SPONTAN entstanden.

Begonnen: 13. 5. 2005
 

Ok, das soll eine kurze Geschichte werden, drum schreib ich sie besser gleich am PC, sonst geht das hier ins Uferlose und meine andere Geschichte wird nie fertig.

Inspiriert wurde ich zu dem Ganzen beim... Spülen, richtig. Dabei hab ich den Soundtrack von "Fluch der Karibik" gehört und jetzt bin ich VOLLER Ideen. Damit das auch wirklich kurz wird, fang ich gleich mittendrin an. Deshalb hier einige Erläuterungen, um den Einstieg zu finden:
 

Wir befinden uns an Bord eines Schiffes, irgendwo in den berüchtigten stürmischen Breiten eines großen gefährlichen Meeres. Das Schiff ist relativ klein und sieht aus wie ein serienmäßiger Handelssegler mit ein paar Extras. Auf dem Schiff befinden sich:

-Der Kapitän Yutaka Watari

-Der Zauberer Tsusuki Asato und

-Dessen Schüler Hisoka Kurosaki,

-Ein reicher älterer Reedereibesitzer namens Konoe und

-Dessen Sekretär (ratet!XD) Tatsumi^_^,

-Der Steuermann Harold (Hajime),

-Die Lady Miss Elizabeth (Wakaba), Konoes Tochter *g* und Harolds Verlobte

-Der Lautenspieler Hiro (XD) und

-Dessen Begleiter Shuichi (das's Shuichi Shindou), das Mädchen für alles (er ist männlich, das ist eine Redewendung! -.-) auf dem Schiff; singt schön, ist aber ein Tollpatsch,

-K (das ist K ... who would have thought XD), Krieger und Abenteurer,

-Forschungsgeräte, Chemikalien und ähnliches.

Jo, soweit. (Wow, was ne klasse Crew :D! *hibbel* *anfangen muss*)

Also. Fangen wir an!!
 

Kapitel 1
 

"Da, endlich!"

Shuichi rief aus dem Mastkorb und gestikulierte wild, wobei er vor Aufregung von einem Bein aufs andre hüpfte.

Käptn Yutaka schirmte die Augen gegen die helle Nachmittagssonne ab und sah nach oben.

"Was ist?!" rief er gegen den Wind zum Mastkorb hoch. "Hast du eine der seltenen Brillenmöwenweibchen entdeckt?!"

"Nein!! Land! Da!" Shuichi deutete nach Nordwesten.

Der Kapitän machte auf dem Absatz kehrt und eilte mit langen Schritten zum Bug. Dort zog er sein Fernrohr hervor, sah hindurch und suchte den Horizont ab.

"Tatsächlich!" murmelte er und ein unternehmungslustiges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

"Bermuda auf zehn Uhr!" rief er und rannte auf die Brücke. "Harold! Drei Grad Backbord, aber zackig! Wir sind fast da!" Er sah wieder durch sein Fernrohr und versank im Anblick der grünen Küste, die zu ihrer Linken aus dem dünnen Nebel auftauchte. Wie Kaskaden aus Watte flossen die Wolken an dem dicht bewachsenen Gebirge hinunter und hüllten das Ufer in einen milchigen Dunst.

"Herrlich!" flüsterte er. "Wir sind am Ziel! Nach fünf Wochen Fahrt und fast acht Jahren Suche... endlich! Ich kann es kaum erwarten!"

"Ich hoffe nur, dass Ihr dort auch findet, was Ihr sucht."

Tatsumi war - von Shuichis Geschrei in seiner Arbeit gestört - auf die Brücke getreten und lehnte nun am Geländer. Der kräftige Wind ließ seine langen Haare, die er mit zwei Bändern zu einem Zopf gebunden hatte, fliegen und in der Sonne glänzen. Er hatte die Arme verschränkt und betrachtete den enthusiastischen Kapitän skeptisch. "Immerhin finanziert mein Herr diese Reise. Wenn sie erfolglos bleibt, pfänden wir das Schiff."

Watari ließ sich seine gute Laune nicht verderben.

"Die Archaethrysa ist da, ich bin ganz sicher!"

"Das hoffe ich für Euch."

"Hofft nicht, sondern glaubt! Ich werde diesen Baum finden! Die letzte Zutat für den Trank zur Geschlechtsumwandlung! Juchuu!!" Er breitete die Arme aus und genoss den prickelnd frischen Wind auf seiner Haut.

"Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass sich damit Geld verdienen lässt."

"Ha! Na das könnt Ihr glauben! Ich werde der reichste Mann... nein... die reichste Frau auf der Welt!"

Er drehte sich um und sah in die blauen Augen des Sekretärs, der ob dieser merkwürdigen Ambitionen seltsam dreinschaute. Dann grinste er und ließ seinen Blick an Tatsumi hinunter- und wieder hinaufwandern. "Gebt acht. Ich werde meine Wette gewinnen. Und dann müsst Ihr Euer Versprechen erfüllen."

Tatsumi wienerte seinen Zwicker blank, rieb sich die Stirn und ging die Treppe hinunter aufs Hauptdeck. "Ihr werdet verlieren", sagte er im Weggehen. Er war sich völlig sicher, denn sonst hätte er niemals zugestimmt, den Käptn zu heiraten, falls er es tatsächlich schaffen sollte, eine Frau zu werden. Herr Konrad hatte das vorgeschlagen, mehr um den offensichtlich exzentrischen Kapitän zu provozieren, aber jetzt stand die Wette. Wie auch immer. Das würde ohnehin nichts werden. (Konoe verwettet Tatsumi.. .wie grotesk!! XD)

"Wir sind fast da."

Tsusuki stand mittschiffs an der Rehling und betrachtete versonnen die neblige Küste. Dann wandte er sich seinem Schüler zu, der neben ihm stand. "Kannst du schon irgendwas erkennen?"

Hisoka strengte seine Augen an. Dann schloss er sie und konzentrierte sich.

"Nein", gab er schließlich zu.

"Keine Bewohner?"

"Nein, das Land scheint verlassen."

Tsusuki wandte sich ab und fixierte das Ufer. "Merkwürdig", murmelte er.

"Da ist eine Bucht! Eine Bucht! Käptn Yutaka! Backbord voraus!"

Hisoka verdrehte die Augen. Dieser Schreihals Shuichi ging ihm schon auf die Nerven, seit sie an Bord gegangen waren. Ständig störte er seine Konzentration! Und zu allem Überfluss schien Tsusuki-sama ihn auch noch zu mögen. Er seufzte und steckte die Hände in die Ärmel seiner Robe. Der Wind war kühl und blies stark.

"Jetzt, Harold! Fünfundvierzig Grad Backbord, Halsen!!" (Segler können schräg gegen den Wind steuern, indem sie einen Zickzackkurs einschlagen. Das nennt sich Halsen.) Der Steuermann riss das Ruder herum und das Schiff drehte sich schräg in die steife Brise, die von Westen kam. Alle an Bord ruderten mit den Armen, als sich der Rumpf in die Kurve legte. Unter Deck schepperte und rumpelte es. Die Segel blähten sich, flatterten und drehten sich um die beiden Masten, während die Taue in ihren Halterungen knarzten und ächzten.

"Urgs", machte Hisoka und hielt sich die Hand vor dem Mund. "Nicht... schon wieder...!"

Tsusuki klopfte ihm auf die Schulter. "Keine Sorge, wir sind fast da."

"Mmm..."

Das Schiff näherte sich der Küste. Auf der Steuerbordseite passierten sie bereits zerklüftete und dicht bewachsene Klippen.

"Wir können von Glück sagen, dass wir keinen Piraten begegnet sind."

K trat hinter die beiden Magier, die große schwarze Armbrust geschultert und ein freches Grinsen im Gesicht, wie immer. In seinem Gürtel steckten mehrere Messer und Pistolen und auf dem Rücken trug er einen Zweihänder. "Die treiben sich hier überall rum."

"Allein der Frostblick dieses Sekretärs hätte sie wahrscheinlich alle in Eisberge verwandelt, bevor sie uns hätten überfallen können", bemerkte Hiro zynisch.

"Hm", meinte K knapp, und behielt mal wieder für sich, was er dachte.

"So ein arroganter Kerl", grummelte der Musiker.

"Banause, hm?" K wiederholte Shuichis Lieblingswort der letzten fünf Wochen.

"Ja." Auch Hisoka stimmte zu.

Tsusuki sagte nichts.

"Sprecht nicht so über Herrn Tatsumi!" tadelte sie Lady Elizabeth. Erschrocken fuhren sie alle herum. "Er ist kein Banause. Ihr alle seid nur neidisch auf seinen Charme und seine vielen Fähigkeiten."

"Ja, besonders auf seinen Charme", raunte K Hiro zu. Dieser gluckste.

"Wie bitte?" empörte sich die Lady.

"Ich sagte nur: Sein Charme ist schon was besonderes." K zwinkerte und salutierte mit zwei Fingern. "I'm off. See you." Er wandte sich um und schlenderte auf die Brücke.

"Seht Ihr das?! Seht Ihr das?!" Yutaka lief einmal um den Soldaten herum und schlug sich dann mit der Faust in die Hand. "Da! Unser Ziel!"

"Unendliche Weiten", kommentierte K.

"Ihr sagt es! Die Archaethrysa ist mein! Ha!"

Harold verblieb kommentarlos. Er hatte sich an diesen hyperaktiven Kapitän gewöhnt, so wie er sich an alles gewöhnte. Man musste einfach nur die Ohren auf Durchzug schalten.

K zog sein eigenes schwarz lackiertes Fernrohr aus der Tasche und suchte den gesamten Horizont ab. Er hatte eigentlich damit gerechnet, Piraten zu begegnen. Merkwürdig, dass sie noch nicht attackiert oder zumindest gesichtet worden waren. Das Handels- und Forschungsschiff von Kapitän Watari war zwar relativ klein und wendig, aber diese ruhige Reise hatten sie vermutlich nur einer besonders dicken Glückssträhne zu verdanken. Dass es an den Schutzsprüchen dieser beiden Zauberer lag, glaubte K nicht wirklich. Er hielt die Magie für zu kompliziert und instabil, als dass er ihr irgendeinen praktischen Nutzen hätte abgewinnen können.

Der Horizont war leer bis auf das sich nähernde Festland. K suchte es besonders gründlich ab, nach den Ureinwohnern und nach anderen unvermuteten Bedrohungen. Die Bucht, auf die sie zusteuerten, war ziemlich breit und hatte einige Seitenausläufer von verschiedenen Flussmündungen, soweit sich das aus diesem Blickwinkel erkennen ließ. Ein ideales Versteck.

