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About Clowns and Heroes

von

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Tenure


 

Eines Menschen Vergangenheit ist das, was er ist.

Sie ist der einzige Maßstab, an dem er gemessen werden kann.

Unsere Gesichter sind Masken, die uns die Natur verlieh,

damit wir unseren Charakter dahinter verbergen.

Eine Maske erzählt uns stets mehr als ein Gesicht.

Oscar Wilde
 


 

1
 

Mit leisem Rascheln entrollt Pinguin einen Stadtplan von Gotham City und breitet ihn vor sich auf dem langen Tisch aus. Anschließend kippt er einen Becher mit bunten Farbstiften über dem großen Blatt aus und setzt sich dann auf seinen Stuhl zurück. Geschäftig faltet der kleine Ganove die Finger vor seinem Gesicht und blickt darüber hinweg die zwei Frauen und sieben Männer an, die sich im gedimmten Licht um den Tisch versammelt haben. Leise murmeln die anwesenden Kriminellen miteinander, und Oswald lässt sie noch einen Moment gewähren. Sorgfältig betrachtet er einen jeden von ihnen und hakt dabei eine gedankliche Liste ab. Zu seiner Freude stellt er fest, dass doch tatsächlich alle vollzählig anwesend sind. Also kann das Ganze ja beginnen. Sachte klopft er daher mit dem Knöchel seines Zeigefingers auf die blankpolierte Glasplatte, um sich Gehör zu verschaffen. Nach einem Moment herrscht Schweigen und der Schwarzhaarige räuspert sich leicht.
 

„Ich danke euch, für euer zahlreiches Erscheinen.“, beginnt er seine Ansprache. „Wie ihr der Einladung ja entnehmen konntet, soll dieses ab jetzt jährlich abgehaltene Treffen dazu dienen, unsere Differenzen auf ein Minimum zu senken und die Territorien der anderen zu respektieren. Vielleicht ergibt sich in diesem Zuge ja sogar so etwas wie eine Zusammenarbeit? Doch das muss jeder von euch selbst entscheiden. Heute geht es ausschließlich darum bekanntzugeben, wer von euch welchen Teil dieser verfluchten Stadt für sich beansprucht und dies in einem verbindlichen Vertrag festzuhalten, der dafür garantieren soll, dass keiner von euch im Gebiet eines anderen wildert. Es soll auch dafür garantieren, dass jeder von uns die gleichen Chancen hat, irgendwann an der Spitze dieser Stadt zu stehen und den Titel König von Gotham zu tragen. Ich brauche wohl auch nicht zu erwähnen, dass alles, was hier besprochen wird, strengster Geheimhaltung unterliegt. Immerhin wollen wir Batman ja nicht gleich auf dem Silbertablett servieren, wo wir uns verstecken. Dennoch ist es durchaus von Vorteil, wenn ein jeder von uns weiß, wer wo was veranstaltet, um die eigene Planung im Ernstfall danach ausrichten zu können. Schließlich stehen wir letztendlich alle im direkten Konkurrenzkampf, wer von uns eines Tages diese Stadt sein Eigen nennen darf, doch wir müssen uns das Leben ja auch nicht unnötig schwer machen, dafür haben wir schließlich schon diese lästige Fledermaus an der Backe. Ich denke, ihr seid da ganz meiner Meinung.“
 

Langsam lässt er den Blick über die Anwesenden schweifen, die erneut in leises Murmeln verfallen und dann ein einvernehmliches Brummen der Zustimmung von sich geben. „Wundervoll! Das macht die Sache schon um einiges einfacher. – Gut, dann kommen wir jetzt also zum geschäftlichen Teil. Ich gehe die Reihe rum, ein jeder nennt mir das Gebiet, das er dieses Jahr für sich beanspruchen möchte, und dann markiere ich das Ganze hier im Stadtplan. Nach der Sitzung zeichnet ihr das alles ab und dann machen wir Kopien davon zu, sodass keiner von euch behaupten kann, nicht zu wissen, wem welches Revier gehört und ihr mal wieder fröhlich Amok lauft, wie es euch gerade passt. Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel, doch es muss schon etwas sehr Unvermeidliches sein, das diese Regeln außer Kraft setzt. Also haltet euch an die Abmachungen und niemand wird ungebetenen Besuch bekommen.“
 

Mahnend lässt Pinguin erneut den Blick durch die Runde gleiten. Das hier muss einfach funktionieren. Es muss! Es kann nicht angehen, dass man – in dem Fall selbstredend Oswald – sich ständig den Arsch aufreißt und Unsummen seines hart erbeuteten Vermögens investiert, um sich etwas aufzubauen, um stilvoll seinen Geschäften nachgehen zu können, und dann kommt einer dieser hirnlosen Trottel – besagte Trottel sitzen gerade alle ganz brav hier am Tisch, man staune! – und macht alles wieder zunichte. Eine unerhörte Frechheit ist das! Die anderen sind vielleicht nur umherziehende Vandalen, die liebend gern möglichst viel Chaos anrichten, um weiß Gott was zu kompensieren, doch Oswald hat immerhin ein Geschäft zu führen und einen Ruf zu verteidigen, und kann sich solch einen Unsinn einfach nicht länger leisten. Abermals gibt die Gruppe ein brummendes Zustimmen von sich. So weit, so gut.
 


 

2
 

„Sehr schön. – Wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt, beanspruche ich diesen Bezirk – Tricomer – für mich. Ich habe die neue Iceberg Lounge ja schließlich nicht umsonst hierhin gestellt, sollte also klar sein, warum. Ich hoffe zudem, dass euch mein neuer Club gefällt, immerhin seid ihr die ersten Gäste hier, auch wenn ich mir deswegen keine Show für euch überlegt habe. Wir sind schließlich hier, um Geschäfte zu machen und nicht um uns zu amüsieren. Sollte das hier jedoch alles glatt über die Bühne gehen und ein jeder von uns zufrieden sein, werde ich selbstredend den vorbildlichen Gastgeber spielen und euch zu ein oder zwei Drinks einladen.“ Oswalds letzter Kommentar wird begeistert aufgenommen, was den kleinen Mann innerlich nur leicht mit dem Kopf schütteln lässt. ‚Diese Trottel denken doch wieder nur an ihr eigenes Wohl und wie sie sich möglichst schnell und kostenlos auch noch die letzten Hirnzellen wegsaufen können. Ganz herrlich! – Aber egal. Hauptsache sie haben alle eine gute Erinnerung an dieses Treffen, damit mir keiner von denen wieder meinen heißgeliebten Club in Schutt und Asche legt. Dafür kann man durchaus auch mal ein paar von den teuren Flaschen köpfen.‘
 

Zielstrebig greift Pinguin nun nach einem der Farbstifte, umrahmt damit das Gebiet Tricomer und setzt seinen Namen in die Mitte des Kreises um die kleine Insel herum, die sich ganz im Süden von Gotham City befindet. Als das erledigt ist, wendet sich der Schwarzhaarige nach rechts. „Selina?“, fragt er die junge Frau an erster Stelle neben sich. Diese wirft ihm einen durchdringenden Blick mit ihren fast schon mystisch glänzenden Augen zu und krault dabei die schwarze Katze auf ihrem Schoß. „Wir nehmen das East End, nicht wahr, meine süße Isis? Mir ist da ein ganz schnuckeliges Apartment unter die Pfoten gekommen, das einfach nur purrrfekt für meine Kätzchen und mich ist.“, schnurrt Catwoman angetan, während Isis nun elegant auf ihre Schulter klettert und liebevoll ihren Kopf gegen die Wange der jungen Frau reibt. Zärtlich erwidert die Diebin diese Geste. Mit leicht erhobener Augenbraue beobachtet sie der Clubbesitzer und markiert dann den ziemlich großen Bezirk akribisch mit einer anderen Farbe.
 

„In Ordnung. Weiter geht es mit Ivy.“, fährt er fort und wendet sich nun der Frau auf seiner Linken zu. Die rothaarige Pflanzenschönheit schenkt ihm einen überaus sinnlichen Blick, bei dem Pinguin unweigerlich hart schlucken muss und Haltung zu bewahren versucht, was in ihrer Gegenwahrt nun wirklich alles andere als einfach ist. „Für mich kommt nur der Robinson Park infrage. Die Pflanzen dort sind praktisch die einzigen, die noch nicht haltlos dem Tod in dieser verschmockten, ignoranten Stadt erlegen sind, und das soll auch so bleiben!“ Verstimmt verschränkt sie die Arme vor ihrem wohlgeformten Busen und straft die Anwesenden nahezu schmollend mit giftigen Blicken. Ihre Sinnlichkeit scheint mit ihren Worten regelrecht verpufft zu sein, sodass der Clubbesitzer es gerade noch so verhindern kann, überrascht zusammenzuzucken. „Äh – ja, das klingt überaus vernünftig und ich bin sicher, dass auch niemand von uns etwas dagegen hat.“, fängt er sich wieder halbwegs und markiert dann den kleinsten Bezirk Gothams auf dem Stadtplan wunschgemäß.
 

Als nächstes wendet er sich wieder nach rechts und sucht den Blick mit dem breitgebauten Mann auf dem zweiten Stuhl. „Sergio, wenn ich bitten darf?“ Bane brummt mit verschränkten Armen vor sich hin, als würde er sich erst jetzt darüber Gedanken machen. „Chinatown.“, antwortet er nach einem Moment knapp. „Da richte ich gerade ein Kampfsportstudio ein.“, knurrt er fast schon eine Erklärung hervor. „Na dann viel Erfolg dabei...“, erwidert Oswald und markiert das Gebiet, das sich als erstes an Tricomer anschließt. Der Schwarzhaarige sieht das durchaus positiv. Bane ist überaus stark und weithin dafür bekannt, Männer zu trainieren, die überall in der Stadt als Bodyguards oder Schläger arbeiten. Das sollte sich Pinguin also im Hinterkopf behalten. Man kann schließlich nie genug Personal zu seinem Schutz um sich scharen, erst recht, wenn man sich so der Öffentlichkeit präsentiert, wie es Oswald mit seinem Club anstrebt.
 

Erneut wendet er den Blick nach links. „Waylon, wie steht es mit dir?“, fragt er vorsichtig. Killer Croc schürzt die rauen Lippen und präsentiert dadurch seine scharfen Reißzähne. „Coral District.“, knurrt das menschliche Krokodil, und mehr kommt auch nicht von ihm. Gehorsam ergreift Pinguin einen neuen Farbstift und markiert die kleine, überwiegend grüne Insel ganz im Norden von Gotham sorgfältig. ‚Je weiter dieser Menschenfresser von mir weg ist, desto besser...‘, geht es ihm dabei durchaus erleichtert durch den Kopf. Immerhin will er nicht riskieren, wieder eine Hand voll guter Männer an diesen blutgierigen Vielfraß zu verlieren, nur weil sie sich aus Versehen über die Weg laufen.
 

Und wieder wandert sein Blick nach rechts. „Darf ich bitten, Victor?“ Gedankenverloren hebt Mr. Freeze einen Moment den Blick und starrt die dunkle Decke über sich an, als würde er hoffen, dort jemanden zu sehen, der ihm eine Antwort darauf geben kann. Oswald ist schon drauf und dran ihn erneut anzusprechen, da besinnt sich der ehemalige Arzt wieder. „Ich habe mich vor einer Weile in Otisburg niedergelassen. – Nora – Ich habe dort eine alte Praxis gefunden, in der ich meiner Kryogenforschung bestens nachgehen kann und hoffe daher, meine geliebte Nora bald wieder in die Arme schließen zu können...“, betroffen senkt er den Blick und starrt auf seine Finger, die in dicken Handschuhen stecken. Eine einzelne Träne, die unter seinem Kryogenhelm augenblicklich zu Eis erstarrt, quillt unter seiner Schutzbrille hervor und fällt doch nirgendwo hin. „Man kann es wohl nicht oft genug sagen, aber mein Beileid, Victor. Du schaffst es ganz sicher bald.“, meint der Schwarzhaarige nicht sonderlich gefühlvoll, was Freeze aber glücklicherweise nicht bemerkt, und markiert den genannten Bezirk, der sich in direkter Nachbarschaft zu der Insel befindet, auf der das Arkham Asylum thront. ‚Mal sehen, wie lange du da aushältst, ehe sie dich wieder schnappen, Eiswürfel...‘, geht es ihm leicht gehässig durch den Kopf. Oh, wie sehr sie ihm doch alle auf die Nerven gehen! Dabei sollte es doch offensichtlich sein, dass er als Einziger die Fähigkeiten, das Charisma und die Mittel dazu hat, diese verdammte Stadt zu führen. Die anderen würde eh nur einen qualmenden Schutthaufen daraus machen – in Ivys Fall wohl eher einen menschenfressenden Dschungel, aber das sei mal dahingestellt. In jedem Fall wäre nicht mehr viel von Gotham übrig, wenn einer von ihnen Hand daranlegt. Doch Oswald hat Großes vor und dafür braucht er die Stadt in einem Stück.
 

