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Buchstabensuppe

von

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A wie Anfang

Die Idee hierzu kam mir durch eine andere, die bereits fertig ist und auf Worten aufgebaut ist. Hier werden aber die Kapitel nach Buchstaben geschrieben, beginnend mit dem A und je nach Lust und Laune führe ich das ganze bis zum Z durch. Es werden also 26 Kapitel kommen, die eine bunte Mischung aus Gay und Hetero sein werden. Es dürfte so also für jeden etwas dabei sein.
 

Außerdem werden alle Minigeschichten in Prag oder Umgebung spielen und meinen Charakter Lena werdet ihr sehr bald wieder zu lesen bekommen und schon jetzt ein bisschen ihre Person kennenlernen. Die Kapitel ergeben zudem keine zusammenhängende Geschichte. Es sind alles Kurze Einblicke oder auch Drabble. Erwartet also nicht Kapitel mit über 2000 Wörter, denn da liege ich deutlich drunter und bewege mich eher so von 500 bis 1500.
 

Neugierig? Dann würde ich mich freuen, dich ab heute als Leser begrüßen zu können.
 

Den ersten Buchstaben "A" möchte ich gerne dem "Anfang" widmen, dem Wort, womit alles beginnen wird.
 


 


 

Zu Anfang war er ihr gar nicht aufgefallen. Er war einfach der Nachbar einer guten Freundin. Nicht mehr und auch nicht weniger. Nach der letzten Enttäuschung hatte Lena auch gar keine Lust auf Männer, hielt sich lieber dezent zurück und ging auf keine Flirterei ein. Sie war noch jung, der Richtige würde noch kommen und heute ging es eher darum, Hundewelpen zu bestaunen. Tessas Hündin hatte vor wenigen Tagen geworfen, niedliche Schäferhundwelpen zur Welt gebracht und diese wollte sich Lena auf gar keinen Fall entgehen lassen. Dafür liebte sie Hunde einfach zu sehr und wenn sie sich recht entsann, zählten deutsche Schäferhunde neben Dobermännern schon immer zu der Rasse, die sie am meisten verzauberte.
 

Mit einem Lächeln auf den Lippen schritt Lena die steile Straße nach oben, innerlich aber meckerte sie, warum Tessa ausgerechnet oben auf dem Berg wohnen musste. Wieso war hier überhaupt alles so anders? Lena hatte keine Ahnung, ließ es daher bleiben sich Gedanken machen zu wollen und stapfte an einigen Häusern vorbei, ehe sie dieses gelbe erreichte und doch einen kleinen Blick auf den Hof riskierte.
 

Enttäuscht musste sie aber feststellen, dass er nicht da war. Schade, schoss es ihr durch den Kopf, ehe sie erschrocken auf die Seite sprang, sich umdrehte und wütend den Autofahrer anstarrte, der es gewagt hatte, sie anzuhupen. Immerhin stand sie auf dem Bürgersteig oder auf dem, was einer darstellen sollte.
 

"Blödmann", grummelte sie leise, wollte dem Fahrer den Mittelfinger zeigen, doch bei genauerem Hinsehen stellte sie fest, dass es Tessas mehr als heißer Nachbar war. Schnell steckte sie die Hände wieder in die Jackentasche, senkte verlegen den Blick und eilte auf die andere Seite der Straße, wo ihre Freundin bereits wartete. Zu allem Überfluss grüßte sie ihren Nachbarn, hatte dabei ein mehr als breites Grinsen auf den Lippen und noch ehe Lena protestieren konnte, lief Tessa herüber und zum Auto.
 

"Kommst du nachher auch noch rüber? Ich hab da einige Fragen wegen der Hundewelpen", erklärte sie sich, ohne auf Lena zu achten. "Dauert auch nicht lange, versprochen." Lena seufzte, rollte mit den Augen und verfluchte innerlich ihre Freundin, die das ganz bewusst mit Absicht tat.

B wie Besuch im Jammertal

Der Herbst ist neben dem Frühling die schönste Jahreszeit, die es geben kann. Alles wird bunt, die Luft riecht anders und der morgendliche Nebel verleiht dem Ufer der Moldau eine ganz besondere Atmosphäre. Man sieht gespenstisch die Turmspitze Prags herausragen, während die Karlsbrücke fast ganz versinkt. Bäume wirken wie Kleider, färben sich in einem schönen Maisgelb und Karminrot.

Kastanien fallen von den Bäumen, werden lachend von Kinderhänden aufgehoben und zu den schönsten Tieren verbastelt. Eine schöne Jahreszeit, die einige stürmische Tage zu bieten hat, die man sich mit heißem Früchtetee versüßen kann und herrlich duftenden Kerzen, die jedem Raum einen ganz besonderen Flair verleihen.
 

Herbstmärkte ziehen ein, bieten ihre Waren an, wollen geflochtene Körbe an den Kunden bringen, während Kinder von kandierten Äpfeln träumen und der verlockende Duft von Maronen in die Nase steigt. Das ist die Jahreszeit, auf die ich mich am meisten freue und es kaum erwarten kann.
 

Mich zieht es in die Innenstadt, auf den Altstädter Ring, direkt vor das Jan-Hus-Denkmal, welches einst der tschechische Bildhauer LLadislav Šaloun entworfen hat. Ein perfekter Treffpunkt in Prag und nun stehe ich hier, warte ungeduldig auf meinen besten Freund, lasse mir den Wind um die Nase wehen und beginne zu lächeln.

Wir haben uns einige Zeit nicht gesehen, waren beide beschäftigt und endlich konnten wir einen vollen Tag zusammen nutzen. Obendrauf den Geburtstag seiner Tochter feiern, die einem Engel glich und sein ganzer Stolz war. In Gedanken an ihre blonden Locken, ihre aufgeweckte Art, stupste mich jemand an. "Träumst du wieder, Lena?"
 

Ein dickes Grinsen legte sich auf seine vollen Lippen, während seine grünen Augen leuchteten und mich an tobende Tannen im Wind erinnerten. Ohne auf seine Frage einzugehen, zog ich ihn in die Arme und umarmte ihn. "Schön, dass es endlich mal wieder geklappt hat", murmelte ich leise, atmete den vertrauten Duft seines Parfüms ein und schloss für einen Moment meine Augen, um den Moment ganz auskosten zu können.
 

Drei Wochen waren eine viel zu lange Zeit, die wir uns nicht gesehen und kaum gesprochen hatten. Mir wurde schmerzlich bewusst, wie sehr Andrej mir gefehlt hatte. Tief atmete ich nochmals ein, dann löste ich mich und sah ihn an. "Wie geht es dir?"
 

"Gut, danke und dir?", beantwortete er meine saloppe Frage und fing an in seiner Jackentasche zu kramen. Ich wusste genau, was er suchte, kannte sein Laster.

"Es geht mir soweit ganz gut." Während Andrej sich seine Zigarette anzündete, hielt er mir bereits die Schachtel hin. "Jetzt nicht", lehnte ich jedoch ab und wurde stutzig angesehen.
 

"Geht es dir wirklich gut?", wollte er wissen, während wir uns langsam auf den Weg zu Theresia machten. Von mir kam nur ein schwaches Nicken, ich griff mir jedoch seine Hand und schlenderte auf die andere Straßenseite. Ganz glauben wollte Andrej mir nicht. Ich spürte seine bohrenden Blicke, doch ich wollte nichts sagen. Nicht heute, nicht jetzt und am besten gar nicht. Er würde sich nur wieder aufregen und ihm den Tag vermiesen war nicht meine Absicht. Es gab bessere Zeiten, um einiges zu klären, um meinen Kummer herauszulassen.
 

"Reden hilft, Lena."
 

"Ich weiß, aber nicht heute", gab ich leise zu, lief weiter quer durch Prag, zur Metro Linie C und setzte mich schließlich auf einer der freien Bänke. Andrej folgte, setzte sich und sah auf die Uhr. "Noch zehn Minuten", merkte er an.
 

Lediglich kam ein Brummen von mir. Ein Zeichen, dass ich es gehört, aber nichts zu sagen hatte, lieber die Zeit verstreichen lassen wollte. Warum musste Theresia auch im vierten Stadtteil von Prag wohnen? Nusle, südlich vom Zentrum der Hauptstadt, typischer Plattenbau und die Gegend kam mir recht schmuddelig vor. Aber das lag wohl auch daran, dass ich weit außerhalb von Prag lebte und das recht ländlich für eine Kleinstadt. Ich sollte mich also nicht beschweren, darüber hinwegsehen und es dabei belassen, dass manche Menschen anders lebten und wohnten. Sicherlich war die Wohnung innen ein Schmuckstück, gut ausgestattet und liebevoll dekoriert.
 

Mein Blick richtete sich auf die große Uhr über der Anzeigetafel. Immer noch drei Minuten und die nutzte ich und lehnte mich kurz an meinen besten Freund an. Sofort legte er den Arm um mich und ich fühlte mich für einen Moment besser.
 

"Die Bahn kommt", merkte ich leise an, löste mich aus Andrejs Umarmung und stand auf, trat einen Schritt auf die Schienen zu. Mein bester Freund tat es mir nach, fasste erneut nach meiner Hand und lächelte mir aufmunternd zu. "Egal was ist, heute machen wir uns einen schönen Tag, okay?"

"Okay", wiederholte ich, drückte seine Hand etwas fester und stieg in die Metro ein, die bereits gehalten und ihre Türen geöffnet hatte. Sie war voll, Sitzplätze gab es keine mehr und somit stellte ich mich unweit der Tür und hielt mich an der Stange fest. Super, stehen, dazu gute zwanzig Minuten und meine Laune war an einem Punkt angelangt, an dem ich am liebsten wieder ausgestiegen wäre.
 

"Kopf hoch, Süße", flüsterte Andrej mir, während er eine dümmliche Grimasse zog und versuchte, mich zum Lachen zu bringen. Es wirkte sogar, ich lächelte und fing an, mich langsam zu entspannen. Die Aussicht Theresia zu sehen überwog und wenn ich ehrlich war, tat etwas Ablehnung mehr als gut. Vielleicht konnte ich später reden und das mit einer lieben Freundin, die nicht nur verständnisvoll, sondern auch gute Argumente hatte, wie man damit umgehen sollte. Ein Lichtblick am Ende des dunklen Tunnels.
 

Jedenfalls redete ich mir das die ganze Bahnfahrt ein, war so in Gedanken, dass ich fast die viel zu leise Stimme vernahm, die jene Station nannte, an der wir aussteigen mussten. Wäre nicht mein bester Freund, würde ich heute meinen Kopf vergessen, in der Metro zurücklassen und den kopflosen Reiter spielen. Meine Gedanken sollten mich heute keinesfalls beeinträchtigen und mir meine Stimmung vermiesen. Wäre es einfach, wäre es nicht so schwer. So aber riss ich mich zusammen, stieg aus und sah mich vorerst um. Typischer Bahnsteig, der Geruch von muffiger Luft, regem Treiben von viel zu vielen Menschen und nun war ich doch neugierig, was mich oben erwartete.
 

Hastig schritt ich die Treppen rauf, atmete oben angekommen die klare Luft ein und lächelte. Gar nicht so schlimm wie gedacht. Nusl erinnerte mich irgendwie an Frankfurt. Nicht so groß, aber die gemischten Häuser sprachen für sich. Fehlte nur noch ein gelber Bunker und ...
 

"Vorsicht Lena!" Andrej packte mich plötzlich am Arm, zog mich vor dem Auto weg, welches mich mit voller Härte traf und meine halbe Hose mit Matsch bedeckte.
 

"Scheiße!", fluchte ich laut und sah an mir runter. "So eine verdammte Kacke, man."

Zwischen flottieren und der Ohnmacht nahe, klammerte ich mich an Andrej fest, brauchte einen Moment und vergrub mich regelrecht in seinen Armen.

Beruhigend strich er über meinen Rücken. "Das wird schon wieder. Wir gehen jetzt erstmal zu Theresia und bestimmt hat sie eine trockene und sauberer Hose für dich."

"Dann lass uns gehen, ich fühl mich unwohl und mir wird kalt."
 

Mein bester Freund sagte nichts, er nickte und griff nach meiner Hand.
 

Ich folgte, ließ mich führen und doch kam ich nicht umhin, mich immer wieder umzusehen. Dieser Stadtteil war noch immer fremd für mich und doch entdeckte ich eine Brücke, weiter unten sowas wie einen Park. Ruckartig blieb ich stehen und zog Andrej zurück. "Was ist das da unten?"

"Das?" Andrej lächelte. "Das ist Nuselské údolí, das Jammertal und dahinter ist die Stadtmauer von Prag."
 

Wunderschön war das Erste, was mir durch den Kopf ging, während ich meinen Blick schweifen ließ und an etwas hängen blieb, was ich nur sehr selten in meinem Leben gesehen hatte. Von Weitem konnte man denken, es wären Schneebälle, doch es war ein Baum, der in voller Pracht blühte und sich in seiner ganzen Schönheit zeigte. "Der gemeine Schneeball", flüsterte ich leise.

"Der was?", wollte mein bester Freund wissen und sah mich verdutzt an.
 

"Der rötlich, gelbe Strauch mit den knallroten Beeren."
 

Andrej folgte meiner Geste. "Sorry, aber ich kenn mich mit sowas nicht aus, aber er sieht nett aus."

Nett? Fast hätte ich ihn geschlagen, aber gut, ich wusste auch nicht viel über diese Art von Gewächs. "Er wird als Zierpflanze in Gärten, Parks und Anlagen angepflanzt und hat einen guten Nutzen."
 

