In einer kleinen Stadt
Teil 1 In einer kleinen Stadt
>>>Es waren mal zwei Brüder<<<
Es war einmal vor langer Zeit in einer kleinen Stadt da lebte ein Geschwisterpaar. Obgleich sie Vater und Mutter früh verloren hatten und sie sehr vermissten, führten sie doch ein glückliches Leben.
Die zwei Brüder lebten gemeinsam mit ihrer Großmutter in einem kleinen Häuschen mit einem kleinen Garten, der ihrer lieben Mutter gehört hatte. Er stand voll mit Kirschbäumen und Rosen und so schien er im Frühling rosa und weiß durch die wunderschönen Kirschblüten. Im Sommer aber war rot, durch die reifen Früchte und die roten Rosen, die ihren sanften Duft verteilten und die ihre Mutter immer sehr geliebt hatte.
Und wenn die beiden Jungen sie vermissten, dann gingen sie in den Garten und die schönen Pflanzen und die Sonne erhellten ihre Gedanken.
Der Ältere von ihnen hatte rabenschwarzes glänzendes Haar, wie das seiner Mutter, er war stark und geschickt mit den Händen. Er konnte alles reparieren was im Haus kaputt gegangen war und half auch den Leuten in der kleinen Stadt.
Der Jüngere von ihnen war schmächtiger als sein Bruder und hatte helles Haar. Er war klug und imstande jedes Rätsel zu lösen.
Und weil ihre Eltern sie sehr geliebt hatten, hatten sie ihnen ähnlich klingende Namen gegeben, wie sie eben nur Brüder haben können. Der Ältere hieß Kei der jüngere Bruder Kai. Damit die Leute sie aber auseinander halten konnten, riefen sie den größeren Bruder beim Mädchennamen der Mutter, Enjouji, weil sein Haar die gleiche Farbe hatte wie ihres. Ihn störte es nicht, und so waren beide in der kleinen Stadt bekannt und beliebt. Sie halfen ihrer Großmutter im Haus und wanderten oft stundenlang im Dorf umher, und wenn sie nichts zu tun wussten, lagen sie müßig im Garten und genossen den Duft der Blumen. Obwohl sie auch manchmal stritten, wie Brüder das eben so tun, liebten sie einander sehr und hielten es doch nicht allzu lange ohneeinander aus.
So verstrichen die Jahre und ihre Kindheit flog in Windeseile, weil die Zeit so glücklich war. Und kaum das sich die Jungen versahen, waren aus ihnen schon fast junge Männer geworden, doch blieben sie bei der alten Frau. Denn ans Heiraten mochten beide nur mit großem Grausen denken.
Eines kalten Winterabends, der Schnee fiel draußen und es war bitterkalt, da saßen sie zusammen mit ihrer Großmutter vor dem Kamin und lauschten, gespannt wie die Kinder, einer ihrer Geschichten.
Es war die Geschichte der Schneekönigin. Einer mächtigen Zauberin, die schöner war als jede Blume, doch so kalt wie der Winter, mit einem Herz aus Eis.
Sie konnte, so erzählte die Großmutter, mit einem großen Schneesturm in die Stadt kommen und manchmal sah sie durch die Fenster hinein.
Da lachte Kai. "Sie soll nur kommen! Das Weibstück setzt ich auf den Ofen, das ihr gehörig warm am Hintern wird." Die Großmutter tadelte den frechen Jungen und zog ihm ein Ohr lang, worauf Enjouji nun lachen musste.
Kai wurde wütend und - wie immer- stritten sie, wurden aber durch ein paar strafende Blicke ihrer Großmutter zu Ruhe gebracht.
Ein Stündchen später, oder zwei, saß Enjouji am Fenster und sah fasziniert dem Tanz der Schneeflocken zu. Ihre Großmutter war schon vor einer Weile nach oben zu Bett gegangen. Kai war irgendwann auf dem kleinen Sofa vor dem nur noch glimmenden Kamin eingeschlafen. Enjouji hatte seinen kleinen Bruder liebevoll schmunzelnd zugedeckt.
Doch nun, als er am Fenster saß, beobachtete er etwas Seltsames. Der dichte Schnee verwirbelte plötzlich zu einer mannshohen Windhose und als es sich draußen etwas beruhigte stand dort eine anmutige Gestalt. Enjouji rieb sich zunächst ungläubig über die Augen, sein Verstand hatte ihn zu dieser späten Stunde sicher einen Streich gespielt. Doch auch als er ein zweites Mal hinsah stand die Gestalt noch dort. Und diesmal konnte Enjouji seinen Blick nicht mehr abwenden. Dort draußen stand ein junger Mann. Er war schlank und hoch gewachsen, und seine Bewegungen waren so anmutig und filigran das es kein Mensch sein konnte. Er trug ein weißes Gewand und einen weißen Mantel darüber, überhaupt schien alles an ihm die Farbe des Schnees und des Eises zu haben. Enjoujis Herz klopfte laut, mochte diese Gestalt auch ein weißer Dämon sein, nie hatte er ein schöneres Wesen erblickt, und er fühlte eine große Sehnsucht nach diesem geheimnisvollen Fremden.
Plötzlich lächelte die Gestalt und sah dem jungen Mann direkt in die Augen. Enjouji war so erschrocken, dass er polternd vom Fenstersims fiel und seinen Bruder aufschreckte.
"Was ist denn passiert?!" fragte dieser besorgt. Enjouji saß auf dem Boden und starrte zum Fenster. "Ich bin von der Fensterbank gefallen.", meinte er abwesend. Kai unterdrückte eine spottende Antwort und folgte dem Blick seines Bruders. Doch das Wesen war verschwunden und so sah er nur das Schneetreiben.
Er ging hinüber und half ihm auf. "Du bist blass wie ein Bettlaken, was ist los? Hast du die Schneekönigin gesehen?", scherzte der Junge.
"Wohl ehr den Schneekönig.", murmelte sein Bruder, noch immer ganz verwirrt von dieser seltsamen Begegnung.
"Aaaahja!", machte Kai und schlussfolgerte das Einzige, was ihm in dieser Situation logisch erschien: Sein Bruder hatte nicht mehr alle Latten am Zaun!
"Komm du Schlafwandler, ich bring dich ins Bett." Der Kleine schob den Älteren, die Treppe hinauf, aber etwas verwunderte ihn sehr: Enjouji wehrte sich nicht dagegen.
>>>Brechende Herzensbande<<<
Am nächsten Morgen war der Himmel strahlend blau und die Sonne schien ohne durch ein einziges Wölkchen getrübt zu werden.
Die Brüder genossen die klare Luft und Enjouji erhoffte sich draußen etwas klarer über die letzte Nacht zu werden. Er streckte sich und blickte hinauf ins Himmelblau.
"Au!" rief er plötzlich und rieb sich sein linkes Auge.
Kai trat näher heran. "Was ist?"
Enjouji zögerte. "Ich dachte mir wäre etwas ins Auge geflogen, aber ich merke nichts mehr. Ich fühl mich nur plötzlich ganz eigenartig!"
"Du benimmst dich auch so.", entgegnete sein Bruder spitz.
Enjouji beugte sich nachdenklich über einen Rosenbusch ihrer Mutter. So schön die Blumen im Sommer auch waren, im Winter musste der Busch stark gestutzt werden und so bestand er nur aus ein paar kurzen Ästchen. Ebenso wie die anderen Rosenbüsche sah er doch etwas verloren aus.
Der ältere Bruder betrachtete die Pflanze noch immer, doch sein Blick war nun starr und kalt, ebenso wie seine Stimme. "Hast du jemals eine hässlichere Blume gesehen. Ein verkrüppeltes nutzloses Ding!" Er brach einige Äste mit bloßen Händen ab, ohne zu beachten, dass er sich an den Dornen verletzte. Dann trat er mit dem schweren Schuhwerk drauf um den Rosenbusch völlig zu ruinieren. Kai stand im ersten Moment fassungslos daneben, doch als sein Bruder die nächste Pflanze brechen wollte, besannte er sich und ging dazwischen. "Bist noch ganz dicht? Was soll denn das?", zischte er, als er seinen Bruder wegzog und sich zwischen ihn und die Rosen stellte.
"Was interessiert es dich?" Enjouji wischte sich genervt übers Kinn, sodass sein Bruder die Verletzungen bemerkte.
"Du blutest ja! Zeig her. Das müssen wir versorgen."
Aber Enjouji zog mit einem verächtlichen Blick seine Hand weg, als Kai sie ergreifen wollte, dieser sah ihn verständnislos an.
Enjouji funkelte ihn böse an. "Du nervtötendes, missratendes Balg! Ich kann ich dich nicht mehr sehen. Andauernd hängst du mir am Rockzipfel und flennst mir Ohren zu. Du ödest mich an!"
Kai wich schockiert vor ihm zurück. "W-Was?"
"Bist jetzt auch noch taub oder einfach nur dumm? Ich kann dich nicht länger ertragen. Dich und das altersschwache Weib. Diese ganze Stadt ist widerlich und hässlich, und du bist von allem die Krönung. Du widerst mich an! Genau wie dieser Unkrauthaufen hier!"
Kai konnte im ersten Moment gar nichts sagen. "Das ist der Garten unserer Mutter!", flüsterte er schließlich.
Enjouji lachte verächtlich. "Was kümmert mich das? Ist ohnehin besser, dass das Weib endlich tot..."
Noch bevor Enjouji den Satz beenden konnte, lag er im Schnee. Bei den letzten Worten hatte Kai verständlicherweise die Kontrolle verloren und seinem Bruder einen kräftigen Fausthieb verpasst. Er hatte ihm zum allerersten Mal geschlagen. Und nun starrte mit Tränen in den Augen und vor Wut bebender Stimme auf seinen Bruder herab. "Was ist nur in dich gefahren?! Bist von Sinnen, so über uns sprechen, so über Mutter zu sprechen? Hast völlig den Verstand verloren?!"
Enjouji rappelte sich auf und klopfte sich den Schnee ab. "Beachtlich! Das kleine, verheulte Miezekätzchen hat ausnahmsweise die Krallen ausgefahren." Kei lachte höhnisch, und ging dann an Kai vorbei.
"Wo willst du denn jetzt hin?", rief Kai. Der Junge wusste nicht, was er tun sollte.
"Völlig egal. Nur weg von dir!", sagte sein Bruder bedrohlich und stapfte ohne ein weiters Wort vom Grundstück hinaus ins freie Feld.
Kai stand einfach nur da. Nach einer Weile kniete er sich in den Schnee und betastete den gebrochenen Rosenbusch, der sich nie wieder erholen würde. Heiße Tränen tropften schließlich auf das todgeweihte Holz. Erst aus Wut und Unverständnis, dann aus Trauer und Verzweiflung. Er hatte seinen Bruder noch nie zuvor so gesehen. Sie hatten sich schon oft gestritten, aber immer nur aus Spaß. Heute fühlte sich Kai verletzt, nie hätte er geglaubt das Kei so über ihre Mutter dachte, oder dass sein Bruder ihn so hassen würde.
Nach endloslanger Zeit versiegten die Tränen und Kai beschloss seinen Bruder am Abend zur Rede zu stellen, wenn beide sich beruhigt hatten. Aber Enjouji sollte weder an jenem Abend noch an den folgenden wieder nach Haus kommen.
>>>Des Winter's Kind<<<
Enjouji wanderte weiter. Erst war er durch die Stadt gelaufen, in der reges Treiben geherrscht hatte. Ein paar Leute nutzen den schönen Tag für einen Winterspaziergang, die Kinder liefen Schlittschuh auf dem kleinen Teich, vor den Toren und ein Junge hatte seinen großen, treuherzigen Hund vor seinen Schlitten gespannt und ließ sich von ihm ziehen.
Doch der junge Mann hatte das alles nur mit Argwohn betrachtet und war weiter gezogen. Nichts von alledem, was ihm so vertraut war, wollte ihm so recht gefallen. Einzig die Schneeflocken, deren perfekte Geometrie man bei näherem hinsehen entdecken konnte, empfand er als schön. Aber er konnte sie nie lange betrachten, da sie stets anfingen zu schmelzen, wenn sie auf seine Hände fielen.
Nun war er weg von der Stadt auf die schneebedeckten Wiesen gelaufen, wo die weiße Pracht wie Zuckerguss auf der Landschaft lag. Die Sonne ließ den Schnee glitzern und Enjouji genoss den Anblick. Doch plötzlich zögerte er. Sollte das ein Traum sein?
Inmitten der unberührten Schneelandschaft stand ein weißer Schlitten mit vier Schimmeln in silbernem Geschirr. Doch Enjouji konnte weder Hufspuren noch die Fahrrinnen des Schlittens entdecken. Seine Verwunderung wuchs als er sah, wer der Herr dieses Fuhrwerkes war.
Es war die engelsgleiche Gestalt der letzten Nacht. Der wunderschöne, junge Mann sah lächelnd zu Enjouji hinüber und winkte ihn zu sich. Und ohne den Blick abzuwenden ging dieser verzaubert vom Antlitz der Gestalt zu ihm und ergriff die entgegen gestreckte Hand. Enjouji zuckte zusammen, die Hand war kalt.
Der Fremde strich ihm durch das schwarze Haar und sagte mit einer Stimme so sanft wie der fallende Schnee: "Ich habe auf dich gewartet."
Enjouji konnte seinen Blick nicht abwenden, er war noch immer fasziniert. "Wer bist du?"
Der Fremde lächelte noch immer. "Ich bin vieles...", sagte er unbestimmt. "... der Winter, der Herrscher über Schnee und Eis, der Gebieter des Nordwinds."
Mit diesen Worten rückte er näher an Enjouji heran, dieser drohte in den wunderschönen Augen zu ertrinken.
Der Fremde legte dem jungen Mann eine Hand auf die Wange, und obwohl Kei die Berührung genoss, fröstelte ihn.
Der Fremde flüsterte nur noch, so nah waren sie einander schon. "Dir ist kalt, nicht war?"
Zum antworten nicht mehr imstande, nickte er nur, ohne dabei seinen Blick von diesen Augen abzuwenden. Der Fremde kam noch näher und küsste Enjouji auf die Stirn. Mit einem Schlag spürte dieser die Kälte nicht mehr. Dann küsste ihn der Fremde so unglaublich sanft und süß auf die Lippen, dass er zu schweben glaubte. Er wollte dem Fremden noch näher sein, die Arme um ihn legen, doch er wagte es nicht.
Mit diesem Kuss jedoch vergaß Enjouji sein bisheriges Leben: die Stadt, den Garten und seinen Bruder Kai.
Der Fremde löste sich von ihm, doch ihre Lippen waren nur Zentimeter von einander entfernt. "Nun darf ich dich nicht mehr küssen,...", sagte der Fremde, "...sonst küsse ich dich tot. Sag mir Enjouji, willst du mit mir gehen?"
Kei war ihm längst mit Haut und Haar verfallen, er würde ihm überall hin folgen.
"Verrate mir deinen Namen.", bat er.
Der Fremde zog Enjouji sanft in den Schlitten und wickelte ihn und sich selbst in seinen weißen Mantel ein. Die Pferde liefen los und der Schlitten flog über Berge und Täler in Richtung Norden.
Der Schneekönig nahm seinen neuen Gefährten in die Arme und der Mantel schützte sie vor dem Fahrtwind. Dann flüsterte er in Enjoujis Ohr: "Mein Name lautet ... Ranmaru."
>>> Die große Aufgabe <<<
Kai war verzweifelt! Nachdem sein Bruder am Abend nicht zurückgekehrt war, hatte er begonnen ihn zu suchen. Die Stadtbewohner hatten ihm nicht weiterhelfen können. Einige hatten ihn zwar gesehen, doch sie hatten gedacht, er mache nur einen Spaziergang und keiner hatte mehr gewusst wohin Enjouji gelaufen war. Auch in der Umgebung hatte Kai nichts entdecken können, und die unbarmherzige Sonne hatte nur allzu rasch den Schnee und damit alle möglichen Fußspuren geschmolzen.
Kai baute merklich ab. Seit Tagen nicht geschlafen, zeichneten sich dunkle Ringe unter den Augen ab und die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben. Noch weigerte er sich zu glauben, dass er seinen Bruder für immer verloren hatte, doch schien dies immer wahrscheinlicher. Am späten Nachmittag des vierten Tages forderte sein Körper Tribut.
Nachdem ihn seine Großmutter verdonnert hatte, endlich etwas zu essen und sich ein wenig auszuruhen, war er eingeschlafen.
Nun fand er sich im Garten wieder. Die Kirschbäume und die Rosen standen in voller Blüte. Inmitten dieses Blütenmeers stand eine Frau in einem rosenroten Gewand das mit Kirschblüten bestickt war. Sakura, wie sie sie nannte, Hüter des Frühlings. Ihr langes, schwarzes Haar war mit einem Band aus dem gleichen Stoff locker zusammengebunden. Es umwehte ihre schöne Gestalt. "Mutter!", rief Kai und fiel ihr in die Arme. "Sag, träume ich oder bist du es wirklich?"
"Du träumst und doch bin ich echt!"
Sie nahm ihren Sohn bei der Hand und setzte sich mit ihm unter einen der Bäume.
Kai war aufgeregt und seine Stimme überschlug sich: "Kei ist verschwunden. Er ist einfach gegangen. Er war so ... anders!"
Sie nickte und strich ihrem Jüngsten sanft durchs Haar.
"Ich weiß was geschehen ist, deshalb bin ich hier ... Lass mich dir eine Geschichte erzählen, so wie früher."
Kai wollte protestieren, sie hatten jetzt keine Zeit für Märchen! Aber seine Mutter ließ sich nicht beirren und so hörte er zu.
"Einst, es war vor langer Zeit, da schufen die Teufel gemeinsam einen Spiegel. Dieser Spiegel hatte die Eigenschaft, das Gute einer Sache verschwindend klein erscheinen zu lassen. All das Schlechte aber erschien in ihm übergroß. Wenn ein Mensch in ihn hineinblickte, egal wie gutherzig er auch war, sah er hässlich und böse darin aus. Die Teufel und Dämonen machten sich einen Spaß daraus jeden Menschen der Welt in ihrem verwunschenen Glas erscheinen zu lassen und flogen mit ihm um die halbe Welt. Doch eines Tages, als sie hoch über den Wolken waren, zerbrach er und die winzigen Splitter regneten auf die Welt herab. Den Teufeln war es nicht zum Schaden, im Gegenteil!
Viele Splitter trafen einen Menschen ins Auge, von da an sah er nur noch das Schlechte und Hässliche, und konnte sich zeit seines Lebens an nichts mehr erfreuen. Schlimmer noch war es aber, wenn ihm der Splitter ins Herz wanderte. Dann gefror es zu Eis und der Mensch war nur noch ein dunkler Schatten seiner selbst.
Ein paar feine Splitter fliegen bis heute noch herum, so erzählt man sich."
Kai zögerte, dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Donnerschlag. "Kei hat einen Splitter dieses Zauberspiegels ins Auge bekommen!"
Er sah hilfesuchend zu seiner Mutter, doch sie nickte nur und sprach: "Ich fürchte es ist noch schlimmer, sein Splitter ist ihm ins Herz vorgedrungen und hat es gefrieren lassen. Deshalb war er so grausam zu dir."
Kai blickte bedrückt zu Boden: "Dann habe ich ihn verloren."
Seine Mutter hob sanft sein Kinn an und lächelte ihm ermutigend zu. "Noch nicht ganz! Etwas vom Feuer in seinem Herzen ist noch übrig. Aber die Flamme muss wieder gestärkt werden damit sich sein Herz erwärmen kann."
Kai verstand nur die Hälfte. "Wie soll das gehen?"
"Jemand, dessen Feuer lichterloh brennt, aus voller Kraft, ist imstande ihn zu retten. Jemand wie du! Aber dein Feuer ist noch zu klein, du musst dich trauen, es brennen zu lassen."
"Aber wie? Wie soll ich das anstellen? Was ist das für ein Feuer von dem du da redest, Mutter?"