"Hey, Yutaka."

"Hm?"

" - Ich wäre an deiner Stelle vorsichtig. Gut möglich dass wir heute Abend zusammen mit den Haien schlafen gehen."

Watari folgte K's starrem Blick und betrachtete die Küste.

"Du hast recht, aber wir brauchen frisches Wasser. Außerdem haben wir nichts an Bord, was für die Piraten von Interesse wäre."

"Hm." K lachte kurz und trocken auf.

"Wir sind eine kleine Expedition, die kaum die Mühe des Enterns lohnt. Du solltest nicht beunruhigt sein."

"Ich tue nur meine Arbeit."

Watari grinste wohlwollend. "Ja, und das sehr gut. Ich bin froh, dass du mitgefahren bist."

"Auch wenn ich allein kaum eine Hilfe bin."

"Dafür haben wir den Zauberer."

K schnaufte verächtlich, aber Watari bekam es nicht mit. Er war schon wieder damit beschäftigt, das Ufer zu betrachten und sich zu freuen.

"Langsamer", meinte K.

"Die Bucht ist groß genug zum Manövrieren", erwiderte der Kapitän, "und wir kommen bald in den Windschatten der Klippen. Lasst die Segel oben."

"Ich meinte langsamer, weil wir dann noch eine Chance haben, einer eventuellen Falle zu entgehen."

"Ich sagte doch, ich glaube nicht, dass das nötig..."

K packte Watari am Arm. Er starrte in die Bucht und seine Miene verdüsterte sich. Der Kapitän folgte seinem Blick und der Atem stockte ihm. Seine Augen weiteten sich und das Blut gefror ihm in den Adern.

"Was hab ich gesagt", zischte K.

Hinter den steilen Klippen, die den Eingang der Bucht säumten wie zwei riesige Torpfosten, schoben sich mehrere schwarze Rammspitzen hervor. Sie gewannen schnell an Fahrt und die Buge mehrerer großer Schiffe wurden sichtbar.

"Nein", hauchte Watari. Er ballte die Hände zu Fäusten. Alles umsonst! Sie waren verloren...!

"Wenden!!" schrie er verzweifelt. "Nach Steuerbord, los!"

Harold riss das Steuerrad herum und die Segel und Taue begannen erneut zu knarzen. Das Schiff begann sich nach rechts und in den Wind zu drehen.

Käptn Yutaka biss sich auf die Unterlippe, dann sackten ihm die Schultern herunter und er lehnte sich gegen K. Dieser gab ihm einen festen Klaps auf die Schulter.

"Alles umsonst." Der Kapitän schluckte. "Diese... Hunde! Aber die werden uns nicht kriegen!" brachte er hervor. "Bis die in den Wind kommen, machen wir schon volle Fahrt."

Das Schiff hatte sich fast gedreht und Harold lenkte gegen. Die Segel blähten sich und sie nahmen Fahrt auf.

Die beiden Magier eilten auf die Brücke.

"Warum wenden wir?" wollte Tsusuki wissen. Watari deutete wortlos und mit eisiger Miene auf die fünf Schiffe, die inzwischen beigedreht hatten und ihnen aus der Bucht heraus folgten. Die beiden Zauberer holten erschrocken Atem.

"Da...Das ist doch nicht möglich...!" hauchte Hisoka. "Ich hätte... ich hätte doch...!"

"Genau", schaltete sich K ein. "Warum hast du uns eigentlich nicht gewarnt, Kleiner?" Er zog ein Krummmesser, trat hinter Hisoka und hielt es ihm vor die Brust. "Du hast zehn Sekunden Zeit für eine Erklärung."

"Fah... Fasst mich nicht an...!"

"Wenn die uns einholen, können wir von Glück sagen, wenn sie uns nur baden schicken." K hatte wirklich schlechte Laune. Er fühlte sich wieder einmal in der Ansicht bestätigt, dass man sich auf Magie nicht verlassen konnte.

Hisoka keuchte. "Lasst mich los... Ah!"

"Nehmt Eure Hände weg!" Tsusuki befreite seinen Schüler aus dem Griff des Soldaten und stellte sich zwischen ihn und K. "Was denkt Ihr euch! Ihr wisst doch genau...!"

"Heeeeey!!" Shuichi schrie sich die Seele aus dem Leib. "Heeeeey, ihr da unten! Haaaalooooo!!"

"Ja?!" rief Watari.

"Piraten voraus!"

Alle verdrehten die Augen.

"Wissen wir schon!" rief K zurück. Er sah zurück in die Bucht, wo die fünf Schiffe bereits die Verfolgung aufgenommen hatten. Es waren große Dreimaster mit vielen Segeln, aber noch lagen sie weit zurück. Noch gab es eine Chance auf Entkommen.

"Piraten!!" kreischte Shuichi und fuchtelte wild.

"Ich habe sie nicht gesehen, weil sie vermutlich einen Schutzschild hatten!" ereiferte sich Hisoka. "Ich bin auch nicht allwissend."

"So ein Quatsch." Der Kapitän winkte ab. "Piraten haben nie einen Schutzschild. Jedes Schiff, das geentert wird, zerstört seine Schilde, und ich glaube kaum, dass irgendein Zauberer sich bereit erklärt, solchen Banditen Schilde zu hexen."

"Zumindest kein lizenzierter", meinte Tsusuki.

Etwas quietschte. Shuichi kam den Mast heruntergerutscht und sprintete zur Brücke.

"Wer hat dir erlaubt, deinen Posten zu verlassen!" donnerte der Kapitän.

"Aber...!"

"Los auf den Mast, aber husch!"

"Aber da vorne...!"

Es klickte, als K seine Armbrust spannte und sie dem Jungen zwischen die Schultern hielt.

"Hoch jetzt."

"...nnng!" Shuichi erstarrte und war den Tränen nahe.

"Schschscht!" machte Tsusuki. Alle lauschten. "Hört ihr das?"

"Oh...", machte Watari, "ooooh VERFLUCHT!!!"

Aus dem Schatten der Klippen, die jetzt zu ihrer Linken waren, löste sich ein weiteres Schiff. Es war eine Galeere, mit drei Reihen, sowohl für Ruder als auch für Kanonen, fünf Masten und über dreißig Segeln. Sie war wappenlos und eine blutrote Flagge wehte auf der Spitze des größten Mastes.

Watari setzte über das Geländer der Brücke hinweg, sprang von dort aus in die Takelage und kletterte nach oben. "Segel reffen! Ruder fixieren! Alles fertig machen zum Anhalten!" Er erreichte den Mast, befreite die Gewichte aus ihrer Halterung und ließ sich mit ihnen nach unten, während auf der anderen Seite das Hauptsegel hochgezogen wurde. Hiro war bereits auf dem Weg zum Vordersegel.

"Ich hab's doch gesagt!" wimmerte Shuichi, und K ließ ihn los.

"Verdammt!" knurrte der Soldat.

Sie legten den Kopf in den Nacken und starrten auf den riesigen Kreuzer. Sein gewaltiger Rumpf wies mehrere Reihen langer Stacheln auf, die man jetzt allerdings einholte. Das Schiff von Käptn Watari war zu klein als dass die Spieße mehr als nur die Segel beschädigt hätten. Für größere Handelsschiffe allerdings waren sie tödlich.

"Was ist los?" Der alte Reedereibesitzer kam auf die Brücke. "Wie konnte das passieren? Warum habt Ihr das nicht vorhergesehen?" Sein zorniger Blick und der seines Sekretärs richteten sich auf die Zauberer.

"Tja, nun... ehehe...", Tsusuki lachte verlegen, "sie haben vermutlich einen Schutzschild..."

"Was? Erzählt mir doch nicht...!"

"Und einen ziemlich großen", bemerkte Hisoka.

"Wo ist die Lady Elizabeth?" verlangte der Sekretär zu wissen.

"Vermutlich unter Deck", brummte Harold. "Sie weiß sich schon zu helfen, keine Sorge."

Das Schiff wurde langsamer und näherte sich der Galeere nur noch allmählich. Hinter ihr tauchten noch drei weitere Schiffe aus ihren Verstecken auf, aber die Galeere überragte sie alle. Sie war überdimensional. Shuichis Ausguck reichte nicht einmal bis an die Rehling und allein an Deck waren mehr als hundert Menschen zu sehen.

Das Häufchen auf Käptn Wataris Schiff blickte schweigend auf sein Verhängnis, fest entschlossen, gleichgültig oder den Tränen nahe, je nach Gemütszustand. Hisoka wich zurück, klammerte sich an seinen Meister und biss sich auf den Daumen. Dieser nahm ihn in den Arm.

Der Kapitän kam auf die Brücke zurück und schloss sich ihnen an. "Was tun sie?" fragte er Harold und strich eine blonde Strähne zurück, die sich aus den Bändern gelöst hatte. Wenn es stimmte, was er glaubte... dann war das hier die legendäre Schwarze Flotte...! Alle Informationen über diesen Verband stammten von dem letzten Überlebenden eines Überfalls, der auf einer einsamen Insel ausgesetzt worden und Jahre später aufgelesen worden war...

"Allenthalben kreuzen", erwiderte Harold wie beiläufig auf Wataris Frage. "Ein paar machen Enterhaken fertig."

"Wo?"

"Hinter uns."

Watari drehte sich zu ihren ursprünglichen Verfolgern um. Sie waren eingeholt worden und Shuichi wich erschrocken einem Widerhaken aus, der auf der Brücke landete. Weitere folgten, bis das kleine Schiff eingekreist und nach allen Richtungen hin vertäut war. Einer der Piratenkreuzer fuhr neben sie. Strickleitern wurden herabgelassen.

K sah den Kapitän an. "Ergeben wir uns, Yutaka?"

Dieser nickte. "Ja", sagte er fest.

Wenig später fanden sie sich umzingelt von bis an die Zähne bewaffneten Piraten, die sie angrinsten und dabei Reihen fauler Zähne entblößten. Andere Räuber durchsuchten das Schiff. Lady Elizabeth wurde nach oben gebracht.

"Waffen weg", schnauzte der Anführer K an. Dieser legte die Hand auf seine Armbrust. Die Piraten hoben die Säbel. Dann schloss er die Augen und hob die Hände.
 

Eine halbe Stunde später fand sich Watari auf der Spitze des höchsten Mastes der Galeere wieder. Die Hände auf dem Rücken um den schwankenden Pfahl gebunden, stand er auf einer winzigen Plattform und kalter Wind peitschte ihm ins Gesicht. Es roch nach schlechtem Wetter. Er hatte es kommen sehen. Das konnte unangenehm werden.