"Spricht da die kleine Hexe aus dir?"

"Vielleicht", antwortete ich verschwörerisch und stieß meinen besten Freund sanft in die Seite. Meine Schwäche für Hexen war ihm bekannt, ich hatte daraus nie ein Geheimnis gemacht und ich wusste, dass Andrej mich nur sehr selten damit aufzog. "Die Rinde wird bis heute als krampflösendes Mittel, insbesondere bei Menstruationsbeschwerden, arzneilich verwendet und die Früchte des herkömmlichen Schneeballs sind gekocht für Marmelade oder Gelee verwendbar. In osteuropäischen Ländern werden die roten Beeren sogar gegen Erkältung in heißem Wasser zerdrückt und mit Honig gesüßt getrunken."
 

"Ich bin sprachlos", gestand mir Andrej. "Aber ich weiß sehr genau, dass du gerne liest, dich informierst und eine Schwäche für altmodisches Zeug hast."
 

Oh ja, altmodisch. Ich würde es eher wissbegierig nennen. "Na ja, so viel weiß ich auch nicht. Er blüht im Sommer aber weiß und daher kommt auch sein Name. Er sieht dann aus, wie weiße, flauschige Schneebälle", erzählte ich weiter, während ich mich langsam in Bewegung setzte, den Park vorerst hinter mir ließ und es vorzog mich endlich bei Theresia umzuziehen. Die Kälte war nicht mehr zu ignorieren und auf eine Erkältung war ich nicht besonders scharf. "Theresia wartet."

"Sie hasst es zu warten." Andrej grinste neben mir. "Noch mehr aber hasst sie es, wenn man es bewusst tut."
 

"Wir haben eine gute Ausrede, Andrej. Zum einen ist meine Hose nass und zum anderen musste ich dich über einen Strauch aufklären", witzelte ich zurück, überquerte die Straße und lief lässig an einem tristen Häuserblock in Grau vorbei.
 

Neben diesem grenzte ein verwaschenes Gelb und diese altrosa Fassade dahinter, traf ebenfalls nicht meinen Geschmack. Plattenbau war nicht meins, ich lebte in einem Haus und das wurde erst vor drei Jahren frisch in einem strahlenden Zitronengelb gestrichen. Eine ganz andere Welt, Kleinstadt und zentral in der Nähe von Pilsen gelegen.

"Prag ist riesig im Vergleich zu Doma." Ich stöhnte auf, lief aber weiter und wollte endlich ein paar trockene Sachen.
 

"Ist nicht mehr weit", versicherte Andrej mir. "Da vorn ist es schon." Er deutete auf das letzte Haus am Block und interessiert sah ich auf, mir die verblichene Fassade an und lächelte. Der Vorgarten gefiel mir. Er versprühte mit seinen Blumen und Sträuchern einen gewissen Charme und lenkte von unschönen Äußerlichkeiten ab.
 

"Gefällt mir", murmelte ich, folgte Andrej, der bereits zielsicher auf die Haustür zuschritt und vor dieser stehenblieb. "Nun klingel schon."
 

Leise kicherte Andrej, dann aber drückte er die Klingel und nach einem leisen Surren die Tür auf. Locker nahm er die ersten Treppenstufen, blieb jedoch schnell stehen und mir wurde klar, dass Theresia im Erdgeschoss wohnte. Gott sei Dank, dachte ich mir, hasste es, Treppen zu steigen und folgte hastig die wenigen Stufen nach oben. "Hey Tessa."

"Lena, wie schön dich zu sehen." Sie lächelte, umarmte mich und ließ mich einige Sekunden gar nicht los. Es tat gut, ich hatte sie länger nicht gesehen und schon gar nicht jemals zu Hause besucht. Wie hieß es aber so schön? Für alles gab es ein erstes Mal und ich war glücklich, endlich diesen Schritt getan zu haben.
 

"Gut siehst du aus", stellte ich fest, als Theresia mich losließ und ich sie endlich richtig ansehen konnte. Ihre blonden Haare waren gewachsen, wirkten noch voller und auch ihr Make-up trug sie anders, als ich es noch in Erinnerung hatte. Dezenter, nicht mehr so knallig und wenn ich ehrlich war, gefiel es mir so deutlich besser. Es trug nicht mehr so dick auf und passte zu ihrer gesamten Erscheinung.
 

"Du siehst mir ein wenig angeschlagen aus." Misstrauisch sah mich meine Freundin an. "Du hast Augenringe und ich weiß, wie heilig dir dein Schlaf ist", plapperte sie prüfend weiter, während sie mit meinen braunen Locken spielte, sie wieder entließ und uns endlich hereinbat.
 

Ja, Schlaf war mir heilig, kam die letzten Tage etwas kurz und doch hatte ich keine Lust jetzt über mein Problem zu reden. "Tessa, können wir das ein andermal besprechen? Ich bin nicht hier, um dich mit meinen Problemen zu belästigen."

"Bitte was?" Fast wäre ich in sie gerannt, da Theresia so ruckartig stehenblieb, dass ich nicht ausweichen konnte.

"Gib mir einfach eine trockene Hose und alles andere bereden wir die Tage. Okay?" Flehend sah ich sie an und deutete auf meine nasse Hose.
 

"Also schön", seufzte Theresia, zog mich zu ihrem Schlafzimmer und fing sofort beschäftigt an, in ihrem Kleiderschrank zu kramen.
 

"Danke", murmelte ich, wartete und nahm einige Sekunden später eine schwarze Jeans entgegen.
 

"Kannst du behalten. Mich kneift sie nur", erklärte Tessa. "Ich mach dann mal Tee."

Lächelnd nickte ich, wartete, dass sie das Zimmer verließ und streifte mir endlich meine Hose ab. Noch länger hätte ich es nicht mehr ausgehalten, meine Beine waren eiskalt und selbst meine Füße jubelten, dass ich sie aus den Schuhen befreit hatte. Zum Glück hatte Tessa die gleiche Größe und ihr Geschmack war ganz ähnlich, wie der meine. Schwarz war ohnehin eine Farbe, die ich neben grau recht gerne trug und auch die Art von Jeans, die Theresia mir gegeben hatte. Enganliegend, genau, wie ich es liebte.
 

"Lena?"

"Komme gleich", erwiderte ich, schlüpfte hastig in die trockene Hose, meine Schuhe und sah mich prüfend in dem großen Spiegel am Kleiderschrank an. Wie angegossen passte sie, spannte nicht und so konnte ich mich wieder sehen lassen, wohlfühlen und den Tag genießen. Im Flur stieg mir der feine Geruch von Zimt in die Nase, dem ich bis zum Wohnzimmer folgte. Sehr geschmackvoll eingerichtet. Hell, modern und nicht zu viel unnützer Kitsch.
 

Ihre Schwäche für Orchideen hatte sie jedoch noch immer und die gesamte Fensterbank war mit diesen zugestellt. Bilder zierten die Wände und auf einem erkannte ich mich selber. Neugierig trat ich näher und sah es an. Das musste zwei Jahre her sein, meine Haare waren kürzer und ich wirkte runder im Gesicht.
 

"Da waren wir in Pilsen. Erinnerst du dich?"

"Sicher doch. Wir waren hinterher so breit, dass wir nicht mal mehr wussten, wo unsere Pension war", erwiderte ich lachend, wandte mich von dem Bild ab und setzte mich zu Andrej auf die Couch. Den Tee hatte Tessa schon fertig, alles gedeckt und die Kanne stand doch tatsächlich auf einem mir vertrautem Stövchen. Ein Geschenk von ihrer Großmutter, welches wie ein Schatz gehütet wurde und bei besonderen Anlässen herausgeholt wurde.

Ein besonderer war mein Besuch, unser Wiedersehen und unsere langjährige Freundschaft, die wir beide Andrej zu verdanken hatten.

C wie Cappuccino

“Wie du kommst nicht zu meinem Kurs?” Jitka schien enttäuscht, als sie hörte, dass Lena absagte und es zeitlich nicht schaffte. “Auf einen Kaffee kommst du aber noch, ja?”
 

“Cappuccino schon eher, sonst stehe ich heute Nacht im Bett”, lachte Lena am anderen Ende der Leitung.
 

“Super. Wann kann ich mit dir rechnen?”, wollte Jitka wissen.
 

“Rechne nicht vor 16 Uhr mit mir. Vorher schaffe ich es unmöglich”, entschuldigte sich Lena ein weiteres Mal.
 

“Das passt. Also bis später, ich muss langsam. Meine Kolleginnen gucken mich schon böse an.”
 

Bevor Lena dazu noch einen frechen Spruch ablassen konnte, hatte ihre Freundin schon aufgelegt. Gut, sie würde ihn sich für später aufheben, ihr ihn direkt ins Gesicht sagen und eine hoffentlich witzige Reaktion entlocken. Etwas Spaß musste schon sein, besonders unter Freundinnen. Lena freute sich auf das Treffen, steckte jedoch aus beruflichen Gründen noch die nächste halbe Stunde in Prag fest und zwei Stunden Autofahrt hatte sie noch vor sich.
 

Lena seufzte, tippte weiter am PC, speicherte zwischendrin und als sie das nächste Mal auf die Uhr sah, klatschte sie begeistert in die Hände. Feierabend. Zeit für Freunde für einen leckeren Cappuccino, ein Schwätzchen unter Frauen. Lena schaltete rasch den Computer aus, griff sich ihre Jacke und verließ gut gelaunt ihren Arbeitsplatz.
 

Einzig die Autofahrt war ihr ein Dorn im Auge, sie zog sich wie Kaugummi und da konnte der neuste Song von Blutengel auch nichts dran ändern. Dennoch hörte Lena genau diesen, sang laut “ we belong to the night” mit und fuhr zielsicher aus der Stadt heraus.
 

Einige Songs später erreichte Lena das Fitnessstudio, parkte sauber ihren BMW ein und steig aus. Kurz sah sie dabei auf die Uhr, stellte fest, dass sie länger als geplant gebraucht hatte und sah hastig auf ihr Handy. Keine Nachricht, kein Anruf. Ob Jitka gewartet hatte? Bestimmt, andernfalls hätte sie sich gemeldet.
 

Lena atmete tief durch, betrat das Studio und sah sich in diesem um. Viel war nicht los, die meisten stemmten Gewichte und dabei handelte es sich weitgehend um Männer. Uninteressant für sie, wobei einen der Jungs kannte sie dann doch. Tessas Nachbar stemmte Gewichte und für einen Augenblick verweilte sie an seinem Anblick, beobachte ihn sogar und stellte fest, dass er ziemlich durchtrainiert war. Nicht so extrem wie Thomas, aber schon so, dass man deutlich sah, dass er mehrmals im Studio war.
 

“Wenn du Jitka suchst, die ist hinten und räumt auf.” Thomas, der so plötzlich hinter ihr auftauchte, dass sie erschrocken zusammenzuckte und sich hastig umdrehte.
 

“Danke”, nuschelte sie kaum hörbar, ehe sie eilig nach hinten zu den Trampolinen huschte.
 

Jitka schien beschäftigt, dann aber sah sie auf und Lena direkt an. “Hey, da bist du ja.”
 

“Der Verkehr, tut mir leid”, erwiderte Lena, während sie bereits von ihrer Freundin umarmt wurde.
 

“Das macht gar nichts”, antwortete Jitka. “Hauptsache du bist da und wir können endlich Cappuccino trinken. Ich brauche dringend einen Koffeinschub.”

D wie Dummkopf

"Das kann doch jetzt nicht wahr sein!", regte sich Lena verzweifelt auf und lief aufgeregt um ihr Auto herum.
 

"Was ist denn los?", fragte Tessa, die ihren Einkauf in den Kofferraum verräumt hatte und diesen schloss.
 

"Was los ist?", wiederholte Lena, die bereits den Tränen nahe war. "Mein Auto zickt herum. Es springt nicht mehr an", erklärte sie ihrer besten Freundin.
 

Verdutzt blinzelte Tessa ihr entgegen. "Wie jetzt? Es fuhr doch vor ner Stunde noch."
 

"Das weiß ich auch", entgegnete Lena bissiger als beabsichtigt. "Und jetzt? Ich kenne mich mit Autos nichts aus."
 

Tessa rollte mit den Augen, holte ihr Handy aus der Jackentasche und versuchte Marek zu erreichen. Er arbeitete in einer Autowerkstatt, kannte sich aus und konnte notfalls jemanden zu ihnen schicken. Zum Glück ging er an sein Handy ran, versprach selber zu kommen, sich den Wagen anzusehen.
 

Den beiden Frauen blieb nichts weiter übrig, als zu warten, sich die Zeit mit einer Zigarette zu vertreiben. Tessa grinste dabei vor sich hin. "Schade, dass Jakub nicht selber kommt." Dabei stieß sie ihre Freundin an, die sich fast am Rauch ihres Glimmstängels verschluckte.
 

"Willst du mich ärgern?" Lena sah sie böse von der Seite an.
 

"Nein, aber ich seh, dass du ihn immer ansiehst, dass er dir gefällt." Tessa schmunzelte wissend. "Ihr würdet super zusammenpassen, aber du bist wie ein Dummkopf und man muss mal wieder alles selber machen."
 

Entrüstet blies Lena den Rauch aus ihrer Lunge. "Dummkopf? Dein Ernst? Der Typ kennt mich doch nicht mal und du siehst Gespenster."
 