Sie blickte ihn ernst an. "Ich fürchte das musst du ganz allein raus finden. Aber glaub an dich, bisher konntest du jedes Rätsel lösen. Du wirst ihn retten, da bin ich sicher!"
Kai teilte die Zuversicht seiner Mutter nicht: "Dazu müsste ich erstmal wissen wo er ist!"
Hotaru erblasste uns senkte den Blick. Ihre Stimme war nun leise und ernst: "Ich habe noch ein Rätsel für dich! Der Schneekönig hat ihn mit sich genommen. Ich weiß weder was er vorhat noch wo er genau lebt. Die Elfen erzählen sich das sich sein Schloss direkt unterm Nordstern befindet, aber es ist nur eine Legende. Sicher ist, dass es nördlich von hier liegt. Aber der Weg ist gefährlich und sein Reich hat noch niemand wieder lebend verlassen!"
Sie war sehr betrübt.
Kai hingegen war entschlossen. "Hab keine Angst, ich werde nicht zulassen, dass mir jemand den Bruder wegnimmt. Ich gehe und hole ihn wieder, wach du nur solang über Großmutter."
Hotaru strahlte ihren Sohn voller Stolz an, dann öffnete sie ihr Haarband und gab es ihrem Jüngsten. "Wenn dich auf deiner Reise der Mut verlässt, dann nimm das Band und wisse, ich bin immer bei dir. Und wenn du dein Feuer entfacht hast, mein Sohn, kannst du damit ein Wunder bewirken, aber nur eines, also triff deine Entscheidung weise. Nun geh mein Engel und hol mir den Lausebengel nach Hause!"
Da lachte Kai und hatte genug Mut um sich auf den Weg zu machen. Der Garten begann zu verblassen, und seine Mutter mit ihm. "Ich möchte dir noch so viel sagen, geh noch nicht!" rief er.
"Ich bin immer bei dir und höre dich." Das war das letzte, das er sie sagen hörte, dann wachte er auf. Er befand sich in der kleinen Stube, in dem Sessel in dem er eingeschlafen war. Der Morgen graute schon. Seine Großmutter hatte ihn offenbar zugedeckt.
>Es war nur ein Traum? <
Kai schob die Decke fort, da entdeckte er in seiner Hand, das Haarband seiner Mutter.
Von Eile gedrängt, nahm er seine Jacke, packte ein Stück Brot in die Tasche und stürmte hinaus nach Norden, nicht wissend was ihn erwarten würde. Auf dem Tisch blieb von ihm nur eine Nachricht zurück:
Liebe Großmutter!
Ich werde meinen Bruder finden. Mach dir keine Sorgen.
Ich umarme dich, Kai<
Er lief zum Stadttor hinaus, als die Sonne gerade aufging. Noch immer hielt er das Band umklammert. Er stoppte und überlegte welchen Pfad er wählen sollte. Das Band wickelte er sich ums Handgelenk und küsste es. "Ich liebe dich, Mutter. ", flüsterte der Junge. Dann schob er seinen Pullover über das Band und zog die Jacke eng um seinen schmalen Körper. Diese Reise würde sein Leben für immer verändern, da war er sich sicher. Die Frage war nur, in welcher Weise!
******
Ich hoffe es gefällt euch. Ich hatte auf scheden Fall Spaß beim schreibseln. Kommis waren toll.
Beeil mich mit Teil 2 *festversprochen*
Lillyko (mit Schal und Mütze)
Auf der Suche - Die Jäger
Teil 2
>< Gedanken
"..." Sprache
//...// authors comment
>>>Auf der Suche: Die Jäger<<<
Grade als er sich aufmachen wollte, hörte er hinter sich eine vertraute Stimme.
Ein Mädchen aus dem Städtchen rannte aufgeregt zu ihm.
"Was machst du denn um die Zeit hier draußen, Yuki?", rief er.
"Das sollte ich dich fragen. Ich war grade auf dem Weg zu dir, da hab ich dich hier
gesehen. Willst du Enjouji suchen?"
Kai nickte und das Mädchen schüttelte aufgeregt ihren blonden Schopf.
Offenbar hatte sie etwas auf dem Herzen.
"Kai ich weiß, das hört sich völlig verrückt an. Meine Eltern haben's mir nicht geglaubt,
ich glaub es ja selbst kaum! Aber ich habe Enjouji gesehen, am Tag als er verschwunden
ist. Da ist er zu einem stattlichen, jungen Mann in den Schlitten gestiegen."
"Warum hast du den nichts gesagt!" fragte Kai aufgeregt.
"Mein Vater hat mich in der Kammer eingesperrt, weil ich mir nicht solche Lügenmärchen
ausdenken soll! Kai, der Schlitten ist weggeflogen. Er ist richtig geflogen."
"Bist du dir sicher, dass du dir das nicht nur eingebildet hast!", meinte der Junge
ungläubig.
Yuki nickte heftig und legte in einer theatralischen Geste die Hand aufs Herz. "Ich
schwör's bei meiner Unschuld!"
Kai musterte sie erst etwas geschockt, dann lächelte er unwillkürlich und küsste die
kleine Yuki auf die Stirn.
Sie war eben doch noch ein Kind. Aber zu seinem Erstaunen glaubte er ihr. Nach allem
was ihm seine Mutter erzählt hatte, waren fliegende Schlitten nicht undenkbar.
Yuki wurde rot und war verlegen, Kai war extrem gut aussehend. Aber es gab noch einen
Grund.
"Kai, es gibt da etwas, dass ich Vater nicht erzählt habe. Der Mann hat Enjouji... er hat
ihn geküsst!"
"Bitte -was?"
"Er hat ihn geküsst! Zweimal: einmal auf die Stirn und einmal... auf den Mund. Enjouji
sah danach ganz anders aus. Dann sind sie in den Pferdeschlitten gestiegen und davon
geflogen. Das ist die Wahrheit, ich würde nie..."
Kai lächelte sie an. "Ich glaube dir, kleine Yuki. Aber nun geh nach Hause, damit du
keinen Ärger bekommst. Und sieh hin und wieder nach Großmutter!"
"Ich werde sie jeden Tag besuchen!", versprach das Mädchen.
Sie umarmte Kai zum Abschied und er wischte ihr ein paar Tränen ab. "Es wird alles
gut.", versprach er und ließ sie am Tor zurück, wo sie ihm noch lange hinterher winkte.
Tagelang war Kai nun schon Richtung Norden gewandert, ohne einen weiteren Hinweis zu
entdecken.
Immer kreisten dieselben Fragen in seinem Kopf umher:
Wo könnte sich das Schloss befinden? Warum hatte der Schneekönig grade einen Bruder
geholt? Hatte es etwas mit dem Spiegel auf sich? Warum hatte er ihn geküsst? Welches
Feuer sollte Kai in sich tragen? Und warum; zum Teufel, war er nur so unvorbereitet
losgestürzt!
Kai hatte sein bisschen Proviant schon aufgebraucht, und außer einem kleinen
Taschenmesser und einem Kompass hatte er kein Werkzeug bei sich. Auch wurde es
nachts noch sehr kalt uns seine Kleidung vermochte kaum ihn zu schützen.
Er wanderte schon einige Zeit durch einen Wald und hatte sich die letzte Nacht im
windgeschützten Unterholz ausgeruht.
Vor ihm glänzte etwas metallisch auf.
Kai näherte sich vorsichtig und entdeckte eine Bärenfalle. Sollte er in sie hineintreten,
vermochte sie ihm durchaus das Bein abzureißen. Doch sie war derart plump aufgestellt,
dass Kai sie sofort entdeckt hatte.
>Ein Bär muss schon ziemlich bescheuert sein, um da rein zu latschen. <
Er umrundete sie vorsichtig, beachtete dabei aber seine Umgebung kaum.
Die Erkenntnis kam erst, als es schon zu spät war. Er war direkt in ein Fangnetz
gelaufen, und hatte den Mechanismus ausgelöst. Mit einem protestierendem "Uhawaah"
wurde er hochgezogen und baumelte nun 2 ½ Meter über dem Boden.
>Verdammt! <
Fluchen half nichts, er musste zusehen, dass er hier wieder raus kam. Da kam ihm die
schneidende Idee. Das Taschenmesser!
Er konnte es aber auch nach dem dritten Durchsuchen seiner Taschen nicht finden und
entdeckte es schließlich - zu seiner Frustration - auf dem Erdboden.
Es lag genau unter dem Netz in dem er fest hing. Keine drei Meter weit, aber für ihn
unerreichbar.
"Großartig Kai, einfach klasse gemacht!", sagte er zu sich selbst. Nun konnte nur warten
und hoffen, dass die Fallensteller bald auftauchen würden, um ihre Fallen zu
kontrollieren. Und dass sie ihm freundlich gesonnen waren.
Zumindest warten brauchte er nicht mehr lange. Die Sonne hatte ihren Höhepunkt noch
nicht überschritten, da hörte er eine Stimme.
"Schau an, schau an! Da ist uns doch tatsächlich etwas ins Netz gegangen!"
Sie gehörte einem Mann, der aber noch relativ jung war. Er stellte sich vor das Netz, so
dass Kai ihn sehen konnte.
Er trug die typische Kleidung eines Jäger: leichte Stiefel, eine lederne Weste über einem
leichtem Hemd und den typischen scharf geschnittenen Hut, der durch eine Pfauenfeder
geziert war. Er trug allerhand Messer am Gürtel und seine Armbrust hatte er geschultert.
// So ein bisschen wie Robin Hood, aber nicht so furchtbar grün! Mehr Braunes
Wilderleder.//
Er sah verschmitzt grinsend zu Kai auf und rief. "Guten Morgen junger Mann!"
"Ob dieser Morgen gut ist, muss ich mir noch überlegen, mein Herr!", antworte Kai so
freundlich er konnte.
Der Jäger sah gutherzig aus. Vielleicht hatte er ja doch mal Glück.
Dessen war er nicht mehr sicher, als er den Kumpan des jungen Waldläufers entdeckte.
Selbst von hier oben, sah dieser wie ein Berg von einem Mann aus, und sein Gesicht war
ausdruckslos.
Er trug ein schweres Bärenfell über den Schultern, und Kai mochte gar nicht wissen,
welche Waffen er wohl darunter verbarg.
Der Jüngere hatte inzwischen Kais Taschenmesser entdeckt und aufgehoben. "Wir haben
es hier offenbar mit einem echten Glückspilz zu tun!", rief er seinem Partner zu. "Die
einzige Möglichkeit sich selbst zu befreien, hat er fallen lassen."
Kai war verärgert und fauchte hinunter: "Ich hab es nicht fallen lassen, es ist mir aus der
Jacke gerutscht!" Er bereute es aber schnell, es war keine gute Idee, die Fremden
anzuschreien.
Doch der Waldläufer wurde nicht wütend, er lachte nur.
"Verzeiht, mein Herr! Ich bitte vielmals um Vergebung." Er verbeugte sich belustig vor
dem gefangenen Jungen. "Ich bin es nicht gewöhnt mit solch edlen Leuten zu verkehren,
wie ihr einer sein müsst...", spottete er weiter. "Eigentlich sind wir hier um einen Wilderer
auf Bärenjagd zu fangen."
Kai begann die Sache zu verstehen: "Dann ist das Fangeisen nicht von euch,
Waldmann?"
"Nein, Junge! Das Netz aber wohl. Doch du siehst mir nicht wie ein Wilddieb aus. Wie
heißt du, Junge?"
"Mein Name ist Kai. Dürfte ich auch den Euren und den eures Freundes erfahren?", sagte
Kai höflich.
Der Waldläufer umrundete das Netz, sodass er nun mit seinem Partner auf gleicher Höhe
stand, dieser war aber noch immer ein Stück abseits.
"Mein Partner hier heißt Jack. Ich bin Roy Carsten Tashiro. Such dir den Namen aus, der
dir am besten gefällt."
// Der Name hört sich für ein Nordeuropäisches Märchen so komisch an *wäääh* //
Der Waldläufer sah ihn erwartungsvoll an. "Nun ...Tashiro!", sagte Kai nach kurzem
Zögern.
"So sei es!", nickte Tashiro.
Er sah zu Jack und rief, er solle ihren neuen Freund doch mal herunter lassen. Darauf hin
durchschnitt Jack das Seil, das vom Netz über einen starken Ast an einen benachbarten
Baum führte.
Kai fiel samt Netz über zwei Meter und landete unsanft auf dem Waldboden, allerdings
wurde sein Sturz von einem Haufen Laub gebremst, der einst das Fangnetz getarnt
hatte, sodass er sich nicht schlimmer verletzte.
Jack erntete für diese Aktion ein paar strafende Blicke von seinem Partner.
"Was willst du? Er ist unten, oder nicht?", entgegnete der schweigsame Jäger. Seine
Stimme war dunkel und rau, aber dennoch sehr angenehm.
Tashiro schüttelte den Kopf und half dem Jungen auf.
"Ist alles noch dran!", erkundigte er sich.
"Ich denke schon. Aber das werde ich wohl eine Weile nicht vergessen.", sagte Kai und rieb sich über den Rücken.
Tashiro lächelte entschuldigend: "Er ist in letzter Zeit sehr schlecht gelaunt. Sag was
machst du hier, Kleiner."
"Ich bin auf dem Weg nach Norden, ich suche meinen Bruder.", antwortete der Junge
zögerlich.
Tashiro überlegte kurz und sprach: "Norden liegt auf unserer Route, wir können dich ein
Stück mitnehmen. Schon um uns für die kleinen Unannehmlichkeiten zu entschuldigen...",
er warf einen Blick zu Jack, wurde aber total ignoriert.
Er seufzte und meinte: "...Allerdings nur bis zu Grenze des nächstens Königsreichs. Wir ...
sind dort nicht sehr gern gesehen."
Kai versuchte auf den Streit zwischen den beiden Jäger nicht weiter einzugehen. "Es ist
mehr als ich erhoffte, habt vielen Dank."
Tashiro geleitete ihn aus dem Wald heraus wo zwei Pferde auf die drei Männer warteten.
Er bestand darauf, dass Kai bei ihm mit ritt und platzierte den Jungen vor sich auf dem
leichtfüßigen Falben. Er setze sich hinter ihn in den Sattel und musste ihn praktisch von
hinten umarmen um die Zügel zu führen, dabei gewährte er dem Jungen gleichzeitig
Halt. Kai war dies eigentlich ganz Recht. Er fing an den sympathischen, jungen Mann ins
Herz zu schließen. Aber seit er vor Tashiro auf dem Pferd saß, spürte er Jacks
abschätzenden Blick. Dieser war auf einem großen Rappen aufgesessen und die Pferde
trabten durch die schöne Landschaft.
// Für alle die mit Zossen nichts anfangen können: Falben haben etwa die Farbe von Haflingern, ein cremefarbenes Beige. Rappen sind einfach schwarz.//
Tashiro wurde neugierig. "Warum bist du so sicher, dass sich dein Bruder im Norden befindet?"
"Ihr würdet es nicht glauben, mein Herr.", antwortete Kai ausweichend.
Tashiro musste schon wieder grinsen. Er war es nicht gewöhnt, so genannt zu werden.
"Vielleicht bin ich ja ein leichtgläubiger Mensch. Probier mich doch mal aus!", witzelte er.
Kai fühlte sich tatsächlich etwas ermutigt. "Wie stet es denn mit Märchen? Dem von der
Schneekönigin, beispielsweise.", wollte er nun wissen.
Der junge Jäger nickte nachdenklich: "Mein Vater hat mir oft davon erzählt, als ich noch
klein war."
"Was, etwa DER da?!", platzte es aus Kai heraus und zeigte er auf Jack.
Dieser bekam einen Hustenanfall, während Tashiro in schallendes Gelächter ausbrach.
Nachdem er sich etwas beruhigt hatte, meinte der junge Jäger. "Jack ist nicht mein
Vater! Er ist..." Kai sah zu Tashiro auf.
In den Augen seines neuen Freundes war auf einmal ein Leuchten zu entdecken, sein
Blick war verträumt und seine Stimme ganz warm und sanft: "Jack ist ... mein Gefährte."
Kai war nicht sicher ob er "Gefährte" richtig interpretierte, aber ihm stieg plötzlich die
Röte ins Gesicht.
>Wie er das wohl gemeint hat? <, dachte der Junge. Sein Herz hatte auf einmal rasende
Geschwindigkeit.
"Wie ich das meine?", fragte Tashiro und Kai musste feststellen, dass er wohl laut
gedacht hatte.
Als Tashiro Kais Verlegenheit bemerkte, wurde ihm klar, dass der Junge seine
Zweideutigkeit durchaus verstanden hatte. Er wurde ebenfalls rot und beide sahen
peinlich berührt weg.
Tashiro versuchte sich rauszureden. "Ich meine er ist mein Gefährte bei... bei der Jagd.
Verstehst du?"
"Mhh-Hm.", machte Kai und dann schwiegen beide.
Jack, der alles mit angehört hatte verdrehte die Augen. Nach einer Weile beschloss er die
beiden zu erlösen.
"Das Märchen von der Schneekönigin, hmm...
Die Herrin des Winters, die im Norden lebt und Kälte über die Länder bringt. Angeblich
sammelt sie die Splitter eines verwunschenen Spiegels. ... Und manchmal soll sie sogar
einen Menschen zu sich holen." Er überlegte kurz und schweifte gedanklich in die
Geschichten seiner Kindheit ab. "Wie war das noch gleich? Niemand, der sie je gesehen
hat, ist wieder zurückgekehrt. ... Nur dass diese Geschichte gar kein Märchen ist, nicht
wahr?"
Bei der Erwähnung des Spiegels zuckte Kai unwillkürlich zusammen. Tashiro aber glaubte
seinen Ohren nicht zu trauen. Sollte Jack etwa an diese alten Sagen glauben.
Der antwortete unbestimmt: "Ich hab schon seltsameres erlebt als eine Frau in einem
Eispalast."
//"Und einmal, im Ferienlager..." //
>Nur das SIE in Wahrheit ein ER ist<, fügte Kai in Gedanken hinzu.
Dann wandte er sich an Jack: "Ihr sagtet, sie sammle die Splitter des Spiegels. Wisst ihr
auch warum?"
Der Jäger lächelte kurz gütig, schüttelte aber den Kopf. "Ich hab zu viele Geschichten
gehört, um zu sagen was wahr ist und was nicht. Man erzählt sich, dass die Splitter
magische Kräfte besäßen und andere sagen, die Königin wolle den Spiegel wieder
zusammensetzen."
Er zögerte einen Moment und sah den Jungen dann ernst an. "Sie ... hat ihn geholt, nicht
wahr? Sie hat deinen Bruder mit sich genommen!"
Kai fühlte sich zunächst ertappt, dann nickte er traurig.
"Mooooomentchen mal...", schaltete sich Tashiro wieder ein: "Ihr beiden meint das
wirklich ernst, oder? So mit Hexenbesen und verwunschen Schlössern und so..."
Jack blieb kühl. "Keine Besen! Sie ist keine Hexe sondern eine Zauberin." Verbesserte er
seinen Partner.
>Und `en KERL! <, flüsterte Kai wieder hinzu worauf Jack nur kurz mit der Augenbraue
zuckte, aber so tat als hätte er es nicht gehört.
Tashiro hatte es sowieso nicht mitgekriegt, da er viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt
war.
"Sie meinen`s wirklich ernst!", seufzte er.
Aber als Kai in seinen Armen zu zittern anfing und Jack ihm einen besorgten Blick zu
warf, hatte er verstanden.
Tashiro zog den Jungen etwas an sich und strich ihm mit einer Hand über den Bauch (mit
der anderen musste er schließlich die Zügel halten). "Hey...", sagte er sanft. "Nicht
aufgeben. Du bist mutig genug dich auf eine solch abenteuerliche Reise zu begeben. Du
kannst das schaffen."
"Ja, mutig genug um ins erstbeste Fangnetz zu laufen, glorreiche Leistung!", sagte Kai
verbittert. Dennoch lehnte er sich an Tashiros starken Körper und ließ die
Streicheleinheiten über sich ergehen.