Der schmierige Typ unter ihm rief ihm ein paar spöttische Worte zu. Er stand in dem größten Krähennest, das Watari je gesehen hatte. Mindestens zwanzig Männer hatten darin Platz.

"Bis morgen bist du gründlich gewaschen!" rief ihm der Kerl zu. Er war - angeblich - der Erste Offizier und besaß das Kommando über die Piratenflotte. Er winkte mit einem anzüglichen Grinsen und schickte sich an, mit seinen Begleitern die Leiter hinunterzuklettern.

Watari verrenkte seinen Kopf und sah nach Westen. Dunkle Wolken sammelten sich hinter der grünen Insel, auf der sie fast gelandet wären. Ein einzelner Blitz zuckte. Der Kapitän schluckte und sah nach unten. Weit entfernt sah er kleine Punkte auf dem Deck herumlaufen. Ihm wurde schwindelig, als der Wind zunahm und der Mast stärker schwankte. Er sah sich nach seinen Freunden um. Auch auf den anderen Masten waren Leute angebunden, doch er konnte nicht erkennen, wer es war.

Er schluckte. Seine Hände warten kalt und taub vom Wind und von den stramm geschnürten Tauen. Irgendwo dort unten wurde sein Schiff hinter einem Piratenkreuzer hergezogen. Diese Barbaren! Sie hatten es komplett ausgeräumt und alle Aufzeichnungen durcheinandergebracht! Die Zutaten, die er in jahrelanger mühevoller Suche erworben hatte...!

Wütend spuckte Watari nach unten in der Hoffnung, den Verantwortlichen für all das hier zu treffen.

Wenig später brach der Sturm los. Jetzt war der Kapitän dankbar für die Taue, die ihn an den Mast banden, denn andernfalls wäre er in die Tiefe gestürzt. Der Orkan riss ihm den Atem von den Lippen und er schnappte nach Luft. Regen peitschte ihm ins Gesicht und er wurde von oben bis unten durchnässt.

Allmählich ging das düstere Dunkel des Gewitters in eine sternenlose Finsternis über. Im pfeifenden Wind klapperten Watari die Zähne vor Kälte. Die nassen Kleider klebten ihm am Körper und sein Schädel pochte und war heiß. Er hatte überall Schmerzen, doch schließlich - nach Stunden vermutlich - sank ihm der Kopf auf die Brust und er verlor vor Erschöpfung das Bewusstsein.

Irgendwann im Laufe der Nacht weckte ihn ungewöhnlicher Lärm. Er kniff ein paar Mal fest die Augen zusammen und erkannte verschwommene rote Flecken tief unter sich. Feuer. Es brannte, aber nicht auf der riesigen Galeere. Die Piraten hatten eine Handelsflotte überfallen und beseitigten gerade die Reste. Waffengeklirr und Schreie waren zu hören. Wataris Kopf schmerzte höllisch, doch in ihm war noch Platz für Wut über diese Verbrechen. Tränen brannten ihm in den Augen und liefen über sein nasses Gesicht.

Der Sturm war zuende, doch war es unterdessen eiskalt geworden. Der Wind trug kleine Dampfwölkchen weiter, die aus Wataris Mund kamen. Der Kapitän betrachtete eine Weile das Kampfgetümmel, doch die Piraten hatten bereits gesiegt und alles ging dem Ende entgegen. Nach einer Weile verlor er wieder das Bewusstsein.
 

Bei Sonnenaufgang wurde Watari vom Läuten der Schiffsglocke geweckt. Der aufgehende Glutball blendete ihn und er stellte fest, dass sie immer noch geradeaus nach Osten steuerten. Bunte Ringe, verursacht vom grellen Licht und vom Fieber, tanzten vor seinen Augen, vermischt mit flackernden Blitzen. Ihm war übel, ziemlich übel, und seine Kehle war wie ausgedörrt. Seine Hände spürte er nicht mehr. Hier oben würde er keinen weiteren Tag überleben, das wusste er...

Wie, so fragte er sich schmerzlich, ging es wohl den anderen? Was hatten sie mit Shuichi, Hisoka und der Lady gemacht? Der Kapitän mochte gar nicht daran denken...! Aber warum kaperte eine so riesige Flotte ein so kleines und unbedeutendes Schiff wie seines? Wussten sie am Ende von seinen Forschungen und waren auf sein Zaubermittel aus? Waren sie hinter Hisoka her, weil er in die Zukunft sehen konnte? Es war ihm unbegreiflich, und blinder Hass erfüllte ihn ob dieser sinnlosen Zerstörung. Er war so nah dran gewesen! Kaum ein Steinwurf hatte ihn mehr von der Erfüllung seines Lebenstraumes getrennt, und jetzt das! Hätten sie uns nicht früher überfallen können, dachte er, als wir noch nicht sicher waren, ob wir es finden. Als wir noch am Anfang standen. Dann wäre die Enttäuschung nicht so stark und bitter gewesen.

Watari sah auf und betrachtete das glitzernde Meer und den dunstigen Horizont. Die Halluzinationen ließen etwas nach, aber ein heller Strich hielt sich hartnäckig. Er war sehr schmal und ragte direkt vor der riesigen Galeere senkrecht in den Himmel hinauf. Sie steuerte genau darauf zu. Der scharfe Rammbock am Bug berührte den Strich und... verschwand dahinter.

Watari blinzelte. Blinzelte noch einmal. Dann schüttelte er leicht den Kopf, obwohl es höllisch weh tat. Doch nichts änderte sich: Das Schiff verschwand. Der Spalt weitete sich aus und verbreiterte sich in dem Maße wie die Galeere in ihn vordrang. Der Kapitän verrenkte sich stöhnend und sah, dass sich die gesamte Flotte gerade hinter der Galeere eingereiht hatte. Er sah nach vorne. Der blendend helle Spalt kam näher. Dort wo er sich verbreiterte, schimmerte gebrochenes Licht und eine Art Strahlenregen. Wohin zum Henker brachte sie dieses Schiff? Wenn die andern überhaupt noch am Leben waren...

Watari schluckte und sein Atem ging rasselnd. Er hustete, was überall neue Schmerzen weckte. Träumte er etwa? Gerade verschwand der zweite Mast in dem hellen Spalt und das Großsegel unter ihm tauchte in die Raum-Zeit-Anomalie ein. War das hier ein magisches Piratenversteck? Wenn ja, dann hoffte Watari, dass er dem Zauberer, der es erschaffen hatte, nie begegnen musste... Je mächtiger die Leute waren, mit denen man sich abgab, desto mehr Schwierigkeiten bekam man, und er wusste von niemandem, der mächtig genug war, um so etwas zu erschaffen.

Der Spalt rückte näher und Watari drückte sich schwach an den Mast. Er machte sich auf alles gefasst: Schmerzen, Schwindel, Licht, Dunkelheit, Wahnsinn, den Tod...

Doch es geschah nichts weiter als dass etwas wie ein Schleier über seinen Körper hinwegglitt. Die Berührung war warm und fühlte sich irgendwie... tröstend an. Dann schreckte Watari auf. In dem Moment, als er sich mitten im Spalt befand, sah er ein Gesicht vor sich. Es war das Gesicht eines Mannes, und für einen Augenblick stand es so klar vor seinen Augen wie ein Kristallogramm. Dann aber war es verschwunden, und Watari vermochte nicht, sich die Züge ins Gedächtnis zurückzurufen. Er war sich sicher, wenn er den Mann noch einmal wiedersehen würde, würde er ihn sofort erkennen, doch er konnte sich beim besten Willen nicht an dessen Aussehen erinnern. Was bedeutete das alles...?

Während der Kapitän noch so sinnierte und abwesend, fast derilierend auf den Horizont sah, riss er plötzlich die Augen auf. Vor ihnen, direkt vor dem Bug der Galeere, erstreckte sich eine weite Landschaft. Wo vorher nur Ozean gewesen war, lagen nun Hügel, Berge, Wälder und Flüsse. Weiter weg im Hinterland sah Watari eine weiße Stadt, die sich einer Perle gleich von dem grünen Untergrund abhob und die nach Süden gewandte Seite des hohen Berges mit mattem Glanz überzog.

Ich muss träumen, dachte Watari, völlig von den Socken.

"Abnehmen", erklang eine raue Stimme von unten. Der Kapitän schaute ins Krähennest hinunter und sah einige Männer. Der Erste Offizier war nicht unter ihnen. Einer der Piraten kletterte mit einem Messer zwischen den Zähnen zu ihm herauf und schnitt die Fesseln durch. Watari wäre hinuntergefallen, hätte der bullige Kerl ihn nicht festgehalten. Der Riese band Watari Füße und Hände, legte ihn sich einfach über die Schulter und kletterte den Großmast hinunter bis aufs Hauptdeck. Dann führte sie der Weg durch das ganze Schiff. Watari hätte sich am liebsten übergeben, nur um den Piraten zu ärgern, aber er war viel zu erschöpft. Das Blut rauschte durch seinen nicht mehr festgebundenen Körper und seine Gliedmaßen schmerzten fürchterlich. Er verlor zum dritten Mal das Bewusstsein.
 

Hmmm,

soll ich aufhörn?

Jetzt?

Kapitel 2
 

Shuichi hustete, und davon wurde er wach. Jemand legte ihm ein kühles Tuch auf die Stirn. Er merkte, wie heiß ihm war. Trotz der Schmerzen blinzelte er und versuchte sich aufzurichten.

"Idiot, bleib liegen."

Die Stimme war tief und leise. Und sie klang genervt und müde. Shuichi kannte sie nicht, doch er gehorchte und legte sich wieder hin. Langsam klärte sich das Bild vor seinen Augen und seine Erinnerungen kehrten zurück. Er schluckte und sah sich hastig um.

"Du sollst liegen bleiben."

"Wo...?"

"Und sei still."

"Aber..."

"Sei still."

Shuichi gehorchte. Der Mann, zu dem die undeutliche Stimme gehörte, saß auf seiner Bettkante und starrte ihn missmutig an. Ein paar wirre blonde Strähnen fielen ihm in die Stirn und verdeckten ein wenig den Blick auf seine Augen. Diese Augen...

Shuichi hielt den Atem an. Er konnte gar nicht anders. Die goldene Farbe und der unglaublich eindringliche Blick nahmen ihn derart gefangen, dass er nicht einmal mehr wagte zu blinzeln. Etwas lag in diesen Augen. Etwas... wildes, ungezähmtes, etwas das sich nahm ,was es wollte. Die markanten Gesichtszüge des Fremden verstärkten diesen Eindruck noch und erzeugten in Shuichis Kopf das Bild eines stolzen Geparden, der in der Wüste stand und auf die Welt herabsah. Der Blick des Fremden war absolut. Er duldete keinen Widerspruch.