"Du, ich glaube, Jakub kennt dich mehr, als dir lieb ist. Wie du weißt, bin ich öfter drüben und krieg einiges mit." Tessa trat ihre Zigarette aus und lief im selben Moment auf Marek zu, der seinen Wagen parkte und ausstieg. Kurz umarmten sich beide, dann schritten sie gemeinsam zu Lena, die noch immer verdutzt dreinblickte.
 

"Hey", begrüßte Marek sie locker, öffnete dann jedoch die Motorhaube von Lenas Wagen und sah hinein. "Hm ...", machte er, schloss sie wieder und zückte sein Handy. "Ich ruf' mal den Abschleppdienst. Hier kann ich nichts machen. Der muss in die Werkstatt."
 

"Bist du sicher? Vielleicht ist nur was locker?" Lena hoffte es, betete bereits, dass es nur das war und nichts Schlimmeres. Wohin ihr Auto kam, war ihr bereits bewusst. Tessas Grinsen sagte dies deutlich und auch Marek machte keinerlei Anstalten eine andere Autowerkstatt zu beauftragen.
 

"Chill mal, Lena. Mein Chef beißt dich schon nicht." Neckisch zwinkerte Marek ihr zu, dann unterhielt er sich bereits mit dem Abschleppdienst und gab diesem den Standort durch.
 

Beißen tat er sicherlich nicht, aber Lena hatte keine Lust ihn zu treffen, sich mit ihm zu unterhalten. Alles in ihr sträubte sich dagegen. Die letzte Erfahrung mit einem Mann saß noch zu tief, war verletzend und so schnell wollte sie nicht wieder jemanden in ihr Leben lassen. Scheinbar hatten Marek und Tessa aber andere Pläne. Besonders Tessa, die nicht lockerlassen würde.

E wie Eislaufen

Auf wackelnden Beinen betrat Lena nach reiflicher Überlegung das Eis. Lange war es her, dass sie auf dem Eis war, Schlittschuhe an den Füßen und einige Runden gedreht hatte. Ganz geheuer war ihr das nicht, obwohl sie als Kind Unterricht hatte. Auf einen dieser Standhilfen hatte sie jedoch keine Lust, sie war erwachsen und wenn alles schiefging, brach sie ich höchstens ein paar Knochen.
 

"Nun komm schon, Lena", lachte Tessa, die bereits rückwärts einige Runden drehte, dann wieder vorwärts und schließlich fuhr sie grinsend auf nur einem Bein an ihr vorbei.
 

Mit einem grummelig klingendem Schnaufen setzte sich Lena endlich in Bewegung, schlitterte über das Eis und ruderte wild und etwas unbeholfen mit den Armen. Ihrem besten Freund Marek konnte sie gerade noch ausweichen, nicht aber dessen Nachbarn, mit dem sie heftig zusammenstieß und ihn dabei umriss.
 

Während er auf dem Hosenboden landete, kam Lena direkt auf ihm zum Liegen. Ihr war das offensichtlich peinlicher als ihm, denn er grinste sie frech an. "Liegst du bequem oder brauchst du vielleicht noch ein Kissen?"
 

"Ähm nein", stammelte Lena mit knallroten Wangen und versuchte sich bereits zu erheben. Auf dem Eis war das nicht ganz so einfach. Lena hatte Mühe, brauchte zwei, drei Anläufe, ehe sie wieder auf dem Eis stand und ihm unsicher die Hand reichte.
 

Noch breiter grinsend griff er danach, hievte sich hoch und beide taumelten erneut. "Vorsicht, sonst liegen wir gleich wieder."
 

Lena lachte unbeholfen auf. "Tut mir leid, ich dachte, ich könnte es noch."
 

Gelassen winkte er ab. "Muss dir nicht leidtun, Lena."
 

"Du kennst mich?" Verwirrt sah sie den jungen Mann vor sich an und schluckte.
 

"Klar, du bist Tessas beste Freundin und sie wohnt schräg gegenüber. Mir entgeht sowas nicht, wenn ich auf dem Hof stehe", erwiderte er. "Außerdem bist du mit Marek befreundet und wir sind Kollegen."
 

Kollegen? Davon hatte Marek ihr nichts erzählt und irgendwie kam sie sich reichlich dumm vor. "Das wusste ich nicht", murmelte sie, strich sich unbeholfen durch ihre braun gefärbten Haare und sah sich Hilfe suchend nach ihrer Freundin um.
 

Tessa drehte weiter hinten ihre Runden, hob die Hand, grüßte und steuerte dann erst auf die beiden zu. "Naaa, habt ihr euch endlich kennengelernt?", wollte die kecke Blondine wissen.
 

"Ja, ich meine nein", erwiderte Lena hastig, wurde erneut rot und blickte rasch auf die Eisfläche unter ihren Füßen. "Ich meine, nicht so richtig", fügte sie noch hinzu und sah wieder auf.
 

Gespielt empört blies Tessa die Wangen auf und schüttelte den Kopf. "Also wirklich", tadelte sie, packte die beiden an den Ärmeln ihrer Jacken und zog sie hinter sich her. "Da vorn gibts Glühwein, außerdem eine Sitzecke und da könnt ihr euch kennenlernen." Neckisch zwinkerte Tessa den beiden zu, führte sie sicher über das Eis und ließ es sich nicht nehmen, den beiden tatsächlich zwei Becher in die Hand zu drücken.
 

"Na hopp, setzen, reden, flirten und ... den Rest kennt ihr sicher." Zufrieden in sich lächelnd ließ Tessa die beiden alleine, drehte erneut ihre Runden und behielt sie neugierig im Auge.

F wie Flirten

Lena hatte recht behalten. Tessa war hartnäckig, wollte sie mit allen Mitteln verkuppeln und sie schien sogar damit Erfolg zu haben. Nach der Eispanne wurden Lena und Jakub buchstäblich genötigt Glühwein zu trinken, sich zu unterhalten und kennenzulernen. Dabei erfuhr sie auch, dass ihr Auto bereits fertig war und Jakub sich selber darum gekümmert hatte.
 

“Was, schon fertig?” Überrascht blickte Lena den jungen Mann neben sich an, der bereits nickte und dabei ziemlich breit grinste.
 

“Hattest nen Marder drin”, erklärte er. “Hab mich persönlich darum gekümmert.”
 

Erstaunt nippte Lena an ihrem Becher Glühwein, stellte ihn dann neben sich ab und runzelte die Stirn. “Und die gehen an Autos?”
 

“Hin und wieder schon und dann hat man den Schaden”, erwiderte Jakub.
 

“Blödes Vieh. Ich mag die nicht”, murrte Lena leise vor sich hin. “Ich mag Hunde, die sind wenigstens süß und fressen nichts am Auto kaputt.”
 

Jakub lachte daraufhin. “Dann kennst du meine Hunde noch nicht. Die sind klein, verfressen und die machen auch einiges kaputt.”
 

Hunde? Er hatte Hunde? Lenas Augen begannen zu leuchten, auf ihre Lippen legte sich ein Lächeln. “Was für Hunde hast du?”, wollte sie wissen und zeigte eine Begeisterung, die man nur selten bei ihr sah.
 

“Ziemlich kleine. Darunter zwei Möpse und drei Zweigspitze.”
 

Möpse? Hatte er wirklich Möpse gesagt? Lena hätte fast vor Verzückung gequietscht. Möpse standen direkt hinter Schäferhunden ganz weit oben bei ihr.
 

“Zeigst du mir irgendwann mal deine Möpse?”, fragte sie nach, ohne nachzudenken, wie zweideutig das klang. Entsprechend brach Jakub in schallenden Gelächter aus und wurde verdutzt angesehen. “Was ist so lustig an Möpsen?”
 

Jakub schüttelte darauf den Kopf und winkte noch immer kichernd ab. “Nichts, aber deine Frage ist zweideutig und na ja, nicht gerade passend bei einem Mann.”
 

Lena errötete schlagartig. Möpse konnten nicht nur Hunde sein, sondern auch die Oberweite einer Frau. Wie peinlich, dachte sich Lena, sah dann jedoch, dass Jakub noch immer ein Grinsen im Gesicht hatte und schmunzelte. “Also gut, zeigst du mir irgendwann mal deine Rasselbande?”
 

“Klar, wenn du morgen dein Auto abholst, kann ich sie dir gerne vorstellen”, erwiderte er und hielt ihr seine Packung Zigaretten hin. “Auch ein?”
 

Lena nahm vorsichtig eine aus der Verpackung heraus und zündete sich diese an. “Nächstes Mal geb ich eine aus.”
 

“Nächstes Mal? So, so, das klingt fast nach einem Date.”
 

“Vielleicht ist es das auch”, erwiderte Lena mit einem Schmunzeln auf den Lippen.

G wie Gefühle

Tage verstrichen, dann Wochen, in denen sich Gefühle entwickelten, zarte Banden knüpften und zwei Menschen zusammenbrachten. Lena und Jakub und das sehr zur Freude ihrer engsten Freunde Marek und Tessa. Jitka hingegen war wie vom Donner gerührt, sah ihre Freundin vorwurfsvoll an, nachdem diese das Fitnessstudio betreten und die Bombe hatte platzen lassen.
 

"Deswegen deine gute Laune", stellte die brünette, junge Frau fest und lächelte. "Aber du hättest mir, das auch ruhig etwas früher erzählen können", murrte sie letztendlich hinterher und zog für einen kurzen Moment eine Schnute, die ihre Empörung deutlich machte.
 

Lena seufzte. "Ich wollte es erstmal für mich genießen, ehe ich es erzähle. Hast du das nicht damals auch so gemacht?"
 

Jitka überlegte auf diese Frage hin, dann aber verpasste sie Lena einen leichten Seitenhieb und sah sie böse an. "Du hast es von Thomas erfahren, nicht von mir. Du hast mich erst durch ihn kennengelernt."
 

Oje, das hatte Lena nicht mehr ganz auf dem Schirm, wie es zu ihrem Kennenlernen kam, dass es über dritte passierte. Lena fühlte sich schuldig, unsagbar dumm. "Tut mir leid, ich hatte es vergessen", murmelte sie betroffen und blickte ihre Freundin scheu von der Seite an.
 

Im Vergleich zu ihr selber, war Jitka deutlich größer, durchtrainierter und besser in Form. Es wäre ihr ein leichtes, sie im Kickboxen zu besiegen, an der Stange fertigzumachen und das nur, weil Lena so dumm und vergesslich war.
 

"Schwamm drüber. Erzähl mir lieber, wieso ihr so lange gebraucht habt? Man hat doch mindestens bei einem von euch etwas gesehen, oder nicht?"
 

Lena atmete erleichtert aus, als Jitka bereits wieder strahlte, alles wissen wollte und obendrauf vorschlug, das Ganze bei einem Kaffee zu erzählen.
 

"Hopp, ich warte, brenne darauf, jetzt alles zu erfahren", drängelte Jitka weiter und schob Lena unterstreichen zu einem der kleinen Tische, wo sie sich setzte.
 

Lena konnte nicht anders, als dümmlich zu grinsen, setzte sich dann aber ebenfalls an den Tisch und wartete auf die Bedienung, die ihre Bestellung entgegennahm. Kaum später quatschen die beiden Frauen, lachten immer wieder, schüttelten die Köpfe und tauschten verstehende Blicke aus.
 

"Darf man mitlachen?", ertönte plötzlich eine bekannte Stimme hinter Lenas Rücken und stellte sich als die von Jakub heraus.
 

"Klar, setz dich", erwiderte Jitka grinsend, setzte sich um und überließ ihm den Platz neben Lena, der es offensichtlich etwas peinlich war.

H wie Herbsttreiben

Bunte Blätter fielen tanzend von den Bäumen, während Lena in ihrer Zigarettenpause auf die Seite springen musste, um nicht von einer herunterfallenden Kastanie getroffen zu werden. An sich liebte sie den Herbst, aber zu dieser Jahreszeit stürmte es gerne und neben Haselnüssen fielen auch Tannenzapfen von den Bäumen herunter. Lena seufzte, zog an ihrer Zigarette und freute sich bereits auf ihre Kuscheldecke und wärmendes, flackerndes Kerzenlicht. Dazu ein gutes Buch und Tee. Bevorzugt einen Earl Grey mit Sahne und braunem Zucker.
 

Ihr Feierabend war jedoch in weiter Ferne, noch fünf Stunden musste sie bedienen und nebenbei Bestellungen machen. Hin und wieder putzen, aufräumen und Telefondienste erledigen. Alles leichte Aufgaben, doch das lange Stehen, machte den Tag nicht einfacher.
 

"Lena?" Ihre Kollegin trat aus der Hintertür heraus, erinnerte sie daran, dass sie bereits wartete und einkaufen wollte. Lena nickte ihr knapp zu, steckte ihre Zigarette in den Aschenbecher, folgte der brünetten Frau zurück ins Café und zog ihren schwarzen Mantel aus, den sie unter den Tresen legte. Kurz danach verschaffte sie sich einen Überblick, doch es handelte sich um die gleichen Gäste. Keiner war dazugekommen und auch das Telefon war still. Die perfekte Zeit, um Bestellungen zu machen. Vielleicht aber auch, um dem bunten Herbstreiben auf den Straßen zuzusehen.

I wie Irritiert

Ein Danke geht an Mordi, die mir mit dem I ein bisschen geholfen und eine tolle Idee vorgeschlagen hatte.
 