Die Berührung war ihm nicht unangenehm, ... im Gegenteil.
Jack hingegen quittierte Tashiros Knuddelattacke mit einem bitterbösen Blick auf seinen
jüngeren FREUND. Dieser grinste allerdings nur.
An Kai gewandt sprach Jack aber ungewohnt sanft. "Diese Reise ist eine Prüfung. Tashiro
hat Recht, es braucht Mut um sich allein auf den Weg zu machen. Aber du musst auch in
deine eigene Kraft vertrauen. Behalte dein Ziel vor Augen und hab Selbstvertrauen, der
Rest ist Schicksal."
Kai senkte den Blick etwas: "Ich habe Angst vor dem, was vor mir liegt. Ich weiß nicht
was mich erwartet ... und ... wenn ich versage ... ich ..."
Diesmal war Tashiro an der Reihe dem Jungen Mut zuzusprechen. "Es ist ein keine
Schande sich verunsichert zu fühlen. Ein bisschen Angst ist gar nicht schlecht. Sie macht
vorsichtig. Aber ob du es schaffen kannst, wirst erst du erfahren, wenn du es versuchst.
Auch wenn du dabei viel riskierst."
Tashiro beugte sich etwas vor um Kai in die Augen sehen zu können. "Und wer es wagt
sich unbewaffnet und völlig wehrlos sich mit zwei Profis anzulegen, der kann sich auch
mit einer verrückten Hexe aufnehmen."
Tashiro schenkte ihm ein zerschmelzendes Lächeln und aus irgendeinem Grund fühlte Kai
die Hitze in seine Wangen steigen. Der gut aussehende, junge Mann machte ihn etwas
nervös. Etwas in ihm schien auf Tashiro zu reagieren. Etwas peinlich berührt sah er
schnell weg.
Tashiro grinste daraufhin nur noch mehr. >Er ist schön süß, so niedlich wie er sich
anstellt<.
Kai atmete ein paar Mal tief durch und sagte dann mit entschlossener Stimme. "Ich
werde mein Bestes geben um meinen Bruder zu retten."
Jack nickte. "Mehr kann keiner tun.", brummte er. Den Rest des Rittes schwieg er sich
aus.
Also beschloss Kai etwas mehr über das Königreich zu erfahren, das er als nächstes
durchqueren musste. Und Tashiro half ihm gerne weiter. Er erfuhr, dass zwischen dem
hiesigen Reich und dem Nachbarland schon seit Jahren große Spannungen gab.
Tashiro berichtete, dass er und Jack die persönlichen Jäger des Königs in diesem Reich
hier waren, und sich nicht nur um Wilderer sondern auch um andere Verbrecher zu
kümmern hatten. Sie waren Menschenjäger.
Aber bevor Kai ein falsches Bild von seinen neuen Freunden bekommen konnte, erklärte
Tashiro, dass der König dieses Reiches sehr gutmütig war. Und keiner der Untertanen
hungern oder erfrieren sollte. Einem Wilddieb, der nur versuchte seine Familie
durchzubringen, sollte nichts geschehen. Im Gegenteil ihm wurde geholfen, und bei
einem Jahr mit schlechter Ernte versorgte der Regent sein Volk auf Staatskosten, was
ihm seine Untertanen mit Treue und Vertrauen dankten.
"Wir wären ihm nicht treu, glaubten wir nicht an ihn. Der frühere König des
Nachbarlandes war ebenso. Doch seit sein Sohn an der Macht ist ging es mit jenem Reich
bergab. Und das mussten wir auch schon am eigenen Leib erfahren.", grinste Tashiro
wieder, obwohl ihm die Erinnerung ehr unangenehm war.
Sie waren im Auftrag und mit dem königlichen Siegel ihres Auftraggebers einem
Raubmörder auf der Spur gewesen und musste die Grenze überqueren.
Irgendwann begegneten sie einem königlichen Wachtrupp doch statt der erhofften
Auskunft, hatte man Jack und ihn festgenommen. "Wir hätten sie auch leicht im Kampf
besiegen können, aber die Wachmänner haben auch nur Befehle ausgeführt.
Und um die sowieso schon kritische Situation zwischen den beiden Ländern nicht noch zu
verschlimmern, haben wir uns zunächst ergeben und abführen lassen.
Du musst wissen, dass uns das königliche Siegel den Status eines Botschafters einbringt
und so wollten wir die Sache persönlich klären."
Er zeigte Kai einen goldenen Ring auf dem ein Fuchs und ein Bär abgebildet waren.
Tashiro trug den Ring an einem Lederband unter seinem Hemd und steckte ihn grade
wieder zurück. An gewissen Ort errege er zu viel Aufmerksamkeit, zwinkerte er, weshalb
er den Ring nicht für jedermann sichtbar trage.
Kai hatte aber eine ganz andere Frage: "Warum grade ein Bär und ein Fuchs?"
"Es sind die königlichen Wappentiere.", antwortete sein neuer Freund, wobei er Kai schon
wieder gefährlich Nahe kam. "Der Bär steht für Stärke und der Fuchs vor Klugheit.",
flüsterte ihm der junge Jäger ins Ohr, sodass Kai eine Gänsehaut bekam.
Jack, der die beiden die ganze Zeit beobachtet hatte, schüttelte den Kopf. Seinem
Gefährten machte es offenbar Spaß den Jungen in Verlegenheit zu bringen, und der arme
Kai wusste sich gar nicht zu helfen.
Mitweiler kirschrot und total hibbelig versuchte Kai Tashiros Aufmerksamkeit wieder auf
die Geschichte (und damit von sich selbst weg ) zu lenken. Der Jäger verstand und
erzählte weiter. Allerdings nicht ohne wieder über Kais Bauch zu kraulen, was dem
Jungen viel abverlangte um ihm noch zu folgen.
"Nun wie gesagt, wurde uns aufgrund des Siegels ein gewisser Status zugebilligt und wir
wurden dem König vorgeführt.
Ich hatte zu jenem Zeitpunkt schon einige Geschichten gehört. Das er verrückt und
grausam sei, aber auch sehr listig. Und das Bild was wir uns bis dahin auf unserer Reise
von dem Land gemacht hatten, war nicht besser. Viele Menschen leben in Armut. Jene
die nicht zu schwach oder krank sind gehen stehlen um zu überleben und es herrscht viel
Gewalt!"
Er unterbrach seine Ausführungen und seine Streicheleinheiten und sah Kai ernst an.
"Deshalb musst du dich unbedingt vorsehen. Du darfst dort niemandem leichtfertig
vertrauen. Das könnte dich nicht nur dein kleines Habe sondern auch deinen hübschen
Kopf kosten. Du musst sehr vorsichtig sein, hast du verstanden, Kleiner?"
Kai nickte entschlossen. Tashiro schien nicht oft ernst zu werden, also war es ihm
wirklich wichtig und Kai nahm es sich zu Herzen. Auch wenn die Aussichten nicht grade
rosig waren...
Tashiro nickte, schien etwas beruhigter und nahm zu Kais großem Leidwesen auch seine
Streichelattacke wieder auf.
"Wir sind also nicht mit besonders großen Erwartungen vor ihn getreten, aber er war
noch schlimmer, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Nicht genug, dass er sein Volk unter
schrecklichen Bedingungen und hohen Steuern leiden ließ und selbst im Luxus schwelgte.
Dieser Mann ist ... er...", Kai fühlte plötzlich die Wut in Tashiro aufsteigen und legte im
instinktiv sanft die Hand auf den Arm.
Der atmete tief durch und beruhigte sich wieder. "Versuch bitte, ihm nicht über den Weg
zu laufen. Der Mann hat nicht mehr alle Blätter am Baum. Und was uns betraf so hatte er
uns gar nicht zu Wort kommen lassen, sondern uns kurzerhand zum Tode verurteilt. Mit
der Begründung, dass wir ihn auskundschaften und im Namen unseres Königs ein Aufstand anzetteln wollten. Ohne irgendwelche Beweise anzuführen, versteht sich."
"Wie seid ihr entkommen?", fragte Kai nun aufgeregt.
"Wir haben Hilfe bekommen.", lächelte Tashiro.
"Die beiden Kinder des Königs, ein Mädchen und ein Junge, der übrigens in deinem Alter
sein dürfte, haben uns geholfen.
Sie kommen so gar nicht nach ihrem verrückten Alten. Der frühere König hat den beiden
in seinem Vermächtnis einige Privilegien eingeräumt. Mehr noch, sollte einem der beiden
etwas zustoßen würde, der jetzige König seine Macht verlieren. Er ist eigentlich nur
vorübergehend eingesetzt, bis die beiden Thronerben reif genug seien. Der alte König
hatte wohl mehr Vertrauen in seine Enkel als in seinen Sohn. Aber der versucht alles um
an der Macht zu bleiben. Ach, ich hasse Politik!"
"Tashiro!", unterbrach Kai ihn betteln, der Spannung kaum noch aushielt.
"Verzeih, ich schweife ab.", grinste der. "Nun ja. Es hat sich im Schloss offenbar wie ein
Lauffeuer herumgesprochen woher wir kamen und das wir am nächsten Morgen durch
den Strang gerichtet werden sollten. Ein treuer Vertrauter der Königskinder hat die
beiden informiert und wir konnten mit ihrer Hilfe in einer Nacht und Nebelaktion flüchten.
Der Regierige war ...nicht erfreut. " grinste Tashiro zynisch. "Und sollten wir jemals
wieder die Grenze überschreiten würden uns seine Soldaten sofort abmurksen.
Vorausgesetzt, dass sie uns kriegen!"
Nun mischte Jack sich doch wieder ein. "Nimm es nicht zu sehr auf die leichte Schulter,
wir sind dem Tod nur knapp entronnen.", brummte er dunkel.
Tashiro ließ sich die Rüge gefallen und wiegelte abschätzend den Kopf. "Wir werden wohl
alle wieder ruhiger schlafen, wenn einer der beiden Jungen auf dem Thron sitzt.
Den Rest des Weges plauderten Kai und Tashiro noch über dies und das und Kai erzählte
noch etwas aus seiner Kindheit und seiner Stadt. Und für eine Weile döste er in Tashiros
Armen ein. Die ständige Sorge hatte an seinen Nerven gezehrt und trotz der
verwirrenden Annäherungsversuche fühlte er sich sicher bei den beiden.
Am späten Nachmittag wurde er sanft von Tashiro geweckt, indem er schon wieder
angegrabbelt wurde.
"Sag mal was soll das denn eigentlich immer!", fauchte er ihn an.
"Na, es macht mir Spaß.", grinste Tashiro zurück. "Und so furchtbar unangenehm scheint
es dir auch nicht zu sein, sonst hättest du dich früher beschwert."
Und... Kai wurde rot - schon wieder.
"Oder ist es dir unangenehm?" fragte Tashiro ruhig.
" ... "
"Oder hat vielleicht deine Freundin oder deine Verlobte was dagegen?"
"Ich hab gar keine Verlobte.", nuschelte Kai in den nicht vorhandenen Bart und legte
noch ein paar Farbstärken zu.
"Dacht ich mir.", flüsterte Tashiro kaum hörbar, aber Kai hatte Ohren wie ein Luchs.
"Was soll das denn jetzt heißen?!"
"Nichts, Nichts *grins*"
Tashiro nickte in die Richtung eines Tales. Die Reiter befanden sich auf einem
Hochplateau von dem es etwa 40 Meter steil Abwärts ging.
//Tja, das nenn ich Plattentektonik!//
Es wand sich aber an eine Stelle ein nicht allzu steiler Pfad den Abhang hinab, den man leicht zu Pferd bezwingen konnte.
"Weiter können wir leider nicht mit dir gehen.", sagte Tashiro wirklich bedauernd.
"Dies ist die Grenze zwischen den beiden verfeindeten Reichen. Von nun an musst du
vorsichtiger sein." Sagte Jack der ein Stück näher heran ritt.
Er fummelte an seiner Satteltasche herum, zog schließlich einen in Leinen gewickeltes
Bündel heraus und drückte es Kai in die Hand.
Als der in fragend ansah lächelte er lieb. "Wenn sparsam bist reicht der Proviant für drei
Tage.", erklärte er. Dann zog er ein gegerbtes Fell aus einem weitaus großen Bündel, das
hinter dem Sattel befestigt war, und legte es dem Jungen um die Schultern.
"Das hat unser Wilderer in seinem letzten Lager zurückgelassen als er vor uns geflüchtet
ist. Er hat sicher nichts dagegen wenn du es bekommst." Jack legte Kai die riesige rechte
Hand auf die Wange und sah ihm fest in die Augen. "Pass gut auf dich auf, Junge!"
Dann bewegte er seinen Rappen ein Stück weg und nickte Tashiro zu.
"Ich bring dich noch schnell hinunter, aber dann muss ich mich auch verabschieden.",
flüsterte er ihm traurig zu.
Erst jetzt realisierte Kai, dass er sich schon von seinen neuen Freunden trennen musste.
Er wand sich noch mal zu Jack, etwas abseits warte und die Gegend beobachten würde
um Tashiro im Falle eines Falles Bescheid zu geben.
"Danke, für alles!", rief Kai ihm noch zu bevor Tashiro seinen Falben antrieb. Jack nickte
lächelnd zu, verfiel dann aber wieder in seine gewohnte Ausdruckslosigkeit.
Während sie den Abhang hinunter jagten sagte keiner ein Wort, nicht zuletzt weil Tashiro
sich konzentrieren musste um das Tier und seine beiden Reiter bei dem Tempo sicher
hinabzuführen.
Als sie unten ankamen hielt seinen Zossen nicht weit vom kleinen Pfad an. Kai wusste
nicht was er sagen sollte. Also stieg er wortlos ab und wagte es erst dann Tashiro direkt
anzuschauen. Dieser kämpfte offenbar mit sich in den Jungen jetzt allein zu lassen.
Dann zog er etwas aus einer versteckten Tasche und hielt es Kai hin.
"Dein Taschenmesser.", kommentierte er tonlos und Kai musste näher heran treten um
es entgegenzunehmen.
Nun löste er noch eines seiner eigenen samt einer fein gearbeiteten Lederscheide von
seinem Gürtel. " Und hier hast du noch ein richtiges!", grinste er, auch wenn es etwas
erzwungen aussah. Als Kai zögerte meinte schließlich: "Es ist als Waffe ebenso gut, wie
als Werkzeug und es schneidet beinah alles. Es ist meine beste Arbeit bisher. Ich will,
dass du es hast."
"Du hast es gemacht?", fragte Kai als er es doch entgegennahm und die Klinge
betrachtete die durch ein filigranes Muster geziert war.
"Ich wurde zum Waffenschmied ausgebildet bevor mir Jack begegnet ist.", erklärte
Tashiro kurz, während Kai dabei beobachte, als er das Messer an seinem Gürtel
festmachte. "Aber habe keine Sorge. Es ist mein Lieblingsmesser und soll dir Glück
bringen. Es wurde nie mit Blut besudelt. Es ist genauso jungfräulich wie du."
Kai zuckte bei dieser eindeutig zweideutigen Bemerkung zusammen und zupfte schnell
seine Jacke über seine neue Waffe, damit sie nicht für Jedermann zu sehen war. Dann
strich er dem Pferd zum Abschied über das cremefarbene Fell.
"Kai?!", fragte Tashiro laut.
"Ja-", blickte dieser zu ihm auf.
Tashiro hatte sich zu ihm heruntergebeugt zog behutsam sein Kinn etwas nach oben und
setzte ihm sanft einen zuckersüßen Kuss auf.
Kai erschrak zunächst etwas und doch dann genoss er das Gefühl der sanften Lippen. Als
Tashiro sich von ihm löste waren beide etwas rotwangig.
"Nur als Glücksbringer." lächelte der Berittene leicht, als Kai noch völlig verzaubert mit
den Fingern leicht die eigenen Lippen zu berühren, um das nicht enden wollende Kribbeln
zu unterdrücken.
Aber der Jäger wurde schnell ernst.
"Hör mir jetzt genau zu!", verlangte er. "Dort drüben im Wald führt ein Weg entlang der
ein ganzes Stück nach Norden führt. Es wird bald dunkel. Am besten gehst du die Nacht
durch, und ruhst am Tag. Bleibe in der Nähe des Weges aber nicht zu nah. Wenn du auf
der Straße bleibst, läufst du den Soldaten in die Arme. Gehst du zu tief in den Wald
stapfst du womöglich in ein Räuberlager. Da du allein bist, solltest jeder Auseinandersetzung aus dem Weg gehen. Aber, dass du allein bist, ist dein Vorteil. Du
bist unauffällig und kannst dich leichter verstecken. Die Natur und die Nacht sind deine
Verbündeten. Lass dich von ihnen verbergen."
Tashiro wuschelte ihm durch die Haare und Kai protestierte nicht einmal.
"Sehen wir uns wieder?", fragte er fast flehend.
"Vielleicht, alles ist möglich. Und ich fände es schön ... Und jetzt geh! Na los, geh!"
Kai sah ihm noch einem Moment in die Augen und prägte sich diesen Moment tief ins
Gedächtnis.
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich schließlich um und joggte in Richtung Waldweg.
Ein Abschiedswort hätte nicht herausgebracht.
Und Tashiro verstand es. Es ging ihm ebenso. Es war schon erstaunlich, dass sie einander so ins Herz geschlossen hatten, obgleich sie sich nur ein paar Stunden kannten
Tashiro wendete sein Pferd und trieb es dann wieder den Weg hinauf. Oben angekommen
positionierte er sich neben Jack.
Er suchte mit den Augen den Weg zum Wald und entdeckte schließlich die von hier aus
winzige Gestalt.
"Du hättest ihn nicht küssen sollen.", sagte Jack rügend.
"Eifersüchtig?", fragte Tashiro leicht lächelnd ohne Kai aus den Augen zu lassen, der
grade den Wald erreichte und von ihm verschluckt wurde.
"Nein", antwortete Jack schlicht. "Aber er hat mit seiner Aufgabe genug zu tun, als das er
sich damit noch auseinander setzen sollte."
>Vielleicht hat er ja recht, aber eifersüchtig ist er trotzdem. <, freute sich der Jüngere
"Wobei er sich wohl früher damit wird beschäftigen müssen, als er denkt." Murmelte
Jack.
"Achja? Inwiefern?"
"Wenn man den Gerüchten und Kais Gemurmel glauben schenkt, ist die Schneekönigin
eigentlich ein König."
Tashiro warf einen musternden Blick zu Jack, aber der schien es ernst zu meinen.
Der Jüngere war noch nicht überzeugt. "Ok, wenn das Stimmt, warum entführt ER dann
nur Männer?"
Jack lächelte Tashiro bestimmt an.
Dem klappte die Kinnlade runter und stütze in sich eine Hand in die Hüfte.
"Is nicht wahr! ... Nee, echt jetzt?!"
Jacks grinsen wurde breiter. "Es ist nur ein Gerücht!"
Tashiro wurde wieder nachdenklich und sah zum Wald hinüber. "Wenn das stimmt wird
es sicher nicht leichter für ihn. Dem Märchen zufolge ist dem Eispalast niemals jemand
entkommen."
Jack sah, dass es sein Liebsten sehr beschäftigte. Aber seine Antwort verwirrte diesen
nur noch mehr. "Ich denke nicht, dass das`Kind des Winters´ wirklich böse ist. Er sucht
auch nur seinen Platz in der Welt. Vielleicht ist es ja dieser Junge der alles zum Guten
wenden kann."
"Ich hoffe es ... "
Jack ritt nah an seinen Liebsten heran, sodass die Pferde sich zu beschnuppern und zu
kuscheln anfingen. Dann beugte er sich zu Tashiro herüber und zog den völlig verdutzen
Jäger ein Stück näher heran um ihn leidenschaftlich zu küssen. Als er sich löste lächelte
er. "Hör auf zu grübeln. Wir können hier nichts mehr tun. Und wenn wir unser altes Lager
heute noch erreichen wollen, müssen wir los!"
Damit ließ Jack seinen Rappen laufen, der sehr erfreut schien, sich endlich mal austoben
zu dürfen.