Shuichi hätte gern noch irgendetwas getan, um der Forderung in diesem Blick nachzukommen.

Der Fremde erlöste den völlig verunsicherten Jungen aus seinem Dilemma, indem er sich erhob und den Blick abwandte.

"Schlaf", brummte er im Weggehen.

Shuichi bemühte sich, sofort zu gehorchen.
 

Als Hisoka erwachte, beugte sich ein lächelndes Gesicht über ihn. Der freundliche Jemand tupfte ihm den Schweiß von der Stirn und zog ihm die Bettdecke bis zum Kinn.

"Wo..?"

"Keine Sorge. Es ist alles in Ordnung", sagte eine sanfte freundliche Stimme.

Hisokas Augen wanderten unruhig hin und her und suchten den Raum ab nach einem Hinweis, wie er hierher gelangt sein könnte.

"Wo ist Tsusuki-sama...?" fragte er schließlich hastig. "Wo ist mein Lehrmeister?"

"Alle deine Freunde sind vorläufig in Sicherheit, Hisoka-kun. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen."

Der Junge zögerte, von Zweifeln geplagt, dann seufzte er leise und ließ sich in die Kissen zurücksinken. Plötzlich stutzte er.

"Wo...Woher kennt Ihr meinen Namen?"

Der Fremde lächelte. Es war ein strahlendes Lächeln, das pure Freude und Fröhlichkeit ausdrückte und das Zimmer erhellte wie ein Sonnenstrahl.

"Oh, ich bitte um Verzeihung", er neigte leicht den Kopf, "ich habe die Gabe, genauso wie du." Bei dieser Bewegung fielen ihm ein paar aschblonde Strähnen ins Gesicht.

"Die... Gabe..." In Hisokas Kopf arbeitete es. "Dann... Dann habt Ihr uns vor den Piraten gerettet...!"

Der Fremde lachte, und es war so ansteckend, dass Hisoka ebenfalls in Versuchung kam, zu lächeln; vor allem auch weil er sich auf einmal erleichtert fühlte. Die Gefangenschaft auf dem Schiff hatte ihn arg mitgenommen, und er war froh, dass es schon zuende war und er hier in einem warmen Bett lag und jemanden hatte, der sich so fürsorglich um ihn kümmerte. Allerdings spürte er die Erschöpfung.

"Es wäre wohl besser, wenn du dich jetzt ausruhst, nicht wahr?"

Hisoka fühlte, wie sich eine bleierne Schwere in ihm ausbreitete. Warmes Licht erfüllte sein Bewusstsein und unverzüglich hüllte ihn der Schlaf wieder ein.
 

"Ey, K!"

Tsusuki saß auf dem breiten marmornen Fensterbrett, hatte die Beine von sich gestreckt und darauf ein Tablett liegen.

"Willft du au waf?" fragte er mit vollem Mund. "Die haben Kuchen hier, davon träumst du nur!" Selig genehmigte er sich noch einen Bissen Bienenstich. "Hier! Schokokuchen, Rotweinkuchen, Nusskuchen, Apfelkuchen,...!" Seine Augen glänzten vor Entzücken. "Erdbeertorte, Waldfruchtstrudel, Baumkuchen, Zitronenrolle, Schwarzwälder Kirsch, Prinzregenten, Pfefferminz...!"

"Es ist unhöflich, so gierig zu sein", tadelte ihn Tatsumi, der im Schatten neben dem Fenster an der Wand lehnte.

K, der die ganze Zeit unruhig hin und her lief, sah ihn an und lächelte schief und zynisch. Dieser Sekretär war doch der Geiz in Person. Wie auch immer. K brachte es nicht fertig, still zu sitzen. Ständig sah er sich um. Denn er hatte ein Problem. Ihm fehlten seine Waffen. Ohne die war er nicht K, ohne die...

"Wifft du wiklif nix?" fragte Tsusuki mit vollen Backen. Als K nicht reagierte, zuckte der Magier die Schultern und sah aus dem Fenster. Ob Hisoka wohl schon wach war? Die violetten Augen richteten ihren Blick auf die Stadt unter dem großen Fenster. Wie das Ende eines schäumenden Wasserfalls brach sie sich an dem steilen Berg und ergoss sich kaskadenartig bis in die Ebene. Weiter rechts lag ein wohl letzter Ausläufer der Bucht, durch die sie mit dem Schiff hereingekommen waren. Viele Schiffe lagen dort vor Anker, doch Kapitän Wataris Zweimaster konnte der Magier nirgendwo entdecken. Wie es dem Kapitän wohl ging? Tsusuki wusste nicht - und das beunruhigte ihn ein wenig - wie viel Zeit seit ihrer Gefangenschaft auf dem Galeere vergangen war. Er wusste nur, dass er ein paar Mal halb aufgewacht war und dass er liebevoll gepflegt worden war. Dann war er aufgewacht, in diesem Turm, oder Schloss, oder wie immer man es nennen mochte, und er fühlte sich wieder ganz gesund. Das alles war äußerst seltsam... zuerst enterte man sie - dieses unbedeutende Schiff! - dann ließ man sie am Leben, dann setzte man sie Wind und Wetter aus, brachte sie fast um, dann schleuste man sie durch ein magisches Tor in einen "Spalt" und pflegte sie mit großer Hingabe wieder gesund. Nicht zu vergessen die Kuchen. Alles was ihnen fehlte war: Ihre komplette Ausrüstung. Man hatte ihnen nichts gelassen, nicht einmal die Kleider am Leib. Die dunkelblaue Robe, die er trug, gehörte Tsusuki nicht. Und Watari fehlte. Keiner von ihnen wusste, wo sich der Kapitän aufhielt oder wo er vielleicht festgehalten wurde. Und ob er überhaupt noch lebte. Bei dem Gedanken daran, dass Watari tot sein sollte, fühlte der Zauberer einen dumpfen Schmerz. Selbst der alte Konoe hatte den Sturm am Mast überlebt. Er saß zusammen mit Harold und Lady Elizabeth in jenem Raum, wo sie dieses heiße Getränk ausschenkten, das sie Kaffee nannten. Tsusuki mochte es nicht, und Tatsumi verabscheute es regelrecht. K hatte, seit er aufgewacht war, nicht einen Bissen zu sich genommen. Tsusuki hatte noch niemanden kennen gelernt, der so an seinen Waffen hing. Die brauchten sie hier gar nicht.

Er seufzte und verzehrte noch einen Happen Kuchen.

Wo hatten sie nur Watari-san versteckt?

Plötzlich stutzte er.

"Da, schon wieder!" Er schob das Tablett weg und lauschte angestrengt. "Hört ihr es jetzt?"

"Was denn?" wollte Hiro wissen, der gerade um die Ecke gebogen kam. Er hatte Shuichi besucht.

"Psst!" Tsusuki winkte ihn zu sich her. "Hörst du?"

Sie horchten gemeinsam. Das schwache Geräusch war kaum auszumachen, doch sie erkannten, dass es Musik war. Jemand sang unverständliche Worte, irgendwo in diesem Haus. Oder vielleicht auch draußen im Garten.

"Schön", murmelte Hiro.

"Ja", flüsterte Tsusuki.

"Könnt Ihr hören, woher es kommt?"

Der Magier schloss die Augen und konzentrierte sich. "Nein", gab er schließlich zu und seufzte. "Schade. Ich hab es gestern schon gehört. Es klingt wunderbar...!"

"Ja, die Leute hier singen gern", bemerkte Hiro.

Kapitel 3
 

Als Watari erwachte, war er allein. Es dauerte eine Weile, bis er sich zurechtfand und bemerkte, dass er in einem Bett lag. Allmählich kehrten seine Erinnerungen zurück und er richtete sich auf.

Er befand sich in einem großen Zimmer mit sparsamer, aber ästhetischer Einrichtung, hohen Fenstern und einer gläsernen Terrassentür, die geöffnet war. Die Sonne schien und frische Meeresluft wehte herein. Nach der Tortur auf der Piratengaleere war das das letzte, was er erwartet hatte. Ungläubig sah er sich im Raum um und dann an sich hinunter: Die Spuren der Gefangenschaft waren verschwunden, genauso wie seine Kleider. Er zwickte sich in die Nase, um festzustellen, dass er nicht träumte. Fehlanzeige. Das alles hier war echt...!

Auf einer kleinen Kommode neben dem Bett lagen Kleider. Hastig stand Watari auf und streifte sie über. Sie waren komplett aus schwarzer Seide und passten ihm gut. Sogar schwarze Haarbänder waren ihm hingelegt worden. Aber von wem...?

Das Zimmer besaß eine Tür, doch sie war verschlossen. Watari lauschte: Nichts rührte sich. Er wandte sich ab und trat durch die offene Terrassentür hinaus in einen großen Garten, der von einer Mauer umgeben war. Auch hier lag alles still und niemand begegnete ihm, als er die hohe Allee entlangging. Der Geruch von Erde, das Rauschen von Blättern, der Duft von Blüten und das Singen der Vögel... Monate lagen zurück, seit er all das zum letzten Mal genossen hatte. In den Hafenstädten, in denen er normalerweise ankerte, gab es keine solchen Annehmlichkeiten.

Watari ging zum Rand des Gartens, wo hinter einer Rosenhecke ein Rundgang verlief. In der Hecke waren Nischen, in welchen kleine Bänke standen. Watari sah niemanden darauf sitzen. Langsam ging er die paar Stufen bis zum Rundgang hinunter und blickte dabei staunend über die Mauer. Tief unter ihm dehnte sich die weiße Stadt, dahinter erstreckte sich eine weite grüne Landschaft und zwischen den beiden lag eine Bucht; so vermutete Watari zumindest, denn in dem Gewässer kreuzten viele große Piratenschiffe. Doch er erkannte erstaunt, dass zwischen der Lagune und dem offenen Meer zu seiner Rechten gar keine Verbindung bestand...

Schritte erklangen auf dem Kies.

Der Kapitän drehte sich um. "Wer...?"

"Guten Morgen", sagte jemand mit einer tiefen und leisen Stimme.

Watari erstarrte. Das war er! Das war der Mann, den er im Spalt gesehen hatte...! Unfähig sich zu rühren betrachtete er seinen Gegenüber, der langsamen Schrittes die Stufen hinunter auf ihn zu kam. Er war hochgewachsen, von Kopf bis Fuß in schlichtes Weiß gekleidet und um den Hals trug er ein filigranes Amulett aus Metall. Die kurzen silbrigen Haare waren so gescheitelt, dass sie seine rechte Gesichtshälfte verdeckten und nur eines der grauen Augen sichtbar ließen. Der Blick war... hypnotisierend. Watari wagte es nicht auch nur ein Wort zu sagen.