 

Verwirrt sah Jakub seiner Freundin nach, die sich hastig ihr Handy griff und nach draußen ging. Nicht zum ersten Mal, dass sie dies tat und ein riesiges Geheimnis um irgendetwas machte. Langsam kamen ihm dann doch Zweifel, ob sie es überhaupt ernst mit ihm meinte. Vielleicht sollte er aber erstmal mit Michal reden, einfach wieder etwas mit seinem besten Freund machen, um den Kopf freizukriegen. Überlegend griff er schließlich selbst zu seinem Handy, schrieb ihn auf WhatsApp an und fragte, ob er die nächsten Tage Zeit für ihn hatte.
 

Ein erfreutes Grinsen legte sich auf seine Lippen, als Michal antwortete, ihn für morgen Abend einplante. Die anfängliche Freude wich jedoch sehr schnell, hörte er Lena im Flur telefonieren und deutlich einen Namen, der ihn ziemlich sauer machte.
 

"Was hast du noch mit Lukas zu schaffen?", fragte er direkt frei heraus und sah Lena nicht gerade freundlich an. Eher so, als würde er sich gleich auf sie stürzen wollen.
 

Lena seufzte, beendete das Gespräch und trat an ihren erzürnten Freund heran."Ich hab ihn etwas gefragt, was dich betrifft?"
 

"Mich?" Irritiert blinzelte Jakub seine Freundin an, ehe er sie auf seinen Schoss zog und abwartend ansah.
 

"Es ist harmlos. Ich wollte nur wissen, was du speziell magst. Lukas kennt dich immerhin besser", gestand Lena mit hochrotem Kopf.
 

"Was ich speziell ..." Jakub holte tief Luft, ehe er ziemlich breit zu grinsen begann. "Da hättest du auch Michal fragen können, meinst du nicht?"
 

Nun war es Lena, die kurz irritiert war, aber schnell umdachte und Jakub kopfschüttelnd durch die Haare wuschelte. "Ich meinte eigentlich, was du speziell gerne isst und nicht, was du im Bett bevorzugst."
 

Kurzes Schweigen entstand, schließlich lautes Gelächter, was noch lange anhielt und zeigte, wie lustig ein Missverständnis sein konnte.

J wie Jubeln

Die Freude war groß über den überraschenden Sieg. Besonders bei Lena und Tessa, die nicht damit gerechnet hatten, dass Marek ganz oben auf dem Siegertreppchen stand. Er hatte sogar den Drift King geschlagen, stand nun stolz neben diesem und ließ sich von seinen Freunden feiern.
 

Lena wischte sich ein paar Tränen aus dem Gesicht, Tessa hingegen, jubelte noch immer und klatschte begeistert in die Hände. Den Sieg gönnten sie Marek von Herzen und sogar Jakub war mächtig stolz. Besonders auf das Auto, welches sie die letzten Wochen zusammen aufgemotzt hatten.
 

"Sowas von verdient", lächelte Tessa zufrieden vor sich hin, aber so laut, dass es auch Lena hören konnte und zustimmend nickte.
 

"Das sollten wir ordentlich feiern, oder?"
 

"Ja und jemand bestimmten einladen", erwiderte Tessa ihrer Freundin, die sie verwirrt ansah. "Was hast du jetzt wieder vor? Wieder jemanden verkuppeln?"
 

Tessa lächelte verschwörerisch. "Marek ist nicht irgendwer. Er ist mein Ex und mittlerweile bester Freund. Er hat es verdient, glücklich zu sein."
 

"Aja und sicher hast du da schon jemanden auf dem Schirm", antwortete Lena und rollte genervt mit den Augen. Wieso konnte Tessa nicht normale Hobbys haben? Warum musste sie alles und jeden verkuppeln? Ein Rätsel für die Blondine.
 

"Sicher doch und du kennst ihn." Tessa schob ihre Freundin so, dass sie einen guten Blick auf einen jungen Mann hatte, der etwas kleiner als Marek war, dafür aber dieses freche Grinsen und eisblaue Augen hatte.
 

Marw wollte sie mit Marek verkuppeln? Diesen Rebellen? Lea war entsetzt. "Die passen doch gar nicht zusammen. Der Typ macht dauernd Party, hat eine Tussi nach der anderen und nimmt Jungs überhaupt nicht wahr. Jedenfalls nicht so, wie du oder ich."
 

"Du warst bei der letzten Party gar nicht dabei", maulte Tessa beleidigt und beobachtete den jungen Mann mit diesem übergroßen Tunnel im Ohr.
 

Lena schüttelte den Kopf, blieb bei ihrer Meinung, dass beide ein unschönes Paar abgaben, Marek viel zu ruhig für Marw wäre und völlig andere Interessen besaß. Allerdings wusste sie auch, dass man Tessa nicht aufhalten konnte, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.
 

"Wehe, er tut Marek weh, dann brech ich ihm die Knochen", knurrte Lena leise vor sich hin und warf Marw finstere Blicke zu.

K wie Kürbis schnitzen

Quietschend wurde der Kürbis mit den kleinen Händen versucht zu umarmen, während die blauen Augen begeistert leuchteten. Ein süßer Anblick und das erste Mal, dass Alice so etwas sah. Das Jahr zuvor war sie zu klein, Halloween nicht greifbar und an Kürbis schnitzen war noch nicht zu denken. Nun sah alles danach aus. Die Neugier war groß, dieses orangefarbene Ding wurde gründlich untersucht und spielerisch angeleckt. Viel fehlte nicht mehr und sie würde kräftig zubeißen. Doch so weit kam es nicht, ihre Mutter nahm den Kürbis an sich und ignorierte den Protest ihrer Tochter.
 

Mit einem scharfen Messer schnitt sie eine Art Deckel oben rein, legte diesen zur Seite und ließ sich von ihrer Freundin Lena einen großen Löffel reichen. Sorgfältig entfernte sie die Kerne, sammelte sie in einer großen Schüssel und neugierig sah Alice diese an. Dann grapschte sie danach, steckte ihre kleinen Hände hinein und matschte durch die glitschige Masse.
 

"Alice nein", schimpfte Jitka, sah ihre Tochter tadelnd an und ignorierte deren Schnute. Viel fehlte nicht mehr und sie würde weinen. Lena sah das, handelte sofort und setzte sich den Deckel des Kürbis kurzerhand als Hut auf den Kopf.
 

"Schau mal, Süße. Tante Lena hat einen neuen Hut."
 

Kaum hatte sie das gesagt, drehte die Kleine ihren Kopf, lachte laut und klatschte begeistert in ihre kleinen Hände. Doch dann wollte auch sie diesen Hut haben, griff danach und zog diesen Lena vom Kopf runter. Eine ziemliche Sauerei, der Deckel des Kürbisses war nicht gesäubert und vereinzelte Kerne thronten auf ihrem brünetten Haupt. Jitka verkniff sich das Lachen, zupfte einen der Kerne aus den Haaren und löffelte weiter den Kürbis aus, während Alice noch immer darauf wartete, diesen schönen Hut zu bekommen.
 

"Darf sie?", fragte Lena schließlich ihre Freundin, die kurz darauf nickte und zufrieden auf ihren Kürbis sah.
 

"Später ist Badezeit, aber das macht der Papa", grinste sie, setzte ihrer Tochter den Deckel auf den Kopf und machte rasch ein Foto von diesem süßen Anblick.
 

Lena beobachtete Alice. Ihr kam eine Idee und in ihrem Kopf sah die kleine Maus bezaubernd aus. "Verkleiden wir sie als kleinen Kürbis? Sie würde so niedlich aussehen", schwärmte sie bereits und schmunzelte, als die Kleine kicherte. Fast so, als hätte sie verstanden.
 

"Mein kleines Kürbismädchen." Jitka war von Lenas Idee ganz angetan, stellte sich bereits ihre Tochter in ihrem Kostüm vor. "Das machen wir auf jeden Fall und wir sollten unbedingt eine kleine Party arrangieren. Nichts Großes, aber so, dass sie Halloween zu schätzen weiß und langsam kennenlernt."
 

Begeistert nickte Lena ihrer Freundin zu. "Also nichts Gruseliges und nur wenige Gäste."
 

"Richtig. Am besten nur wir und Tante und Onkel dazu", stimmte Jitka bereits zu und überlegte weiter. "Ein paar Süßigkeiten sollen es sein und vielleicht einen lustigen Film, den wir alle ansehen können."
 

"Monster AG? Nein, könnte Alice erschrecken." Lena überlegte weiter. "Mag sie Katzen?"
 

"Klar, sie liebt Katzen", grinste Jitka und sofort leuchtete ihr ein, welchen Film sie gemeinsam gucken konnten. "Garfield ist perfekt."
 

Katzen und Hunde waren aller Kinder Lieblinge und beide Frauen wussten genau, wie lustig ein Lasagne verrückter Kater sein konnte. Nicht nur zu Halloween, sondern das ganze Jahr über.

L wie Liebe

Die Liebe zu Tieren war schon immer da. Lena mochte so ziemlich jedes Tier, darunter sogar Spinnen. Diese durften an kalten Tagen immer in ihrer Wohnung hausen, wurden sogar liebevoll Hugo oder Betty genannt. Die Liebe zu Hunden hatte sie jedoch schon seit ihrer Kindheit. Damals gab es einen Familienhund, um den sie sich Jahre gekümmert hatte und dessen Verlust schmerzhaft war.
 

Lena erinnerte sich gerne an den Dobermann-Mix, an eine lustige Szene, die sie nie vergessen würde. Ein leises Lachen entwich ihr, ein ganz besonderes Bild tauchte in ihrem Kopf auf und einige Tränen liefen ihr über die Wangen. Trixi fehlte ihr auch heute noch, ebenso ihre süße Angewohnheit vor dem Tor zu warten, bis sie von der Schule nachhause kam. Ihre niedlichen Schlappohren, die sie oftmals kratzte und zufrieden dabei brummte.
 

Schöne Erinnerungen, die nie zurückkehrten, vergangen waren und tiefen Schmerz verursacht hatten. Wehmütig wischte sich Lena die Tränen aus dem Gesicht, schob das Bild an Trixi und ihren besten Freund weit weg von sich. Sie sollte nach vorn gucken, auf die zwei süßen Möpse, die neben ihr lagen und leise schnarchten.
 

Oskar und sein kleiner Bruder, der auf den Namen Bobby hörte. Lena hatte beide sofort in ihr Herz geschlossen und ebenso die Zwergspitzbande, die sich tobend durch das Wohnzimmer jagten. Lena sah ihnen einige Zeit zu, dann hörte sie ein unbekanntes Bellen und sah auf. Es musste aus dem Flur kommen oder kam es von draußen? War einer von Tessas Welpen stiften gegangen und hatte sich auf Jakubs Hof verirrt?
 

Neugierig trat sie raus auf den Flur, aus dem Haus und blieb schließlich überrascht stehen. Vor ihr saß eine französische Bulldogge mit Schleife um den Hals und sah aus großen Augen an. Lena war entzückt, kniete sich sofort herunter und streichelte dem Hund über den Kopf.
 

"Wo kommst du denn her?", fragte sie, kicherte, als ihr über die Hand geleckt wurde und sah sich um.
 

Marek war zusammen mit Biggi in der Werkstatt. Jakub sah sie nicht, ebenso dessen Vater. Verwirrt wandte sie sich dem Welpen wieder zu, der bereits auf ihren Schoss klettern wollte und leise dabei winselte. Lächelnd hob sie ihn hoch, erhob sich und streichelte dieses niedliche Geschöpf schweigend weiter.
 

"Sie scheint dich zu mögen."
 

"Sie?" Erstaunt drehte sich Lena um und blickte in das zufriedene Gesicht ihres Freundes. "Wie heißt die kleine Maus denn? Hat sie einen Namen?"
 

"Noch nicht", antwortete Jakub, kam näher und blieb schließlich direkt vor Lena stehen. "Einen Namen darfst du ihr geben. Immerhin ist sie dein Hund."
 

"Was?" Fassungslos starrte Lena ihren Freund an. Hatte er gesagt, dieses süße Wesen gehörte ihr? Sie musste sich verhört haben, das konnte unmöglich stimmen. "Du verarschst mich doch!"
 

Jakub schüttelte den Kopf. "Nein, sie gehört wirklich dir."
 

Lena blieben die Worte im Hals stecken, Tränen bildeten sich in ihren Augen und sie fiel ihm, mit Hund im Arm, um den Hals. "Danke", murmelte sie leise, nachdem sie sich wieder gefasst hatte.
 

"Ich denke, Mila ist ein schöner Name."
 

"Mila?", wiederholte Jakub verwirrt, fand den Namen jedoch sehr schön und passend.
 

"Ja, Mila. Mila, wie Liebe auf Tschechisch nun mal heißt."

M wie Möpse

Laut bellend jagte der Mops Bobby seinen großen Bruder durch den Garten, versuchte immer wieder nach seiner Rute zu schnappen und stoppte abrupt, als laut gepfiffen wurde. Auch Oskar stellte die Jagd ein, rannte als erster auf Jakub zu und schnüffelte neugierig an dessen Hand, die sich nach ihm ausstreckte.
 

Bobby hingegen hatte gleich gemerkt, dass etwas, dass jemand neues da war und direkt bei seinem Herrchen stand. Augenblicklich hopste der kleinere Mops an Lenas Hosenbein hoch, bellte vergnügt, drehte sich im Kreis und machte Anspielungen, gestreichelt werden zu wollen. Lena kam dem sofort nach, kraulte durch das kurze Fell und lachte, als sich der Mops auf den Rücken rollte und brummte. Bauch kraulen. Das liebte Bobby genauso sehr wie sein Bruder, der langsam dazukam und Anstalten machte, ebenfalls bedacht zu werden.
 