Seine unterdrückte Wut darüber tritt jedoch nicht an die Oberfläche, sondern wird von seinem perfekt antrainierten Poker-Face dominiert, das ihn als Geschäftsmann erst so weit gebracht hat. „Prima. Als Nächstes Harvey. Wir habt ihr zwei euch entschieden?“, fragt er daher den zwiegespaltenen Two Face auf der linken Seite völlig ungerührt seiner aufgewühlten Gedanken. Der ehemalige Staatsanwalt lässt geschickt eine silberne Münze über seine Fingerknöchel wandern, schnippt sie in die Luft und lässt sie ihren Tanz dann auf der anderen Hand fortführen. „In dieser Sache waren wir uns ausnahmsweise einmal sehr schnell einig.“, kommt es sichtlich erfreut von Harvey, während ein zufriedenes Lächeln seinen rechten Mundwinkel hebt. „Da stimme ich zu. Wir nehmen den City Hall District.“, entgegnet nun Two Face mit dunklerer Stimme, während sich seine entstellte linke Gesichtshälfte ungeschickt ebenfalls zu einem Lächeln zu verziehen versucht, jedoch ohne sonderlichen Erfolg, was den zwiegespaltenen Mann allerdings nicht zu kümmern scheint, spielt er doch weiterhin nur mit seiner Münze. Oswald wundert diese Entscheidung nicht im Geringsten, befindet sich doch dort das Gerichtsgebäude, indem Harvey Dent früher als höchst erfolgreicher Staatsanwalt gearbeitet hat, bevor ein Unfall ihn so zurichtete und seine seltsam schizophrene Ader zum Vorschein brachte. Und die Nähe zur Polizei im Nachbarbezirk hat Two Face ja noch nie sonderlich gestört. So wird auch dieser Bereich im Süden markiert.
 

„Ist notiert. Und nun Jonathan, bitte.“ Der Mann am rechten Ende des Tisches trägt das Kostüm einer zerlumpten Vogelscheuche, was es vielleicht etwas ironisch macht, wo ihm doch eine zahme Krähe auf der Schulter hockt. Geschäftig putzt sie sich ihr glänzend schwarzes Gefieder, während ihr Besitzer antwortet. „Ich beanspruche die Bowery als mein Eigen. Das ist genau der richtige Ort, um mein Angst-Gas herzustellen und zu testen.“, kommt es leicht gedämpft unter der Jutemaske des Mannes hervor. Pinguin interpretiert seinen Kommentar mit der Tatsache, dass sich die Bowery unmittelbar neben der Crime Alley befindet, dem berühmt-berüchtigten Bezirk, indem die meisten Verbrechen verübt werden und in dem in einer schicksalhaften Nacht vor etwa zwanzig Jahren die Eltern des reichsten Jungen Gothams – Bruce Wayne – den Tod fanden. Unheimlich genug ist es dort jedenfalls und daher ganz sicher ein prima Spielplatz für Scarecrow und sein Angst-Gas in so unmittelbarer Nähe.
 

„Okay, kommen wir nun zu Jervis.“ Der kleine Mann – oder eher gesagt, der kleine Bengel, wo er doch gerade einmal zweiundzwanzig ist und somit der Jüngste hier im Raum, und mit seinen 1,42 Metern gerade mal so über die Tischkante reicht – blickt verstohlen über den Rand seiner reich verzierten Teetasse, als fürchte er, wegen irgendetwas Ärger zu bekommen. Dann scheint ihm allerdings aufzugehen, worum es hier eigentlich geht und ein begeistertes Lächeln ziert sein junges Gesicht, was ihn allerdings mit seinen Hasenzähnen und der großen Nase nicht hübscher, sondern nur noch durchgeknallter aussehen lässt, wie Oswald findet. „Oh, der Kaninchenbau ins Wunderland befindet sich seit Kurzem auf der Amüsiermeile und es wird nicht mehr lange dauern, bis wir dort herrliche Teepartys zum Nicht-Geburtstag feiern können!“, flötet der Mad Hatter ausgelassen und rutscht aufgeregt wie ein kleines Kind auf seinem Stuhl hin und her. Innerlich seufzend markiert Pinguin auch diesen Bereich und ist heilfroh, dass sie nun fast durch sind und er diese Bande von Spinnern nicht mehr lange ertragen muss.
 

Fahrig streicht er sich ein paar verirrte Strähnen aus der Stirn und blickt dann geradezu zum anderen Ende des Tisches, an dem der Letzte ihresgleichen geduldig sitzt, und mit einer Würde, die nur er zustande zu bringen vermag, alle anderen ignoriert. Der Riddler erwidert den auf ihn gerichteten Blick somit mit gewohnt gelassener Langeweile. In seinen Augen leuchtet jedoch der nicht zu unterdrückende Drang auf, ein Rätsel auszusprechen. Oswald merkt sofort, wie sich daraufhin ein stechender Schmerz in seinem Kopf auszubreiten beginnt. Für so einen Blödsinn hat er nun wirklich keinen Nerv mehr. Aber Ed wäre nun einmal nicht Ed, wenn er nicht mit einem Rätsel antworten würde.
 

„Edward, bitte verschone mich diesmal mit einem deiner Rätsel und sag es einfach, okay?“, fragt der Schwarzhaarige wenig hoffnungsvoll, woraufhin sein Gegenüber schelmisch zu grinsen beginnt. Er öffnet bereits den Mund, um dem unzweifelhaft zu widersprechen, schließt ihn jedoch kurz darauf wieder. Dann scheint eine Wandlung in ihm vorzugehen und der unbändige Drang in seinem Blick legt sich glücklicherweise. Etwas angestrengt räuspert sich Nigma daraufhin, fummelt leicht nervös an seiner Krawatte herum und richtet seine violett verglaste Brille mit nicht ganz ruhiger Hand. Unsicher bringt er ein Lächeln zustande. „Weil du es bist, will ich mal nicht so sein, Oswald. – Ich habe mir vor zwei Monaten die Narrows angeeignet und...“, setzt er fast schon schüchtern an. „Die Narrows? Was ist denn nur in dich gefahren? Hast du dir irgendwo den Kopf angeschlagen oder soll das eine Art Survivaltraining werden, damit du mal ein paar Muckis bekommst?“, unterbricht ihn Catwoman mit angewidert verzogenem Gesicht und überaus belustigtem Unterton. Derselbe Ausdruck scheint auch bei allen anderen vorzuherrschen. Nur allzu verständlich. Die Narrows sind immerhin nichts als Ruinen, die von ehemaligen Kriminellen und Ex-Sträflingen bewohnt werden, die dort wie Tiere hausen und völlig sich selbst überlassen sind, da dieser Bezirk seit Jahren offiziell als nicht mehr bewohnbar eingestuft ist und somit immer mehr vor sich hin rottet. Nicht einmal Batman setzt dort einen Fuß hinein, wenn es nicht unbedingt von Nöten ist, steht sein Gesicht in den Narrow doch immer an erster Stelle auf der Abschussliste. Schließlich ist der Dunkle Ritter allein schuld daran, dass die meisten Leute hier gelandet sind, weil sie bei ihrem tragischen Ruf und den endlosen Vorstrafen sonst einfach nirgendwo anders hinkönnen. Vielleicht ist es diese Tatsache, die den sensiblen Brünetten dazu treibt, sich dort niederzulassen? Weil er Batman aus dem Weg gehen will? Einen anderen Grund kann es praktisch gar nicht geben, wie der Clubbesitzer findet, obwohl Riddler die Fledermaus von ihnen allen wohl am wenigsten fürchten muss, sind seine Aktionen doch eher sehr harmlos im Vergleich zu den zu meist mörderischen Techniker seiner um ihn sitzenden Kollegen. Vielleicht heckt Ed aber auch etwas sehr Großes aus und versucht sich mit seinem fragwürdigen Standort einfach so viel Ruhe zu verschaffen, wie es für seine Planung nötig ist, von massenhaft billigen und willigen Helfern um ihn herum ganz zu schweigen?
 

Verlegen räuspert sich der Angesprochene erneut. Kaum merklich huscht dabei ein leichter Rotschummer über seine Wangen hinweg. „Ich – habe da so ein Projekt gestartet...“, versucht er sich etwas hilflos zu erklären und damit Oswalds Überlegungen vielleicht zu bestätigen. Allerdings kommt er nicht dazu, es auch auszusprechen. Stattdessen öffnen sich auf einmal ruckartig die großen Flügeltüren zum Saal und knallen geräuschvoll gegen die reich verzierten Wände, dass sämtlich Gläser und Flaschen in der nahestehenden Bar zu klirren beginnen. Sichtlich zucken alle Anwesenden zusammen und wenden sich durchaus kampfwillig nach dem Störenfried um.
 


 

3
 

Durch das Licht im angrenzenden Flur ist der Neuankömmling komplett in Schatten gehüllt, sodass nicht zu erkennen ist, um wen es sich handelt. Alle Anwesenden können sich auch keinen Reim darauf machen, wer es sein könnte, schließlich sind sie alle hier versammelt. Und wer würde es schon wagen, einen Raum voller geisteskranker Super-Krimineller freiwillig zu betreten? Abgesehen vielleicht von Batman. Doch dieser würde nicht durch die Vordertür gestürmt kommen. Außerdem ist der Schatten für den Rächer viel zu klein, viel zu zierlich, trägt auch kein Cape. „Ich verbitte mir so eine unerhörte Frechheit!“, entkommt es Pinguin daher säuerlich und er ist drauf und dran nach seinen Schlägern zu rufen, als der Fremde auf einmal zu singen beginnt. Ja, wirklich. Er fängt tatsächlich fröhlich an zu singen und tanzt dabei schon fast unter der Türzarge herum.
 

„Manche Leute nennen mich den Weltraum-Cowboy. Manche nennen mich den Gangster der Liebe. Manche Leute nennen mich Mau~rice, weil ich von der ausschweifenden Liebe spreche. Die Leute reden über mich. Sagen, ich mache sie verrückt. Aber mach dir keine Sorgen, denn ich bin genau hier zu Hause. Weil ich ein ganz Großer bin. Ich bin ein Lächeln. Ich bin ein Liebhaber. Und ich bin ein Sünder. Ich spiele meine Musik im Mondschein. Ich bin ein Joker. Ich bin eine lebende Bombe. Ich bin ein Mitternachtsversprechen.“, singt der Fremde verspielt an die Türzarge gelehnt. Dann stellt er sich wieder genau in die Mitte und ballt zornig die kleinen Fäuste, von seiner anfänglichen Fröhlichkeit scheint nichts geblieben zu sein. „Ach scheiß drauf! Es ist Joker-Time! Also warum hat mich keiner von euch ignoranten Spinnern zu dieser kleinen Party hier eingeladen?“
 

Er hat eine hohe, fast weibische Stimme, die einem sofort in den Ohren schmerzt, und die die plötzlich eingetretene Stille wie ein scharfkantiger Glassplitter zerschneidet. Es klingt, als wäre der kleine Bengel nicht nur in der Körpergröße eines pubertierenden Kindes hängen geblieben – wirkt er doch kaum größer als 1,60 Meter –, sondern als hätte er auch den Stimmbruch völlig verfehlt oder ihn gar nicht erst gehabt. Dennoch passt dieses Nerv tötende Gequäke hervorragend zu seiner restlichen Erscheinung, die auf die Anwesenden vielleicht nicht sonderlich beeindruckend wirkt, als er nun aus den Schatten ins Licht tritt, sie alle aber noch sehr gut in Erinnerung haben, was dieser Clown vor sechs Monaten bei seinem ersten Auftauchen in Gotham abgezogen hat. Er mag vielleicht etwas zu kurzgeraten sein und so albern aussehen, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll, aber dennoch ist er erschreckend gefährlich, von komplett irre mal ganz abgesehen. Es ist also durchaus etwas Vorsicht geboten.
 

Der Ansicht scheinen aber nicht alle hier im Raum zu sein. So ist es Killer Croc, der nun düster, aber haltlos zu lachen beginnt. „Was willst du kleiner Wurm denn hier?“, fragt er amüsiert, woraufhin auch einige der anderen zu kichern beginnen. Irritiert weiten sich die seltsamen Augen des Grünhaarigen und er scheint einen Moment zu überlegen, hat sich das Ganze hier wohl etwas anders vorgestellt. „Hab ich doch gerade gesagt, oder nicht? Warum hockt ihr hier alle zusammen und keiner hat mich eingeladen?“, will er nun wieder mit trotzigem Schmollen wissen. Genervt verdreht Oswald die Augen. „Weil das hier eine geschlossene Gesellschaft ist, Junge. Und zwar nur von den Großen dieser Stadt. Du hast hier somit nichts zu suchen. Also verschwinde, ehe ich mich gezwungen sehe nachzuhelfen.“
 

„Bemüh dich nicht, Vögelchen. Deine Jungs machen hinten ein Nickerchen und werden nicht kommen, wenn du pfeifst. Also rückt jetzt mal ein bisschen zusammen, damit ich mich mit an den Tisch setzen kann. Ich bin vielleicht noch nicht so groß wie ihr euch fühlt, hab mir aber meinen Platz hier durchaus schon verdient.“, meint Joker sichtlich selbstbewusst. Einen weiteren Moment herrscht Schweigen, dann brechen alle Anwesenden in haltloses Gelächter aus, was den Grünhaarigen sichtlich zu verwirren scheint. „Hey! Ihr könnt mich nicht auslachen! Das ist fies!“, gebärt sich der kleine Clown und stampft trotzig mit dem Fuß auf den Boden, was sie alle nur noch lauter lachen lässt. „Hört sofort auf, oder ich werde...“, setzt er verstimmt an und macht Anstalten in seine Hosentasche zu greifen.
 