Der Mann wandte seine Augen von Wataris Gesicht ab und ließ seinen Blick an dem Kapitän hinuntergleiten. Dieser spürte es förmlich... er schluckte vernehmlich. Dann nahm er sich zusammen und setzte zu einer Erwiderung an.

"Du bist also wach." Der Fremde sah ihn wieder an.

"Wer seid Ihr..." brachte Watari hervor, und er erschrak selbst darüber wie kleinlaut seine Stimme klang. Unwillig gab er sich einen Ruck, stellte sich gerade hin und wiederholte mit fester Stimme: "Wer seid Ihr?"

Die Mundwinkel des hochgewachsenen Mannes verzogen sich zu einem schillernden Lächeln, das Watari einen Schauer über den Rücken jagte. Da war doch garantiert Magie im Spiel! Er wollte zurückweichen, doch da war ja die Mauer.

"Ein Name ist so gut wie jeder andere", erwiderte der Fremde und rückte den filigranen Zwicker auf seiner Nase zurecht. "Ich bin der Kapitän der Pearl, Flaggschiff des unter dem Namen "Schwarze Flotte" bekannten Piratenverbandes. Du hast sicher einige Fragen."

Watari stand der Mund offen ob dieser unfreundlichen Begrüßung. Er ließ den Atem, den er angehalten hatte, entweichen und holte Luft. "Und ob!" entgegnete er angriffslustig. "Wo ist mein Schiff? Und wo meine Aufzeichnungen? Was habt Ihr mit meinen Freunden gemacht? Und wo...?"

Der Kapitän der Pearl lachte. Es klang amüsiert, doch der Unterton jagte Watari wieder Schauer über den Rücken. Ihm war gar nicht wohl bei der Sache...

"Der Reihe nach." Der Kapitän ging ebenfalls zur Mauer und betrachtete die weite Landschaft unter sich. "Was möchtest du zuerst wissen?"

Watari schnaufte aufgebracht.

"Wo ist meine Mannschaft?" fragte er schließlich. "Und die Passagiere."

"Sie befinden sich in diesem Schloss, sind in Sicherheit und erfreuen sich bester Gesundheit."

"Und das soll ich Euch glauben?"

Der Kapitän sah ihn an. "Dir bleibt nichts anderes übrig", erwiderte er kalt.

Watari biss die Zähne zusammen. Der Kerl hatte recht. Er war hier eingesperrt, und eine Möglichkeit zur Flucht gab es nicht. Er würde sich mit den Informationen zufrieden geben müssen, die er bekommen konnte.

"Kann ich sie sehen?"

"Nein."

"Warum nicht?"

"Weil es ihnen bei Todesstrafe verboten ist, mit dir zu sprechen."

"Wa...?!"

Der Kapitän lächelte, ein hinterlistiges, ein grausames Lächeln. "Wer hier schwarze Kleidung trägt, darf von niemandem angesprochen oder berührt werden, außer von mir. Wer gegen diese Regel verstößt, wird hingerichtet."

Watari starrte seinen hochgewachsenen Gegenüber entsetzt an. "Aber... aber ich... Man hat mir meine Kleider abgenommen! - Was wird hier gespielt?!"

"Ich spiele nicht", entgegnete der Kapitän nüchtern.

"Ihr seid ein gemeiner Verbrecher! Was wollt Ihr von mir?! Wir waren auf einer Expedition! Fast hätten wir...!"

"Geschlechtsumwandlung, hm?"

Watari blieb der Satz im Hals stecken. "Woher wisst Ihr...?"

"Auf Bermuda wächst keine Archaethrysa. Ich habe das Rezept und die Wegbeschreibung zu den Zutaten selbst in Umlauf gebracht. Der Trank ist wirkungslos."

Er gab Watari Zeit, diesen Schock zu verarbeiten.

"Es ist eine Falle", fuhr er fort, "um Schiffe anzulocken."

Watari schmeckte bittere Enttäuschung auf seiner Zunge. "Ihr lügt!" rief er, doch es klang nicht überzeugt. Der Kapitän lächelte boshaft. Watari ballte die Fäuste.

"Ihr...!!" Er konnte nicht weitersprechen. "Warum...?", fragte er. "Warum dann unser Schiff? Wir hatten nichts von Wert an Bord!"

Der Kapitän seufzte leise und richtete seinen Blick wieder auf das Land und die Stadt. "Siehst du das hier?" Er hob das Amulett, welches um seinen Hals hing und zeigte es Watari. Aus Silberdraht geformte Runen waren zu sehen und ein Stern aus funkelnden Rubinen umrahmte einen Diamant, der in der Mitte eines doppelten Drahtkreises saß. Das Schmuckstück war etwas kleiner als ein Handteller und hing an einer dünnen Kette kurz unter einem Halbmond aus demselben Material.

"Was ist das?" Watari war noch immer leicht verstimmt, doch er konnte sein Interesse nicht verhehlen.

"Wenn man die entsprechenden Fähigkeiten besitzt, lässt sich mit diesem Amulett der Spalt öffnen."

Also doch Magie, dachte Watari. Deshalb hatte er den Mann beim Passieren des Spaltes gesehen!

"Als meine Familie von Piraten hierher verschleppt wurde, war es im Besitz des Kapitäns. Sie hatten in den Ruinen der Stadt ihr Versteck. Sie ermordeten meine Frau und vergriffen sich an meinem jüngsten Sohn. - Ich tötete den Kapitän, nahm seine gestohlenen magischen Waffen und vernichtete die Piraten. Wir Gefangenen blieben hier und erbauten die Weiße Stadt neu."

Watari lauschte stumm der unglaublichen Geschichte, die er da hörte und brauchte erst einmal eine Weile, um sie zu verdauen.

"Aber... die ganze Stadt...!" fragte er schließlich. "Und wenn Ihr selbst Gefangener wart, weshalb seid Ihr dann heute Pirat und tut dasselbe anderen Menschen an?"

"Fast vierhundert Jahre ist es her..."

Watari klappte die Kinnlade herunter. Er glaubte, sich verhört zu haben...

"In der wirklichen Welt sind wir Piraten. Wir brauchen Nachschub, denn die Ressourcen in diesem Land sind knapp bemessen. Draußen bin ich Kapitän einer Piratenflotte. Hier bin ich der Imperator dieser Kolonie. Das Leben all dieser Menschen hängt von mir ab, weil nur ich die Fähigkeit besitze, den Spalt zu öffnen."

"Aber wie...?" Watari rang um Fassung. "Wie könnt Ihr... vor VIERHUNDERT JAHREN gelebt haben?! Ich meine..."

Der Kapitän lächelte bittersüß. "In den Ruinen der Stadt fanden sich alte Zauber, die das gesammelte Wissen einer antiken Kultur enthielten. Ich besitze einen Zaubertrank, der meinen Körper nicht altern lässt. Aber er macht unfruchtbar. Deshalb gebe ich ihn nicht an die Kolonie aus. Und er geht zur Neige." Der hochgewachsene Mann sah Watari an, und unter dem direkten Blick wurde diesem wieder mulmig zumute. "Die Zutaten auf deiner Liste benötige ich für die Herstellung weiterer Substanz."

Watari schluckte, rieb sich die Stirn, dann das Gesicht. Wie lange wollte das noch so weitergehen? Schlimmer konnte es doch eigentlich gar nicht mehr kommen. Das hier war der Gipfel der Kuriosität!

"Das hattet Ihr auch geplant, nicht wahr?" fragte er erschöpft. Als der Imperator nichts erwiderte, ließ Watari die Hände sinken und sah ihn an.

"Noch Fragen?" wollte sein Gegenüber wissen.

Watari atmete ein paar Mal tief durch und wischte über seine Augen.

"Ja", murmelte er, dann zwang er sich dazu, sich seine Unsicherheit nicht merken zu lassen. "Ja. Wenn Ihr nur die Zutaten braucht, warum... warum erzählt Ihr mir dann das alles?"

Der Imperator lächelte und Schauer durchrannen Watari wieder. Jede Wette, dass da Magie im Spiel war!

"Diese Frage werde ich zuletzt beantworten." Sein Blick senkte sich in Watari hinein und ließ dessen Herz schneller schlagen. "Dann erfährst du auch meinen Namen."

Der Blick, das Lächeln, die leise geheimnisvolle Stimme... Watari wandte sich ruckartig ab und starrte auf die Bucht. Verflixte Zauberei! Wäre er in Magie nicht so eine Niete, hätte er sich gegen solche Beeinflussungen wehren können, aber so... Hätte ich damals nur den Protector Personae gekauft! dachte er. Aber das nützte ihm jetzt auch nichts mehr. Eine peinliche Stille entstand. Watari betrachtete die Schiffe und er war erleichtert, als ihm seine Frage von vorhin wieder einfiel:

"Weshalb ankern so viele Hochseeschiffe in diesem Binnengewässer?"

Der Imperator lächelte, amüsiert über den betont sachlichen Ton, mit dem der andere sprach. Noch wich er der Konfrontation aus, aber nicht mehr lange... Er hob die rechte Hand und etwas wie ein randloser Spiegel erschien darin. Er reflektierte das Sonnenlicht und schickte kleine Blitze über die Bucht. Ein Galeere erwiderte das Signal.

"Sieh hin."

Watari erkannte das Schiff und folgte im mit den Augen. Es steuerte auf das westliche Ende des langen Sees zu, wo nur eine Landbrücke das Gewässer vom Meer trennte. Entgegen seiner Erwartung verringerte es nicht seine Geschwindigkeit.

"Sie wird auf Grund laufen, wenn sie so weitersteuern."

Das Lächeln des Imperators verbreiterte sich.

"Gleich... gleich hängen sie! Was tun sie da? Wollen sie etwa...?"

Weiter kam er nicht. Halb hatte er erwartet, dass die Galeere stecken bleiben würde, halb, dass sie - von magischen Schwingen getragen - über den Landstreifen hinwegfliegen würde. Doch nichts davon geschah. Mit vollen Segeln und schäumendem Bugspriet passierte sie die Uferlinie und fuhr durch die Erde und die Hafengebäude wie durch Wasser.

Watari war sprachlos.