Tashiro flüsterte noch ein ´viel Glück` in Kais Richtung. Dann drückte er leicht die Füße
an die Seiten seines Pferdes und gab ihm mit der Hüfte ein zusätzlichen Impuls, und
schon stürmte die beiden Wilden ihren voraus gepreschten Partnern hinterher.
Weg von der Landesgrenze, ... und weg von Kai, der sich grade durch die einsetzende
Dämmerung kämpfte.
Auf der Suche - Die Waisenkinder & Die Königkinder
Teil 3
Meiner Beta-maus mako-chan gewidmet.
Viel Spaß beim Lesen
*****
Auf der Suche >>> Die Waisenkinder
Zwei Tage später, als die Sonne sich langsam zur Nachtruhe hinter die Berge verzog,
raschelte im Wald ein fremdartiger Blätterbau, der sich flach ein bis zwei Ellen aus dem
Boden erhob und wuchs plötzlich zu einer mannshohen Gestalt an.
Kai erhob sich etwas zerzaust aus dem Blätterhaufen, der im Winter wohl einem
Igelpaar als Schlafplatz gedient hatte, aber bereits verlassen war.
Er hatte sich den Rat von Tashiro zu Herzen genommen und reiste nun nur in der
Dämmerung und in der Nacht.
Am Tage verbarg er sich im Dickicht des Waldes um ein bisschen Erholung zu finden,
allerdings hatte er heute den ersten wirklich erholsamen Schlaf gefunden.
Verborgen im Blattwerk, war er für menschliche Augen unauffindbar, und dass diese auch
ein geeignetes Lager waren, weil sie vorzüglich vor Kälte schützen, hatte ihn sein Bruder
gelehrt.
Er klopfte sich die Blätter vom jungenhaften aber starken Körper und fischte sich ein
verirrtes Ästchen aus dem wilden Haar.
Abschätzig betrachtete er seine Kleidung, die schon einiges mitgemacht hatte und
schmutzig war.
Wie gerne hätte der Junge seine Sachen und sich selbst mal gewaschen, aber das war
hier unmöglich.
>Zumindest falle ich nicht auf, ich sehe wie ein ärmlicher Landstreicher aus!<
Einzig das Messer und das wärmende Fell um seine Schultern, Geschenke seiner neuen
Freunde, verrieten andere Absichten.
Kai hörte über sich auf dem starken Ast einer großen Kastanie ein vertrautes Kratzen und
blickte entnervt nach oben.
"Guten Morgen, junger Freund..."krächzte es herunter, "oder sollte ich besser sagen
guten Abend. Mann könnte euch für eine Fledermaus halten, so wie ihr immer nachts
umher wandert!"
"Bist du denn immer noch da!", stöhnte der junge Mann.
Seitdem er gestern Abend aufgebrochen war, folgte ihm ein freches Rabenmännchen,
das ihn des Nachts auf seinem Weg zu Kais großer Verwunderung angesprochen hatte.
Nachdem es mit lautem Gezeter auf sich aufmerksam gemacht hatte, hatte es Kai vor
einer Brigade des Königs gewarnt, die auf der nahe gelegenen Straße unterwegs war,
sodass sich Kai hatte rechtzeitig verstecken können.
Äußerst dankbar hatte dieser dem seltsamen Tier nun Lebewohl sagen wollen, doch der
Rabe hatte andere Pläne gehabt.
Er hatte sich dem Jungen mit dem Namen Toshi vorgestellt, //ihr dürft jetzt alle mal
lachen// und war ihm, zu Kais großem Bedauern, seit dem nicht von der Seite gewichen.
Zwar erschien es durchaus praktisch ein fliegendes Auge an seiner Seite zu wissen, doch
einen so geschwätzigen Weggefährten hatte sich der junge Mann in seinen schlimmsten
Albträumen nicht vorstellen können.
Ununterbrochen erzählte der Vogel über irgendetwas.
Am Anfang waren die Geschichten noch interessant gewesen.
Der Rabe Toshi wehklagte über die schlimme Situation des Landes, das Leid der
Menschen die darin lebten und sang und trällerte mit seiner brüchigen Stimme böse Lieder über den König.
Das Geschwisterpaar aber lobte er in den höchsten Tönen.
Als ihm die Themen allmählich rar wurden, fing er über Liebeslieder an seine im Schloss
lebende Vogelfreundin Rena zu kreischen.
Kai Interesse schlug in entnervtes ertragen der schrecklichen Geräusche um. Und er
hatte ehrlich gehofft das der zwar liebenswerte aber auch äußerst anstrengende Rabe
über den Tag weiter gezogen war.
Doch der treuherzige Toshi, der von Kai sogar mit etwas Brot gefüttert worden war, hatte
brav über den jungen Mann gewacht um ihn weiterhin zu begleiten. Zwar hatte Kai sich
bedeckt halten wollen, doch nachdem Toshi angefangen hatte von der Schneekönigin ein
Lied zu pfeifen, war Kai neugierig geworden und sie hatten sich ausgetauscht.
"Nun denn, Hallo mein gefiederter Freund!" warf er dem Raben lustlos zum Gruß
entgegen. Doch Toshi störte sich nicht an dem Ton, wusste er doch dass sein
zweibeiniger Begleiter zuweilen etwas mürrisch war. Stattdessen hüpfte er aufgeregt auf
dem Ast herum um zu erfahren was Kai zu seinem Vorschlag in den heutigen
Morgenstunden zu sagen hatte.
Dieser stapfte in Richtung des Flüsschens, das sich durch den Wald zog um sich
wenigsten notdürftig zu waschen und auch ein paar Schlucke zu trinken.
Im Laufen schob er sich ein paar Stück Dörrfleisch in den Mund, den Rest des Proviants,
den er von Jack geschenkt bekommen hatte. Er war sparsam gewesen. Dennoch neigte
sich sein Vorrat dem Ende entgegen.
Er hatte schon überlegt einem Hasen oder einer Rebhuhn nachzustellen. Enjouji hatte ihn
zu einem guten Jäger ausgebildet und er war eigentlich in der Lage sich zu versorgen.
Doch er wagte es nicht ein Feuer zu entfachen, um das Fleisch genießbar zu machen, da
er fürchte entdeckt zu werden. Auch war das Jahr noch jung, und kein Strauch trug
Früchte. Er musste sich etwas einfallen lassen.
Toshi war ihm hinterher geflogen und hüpfte nun auf dem Ast einer Eibe wild herum.
Kai hingegen schöpfte mit der Hand etwas Wasser um zu trinken und sagte danach zu
seinem Begleiter: "Ich habe noch immer nicht vor mich in die Nähe des Schlosses zu
wagen. Auch wenn die Prinzessin und der Prinz mit helfen würden, das Risiko ihrem Vater
zuvor in die Hände zu fallen ist mir einfach zu groß."
"Aber, nein mein Freund, ich", der Vogel machte eine bettelnde Stimmlage.
"Wenn du deine Freundin Rena vermisst, dann flieg doch zu ihr! Du bist ein Vogel, was
hält dich auf?"
"Aber, Aber!"
Als Kai sich gerade etwas Wasser ins Gesicht spritzen wollte, erkannte er den wahren
Grund für Toshis Beunruhigung.
Am frühen Abend spiegelten sich die Fackeln der Soldaten im Wasser wieder und
erregten Kais Aufmerksamkeit.
Er zuckte zusammen und huschte dann rasch in ein nahe gelegenes
Strauchwerk. Von hier aus konnte er die Soldaten belauschen, die sich gerade
anschickten, durch den Fluss zu waten.
"Das Mädchen ist ein kluger Kopf, durch Fluss verlieren wir ihre Spur!"
"Trotzdem, sie können noch nicht weit gekommen sein, sucht sie!
Toshi flog zu einem Baum in der Nähe von Kais Strauch und beobachtete argwöhnisch,
wie sich die Soldaten entfernten.
"Warum hast du denn das nicht gesagt!" zischte Kai aus seinem Versteck hervor.
"Das hab ich doch versucht, aber ihr habt mir ja nicht zugehört!"
"Verzeih mein Freund, aber wir müssen erst mal von hier verschwinden!"
Kai huschte geduckt und im Schatten der Baume tiefer in den Wald, weit weg von den
Soldaten.
Nur wenig später erkannte er eine Spur. In Hast zertretene Frühjahrblüher, umgeknickte
Ästchen, wiesen ihm den Weg und er folgte.
Dann sah er sie, zusammengekauert hinter einem Baum hockten zwei Gestalten. Er
schlich zu ihnen, um zu sehen ob Gefahr von ihnen ausging. Doch das war sicher nicht
der Fall!
Sanft berührte er das Mädchen, an der Schulter, die daraufhin verschreckt
zusammenzuckte und schützend die Arme um einen kleinen Jungen auf ihrem Schoß
legte. Sie sah Kai verängstigt an, doch der lächelte.
"Hab keine Angst, ich werde euch nicht tun."
Sie nickte panisch und ein paar Tränen rannen ihre Wangen herab.
"Die Soldaten suchen nach euch, nicht wahr?"
Das Mädchen, vielleicht fünfzehn Jahre alt, nickte noch einmal.
"Ich hab Brot und etwas Schinken gestohlen. Ich wollte keine Diebin sein, aber Atsushi
hatte solchen Hunger und hat immer nur geweint. Ich wusste keinen Ausweg.", sprudelte
es aus ihr heraus. Sie schloss ihren kleinen Bruder enger in die Arme und weinte
bitterlich. Der kleine Junge, der keine sechs Jahre alt war, verstand noch nicht so recht,
was passierte. Aber um sie zu trösten, kuschelte er sich an sie und flüsterte: "Nicht
weinen, Yuriko. Ich bin auch ganz bestimmt nicht mehr böse."
"Aber du warst doch nicht böse, mein Kleiner. Das ist nicht deine Schuld!"
Sie blickte verzweifelt zu Kai auf. "Werdet ihr uns verraten?"
"Nein, ich beuge mein Knie nicht vor König Tachibana, noch vor sonst einem tiranischen Herrscher! Ich steh auf eurer Seite. Aber hier können wir nicht bleiben, komm."
Er zog das Mädchen hoch und sie liefen weiter durch den Wald. Kai hatte den kleinen
Atsushi auf den Arm genommen und er war eingeschlafen, während das Mädchen ihm
widerstandslos folgte.
"Wir sind keine Waisen,", erzählte sie, "unsere Eltern sind verschleppt worden, weil sie
die Steuern nicht zahlen konnten. Sie müssen sie für den König abarbeiten, wie Sklaven!
Ein Junge aus dem Nachbardorf hat uns und viele andere Kinder mit sich genommen, und
wir haben ein Lager im Wald aufgeschlagen.
Ich wollte auf dem Mark Waldpilze verkaufen, um für uns das nötigste zu besorgen, aber
der König ließ den Stand niederreißen und wollte uns verjagen. Wir hatten seid Tagen
nichts gegessen. Ich halte den Hunger aus, aber der Kleine.
Ich habe das Essen aus einem Wagen gestohlen, der die Soldaten des Königs versorgen
soll, als keiner darauf geachtet hat. Zumindest habe ich das gedacht.
Ich weiß ja das stehlen etwas Schlechtes ist, aber...", sie verstummte schuldbewusst.
Kai schüttelte den Kopf und legte nahezu väterlich die freie Hand auf ihre Schulter.
"Ihr seid es nicht, die sich etwas haben zu Schulden kommen lassen. Ein Herrscher darf
sein Volk nicht so behandeln, und Kinder schon gar nicht!"
Er zögerte und blieb plötzlich abrupt stehen. Finster starrte er ins Dickicht, den
schlafenden Jungen auf seinem Arm und das verängstigte Mädchen an seine Seite
geklammert.
Ein Junge, etwa ebenso alt wie das Mädchen trat mit Pfeil und Bogen bewaffnet aus dem
Wald hervor.
Yuriko atmete erleichtert auf. "Koji!! - Das ist unser Anführer, es ist alles gut."
Sie rannte zu dem verdutzten Jungen herüber, der seine Waffen daraufhin senkte, und
fiel ihm um den Hals. Sie redete mit ihm und deutete dabei mehrmals zu Kai hinüber.
Letztlich nickte der Anführer dankend zu ihm herüber und umarmte seinerseits das
Mädchen. Kai weckte Atsushi auf, um ihm zu sagen, dass sie zu Hause waren. Doch
kaum war der Junge erwacht, war er verängstigt. Über Kais Schultern blickend sah der
wachsame Junge Bewegungen im Wald. "Die Soldaten, sie sind unserer Spur doch
gefolgt, verdammt!!" fluchte Kai sich selbst zu.
Mit Handzeichen deutete er Koji an, sich zu verstecken. Dieser verstand sofort und zog
Yuriko in einen bereits belaubten Busch.
Die Soldaten kamen immer näher und Toshi trieb Kai zur Eile an.
Dieser fand einen Igelhaufen, wie jenen in dem er geschlafen hatte, und verbuddelte den
Jungen darin.
Der Kleine gab keinen Laut von sich, und Kai versprach ihm, dass alles gut würde.
Er selbst huschte etwas von dem Jungen entfernt hinter einen Baum. Für mehr war keine
Zeit.
Die Soldaten waren schon zu nahe und durchsuchten den Wald. Die Sonne war
mittlerweile Untergegangen und das tiefdunkle Abendrot tauchte den Wald in Zwielicht.
Als die Männer an Atsushis Versteck vorüber gingen, hielt Kai den Atem an. Aber der
Junge blieb ruhig und sie entdeckten ihn nicht.
Doch dann knackte ein Ast in der Richtung von Yuriko und Koji. Die Beiden waren fast
entdeckt, da wusste Kai keinen Ausweg. Er griff einen Stein und ließ ihn unter lautem
Gong auf dem Helm eines Soldaten niedergehen.
Dann floh er.
Und wurde gefasst.
Die Soldaten waren nicht gerade zimperlich. Er wurde mehrmals geschlagen, gab aber
außer ein paar gequälten Keuchern keinen Laut von sich. Sie stießen ihn unmittelbar vor
dem Versteck der Kinder zu Boden um zu beraten, was zu tun war.
Er konnte sehen wie Yuriko entsetzt weinte, aber kein Ton kam über ihre Lippen. Koji
hatte sie an sich gepresst und hielt ihr den Mund zu. Er starrte traurig zu ihm herüber.
Sein Blick war stark und Kai wusste, das er keinen Fehler gemacht diese Kinder zu
schützen.
Er wurde von den Soldaten hochgezogen und weggeschleppt, aber wenigstens ging es
den dreien gut.
Auf der Suche >>> Die Königskinder
Die Soldaten hatten ihm seine Messer abgenommen und ihm die Hände hinter dem
Rücken mit einem rauen Strick gefesselt.
"Du bist zwar nicht das, was wir suchen, aber wenigstens kommen wir nicht mit leeren
Händen zurück.
Er würde unsanft bäuchlings über den Rücken eines Pferdes gelegt und sehr unbequem
zur Festung gebracht. Toshi folgte ihm noch immer, und Kai war wahnsinnig froh
darüber. Als Die Festung nur noch ein Pfeilschuss entfernt lag, zog der Rabe über sieh
hinweg voraus, und der junge Mann konnte nur hoffen, dass er einen Plan hatte.
Als sie in der Dunkelheit im Hof ankamen, wurden die Männer von einem schneidigen
Mann erwartet.
"Wer ist der Junge, was habt ihr mit ihm vor?", fragte er scharf.
"Er kommt vor den König und dann vermutlich in den Kerker!", lachte einer der Männer
mit verfaulten Zähnen und zog Kai unsanft vom Pferd, der deshalb fast gestürzt wäre.
Er setzte sich, noch immer gefesselt, auf den Boden und beobachtete die Ereignisse.
"Was wird ihm vorgeworfen?"
"Wir haben einen hinterhältigen Diebin verfolgt, und statt ihrer ihn im Wald gefunden."
"Ist das alles?" fragte der Mann.
"Äh, na ja. Er hat sicher gewildert oder so, der Landstreicher ist doch bloß zum Arbeiten
zu faul." war die dümmliche Antwort. "Aber das bringen wir dir noch bei!" lachte er. Und
Kai fing sich grundlos eine Ohrfeige ein.
Dann nahm der hässliche Hauptmann Kais Gesicht unsanft mit den Händen hoch, hockte
sich vor ihn und kostete seinen Triumph voll aus. "Wenn du ganz brav bist, und mich
Bedienst, kannst du vielleicht mein Knappe werden, Schönling. Dann kriegst du auch
etwas Besseres zu Essen. Wir wär's wenn du uns allen erst einmal ein paar Krüge Bier
holst?"
"Nu Niknft!", nuschelte Kai durch den zangenartigen Griff des Anführers des Trupps.
"Was hast du gesagt, Kleiner?", lachte er, sodass Kai sein zahnloses fauliges Mundwerk
begutachten musste.
"Du stinkst! Und nenn mich nicht Kleiner!"
Kai wurde derart heftig geschlagen ins Gesicht, dass er das Gleichgewicht verlor.
Der feiste Wanst des wutentbrannten Soldatenhauptmanns baute sich über ihn auf und
hätte ihn vermutlich übel zugerichtet, aber der schneidige Ritter, der sie erwartet hatte,
bewahrte ihn davor.
"Rühr den Jungen nicht an, der kommt mit mir! Ihr könnt nicht einfach grundlos
Menschen in Gewahrsam nehmen. Es gibt kein Anzeichen für Übertreten eines
königlichen Gesetzes, dafür werdet ihr euch noch verantworten müssen!"
"Aber Nakatani!" protestierte der Anführer der Soldaten.
"Willst du dich mir widersetzen?" zischte der Ritter scharf.
"Nein, Herr verzeiht!"
Der Ritter nickte einem Diener zu, der daraufhin das Bündel mit den Sachen holte, die
man Kai genommen hatte und brachte sie dem Ritter.
Diesem fiel zuerst der Dolch von Tashiro auf.
Er zog die Klinge aus der Scheide und betrachtete die Verzierung.
Dann schnitt er Kais fesseln damit durch, verstaute Messer und Scheide aber an seinem
eigenen Gurt.
"Ein gute Waffe, Junge. Mein Name ist Nakatani. Folge mir.", er klang nicht feindselig,
strahlte aber soviel Autorität aus, dass Widerspruch unmöglich war.
Außerdem dachte sich Kai, lieber im Schloss mit Nakatani als draußen mit den Soldaten.
"Ach und Hauptmann!" zog Nakatani die Aufmerksamkeit des Soldaten noch einmal auf
sich.
"Du stinkst!"
Kai befand sich noch immer in einer gefährlichen Situation, trotzdem hatte er
Schwierigkeiten nicht zu grinsen.
Er folgte dem Ritter, und musterte ihn dabei.
Nakatani trug elegante dunkle Kleidung die seine attraktive Gestalt und sein
scharfkantiges Gesicht nur noch besser zur Geltung brachte. Ein pflichtbewusster Mann
mit festen Prinzipien, aber Kai glaubte auch ein gutes Herz in ihm zu finden. Aus
irgendeinem Grund vertraute er ihm. Nakatani führte ihn in einen großen Saal wo ein
Mädchen auf einem Thron saß und angespannt aufsprang, als sie eintraten.
Ein junger Mann stand am Fenster und beobachtete Kai und Nakatani als sie
hereinkamen, gefolgt von ein paar Dienern unter Waffen.
"Nakatani!" rief der junge Mann mit bebender Stimme und lief ihnen ein paar Schritte
entgegen. Doch der Ritter hob die Hand und er stoppte. Nakatani wandte sich an Kai.
"Dies sind die rechtmäßigen Thronerben des Königreiches Kronprinzessin Ruriko und
Kronprinz Itsuki."
Kai verbeugte sich höflich, zumindest ein Teil der Erziehung seiner Großmutter hatte
doch gefruchtet. "Mein Name ist Kai, ich stamme aus einer Kleinen Stadt hinter den
Schneebergen aus dem Nachbarreich und bin eigentlich nur auf der Durchreise. Ich...
suche meinen Bruder. ...Verzeiht mir die Frage, aber wie kann es sein, dass ihr beide
Anspruch auf den Thron habt?"