„Warum sollten wir denn nicht lachen?“, fragt Harvey gluckend und wischt sich Tränen von der unversehrten Wange. „Ja! Das ist doch genau das, was du willst, Junge. Oder wozu sollte dieser dämliche Aufzug vor einem halben Jahr gut sein? Bist doch schließlich ein Clown und über die lacht man nun mal, falls dir das nicht klar war, als du dich das letzte Mal mit Mamis Schminke vor den Spiegel gesetzt hast.“, kichert Two Face ungehalten in sich hinein, während aus seinem entstellten Auge Strömen von Tränen fließen und wie Sturzbäche über seine verätzte Wange rinnen. Überrascht wendet Joker ihm das Gesicht zu, während sich ein umwölkter Schleier über seine unnatürlichen Augen zu legen beginnt...
 


 

4
 

Es ist fast auf den Tag genau ein halbes Jahr her, da tauchte in Gotham ein grünhaariger Bengel auf und versuchte die ungeteilte Aufmerksamkeit Batmans zu erlangen. Der junge Clown entwickelte ein Gas, das er Smilex nannte, und verschaffte sich damit Zutritt zum großen Weihnachtsmarkt auf dem Gotham Square. Die festliche, ausgelassene Stimmung steckte ihn regelrecht an. Unbemerkt schlenderte er zum riesigen Weihnachtsbaum in der Mitte des Platzes, der wenige Minuten später vom Bürgermeister entzündet werden sollte. Als die Lichter schließlich brannten und die anwesende Menge in begeisterten Jubel ausbrach, kletterte Joker auf das Podium zum Bürgermeister und verkündete den Leuten noch viel mehr Spaß und Freude. Zuerst dachten die Menschen noch, dass das Ganze zur Show gehört. Das änderte sich schlagartig, als der als Clown geschminkte und bis dahin völlig unbekannte Junge eine Bombe aus der Tasche zog.
 

Die Menschen hatten jedoch nicht die Chance zu flüchten, da warf Joker sie auch schon in die erstarrte Menge. Allerdings blieb die von den Leuten befürchtete Explosion aus. Stattdessen quoll eine dichte, grüne Wolke aus der Bombe und hüllte den gesamten Platz innerhalb einer Sekunde ein. Zufrieden betrachtete Joker das Ganze. Doch dann begann alles schiefzulaufen...
 

Und plötzlich fingen alle Leute an zu lachen, sie lachten wie verrückt. Und das sollten sie auch, wollte der kleine Clown ihnen doch endlose Freude bringen. Ihr Lachen wurde jedoch immer unkontrollierter. Dann rann ihnen Blut aus den Ohren und den Augenwinkeln. Doch sie lachten immer noch, aber sie sahen aus, als hätten sie dabei entsetzliche Angst und unvorstellbare Schmerzen. Erschrocken zuckte der Grünhaarige zusammen und versuchte den Blick davon abzuwenden, doch es war nahezu unmöglich. Keine Minute später brachen sie alle zusammen und schlugen auf dem Boden auf, nur um dann qualvoll lachend mit grausig verzerrten Gesichtern zu sterben.
 

Anfangs hatte Joker mit ihnen gelacht und sich gefreut, dass sein Smilex so gut funktionierte. Als ihm schließlich bewusstwurde, dass die Leute um ihn herum keinen Spaß hatten, sondern elendig zugrunde gingen, war es jedoch schon längst zu spät. Fassungslos blickte er auf all die Leichen zu seinen Füßen herab – die grinsenden Leichen – und begriff einfach nicht, was schiefgelaufen war. Langsam begann sich die grüne Wolke aufzulösen und entblößte 2489 bemitleidenswerter Seelen, die lachend in dieser kalten Winternacht den Tod fanden. Darunter Männer, Frauen und Kinder jeden Alters und jeder gesellschaftlichen Schicht.
 

Es dauerte nicht lange und dann tauchte Batman auf, prügelte jegliches Gefühl von Schuld aus dem Joker heraus und entfachte dafür nur umso mehr Glückseligkeit und brennendes Verlangen in ihm, das auch nichts jemals wieder zu löschen vermag! Dennoch hielt es der Junge für sinnvoller zu flüchten, um sich den Spaß nicht vollständig verderben zu lassen, schließlich wollte er ja auch, dass der Rächer auftaucht. Und so begann zwischen ihm und dem Dunklen Ritter eine dreimonatige Hetzjagd durch die Stadt, die weiteren 168 Menschen das Leben kostete, als Joker versuchte die Formel seines Smilex zu modifizieren, damit niemand mehr daran zu Grunde gehen muss. Es funktionierte allerdings nicht und letztendlich erwischte ihn Batman und brachte ihn nach Arkham, wo er die letzten drei Monate verbrachte. Zufällig bekam er in der Anstalt ein Gespräch zwischen Catwoman und Scarecrow mit, die auch gerade einsaßen und sich über dieses Treffen unterhielten, was den Clown nun also hierhergebracht hat.
 


 

5
 

So erntete der Grünhaarige jede Menge Aufmerksamkeit, allerdings nicht von den hier Anwesenden, sondern von allerhand Kleinkriminellen und anderer Bewohner der Stadt. Angst und Schrecken verbreitete sich unter ihnen und verhalf Joker zu einer ungeahnten Berühmtheit, die er so aber gar nicht angestrebt hatte. Zum Ärgernis der Super-Schurken hier im Raum begannen die Leute auch noch, ihn als Prinz des Verbrechens zu bezeichnen, was das Fass nun wirklich zum Überlaufen bringt. Schließlich ist er nur ein kindlicher Bengel mit dümmlich geschminktem Gesicht, der nach Aufmerksamkeit lechzt und sonst nichts Sinnvolles anzustreben scheint. Warum sollten sie ihn dann also jetzt in ihrer Mitte begrüßen und wie einen von den ihren behandeln? Undenkbar! Wo sie doch alle hart gearbeitet und jahrelang darum gekämpft haben, auf die Liste der bösen Buben der Fledermaus zu kommen und von dieser undankbaren Stadt gefürchtet zu werden.
 

Fahrig wischt sich Oswald über die feuchten Augen und beruhigt sich langsam wieder. Um ihn herum bemühen sich auch die anderen das Lachen einzustellen, mit mehr oder weniger Erfolg. „Jetzt mal ernsthaft, Junge. Verschwinde, ehe ich richtig böse werde!“, spielt sich Pinguin auf und kommt sich mit der Truppe an Kriminellen in seinem Rücken ziemlich groß vor, obwohl er sogar noch mehr als zehn Zentimeter kleiner als dieser durchgeknallte Clown ist, doch das hat seinem aufgeblähten Ego noch nie geschadet. Schließlich ist er ein Cobblepot und gehört damit zu einer der reichsten Personen Gothams. Außerdem war seine Familie eine der fünf Clans, die diese Stadt vor über dreihundert Jahren überhaupt erst gegründete, weshalb er doch wohl etwas Respekt von diesem Irren verdient hat.
 

„Du hast überhaupt keinen Grund böse zu sein. Immerhin lacht ja auch keiner über dich!“, schmollt Joker. „Tja, Kleiner, dass hast du dir wohl selbst zuzuschreiben. Ist nicht meine Schuld, dass du so verrückt bist und als Clown durch die Gegend rennst!“, grinst der Clubbesitzer wieder über das ganze Gesicht. Und das ist der Anfang vom Ende...
 

„Ich bin nicht verrückt!“ Zähneknirschend greift der Grünhaarige nun wirklich in seine Tasche und schon einen Moment später explodiert vor ihnen eine Blendgranate, gefolgt von einer weiteren Explosion, die den gesamten Raum in so dichten Rauch hüllt, dass man seine Hand vor Augen kaum noch sehen kann. Getroffen verharren die Kriminellen orientierungslos an ihren Plätzen und lauschen in den Dunst hinein, in dem immer wieder Stimmengewirr zu hören ist, ohne dass man erkennt, wer oder was gesprochen wird.
 


 

6
 

Wachsam versucht Oswald irgendetwas in dem dichten Nebel zu erkennen. Unterdrückt kann er das Gemurmel der anderen hören, doch es scheint nicht so, als wäre jemand verletzt oder auch sonst irgendein Schaden entstanden. Immerhin etwas. Pinguin hat es sich auch irgendwie schon gedacht. Der Bengel ist nichts weiter als ein Sprücheklopfer, den die Medien groß in Szene setzen, weil er neu auf der Bildfläche ist und damit die Zuschauerquoten erhöht. Kein Grund zur Aufregung also. Wahrscheinlich hat er sich im Nebel irgendwo verkrochen und heult jetzt, weil sie alle ja so fies zu ihm waren. Wirklich lächerlich, aber er würde es ihm zutrauen. Leicht schmunzelnd schüttelt der Schwarzhaarige den Kopf und hofft, dass sich dieses Zeug langsam mal wieder verzieht, damit sie weitermachen können, wo sie dieser lächerliche Trottel so unschön unterbrochen hat.
 

Weiter kommt er mit seinen Überlegungen allerdings nicht mehr, da taucht der Clown plötzlich aus dem Dunst von ihm auf und hockt kindlich vor ihm auf der Tischplatte. Heftig schreckt Oswald zusammen und kann es gerade noch verhindern, mit dem Stuhl nach hinten umzukippen. „Sag mal, was fällt dir eigentlich ein, Bengel?“ „Du hast mich verrückt genannt. Ich bin nicht verrückt!“ „Ach hör doch auf mit diesem Unsinn! Du bist so durchgeknallt wie eine Scheißhausratte!“, entkommt es dem Älteren nun zornig und er greift unbemerkt nach dem zusammengefalteten Regenschirm neben seinem Stuhl. „Das mag sein, aber ich bin trotzdem nicht verrückt!“, entgegnet ihm der Grünhaarige schmollend. „Diese Diskussion ist vollkommen sinnlos, Junge. Und jetzt runter von meinem Tisch!“
 

In einer fließenden Bewegung hebt er den Schirm an und deutet mit dessen Spitze genau auf die schmale Brust des Jungen vor sich. Verkrampft umfasst er den Griff, der einen versteckten Abzug enthält. Das scheint Joker jedoch irgendwie klar zu sein, denn er weicht im letzten Moment zur Seite aus, als sich der tödliche Schuss aus der Spitze des Schirms löst. Die Kugel verschwindet ungerührt im Dunst. Noch ehe Oswald ein weiteres Mal schießen kann, ertönt vom anderen Ende des Raums jedoch ein Schmerzensschrei. Irgendjemand wurde also angeschossen, doch darum kann sich der Clubbesitzer jetzt nicht kümmern. Erst einmal muss er diesen durchgeknallten Jecken loswerden.
 

Dass ist aber leichter gesagt als getan. „Du kannst hier doch nicht rumballern, Vögelchen! Irgendwen hat’s deinetwegen erwischt, schäm dich!“, harscht ihn der Clown nun an. „Meinetwegen? Du spinnst wohl! Halt still, dann erwischt es den einzig Richtigen!“ „Das glaube ich nicht!“, kommt es nun grinsend von dem Jungen. In einer erstaunlich kräftigen Bewegung ergreift der Grünhaarige nun den Schirm, ehe Oswald wieder schießen kann, und drückt die Spitze ruckartig Richtung Decke. Klirrend zerschießt die sich lösenden Kugel eine der Lampen, woraufhin ein paar Scherben auf den, bis vorhin noch so ordentlich gekämmten, Haaren des Pinguins landen. „Du kleiner...“, setzt er knurrend an, als auf einmal das Gesicht des Clowns direkt vor ihm auftaucht. Oswald Cobblepot ist ein praktisch veranlagter, junger Mann, der seinen eigenwilligen Kopf sehr gut kennt und in der Regel auch befürwortet, was er darin vorfindet. Und von daher ist der kurze Moment der Unsicherheit, der ihn nun überkommt, als er dem vorwitzigen Clown in die seltsamen Augen sieht, schon ziemlich verwirrend, doch ihm bleibt keine Zeit mehr, sich davon zu befreien.
 

Im schummerigen Licht des dichten Dunstes glänzen die Lippen des Bengels in einer widerlich gelben Farbe, die ihn noch durchgeknallter aussehen lässt. „Schluss jetzt...“, haucht der Junge in seltsamem Ton und dann drückt er seine Lippen ganz plötzlich auf die von Oswald!
 

Den Clubbesitzer durchzuckt ein heftiger Schreck, doch ihm bleibt keine Möglichkeit zur Flucht. Stattdessen wird ihm auf einmal ganz komisch. Alles ist so beschwingt und leicht, als wäre er auf Droge. Bunte Farben beginnen vor seinen Augen zu tanzen. Als sich die Lippen des Clowns dann von ihm trennen, kippt er mit dem Stuhl nach hinten um und versinkt haltlos in tiefster Schwärze...
 