Lena kraulte beiden die Bäuche, schmunzelte und sah zu Jakub hoch. “Die beiden sind wirklich Zucker pur. Wie heißen die zwei?”
 

“Sie sind Brüder. Allerdings ist Oskar aus dem ersten Wurf und Bobby aus dem zweiten”, erklärte Jakub seiner begeisterten Freundin, die gar nicht aufhören konnte, die beiden Hunde zu streicheln.
 

“Wirklich süß, die beiden”, erwiderte Lena. “Und so lieb.” Besonders Bobby hatte es ihr angetan, mit seinen großen, neugierigen Augen. Mit seiner verschmusten Art.
 

Oskar war etwas ruhiger, rollte sich nach einiger Zeit zurück auf den Bauch und schloss die Augen. Kaum später hörte man ein leises Schnarchen.
 

“Scheint, als sei er eingeschlafen.” Leise lachte Lena, nahm Bobby hoch auf den Arm und ließ seinen Bruder mitten auf der Wiese schlafen. Sie hatte schon einige dieser Hunde kennengelernt und ihr war mehr als bekannt, dass diese viel schliefen oder größere Pausen brauchten.
 

Bobby aber war wach, konnte gar nicht genug vom Streicheln bekommen und hatte sich eng an Lenas Oberkörper geschmiegt. Er wirkt fast wieder wie ein Welpe, der Schutz, Liebe und Geborgenheit bei ihr suchte und fand.
 

“Er scheint sich wohlzufühlen.” Lena küsste Bobby auf den Kopf dabei, dann trat sie näher zu Jakub und küsste auch ihn.
 

Von all dem bekam Oskar nichts mit. Er schlief noch immer, schnarchte zufrieden und träumte von leckeren Hundekeksen.

N wie Nostalgie

Der Besuch ihrer alten Heimatstadt entpuppte sich langsam zur persönlichen Katastrophe und Lena stand kurz davor, wie ein kleines Kind bitterlich zu weinen. Nostalgie kam nicht wirklich auf. Alles hatte sich verändert, darunter nicht nur ihr liebster Bunker, den sie aufgestockt und neu gestrichen hatten, sondern auch die Straße, in der sie einmal gewohnt hatte.
 

Schöffingstraße elf, mittig ihr Wohnhaus, zwei weiter das geliebter Menschen, die hier schon lange nicht mehr wohnten.
 

Weiße Fassade, die einst rotbraun wirkte, eine Milchglastür, dahinter wenige Stufen und man stand bereits in einem gelb gekachelten Flur, an dem links die Briefkästen hingen. Dahinter zwei Wohnungstüren. Eine dritte gegenüber. Dann die Treppen nach oben, dahinter der Keller, der Lena so machen Schrecken einjagte.
 

Nichts davon war mehr da. Die Eingangstür bestand jetzt aus Glas, der Flur wirkte weiß gestrichen und die Treppen strahlten in einem Gemisch aus Marmor und irgendwas, was Lena nicht kannte. Briefkästen sah sie keine, ebenso war eine der Türen im Erdgeschoss ganz verschwunden.
 

“Willst du hineingehen?”, fragte Tessa vorsichtig, die ihre Freundin nach Frankfurt begleitet hatte und erkannte, wie sehr diese unter den massiven Veränderungen litt.
 

Lena schüttelte den Kopf. “Ich weiß, wie es weiter oben aussieht. Sie haben aus unserer Wohnung eine viel zu teure, groß gemacht. Es waren drei Zimmer, jetzt ist es ein riesiges Loft und nicht mal der Dachboden ist noch da.”
 

Lena seufzte wehmütig, erinnerte sich, wie sie damals in dem viel zu langen Flur Inliner fahren gelernt hatte. Nichts davon würde sie je wiedersehen, aber vielleicht gab es noch die alte Rollschuhbahn am Mainufer und die unzähligen Spielplätze, die aneinander reihten.
 

Hoffnung keimte auf. “Komm, ich muss dir was zeigen.”
 

Freudig zog Lena ihre beste Freundin hinter sich her, die Straße runter, rüber auf die andere Seite und durch einen breiten schlecht betonierten Weg runter zum Mainufer. Kaum hatten sie dieses erreicht, blieb Lena einen Moment stehen, wirkte glücklich und sah einem mittelgroßen Schiff hinterher, welches über den Main schipperte. Immerhin hatte sich das nicht geändert und auch, dass das Mainufer schlecht gesichert war. Einzig waren die Bootsstegs gesichert, mit einer Tür verschlossen, die man doch leicht umgehen konnte.
 

Hinter ihr waren bereits Wiesen, daneben der erste Spielplatz, den sie noch sehr gut kannte. Zumindest den Holzturm mit seiner wackeligen Hängebrücke. Alles andere wurde ersetzt und modernisiert. Immerhin aber eine kleine Kindheitserinnerung und neben dieser musste direkt die Rollschuhbahn sein.
 

“Komm, es ist nicht mehr weit und dann hab ich noch etwas, was du so bestimmt noch nicht gesehen hast.” Lena wirkte wieder wie ein Kind, zurückversetzt in die Vergangenheit und rannte laut lachend ein Stück weit vor.
 

Tessa folgte, hörte den lauten Aufschrei ihrer Freundin und schüttelte ihren Kopf. Offensichtlich gab es diese Bahn noch und weckte weitere nostalgische Momente in Lena. Neugierig kam sie daher näher uns stutzte.
 

“Ein bisschen klein für eine Rollschuhbahn”, stellte sie erstaunt fest.
 

“Hey, sie mag klein sein, aber sie war cool”, murrte Lena, sah weiter auf ihre Erinnerung, die wie ein achter Pool wirkte, nur zweimal so groß und doch irgendwie etwas klein für Frankfurt. Für sie zählte nie Größe, lediglich das Gefühl, welches sich in ihr ausdehnte, sie glücklich machte und daran erinnerte, wie oft sie hier gesessen und den Großen beim Skaten zugesehen hatte.
 

Ein zufriedener Seufzer verließ ihre Lippen. Lena wirkte ausgeglichen und doch hatte sie kaum später Hummeln im Hintern und sprang auf. Tessa beobachtete das Ganze mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie hatte es aufgegeben irgendwas zu sagen, folgte aber neugierig und war gespannt, was Lena ihr noch zeigen wollte. Weit laufen mussten sie dafür nicht, nur einige Meter und doch erkannte Tessa sofort die maßlose Enttäuschung ihrer Freundin.
 

“Es ist weg”, murmelte Lena und schaute auf die Stelle, die mit Platten belegt war.
 

“Was ist weg?”, wollte Tessa wissen, setzte sich auf die Holzbank und sah ihre Freundin auffordernd an.
 

“Mein Glockenspiel ist weg.” Tränen liefen Lena über die Wangen, brannten sich tief ein und erzeugten Bilder aus glücklichen Kindertagen.
 

Eine kleine Lena hopste aufgeregt auf einigen Platten herum, erfreute sich an den Tönen, an der Musik, die diese machten und anregten einfach ausgelassen zu tanzen. Jetzt waren sie weg, die Musik verstummt, die Platten ersetzt, die Ecke still und leblos.
 

Lena fühlte sich schutzlos, wie in einer Blase, die platzte und alles mitnahm, was ihr einmal lieb und wichtig war. Schluchzend setzte sie sich zu ihrer Freundin, ließ sich trösten, erzählte ihr von dem Glockenspiel und gemeinsam sahen sie sich ein Video dazu an, um die Vorstellung greifbarer zu machen.
 

Tessa war genauso angetan wie Lena, grinste immer wieder und seufzte schließlich auf. “Das klang wirklich schön. Schade, dass es sowas nur noch selten gibt.”
 

Lena nickte bestätigend. “Können wir bitte in Google gucken, ob mein Lieblingsschwimmbad noch da ist? Ich will nicht noch eine Enttäuschung erleben.”
 

“Klar, machen wir”, stimmte Tessa zu, schloss YouTube und rief stattdessen Google auf, um nach dem berühmten Rebstockbad zu suchen. Lange suchen musste sie nicht. Der erste Beitrag jedoch riss Lena den Boden endgültig unter ihren Füßen weg.
 

Abgerissen. Kein Stein stand mehr auf dem anderen und wo einst das Wellenbad zu sehen war, klaffte nun ein riesiges Loch. Alles war dem Erdboden gleichgemacht, sollte modernisiert und aufregender gemacht werden. Die alte Tunnelrutsche hatte ausgedient, lag zwischen Stahlträgern und anderem Bauschutt. Lena zerriss es beinahe das Herz, die blaue Röhre so lieblos weggeworfen zu sehen.
 

“Wie konnten sie nur? Meine ganze Kindheit ist zerstört, ausgelöscht und wegradiert.” Lena schluchzte erneut auf, weinte bitterlich, trauerte um verloren gegangene Dinge, die ihr so wichtig waren. Nichts davon würde wiederkommen. Keine Musikplatten, keine blaue Rutsche und auch ihr Bunker sah aus, wie jedes beschissene moderne Haus. Er hatte schlicht seinen Charme verloren, wirkte neu, wie aus diesem Zeitalter und aus seiner Geschichte gerissen.
 

Die Reise zurück nach Frankfurt war ein Desaster, ein Reinfall und am liebsten würde Lena nachhause fahren, alles hinter sich lassen und vergessen. Jedoch hatte sie noch eine Sache auf ihrer Liste und die gab ihr Hoffnung.
 

“Lass uns zum Museum und Dinos angucken. Sofern sie die nicht auch wie Müll einfach weggeworfen haben.”
 

Tessa nickte, stand auf und folgte ihrer Freundin zur U-Bahn. Gemeinsam fuhren sie eine Weile, dann stiegen sie aus und Lena sah bereits von weitem das Senckenberg Naturkundemuseum. Freude stieg in ihr auf, innerlich jubelte sie und daran konnten auch kein vor dem Museum stehenden Dinosaurier etwas ändern. Sie waren neu, das Gebäude jedoch immer noch gleich, weckte Erinnerungen und auch der Eingangsbereich hatte sich nicht geändert.
 

Im ersten Abschnitten stand noch immer ihr geliebter Tyrannosaurus Rex. So, als hätte er all die Jahre auf sie gewartet, nur um ihr wenigstens eine ihrer Kindheitserinnerungen zurückzugeben. Lena lächelte und sah an den impulsiven Knochen hoch.
 

“Danke, Rexi. Du hast meinen Tag gerettet.”

O wie Obst

Äpfel, Kiwis, Mangos und Wassermelone. Alles frisches und leckeres Obst. Besonders aber hatten es ihm Bananen angetan und das sehr zum Leidwesen seines Freundes. Ashton saß jetzt schon, mit einer mehr als offensichtlich, schlechten Laune am Küchentisch. Tom hingegen, mit einer Tasse Kaffee in der Hand und einem frechen Grinsen auf den Lippen, die seine blauen Augen noch besser hervorhoben. Ansonsten saßen noch Helmut und sein langjährigen Freund Jerome am Tisch, aßen schweigend ihr Frühstück und behielten wachsam die Uhr im Blick.
 

Sie kannten die bekanntliche Ruhe vor dem Sturm, wussten, wie schnell Ashton sich provozieren ließ und es dauerte nie lange und ein tobender Tornado fegte durch die Wohnküche. Jerome zählte bereits die Minuten, sein braunhaariger Freund hingegen behielt die beiden sehr viel jüngeren Jungs im Auge. Sicher war sicher und Helmut als WG Mutti duldete keinen Streit am frühen Morgen. Nicht am Küchentisch, nicht vor den ersten drei Tassen Kaffee.
 

Ruhe war etwas, was der Riese brauchte, die als oberste Regel galt und an die sich gehalten werden musste. Kevin war nicht da. Helmut hatte auch keine Ahnung, ob sein blondhaariger Kollege überhaupt in seinem Bett lag oder ob er auswärts geschlafen hatte. In letzter Zeit kam das häufiger vor, nachfragen würde er jedoch nicht, Kevin war alt genug, sogar deutlich älter noch als er selber. Bestimmt steckte dahinter ein Girl oder aber ein Boy. Wenn Kevin etwas zu erzählen hatte, würde er es sicher tun. Helmut pochte auf keinerlei Antworten, höchstens bei Tom und Ashton, die gerne mal aus dem Ruder liefen. Besonders mit Eis am Stiel, Bananen und alles, was man sich sonst noch anzüglich in den Mund stecken und damit provozieren konnte.
 

“Ist für heute was geplant?”, fragte Tom nach der langanhaltenden Stille nach, stand allerdings auf und sah sich suchend in der Küche um. “Haben wir keine Bananen?”
 

Jerome warf seinem Freund ein breites Grinsen zu, während dieser völlig ernst blieb. “Haben wir vergessen, zu kaufen. Du musst dich mit Blaubeeren anfreunden.”
 

“Keine Bananen?”, wiederholte Tom nochmals und sah Helmut entgeistert an.
 

“Keine Bananen.” Helmut blieb ernst, sachlich und trank seinen Kaffee weiter.
 

“Na super”, grummelte Tom, griff sich die Schale Blaubeeren und wirkte wenig angetan.

P wie Pinzette

Wo zur Hölle war jetzt die Pinzette hin? Eben lag sie doch noch im Badezimmer und jetzt hatte sie scheinbar Beine bekommen und hatte Reißaus genommen. Lena stand die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben, ebenso ihre mehr als buschigen Augenbrauen, die sie heute zupfen wollte. So wie sie aussah, konnte sie unmöglich unter Menschen gehen. Noch weniger, ihrem Freund gegenübertreten.
 