Die Prinzessin trat vor, während ihr Bruder unschlüssig vor dem Ritter stand.
Sie wandte sich an die Bediensteten. "Lasst uns allein und keiner soll hineinkommen,
wenn er nicht aufgefordert ist." Die Diener verließen den Raum und Kai stand nun da mit
zwei Adligen und einem Ritter hohen Ranges. Doch Ruriko nickte freundlich.
Sie seufze und sprach: "Unser Großvater hat es so in seinem Testament verankert, wir
haben beide Anspruch, wer von uns zuerst heiratet darf den Thron besteigen."
Kai nickte wollte noch etwas sagen, schwieg aber als Nakatani das Wort ergriff. "Die
Soldaten eures Vaters haben den Jungen im Wald aufgegriffen, nachdem sie ein Mädchen
verfolgt hatten. Sie hatten nichts gegen ihn in der Hand, und dennoch hätte es mit ihm
ein schlimmes Ende genommen, wenn unser Freund uns nicht gewarnt hätte!"
Als er dies sagte ertönte vom Fenstersims ein gekrächztes `Das war doch
selbstverständlich! `
Als Kai sich umwandte fand er Toshi dort, doch gesprochen hatte ein kleines
schmächtiges Elstermännchen, das eng an das Rabenmännchen gerückt war.
Toshi legte den Kopf schief: "Das ist meine Verlobte Rena!" erklärte er überglücklich und
begann dann das Gefieder seines Gefährten ... Verzeihung seiner GefährtIN zu ordnen.
Ruriko lächelte kurz verzückt über das etwas ungewöhnliche aber liebevolle
Vogelpärchen doch wurde dann gleich wieder ernst.
"Der König, unser Vater" in ihrer Stimme schwang deutlich Ironie und ein gewisser Hauch
von Abscheu mit, "er terrorisiert unser Land und es wird Tag für Tag schlimmer. Wenn
wir nicht bald etwas tun, werden noch alle verhungern."
Kai, der gar nicht wusste was er hier so richtig sollte, blickte nun hilflos zum Prinzen und
seinem Ritter. Er erwischte sie, wie sie sich gegenseitig tief in die Augen sahen und er
konnte den Schmerz auf dem Gesicht Itsukis Gesicht ablesen, der sich offenbar von
Nakatani eine Reaktion erhoffte. Doch als der Ritter weiterhin nur schwieg wandte sich
der Junge traurig von ihm ab. "Dann werde ich das Heiratsgebot der Gräfin annehmen
und die Regierung übernehmen. Wir können seinem Treiben nicht länger tatenlos
zusehen, egal was du sagst kleine Schwester."
Kai hatte irgendwo den Faden verloren. "Was bedeutet das alles?"
Nakatani ergriff das Wort. "Die Vermählung unserer Thronerben wird erst ab dem 16.
Lebensjahr möglich, erst dann dürfen sie die Regierungsgeschäfte übernehmen. Die
Prinzessin wird erst in drei Tagen sechszehn Jahre alt, konnte daher also nicht handeln.
Der Prinz Itsuki ist bereits siebzehn, seit über einem Jahr steht das Heiratsgesuch einer
Gräfin, mit der Vermählung würden wir das Schicksal des Landes wenden..."
In Kai kochte es, er musste an Yuriko und den kleinen Atsushi denken. "Seit über einem
Jahr?! Wieso habt ihr dann eurer Erbe noch nicht angetreten, euer Land leidet und eure
Leute sterben, wie konntet ihr das nur zulassen??!"
Nakatani sah ihn messerscharf an und Kai zuckte zurück. Er hatte gerade einen Prinzen
zurechtgewiesen! War er noch zu retten?
Doch Ruriko ergriff erstaunlich beherzt das Wort. "Weil ich es ihm verboten habe!!"
Itsuki sah sie ernst an. "Der Fremde hat Recht, ich kann nicht länger vor meinen
Verpflichtungen davon laufen."
Seine Schwester schüttelte den Kopf: "Das dulde ich nicht!"
"Ach und wieso?" rief ihr Bruder verbittert.
"Weil du die Gräfin nicht liebst!"
"Als würde das eine Rolle spielen. Es geht hier nicht um mich und das weißt du."
Ruriko schüttelte starrköpfig ihr Haar. "Zwei Menschen die ich über alles Liebe werden ihr
Leben lang todunglücklich sein, wenn du das tust!"
Sie sah ernst zu Nakatani dem ertappt einem Moment die Gesichtszüge entglitten und
der sich dann abwandte. Er konnte seinem Prinzen jetzt nicht in die Augen sehen.
Kai begann so langsam zu begreifen, was hier vor sich ging.
"Verzeiht, mir war nicht klar wie kompliziert die Dinge liegen." sagte er zu dem Prinzen
und sah dann mitleidig zu dessen Ritter, der am Fenster stand und mit starrem Gesicht
aber traurigen Augen in die Frühlingsnacht blickte.
Prinz Itsuki lächelte verbittert uns schüttelte geschlagen den Kopf. "Es ist die einzige
Lösung. Sonst werden Menschen wie du Grundlos auf dem Schafott enden. Ich habe eine
Verantwortung zu tragen."
Kai schwieg, aber Ruriko ging an eine Tür holte eine etwas seltsam aussehende Frau
herein.
"Kayako? Wieso holt du deine Amme hinzu, Ruriko?", fragte der Prinz verwirrt.
"Es gibt eine Lösung die uns allen zum Vorteil gereichen wird." sagte die Amme.
Als sie Kai sah klatschte sie verzückt in die Hände und drückte den völlig verdutzen
jungen Mann an sich. "Du bist ja ein Schnuckelchen!" trällerte sie und Ruriko lächelte.
Der Prinz aber wurde ungeduldig. "Kayako, was hast du denn gemeint?"
"Ganz einfach, mein Prinz, so sehr ich euch auch lieb habe würde ich liebe eure
Schwester auf dem Thron sehen." Nun wurde auch Nakatani hellhörig. Kayako entließ Kai
aus ihrer Umarmung der erleichtert aufseufzte und ein paar Meter Sicherheitsabstand
suchte. Er wäre am Busen dieser Verrückten fast erstickt.
Allerdings war das erste Mal mit dem Gesicht in ein Dekolletee
Und er hatte nicht so reagiert wie er es erwartet hätte. Es war ehr lästig als angenehm.
Er musste an Tashiro denken, bei dem hatte es unglaublich gut getan berührt zu werden,
aber bei einer Frau- nicht. Was war bloß los mit ihm?
Itsuki wurde ungeduldig. "Was genau habt ihr beiden vor?"
Kayako lächelte und kraulte die beiden Vögel. "Nun sagen wir es mal so: Wir werden in
drei Tagen nicht nur den Geburtstag der Prinzessin feiern."
Der große Bruder blickte seine Schwester entgeistert an.
Sie lächelte. "Seit einem halbem Jahr haben ich und der Gelehrte Higuchi uns die Treue
geschworen. Die Bediensteten, denen man trauen kann, sind eingeweiht. Wir werden
heiraten, liebster Bruder!
In drei Tagen wird Vater den Thron für immer verlieren und alles wird gut werden. Für
uns alle!" Sie blickte ermutigend zu Nakatani, der ihr aber auswich. "Alle wissen es
bereits, warum nur verschließt ihr euch voreinander?" rügte sie ihren Ritter liebevoll.
Nakatani und Itsuki blickten sich einen Moment lang an und dann zu Boden. Beide zierte
ein sanfter Roter Hauch und Kai bekam bei dem Anblick Herzklopfen, als wäre dies der
Spiegel seines eigenen Schicksals.
Kayako legte einem Arm um ihn. "Ja eben, sogar der Kleine hat es gleich gemerkt."
Juhu! Dank dieser Bemerkung ruhten nun alle Blicke auf Kai und er musste mal wieder
seine Geschichte erzählen. Sie hatten sich in das Schlafzimmer des Prinzen
zurückgezogen, weil durch den Schichtwechsel der Wachen zuviel Trubel im Schloss
herrschte. Die Prinzessin und Kayako saßen auf einem Polster und hielten die Vögel in
den Händen. Kai saß neben dem Prinzen auf dem Bett und Nakatani stand wieder am
Fenster. Er warf seinem Prinzen hin und wieder nervöse Blicke zu.
Nachdem er die Geschichte erzählt hatte und nach einigem Zögern auch von Koji dem
Anführer der Bande im Wald berichtet hatte, entschlossen sich die Königskinder ihm zu
helfen. Nachdem er schon durch die Schuld ihres Vaters in solche Schwierigkeiten
geraten war, war dies das Mindeste sagten sie.
Ruriko sagte, er solle bis zum Morgen noch schlafen, nachdem er sich gewaschen und
gegessen hatte. Und Nakatani, der ein hervorragender Reiter war, würde ihm eines
seiner Pferde schenken.
Dann standen die Prinzessin und ihre Amme auf um noch etwas Schlaf zu finden und
zogen Kai mit aus dem Zimmer. Als Nakatani ihnen folgen wollte, drehte sich Ruriko um.
"Du wirst dort bleiben, ich will das ihr euch endlich aussprecht habt ihr verstanden."
"Aber.."
"Willst du dich deiner zukünftigen Königin widersetzen?" drohte sie scherzhaft und er
lächelte.
Da umarmte sie ihn, schmiegte ihr Gesicht an seine Wange und sagte leise. "Ich will doch
nur, dass ihr glücklich werdet."
Sie entließ ihn als ihr Bruder verlegen an der Tür erschien. "Ich habe dich unterschätzt,
kleine Schwester." sagte er zu ihr.
Der Ritter gab Kai nun auch seinen Dolch zurück und lächelte viel sagend. "Du hast viele
einflussreiche Freunde wie mir scheint."
"Ich bin auch froh euch meine Freund nennen zu dürfen." antwortete dieser.
"Vor dir liegt eine schwere Prüfung, erhol dich gut."
Nakatani und sein Prinz standen nun unmittelbar voreinander.
Um sie herum Menschen die sie glücklich sehen wollten und auch Kai wünschte ihnen
alles Gute.
"Junger Herr, ich..." wollte der Ritter ansetzen, aber da hatte Itsuki schon seine Arme um
seinen Hals gelegt und drückte verlegen sein Lippen auf die seines Geliebten.
Automatisch legte Nakatani seine Arme um seinen Liebsten, dessen Herz er schon ewig
besessen hatte, ohne sich zu trauen es wirklich für sich zu beanspruchen. Aber nun war
alles anders.
Die beiden lösten sich nur für einen Moment voneinander und blickten zu ihren Freunden
und dem Fremden Jungen, der ihnen offenbar Glück gebracht hatte und der selbst so
eine schwere Bürde tragen musste.
"Kai" begann Nakatani: "Nutze die Nacht um dich zu erholen, wir treffen uns bei
Sonnenaufgang an den Ställen." Dieser nickte und ließ sich von Ruriko auf sein Zimmer
führen, wo schon frische Kleidung, frisches Badewasser und ein weiches Bett auf ihn
wartete.
Kayako wandte sich auch noch einmal zu ihrem Prinzen um. "Nutz ihr die Nacht auch
gut!"
Itsuki wurde rot und Nakatani sah sie strafend an, doch dann zog er den überrascht
aufquiekend Prinzen stürmisch in dessen Zimmer und man hörte das Türschloss
schließen.
Die Prinzessin wurde neugierig. "Wie meinst du das denn, liebe Amme?"
Kai starrte hochrot auf seine Schuhe, aber Kayako lachte, legte den Arm um ihren
Schützling und meinte: "Da ihr bald heiraten werdet muss ich noch ein wichtiges
Gespräch mit euch führen, mein Liebling. Aber das machen wir morgen!"
Ruriko nickte. Und wandte sich an Kai. "Sag mir Kai, geht es Tashiro und Jack gut. Der
Dolch gehörte ihnen, das ist doch so?"
Kai nickte überrascht.
"Ich habe sie vor drei Tage an der Südwestlichen Grenze getroffen, sie haben mir sehr
geholfen und mit viel Lob von euch gesprochen!"
Ruriko nickte erneut. "Es sind gute Menschen uns sie dienen einem guten König. Sobald
ich die Krone tragen, werde ich ihnen Amnestie angedeihen lassen und Frieden mit ihrem
König schließen."
Kai lächelte und verbeugte sich, weil sie vor dem Schlafgemach angekommen waren, das
ihn heute Nacht beherbergen sollte. Es grenzte tatsächlich an das des Prinzen.
"Es wird sie freuen das zu hören."
"Hauptsache sie besuchen mich mal!"
Kai schüttelte den Kopf über das liebenswerte Mädchen, das in einem Moment so
erwachsen und im nächsten so kindlich war.
Er wünschte ihr eine gute Nacht und ein Diener brachte ihm Wasser zum waschen und
einen reichen Nachtschmaus aufs Zimmer.
Als Kai sich im weichen Schlafgewand wieder fand, blickte er noch einmal in die Nacht
hinaus. Es musste gerade Geisterstunde sein und er würde noch etwas Schlaf finden
müssen, da er unter dem Schutz der baldigen Königin bei Tag reisen konnte.
Er sah in die Nacht hinaus und öffnete schließlich das Fenster um frische Luft herein zu
lassen.
Ein Blick nach draußen verriet ihm das sein Gemach und das angrenzende Zimmer des
Prinzen, weit ab vom Rest des Palastes in Einem der Türme lagen.
Nur wenig später wurde ihm bewusst, wie gut das war!
Denn durch das geöffnete Fenster drangen Laute in sein Zimmer, die er bisher noch nie
vernommen hatte.
Das Seufzen und Stöhnen eines jungen Mannes hin und wieder unterbrochen von einem
tiefen kehligen Knurren eines Anderen. Das wiederum mit heiseren Schreien beantwortet.
Hochrot wurde dem jungen Kai bewusst, dass es sich nur um Nakatani und Itsuki
handeln konnte.
Warum machte ihn das so nervös, so aufgeregt? Plötzlich war ihm so warm, das er dass
Fenster trotz der Kühle der Nacht lieber offen gelassen hätte. Doch das wollte er auch
nicht, er glaubte Nakatani und seinem Prinzen damit unrecht zu tun.
Dennoch konnte er sich trotz geschlossenen Fensters nur schwer entspannen und lag mit
klopfendem Herzen und geröteten Wangen im Bett.
Das nächste woran er sich erinnern konnte, war ein riesiger Raum aus Kristall, die Wände
strahlten eisblau und Kai schritt langsam hindurch. Ihm war klar, dass er träumen
musste.
Am Ende des Raumes war eine Erhebung mit Fellen und Decken gepolstert. Als der Junge
näher kam, identifizierte er es als ein Bett.
Er stoppte abrupt, als er jemanden dort sitzen sah, ein Berg von einem Mann.
Doch dieser streckte die Hand aus und flüsterte. "Komm zu mir Kai, bitte komm."
Seine Stimme war tief und stark, ein sanfter Bass schwang darin, dem Kai nicht Stand
hielt. Wie von selbst setzen sich seine Beine in Bewegung und er wankte zu ihm herüber.
Widerstandslos krabbelte er auf das Bett und der letzte Abstand zwischen ihnen
verschwand. Er kniete vor dem hünenhaften Fremden, der ihn Freundlich ansah und noch
immer die Hand nach ihm ausstreckte.
Als Kai sie ergriff wurde er an die breite Brust gezogen und von starkem Armen
umfangen.
Die Röte stieg ihm ins Gesicht und er war aufgeregt, aber er fühlte sich auch unglaublich
geborgen.
Er blickte nervös zu dem Fremden auf. "Sag mir wer du bist?"
"Noch bin ich nur ein Traum, Kai! Du musst mich finden, du musst zu mir kommen. Sonst
sind wir alle verloren."
"Aber Enjouji, mein Bruder Kei ist..."
"Das Schicksal deines Bruders ist mit meinem verknüpft. Ich will dir beistehen, aber dazu
musst du mich zuerst finden."
"Aber wie?"
"Du wirst es wissen, alles wird sich zusammenfügen."
Kai blickte vertrauensvoll in die dunklen tiefen Augen seines Gegenübers.
Obwohl er ihn nicht kannte und er in Rätseln sprach, fühlte sich Kai wohl bei ihm und
wünschte sich ihn nie mehr verlassen zu müssen. Er kuschelte seinen Kopf an die starken
linke Schulter.
Doch plötzlich begannen die Kristallwände um ihn zu verblassen.
Kai sah sich panisch in dem verschwindenden Raum um. "Was bedeutet das?"
"Du erwachst, der Tag ist angebrochen. Du musst diesen Ort jetzt verlassen."
"Nein, noch nicht. Ich will bei dir bleiben."
Der Fremde sah ihn überrascht an und auch Kai war erschrocken über seine Offenheit,
doch sein Geständnis entsprach der Wahrheit.
Während die Wände schon fasst nicht mehr zu sehen waren und die beiden in einer
endlosen Leere zurückließen, legte der Fremde seine kraftvollen Händen auf Kais Gesicht
und zog ihn sanft zu sich hoch.
Als Kai seine sanften, ein wenig rauen Lippen auf seinen spürte entwich ihm ein
überraschtes Seufzen. Aber es fühlte sich gut an, und Kais Herz machte einen freudigen
Sprung.
Die Lippen des Mannes bewegten sich sanft gegen seine und Kai musste sich an ihn
klammern. Aber er wich nicht zurück und schnappte stattdessen nach der Unterlippe um
sie mit seinen Lippen einzukerkern und mit der Zunge über sie zu streichen. Er wusste
instinktiv was er tun musste. Der Fremde seufze tief in den Kuss hinein, löste sich aber
von ihm.
Er atmete ebenfalls schwerer doch er sah den Jungen fest an.
"Du musst jetzt gehen."
"Nein!" protestierte Kai und legte seine Arme um den Nacken des Mannes, presste seinen
Körper fest an ihn. Er wusste nicht was mit ihm los war, warum er das tat, was tat.
Empfand wie er empfand. Aber er wusste, er wollte diesen Mann nicht verlassen.
Dieser legte seine Arme erneut um den schmalen Körper, was Kai ein zufriedenes
Seufzen entlockte. Er versteckte sein Gesicht in der Halsbeuge des Mannes und nahm
dessen angenehm männlichen Geruch wahr, prägte ihn sich ein.
Doch der Fremde blieb hartnäckig.
"Je schneller du gehst, desto ehr sehen wir uns wieder, mein tapferer Kai."
Dieser nickte nun endlich und fand sich ein Sekundenbruchteil später in seinem Bett
wieder.
Er musste erst einmal durchatmen und realisierte, dass jemand beharrlich an der Tür
klopfte. Es war ein Diener der ihn wecken sollte und frische Kleidung bereithielt.
Beim gemeinsamen Frühstück mit der Prinzessin ihrer Amme und dem müde aber
glücklich aussehenden Nakatani war die Stimmung recht ausgelassen.
"Der Prinz lässt sich entschuldigen," hatte der Ritter nervös berichtet. "Er fühlt sich ...
etwas ausgelaugt."
Die Amme Kayako strahle über ihr gütiges Gesicht mit einem wissenden Lächeln und
auch Kai konnte sich das Schmunzeln nicht verkneifen. Jedoch kam ihm der Traum von
dem anziehenden Fremden in den Sinn und ihm stieg ebenfalls ein rosa Schimmer ins
Gesicht. Das konnte nicht einfach nur ein Traum gewesen sein, er musste ihn wieder
sehen.
Als Nakatani ihn zu den Ställen begleitete trug Kai schnittige dunkle Kleidung, die seine
drahtige Figur betonte und sich angenehm wie eine zweite Haut anfühlte.
Sie ähnelte Nakatanis Kleidung und Kai sah edel darin aus, auch wenn er sich dessen
nicht bewusst war.
Nakatani hatte ihm seinen Dolch zurückgegeben und auch den warmen Pelz, Jacks
Geschenk, trug Kai um die Schultern. Er blickte neugierig auf, als Nakatani einen
sechsjährigen Hengst aus seiner Box führte. Man hatte ihn schon Satteln lassen und die
Sonne, die sich anschickte hinter dem Horizont hervor zu klettern, ließ sein schwarzes
Fell bräunlich schimmern.