 

7
 

Obwohl Selina in Oswalds unmittelbarer Nähe sitzt, kann sie dennoch weder sehen noch genau hören, was zwischen ihm und Joker vor sich geht. Im Grunde ist ihr das aber auch egal. Sie hat nur Augen für ihre Katze Isis, die sich bei der ersten Explosion irgendwo hin verkrochen hat. Vielleicht gar keine so schlechte Idee? Erst recht, wenn dieser dämliche Pinguin hier auch noch anfängt herumzuballern. Irgendein armes Schwein hat er scheinbar sogar getroffen. In diesem seltsamen Nebel ist es allerdings unmöglich zu sagen, wen von ihnen es erwischt hat. Nun ist jedoch Ruhe eingekehrt, zumindest was Oswald betrifft, im Rest vom Raum kann sie noch gedämpft das aufgebrachte Murmeln ihrer Kollegen hören. Heißt das also, dass es jetzt sicher genug wäre, die Flucht anzutreten und zu versuchen Isis zu finden? Einen Versuch ist es wert, ehe noch einer anfängt zu schießen.
 

Als sie sich von ihrem Stuhl erheben will, taucht ein Schatten im dichten Dunst vor ihr auf. „Isis?“, fragt sie hoffnungsvoll. „Komm her, Mädchen, dann verschwinden wir von hier!“ Langsam streckt sie die Hand in den Nebel aus, erstarrt jedoch augenblicklich. Etwas schmiegt sich gegen ihren linken Schenkel, etwas anderes drückt sich gegen ihre tastende Hand. Eines davon ist mit Sicherheit ihre vermisste Katze, doch was ist das andere?
 

„Miau!“, kommt es kichernd aus dem Rauch. Hilflos stockt Catwoman der Atem und eine überraschend kräftige Hand schließt sich um ihren Unterarm, versucht sie zu sich zu ziehen. „Nein!“, faucht sie und versucht sich loszureißen. Wer auch immer sie da festhält, hat den Griff eines Schraubstocks. „Loslassen!“, gebärt sie sich und lässt nun ihre andere Hand in den Dunst schnellen. Ihre Lederhandschuhe sind mit messerscharfen Krallen ausgestattet, mit denen sie nun nach ihrem Angreifer zu schlagen versucht. „Scheiße...!“, ertönt es auf einmal, als sie ihr Gegenüber schmerzlich trifft. Endlich ist ihre Hand frei. Und nun kann sie auch das Gesicht des Typen sehen: Es ist der Joker!
 

„Du elender Clown, geh mir aus den Augen!“, faucht Selina stocksauer. „Aber, aber, kleine Kätzchen sollten nicht kratzen. Hat dir das denn keiner beigebracht, Miezi?“ „Muss ich wohl überhört haben. Aber dir scheint auch keiner Manieren beigebracht zu haben. Doch das können wir ganz schnell ändern!“ Geschickt entrollt sie die Peitsche an ihrer Hüfte und schlägt damit nach ihm. Wie ein Floh hüpft er auf dem Tisch herum, um dem zu entgehen. Schließlich gelingt es ihr aber doch, seinen Arm zu erwischen und ihn so ruckartig zu sich heranzuziehen. Die Diebin merkt allerdings zu spät, dass es der Grünhaarige genau darauf abgesehen hat.
 

Für eine Sekunde sehen sie sich tief in die Augen, dann drückt der Bengel ihr seine Lippen auf den Mund. Angewidert weicht sie zurück. Doch irgendetwas muss sich in dem seltsam gelben Lippenstift befinden, den er aufgelegt hat. In jedem Fall wird ihr plötzlich ganz komisch. Bunte Punkte fliegen durch ihr Sichtfeld und ihre Beine können sie nicht mehr tragen. Einen Moment später sinkt sie erst auf die Knie und bricht dann vollends zusammen. Hilflos mauzt Isis unter dem Tisch, faucht den frechen Clown über sich zornig an, ehe sie ratlos an ihrer Freundin zu schnüffeln beginnt...
 


 

8
 

Was, in aller Welt, hat sie nur dazu bewogen, hier mitzumachen? Ivy hätte wissen müssen, dass Pinguin nur Ärger bedeutet, oder zumindest ein echtes Talent dafür hat, sich welchen einzuhandeln. Also warum ist sie hergekommen? Ach ja, wegen dem Park, in dem sie ihre Ruhe vor all den anderen haben wollte. Im Nachhinein betrachtet wäre es allerdings sinnvoller gewesen, einfach dort zu bleiben, denn schließlich gibt es bessere Mittel und Wege, um diese Spinner von ihrem Grün fernzuhalten. Aber nachher ist man halt immer schlauer. Dieser seltsame Nebel scheint sich auch nicht auflösen zu wollen, also wäre Rückzug jetzt eine ziemlich günstige Gelegenheit. Erst recht, wo vor einer Minute Schüsse gefallen sind – und scheinbar auch irgendjemanden getroffen haben –, und ihr war so, als hätte sie gerade Selina ziemlich aufgebracht reden hören. Dieser Dunst verschluckt jedoch alle Worte. Es klang allerdings fast wie ein Kampf.
 

Also lieber weg hier. Die Pflanzen auf ihrer Haut werden auch schon ganz unruhig. Drängen sie zum Gehen. Irgendwer nähert sich ihr, sie kann es spüren. Und da, ein Schatten im Nebel. Doch so schnell verdrückt sie sich nicht mit eingezogenem Schwanz. Stattdessen lässt sie eine Ranke wachsen. Die Würgefeige schießt nun in den Dunst hinein, wickelt sich um den Körper des Schattens und zerrt ihn grob zu sich heran. Nicht sonderlich überrascht, aber dafür umso genervter, stellt sie fest, dass es sich dabei um diesen lächerlich geschminkten Bengel handelt, der die Unverfrorenheit besessen hat, sie alle hier zu stören.
 

An sich aber auch ein guter Fang, wie ihr nun aufgeht. Sie wird ihn dazu bringen, dieses ganze Unheil wieder aufzuräumen und dann wird sie ihn mit in den Park nehmen. Dort wird sie ihn an ihre hungrigen Pflanzen verfüttern und das Problem ist ein für alle Mal gelöst. Wirklich traurig, wenn Ivy so bedenkt, wie viele starke Kerle hier an diesem Tisch sitzen und die Arbeit bleibt mal wieder an einer Frau hängen. Aber so ist es doch immer, wenn man mal ehrlich ist, oder? Will man, dass etwas richtig gemacht wird, muss man es eine Frau machen lassen!
 

Dessen scheint sich der Bengel aber nicht so ganz im Klaren zu sein. „Dir wird das Grinsen gleich vergehen, Bursche!“, haucht sie und zerrt ihn noch näher zu sich heran. „Oh, hey, du süßer Giftsumach!“, flötet Joker ausgelassen, obwohl ihm kaum Luft zum Atmen bleibt. „Du findest mich also süß, ja? Dann hast du ja sicher nichts dagegen, wenn ich mich dafür mit einem Kuss bei dir bedanke, nicht wahr, Junge?“ „Du kannst es gern versuchen, Röschen, aber ich steh nicht auf Mädels.“ Ivy erwidert sein Lächeln unbekümmert. „Das spielt überhaupt keine Rolle. Meine Pheromone sprechen deinen Urinsinkt an, somit ist es völlig egal, worauf du zu stehen glaubst.“ „Na schön. Dann sei aber bitte sanft. Bist schließlich mein erstes Mädchen!“, kichert der Grünhaarige anzüglich, als wüsste er so gar nicht, was ihn erwarten wird.
 

„Keine Sorge, du wirst gar nichts spüren...“, haucht die Rothaarige und vereinigt ihre Lippen miteinander. Augenblicklich merkt sie, wie der Körper in ihrem Griff an Spannung verliert. Als sie ihn wieder ansieht, sind seine Augen leer und er wirkt so willenlos, wie all ihre anderen Opfer jemals zuvor. „Wer sagt es denn! Und jetzt wirst du mir ein ganz herrlicher Dünger werden!“ Benommen wendet er ihr den Blick zu, doch irgendetwas daran ist komisch. „Was immer du willst, mein kleines Veilchen. Aber vorher solltest du dir die Radieschen von unten ansehen!“, kichert der Bengel nun wieder. Völliges Nichtbegreifen huscht über Ivys Gesicht. Dann wird ihr auf einmal ganz seltsam.
 

„Was – was hast du mit mir gemacht?“ „Tja, Seeröschen, du bist nicht die einzige, deren Lippen giftig sind.“ „Aber – ich bin immun gegen – so gut wie alles...“ „Ich weiß, ich ebenfalls. Auch wenn ich zugeben muss, dass sich dein Zeug echt geil angefühlt hat! Doch Männer sind mir dennoch lieber, also muss ich leider ablehnen, mit dir zu gehen.“ „Du mieser...“, weiter kommt die Pflanzenschönheit nicht, ehe sie zusammenbricht und die erschlaffenden Ranken den kleinen Clown wieder freigeben...
 


 

9
 

Bane hingegen denkt gar nicht an Flucht oder dergleichen. Er sitzt nur da und wartet darauf, was als nächstes passiert. Schüsse sind gefallen, also steigt hier vielleicht gleich mal ein bisschen Action? Er hätte nun wirklich nichts dagegen. Solche Dummschwätzersitzungen wie diese hier, sind absolut nicht sein Ding. Seine aufgepumpten Muskeln begrüßen diese außerplanmäßige Unterbrechung mit sichtlichem Wohlwollen und vibrieren regelrecht vor Erwartung unter der Haut. Ein vorfreudiges Grinsen schleicht sich auf sein größtenteils maskiertes Gesicht und wird umso breiten, als er nun sieht, wie sich ihm ein Schatten durch den Dunst nähert. Sergio ist scheißegal, um wen es sich dabei handelt, er will einfach nur auf irgendwen einschlagen, um sich die Langeweile zu vertreiben. Vielleicht trifft es ja sogar diesen dämlichen Pinguin mit seiner Selbstgefälligkeit und dem aufgeblasenen Ego? Man wäre das toll!
 

Zielgerichtet erhebt er sich also von seinem Stuhl und holt mit der mächtigen Faust aus. Noch ehe er sehen kann, wer sich ihm nähert, jagt sein Schlag in den Nebel hinein und trifft. Oder eher streift jemanden, wie Bane etwas geknickt feststellen muss. „Also ich weiß ja, dass ich unerwünscht bin, aber so eine Begrüßung hab ich nun wirklich nicht verdient...“, schmollt der Grünhaarige fast schon weinerlich, als er nun in Banes Sichtfeld tritt und sich dabei vielsagend über das linke Ohr reibt. „Außerdem hättest du mir fast meinen Ohrstecker abgerissen! Schämst du dich denn gar nicht?“ Der Wrestler kann den kleinen Bengel vor sich nur mit erhobener Augenbraue betrachten.
 

Dann grinst er jedoch wieder und lässt warnend die Fingerknöchel knacken. „Du kriegst eins aufs Maul, warum sollte ich mich dafür schämen?“ Herausfordernd beginnt nun auch der kleine Bengel zu grinsen. „Ach, du gehörst wohl zu den Typen, die der Meinung sind, dass auch Clowns manchmal ein bisschen Haue gernhaben, wie?“, fragt er keck. „So sieht’s aus, Kleiner!“ „Schön, kannste haben!“ Schneller als der breitgebaute Sergio gucken kann, holt der Grünhaarige aus und schlägt ihm die geballte Faust nun mitten auf die Nase. Sichtlich überrascht zuckt der Größere zusammen. Der Zwerg ist viel stärker als er aussieht, dass muss man schon zugeben. „Netter Versuch. Jetzt ich!“, erwidert er keine zwei Sekunden später und holt selbst aus.
 

Der Clown duckt sich allerdings unter der Faust hinweg und tritt so genau in das unmittelbare Blickfeld des Wrestlers. „Nee, lass mal. Das Spielchen macht mir mit dir keinen Spaß, mein Großer. Also sollten wir das jetzt abkürzen, ich hab nämlich noch einiges zu tun.“, meint Joker geschäftig, ehe sich Bane für einen erneuten Schlag bereitmachen kann. Kurz darauf legt der Grünhaarige ihm die Arme um den breiten Nacken, überbrückt so den letzten Abstand zu ihm und presst dann seine Lippen auf Sergios.
 

Überrascht reißt dieser die Augen auf, packt den Bengel im Genick und schubst ihn zurück auf den Tisch. „Elende Schwuchtel...“, knurrt er noch, dann werden ihm die Knie weich und er bricht auf dem Boden zusammen. Joker zuckt nur lässig mit den Schultern. „Mag schon sein, mein Großer. Aber was sagt das über dich, wenn du dich von einer kleinen Schwuchtel wie mir so einfach auf die Matte schicken lässt?“ Sergio kann ihn zwar nicht mehr hören, aber das ist dem Verrückten ziemlich egal. Er hat seinen Standpunkt in jedem Fall deutlich gemacht.
 