“Mist, verdammter!”, fluchte sie laut und sah frustriert in den Spiegel.
 

“Was mach’ ich denn jetzt?”, murmelte sie sich selber zu, öffnete zum dritten Mal den kleinen Schrank über dem Waschbecken und suchte vergeblich nach der Pinzette.
 

Laut seufzte Lena aus. Weiter suchen gab sie auf und verließ stattdessen das Badezimmer. Im Wohnzimmer angekommen, blieb sie stehen und überlegte, was sie stattdessen mit dem angebrochenen Tag anfing. Die Lust auf einen Beautytag war ihr jedenfalls gründlich vergangen.
 

Lena entschied sich letztendlich für einen Serienmarathon, startete Netflix und suchte sich durch unzählige Serien. darunter Vikings, the last Kingdom und eine kleine Dokumentation über Anne Boleyn. Alle drei hatte sie bereits gesehen, hatte keine Lust auf historische Ereignisse, die längst vergangen waren. Vielleicht doch lieber einen Film?
 

Auf Horror hatte sie alleine keine Lust, ebenso auf etwas Romantisches. Lena entschied sich für Humor, einen alten Film, den sie lange nicht gesehen hatte. Einen, der die Probleme junger Mädchen ansprach, sich aber nicht um Pinzetten drehte, sondern um Orgasmusprobleme.

Q wie Quatschkopf

Als liebenswerten Quatschkopf hatte Lena ihren Jakub kennengelernt, am Ende lieben gelernt und nun verband sie bereits acht Monate, in denen sie gemeinsam ihr Leben bestritten. Glücklicher könnte sie junge Frau nicht sein, wenn sie ihren Freund betrachtete und wie dieser mit seiner frechen Rasselbande umging.
 

Seine Hunde bekamen genauso die Liebe, die auch Lena bekam, keiner kam zu kurz und niemand musste eifersüchtig sein. Auch ihre kleine Mila nicht, die sich genügt über den Rasen schob, die Nase darin vergraben und sichtlich ihren Spaß hatte.
 

Es könnte nicht schöner sein, dachte sie sich, trank dabei ihre Tasse Kaffee und blickte zufrieden in die Ferne. Erst, als sie ein Winseln hörte, sah sie runter zu ihren Füßen und sah Bobby vor sich sitzen. Schnell stellte sie ihr Tasse auf dem Tisch vor sich ab, nahm den Hund auf den Schoß und streichelte dessen Fell.
 

Zufrieden genoss der Mops diese Zuwendung, brummte und legte sich ab. Lena begann zu kichern. “Genau wie dein Herrchen. Nur nicht so ein Quatschkopf.”
 

Bobby bellte daraufhin, als hätte er sie verstanden und gäbe ihr recht. Lena schmunzelte darüber eine ganze Weile, griff dann erneut zu ihrer Tasse und führte sie zu ihren Lippen. Dabei stellte sie fest, dass der Kaffee bereits kalt war. Das Gesicht verziehend leerte sie den Inhalt in einem Zug und schüttelte sich.
 

“Was war das denn?” Jakub, der um die Ecke bog und alles gesehen hatte, grinste breit und nahm ihr Bobby ab.
 

“Kalter Kaffee”, erwiderte Lena knapp, erhob sich von ihrem Platz und wollte sich einen frischen holen.
 

“Macht aber doch schön”, witzelte Jakub, ließ wie so oft den Quatschkopf heraushängen, den Lena so liebte und der sie regelmäßig damit zum Lachen brachte.
 

Auch jetzt lachte sie, verschwand dann aber in der Küche und kam zurück, mit zwei Tassen frischem Kaffee.

R wie Rosen

Wind streifte durch ihr blondes Haar, machte die unsägliche Hitze des Tages erträglicher, ebenso der Eimer mit kaltem Wasser, in welchem ihre Füßen standen. Ein bisschen Abkühlung, genau richtig, um draußen am Laptop zu schreiben, die Gedanken fließen und schweifen zu lassen. Ein Eiscafé rundete das Ganze ab und so konnte Lena gut an ihrem Roman weiterarbeiten.
 

Wort für Wort entstand, Sätze wurden getippt und die Zeit verflog wie Sekunden. Lena war in ihrem Element, tauchte in eine andere Welt ein, die sie irgendwann mit ihren Lesern teilte. Bis es so weit wäre, musste sie noch einiges verfassen, viele Kapitel schreiben, die von Liebe und Drama handelten.
 

Lenas Finger glitten wie von selbst über die Tasten, wollten keine Ruhe geben, so lange schreiben, bis das Kapitel vollendet wäre. Hin und wieder blickte sie kritisch auf das Verfasste, rückte dabei ihre Brille ein Stück, nur um sie sofort wieder nach oben zu schieben. Fehlte nur noch der Bleistift zwischen den Lippen und das Gesamtbild einer Studentin saß perfekt. Ein Stirnrunzeln folgte, setzte sich alle paar Sekunden fort, während Lena öfter als sonst seufzte.
 

“Mach doch mal ne Pause. Du schreibst seit Stunden”, erklang hinter ihr die Stimme ihres Freundes.
 

Lena stieß einen weiteren Seufzer aus, dann drehte sie sich zu Jakub um und erblickte einen prachtvollen Strauß roter Rosen.
 

“Für die hübscheste Autorin weit und breit”, grinste er sie bereits an, während Lena zu strahlen begann, vorsichtig die Rosen annahm und daran roch.
 

“Du übertreibst maßlos”, erwiderte sie leise, stand schließlich auf und küsste ihren Freund flüchtig auf die Lippen. “Trotzdem danke für die wunderschönen Rosen.”

S wie spontan

Ganz spontan hatte Jakub sie überrascht, Karten für das Transmission Festival in Prag besorgt und nun feierten sie gemeinsam mit engen Freunden eine riesige Party. Lena war ganz in ihrem Element, tanzte, zeigte Begeisterung für die aufwendige Lasershow, die das mehrtägige Festival abrundete.
 

Zusammen mit ihrer besten Freundin nutzte sie die knappe Tanzfläche, begann Shuffle zum Besten zu geben und gab sich den harten Beats von Darren Porter hin. Ein DJ, den Lena seit einigen Jahren feierte, der zu ihren Favoriten zählten und doch gab es einen, den sie mehr noch bevorzugte. Auch er würde auflegen, ihr das Wochenende versüßen und noch lange im Gedächtnis bleiben.
 

Bis MaRlo aber auflegte, dauerte es noch etwas und Lena war sich jetzt schon sicher, dass sie das nächste Festival mitnehmen und ausleben würde. Sie musste nur Jakub überreden, mit ihr nach Polen zu fahren. Sofort sah sie sich in der Menge nach ihrem Freund um, entdeckte ihn unweit neben seinem Freund Michal und schlendern zielstrebig so gut es in dieser Menschenmasse ging, auf ihn zu.
 

Kaum bei ihm angekommen, hielt Jakub ihr seinen Becher hin und grinste. “Trink mal was.”
 

Lena sah den Becher kritisch an, erkannte, was sich darin befand und schüttelte sich kurz. Bier, dazu warm und nicht wirklich das, was sie gerne trank. Trotzdem griff sie danach, trank einen großzügigen Schluck und verzog angewidert ihr Gesicht. Wie zu erwarten, wenn man warmes Bier nicht mochte.
 

“Schmeckt wohl nicht, was?”, fragte Michal gerade so laut, dass Lena seine Frage verstand und darauf nickte.
 

“Schlimm, ganz schlimm”, rief sie in seine Richtung und überreichte Jakub seinen nun fast leeren Becher.
 

“Gibt schlimmeres”, erwiderte ihr Freund, trank den Rest aus und sah sie schließlich abwartend an, da Lena den Anschein machte, dass sie irgendetwas von ihm wollte.
 

In diesem Moment wurde jedoch MaRlo angekündigt und Lenas Augen begannen zu strahlen, als sie hörte, wer jetzt die nächsten zwei Stunden auflegen würde. Jakub bemerkte dies, begann zu lächeln und zog sie näher zu sich.
 

Lena erwiderte das liebevolle Lächeln. “Können wir nach Polen fahren?”
 

“Du meinst nach Gdańsk?”, wollte er wissen und sein Lächeln wurde nur noch breiter.
 

Eifrig nickte die blonde Frau, stutzte jedoch einige Sekunden später und sah ihren Freund musternd an. “Warte, du weißt wohin ich will?”
 

“Sicher. Ich weiß doch, wie oft und gerne du MaRlo hörst und daher hab ich die Tickets schon gekauft”, erklärte Jakub seiner Freundin, die ihm bereits glücklich um den Hals fiel und ihn stürmisch küsste.

Tschechische Schuhe und Linzer Gebäck

Neugierig nuckelte die einjährige Alice an einem Keks, während ihre Mutter leise Last Chrisams mitsang und Lena damit den letzten Nerv raubte. "Jitka bitte hör auf zu singen. Entweder sing richtig oder lass es bleiben. Das klingt so grauenhaft und deine Tochter guckt auch schon ganz verstört", meckerte die Brünette, ehe sie die Teigrolle an sich nahm und weiteren Teig ausrollte.
 

Jitka lachte, hörte aber auf mit ihrem schiefen Gesang und knuddelte lieber ihr kleines Mädchen. Quietschend sabberte diese ihren Keks an und ließ diesen sofort fallen, als sie ihren Vater erblickte. Freudig riss sie die Arme hoch und noch ehe sich der blonde Mann versah, wurde ihm seine Tochter in die Arme gedrückt.
 

"Was macht ihr denn hier?" Erstaunt sah Thomas sich die Küche an, entdeckte ausgerollten Teig, einige Gläser Marmelade und einen Berg an Rosinen.

"Ah, Vorbereitungen auf Štědrý den, den schönsten aller Weihnachtsfeiertage." Neugierig wie der blonde Mann war, naschte er vom Keksteig, leckte sich genüsslich den Finger ab und fing sich mit dem Topflappen eine ein.

"Hey", lachte er, wich seiner Freundin Jitka aus und versteckte sich hinter der Küchentür. Kopfschüttelnd sah Lena dem Schauspiel zu, widmete sich dann aber wieder ihren Plätzchen zu und seufzte leise. "Kann mir jemand helfen? Ich kenn' mich mit Wespennestern echt nicht aus."

Sofort übergab Thomas seine Tochter in die liebevollen Hände ihrer Mutter und trat zu Lena in die Küche. "Mit unserem Weihnachtsgebäck hast du es wohl noch nicht ganz, was?"
 

Lena verneinte. "Damit nicht und was eure Bräuche angeht, da steh' ich auch auf dem Schlauch", gab sie leise zu. Thomas nickte verstehend und sah sich suchend in der Küche um. "Hat Jakub Kochbücher?"

"Bestimmt", erwiderte Lena und half bei der Suche. "Ansonsten geh' ich raus und frag ihn."

"Nicht nötig, ich hab es", grinste Jitka frech und reichte Thomas ihr Handy.

"Danke, Schatz." Ihr einen Kuss auf die Wange drückend nahm er es entgegen und legte es auf die Anrichte. "Also schön, dann gucken wir mal nach dem Rezept oder aber wir fangen mit etwas Leichtem an. Ganz, wie du willst."
 

"Etwas Leichteres wäre mir gerade lieber. Mich überfordern schon diese Schuhe", seufzte Lena abermals und blickte verwirrt drein, als Jitka anfing laut zu lachen. Sogar Alice lachte mit und selbst Thomas konnte sich ein dickes Grinsen nicht verkneifen.

"Was ist?" Lena sah die drei an und verstand nicht, warum sie wegen eines paar Schuhen lachten, die man sich über den Rücken werfen sollte. Wozu war das überhaupt gut? In Deutschland war Weihnachten ganz anders, einfacher und keiner warf einen Schuh. Höchstens aus Frust, wenn das Geschenk nicht passte oder der Partner zu viel Glühwein hatte.
 

"Komm mal her, Lena." Jitka setzte sich zusammen mit Alice auf die Couch, stellte die Musik leiser und zündete eine nach Zimt duftende Kerze auf dem Tisch an. Lena kam der Aufforderung nach, setzte sich in das weihnachtlich geschmückte Wohnzimmer und reichte Alice ihren Beißring. Sofort biss und kaute die Kleine fleißig und die beiden Frauen hatten Zeit zu reden.

"Wir nennen den Heiligen Abend auch den Tag von Adam und Eva. In vielen Haushalten wird der Weihnachtsbaum geschmückt und dieser besondere Abend ist mit vielen Aberglauben verbunden. Die meisten drehen sich um das Leben, die Liebe und das Schicksal, welches einen im nächsten Jahr erwartet. Einer tschechischen Weihnachtstradition zufolge muss man den ganzen Tag fasten, um dann am Abend das „goldene Schweinchen" (zlaté prasátko) sehen zu können."
 

Goldenes Schweinchen? Lena sah aus, als hätte sie den Weihnachtsmann bereits gesehen und verstand nicht ein Wort von dem, was ihre Freundin erzählte. "Und was hat das jetzt mit dem Schuh zu tun?"

"Das ist ganz einfach", hörte Lena, drehte sich um und sah im Türrahmen ihren Freund stehen. "Du stellst dich mit dem Rücken zur Tür", sprach er weiter, grinste dabei und irgendwie war ihr, als würde er sie auf den Arm nehmen. "Und weiter?" verlangte sie neugierig zu wissen.