Nakatani klopfte ihm auf den Hals und das bildschöne Tier begann Kai zu beschnuppern,
der den Hengst mit einem Apfel bestach.
Da sah auch der Prinz Itsuki vorsichtig in den Stall, und schlich, als er bemerkte das nur
vertrauensvolle Bedienste anwesend waren zu seinem Ritter und dem jungen Reisenden.
Seine Bewegungen, dass fiel Kai sofort auf, waren äußerst vorsichtig und etwas steif,
aber er konnte sich keinen Reim darauf machen.
Auch Nakatani bemerkte es. "Geht es dir gut."
Itsuki kuschelte sich an ihn und seufze an die muskulöse Brust. "Jetzt ja, du hättest mich
wecken sollen. Kai nicht zu verabschieden, hätte ich mir nicht verziehen."
Nakatani lächelte entschuldigend und fuhr zärtlich mit der Hand den Rücken des Prinzen
hinunter. Als er aber am Po ankam, zuckte der Junge kurz zusammen und Nakatani sah
ihn erschrocken und besorgt an.
Itsuki schüttelte den Kopf. "Es ist nichts."
"Du hast Schmerzen!" widersprach sein Ritter und eine gewisse Schuld lag in dessen
Stimme.
"Nur ein wenig. Ein Opfer, das ich gerne bringe, für letzte Nacht." sein Blick wurde
eindeutig und er flüsterte seinem Ritter ins Ohr: "Und für viele die noch folgen werden."
"Das werden sie, aber ohne das du am nächsten Tag leidest." sagte der Ritter
erleichterter.
"Übung macht den Mei-"
Kai räusperte sich überdeutlich. Erst jetzt schien das Pärchen zu realisieren, dass es nicht
alleine war.
"Ich sollte mich langsam auf den Weg machen, die Sonne geht bereits auf, und ich
möchte weg sein bevor der König erwacht."
Itsuki umarmte den neuen Freund und nahm Kai das Versprechen ab, sie zu besuchen.
Auch die Prinzessin hatte sich schwer getan ihn aus dem Palast zu lassen. Nakatani
klopfte ihm ermutigend auf die Schulter und Kai freute sich über die vielen guten
Menschen, die ihm ans Herz gewachsen waren.
Als er auf dem Rappen aufgesessen war, sagte Nakatani: "Kenya ist ein kräftiges Tier mit
sicherem Tritt, du kannst ihn den ganzen Tag lang laufen lassen, aber er braucht eine
starke Hand, damit er sich auch mal ausruht. Gib gut auf ihn Acht, er ist mutig und klug und kann dich weit tragen."
"Bis ins Reich des Schneekönigs....königin kann ich ihn aber nicht mitnehmen, er würde
nur erfrieren."
Nakatani nickte. "Wenn es soweit ist, dann lass ihn laufen, er findet den Weg nach Haus. Sattel und Zaumzeug kannst du verkaufen und das Geld für Proviant nutzen. Es wird
nicht ewig reichen." Daraufhin klopfte der Ritter auf ein Bündel, das hinter dem Sattel vertäut war. Ein sehr warmer Mantel und frischer Proviant waren darin. Kai hatte gute
Chancen in kurzer Zeit viel Wegstrecke zu überwinden.
"Gib gut Acht auf dich, und viel Glück!" sagte der Prinz ein bisschen traurig.
"Und Ihr auf euch, damit dieses Land wieder glücklich wird."
Er trabte zum Schlosstor und winkte seinen neuen Freunden noch mal zu, auch der
Prinzessin und Kayako die aus einem Fenster zurückwinkten.
Der Rabe und sein Elstermännchen begleiteten Kai und den feurigen Kenya noch ein
Stück, flogen aber bald zurück.
Während die beiden jungen Wilden, Ross und Reiter über Wiesen und Felder jagten,
kündigte sich im Lande ein Umbruch. Zwei Tage darauf führte die neue Regentin ihr Land
in eine Zeit des Wohlstands und der Gerechtigkeit.
Doch die frohe Kunde sollte Kai erst viel später erreichen. Denn als er Tage später die
Grenze zum Königreich des Winterherrschers fast erreicht hatte, getrieben durch die
Sorge um Kei und tiefe Sehnsucht nach dem sanften Mann aus seinem Traum, beäugten
schon gierige Augen sein Tun. Versteckt im Dickicht und im Schatten, wartend auf den
richtigen Moment um zuzuschlagen.
******
Wer das Märchen kennt, weiß ja was ihn erwartet.
In der nächsten Episode von der Bekloppten Kizunaverunstalterin lest ihr: Auf der Suche
>>> Die Räubertochter
plus den ersten realen Auftritt von Masa. Dann geht es in die vollen.
für Kommis und konstruktive Kritik bin ich zu haben. *um-kommis-bettel*
Bis bald, alles Liebe eure Lillyko
Auf der Suche: Die Räubertochter & Im Reich von Eis und Schnee: Eine stürmische Begegnung
Nach langer Zeit endlich mehr!
Vielen Dank und knuddl an mein Beta Mako-chan! *wuschel*
Viel spaß beim Lesen:
**************************
Teil 4 Auf der Suche: Die Räubertochter
Die Sonne stand hoch, hatte ihren Höhepunkt erst kürzlich überschritten, trotzdem
vermochten die Frühlingsstrahlen den Körper des jungen Mannes nicht zu erwärmen.
Ohne das schützende Bärenfell hätte Kai arge Probleme bekommen. Den warmen Mantel
wollte er sich für das Reich des Schneekönigs aufsparen, dessen Grenzen schon in Form
eines Berggrates am Horizont zu sehen war. Würde er Kenya heute noch einmal laufen
lassen, könnte er die Grenze noch vor Sonnenuntergang erreichen. Doch Kai wollte lieber
die ersten Schritte im Reich des ewigen Eises am Tage machen, und diese Nacht im
Dickicht des an den Berg angrenzenden Waldes verbringen und ein letztes Mal an der
Seite des treuen Hengstes schlafen, der, entgegen der rössischen Manier, sich neben Kai
in Gras zu legen pflegte und des Nachts eine ausgezeichnete Wärmequelle abgab. Das es
sich hier gegenseitige Vorteilsbeziehung handelte, war dem jungen Mann durchaus klar.
Kai war im Umgang mit Pferden recht geschickt. Sein Bruder hatte ihn nicht nur Reiten
gelehrt, sondern ihm auch gezeigt wie man diese Tiere ausbildet und pflegt. In dem Stall
in dem Kai als Junge oft mit ihm gearbeitet hatte, waren so einige störrische Exemplare
zu bändigen gewesen. Doch kein Tier hatte dem erfahrenen Pferdenarr soviel Geduld und
Nerven abverlangt, wie dieser junge Hengst hier.
Wollte Kai kurz verschnaufen, wurde Kenya von einer nicht zu unterdrückenden Rennwut
gepackt. Wollte Kai eine Strecke hinter sich bringen, fand das hübsch anzusehende junge
Tier todsicher einen Apfelbaum, der erst mal um ein paar Früchte erleichtert werden
musste.
Doch die beiden hatten sich arrangiert und schlossen langsam jene innige Freundschaft,
die zwischen Tier und Reiter auf einer so beschwerlichen Reise unabdingbar war.
Doch an diesem frühen Nachmittag, an dem Kai schon nachsinnte wie es ab Morgen ohne
den Hengst werden würde, ahnte keiner von beiden, was ihnen zustoßen sollte, und dass
einer von ihnen den Einbruch der Nacht nicht in Freiheit erleben würde.
Die ansehnliche Kleidung des jungen Mannes, das kräftige junge Tier in wertvollem
Zaumzeug und das Gepäck, dessen Inhalt unter dem eingerollten Mantel verborgen lag,
weckten die Neugier von den Zweibeinigen Räubern des Waldes.
Diebisch wie die Elstern, gewieft wie Füchse und so leise wie eine Wildkatze auf der
Pirsch schlichen sie sich an ihre Opfer heran.
Ein ortunkundiger Jüngling, wie schwer konnte der schon zu fangen sein?
Diesem Gedanken nachhängend, jagte ein dickbäuchiger Späher, der sich dennoch
erstaunlich geschickt bewegte, zum Lager seiner Kumpanen. Und zu seiner Anführerin.
Nie hätte er gedacht sich einer Räuberbande unter der Führung einer Frau anzuschließen.
Doch er hatte auch nie damit gerechnet einer Frau zu begegnen, die so viel von
Gaunerreinen und so wenig von Körperpflege verstand.
Und weil sie auch sonst viele Gemeinsamkeiten mit ihren männlichen Untergebenen, und
ihn auch noch bei seinem Einstand unter den Tisch gesoffen hatte, vertraute er ihr.
Räuberlogik eben!
Und so saßen er, seine Anführerin samt Bande und auch das Nesthäkchen der Truppe,
die Tochter der alten Räuberin, im Dickicht, und beobachteten den jungen Mann auf
Schritt und Tritt, der gerade seinen Durst an einer Quelle stillte.
Entgegen der Mutter, hässlich wie die Nacht, war das Töchterchen eine Schönheit. Ihr
Schulterlanges Haar trug sie in zwei wirren Zöpfen, die aufgeregt flatterten, und der
Körper des jungen Mädchens hatte weibliche Formen bekommen. So lockte sie mit
unschuldigen Blicken oftmals edelmütige und furchtbar dumme Reiter in die Falle, die sie
unter schallendem Gelächter und nur in Unterhosen bekleidet aus ihrem Wald zu jagen
pflegte, nach dem sie sie ordentlich ausgenommen hatte. Schon allein wegen ihrem Hang
zu leicht sadistischem Humor wagte es aber keiner der wesentlich älteren Männer in der
Räubertruppe mit ihr anzubandeln. Ganz zu schweigen davon, dass sie die Reaktion der
Frau Mutter wohl nicht überleben würden.
Doch auf die Menschenjagd konnte man mit ihnen durchaus gehen.
„Den kleinen Hämpfling schaff ich sogar alleine, Mama-san! Worauf warten wir?“
entrüstete sich das Mädchen und schlug, dies zu Unterstreichem zum Zweck, dem nächst
besten Räuber auf die Nase.
„Wir müssen erst herausfinden, ob er wirklich allein ist, mein Goldkelchen. Nicht
auszudenken, wenn uns der größte Fang durch die Lappen geht!“
Die berittene Räuberin, die auf einem zotteligen Haflinger saß, strubbelte ihrem
Töchterchen durch die Haare, die die Zügel des gutmütigen Tieres hielt.
„Aber du hast Recht, mein Himbeerchen, der arme Trottel hat sich ganz allein im Mamas
Wald gewagt, und so jagen wir ihn auch hinaus! Aber zum Trost wollen wir ihm doch
etwas von seiner Last abnehmen, damit er ohne sein Pferdchen nicht zu schwer zu
tragen hat. Wie sind schließlich kultivierte Leute!“
„Und den Gaul braten wir? Das wird ein Schmaus!“ Das junge Mädchen rieb sich die
Hände, Kenya allerdings wurde zusehens nervöser, was auch Kai alarmierte. Doch er
konnte die erfahren Waldgänger weder sehen, noch ihre flüsternden Gespräche hören.
Irgendetwas stimmte hier nicht, aber was, das konnte er nicht beim besten Willen nicht
sagen.
„Mein Honigtörtchen, das Pferdchen wollen wir aber doch nicht essen. Ein so edles Tier
wird verkauft, das gibt auch noch mal einen Batzen Gold. Dann kannst du dir beim
Waffenschmied ein neues Messer kaufen.“
„Ach Mama-san, was soll ich´s kaufen, wenn ich´s doch ebenso gut stehlen kann?“
fragte die Tochter mürrisch.
„Mein kleines Wühlmäuschen, du hast den Geschäftssinn deiner Mutter!“ lobte diese sie
stolz.
Doch der Späher meldete sich zu Wort: „Mama-san, der Junge riecht Lunte. Jetzt oder
nimmermehr!“
„DANN JETZT!!!!“, schrie die Anführerin, und Kai, der gerade auf Kenya hatte aufsitzen
wollen um Land zu gewinnen, sah sich von einer Horde hässlicher und übel
dreinblickender, zahnfauliger Männer umgeben, die ihn von seinem Hengst wegzerrten
und in wenigen Sekunden von seinem Fell und auch von dem verzierten Messer von
erleichtert hatten.
Doch Kenya ging es nicht besser. Zwar sah er Dank der Anführerin nicht einer Zukunft
als Rollbraten entgegen, doch bedrängt von all den stinkenden Männer, die ihm ruppig
von Sattel und Zaumzeug befreiten, wurde er ängstlich, in seinem Fall offensiv. Erst ein
Hühne, der ihn an der Mähne packte und mit der anderen Hand am Maul drückte,
beruhigte er sich. Gezwungener Maßen.
Bis auf den Riesen, der Kenya in seiner Schraubstockumarmung gefangen hielt, wanden
alle Räuber die Aufmerksamkeit auf den Jungen.
Ebenso die beiden Frauen.
„Was für ein hübsches Messerchen! Hier mein Täubchen, wäre das etwas für dich?“
Sie legte das Meisterwerk aus Tashiros Waffenschmiede in die Hände ihrer Tochter, und
diese betrachtete es freudig.
„Danke Mama-san, du bist so lieb!“ Sie gab ihrer Mutter einen Kuss auf die staubige
Wange und verstaute das Messer unter Kais bösen Blicken an ihrem Gürtel.
Doch dann sah er, dass nur ein Mann bei seinem Hengst stand und entschied sich
wenigstens seinen vierbeinigen Freund zu retten. Er versuchte es mit einer etwas
ungewöhnlichen Methode.
„Kenya, du sture Mähre, sie zu das du endlich läufst, oder es setzt was!“ schrie dem
Hengst entgegen. Die Bande guckte zwar verdutzt, aber der junge Mann lächelte
überlegen. Wenn Kenya etwas hasste, dann im Befehlston angeschrieen zu werden. Und
ausnahmsweise zu Kais großer Freude reagierte der junge Rappe wie genau wie erwartet.
Er bockte.
Buckelnd und um sich tretend und beißend vertrieb er den unliebsamen Störenfried, der
ihn gepackt hatte. Der Räuber hatte schnell klein bei geben müssen, um sich keinen
Pferdekuss einzufangen. Als das Tier aber plötzlich frei dastand, wusste es nicht weiter.
Der Hengst wand sich zu Kai um, darauf wartend das sein junger Herr sich auf seinen
Rücken schwang und mit ihm davonzujagen. Kai hätte dies auch gern getan, aber er
konnte nicht. Stattdessen rief er in beschwingter Tonlage: „Kenya, lauf heim, mein
Hübscher! Lauf schon.“
Der gewollt fröhliche Ton beruhigte den Hengst, und er schien zu verstehen. Er jagte
davon, in Richtung des Königreiches, das noch immer im Freudentaumel eine Heirat
bejubelte.
„Dem Dreckburschen schneid ich die Kehle durch!“ donnerte einer der Räuber, doch seine
Anführerin hielt ihn zurück.
„Na, na, wer wird denn gleich!“, sagte sie freundlich und schlug den Räuber danach von
oben K.O..
„Dieses schlaue Köpfchen sollte auf seinem hübschen Hals bleiben.“
Sie wandte sich Kai wieder zu, der vor Schreck rücklings gestolpert war und nun auf dem
Boden saß.
„Ich bin die stolze Herrin dieser Truppe, nenn mich Mama-san, Kleiner! Das tun hier
sowieso alle.“ sagte sie, lachte und stieg vom Pferd.
„Und dies hier ist mein ganzer Stolz, meine Tochter Kumiko!“ Sie zeigte auf das Blonde
Mädchen, das ich schon zu Kai hinüberbeugte.
„Wie heißt du denn?“
„Kai.“ antwortete er kurz angebunden. Das Mädchen war ihm nicht geheuer.
Nachdem sie ihn betrachtet hatte, wand sie sich ihrer Mutter zu.
„Der ist niedlich, Mama-san, darf ich den behalten.“
Kai entglitten die Gesichtszüge, was in der Räuberbande schallendes Lachen auslöste.
„Nun mein Kätzchen, du weißt was mit dem letzten passiert ist…“
„Ich vergess nicht ihn zu füttern, versprochen. Ich will doch nur einen Spielgefährten. Ich
nehm ihn mit in mein Schlösschen, da kann mir Geschichten erzählen und mir die Haare
flechten. Und wenn er nicht mag, dann pieks ich ihn mit meinem Messer, da wird er mir
schön gehorchen!“
Kai verfolgte mit Entsetzen, das Gespräch zwischen Mutter und Tochter. Und je mehr
Kumiko von sich gab, desto angenehmer schien die Vorstellung bei den Räubern zu
bleiben. Allein mit DER???
Doch Mama-san machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Sie wiegelte mit dem Kopf
und sprach mit Kai, als wolle sie ihre Erziehung entschuldigen. „Ich verwöhne sie viel zu
sehr, aber ich kann ihr einfach keinen Wunsch abschlagen.“
Dann rief sie den Späher heran. „Er scheint doch etwas zu kräftig, für meine Kumiko.
Bind ihm die Hände und Beine zusammen. So das er sich noch gut bewegen, aber auch
nicht fliehen kann. - Wenn der alte Nakajima fertig ist, darfst du ihn haben,
Butterblümchen!“
„Oh Danke Mami!“ rief Kumiko und drückte ihre Mutter überglücklich, während sie ihr
Gesicht mit Küsschen überhäufte.
Nakajima kettete Kai mit festen Eisen die Fußknöchel so zusammen, dass er zwar noch
relativ ungehindert gehen, aber auf gar keinen Fall rennen konnte. Flucht war also nicht
drin.
Danach band er mit festen Seilen sein Hände zusammen. Dabei flüsterte er ihm zu.
„Besser du tust immer, was sie dir sagt. Die Kleine wurde vom Wahnsinn geküsst, denke
ich. In einem Moment ist sie fröhlich, im nächsten übellaunig wie eine Furie. Ich möchte
nicht in deiner Haut stecken, sollte sie mal zornig auf dich sein. Halt lieber die Füße still,
Junge.“
Er klopfte Kai auf die Schulter und nickte seiner Chefin zu.
Kumiko zog Kai auf die Beine, klopfte ihm grob den Dreck ab, und betrachtete ihr neues
Spielzeug, offenbar zufrieden.
„Jetzt guck nicht so.“ bat sie zuckersüß. „Wie können ne Menge Spaß zusammen haben.
Und solange wir uns nicht verkrachen wird dir auch keiner was tun! Wirst sehen, das wird
lustig mit uns!“ Sie zog ihn weg, und Kai stolperte hinterher.
„Ich zeig dir erst mal wo wir wohnen. Nakajima komm, bring seine Sachen.“
Nakajima lud sich also den Mantel auf und folgte dem Mädchen mit Kai im Schlepptau.
Diesem war bis auf das Fell nichts geblieben. Das Gold und das silberverzierte
Zaumzeug, das Itsuki ihm geschenkt hatte behielt die Bande. Sein Messer und den
wenigen Proviant hatte Kumiko sich eingesteckt, und seinen Mantel in den die Fellstulpen
und Handschuhe eingewickelt waren, trug Nakajima seiner jüngeren Chefin hinterher.
Diese führte ihn zu einer zugewachsenen Burgruine. Im Keller, dem einzigen intakten
Raum, hatte sie sich recht wohnlich eingerichtet. Eine Treppe führte hinunter. Ein Bett
mit kuschligen Fellen, erinnerte Kai wie müde er war. Schalen mit Obst und
Kerzenleuchter verliehen dem Raum einen gewissen Glanz. Im hohen Fenster, das sich
von außen betrachtet kaum zwei Ellen über dem Erdboden befand, klimperte ein
hölzernes Windspiel.