Das Bild der Landschaft um das Schiff herum kräuselte sich wie Kielwasser und am Heck des Schiffes schäumte es. Ohne jegliche Erschütterung erreichte die Galeere das offene Meer und begann mit dem Manövrieren. Anscheinend testete der Pilot das reparierte Schiff...

Watari starrte auf den Landstrich. Er lag genauso friedlich in der Sonne wie zuvor. Keines der Gebäude war zerstört, keine Furche oder ähnliches war zu sehen.

"W-wie habt Ihr das gemacht?" stotterte Watari.

Der Imperator kicherte. "Das ist die Magie der Insel. Weder das Schiff noch der Untergrund sind betroffen, solange der Rumpf in Bewegung ist. Ankert das Schiff, "fällt" es."

Watari betrachtete noch immer staunend die Szenerie. "Woher habt Ihr das..." Er stockte, als ihm etwas einfiel. "Auch aus den alten Zaubern?"

"Du bist intelligenter, als man meinen mag", kommentierte der Imperator.

Zum wiederholten Male fühlte sich Käptn Yutaka in seinem Stolz verletzt. "Wofür hattet Ihr mich denn gehalten?" kam prompt die Gegenfrage. Das Risiko, das er damit einging, war ihm inzwischen schon fast egal. Was auch immer dieser Kerl ihm noch unglaubliches erzählen mochte, er glaubte nicht, dass es ihn noch schrecken konnte.

Er irrte sich.

Der hochgewachsene Mann kam auf Watari zu, bis ihre Hände auf der Mauer sich fast berührten. Wieder von dem Blick gefangen, war er unfähig, auch nur einen Finger zu rühren.

"Mein Name ist Muraki Kazutaka. Und ich halte dich für das, was ich erwartet hatte." Sein Gesicht kam näher. "Ich lebe seit fast vierhundert Jahren hier. Alle, die ich draußen in der Realität kannte, sind längst tot. Ich habe die Verbindung zur Zeit verloren. Und ich halte dich für denjenigen, der sie für mich wiederherzustellen vermag." Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. "Nein. Ich bin mir sicher."

"I-ich...?" stammelte Watari. "Aber w-wieso... wieso ausgerechnet ich...?"

Muraki schob sich langsam hinter ihn.

"Dafür braucht es keine besonderen Vorraussetzungen. Ich weiß, dass du es bist."

Watari drehte sich mit und drückte sich gegen die Mauer. "Aber...! Aber ich weiß doch gar nicht, wie...! Wie soll ich denn...?"

"Du tust es bereits."

"Ich tue...?"

Wataris Herz klopfte und seine Wangen begannen zu glühen, als Murakis Gesicht sich dem seinen immer weiter näherte.

"Du wirst mein Gefährte sein", sagte Muraki mit seiner leisen geheimnisvollen Stimme. "Ich werde dir all deine Träume erfüllen. Deine verborgendsten Wünsche... Und du wirst mir dein Wissen aus der realen Welt geben. Gemeinsam werden wir in eine neue Zeit gehen."

Watari spürte den warmen Atem Murakis auf seinem Gesicht... Schauer durchliefen ihn, stärker als vorhin, sodass er regelrecht zu zittern begann. Seine Gedanken überschlugen sich und er fragte sich verzweifelt, ob er das zulassen konnte, was hier geschah... "Träume"... "verborgendste Wünsche"...

Murakis Lippen berührten die seinen, und er konnte nichts dagegen tun. Die Berührung war warm, und die Wärme breitete sich sofort in Wataris Körper aus. Das war ein Gefühl wie... Man steht auf einem Schiff, dem eigenen Schiff, man hat es selbst gebaut, und steuert eigenhändig auf die offene See hinaus...

Muraki teilte Wataris Lippen, und dieser spürte, wie die Wärme in ihm sich in Hitze verwandelte, wie ein Sturm ein Schiff erfasst. Es schwindelte ihn, als die starken Arme des Imperators sich um ihn legten, als dessen Finger seinen Hals streichelten, sich in seinen Nacken tasteten und sich dort in seinem Haar vergruben...

Wataris Atem ging schneller. Muraki drückte ihn an sich, bog ihn zurück, und die plötzliche Angst vor einem Sturz über die Mauer in die Tiefe durchzuckte Watari. Er riss sich los, keuchte und klammerte sich an dem Imperator fest. Im gleichen Augenblick wurden ihm seine Beinkleider plötzlich zu eng. Murakis Hüfte befand sich in seinem Schritt... Der Imperator legte ihn auf die Mauer, beugte sich über ihn und begann seinen Hals zu liebkosen, während Wataris Kopf über dem Abgrund hing. Dieser stöhnte und vergrub seine Finger in dem glatten Stoff von Murakis Mantel...

Muraki hielt plötzlich inne und lächelte diabolisch. Dann riss er Watari ruckartig von sich los und trat zwei Schritte zurück.

Kapitel 4
 

Shuichi hockte auf einer Brüstung, ließ die Beine über die Mauer baumeln und betrachtete den weitläufigen Garten unter sich. Von denen gab es viele hier in der Festung.

"Kuck nicht immer so", hatte sein Pfleger zu ihm gesagt. "Warum kuckst du mich dauernd so an?" Shuichi hatte sich ihm in den Weg gestellt, als er das Zimmer verlassen wollte. "Wo ist Watari!?" hatte er gefragt. Und dann... dann war die Tür in seinem Rücken... der Fremde beugte sich zu ihm hinunter... verschloss seine Lippen mit den seinen...

Shuichi errötete, schüttelte den Kopf und rieb sich mit den Handgelenken heftig über die Schläfen. Was war er doch für ein Idiot! Hätte er nur den Mund gehalten! Dann würde ihm das jetzt nicht dauernd durch den Kopf gehen...! Er kannte ja noch nicht einmal den Namen von diesem Kerl!

Irgendwo in der Burg sang jemand ein Lied. Die Melodie schwebte zu Shuichi herüber und er summte leise mit, ohne sich dessen bewusst zu sein. Er kannte das Lied gar nicht, aber es nahm ihn einfach mit, trug ihn über den Garten bis auf das Meer hinaus, fort von seinen im Kreis laufenden Gedanken.

Das Meer... davon hatte er schon immer geträumt! Einmal zur See fahren, Abenteuer erleben und mit Schätzen beladen nach Hause kommen. Dann müssten Hiro und er nicht ständig am Hungertuch nagen.

"Laaaalalaalalaa...nihoooo... laaaalalaalalaa...!"

Die Melodie kam um die Ecke und nahm die Gestalt eines menschlichen Wesens an, welches fröhlich über das Pflaster schlenderte. Shuichi betrachtete den Mann neugierig. Er trug eine lange erdfarbene Robe, die nur lässig mit einem Band von gleicher Farbe um die Hüfte festgebunden war. Er hatte haselbraune Haare, und seine Stimme, fand Shuichi, war wunderschön.

Urplötzlich hielt der ausgelassene Sänger inne und starrte den Jungen mit unverhohlener Neugier an. Shuichi war zu überrascht, um an gute Manieren zu denken. Als es ihm wieder einfiel, stand er hastig auf und verbeugte sich.

"Ich bitte um Verzeihung!! Mein Name ist Shuichi Shindou! Ihr habt wunderschön gesungen! Könnt Ihr mir sagen, wie das Lied heißt?" sprudelte es aus ihm hervor. Als er langsam den Kopf hob, sah er den Mann mit ernstem und leicht pikiertem Ausdruck auf sich zukommen. Ein Schweißtropfen lief ihm in die Stirn. Der Fremde blieb neben ihm stehen, dann lachte er auf einmal breit.

"Hehe! Das Lied heißt: Ich bin Ryuichi Sakuma, und ich hab dich hier noch nie gesehn!" Er grinste. "Gefällts dir?"

"Eh... ja! Sehr... erfreut... Ich singe auch gern! Aber so wie Ihr...! Meint Ihr, ich kann das lernen?"

"Nein."

Ryuichi verschränkte die Arme und lehnte sich über die Brüstung.

"Oh...", Shuichi ließ enttäuscht den Kopf hängen.

"Hmmmmmm... hmhmmhmhmhmhmhmhmmmm...", summte der merkwürdige Mann. Auf einmal wandte er sich ruckartig Shuichi zu und der Junge blickte in kobaltblaue Augen, die vor Lebensfreude nur so sprühten. "Ich habe es auch nie gelernt. Ich tu es einfach." Er lächelte. "Probiers doch mal!"

Shuichi blinzelte ungläubig, dann musste er grinsen und fing an zu singen...

Nach einer Weile stimmte Ryuichi mit ein und sie landeten bei einem alten Volkslied mit sinnlosem Text. Kurze Zeit später ging das ganze in Gelächter über und Ryuichi klatsche begeistert in die Hände. "Du musst unbedingt mal in den Dom kommen...!"

Weiter kam er nicht, denn auch jemand anderes applaudierte. Er drehte sich um und erblickte den schlanken blonden Mann, der sich näherte.

"Tohma!!" rief Ryuichi und fiel dem anderen um den Hals. "Tohma! Tohma! Tohma! Sieh mal, Kumagoro, Tohma ist wieder da!" Der euphorische Sänger zog einen rosaroten Stoffhasen aus seiner Kutte und hielt ihn vor sein Gesicht. Dann verdüsterte sich seine Miene und der Arm des Hasen hob sich. "Kumagoro ist sauer auf Tohma, weil er so lang lang weg war und sich nicht gemeldet hat. Kumagoro wusste gar nicht, dass Tohma wieder da ist!" Der Hase wedelte mit dem Arm auf und ab.

Shuichi klappte die Kinnlade herunter. Dann schüttelte er den Kopf, rieb sich die Augen und vergewisserte sich, dass er auch richtig sah.

Der Blonde lächelte vergnügt und verbeugte sich leicht. "Es tut mir leid. Es war der Wille meines Vaters, dass ich mitfahre."

Der Kopf des Hasen knickte ein. "Kumagoro hat Tohma seeeeeeeehr sehr vermisst!" Ryuichi schniefte.

"Ja, ich auch", erwiderte der Blonde.

"Was macht vermisster Tohma jetzt?"

"Ich bin auf dem Weg zur Ratssitzung."

Ryuichi platzierte Kumagoro auf seinem Kopf, verschränkte die Arme und kuckte gespielt ernst. "Heute?"

"Ja, eine außerordentliche Versammlung. Dieses Jahr ist Neumond in der Mittsommernacht, und die Britische Flotte macht Jagd auf uns." Tohma warf Shuichi einen Blick zu. "Ist das ein neuer Schüler?"