 

10
 

Der Nächste auf der Abschussliste des kleinen Clowns ist Killer Croc. Ebenfalls ein ziemlicher Brocken und von alledem um ihn herum mindestens genauso unbeeindruckt wie Bane. Und genau wie dieser freut sich auch der Menschenfresser auf diese willkommene Abwechslung. Seine schier endlos vielen Reißzähne verzerren sich zu einem grotesken Grinsen, als Joker aus dem Dunst tritt. Der Jüngere erwidert sein Grinsen nicht weniger gespickt mit erstaunlich großen Nadeln.
 

„Na? Wie geht’s denn so, mein Großer?“ „Könnte einen Snack vertragen und du siehst ziemlich lecker aus!“, knurrt das Krokodil und versucht nach ihm zu langen. Joker gelingt es jedoch leicht, dem auszuweichen. „Na, du bist mir ja ein Charmeur!“, flötet er dann angetan und legt sich wie ein kleines Mädchen die Hände auf die glühenden Wangen. „Schnauze und herkommen!“, setzt Waylon erneut an, woraufhin der Clown wieder ausweicht. „Wirst du jetzt etwa patzig, wenn ich nicht gleich springe? So Typen wie dich hab ich ja echt gefressen!“, beleidigt verschränkt der Junge die Arme vor der schmalen Brust. Dieser kurze Moment der Ablenkung reicht Croc allerdings, um ihn nun fest bei den Schultern zu packen und dann rücklings auf die Tischplatte zu knallen. Schmerzlich stöhnt der Jüngere auf.
 

„Du wirst hier gefressen und sonst nichts!“, grinst der Größere nun gierig. „Bist zwar nur was für den hohlen Zahn, du Zwerg, aber immerhin besser als nichts.“ Vielsagend reißt er das Maul auf und kommt dem bewegungsunfähigen Clown damit immer näher. „Zwerg? So was verbitte ich mir! Ich hab genau die richtige Größe für Typen wie dich!“, profiliert sich der Grünhaarige angesäuert. „Das ich nicht lache!“, grunzt Waylon, während seine Zähne schon den schutzlosen Hals seines Opfers streifen. „Ob du gleich auch noch lachen kannst?“, fragt dieser allerdings wieder ziemlich selbstsicher. Croc ignoriert seine Aussage jedoch und macht ungerührt weiter.
 

Das ist aber ein ziemlicher Fehler, wie ihm zu spät bewusst wird. Unbemerkt zieht Joker das Knie an und rammt seinen Fuß dann mit aller Kraft nach vorn. Sein Turnschuh trifft dadurch mit voller Wucht die einzig empfindliche Stelle des Menschenfressers, was diesen atemlos keuchend auf die Knie sinken lässt. „Du – elender...“, der Rest seiner Beschimpfungen geht in einem schmerzlichen Stöhnen unter, während er sich verkrampft die großen Hände zwischen die Beine drückt. „Normalerweise greife ich ja nicht zu solchen Mitteln, aber du hast mir irgendwie keine Wahl gelassen, mein Großer. Doch ich weiß schon, wie ich mich bei dir entschuldigen kann!“, meint der Grünhaarige sanft und küsst ihn dann schnell auf den Mund, ehe das Krokodil versuchen kann nach ihm zu schnappen.
 

Wie durch ein Wunder ist der Schmerz in seinem pochenden Unterleib urplötzlich verschwunden. Überrascht betrachtet er den Clown vor sich, der ihn nahezu liebevoll anlächelt. Dann wird ihm auf einmal ganz schwindlig und er kracht wie erschossen zu Boden...
 


 

11
 

Mr. Freeze denkt ebenfalls nicht an Flucht. Er nutzt den undurchsichtigen Dunst dafür, seine Gedanken schweifen zu lassen. Die Schüsse und die scheinbaren Kampflaute bemerkt er gar nicht. Stattdessen zieht er ein Foto aus seiner Tasche und streicht liebevoll mit seinen behandschuhten Fingern darüber. Das Bild zeigt seine geliebte Nora lächelnd, voller Glück und Hoffnungen. Es ist die letzte Aufnahme von ihr, bevor diese schreckliche Krankheit sie so unbarmherzig überfallen und Victor zu all diesen Dingen getrieben hat, die ihn letztendlich hierhergeführt haben. Doch er wird niemals aufgeben, bis er sie wieder in seine Arme schließen kann!
 

„Süß, die Kleine.“, ertönt es auf einmal direkt neben ihm. Erschrocken wendet sich Freeze herum und erblickt diesen seltsamen Bengel, der sich selbst Joker nennt, neben sich. Neugierig schaut der Junge auf das Foto in Victors Hand. „Deine Freundin?“, fragt er sichtlich interessiert. „Nein – meine – meine Frau Nora.“, entkommt es dem Wissenschaftler, während er sich schützend das Bild an die Brust seines Kryogenanzugs drückt. „Aha. Warum denn dann so traurig, Frostie? Hat sie dich sitzengelassen, weil du ihr die kalte Schulter gezeigt hast?“, witzelt der Kleinere. „Nein, sie ist unheilbar krank, also hör gefälligst auf zu grinsen!“, kommt es nun zornig von Freeze.
 

„Oh, mein Fehler. Aber was hälst du davon, wenn ich dir helfe, ein bisschen Zeit mit ihr zu verbringen?“ „Das geht nicht. Sie liegt im Kryoschlaf, bis ich ein Heilmittel finde!“, empört sich Victor nun sichtlich aufgebracht. „Schon klar. Ich schick dich einfach zu ihr.“, meint Joker keck und deaktiviert dann erstaunlich leicht die Verriegelung von Freeze´ Kryogenhelm. Augenblicklich treten Schwaden eisiger Luft unter der gläsernen Glocke hervor und Victor reißt geschockt die Augen auf. „Nicht! Sonst werde ich...“, mehr bringt er nicht mehr hervor, sondern versucht vehement den Bengel davon abzuhalten, ihm den Helm ganz abzunehmen.
 

Doch das ist leichter gesagt als getan und so landet der Helm kurze Zeit später auf dem Boden. Hilflos versucht Freeze zu vermeiden, die viel zu warme Luft um sich herum einzuatmen. „Schließ einfach die Augen und denk an Nora.“, meint der kleine Clown und drückt dann die Lippen auf die seinen. Victor versucht ihn wegzustoßen, doch ihm fehlt die Kraft dafür. „Nora...“, flüstert er noch, während ihm schwarz vor Augen wird...
 

„Na, zum Glück trag ich Lippenstift, sonst wäre ich sicher an dir festgefroren, Vicky.“, kommt es überrascht von dem Jüngeren, während er den Helm ergreift und ihn Freeze wieder aufsetzt.
 


 

12
 

„Also ich bin dafür, dass wir hier schleunigst verschwinden!“, kommt es nervös von Harvey. Genervt verdreht Two Face das Auge. „Seit wann bist du nur so ein verfluchter Schisser?“ „Aber irgendwer hat geschossen und irgendwen getroffen!“, versucht sich der Schwarzhaarige zu rechtfertigen. Gleichgültig spielt der Weißhaarige weiterhin mit der Silbermünze. „Na und? Hat uns doch nicht erwischt, also mach dir nicht ins Hemd.“ „Aber wenn das dieser durchgeknallte Clown war und er herkommt, um uns zu erschießen?“, meint Harvey weiter nervös und greift nach seiner eigenen Pistole. „Die Frage hast du dir doch gerade wohl selbst beantwortet.“, meint Two Face und deutet auf die Waffe. „Wir sollen ihn erschießen?“ „Das wird die Münze entscheiden, mein Freund. Aber ich habe so das Gefühl, dass wir diesmal Glück haben werden.“ Weiter kommt der zweigespaltene Mann in seiner selbstgeführten Diskussion nicht, da taucht der Clown auch schon vor ihm aus dem Nebel auf.
 

„Hey Jungs!“, flötet er vergnügt. Augenblicklich richtet Harvey die Waffe auf ihn. „Keinen Schritt weiter!“ „Ich hoffe, du hast schon mal deine Gebete gesprochen, Clown. Denn jetzt werden wir sehen, wie lange du noch zu leben hast.“, kommt es nun von Two Face, während er geschickt den Silberdollar in die Luft schnippt. Im dichten Nebel kaum zu sehen, dreht sich die Münze fröhlich immer wieder um die eigene Achse und setzt dann zur Landung auf der Hand des Weißhaarigen an. Dazu kommt es allerdings nicht, da Joker vorher danach greift und sie aus der Luft angelt. „NEIN!“, entkommt es dem zweigespaltenen Mann in einem grotesken Chor, der dadurch entsteht, dass sich die Stimmen seiner beiden Persönlichkeiten regelrecht überschlagen.
 

„Gib sie sofort zurück, du Wurm!“, knurrt Harvey nun erstaunlich nachdrücklich. „Ich denke nicht. Aber ich schlage euch beiden einen Deal vor.“ „Und welchen?“, will der Kriminelle nun wissen. „Nicht! Das ist ganz sicher ein mieser Trick!“, meldet sich der Staatsanwalt zu Wort. „Sei still!“ „Ganz einfach: Wenn die glatte Seite der Münze oben liegt, küsse ich Harvey. Ist es dagegen die zerkratzte Seite, dann muss Two Face mich küssen.“ „Du bist ja völlig irre!“, entgegnet ihm der Schwarzhaarige angewidert. „Natürlich! Irre gut sogar!“, kichert der Clown.
 

„Einverstanden.“, unterbricht der Weißhaarige nun wieder. „Was? Nein! Merkst du nicht, dass das ein ganz mieser Trick ist? Wir können nicht gewinnen!“ „Schnauze und du wirf endlich die Münze!“, verlangt Two Face mit einem herausfordernden Funkeln in seinem verätzen Auge. Keck grinst der kleine Clown ihm zu und schnippt dann die Münze in die Luft. Geschickt fängt er sie kurz danach wieder auf, schlägt sie sich auf den Handrücken und präsentiert das Ergebnis dann seinem Gegenüber. Die zerkratzte Seite liegt oben! „Oh nein, ich habe es gewusst...“, stöhnt Harvey in Selbstmitleid ertrunken. „Ich weiß gar nicht, warum du dich so aufregst, dich trifft es doch gar nicht.“, gluckst der Grünhaarige vergnügt.
 

„Das ist doch völlig egal! Du hast uns übers Ohr gehauen!“, versucht sich der Schwarzhaarige zu rechtfertigen. „Ach, halt doch endlich mal die Klappe und zieh den Stock aus deinem Arsch! Und du komm her, Bengel!“ Noch bevor Joker dem nachkommen kann, legt sich Two Face´ Hand schwer um seinen Nacken und zieht ihn ruckartig zu sich heran. Eine Sekunde später drückt ihm der Kriminelle die Lippen auf. Überrascht weiten sich die Augen des jungen Clowns und er erwidert nahezu ergeben den Kuss. Das Ganze scheint sich ewig hinziehen zu wollen, bis sich der Weißhaarige dann doch von ihm trennt. Joker schwirrt der Kopf, als hätte er etwas von seiner eigenen Droge geschluckt, und unweigerlich glühen wieder seine Wangen. Dank der dicken Schminke in seinem Gesicht kann man das aber nicht sehen. Der selige Ausdruck in seinen unnatürlichen Augen ist jedoch Antwort genug.
 

„Gar nicht übel...“, entkommt es Two Face noch, ehe der zwiegespaltene Mann reglos zusammenbricht. „Wow, wem sagst du das? Wenn ich jemals genug von Batsy haben sollte, stehst du in jedem Fall ganz oben auf meiner Liste, mein Großer...“, entkommt es Joker mit einem zufriedenen Seufzen.
 


 

13
 

Jonathan ist von der Entwicklung des Ganzen nicht sonderlich angetan. Schon gar nicht, dass hier irgendein Verrückter um sich zu schießen scheint. Noch weniger gefällt ihm die Tatsache, dass es jemanden in seiner unmittelbaren Nähe getroffen hat. Bescheidener Weise hat das leider auch seinen geflügelten Freund vertrieben, ohne den er aber keinesfalls den Rückzug antreten will. Das Rumgeballer scheint zum Glück vorbei zu sein, doch die anderen Geräusche, die gedämpft aus dem Nebel kommen – und dabei auch immer näher zu kommen scheinen –, beunruhigen ihn noch mehr. Ganz sicher hat dieser durchgeknallte Clown etwas damit zu tun. Wirklich eine ganz tolle Sache. Dabei hatte sich Scarecrow doch so viel von diesem Treffen hier erhofft und jetzt das. Irgendwie wünscht er sich schon fast, dass Batman auftaucht und diesen Scheiß hier beendet, bevor wirklich etwas Schlimmes passiert. Im besten Fall bekäme John dann vielleicht sogar Gelegenheit, die neue Modifizierung seines Angst-Gases an der Fledermaus auszuprobieren!
 