"Du wirfst ihn über den Rücken und wenn die Spitze zur Tür zeigt, steht nächstes Jahr deine Hochzeit an."

Bitte was? Hochzeit? Lena blinzelte einige Male, schüttelte danach energisch den Kopf und sah Jakub ernst an. "Soweit sind wir doch noch gar nicht. Jitka sollte den Schuh werfen und nicht ich."

"Ich werfe keinen", lachte es neben ihr und empört drehte sich Lena um. "Wieso nicht? Thomas und du, ihr habt ein Kind und ihr seid schon lange zusammen."

Wieder lachte sie. "Lass uns darüber nicht reden, okay. Wichtig ist, dass du weißt, was an Heiligabend auf den Tisch kommt."
 

Einen Moment schmollte die Brünette, seufzte und spitzte gleich wieder die Ohren. Das Essen wurde hier tatsächlich erst nach Sonnenuntergang serviert und traditionell sollte es sogar nicht serviert werden, bevor die ersten Sterne sichtbar waren. Es bestand aus Karpfen und Kartoffelsalat, manchmal ging diesem noch ein Gang mit Pilzen, Sauerkraut oder einer Fischsuppe voraus. Die Weihnachtskarpfen wurden außerdem in Hand-ausgehobenen Teichen großgezogen und einige Tage vor Weihnachten auf den Straßen und Marktplätzen in großen Bottichen verkauft.

Das Essen endete mit einem Dessert, einem Apfelstrudel. Lange Zeit gab es ein spezielles Weihnachtsbrot, vánočka, welches sehr ähnlich dem jüdischen Challa war, das ein fester Bestandteil des Weihnachtsessens war, aber heute seine weihnachtliche Besonderheit größtenteils verloren hatte und das ganze Jahr über gekauft werden konnte.

Also wie mit Osterbrot in Deutschland, dachte Lena. Das bekam man auch fast zu jeder Jahreszeit und doch wollte sie lernen genau dieses von Hand zu backen. Zuerst standen aber Wespennester auf dem Schirm oder hatte Thomas nicht gesagt, erstmal etwas Leichteres?

"Muss ich noch etwas wissen?" Kleinlaut kam ihr diese Frage über die Lippen und sie fühlte sich wie ein kleines Kind, welches eine mehr als peinliche Frage an die Eltern gestellt hatte.
 

"Geh erstmal wieder zu Thomas in die Küche. Ich glaube, er wollte dir tschechische Pfefferkuchen und Linzer Küchlein zeigen."

Linzer Küchlein kannte Lena. Das waren diese mit Marmelade gefüllten Plätzchen oder klebte man die Kekse damit zusammen? Lena war überfragt, stand gleichzeitig auf und drückte sich an Jakub vorbei, der noch immer in der Tür stand. "Nächstes Mal hänge ich einen Mistelzweig auf."

"Hör auf zu brummeln, Lena muss noch viel lernen und ich denke, den Mistelzweig kennt sie bereits." Breit grinste Jitka, ehe sie Alice den Mund säuberte und die Reste vom weich gelutschten Keks abnahm. Jakub erwiderte darauf nichts, ging rüber in die Küche und sah lieber seine Freundin über die Schulter, wie sie bereits gekonnt Teig ausrollte. Das Nudelholz hatte sie gut im Griff, ebenso das Ausstechen und selbst die Pfefferkuchen nahmen Formen an. Jakub war stolz, küsste Lena auf die Wange und ließ sich vorerst wieder in Ruhe. "Will jemand Glühwein?"

"Ich nehm einen", antwortete Thomas, während er überlegte, welche Marmelade er nutzen wollte.
 

Pfirsich oder doch Kirsch? Erdbeere gab es auch noch und ebenso Quitte.

"Nimm sie alle. Quitte ist zwar Geschmackssache, aber ich esse die verdammt gerne", merkte Lena an, siebte den Puderzucker durch und erlaubte sich damit einen kleinen Spaß. Wie Schnee rieselte dieser plötzlich herunter, legte sich auf Jakubs dunkelbraune Haare und auch Thomas sah aus, als hätte er den Kopf in einen Mehlsack gesteckt.

Beide Jungs sahen sich kurz an, dann griffen sie blitzschnell zum Mehl und bewarfen Lena. Eine wilde Mehl- und Puderzuckerschlacht begann, lautes Lachen drang bis zu Jitka vor, die verwirrt die Küche betrat und den Kopf schüttelte. "So kommt aber kein Baby Jesus zu euch und bringt Geschenke", tadelte sie verspielt.

"Baby Jesus?" Lena hielt inne, sah ihre Freundin skeptisch an, ehe sie einer Ladung Mehl auswich, sich duckte und Jitka diese stattdessen abbekam.
 

Hustend klopfte sie sich das Mehl von ihrem Pullover und sah Thomas mit undefinierbarem Blick an. "Wahnsinnig witzig. Genauso witzig wie diese komische Trulle, die dich seit Wochen nervt."

"Trulle?" Jakub sah zwischen den beiden Hin und Her, dann zu seiner Freundin, die offensichtlich mehr wusste. "Die unmögliche Person, die allesamt nervt."

"Richtig und besonders nervt sie Thomas."

"Okay?" Jakub zuckte mit der Schulter, aber wie es schien, war das Thema noch nicht vom Tisch.

"Hat sich die Gestörte auf Instagram noch mal gerührt oder lässt sie dich endlich in Ruhe?"

"Öhm ..." Thomas sah zu Lena, die seufzte und schließlich mit dem Kopf schüttelte. "Alles blockiert, aber scheint ohnehin so zu sein, dass sie endlich das Interesse verloren hat", klärte Lena ihre Freundin auf, die sich langsam beruhigte. "Glühwein?"

"Glühwein", wiederholte Jitka, nahm die gereichte Tasse dankend an und sah sie schockiert in der Küche um. "Das alles sieht Baby Jesus und dann bekommt keiner ein Geschenk." Kurz darauf brachen alle vier in Gelächter aus, tranken ihren Becher Glühwein und Thomas stellte das Radio lauter, als Wonderful Dream von Melanie Thornton anlief.
 

Alice schlief bereits, hatte einen tiefen Schlaf und bekam von dem Tohuwabohu in der Küche nichts mit.

Ausgelassen wurde getanzt, noch ein Glühwein getrunken und doch war es Lena, die plötzlich stoppte, sich umsah und zu lachen begann. "Wir sollten dieses Tohuwabohu beseitigen und das backen auf morgen verschieben."

"Erst will ich noch wissen, ob du den Schuh wirfst?" Jitka grinste, blickte interessiert Lena an, die durch den Glühwein bereits rote Wangen hatte.

"Mal gucken. Ich überlege es mir noch und mache mich noch ein wenig mit den Traditionen vertraut."

U wie Unfug

Egal wie alt man auch war, für Unfug konnte man es niemals sein. Selbst die sonst so kultivierte Lena erlaubte sich öfter mal eine kleine Kinderei und in der Werkstatt ihres Freundes handhabte man es nicht viel anders. Die jungen Männer waren teils sogar schlimmer, heckten immer wieder etwas aus und niemand blieb davon verschont. Erst gestern hatten sie die ahnungslose Mutter ihres Freundes veräppelt und sich daraus einen Spaß gemacht, ihr zu erzählen, sie seien pleite.
 

Diesen makabren Unfug hatte ihnen die gestandene Frau jedoch nicht abgenommen, hatte stattdessen den Spieß umgedreht und die freche Bande mit dem Holzlöffel über den Gemüseacker gejagt. Lena musste herzlich lachen, während sie ein ganz kleines bisschen Mitleid mit den Jungs hatte, aber wirklich nur ein bisschen. Eine Mutter nahm man halt nicht auf die Schippe, schon gar nicht ungestraft. Lena konnte Jakubs Mutter daher sehr gut verstehen und verfolgte interessiert die wilde Jagd.
 

Sogar die Hunde sahen dem wilden Treiben zu, bellten und immer wieder spielten sie mit. Erst, als die schwarzhaarige Frau außer Puste war, beendete sie ihre Hetzjagd, ging zurück ins Haus und holte sich ein Glas Wasser. Lena folgte ihr in die Küche, bemerkte den Blick ihrer zukünftigen Schwiegermutter und diese schrie nach Rache. Böse, hinterlistig und gerecht für den Streich mit der Werkstatt.
 

“Weihst du mich ein, in deinen Racheplan?”
 

Bianca sah Lena lächelnd an. “Dieses Mal nicht, Kleines. Dieses Mal nicht.”
 

“Schade”, murmelte Lena enttäuscht, trat in die Küche und stellte sich an die Zeile, um sich einen Kaffee zu machen. “Ich hoffe, ich werde wenigstens von deiner Rache verschont.”
 

Ein Versuch, doch noch hinter Biancas perfiden Plan zu kommen.
 

“Keine Sorge, Schätzchen, dich hab ich dabei gar nicht auf dem Schirm”, erwiderte die Ältere gelassen und schritt neben sie. “Machst du mir einen mit?”
 

Lena nickte auf die Frage hin, holte eine weitere Tasse aus dem Schrank und stellte sie unter den Kaffeeautomaten.
 

“Ich hoffe nur, du bist nicht zu bös zu den Jungs”, grinste sie, während sie der schwarzen Flüssigkeit dabei zusah, die Tasse zu füllen.
 

“Oh nur keine Sorge, so schlimm wird es nicht werden.”

V wie verdorben

Verdorben. Das fiel Lena als Erstes ein, wenn sie an Bianca dachte. Als Zweites kam ihr Durchtrieben in den Sinn und auch, wenn dies sehr hässliche Eigenschaften waren, sie mochte sie Jakubs Mutter sehr. Zu ihr war Bianca von Anfang an immer nett gewesen und mit der Suppenkelle hatte sie bisher auch nur von weitem Bekanntschaft gemacht. Es gab einfach keinen Grund dafür und eine Mutter merkte, wenn es jemand gut mit dem eigenen Kind meinte.
 

Dennoch war diese Frau mit Vorsicht zu genießen, ihre Streiche genauso verdorben, wie die ihres Sohnes. Vielleicht waren sie auch besser, durchgeplanter und nicht vorauszusehen. Lena konnte nur grübeln, kam nicht dahinter und wenn sie ehrlich war, wollte sie lieber auch nicht wissen, was Bianca vorhatte.
 

“Mach mir doch noch einen Kaffee, ja?”, bat sie bereits mit einem honigsüßen Lächeln auf den Lippen.
 

“Sicher doch”, erwiderte Lena, erledigte die kleine Bitte sofort und wunderte sich dennoch, für wen die dritte Tasse war.
 

Bestimmt wollte sie nett sein oder aber …
 

Lena dachte nicht weiter darüber nach, übergab Bianca schließlich beide Tassen und nippte an ihrer eigenen. Misstrauisch war sie dennoch, verfolgte jeden Schritt ihrer zukünftigen Schwiegermutter und ertappte sie dabei, wie sie nach dem Salzstreuer griff. Oha, nun wusste Lena, was los war.
 

Eine große Menge des weißen Goldes verschwand in der schwarzen Brühe, wurde sorgfältig untergerührt und mit einem warnenden Blick wandte sich Bianca schließlich an Lena. “Kein Wort, verstanden?”
 

Schwer schluckend nickte die junge Frau, versprach somit den Mund zu halten und sich nicht einzumischen. Gesünder wäre es, den Unmut Biancas wollte sie nicht auf sich ziehen. Lena schwieg, ließ die Ältere aus der Küche abziehen und folgte ihr mit gesundem Abstand nach draußen. Wer den besonderen Kaffee bekommen sollte, wollte sie dann nämlich doch wissen.
 

Neugier war etwas, was alle Frauen besaßen und den Spaß wollte sich Lena nicht entgehen lassen. Ebenso das Gesicht, wenn Biancas Opfer den Kaffee trinken würde. Mitleid hatte sie dennoch, immerhin war dies ein ziemlich ekelhafter Streich und salziger Kaffee konnte einem richtig den Tag vermiesen. Innerlich schüttelte sich Lena ein letztes Mal, ehe sie den Hof betrat und stehenblieb.
 

Von der Haustür aus hatte sie den perfekten Blick, sah, wie Bianca zielsicher auf ihren eigenen Sohn zuging und ihm die Tasse überreichte. Lena hielt sofort den Atem an, als er den Becher an seine Lippen führte und vorsichtig trank. Wie zu erwarten, verzog er angewidert das Gesicht, spukte und sah seine Mutter fassungslos an.
 

“Spinnst du, Salz in den Kaffee zu streuen?”
 

Bianca lächelte nur vor sich hin, ehe sie ihm zuflüsterte, dass Rache nicht nur süß, sondern auch salzig ausfallen konnte.

W wie Wassermelone

Die letzten Tage waren extrem heiß, kaum auszuhalten und da war jede Abkühlung willkommen. Auch aus dem Kühlschrank heraus. Kaltes Obst, Eiscreme und Salate standen ganz weit oben auf dem Speiseplan. Jedoch durfte die berühmte Wassermelone nicht fehlen. Mit Fetakäse war sie der Hit diesen Sommer und wurde oft und sehr gerne gegessen.
 

Auch heute stand Lena in der Küche, schnitt dieses leckere, erfrischende Obst und doch landeten die Stücke einfach so auf dem Teller. Die Jungs aus der Werkstatt dankten es ihr, griffen gerne zu und verputzten restlos alles, was sie ihnen brachte. Wie viele Wassermelonen sie in den letzten Tagen gekauft hatte, wusste sie nicht mehr. Es waren allerdings viele. Die süße Leckerei war zu verführerisch.
 