Ryuichi lächelte bedeutungsschwer. "Jep, ganz recht. Ich hab ihn extra bei Mura bestellt. Hätte ja nicht gedacht, dass ihr so schnell zurückkommt. Ihr habt ihn doch mitgebracht, oder?"

"Ja, er war auf dem Schiff. Das wird auch Thema der Versammlung sein."

"Ich komme mit!"

"Das könnte unter Umständen...",

"Wiedersehn, Shuichi! Komm mal im Dom vorbei, dann zeig ich dir was!" Ryuichi winkte, zog Tohma mit sich fort und ließ den völlig perplexen Shuichi an der Brüstung stehen.

Er war also Schüler bei Ryuichi Sakuma, dem wahrscheinlich begnadetsten Sänger aller Zeiten... Moment, der war doch schon seit über 300 Jahren tot...! Vielleicht, überlegte Shuichi, war das sein Urururenkel... aber wieso sah er dann aus wie ein Mönch und hatte ihn in den DOM eingeladen?! Shuichi fuhr sich verwirrt durch die wuscheligen Haare. Wo waren sie da nur hingeraten...!
 

"Schon wieder dieser Lärm!" brummelte Tatsumi genervt und stand auf, um das Fenster zu schließen.

"Damit macht Ihr Euch unbeliebt." Der mürrische blonde Mann nahm die Pfeife in den Mund, sog daran und blies eine Rauchwolke in die Runde. Alle Passagiere des Schiffs außer Watari saßen am Tisch und verarbeiteten noch die unfassbare Geschichte, die der Mann ihnen gerade eröffnet hatte. Ohne mit der Wimper zu zucken hatte er ihnen von dem Spalt erzählt, von der Geschichte der Kolonie und von der Bedeutung ihrer Ankunft im Hinblick auf den Unsterblichkeitstrank.

"Bei Euch kann ich wohl kaum noch unbeliebter werden, als ich schon bin", gab Tatsumi hochnäsig zurück.

Der Mann lächelte zynisch. "Ihr macht Euch bei allen unbeliebt. Musik ist Religion. Sie ist heilig." Er stand auf und ging zur Tür.

"He, wartet!" Tatsumi stand auf. "Ich habe noch einige Fragen an Euch...!"

Bumm! Die Tür schlug zu.

"Was für ein unfreundlicher Kerl", bemerkte Lady Elizabeth spitz. Niemand entgegnete etwas. Keiner hatte eine Idee, was sie jetzt unternehmen sollten. Shuichi steckte die Hände in die Taschen und seufzte . Wenn Musik Religion war... dann war Herr Sakuma vielleicht tatsächlich Priester. Shuichi schüttelte energisch den Kopf. Allein die Vorstellung...! Aber gut, hier schien ja sowieso nichts mit rechten Dingen zuzugehen, nach allem was ihnen sein Krankenpfleger gerade erzählt hatte.

"Wo steckt nur Käptn Watari?" klagte er schließlich. "Er hätte bestimmt eine Idee, wie wir hier rauskommen!"

"Was er wohl mit der Religion gemeint hat...?" murmelte die Lady.

Herr Konoe schlug mit der Faust auf den Tisch und erhob sich. "Ich werde mich bei den Verantwortlichen beschweren! Während wir hier festsitzen, treibt dieser verdammte *"§&'+%&X$~\ß% mein Geschäft in den Ruin!"

"Ihr hättet mich als Euren Stellvertreter zurücklassen sollen, Chef", meinte Tatsumi. Konoe schüttelte energisch den Kopf. "Um mich diesem windigen Umtreiber anzuvertrauen?! Ha!"

"Meister Tsusuki", Hiro wandte sich an den Magier, "habt Ihr vielleicht eine Idee, wie wir hier raus kommen?" Tsusuki verschränkte die Arme und seine violetten Augen starrten konzentriert auf die Tischplatte. "Ich vermute, dass der Spalt kontrolliert wird. Wenn wir die Kontrolle erlangen würden... allerdings weiß ich nicht, ob ich diesen Durchgang steuern könnte. Für solche Projekte braucht es vermutlich größere Fähigkeiten als meine."

Hiros Blick wanderte kurz zu Hisoka, der wiederum K beobachtete.

"So setzt Euch doch endlich, K", bat Lady Elizabeth. "Ihr lauft schon den ganzen Tag durch die Gegend, als hättet Ihr zuviel Kaffee getrunken." Der Krieger blieb stehen und sah die Frau an. Die angespannten Gesichtszüge wurden weicher, der nervöse Blick ging auf einmal in eine unbekannte Ferne und wurde beinahe träumerisch. Dann drehte sich K auf dem Absatz um und verließ den Raum. Er hatte eine Idee... und er würde handeln.

Hisokas Augen verengten sich. Nach einer Weile stand er auf und folgte der mentalen Spur, die K hinterlassen hatte. Es war leicht, ihm nachzugehen; so kräftige Entschlossenheit und Zuversicht sprangen einem förmlich ins Auge...

Kapitel 5
 

Muraki besah sich mit anzüglichem Lächeln, wie sein neuer zukünftiger Gefährte erschrocken und verständnislos dreinblickte und sich schwer atmend aufrichtete. Allein dieser Anblick... die von der Hitze gefärbten Wangen und der trübe, verwirrte Blick...

"Wah...?" Watari blieb auf der Mauer sitzen und presste sich die Faust auf den Unterleib. Muraki wusste, dass er ihn in der Hand hatte.

"Du hast die Wahl", sagte er mit leiser, aber schneidender Stimme. Watari war von der Mauer gerutscht, stützte sich mit einer Hand ab und starrte seinen Gegenüber ungläubig an. "Entweder du bleibst hier, oder ich schicke dich und deine Freunde aus meinem Reich. Da ihr allerdings unser Geheimnis nun kennt, bleibt mir nichts anderes übrig, als euch anschließend zu töten."

Watari starrte in die kalten grauen Augen seines Gegenübers. "Du...", er stieß sich von der Mauer ab, "...du Mistkerl!!"

Muraki lachte bösartig, die Hand auf sein Amulett gelegt. Watari holte aus, doch seine Faust traf ins Leere und er fiel auf die Treppe. Sofort rappelte er sich wieder auf, doch der Imperator war verschwunden. Nur das Echo seines grausamen Lachens lag noch in der Luft. "Du Hurensohn!!" brüllte Watari und fuhr zornig herum, doch nirgends war eine Spur des Piraten zu sehen.

Wütend eilte Watari in das Zimmer zurück. Die Tür war nicht mehr verschlossen. Schade, denn er hätte sie jetzt gern eingetreten. Stattdessen riss er sie auf und eilte einen langen Galeriegang entlang, von dem aus man den Garten sehen konnte. Der Kapitän warf dem Panorama und besonders der Mauer giftige Blicke zu, dann wandte er sich ab. Seine Augen sprühten Funken, so zornig war er. Zum Glück begegneten ihm nur wenige Menschen, Bedienstete, die sich bei seinem Anblick hastig zurückzogen. Die schwarze Kleidung und sein schrecklicher Blick verscheuchten alle.

Das machte Watari nur noch wütender. Er fühlte sich schrecklich gedemütigt, und er war krank vor Sorge um seine Freunde. Dieser Bastard von Pirat benutzte seine Verbundenheit zur Mannschaft, um ihn gefügig zu machen. Watari hieb nach einer Glasvase, die auf einem Podest an der Wand stand. Sie fiel auf den Marmorboden und zersprang mit einem lauten Knall in tausend winzige Scherben. Am liebsten hätte Watari seine Kleider in ebensolche Stücke zerlegt. Wenn ihm jetzt einer seiner Freunde begegnete, womöglich noch Shuichi, wenn dieser ihn begrüßte und ihm um den Hals fiel...!

Watari ballte die Hände zu Fäusten und raue Schluchzer brachen aus ihm hervor. "Verfluchter Dreckskerl...!" Er schlug gegen die Marmorwand, und der Schmerz dämpfte seine Wut ein wenig. Auf einmal hörte er durch den Nebel seiner Wut eine Stimme.

Er sah auf.

Am andren Ende des Säulenganges, in dem er inzwischen gelandet war, stand eine Gestalt. Sie bewegte sich sorglos hin und her, wie im Tanz, und sang ein Lied dabei.

Watari sah sich um. Dieser Jemand musste ihn gehört haben. Und trotzdem machte er keine Anstalten, davonzulaufen, sondern lief stattdessen singend durch die Gegend. Vorsichtig, um den Fremden nicht zu vertreiben, tat Watari einen Schritt nach vorn. Wenn er doch nur andere Kleider hätte...!

Die Scherben unter seinen Füßen knirschten und das Lied des Fremden brach ab. Watari seufzte, von neuem Zorn erfüllt, wandte den Kopf ab und blickte finster auf die weiße Wand neben sich. Auf einmal hörte er, wie sich rasche Schritte näherten. Er sah auf und erkannte einen jungen Mann, in eine braune Kutte gekleidet, der auf ihn zugerannt kam. Aus Furcht, der Fremde könnte ihn ansprechen und damit sein Leben verlieren, wich Watari zurück. Doch der junge Mann blieb, als er den Scherbenhaufen erreichte, plötzlich stehen. Dann ging er in die Hocke und begann aus den bunten Scherben Muster zu legen, wie ein kleines Kind.

Aufs äußerste verwundert sah Watari zu. Sein erster Gedanke war, dass dieser Mann nicht ganz richtig im Kopf war. Dann aber nahmen die Scherbenmuster Formen an und dehnten sich in immer größeren Kreisen aus, die einander kaleidoskopartig überlagerten. Es sah sehr schön aus. Der Fremde begann wieder leise zu summen, eine einfache Melodie, die Watari an ein Kinderlied aus seiner Heimat (Holland^^) erinnerte. Die Musik erfüllte ihn mit Wärme und ohne es bewusst zu wollen summte er mit.

Als keine Scherben mehr übrig waren, erhob sich der Fremde und sah Watari direkt an. Seine Augen waren tiefblau, und sein Lächeln ließ die Reste von Wataris Wut vergehen wie eine Seifenblase im frischen Wind. Der Fremde breitete die Arme aus und betrachtete sein Muster. Dann schloss er die Augen, als wollte er es sich ganz fest einprägen.

"Kumagoro findet auch, dass es sehr sehr hübsch ist", sagte er und sah gleichzeitig erstaunt auf. Daraufhin zog er einen rosa Stoffhasen aus seiner Robe und sah ihn an.

"Meinst du wirklich, Kumagoro?" fragte er das Spielzeug.

Watari blinzelte verwirrt.