Und in einer Nische des Raumes vernahm der junge Mann ein verdächtiges Kratzen
hinter einer Holztür. Auch Kumiko hörte es. „Sei still Kyosuke, ich geh ja gleich und hol
dir was!“
Dann wandte sie sich an Nakajima, der gerade den Mantel auf dem Polster einer
verzierten Holzbank ablegte. Sie war am Boden mit sehr groben Füßen gestützt. Sie
stammte offenbar aus einer Kutsche und war von den Räubern herausgebaut und
zimmertauglich gemacht worden. Die ganze Einrichtung war buchstäblich
zusammengeklaut.
„Nakajima, mein Lieblingsonkel. Fütterst du mein Rentier?“
„Aber ja, Kumi-chan, nur einen Moment.“ antwortete der in einer Tonlage die verriet, das
er das eigentlich immer tat und trollte sich aus dem Zimmer.
Dann schupste sie den überrumpelten Kai zum Sofa hinüber, der Probleme bekam auf
den Füßen zu bleiben, da ihn die Fussfesseln doch behinderten. Zögerlich setze er sich
auf das rote Polster und Kumiko ließ sich neben ihm fallen und kicherte dabei.
„Meine Güte, bist du aber tollpatschig, du wärst beinah böse gestolpert!“ lachte sie.
„Lauf du doch mal mit den Fußkettchen rum!“, knurrte er, aber sie störte sich nicht an
dem Ton. Vielmehr schien es sie zu belustigen das ihr neuer Spielgefährte schlecht gelaunt war.
„Nöö, ich lass dich lieber damit rumlaufen. Sie stehen dir sowieso viel besser als mir.“
Mit diesen Worten zückte sie Kais Messer, sodass der eigentliche Besitzer vorsorglich
etwas Abstand suchte. Man wusste ja nie bei einem Mädchen wie diesem. Dabei hatte er
doch keine Zeit für so was!
Er könnte unlängst im Reich des Schneekönigs sein, stattdessen hockte er mit dieser
Irren hier und spielte Haustier.
„Hab keine Angst, ich will dir nichts Böses!“
„Na wie beruhigend…“
„Du bist lustig, wen du so rumknurrst.“, freute sie sich. „Wenn du brav bist, mach ich
deine Hände los! Also, bist du lieb und hörst auf mich?“
Ein mürrisches Grummeln genügte ihr als Antwort und sie durchtrennte ohne viel
Kraftaufwand die Fesseln an den Händen des jungen Mannes. Kai rieb sich daraufhin die
leicht gereizten Handgelenke.
Kumiko hingegen betrachtete erstaunt das Messer. „Das ging aber leicht, dieser kleine
Dolch ist ein echtes Meisterstück. Woher hast du den?“
„War ein Geschenk…“
„Dann bedeutet er dir wohl viel?“ bat sie lieb.
„Ja, das tut er!“ zischte er sie an.
Etwas traurig steckte sie den Dolch weg. Und die beiden schwiegen sich an.
Nakajima löste die verkrampfe Stimmung, als er mit zwei Eimern, einer mit frischen
Wasser, der andere mit Futter gefüllt, die Treppen hinunter stapfte, und dabei schnaufte
er mächtig.
Er schickte sich bereits an, die Tür zum Rentier zu öffnen, doch Kumiko funkte ihm
dazwischen. Allerdings erstaunlich liebenswert.
„Onkelchen Nakajima? Lass mal, den Rest erledigen mein neuer Spielgefährte und ich!“
Nakajima nickte und wand sich gen Treppe, in der Absicht ans Lagerfeuer zurück
zukehren, wo gerade die Unglückskannichen des Tages über dem Feuer brutzelten.
Kai aber zog eine Augenbraue hoch und sah die Räubertochter herausfordernd an. Ihm
war nicht bewusst wie gut er dabei aussah, und zum ersten Mal in ihrem jungen Leben
war Kumiko wegen eines Mannes verlegen.
„Ich … ich dachte wie füttern Kyosuke zusammen? Mh?“
„Ich weiß auch schon wer die Eimer in den Stall tragen darf.“ meinte Kai gespielt zynisch.
So schüchtern wie sie war, erinnerte sie ihn an die kleine Yuki aus seiner Heimat, die
auch Gefallen an ihm gefunden hatte. Doch Frauen würden es schwer bei ihm haben,
soviel hatte ihm die Reise schon gezeigt. In seinem Herzen hatte sich der Fremde Mann
mit dem vibrierenden Bass in der Stimme bereits erstaunlich fest verankert.
Doch das war kein Grund nicht nett zu ihr zu sein. Zum einen schien sie im Grunde ihres
Herzens doch ein liebes Mädchen zu sein zum zweiten würde Kai einen Komplizen
brauchen das Räuberlager verlassen und in das Reich des Schneekönigs zu gelangen.
So trug er versöhnlich die Eimer in den Stall, der eigentlich ein umfunktioniertes
angrenzendes Zimmer war. Kumiko schloss die Holztür und stapfte durch das hohe Heu
an Kai vorbei.
In dem Zimmer stand ein prächtiges Rentier in den mittleren Jahren, das aufmerksam zu
Kai hinüberblickte.
Kumiko schlang die Arme um den kuscheligen Hals des Tieres und knuddelte es
ordentlich durch.
„Ist er nicht wunderschön, mein Kyosuke?“ strahlte sie. Kai bemerkte erneut wie kindlich
sie eigentlich war.
„Ein hübsches Tier.“ bestätigte er mit dem sanften Lächeln eines großen Bruders.
„Ja, nicht? Wenn man bedenkt, das diese dummen Räuber ihn fressen wollten. Aber ich
habe ihn gerettet und manchmal reiten wir zusammen aus!“
Kai, der dem Rentier gerade sein Abendessen servierte, war erstaunt: „Er läuft dir nicht
davon?“
„Nein“ grinste sie und vergrub ihr Gesicht in dem weichen Fell. „Er hat mich eben lieb.“
Und tatsächlich hob Kyosuke die Schnauze aus dem frischen Wasser und beschnupperte
Kumiko um ihr dann über das Gesicht zu schlecken.
„Iiiewaah, Großer! Hör auf mich voll zu sabbern!“
Kai ließ sich ins Heu sinken und lehnte sich an die Wand. Kumiko ließ ihren Liebling in
Ruhe fressen und ließ sich neben ihm nieder.
„Du magst deinen Kyosuke sehr gern nicht?“ (1)
„Mhm. Ich habe hier nicht viele Leute zum reden, weißt du.“ sie wiegelte traurig den
Kopf. „Mama-san lässt mich alles haben was ich will. Und die Bande, sind zwar rohe
Kerle, aber zu mir sind sie immer nett. Trotzdem, es ist eben niemand hier, mit dem ich
richtig gerne zusammen bin.“
Sie zögerte. „Aber jetzt bist du ja da!“
„Kumiko, ein Rentier das du laufen lässt, aber das zu dir zurück kommt, hat dich gern.
Aber ein Freund in Ketten ist kein Freund. Nicht richtig!“
Er sah sie forschend an, um herauszufinden, ob sie es richtig verstanden hatte.
„Du bist also nicht gerne hier…“ stellte sie bedrückt fest.
„Das hab ich nicht gesagt. Aber ich bin nicht freiwillig hier, und das macht es nicht
besser.“
„Du-du meinst wegen den Ketten?“, sie deutete auf seine Füße. „Bleibst du denn wenn
ich dich los mache.“
„Nein.“ sagte Kai ehrlich und Kumiko blickte verletzt weg. Kyosuke, der mit Fressen fertig
war, legte sich neben seine Freundin ins Heu und ließ sich die Schnute kraulen.
„Das liegt aber nicht daran, dass ich dich nicht mag.“ bat er lieb. „Aber ich habe etwas
wichtiges zu tun! Kumiko, bitte! Ich muss weiterreisen. Wenn ich bleibe, dann wird
Menschen die mir viel bedeuten, etwas Furchtbares zustoßen. Hilf mir, Kumi-chan!“
Sie wandte sich mit Tränen in den Augen zu ihm um. „Warum lassen mich denn immer
alle alleine? Wo willst du denn hin, Kai? Du bist doch gen Norden gereist? Aber dort
befindet sich nur das Reich der Schneekönigin! Nur Eis und Kälte und niemals Frühling!
Was willst du denn da?“
Einmal mehr war Kai kurz davor alles Preis zu geben. Er hatte keine Wahl. Er war auf
Kumikos Wohlwollen angewiesen.
„Glaubst du denn an das Märchen der Schneekönigin, Kumi-chan?“
„Ja klar. Eine Schneefrau, die den Spiegel der Teufel kaputt gemacht hat. Sie ist ja
praktisch unsere Nachbarin. Ich meine- ich hab sie nie getroffen oder so. Und die Männer
glauben ich hab ´nen Knall. Aber ich denke dass es sie gibt. In dem Land, das hinter das
Gebirge an unseren Wald grenzt, ist immer Schnee. Niemals, seit Generationen schon,
soll es dort keinen Frühling mehr gegeben haben.“ berichtete sie ihm.
„Kann ich mir vorstellen. Kumiko, ich muss dir etwas erzählen.“ gestand er. Jetzt oder
niemals. Wenn er Kei retten wollte, musste er hier weg. Und das ging nun mal nur mit
Hilfe.
„Eine gute Nacht Geschichte?“ freute sie sich. Auch das Rentier sah in neugierig an, als
würde es Kai verstehen.
„Nun ich fürchte nicht. Ich weiß nämlich noch nicht wie die Geschichte ausgehen wird.“
druckste der junge Mann herum, verzweifelt nach einem passenden Einstieg suchend.
„Macht nichts.“, versuchte Kumiko ihn aufzumuntern. „Ich werde mir ein fröhliches Ende
für dich ausdenken.“
Kai lächelte sie warm an. „Das wäre wirklich schön. Also pass auf, die Geschichte beginnt
in meiner Heimatstadt…“
Auf Kumikos bittenden Blick hin, nahm er das liebe Mädchen in den Arm. Er vertraute ihr
einfach ALLES an. Und während er seine traurige Trennung von seinem Bruder schilderte
und von seiner folgenden Reise berichtete, wurde sie immer ruhiger und kraulte nervös
Kyosukes Nase.
Als Kai endete, mit der Gefangennahme durch Kumikos höchsteigene Räuberbande, war
sie eine Weile still.
„Wie furchtbar, er hat deinen Bruder geholt.“ repetierte sie die Ereignisse.
„Ich weiß nur leider nicht warum. Ich habe keine Ahnung, was zu tun ist, wenn ich dort
bin.“
„Aber der Mann aus deinem Traum hat doch gesagt, dass du da hin sollst! Das wird sich
dann schon finden.“
„Dazu muss ich aber erst mal hinkommen, Kumi-chan…“ meinte er mit vielsagender
Stimme.
„Das heißt, dass ich dich gehen lassen muss.“ stellte sie traurig fest.
„Sonst ist mein Bruder verloren.“ entgegnete er.
Für eine Weile blieb sie still. „Es ist das erste Mal seit langen, das ich jemandem in
annähernd meinem Alter begegne. …und dann noch jemand der so lieb ist.“ Sie blickte
rotwangig zu ihm hinauf. Er strich durch ihr Haar, und sie lächelte, zögerte.
„Bleib noch über Nacht. Wenn du morgen in der Früh aufbrichst, reicht es auch. Die
Bande säuft sich so sturzbesoffen, die wachen vor Mittag nicht auf.“
„Ich danke dir Kumiko!“ sagte er und küsste ihr Haar.
„Trotzdem möchte ich früh los. Ich hab schon Zeit verloren. Und ohne meinen Hengst
Kenya wird es noch länger dauern.“
„Wolltest du ihn mitnehmen. In das Frostreich!?!“
„Nur bis zur Grenze, dann hätte ich ihn zurück zum Schloss Tachibana geschickt. Er wäre
erfroren, hätte ich ihn mitgenommen.“
„Kai, nimm Kyosuke mit. Er kennt sich im Eis aus. Er kann dich vielleicht nicht bis direkt
vor ihr Schloss tragen, aber weiter als ein Pferd es könnte. Er stammt von da.“ plapperte
sie ganz aufgeregt.
„Das wäre wirklich hilfreich. Aber woher willst du denn wissen, woher er kommt.“
„Na weil er es mir gesagt hat?“ meinte sie bierernst.
Kai grinste breit, über das naive Mädchen. „Bist du dir sicher, Kleines.“ fragte er sie
väterlich, mit einem Tonfall der kundtat, das er ihr nicht glaubte.
Ihr fiel das auch auf. „Ach komm schon, Kai. Nach einer Schnee… Einem Schneekönig,
fliegenden Schlitten und sprechenden Raben, solltest du mir ruhigen Gewissens Glauben
schenken können!“ rügte sie ihn.
„Nun, das stimmt schon. Dennoch, Raben sind magische Geschöpfe, das weiß jedes Kind.
Aber sprechende Rentiere, Liebes? Kyosuke ist sicher großartig, aber ich denke nicht das
er sprechen kann.“
Das Tier erhob sich daraufhin und nahm auch den Kopf von Kumikos Schoß und
schnaubte Kai wütend ins Gesicht. „Nur weil wir mit euch Menschen nicht sprechen,
heißt das nicht, dass wir nicht sprechen können. Und ja, ich bin großartig!“
Für einen Moment blieb Kai nur mit hängender Kinnlade vor ihm sitzen. Dann besann er
sich, um sich zu entschuldigen: „Verzeih mir bitte, Kyosuke, ich stand nicht in meiner
Absicht dich zu kränken.“
„Jaja, schon gut. Ich hab ja alles gehört und ich werde dir helfen. Ich kenne mich
tatsächlich im Reich des Schneeprinzen aus. Aber bis vor das Schloss, wage ich mich
nicht.“
„Prinzen???“ riefen Kai und Kumiko im Chor.
„Er hat sich noch keinen Gefährten gewählt. Sie oder er muss keine Prinzessin oder Prinz
sein, aber erst wenn der Herrscher des Winters sich einen Partner gesucht hat, wird er
zum König werden. Aber das ist unwichtig. Seine Macht ist deshalb nicht geringer. Und
ich weiß auch nicht, ob er überhaupt einen Gefährten will.“
„Was will er dann von meinem Bruder?“
„Wenn man den Quellen glauben schenken will, versucht der Eisprinz den Spiegel wieder
zusammen zu setzen. Dafür braucht er die Hilfe von Menschen. Der Spiegelsplitter in Keis
Herzen verleiht deinem Bruder vermutlich die Fähigkeit, die anderen Teile
zusammenzufügen.“
„Verstehe.“ sagt Kai tonlos.
Kyosuke rieb den Kopf an seiner Wange. „Geht jetzt schlafen, der Tag morgen wird lang.
Vorallem für dich und mich, Kai.“
Kai und Kumiko erhoben sich, und Kai ging schon Richtung Bett. Kumiko zögerte noch.
Kyosuke sah sie liebevoll mit treuen dunkeln Augen an. „Ist das in Ordnung für dich?“
Sie nickte tapfer „Ein Rentier das du laufen lässt, aber das zu dir zurück kommt, hat dich
gern.“ zittierte sie.
„Ich werde zu dir zurückkommen, Kumiko. Denn ich hab dich sehr, sehr lieb!“
Sie fiel ihrem Rentier um den Hals und schniefte in sein Fell. „Kai“, rief sie hinter sich.
„Ich werde im Heu schlafen, hier bei Kyo-“ sie zögerte, als sie eine Decke auf ihren
Schultern spürte. Als sie sich umsah, stand Kai mit Kissen und einer weiteren Decke da.
„Dachte ich mir schon. Aber Kumiko, könntest du mich von diesen Dingern befreien?“
Kumiko knackte fachmännisch das Schloss der Eisen an Kais Fuß. Danach schliefen die
drei bis zum frühen Morgen, Kumiko in der Mitte, eng an ihren Rentierfreund gekuschelt.
Kai hielt sie von hinten in einer wärmenden Umarmung. So weit nördlich war es doch
recht frisch. Seit langem hatte er nicht solche Geborgenheit empfunden. So war er auch
etwas mürrisch als Kyosuke sie am Morgen weckte.
Im Reich Eis und Schnee: Eine stürmische Begegnung
Kumiko gab ihm bereitwillig alle seine Sachen zurück. Das war auch gut so. Der Mantel
und die anderen Sachen waren lebensnotwendig, wenn man in dem Reich des Eisprinzen
eine Weile überleben wollte. Nur bei dem hübschen Dolch tat sie sich etwas schwerer.
Hätte sie nicht gewusst, wie viel er Kai bedeutete, sie hätte ihn wohl behalten.
Auch ihrem geliebten Kyosuke legte sie eine wärmende Ponydecke um, und schnallte sie
vor der plüschigen Brust des Rentieres gut fest. Zwar war der gute Kyosuke an kalte
Temperaturen gewöhnt, das hieß aber noch lange nicht, dass er nicht erfieren konnte.
Sie machte sich eben Sorgen und er ließ es gütig über sich ergehen.
Klärchen quälte sich in ihrem orangroten Morgenmantel grade über dem Horizont den
Himmel hinauf, als Kai vorsichtig auf dem Rücken des lieben Tieres aufsaß. Kumiko hatte
sie ein Stück vom Lager wegbegleitet. Wie sie vorhergesagt hatte, schlief die
Räuberbande noch tief und fest und schnarchte so laut, das es einen schon verwundern
konnte, dass der Wald noch an Ort und Stelle stand.
Nun hieß es schon wieder Abschied nehmen, und obwohl Kyosuke versprach bald wieder
zurück zu sein, weinte Kumiko. Das erste Mal seit Jahren, weil sie Angst um ihn hatte.
Kai versprach ihr hoch und heilig auf ihn aufzupassen, auch wenn es wohl eher
umgekehrt der Fall sein würde.
Dann zogen die beiden los. Sie ließen die junge Räubertochter zurück, die noch lange
winkte. Kyosuke, der wesentlich kräftiger war, als es den Anschein machte, verfiel recht
schnell in einen Galopp. Sie hatten recht schnell den Fuß des Gebirges erreicht. Kai stieg
ab und sie erklommen gemeinsam einen schmalen Pfad, der sie zu einem Pass führen
sollte. Kai folgte dem erfahrenen Rentier und versuchte sein Füße nach dessen Spuren zu
setzen. Hinunterschauen mochte er lieber nicht, denn neben dem schmalen Pfad, der sich
den Berg hinauf schlängelte fiel es rasch, sehr, sehr steil ab.
Endlich am Pass angekommen wurde es endgültig bitterkalt. Kai hatte den dicken Mantel
schon vor einer Weile übergeworfen, aber nun wurde es Zeit auch in die Stiefel und die
dicken Handschuhe zu schlüpfen.
Vor ihm erstreckte sich eine riesige Schneelandschaft. So weit das Auge sah, und sie
standen immerhin auf einem Berg, war nur glitzerndes Weiß. Sanft fielen die
Schneeflocken vom Himmel und tanzen solange im sanften Windhauch, bis sie auf den
Boden glitten und zusammen mit ihren Brüdern und Schwestern zu einem Teil dieses
riesigen Teppichs vereinten, der vom Fuße des Berges bis hinter den Horizont zu reichen
schien. Es war wie eine Welle aus weißen Silber der unter dem wolkenlosen blauen
Himmel die mittlerweile hoch stehende Sonne schimmernd reflektierte. Nur über dem
Berg hatten sich weiße Wolken zusammengezogen, sie ihre glitzernden Kinder auf den
Winterball zu schicken gedachten.
Es war atemberaubend.
Doch was Kai am meisten in erstaunen versetze, war der Weg, der zum Silbermeer
hinabführte. Eine breite Treppe aus weißem Mamor führte den Berg hinab und machte
jedem klar das er sich im Reich eines mächtigen Magiers befinden musste.
Seite an Seite schritten sie behutsam die scheinbar unberührten Stufen hinab. Der Weg
war für Kai wesentlich bequemer, doch Kyosuke stakste unsicher herum. Es fiel ihm
schwer mit den Hufen sichern halt auf den spiegelglatten Stufen zu finden. So gingen sie
eben sehr langsam, erreichten aber sicher ihr Ziel. Unten angekommen wollte Kai ein
Schluck aus der Feldflasche zu nehmen. Dies erwies sich als etwas schwierig, den das
Wasser war gefroren.