“Haben wir noch Melone?” Marek steckte den Kopf durch die Terrassentür und blickte Lena bittend an.
 

Lena drehte sich um, lächelte und deutete auf den Teller. “Warte bitte kurz, dann kannst du es gleich mitnehmen.”
 

Marek nickte, schlich sich jedoch an und mopste sich direkt eines der Stücke. Genüsslich biss er in das saftige Obst, leckte sich über die Lippen und setzte sich an den Tresen. Geduldig sah er dabei Lena bei der Arbeit zu.
 

“Manchmal bist du unmöglich, weißt du das?”
 

“Aja? Ich hab mir nur das beste Stück genommen”, verteidigte Marek sich, biss ein weiteres Mal in seine Melone und grinste Lena dabei frech an.
 

“Das beste Stück, so, so. Wenn du so bei Marw denken würdest, dann wärst du ein ganzes Stück weiter”, neckte Lena zurück.
 

Marek hielt inne und sah seine beste Freundin schockiert an. “Ich dachte, du magst ihn nicht?”
 

“Das tue ich auch nicht, aber ich möchte dennoch, dass du glücklich bist.” Lena legte das letzte Dreieck Wassermelone auf den Teller und wandte sich Marek wieder zu. “Ich weiß, dass du in ihn verknallt bist, also unternimm was und schnapp ihn dir.”
 

Seufzend rutschte der junge Mann auf seinem Platz hin und her. “Und was soll ich machen? Mir ne Melone um den Hals hängen und warten, dass er anbeißt?”
 

Fast hätte Lena daraufhin gelacht, jedoch grinste sie bloß vor sich hin. “Mag er denn Melone?”
 

“Schon, also ich denke es.” Marek war sich nicht sicher, legte seine Wassermelone zur Seite und wischte sich die Hände an seiner Hose ab.
 

“Find es heraus und ruf ihn an, oder schreib ihm.” Unterstreichend zwinkerte Lena ihm aufmunternd zu, legte das Messer weg, machte anschließend die Anrichte sauber, bevor diese anfing zu kleben.
 

Marek seufzte ein weiteres Mal, dann aber sah er aus, als hätte er einen Geistesblitz. Erstaunt darüber runzelte Lena die Stirn. Wie es schien, hatte Marek eine Idee, einen Ansatz, um Marw um den Finger zu wickeln.
 

“Viel Erfolg, aber erst wird gearbeitet”, wünschte sie ihm, reichte ihm den Teller und schob ihn aus der Küche.

X wie Xenonlampe

Marek fluchte laut. Diese dumme Lampe wollte nicht so, wie er es wollte und demnach brauchte er dringend Hilfe. Dumm nur, dass ausgerechnet heute allesamt verhindert waren. Dabei hatte der Tag so gut angefangen und der gestrige Abend hatte dazu beigetragen, dass er vor guter Laune nur so strotzte. Marw hatte ihn tatsächlich angerufen, spontan etwas ausgemacht und noch lange hatten sie in dieser Bar gesessen. Alkohol hatte Marek keinen getrunken. Er wollte klar im Kopf bleiben, alles nüchtern erleben, sämtliche Eindrücke aufsaugen und nie wieder vergessen.
 

Lena hatte recht damit, dass er verknallt war. Marek konnte es kaum erwarten, den anderen wiederzusehen, sein Lächeln, seine blauen Augen und dieses verwegene Augenzwinkern. Ob er Marw wegen der Lampe anrufen und um Hilfe bitten sollte? Marek war sich nicht sicher, obendrauf nervös, als er bereits zum Handy griff und es nachdenklich ansah.
 

“Komm schon, was soll schon groß passieren?”, murmelte er zu sich selber, rief seine Kontakte auf und rang sich durch, seinen Angebeteten anzurufen.
 

Lange dauerte es nicht, bis Marw an sein Handy ging, ihn sofort mit einem freundlichen “Hey” begrüßte und nach seinem Anliegen fragte.
 

“Hast du spontan Zeit?”, wollte Marek wissen, ignorierte dabei sein Herz, das einige Takte schneller schlug als gewohnt und erwartungsvolle Hüpfer in seiner Brust machte.
 

“Was heißt spontan?”, kam direkt eine Gegenfrage.
 

“Jetzt gleich?” Marek hoffte, es wäre nicht zu spontan und überrumpelte damit den anderen.
 

Ein tiefes “Hm” kam von der anderen Seite, bescherte Marek eine Gänsehaut, ließ ihn schaudern. Jedoch musste er sich zusammenreißen, sein Kopfkino umlenken.
 

“Sehnsucht?” Eine freche Frage, die ihm fast den Atem verschlug.
 

“Auch, aber ich brauche Hilfe”, murmelte Marek leise in sein Handy, schluckte den Kloß in seinem Hals rasch herunter und fuhr sich nervös durch die Haare.
 

“Hilfe, so, so”, erwiderte der andere locker, grinste wissend in seinen Dreitagebart. “Und wie soll diese Hilfe aussehen?”, fragte er weiter.
 

Marek atmete nervös ein und aus, ehe er antwortete. “Meine Xenonlampe spinnt herum. Keine Ahnung, ob es nur die Birne is.”
 

“Deine was?”
 

“Komm einfach bitte her und hilf mir”, bettelte Marek verzweifelt.
 

“Und was springt für mich dabei heraus?” Marw lachte leise, spürte, wie nervös der andere war und wollte ihn ein bisschen necken.
 

“Öhm.”
 

“Ich warte”, provozierte er weiter, während sein Lachen lauter wurde und Marek fast ganz aus dem Konzept brachte.
 

Aber nur fast. Er fand seinen Mut wieder, ging auf Marw und seine Frage endlich ein. “Du bekommst einen Kuss.”
 

“Ist das sicher?”, wollte der Ältere verwirrt wissen, hatte damit gar nicht gerechnet und schluckte hörbar.
 

“Ganz sicher und jetzt schwing deinen knackigen Arsch her und hilf mir!”

Y wie Yoga

Eine Woche Griechenland. Eine kurze, aber nötige Zeit für Lena, um sich von dem ganzen Stress zu erholen. Davon hatte sie genug und das, obwohl ihr ihre Arbeit eine Menge Spaß brachte. Aber irgendwann kam die Zeit, da brauchte man einfach einen Tapetenwechsel, musste raus in die weite Welt. Lena freute sich seit Tagen auf ihren Kurzurlaub. Allein deswegen, weil auch Jakub mitflog und sie ganze sieben Tage Zeit für sich hatten.
 

Wann genau er das letzte Mal ein paar freie Tage hatte, wusste sie nicht einmal. Seit sie ihn kannte, hatte sie ihn immer nur arbeiten sehen, selten kam er zur Ruhe und wenn doch, dann nicht für sehr lange. Jakub hatte es demnach noch mehr verdient, am Strand zu entspannen und sich zu erholen.
 

Lena lächelte vergnügt, als der Flieger endlich landete, sie wenige Minuten später aussteigen und sich die Beine vertreten konnte. Dicht hinter ihr Jakub, der jedoch kaum später neben ihr lief, ihre Hand griff und leicht drückte.
 

“Hast du es dir so vorgestellt?”, wollte er von ihr wissen, während sie gemütlich in das Innere des Flughafens schlenderten.
 

Begeistert nickte Lena auf die Frage hin, schritt durch die riesige Halle, sah sich um und wirkte so unschuldig, wie ein kleines Kind. Jakub konnte darüber nur schmunzeln. Lena wirkte mit ihrer Art einfach niedlich und die wenigen Tage Urlaub taten ihr jetzt schon gut. Er konnte es deutlich sehen, es fühlen.
 

“Okay, wo sind unsere Koffer, beziehungsweise wo bleiben die?” Lena verrenkte sich am Kofferband angekommen fast den Hals, hielt Ausschau nach dem knall pinken Gepäckstück und stellte enttäuscht fest, dass ihres noch nicht dabei war.
 

“Entspann dich mal, er wird schon kommen”, beruhigte Jakub seine Freundin, drückte dabei wieder ihre Hand und sah sich selbst nach seinem Koffer um.
 

“Tut mir leid, aber das ist seit Jahren mein erster richtiger Urlaub”, entschuldigte sich Lena, während sie endlich das heilige Stück entdeckte und fast einen Freudensprung hinlegte. “Da ist er!”
 

Zufrieden lächelte Jakub, als auch sein Koffer wenige Sekunden später erschien und von ihm in Empfang genommen wurde. “Dann kann es ja losgehen.”
 

“Aber erst mache ich noch ne Runde Yoga.”
 

“Hier am Flughafen?” Jakub sah seine Freundin verwirrt an und wich ihr aus, als sie lachend nach ihm boxte.
 

“In unserem Ferienhaus.”
 

“Ach so, dachte schon, die legst direkt hier auf dem Kofferband los”, provozierte er weiter, während er kopfschüttelnd seinen Weg fortsetzte.
 

Lena sah ihm entgeistert nach, ehe sie ihr Gepäck schnappte und ihm mit aufgeblasenen Wangen zum Taxistand folgte.

Z wie Zusammen

Wie ein Gummiball sprang Marek durch die Werkstatt und wurde dabei kopfschüttelnd von seinen Kollegen angesehen. Es war ein Anblick, den sie weder kannten noch je von ihm gesehen hatten. Irgendwas war passiert.
 

"Marek?", fing Boris direkt an und trat auf den braunhaarigen Wuschelkopf zu.
 

Hören tat er jedoch nicht. Boris seufzte, machte noch einen Schritt auf ihn zu und hielt ihn schließlich am Arm fest. "Was ist denn los mit dir, hm? Hummeln im Arsch oder ist die Freude, dass Jakub im Urlaub ist, so groß?"
 

Gelächter von allen Seiten ertönte. Marek war es unangenehm und doch sah er seinen stellvertretenden Chef an. "Kann man nicht mal gute Laune haben?"
 

Boris tat erstaunt, nickte dann aber. "Doch sicher, aber es wirkt extremer als sonst."
 

Beleidigt blies Marek die Wangen auf. "So ganz stimmt das nicht und ich hab einen guten Grund für meine Laune."
 

Kaum hatte er das gesagt, ging ein Raunen durch die Werkstatt. Von der Neugier gepackt, wurde Marek umschwärmt, wie ein Bienenstock. Ungewohnt für den Azubi, so viel Aufmerksamkeit zu bekommen.
 

"Leute bitte, es ist nur gute Laune und die liegt daran, dass ich jemanden kennengelernt und mehrfach gedatet habe."
 

"Den Typen, den Lena nicht mag?", wollte ein Kollege wissen, der etwas abseits stand und Marek nicht so sehr bedrängte wie die anderen drei.
 

Marek konnte nur dümmlich auf die Frage nicken, grinste übertrieben aber glücklich vor sich hin und ihm war es egal, was die anderen über ihn dachten. Er war glücklich, hatte seinen Partner gefunden und alles andere ging ihm am Arsch vorbei.
 

"Hoffentlich kommt Lena damit klar. "Boris hatte seine Bedenken, kannte die Abneigung der jungen Frau, ihre Sorge, dass Marw mit Marek nur spielte und ihn am Ende fallen ließ.
 

"Sie muss ihn nicht heiraten", erwiderte Marek genervt. "Sie sollte ihm dennoch eine Chance geben und ihr ebenfalls."
 

Boris seufzte und rollte mit den Augen. "Das tun wir sicher, aber wir kennen auch das Gerede um ihn."
 

"Schön für euch, mir kam das auch schon zu Ohren und ganz ehrlich? Mir ist es egal." Bockig trat Marek gegen einen Stapel Autoreifen, versuchte so seine Wut in den Griff zu kriegen, ebenso seine Enttäuschung.
 

Boris merkte dies und hielt ihn von einem weiteren Tritt ab. "Jetzt beruhige dich. Wir meinen es nur gut und wenn du mit Marw glücklich bist, dann ist es eben so. Für uns ist das neu, wir müssen uns daran gewöhnen, dass ihr zusammen seid und das wird dauern."
 

Marek beruhigte sich langsam wieder, lächelte sogar. "Lena und Tessa werden damit am meisten zu kämpfen haben."
 

"Das mag wohl sein, aber sie sind eben auch die wichtigsten Menschen in deinem Leben. Natürlich abgesehen von deinen Eltern", erwiderte Boris breit grinsend. "Nachher auf ein Bier?"
 

"Aber nur, wenn ich Marw mitbringen darf."
 

"Klar, wir wollen ihn doch besser kennenlernen." Sanft boxte Boris seinen Kollegen gegen die Brust, ehe er ihn freundschaftlich an sich zog und umarmte.
 

Marek wusste die Geste zu schätzen, ebenso, dass es ein langer Weg werden würde. Marw hatte in seiner Vergangenheit vieles verbaut, darunter viele Herzen gebrochen und so etwas brauchte seine Zeit, bis man ihm vertraute.
 


 


 

Das war der letzte Buchstabe und somit ist das Buch beendet. Für noch mehr solcher netten Spielereien habe ich zwei weitere Bücher für euch.
 

Einmal das sündige Alphabet und das Gaybc, was eher für die Leser von Boyslove ist. Sündiges Alphabet ist aber für alles etwas, die humorvolle, sexy Kurzkapitel mögen und nicht zwingend Smut oder Lemon erwarten.
 

Schaut gerne in diese Werke herein, ich würde mich freuen.



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