Aber in jedem Fall hat erst einmal seine Krähe Vorrang. „Nimmermehr, komm her, mein Freund. Bevor dich noch eine dieser dummen Katzen erwischt! Nimmermehr, wo steckst du, Kleiner?“, ruft er daher in den Dunst hinein. Entgegen seiner Erwartungen erhält er sogar eine Antwort. In seltsamer Ferne kann er seinen Vogel aufgebracht krähen hören. „Nimmermehr?“, fragt er besorgt, doch nun ist alles wieder still. „Nimmermehr?“, schon ziemlich hoffnungslos. „Verdammt!“, schimpft er in sich hinein und erhebt sich dann von seinem Platz, um seinen Vogel zu suchen. Sonderlich weit kommt Jonathan jedoch nicht, da entdeckt er einen Schatten im Nebel. „Bist du das, Nimmermehr?“
 

„Ich bin Batman!“, dringt eine dunkle und irgendwie verzerrte Stimme hervor. Erschrocken macht Scarecrow einen Schritt nach hinten. Dann schießt plötzlich seine Krähe mit weit gespreizten Flügeln aus dem Dunst auf ihn zu. Doch der Vogel fliegt nicht. Stattdessen hängt sein Kopf auf der Seite herab und etwas Gelbes klebt an der Spitze seines Schnabels. „Ich bin Batman!“, ertönt es abermals, diesmal jedoch in haltlosem Lachen nahezu ertrunken. Wie eine Marionette macht die Krähe sämtliche Bewegungen mit, die ihr ihr Peiniger aufzwingt, was John nur immer mehr entsetzt.
 

Dann fällt der Vogel plötzlich wie ein Stein zu Boden. Im letzten Moment gelingt es Scarecrow noch, ihn aufzufangen. „Nimmermehr? Was hat dir dieses Monster angetan?“, fragt er den scheinbar besinnungslosen Vogel. „Monster klingt doch etwas hart, wie ich finde.“, tönt der Clown dann direkt vor ihm. Erschrocken setzt sich der Brünette unsanft auf seine vier Buchstaben nieder und presst seinen gefiederten Freund an sich. „Doch du wirst gleich erfahren, was ich mit ihm gemacht habe...“, haucht der Grünhaarige ihm entgegen.
 

„Verschwinde!“, kommt es zitternd vom Meister der Furcht. Ruckartig reißt Joker ihm die Jutemaske vom Kopf. „Was denn? Hast du etwa die Hosen voll, Johnny?“, grinst der Clown schelmisch. Schwerfällig versucht der Brünette seinen Arm zu heben, um sein Gegenüber mit seinem Gas außer Gefecht zu setzen, doch der Bengel packt ihn am Handgelenk und der Schuss geht daneben. „Nein...“, wimmert der ehemalige Psychologe noch, dann drücken sich die Lippen des Grünhaarigen auf seinen Mund. Anschließend wird alles um ihn herum schwarz...
 


 

14
 

Was so alles um ihn herum passiert, kümmert Jervis nicht im Geringsten. Nachdem sich dieser komische Dunst im ganzen Saal ausgebreitet hat, hat sich der kleine Hutmacher in sein Wunderland zurückgezogen. Seine Einbildungskraft ist dabei so stark, dass Nichts um ihn herum mehr zu existieren scheint. Der dichte Nebel ist in seinen Augen der Qualm der rauchenden Raupe und er selbst sitzt hier an seinem Tisch bei seiner Teegesellschaft. Seine Mitsitzer sind wie immer herrlich ausgelassen. Also ist alles genau so wie es sein soll. Zufrieden mit dieser Tatsache nimmt Mad Hatter einen weiteren Schluck aus seiner reich verzierten Tasse und träumt vor sich hin.
 

Dann allerdings geht ihm auf, dass der wichtigste Gast noch gar nicht erschienen ist: Seine Alice! Eine echte Tragödie! „Sie verspätet sich ganz sicher nur etwas. Das kann schon mal passieren, wenn man sich für so eine Gesellschaft herrichtet. Kein Grund zur Sorge!“, redet er sich selbst ein und es funktioniert. Mit einem Seufzen beruhigt er sich wieder. Denkt stattdessen an seine süße Alice. Wie sie vor dem Spiegel steht, ein bezauberndes Kleid nach dem anderen anprobiert, um sich besonders hübsch für ihn zu machen. Welch ein Gedanke! Er beflügelt ihn regelrecht. Sein ganzer Körper scheint bei dieser reizenden Vorstellung zu kribbeln. Oh, wie sehr verzerrt er sich doch nach seiner geliebten Alice! „Beeil dich, meine Schöne! Ich erwarte dich voller Sehnsucht!“, seufzt er schwer, während er sich verlangend auf die Unterlippe beißt.
 

Die Raupe meint es mit ihrer Pfeife heute wirklich überaus gut, kann man doch kaum eine Handbreit sehen, dennoch taucht nun ein Schatten in dem dichten Dunst auf. Endlich! „Alice!“, entkommt es Jervis in Sehnsucht ertrunken. Vor ihm taucht jedoch der grünhaarige Clown auf, der so gar nicht in sein herrliches Wunderland hineinpassen will. Doch er klammert sich vehement an diese Vorstellung. Sieht, was er sehen will. „Alice...“, wimmert Mad Hatter daher der Verzweiflung nahe. Mit leicht erhobener Augenbraue mustert ihn der Joker und beugt sich dann zu ihm hinab.
 

„Nenn mich, wie du willst, mein Großer!“ „Alice?“ „Ja, genau die bin ich und dass nur für dich, mein Großer.“, spielt der Clown einfach mit, was wirklich amüsant ist. Wenn er nicht so viel zu tun hätte, könnte er das hier den Rest der Nacht machen! „Alice, du bist endlich hier! Ich habe so sehr auf dich gewartet, meine Teuerste!“, geht Jervis ganz in seiner sehnlichsten Fantasie auf. „Tut mir leid, Herzchen, ich musste erst noch etwas Lippenstift auflegen. Gefällt er dir?“ „Wundervoll...“, haucht der Blonde verloren lächelnd. „Dann hast du doch sicher nichts gegen einen kleinen Kuss vor dem Tee, oder?“ „Nein...“ Und auf einmal gehen alle Lichter im Wunderland aus...
 


 

15
 

Schmerzlich verzieht Edward das Gesicht, als er seine Krawatte fester um seinen Oberschenkel zurrt. Er hat großes Glück gehabt. Die Kugel, die so plötzlich aus dem Nebel kam, ging glatt durch sein Bein durch und scheint keine wichtigen Gefäße getroffen zu haben. Dennoch kann er nicht flüchten, ja nicht einmal richtig stehen, wenn er sich nicht auf seinen Stock stützt. Wer immer da geschlossen hat, kann froh sein, das Riddler es in dem Dunst nicht gesehen hat, doch viele kommen dafür nicht infrage. Doch das ist jetzt völlig egal. Er muss sehen, dass er hier irgendwie herauskommt, ehe noch mehr Chaos ausbricht oder sein Bein vom Schmerz so steif wird, dass er es gar nicht mehr bewegen kann.
 

Sein panischer Wunsch zu fliehen, ist nun allerdings aus unerfindlichen Gründen von ihm abgefallen. Jetzt fühlt er eine tiefe und gefährliche Ruhe, eine Art tödliche Schläfrigkeit. Mit seinem angeschossenen Bein könnte er eh nicht vor diesen Wahnsinnigen flüchten. Also muss eine andere Lösung her, um noch irgendwie seine Haut zu retten. Ein Schatten taucht im Nebel auf. Auch das noch! Entschlossen versucht er halbwegs sicher auf seinem verletzten Bein zu stehen, zieht seine .45er Magnum aus der Innentasche seiner Weste, entsichert sie blind, während sein Blick fest auf die sich langsam lichtende Wolke vor sich gerichtet ist. Als er den näherkommenden Schatten des kichernden Clowns darin auf sich zukommen sehen kann, richtet der Riddler in ihm die Waffe mit einer erschreckenden Kaltblütigkeit auf den Jungen.
 

Vielleicht zum ersten Mal, seit diese verhasste Stimme in seinem Kopf erschienen ist, vertraut er ihr blind. Dennoch krümmt sich sein Finger nur nervös, zögerlich um den Abzug. Vehement versucht er dabei zu verdrängen, dass er in seinem ganzen Leben noch niemanden erschossen hat, die Waffe nur zur Selbstverteidigung bei sich trägt, um einen möglichen Angreifer lediglich kampfunfähig zu machen oder auf Abstand zu halten. Der Riddler in ihm ist jedoch fest entschlossen zu schießen und stört sich auch nicht am Töten. Ed konnte ihn bisher nur immer irgendwie davon abhalten, da er noch nie wirklich in Lebensgefahr schwebte, was das Töten zweifelsfrei für ihn gerechtfertigt hätte. Dennoch ist er sich jetzt mit jeder Faser seines Körpers bewusst, dass er diesen Wahnsinnigen erschießen muss, ihn erledigen, denn sonst wird er ihn ganz unzweifelhaft auch töten, so wie all die anderen Verbrecher hier im Raum!
 

Schon einen Moment später taucht der Clown lautlos wie eine Katze aus dem abziehenden Qualm auf und grinst ihn frech an, sieht dabei direkt in den totbringend finsteren Lauf der Waffe, den Ed auf seinen Kopf gerichtet hat, er lächelt nur weiterhin siegessicher. Allerdings wirkt der Grünhaarige keineswegs beunruhigt deswegen. Seine Zähne sind rasiermesserscharfe Dreiecke, die im Zwielicht der gedimmten Deckenbeleuchtung auf tödliche Weise funkeln, ganz so, als würde er stattdessen gerade Killer Croc lächeln sehen. Diese Vorstellung lässt Edward innerlich erschaudern.
 

Das Lächeln des jungen Clowns vor sich ist aber dennoch auf nahezu erschreckende Weise bezaubernd, sodass sich der Rätselmeister regelrecht genötigt fühlt, es erwidern zu müssen. Fühlt es sich so an? Fühlt es sich vielleicht tatsächlich so an, wenn man mit dem sogenannten Joker-Gas infiziert wurde? Dieser unbändige Drang zu lachen, bis daraus ein grauenhaftes Grinsen wird, das einen förmlich von innen heraus zerreißt und letztendlich überaus grausam sterben lässt. Wird Ed somit das Schicksal seiner gefallenen Schurkenkollegen teilen und elendig zu Grunde gehen? Er schluckt hart, verlagert dabei unbewusst sein Gewicht und zuckt dann schmerzlich zusammen, als er somit sein verletztes Bein belastet. Und plötzlich ist der kranke Drang zu lächeln verschwunden und ein Hauch Erleichterung macht sich in ihm breit. Noch ist er wohl doch nicht infiziert.
 

„Keinen Schritt weiter!“, fährt Ed ihn zitternd an und krümmt den Finger fester um den Abzug. Sein Gegenüber grinst nur keck. „Mach dich nicht unglücklich, mein Hübscher!“, raunt er dann erstaunlich sanft und legt die Hand ungeniert um den todbringenden Lauf der Magnum. Heftig schreckt Nigma zusammen, wobei er überraschenderweise bemerkt, wie der Riddler in seinem Kopf mit erstaunlicher Heftigkeit zurückgestoßen wird, und er somit völlig auf sich alleingestellt dasteht. Daraufhin schlägt Edward betroffen die Augen nieder, lässt sich ungelenk zurück auf seinen Stuhl fallen und überlässt dem Spinner willenlos die Waffe, als wäre es Batman, der hier vor ihm steht. Welche Wahl hat er denn schließlich ohne die Selbstsicherheit des Riddlers?
 

Der Clown setzt sich nun mit damenhaft übereinandergeschlagenen Beinen direkt vor ihm auf die Tischplatte und schiebt Ed die Pistole dann zurück in die Innentasche seiner Weste, als hätte er irgendwie gesehen, dass der Brünette sie dort hergeholt hat. Überrascht sieht der Ältere zu ihm auf. „Du – du erschießt mich nicht?“ „Warum sollte ich? Wäre doch schade um so einen hübschen Kerl wie dich, meinst du nicht auch?“, zwinkert ihm der Bengel keck zu, woraufhin Nigma knallrot anläuft. Ein sonniges Lächeln erhellt daraufhin das geschminkte Gesicht seines Gegenübers. Ed schluckt schwer. Wenn man dieses Lächeln sieht, vergisst man beinahe, dass der Raum mit toten Gaunern gefüllt ist und man selbst sich jeden Moment zu ihnen gesellen wird.
 

„Außerdem brauche ich dich noch, um den anderen Trotteln hier meine Forderung zu überbringen, wenn sie wieder aufwachen.“ „Sie – sie sind nicht tot?“, kommt es ungläubig von dem Rätselmeister. „Nein, natürlich nicht! Das würde doch gar keinen Spaß machen. Sie werden sich morgen nur stundenlang die Seele aus dem Leib kotzen, weiter nichts. Und wenn schon einen umbringen, dann doch bitte mit jeder Menge Sauerei und einem Knall, dass es jeder mitbekommt und sich vor Angst in die Hosen macht! – Außerdem wäre das hier viel zu einfach gewesen. Zudem finde ich es echt mies, dass mich alle nur für einen hirnlosen Killer halten, weil mir zu Anfang ein paar kleine Dinge misslungen sind. – Ich hatte nie vor, damals irgendjemanden zu töten. Es war ein Unfall, klar? Ich musste erst die richtige Rezeptur finden. Ich hatte es an mir selbst ausprobiert, aber durch den dauernden Umgang mit den verschiedenen Giften bin ich dagegen immun geworden und habe es nicht mitbekommen. Dachte daher, dass es ungefährlich sei...“, beharrt der Jüngere trotzig, schiebt schmollend die Unterlippe vor und verschränkt beleidigt die Arme vor der schmalen Brust. „Okay, klar...“
 

Trotz der Tatsache, dass Joker ihnen gerade bewiesen hat, dass er nicht nur völlig verrückt, überaus gewieft und stark noch obendrein ist, genießt er selbst hier unter seinesgleichen – der immer wiederkehrenden Rivalen Batmans – die bittere Einsamkeit eines Außenseiters. Obwohl genießen da wohl das vollkommen falsche Wort zu sein scheint, wenn Ed an den durchaus ziemlich genickten Blick des Clowns denkt, den dieser hatte, als er ihnen vorwarf, ihn nicht zu diesem kleinen Treffen eingeladen zu haben. Und eben war es nicht viel besser, wo er versucht hat seine vergangenen Taten zu rechtfertigen. Vielleicht ist da also wirklich etwas dran und er wollte tatsächlich niemandem absichtlich schaden?
 