„Na dann eben nicht!“ frozelte er die Flasche an, sein Atem gefror Augenblicklich und er
steckte resigniert das Wasser weg.
Kyosuke hatte die Szene beobachte und riet ihm einen Eiszapfen von einem der
Felsvorsprünge abzubrechen. Gesagt getan und Kai lutschte eben sein Wasser.
„Steig auf, mein Junge. Wenn wir heut Nacht ein Lager finden wollen, in dem wir in der
Dunkelheit nicht festfrieren, müssen wir noch ein ganzen Stück hinter uns bringen.“
Sie jagten bereits Stunden durch das ewige Eis so schien es, doch nichts anders war zu
sehen als Eis und Schnee. Wären die Berge hinter ihnen nicht nach langer Zeit hinterm
Horizont verschwunden, man hätte meinen können, sie hätten sich nicht von der Stelle
bewegt.
Sei einiger Zeit schaute Kyosuke öfter mal besorgt in den Himmel. Auch Kai war nicht
entgangen dass es dunkler geworden war. dabei konnte es erst später Nachmittag sein.
Doch über ihnen hatten sich bedrohlich graue Wolken aufgetürmt, die die Sonne nicht
hindurch ließen. Es auch noch einmal um ein vielfaches Kälter geworden und Kai hatte
sich ein Halstuch vor Mund und Nase gebunden, um sein Gesicht vor Erfrierungen zu
schützen. Durch den eigenen Atem angewärmt herrschte ein recht angenehmes Klima
darunter, auch wenn es für Kais empfinden etwas zu muffig roch. Er hatte es im Mantel
gefunden. Das Haarband seiner Mutter trug er noch immer ums Handgelenk, und es gab
ihm Kraft, wenn er kurz davor war einzuschlafen und von Kyosukes Rücken zu fallen.
Dabei war es das Rentier, das die gesamte Arbeit machte, er musste sich nur ein
bisschen zusammenreißen, dann ging das schon.
Aber er hatte arge Probleme. Der Wind peitschte ihm seit geraumer Zeit immer heftiger
ins Gesicht und dicke Schneeflocken durchnässten nach und nach sein Tuch, es gefror
langsam selbst und war kaum noch ein Schutz. Er konnte wage einige Umrisse erkennen,
die sich dunkel zwei, drei Meter aus dem Boden erhoben.
Als sie näher heran kamen, wurde klar, dass es sich um dunkele Felsen handelte, die
offenbar aus Onyx bestanden.
Kyosuke hielt an, und wies Kai liebevoll an abzusteigen. Der junge Mann rutschte mehr
hinunter als das er freiwillig abstieg. Nur Kyosukes vorsichtiges Anstupsen mit der
warmen Nase bewegte Kai dazu, sich an seinem Freund hinauf zu ziehen und, vom
diesem gestützt, die letzen Schritte in den Windschatten der mannshohen Halbedelsteine
zu schlürfen. Er setze sich, eng in seinen Fellmantel gekuschelt auf einen flachen, breiten
Stein und Kyosuke klackerte mit seinen Hufen, als er im Begriff war, sich daneben zu
legen. Kais linke Flanke wärmend legte er seinen Kopf in dessen Schoß. Und nun, da er
einen Moment Ruhe hatte, fing Kai fürchterlich zu zittern an. Er drängte sich instinktiv
enger an seinen Freund, saugte begierig die dargebotene Wärme in sich auf. Doch das
schien es nur noch schlimmer zu machen. Erst dadurch, das er seinem Körper von außen
Wärme zuführte, merkte er, wie viel Verlust er daran erlitten hatte. Hätte Kyosuke nur
etwas länger gewartet, Kai wäre auf seinem Rücken im Schneesturm erfroren. Dem
Himmel sei Dank, hatte das bewanderte Tier den schlechten Zustands seines Partners
bemerkt und schnell reagiert. Doch wäre die Felsengruppe nicht hier im Eis gestanden,
hätte er kaum etwas tun können.
„Du bist ein kleiner Pechvogel, wir mir scheint, mein Lieber?“ fragte er die Blonde
Frostbeule nach einer Weile um ihn wach zu halten.
„Wie mheinst duh dassss?“ fragte Kai schlotternd.
Kyosuke grinste ihm lieb zu, und zog dabei eine herrliche Schnute, mit seiner
Rentierschnauze, sodass Kai lieb zurücklächeln musste. „Na erst läufst du in ein
Fangnetz, dann lässt du dich von korrupten Soldaten einfangen, dann von einer
Räuberbande entführen und landest zu guter Letzt in einem mächtig bösen
Schneesturm.“ sinnte Kyosuke über die Tiefpunkte von Kais Reise nach.
„Tja tut mir Leid. Ich fürchte es war nicht gerade eine Glanzleichtung, die ich an den Tag
gelegt habe.“ antwortete er schwach.
„Kannst ja nix dafür.“ versuchte seine fellbedeckter Freund ihn auf zu bauen. “Du hast
großen Mut bewiesen, und bist allen schlechten Umständen bisher entkommen. Das ist
doch ne Leistung. Dein Bruder wird stolz auf dich sein.“
„Wenn…er überhaupt noch weiß…. wer …wer ich bin.“ flüsterte Kai. Er war schon wieder
dabei einzuschlafen. Kyosuke wusste sich nicht anders zu helfen und schleckte dem
jungen Mann mitten übers Gesicht. Uns es half. Schimpfend und vor allem wieder bei
Sinnen wischte sich Kai den Sabber aus dem Gesicht.
„Was glaubst du wann das Gestürme wieder aufhört.“ fragte er ihn und das Rentier
schüttelte sein zottiges Haupt. „Schwer zu sagen. Stürme kommen und gehen hier sehr
schnell.“ Er zögerte. „Doch sehr viel weiter kann ich dich nicht tragen. Ich bin schon
weiter in das Eisreich vorgedrungen, als mir lieb ist.“
„Sag, woher kennst du dich hier so gut aus?“ wollte Kai nun wissen. Er wusste, das er
noch nicht einschlafen durfte. Sein Körper war noch so ausgekühlt, das er fürchtete nicht
wieder aufzuwachen.
„Es mag sich merkwürdig anhören, aber ich habe eine Freund hier. Doch ich fürchte mich
vor dem Winterherrscher zu sehr, als das ich ihn oft besuchen würde. Außerdem gibt es
jemanden der auf mich wartet.“ Plötzlich lächelte Kyosuke warm. Es war klar das er an
Kumiko dachte.
„Du magst sie sehr.“ stellte Kai doppeldeutig fest. „Aber du, du bist ein Rentier.“
„Das war nicht immer so…“ murmelte der Angesprochene. Kai sah ihn fragend an.
„Ich kam als junger Bursche von fünfzehn Lenzen mit einem Freund hierher um nach der
Schneekönigin zu suchen.“
„Und ihr habt einen Eisprinzen gefunden.“ schlussfolgerte Kai.
„So ist es. Er ist wunderschön, so sehr das es wehtut. Aber er kann menschliche Wärme
nicht ertragen. Mein Freund hat sich zu ihm hingezogen gefühlt. ich hingegen hatte Angst
vor seiner Erscheinung.“
Kai errötete, was auf seinen blassen Wangen überdeutlich zu Vorschein trat. „Du- du
meinst dein Freund hat sich in IHN verliebt?“
„Nun nein. Er hat ihn lieben gelernt, daran zweifle ich nicht, aber auf einer anderen
Ebene. Nachdem wir den Eisprinzen ausfindig gemacht hatten, ließ er uns eine Weile im
Schloss bleiben. Einem Palast aus Eis. Mein Freund sagte immer, das er sehr einsam ist,
und deshalb unser Anwesenheit duldete.“ Er rutsche etwas herum, um es sich bequemer
zu machen bevor er weitererzählte. „Weißt du, mein Freund und ich sind im gleichen
Alter gewesen, trotzdem hat er mich immer beschützt. Er war immer wie ein großer
Bruder für mich gewesen. Doch nach einiger Zeit im Palast merkte ich, das er alles daran
setzte den Eisprinzen glücklich zu machen. Er versuchte ihm ein Freund zu sein und ihm
seine Einsamkeit zu nehmen.“
„Kai legte den Kopf schief. Ohne ein Quäntchen Anklage in der Stimme fragte er: „Warst
du eifersüchtig?“
Kyosuke lachte bitter auf. „Nein, nicht wirklich. Aber ich hatte Angst um ihn. Wie gesagt,
der Eisprinz meidet menschliche Wärme. Impulsive Menschen, mit Feuer im Herzen,
erträgt er nicht. Um ihm nahe sein zu können, zügelte mein Freund sein Feuer und
schloss es sicher in sich ein. Seine Spontanität, sein Humor schien abgestorben. Als wir
zusammen waren, haben wir immer viel gelacht, doch nun lachte er gar nicht mehr. Ich
hatte den Eindruck, als würde er alle seine Gefühle unterdrücken, um ihm nahe sein zu
können. Und das war auch so!“
„Und das hat dir Angst gemacht.“ meinte Kai traurig.
„Ja, es hat mir Angst gemacht, schrecklich Angst sogar.“ seufzte Kyosuke. „Mein Freud
hat sich sehr verändert, und ich hab es nicht verstanden. Am Anfang dachte ich er hätte
sich in ihn verliebt, wie du schon sagtest. Aber seine Gefühle bewegen sich auf einer
anderen Ebene. Er würde sterben für den Eisprinzen, so war es damals und so ist es bis
zum heutigen Tag.“ Kyosuke kuschelte sich nachdenklich an Kai an.
„Ich fürchtete ihn zu verlieren, ihn an seiner Zuneigung zu Grunde zu gehen sehen. Also
wollte ich ihn dazu bewegen mit mir zu kommen. Nach Haus zu kommen. Doch er sagte
er würde nicht folgen. Ich dachte, der Eisprinz hätte ihn verhext, also suchte ich nach
dem Spiegel. Ihn zu zerbrechen um damit auch seine Macht zu brechen. Und mein
Freund zu befreien. Ich suchte den ganzen Palast danach ab, auch den Teil, den zu
betreten er mir verboten hatte. Ich fand den Spiegel, oder besser, was davon übrig war.“
„Du wusstest nicht das er zerbrochen war?“
„Nein, und es zu sehen, war ein Schock für mich. Kein Zauber, kein Fluch lag über
meinem Freund. Er wollte aus freien Stücken bleiben. Da verlor ich die Hoffnung. Ich
konnte nicht anders und fing an zu schluchzen, als stünde das Ende der Welt bevor.“
Kai sagte nichts dazu, es war einfach zu traurig.
„Mein Freund fand mich dort wie ich bitter enttäuscht und verletzt am Boden lag, und
auch der Herrscher dieses Schlosses fand mich. Doch ich hatte einen weiteren Fehler
begangen. Mein Gefühlsausbruch bedeutete auch, das sich der Eisprinz mir fortan nicht
mehr näher konnte. Er verbannte mich aus seinem Reich. Doch ich hätte den Weg aus
dem ewigen Eis alleine nicht gefunden. Das erfrieren im Schnee war mir sicher.“
„Aber du bist ja noch hier.“ meinte Kai betroffen.
„Mein Freund bat den Eisprinzen mein Leben zu schonen, und auch er hatte nie Groll
gegen mich gehegt, Aber ich konnte nicht in seiner Nähe bleiben. Doch im Winter allein
überleben konnte ich auch nicht. So verwandelte er mich in ein Rentier, damit ich den
Weg zurück finden konnte. Ich und mein Freund trafen uns manchmal an der Grenze des
Reiches, doch ich bin nie ins Schloss zurückgekehrt, und er würde seinen Prinzen, seinen
Herren nie verlassen.“
„Das ist tut mir so leid.“ meinte Kai mitfühlend und strich dem Rentier, das einst ein
Mensch gewesen war, über die Blesse.
„Es ist wie es ist.“ antwortete Kyosuke abgeklärt. „Und wäre ich nicht verwandelt
worden, hätte ich Kumi-chan vielleicht nie kennen gelernt.“
Kai war erstaunt, das Kyosuke dieser traurigen Lebensgeschichte etwas Positives
abgewinnen konnte.
Er versuchte selbst ein paar tröstende Worte zu finden, doch ihm fiel nichts ein. So
schwiegen sie eine Weile, und Kai, der sich in Kyosukes Nähe behütet fühlte, merkte
nicht, wie sich der dunkle Griff des Erfrierens enger um ihn zuzog. Doch seine Kräfte
waren erschöpft und er hatte nichts entgegenzusetzen.
Das Kyosuke ihn plötzlich panisch anstupste und ihn anflehte nicht einzuschlafen nahm er
nur von fern wahr. Und er war so unglaublich müde…
Das verzauberte Rentier überlegte fieberhaft, was es machen sollte. Außer wärmen fiel
ihm aber nichts ein, und Kai war dabei ihm unter den Hufen wegzusterben. Er zuckte
aber furchtbar zusammen, als sich hinter ihm ein riesiger Schatten erhob. Als er sich
umwand erblickte einen Bär von einem Mann, der in ebensolche Felle und andere dicke
Kleidung eingehüllt war. Kyosuke war erleichtert, jetzt gab es noch Hoffnung für seinen
Freund Kai.
Dennoch rügte er seinen alten Weggefährten.
„Du bist reichlich spät, Masanori.“
„Verzeih, mein Freund aber der Sturm hat mich länger aufgehalten, als mir lieb ist. Was
ist mit dem Jungen?“
„Er erfriert!!“, sagte Kyosuke bitter.
Masanori beugte sich über den Blondschopf der beinah völlig weggetreten war, strich mit
seinen starken Händen sanft über die viel zu kalten Wangen. Der junge Mann erwachte
durch die zärtliche Berührung. Flatternd öffnete Kai die Augen. Und was er sah, ließ ihn
lächeln. Endlich sah er ihn wieder. Den Mann, mit den tiefen dunklen Augen, den starken
Armen… den so verführerischen Lippen.
„Ist das ein Traum?“ fragte er ihn. „Bitte lass es keinen sein. Und wenn doch, will ich nie
wieder aufwachen!“
„Es ist kein Traum.“ antwortete er mit seiner wohlig tiefen Stimme. „Und wenn du jetzt
einschläfst, vergebe ich dir das nicht.“ Er zog unter seinen Fellen ein Gefäß hervor,
schraubte es auf und half Kai in eine warme Position. „Trink das, aber langsam.“ bat er.
Kai nippte er zögerlich. nahm dann aber dankbar mehrere kräftige Schlucke von dem
heißen Tee, wobei er aber die Hilfe seines Retters brauchte. Als er schließlich nickte,
steckte Masanori das Gefäß wieder weg. „Fühlst du dich schon besser?“, raunte er Kai
besorgt zu.
Und in der Tat, er tat es! Der Tee hatte Wirkung gezeigt, wärmte von innen.
Masanori lächelte, nahm ihn auf seine starken Arme und hüllte den halberfrorenen
jungen Mann in seine Felle mit ein.
Kai schmiegte seine Wange an die warme, breite Brust. Er wusste, er durfte jetzt nicht
wegdämmern, aber dafür war er viel zu aufgeregt. Er hatte ihn wieder gefunden, endlich
hatte er ihn wieder gefunden!
Der Mann aus seinem Traum. Kai war in diesem Moment glücklich. Dabei kannte er nicht
mal seinen Namen.
Masanori wendete sich noch einmal zu Kyosuke um. „Was willst du nun tun?“
„Ich werde zurückgehen. Ich habe einen Platz gefunden, an dem ich mich wohl fühle. An
der Seite eines lieben Menschen. Ebenso wie ich es dir wünsche – allerdings ohne Fell
und Hufe.“ setzte er spitz hinzu.
Der Mann nickte dem Rentier zu, er hatte die Anspielung auf den Jungen in seinen Armen
durchaus verstanden.
„Schaffst du es allein, alter Freund?“
„Ich bin ein Rentier, in Eis und Schnee hab ich Heimvorteil.“
Masanori nickte erneut. Er wusste, er konnte Kyosuke guten Gewissens zurücklassen.
Der ausdauernde Paarhufer, sollte bereits am nächsten Morgen sein Heimatwäldchen
erreichen und von der überglücklichen Kumiko unter Freudentränen in die Arme
geschlossen werden. Doch Kai und sein Retter erfuhren von all dem zunächst nichts. Den
sie traten eine kurze Reise in die entgegengesetzte Richtung an.
Kai wurde auf starken Armen zu einem unterirdischen Gang getragen, der sich zwischen
den schwarzen Felsen in den Boden wand. Heller Kristall erleuchtete glimmend den
langen Gang. Draußen tobte noch immer ein Schneesturm, auch wenn dieser etwas
abgeflaut war, doch hier war es still. Nur die Schritte seines Retters hallten dumpf an den
Wänden des langen Ganges wieder.
Kai begann sich neugierig umzusehen, musste aber bald feststellen, das es hier nichts
Neues zu entdecken gab.
„Wie fühlst du dich?“ raunte ihm eine tiefe Stimme zu. Kai zuckte erschrocken
zusammen. Sein Retter hatte bisher kaum mit ihm gesprochen und ihn nun so
unvermittelt angesprochen, dass er damit nicht hatte rechnen können.
„Ganz gut, denke ich.“ nuschelte er verlegen.
„Hast du Angst?“ fragte ihn sein Retter besorgt.
„Ein bisschen schon.“, gab Kai flüsternd zu. „Wenn ich meinem Bruder nun gar nicht
helfen kann… oder was wenn der Winterherrscher mich einfach einfriert oder“
„Und vor mir? … fürchtest du mich?“ wurde er leise gefragt.
Daher wehte der Wind. Aber Angst war das vorletzte Gefühl, was er für diesen Mann
entwickeln wollte.
Er schmiegte sich eng an ihn, kuschelte sich in seine Arme. Mit geröteten Wangen, die er
vergeblich zu verstecken versuchte, antwortete er. „Nein. Gar nicht, ich bin froh das wir
uns … wiedergefunden haben.“
„Wiedergefunden.“ murmelte der Mann mit dunkler Stimme.
„Ich … ich hab von dir geträumt“ Verlegen sah er zu ihm auf, doch sein Retter blickte
starr geradeaus.
„Ich weiß, ich ebenso…“ flüsterte er. Da stieg Kai die Röte ins Gesicht. War also wirklich
kein Traum gewesen? Das sie miteinander gesprochen hatten. Das sein Retter seine
Ankunft nicht hatte erwarten können, ihn brauchte!
Dass,… dass sie sich geküsst hatten.
„Du hast mir deinen Namen noch nicht verraten…“ meinte Kai scheu. (2)
Sein Retter blickte mit seinen dunklen Augen zu ihm herab, und die Stärke dieses
Mannes ließ Kai ergeben seufzen, was dem Rot auf seinen Wangen nur zuträglich war.
„Masanori!“ raunte ihm dieser sanft zu. Es lag nur Zuneigung und eine tiefe Freude in
seiner Stimme. Es erwärmte Kais Herz und brachte Masanori das unumstößliche
Vertrauen des jungen Mannes ein … und ebenso Zuneigung.
****
(1)Kumi-chan: Ich hab Kyosuke so einem komischen alten Mann in roten Klamotten,
dicken Bauch und Rauschebart gestohlen. Und weißt du was er mir hinterher
gerufen hat? Wenn ich unbedingt ein Rentier wolle, solle ich es auf meinen
Wunschzettel schreiben? Verrückt oder?“
Lilly: „Jaaaa, irgendwie schon.“
(2) Als Kyosuke Masanori angesprochen hatte, war Kai bewusstlos gewesen, sodass er
seinen Namen noch nicht kennen konnte.
So das wars, ab jetzt wird es ernst! über kommis würde ich mich freuen. Eine Frage
noch, wollt ihr Lemon? Dann muss ich das in den nächsten Kappi vorbereiten, also sagt
an! bitte…^^
Bis Bald, Lillyko