Der Hase wurde einmal herumgedreht und es sah so aus, als betrachte er das Kunstwerk kritisch. Dann bewegte er den Kopf auf und ab und drehte sich zu Watari. "Kumagoro findet es toll, aber irgendwas ist daran ganz und gar nicht richtig."

Der junge Mann lächelte tiefsinnig. "Kein Muster ist perfekt", erwiderte er leise.

"Und wenn nun jemand kommt und es kaputt macht?" fragte Kumagoro besorgt.

"Nichts ist für ewig, alles verändert sich. Und wenn jemand kommt und das Bild neu macht, dann mag es für ihn schön oder hässlich sein, je nachdem wie er es betrachten will."

Der stahlblaue Blick senkte sich tief in Wataris Augen. Er spürte ein Kribbeln, das auf Magie hindeutete, aber sie richtete sich nicht auf ihn. Sie war einfach da, umgab den geheimnisvollen Fremden wie eine kaum wahrnehmbare Ansammlung von Licht... und von einer Sekunde auf die andere war der junge Mann verschwunden.
 

Tohma ging allein zum Sitzungssaal, nachdem Ryuichi plötzlich noch etwas dringendes zu erledigen gehabt hatte. Mit schnellen, aber immer noch gemessenen Schritten bog er um die Ecke und ein Lächeln flog über sein Gesicht. Er stieß mit Hisoka zusammen, wie erwartet.

"Oh, Verzeihung! Ich...", Der Junge setzte zu einer überraschten Verneigung an, doch er hielt inne, als er Tohmas Gesicht erkannte. Verschiedene Gefühle rangen unter der Oberfläche seines Gesichtsausdrucks miteinander. Schließlich gewann seine übliche mürrische Schüchternheit wieder die Oberhand. Tohma lächelte. Das war typisch für dieses Alter. Der junge Geist befand sich auf einer Gratwanderung und suchte nach Orientierung in sich selbst und in der Welt. Tohma kannte das sehr gut, er beschäftigte sich seit gut 350 Jahren mit jungen Menschen wie Hisoka. Es war eine bittere Ironie, dass sie immer nach Grenzen strebten, nur um sie mit etwas zu durchbrechen, das sowohl kindlicher Trotz als auch aufbegehrender Individualismus sein konnte. Es erforderte viel Konzentration und Geduld, sich nicht in die unruhigen Fahrwasser dieser jungen Menschen mit hineinziehen zu lassen.

"Oh, bitte, keine Umstände." Tohma lächelte freundlich und verneigte sich leicht.

"...Nein, mein Herr, es war meine Schuld! Ich hätte..." Tohma blieb still und wartete, dass Hisoka seinen Satz zu Ende bringen würde. Dieser schluckte und seine Miene wurde verkniffen. Anscheinend ärgerte er sich über sich selbst. Tohma wartete geduldig.

"N-normalerweise bin ich vorsichtiger. Es tut mir leid." Hisoka verneigte sich tief.

"Hättest du um die Ecke sehen können?" fragte Tohma wie beiläufig. Der Atem des Jungen stockte und er sah seinen Gegenüber mit großen Augen an. "Manchen Schülern fällt es leichter, die Gegenwart anderer zu fühlen, anderen nicht. Deshalb meine Frage: Hättest du um die Ecke sehen können?" Tohma wusste mehr, als er vorgab zu wissen: Hisokas empathische Fähigkeiten stießen bei ihm zum ersten Mal auf wirkungsvolle geistige Barrieren, deshalb hatte ihn der Junge - der sich natürlich voll auf seine Begabung verließ - nicht kommen sehen.

"Woher... woher wisst Ihr...?"

Tohma lächelte fröhlich. "Du bist sehr klug. Und sicher strebst du nach mehr Wissen, als du bis jetzt besitzt." Er erkannte das Schweigen des Jungen als ein stummes Ja. "Es wäre mir eine große Freude, deine empathischen Fähigkeiten weiter auszubilden, wenn du gestattest."

Daran schluckte der Junge schwer. So leicht durchschaut zu werden war er nicht gewohnt. Tohma dachte an den letzten Empathen zurück, den er unterrichtet hatte: sein jüngerer Bruder... Seit dieser Zeit hatte es auf Atlantis keinen Magier mit einer solchen Begabung mehr gegeben.

Eine seltsame Mischung aus Freude über diese Entdeckung und Zurückhaltung wegen seinem Bruder zog über Tohma hinweg. Mit der Ankunft dieses Schiffes war etwas in Bewegung geraten... der Imperator hatte recht behalten.

"Seid Ihr...?" fragte Hisoka. Sein Gegenüber verneigte sich noch einmal.

"Mein Name ist Tohma Seguchi. Ich bin der Präsident der Akademie der Zauberer auf Atlantis. Wir können jemandem mit deiner Begabung sehr weit bringen." Sein Blick wurde direkter und unterstrich die Ernsthaftigkeit seiner Worte. "Vorausgesetzt du wirst mein Schüler."

"A... oh...", stotterte Hisoka "a-aber i-ich habe bereits einen Meister... mein Herr... Verzeihung..."

"Ich bezweifle, ob jemand von Tsusukis Rang ausreichend auf dein Talent eingehen kann."

Hisoka hob den Kopf. "Meister Tsusuki ist ein hervorragender Lehrer und ein guter Mensch."

"Das ist er, auf seinem Gebiet. Was deine Begabung betrifft, so solltest du darüber nachdenken, ob du sie weiterhin so blindlings verwenden willst. Tsusuki wird dir in dieser Sache nicht weiterhelfen können."

Hisokas Ausdruck wurde skeptisch. "Wie könnt Ihr das so genau wissen? Habt Ihr mit ihm gesprochen?"

"Sein Geist ist ein offenes Buch. Er hat nicht einmal den Ansatz zu einer Begabung wie deiner." Tohma kam auf Hisoka zu und legte ihm die Hand, die in einem dunkelgrauen Handschuh steckte, auf die Schulter. Der Junge erschauerte ganz leicht und machte einen zaghaften Versuch, zurückzuweichen. "Du solltest gut darüber nachdenken", meinte Tohma, "gut und allein. Ich habe nichts gegen deinen Meister, aber wenn du dich entwickeln willst, dann solltest du ihn verlassen."

Er entließ Hisoka aus seiner Berührung und zeigte sein Lächeln von fröhlicher Unschuld. "Es hat mich sehr gefreut, dass wir uns kennen gelernt haben. Leider muss ich jetzt gehen. Auf Wiedersehen."

Er ließ Hisoka auf dem weiten hallenden Gang zurück und begab sich in den großen Konferenzsaal.

Der Junge legte die Hand auf die Stelle an seiner Schulter, wo Tohma ihn berührt hatte. Ein Gefühl wie wärmende Sonnenstrahlen breitete sich von dort aus in ihm aus und zerstreute sein Misstrauen. Er beschloss, mit Tsusuki darüber zu sprechen, denn K's Spur hatte er jetzt ohnehin verloren.

Eben wollte er um jene Ecke biegen, an der Tohma ihn aufgehalten hatte, doch eine plötzliche Kälte hielt ihn davon ab. Er blieb stehen. Dann wich er zurück. Schritte näherten sich und Angst vertrieb das schöne Gefühl, das Tohma ihm geschenkt hatte. Er fröstelte und wich noch weiter zurück, bis er eine Säule im Rücken spürte und einen erschreckten Laut von sich gab. In diesem Moment bog ein weiß gekleideter Mann um die Ecke. Als sein Blick Hisoka erfasste, überrollte diesen eine Welle von schrecklichen Gefühlen. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er eine so schwarze Seele gesehen. Unfähig sich zu rühren musste er zusehen, wie der Mann - anscheinend eine hochgestellte Persönlichkeit - immer weiter auf ihn zukam.

Als er vor dem Jungen stand, lächelte Muraki. Eine kleine Weile betrachtete er das verängstigte Gesicht und schien sich an der Wirkung zu freuen, die er auf Hisoka hatte. Doch dann wandte er sich abrupt ab und ging in die gleiche Richtung wie Tohma Seguchi.

Hisoka rutschte an der Wand hinunter und presste die Hände vor den Mund. So fand ihn später Tsusuki, der sich - in Sorge um seinen Schüler - auf die Suche nach dem Jungen gemacht hatte. Doch so sehr er ihn auch bat, Hisoka mochte nicht erzählen, was vorgefallen war...



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Kommentare zu dieser Fanfic (8)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2005-09-24T11:44:54+00:00 24.09.2005 13:44
DAS IST JA SOOOOOO COOL! du musst unbedingt ganz schnell weiter schreiben. BITTE! BITTE!BITTE! *hoff*
*knull* (^-^)/
Von:  Khay
2005-09-21T15:36:28+00:00 21.09.2005 17:36
Machst du noch weita??*hofft*
wieda total cute!!
Von:  Khay
2005-09-21T15:27:30+00:00 21.09.2005 17:27
Cute!!^^

Übrigens erinnert mich diese Kolonie irgendwie
an einne Elbenstadt...^^°
Von:  Khay
2005-09-17T07:39:26+00:00 17.09.2005 09:39
Cute!!><
Besonders der MurakixWatari Teil am Schluss war schön!
^^
Von:  Khay
2005-09-07T14:12:05+00:00 07.09.2005 16:12
Suuuuper schön!!
Echt toll!!^^
Von:  Khay
2005-09-03T15:28:52+00:00 03.09.2005 17:28
Njo!!!^^
Sin die alle sweet!Besonders K is cool! Un watari^^
Nur Shuichi is doof*ihn nich leiden kann*
Supi story!!
weita!!!!!><
Von:  Myst
2005-05-26T21:18:38+00:00 26.05.2005 23:18
OO
*ggg* absolut toll. Es ist einfach witzig die verschiedenen Karakteren alle unter einem Dach zu haben XD
und du bringst sie einfach perfekt rüber XD *wechlol*

aber....eines versteh ich immer noch nicht *obwohl ich bei der "Autorenlesung" alle meine Fragen beantwortet bekomme*
WARUM ist Hajime VERLOBT??? WIE KANNST DU MIR DAS!!! ANTUN?

übrigens: scheint durch den Spalt die Sonne oder ham se da ne eigene?
Von: abgemeldet
2005-05-22T19:37:46+00:00 22.05.2005 21:37
Schreib weiter. Ich brauch Stoff... *bettel*
^^
Spaß beiseite =P
Ich find bis jetzt ist Fanfic spitzenstark geworden.
Mach weiter so und ich mal dir doch noch ein paar Bilder ^^
*schon fleisig für die fanfic malt*

Am schönsten find ich, wie man sich diese "andere Welt" vorstelllen muss. ^^

*knuddel*
Mana-chan


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