„Was – was für eine Nachricht soll ich den anderen denn überbringen?“, fragt der Herr der Rätsel nach kurzem Schweigen. „Ganz einfach: Ich bin der Prinz von Gotham, doch ein jeder von euch soll die Gelegenheit erhalten, den Thron besteigen zu können, um eines Tages König dieser verruchten Stadt zu sein. Das kümmert mich nicht. Doch eins muss euch allen klar sein: Batman gehört ganz allein mir! Keiner von euch darf ihn töten! Das soll ganz allein mein Vergnügen sein und wer sich gegen mich stellt, mach seinen letzten Atemzug! Und diesmal scherze ich ganz sicher nicht, klar? Nehmt die Stadt, wie es euch beliebt, doch die Fledermaus ist mein!“ „Verstanden...“, schluckt Nigma hart. Innerlich ist er heilfroh, dass er niemals vorhatte, Batman über die Klinge springen zu lassen oder sich diese gottverdammte Stadt anzueignen. So muss er wenigstens nicht mehr Gefahr laufen, von diesem Irren um die Ecke gebracht zu werden.
 


 

16
 

Erneut tritt Schweigen ein und der Brünette beobachtet dabei, wie Joker nun einen Lippenstift aus seiner Hosentasche zieht und ihn damenhaft benutzt, indem er sein Spiegelbild auf der blankpolierten Glasplatte des Tisches betrachtet. Ed ist allerdings nicht sonderlich wohl dabei zu sehen, dass sich die Farbe geändert hat. Vorher waren die Lippen des Clowns in einem satten Gelb geschminkt, nun ist es ein kräftiges Himmelblau. Irgendwie beschleicht ihn da ein ziemlich ungutes Gefühl. „Was – wird das?“, will er daher wissen. Lächelnd betrachtet ihn der Grünhaarige. „Ich muss mich doch etwas für dich aufbretzeln, sonst wäre es ja langweilig, oder?“ „Für – mich...?“
 

„Sicher für dich. Als mein Nachrichtenüberbringer soll die die morgige Kotzrunde erspart bleiben, mein Hübscher. Dennoch muss ich meine ungehinderte Flucht garantieren können und dir leider kurzzeitig die Lichter ausblasen. Und da ich ein netter Kerl bin und die anderen nicht bevorzugen will, bekommst du selbstverständlich auch einen Kuss von mir. So ist es am einfachsten für uns beide.“ „Du bist doch wohl völlig verrückt! Ich lasse mich doch nicht von einem Kerl küssen!“, empört sich Edward mit hochroten Wangen.
 

Jokers Lächeln verschwindet, als wäre es nie dagewesen. Das Gesicht des jungen Mannes hat jede Spur von Heiterkeit verloren und ein unbarmherziges und unberechenbares Urgestein hinterlassen, das selbst seine Mutter nicht wiedererkannt hätte. Mit seinem Gesicht geht etwas Erschreckendes vor sich. Es wird sehr still, und seine Augen werden so groß, dass sie zu viel des unnatürlich gelben Hintergrunds zeigen. Dann bleckt er knirschend die animalisch spitzen Zähne. „Ich bin nicht verrückt!“, knurrt er und beginnt Ed überraschend aufgelöst durchzuschütteln.
 

Allein diese Geste verrät dem Brünetten aber schon sehr deutlich, wie verrückt der Clown wirklich sein muss. Aber anscheinend merkt er das selbst nicht mehr und bestreitet es daher vehement. Edward hat noch nie im Leben solche Angst verspürt. Echte Angst. Richtig echte Todesangst. Vielleicht ist es das, was ihn letztendlich einknicken und Joker seinen Willen bekommen lässt? Nigma muss sich dringend etwas einfallen lassen, um ihn wieder zu beruhigen, sonst kommt der Jüngere womöglich doch noch auf die Idee, ihn um die Ecke bringen zu wollen. Resignierend hebt er die Hände in einer ergebenen Geste. „Es – es tut mir leid. Du bist selbstverständlich nicht verrückt! Ich habe mich nur versprochen, ganz ehrlich! Küss mich, wenn es unbedingt sein muss, nur bring mich bitte nicht um...“, wimmert er hilflos und spürt schon, wie heiße Tränen der Verzweiflung und der nackten Panik hinter seinen Augen zu brennen beginnen.
 

Nur eine Sekunde später geht wieder ein Wandel über Jokers Gesicht hinweg. Es wirkt, als würde die letzte Reaktion nun rückwärts ablaufen. Seine Augen scheinen auf ein normales Maß zu schrumpfen. Seine geschminkten Lippen gleiten wieder über diese erschreckend scharfen Zähne und verbergen sie somit gnädiger Weise. Seine ganze Haltung entspannt sich deutlich, und schließlich lässt er Ed wieder los und räuspert sich fast schon verlegen, als könne er selbst nicht ganz begreifen, warum er gerade so ausgerastet ist.
 

Leicht räuspert sich der Jüngere und fährt sich fahrig durch die grünen Haare. „Das werde ich. Aber vorher muss ich mir mal eben dein Handy ausleihen. Du sollst mir ja nicht verbluten, während du dein Nickerchen machst.“ Sehr widerwillig greift Nigma daraufhin ein seine Weste und zieht das kleine Gerät heraus. Es gefällt ihm nicht wirklich, dass der Bengel einen Krankenwagen rufen will. Es ist nett, dass er sich um Ed sorgt. Aber das bedeutet auch, dass sie hier alle in Arkham aufwachen werden, während der Joker fröhlich weiterhin durch die Stadt streift. Aber naja, vielleicht ist es auch besser so? Die Mauern der Anstalt werden den Rätselmeister nicht lange halten, das steht fest, und dann wird er sich in die Narrows zurückziehen, seine Wunden lecken und seinem Projekt dort nachgehen – fern ab von all diesen Wahnsinnigen.
 

Flink tippt der Grünhaarige nun dir Nummer des Notrufs und räuspert sich erneut. Als er zu sprechen beginnt, klingt er dabei wie eine alte Frau, was der Brünette äußerst irritierend findet. „Hallo, Polizei? – Ja, kommen Sie schnell! In diesem komischen Club, der wie ein Eisberg aussieht, sind Schüsse gefallen! Schüsse! Können Sie sich das vorstellen? – Ja, ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen. Unerhört, eine alte Dame wie mich so aus dem Schlaf zu reißen! Und ich schlafe sowieso schon nicht mehr so gut – Ja, genau den meine ich. – Aha. – Ja, bringen Sie lieber ein paar Männer mehr mit. Ich hab da vor ein paar Stunden ein paar sehr zwielichtige Gestalten reingehen sehen. Da dachte ich gleich, dass das sicher Ärger geben wird. – Ja und einen Krankenwagen! Ich hab auch Schreie gehört. – Wunderbar!“
 

Gerade als der Mann in der Telefonzentrale nach ihrem Namen und dergleichen zu fragen beginnt, legt der Bengel auf. Joker kichert, als er ihm das Handy zurück in die Tasche schiebt. Ein Geräusch, das wie eine grobe Feile an seinem Gehirn zu raspeln scheint. Und Edward wünscht sich nichts mehr, als das es jetzt endlich vorbei ist.
 

„Können wir es jetzt bitte hinter uns bringen?“, fragt er nervös. „Aber sicher doch, mein Hübscher.“ Sanft lächelt der Grünhaarige ihm wieder entgegen, rutscht dann vom Tisch herunter und beugt sich zu ihm vor. Sinnlich legt er dem Rätselmeister die Arme um den Nacken, sieht ihm tief in die Augen. Ed schluckt noch einmal hart, erwidert einen Moment seinen durchdringenden Blick und schließt dann ergeben die Augen. Kurz darauf spürt er die erstaunlich weichen und warmen Lippen des anderen Jungen auf den seinen. Er merkt, wie noch während des Kusses irgendetwas in seinem Mund zu kribbeln beginnt, obwohl er ihn gar nicht geöffnet hat, und denkt sich, dass es sich dabei ganz sicher um die seltsame Droge handelt, die ihn jeden Moment einschläfern wird.
 

Alles, was er ist, alles, was er jemals gewusst hat, scheint in diesem Augenblick zu einem einzigen hellen Lichtpunkt zu schrumpfen, der jetzt erlischt, wie das Bild auf einem in der Dunkelheit ausgeschalteten Fernseher. Danach folgt nur noch tröstliche Schwärze...
 


 

17
 

Hastig verschwindet der kleine Clown anschließend, während in der Ferne schon Sirenen zu hören sind. Nachdem er die Iceberg Lounge verlassen und das Dach des nächsten Gebäudes erklimmt hat, blickt Joker mit nahezu zärtlich-liebenden Augen über die unter ihm liegende Stadt hinweg. Noch ist es nicht seine Stadt, aber sie wird es schon bald sein. Denn er hat selbstredend gelogen, als er Edward sagte, dass ihm Gotham egal wäre. Es dient nur dazu, diese Trottel in Sicherheit zu wiegen, um ihnen dann im richtigen Moment das Messer in den Rücken zu rammen!
 

Die Menschen dort unten wissen es noch nicht – haben aber bereits einen Vorgeschmack darauf erhaschen können, bevor er nach Arkham kam –, aber sie werden es erfahren. Sie werden bald erfahren, dass er sich den Titel Prinz von Gotham nicht umsonst verliehen hat, genau wie diese dumme Stadt ihn nicht umsonst als Prinz des Verbrechens getauft hat! Er hat bereits ein unumstößliches Pfandrecht auf diese Stadt, und um sie sich völlig untertan zu machen, muss er nur ein bisschen mehr mit ihrem Dunklen Ritter tanzen. Also lasst die Spiele beginnen!

Bruises


 

1
 

Der unschöne Zwischenfall in der Iceberg Lounge ist jetzt gut einen Monat her und noch immer ist es dem Dunklen Ritter nicht gelungen, den durchgeknallten Clown einzufangen, um ihn wieder zurück nach Arkham bringen zu können. Es ist wirklich zum Haare raufen! Der Bengel ist wie ein Floh auf Speed: Wenn man ihn endlich einmal zu Gesicht bekommt, springt er auch schon wieder davon. Doch Batman wäre ganz sicher nicht Batman, wenn er sich lange davon beirren lassen würde.
 

Ziellos aber überaus aufmerksam, blickt er sich in der Dunkelheit der nächtlichen Stadt um, während eine gewisse Angst sein Herz wie ein Schraubstock zu umfangen scheint. Doch es ist nicht die Angst vor dieser lauen Sommernacht. Oh nein, ganz sicher nicht! Er hat keine Angst vor der Nacht. Er ist die Nacht! Er liebkost die Nacht. Reibt all seine Sinne an ihr, wie ein Mann sein Gesicht am wohlgeformten Busen einer jungen Frau zu reiben vermag. Aber für solch romantische Vorstellungen hat er jetzt so überhaupt keinen Gedanken frei. Nicht, solange dieser Irre noch frei herumläuft. Daher verzieht er auch keine Miene, als er auf diesen gottlosen Haufen einer verfluchten Stadt hinabblickt, die er so zärtlich sein Eigen nennt.
 

Was ihm Angst macht, ist die Tatsache, dass dieser durchgeknallte Clown wieder etwas – womöglich Tödliches – anstellen könnte, bevor es ihm gelingt, ihn zu finden. In den Augen des Mitternachtsdetektiven gleicht es einem echten Wunder, dass alle Kriminellen, die bei der Sache in der Iceberg Lounge dabei gewesen waren, überhaupt noch leben, einschließlich dem Grünhaarigen selbst. Nicht einmal nennenswert verletzt wurden, abgesehen vom Riddler, der mit seiner Schusswunde aber noch Riesenglück gehabt hat und mittlerweile auch wieder auf den Beinen – sogar vor einer Woche aus der Anstalt ausgebrochen ist und seitdem untergetaucht zu sein scheint. Doch um ihn macht sich Bruce nicht wirklich Gedanken. Der Rätselmeister ist im Allgemeinen sehr handzahm und benutzt Gewalt nur als letzte Maßnahme, wobei er stets seine Schläger vorschickt, um dadurch unbemerkt zu entkommen. Oder – und das gefällt Batman nun wirklich nicht an ihm, wurden Bruce´ Eltern schließlich damals in dieser schrecklichen Nacht vor zwanzig Jahren erschossen, weshalb er jegliche Art von Schusswaffen strengstens verurteilt – er benutzt seine Pistole zur Notwehr. Doch die Magnum hat Ed auch nicht geholfen, wie ihm der Brünette in Arkham berichtet hat. Daher wohl auch kein Wunder, dass sich der Rätselmeister jetzt irgendwo verkriecht, bis es Batman gelingt, den blass geschminkten Bengel wieder einzufangen, ist einfach sicherer für den sensiblen Edward.
 

Der Grünhaarige hingegen legt es richtiggehend darauf an, Blut zu vergießen und Chaos zu stiften, so scheint es dem Schwarzhaarigen, und das kann Batman nun wirklich nicht ignorieren, auch wenn er weiß Gott genug andere Sachen zu tun hat. Daher springt er nun leichtfüßig auf das nächste Gebäude, um weiter Ausschau zu halten. Und endlich wird seine Hartnäckigkeit belohnt, wie es scheint. Kaum zehn Meter unter ihm schleicht sich dieser rotzfreche Bengel gerade durch eine Gasse und wirkt ganz so, als würde er sich unbeobachtet fühlen, wahrscheinlich sogar schon wieder etwas Ungehöriges aushecken. Perfekt!
 

Geschickt schießt Bruce seinen Enterhaken aufs nächste Dach und schwingt sich daran dann hinab in die Sackgasse, um den Clown nun endlich zu stellen...
 


 

2
 

Mit einem dumpfen, aber dennoch kaum hörbaren Plumpsen landet der maskierte Rächer keine zwei Meter hinter dem zu kurzgeratenden Bengel auf dem rissigen Beton. Obwohl das Geräusch im nächtlichen Treiben der niemals wirklich schlafenden Stadt nahezu untergeht, zuckt der Grünhaarige ertappt zusammen, als hätte er einen unerwarteten Schlag in den Nacken bekommen. Noch ehe Batman ihn somit an harschen kann, stehen zu bleiben, erstarrt der Junge in jeder Bewegung, gleich einem Jagdhund, der Beute ausgemacht hat. Der Moment des Schrecks hält jedoch nur kurz vor, sodass davon nichts mehr geblieben ist, als er sich nun herumdreht.
 

„Batsy! Wie schön, dich wiederzusehen! Ich dachte schon, du bist mir wegen irgendwas böse und magst deswegen nicht mehr mit mir spielen.“, flötet der Junge mit seiner hochtönigen Stimme ausgelassen-fröhlich, sodass der Maskierte allein schon davon augenblicklich Kopfschmerzen bekommen könnte. Seine blutroten Augen glitzern dabei kampflustig. Ein sichelförmiges Grinsen teilt sein weißgeschminktes Gesicht. Es sieht aus wie ein Halbmond aus scharfgeschliffenem Chrom und wirkt so höhnisch, wie das Grinsen eines listigen Fuchses, dem man direkt in die Falle getappt ist.
 

Knurrend erwidert Bruce seine Worte und tritt mahnend einen Schritt näher an ihn heran. „Wir spielen hier ganz sicher nicht, also hör mit diesem kindischen Unfug auf! Und böse bin ich dir so oder so. Oder denkst du etwa, ich würde deinen Amoklauf letztes Jahr auf dem Gotham Square einfach so unter den Teppich kehren? Von allem anderen danach mal ganz zu schweigen?“ Schmollend betrachtet ihn der Clown daraufhin. „Warum musst du immer diese alten Geschichten ausgraben? Ich hab dir doch gesagt, dass es keine Absicht war! Du tust ja glatt so, als wenn dir nie ein Fehler passieren würde. Außerdem war ich doch deswegen in dieser dümmlichen Anstalt, in die du mich geworfen hast, also was willst du denn noch?“ Missgünstig schüttelt der Schwarzgekleidete den Kopf. „Für den Anfang wäre es angebracht, wenn du in Arkham bleiben würdest, bis sie dich geheilt haben und du keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellst.“ „Da ist es aber sooooo langweilig! Und was sollen die denn bitte bei mir heilen? Ich bin doch gar nicht krank...“ „Selbstverständlich bist du krank – geisteskrank!“
 

Lässig winkt der junge Clown ab. „So ein Blödsinn! Mir geht es prima. Außerdem hatte ich etwas Wichtiges zu erledigen und hab deswegen deine ach so heißgeliebte Anstalt verlassen. Und hab ich schon erwähnt, dass es da sterbenslangweilig ist? Das ist es nämlich. So eine Langeweile macht einen echt wahnsinnig, sag ich dir.“ Genervt seufzt Batman tonlos in sich hinein und lässt ihn einfach weiterhin Unfug vor sich hinplappern. „Langeweile ist absolut kein Grund auszubrechen, Joker!“ „Doch, dass finde ich schon. Außerdem sind das da alles totale Vollidioten. Weißt du eigentlich, was für’n Scheiß die da mit einem abziehen und behaupten, es würde einem helfen? Also mal ehrlich! Diese Typen machen einen überhaupt erst geisteskrank! Ist daher nur von Vorteil, dass ich da schnell wieder abgehauen bin, meinst du nicht auch?“
 

Bruce antwortet darauf nicht. Er weiß nur zu gut, welch fragwürdige Techniken in Arkham Anwendung finden und ist nicht gerade froh darüber. Erst recht nicht, weil sein Alter Ego Bruce Wayne der Anstalt jährlich Unsummen spendet, um alles auf dem neuen Stand zu halten und nach wirkungsvollen Behandlungsmethoden zu suchen. Dennoch gelingt es weder ihm noch seiner besseren Hälfte die unmenschlichen Verfahren zur angeblichen Wiederherstellung der geistigen Gesundheit zu ändern oder zu unterbinden. Es wird einfach heimlich weitergemacht und man lässt nichts erkennen, wenn Bruce Wayne der Anstalt mal wieder einen seiner regelmäßigen Besuche abstattet. Trotzdem ist er froh – wie auch der Rest von Gotham –, dass es die Arkham gibt, damit diese verlorenen Seelen einen Platz haben, an dem man ein Auge auf sie hat, statt sie weiterhin mordend und terrorisierend durch die Straßen ziehen zu lassen. Und ein gewöhnliches Gefängnis kommt bei ihrem unberechenbaren Wesen einfach nicht infrage.
 

„Aber wichtiger war ja, dass ich zu diesem Treffen wollte. Wer weiß schon, was die sonst ohne mich beschlossen hätten? Ich wollte nur mein Recht einfordern, bevor sich die anderen einfach so alles unter den Nagel reißen und dann gar kein Platz zum Spielen mehr für mich bleibt, ohne dass sich einer von denen auf den Schlips getreten fühlt.“, führt der Grünhaarige locker weiter aus. „Was auch immer auf ihrer Tagesordnung gestanden hat, beinhaltete ganz sicher nicht das Chaos, das du angerichtet hast, und schon gar nicht, dass sie sich deinetwegen die nächsten zehn Stunden die Seele aus dem Leib kotzen. Mal ganz abgesehen von dem angeschossenen Riddler.“, hält der Detektiv sichtlich um Ruhe bemüht dagegen.
 

„Hach, die sind doch selbst schuld, wenn sie behaupten, ich wäre nicht gut genug für ihre kleine Truppe. Ich hab ihnen schließlich eine Wahl gelassen, mich aufzunehmen. Also was kann ich denn dafür, wenn sie sich alle für so unglaublich wichtig halten? Und das mit dem armen Eddie-Teddy war nun ganz sicher nicht meine Schuld. Ich hab schließlich nicht um mich geballert, dass war ganz allein Pinguin. Ich hab immerhin dafür gesorgt, dass er Hilfe bekommt. Was sogar bedeutet, dass du mir eigentlich auch dankbar sein solltest, immerhin hast du die Trotteltruppe dank mir vollständig nach Arkham schaffen können.“, schmollt der Junge mit verschränkten Armen.
 

Innerlich schlägt sich Batman mit der Hand vor die Stirn und spürt nur zu deutlich, wie sich ein pochender Schmerz in seinem Kopf ausbreiten will. Der Bengel ist doch einfach nicht zu fassen. Als wenn man mit einem kleinen Kind versucht zu diskutieren, das vehement anderen die Schuld zuzuschieben versucht, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Allerdings hat er schon recht mit der Tatsache, dass er dank des Jokers all seine Gegenspieler auf einmal erwischen konnte. Doch das wird er dem selbstgefälligen Bengel ganz sicher nicht auf die Nase binden, sonst bildet er sich nur noch mehr Irrsinn ein. Er sollte das Ganze daher schleunigst beenden und den Clown wieder zurück nach Arkham bringen, bevor sich die Kopfschmerzen richtig festsetzen können. Die Nacht hat immerhin gerade erst angefangen und der Rächer somit sicher noch einiges mehr zu tun.
 


 

3
 

„Mir ist egal, wer die Schuld hatte und was passiert ist. Du gehst jetzt zurück nach Arkham! Also ergib dich einfach und lass uns das hier vernünftig regeln.“, verlangt Bruce nun sichtlich angefressen. Wie aber nicht anders zu erwarten, gibt der Clown daraufhin nur ein helles Kichern von sich und bedenkt ihn mit diesem speziellen Blick, der ausdrücken soll, dass der Schwarzhaarige es doch eigentlich besser wissen müsste. Und das tut Batman tatsächlich, hatte aber mal wieder etwas Anderes gehofft. Doch das Schicksal meint es nun einmal nicht sonderlich gut mit dem maskierten Rächer. „Nö! Das ist doch langweilig. Gönn mir doch wenigstens mal ein bisschen Spaß, bevor du mich in dieses miese Loch zurückwerfen willst!“, protestiert der Kleinere „Spaßig wird das hier ganz sicher nicht für dich, denn wenn du dich nicht freiwillig ergibst, sehe ich mich unweigerlich dazu gezwungen, dir wehtun zu müssen.“, entgegnet der Dunkle Ritter und ballt vielsagend die Fäuste.
 

„Oh, du sagst immer so wundervolle Sachen, Darling! Also komm doch endlich her und zeig mir, was du kannst!“, kommt es sichtlich angetan von dem Jüngeren. Innerlich verdreht Bruce nur wieder die Augen. Er hatte schon bei ihren vorherigenden Aufeinandertreffen das Gefühl gehabt, dass der Joker eine gewisse Schwäche für Schmerzen hat. Wahrscheinlich hat er irgendwelche masochistischen Neigungen und reizt den Detektiven deswegen immer wieder bis aufs Äußerste? Für ihn kommt das hier alles sicher einer ziemlichen Befriedigung nahe und somit wird es Batman wohl nie gelingen, ihn zum Aufgeben zu bewegen. Aber das lässt sich wahrscheinlich nicht so bald ändern. Immerhin hat es den kleinen Vorteil, dass sich der Mitternachtsritter nicht sonderlich zurückhalten muss. Schließlich kann der Bengel auch erstaunlich viel einstecken, von daher dauert es eine Weile, ehe er in die Knie geht und das ermöglicht es dem Maskierten zumindest, sich etwas an ihm abzureagieren.
 

„Schön, wenn du es nicht anders haben willst...“, entgegnet Bruce und stürmt mit geballter Faust auf ihn zu. „Oh, so gefällst du mir gleich viel besser, Honey!“, flötet der Junge ausgelassen und weicht dem Angriff dann geschickt aus. Ohne aus dem Tritt zu kommen, setzt er so zum eigenen Schlag an. Der Ältere blockt das Ganze aber gekonnt ab, holt abermals aus und trifft doch nur wieder die Luft. Das Grinsen des Clowns wird daraufhin nur noch breiter. „Ja, lass uns tanzen, Darling!“, kichert er vergnügt, vollführt eine erstaunlich elegante Drehung, wobei er einem weiteren Schlag entkommt, und zieht dann ein Messer aus der Tasche. Tödlich glitzert die Klinge im nächtlichen Schein weniger Laternen, doch es reicht, um Batman die drohende Gefahr zu verdeutlichen.
 

Im letzten Moment ändert er daher das Ziel seines nächsten Schlags, sodass er nun den heranschnellenden Arm des Bengels mit voller Wucht trifft. Mit einem überraschten Laut zuckt der Junge leicht zusammen und lässt klappernd das Messer fallen. Sein Grinsen bleibt jedoch ungetrübt. „Das war gut, Sweetheart. Wirklich gut!“ „Halt endlich die Klappe und gib auf!“ „Wir haben doch gerade erst angefangen, also sei nicht so ein Spielverderber und gib’s mir endlich richtig!“, schmollt der Grünhaarige schon fast und hebt ruckartig das Bein, um ihn zu treten. Dummerweise landet er diesmal einen Treffer. Doch das Ganze geht gegen die Hüfte des Größeren, sodass es ihn kaum ins Wanken bringt. Hätte der Clown nur ein paar Zentimeter höher getroffen, sehe das vielleicht anders aus.
 

So jedoch nutzt Batman den Treffer, um nun das Bein des Grünhaarigen zu fassen zu bekommen und ihn so wuchtig gegen die nächste Wand zu werfen. Jokers Sturz wird allerdings von einigen dort aufgereihten Mülltonnen abgebremst, bevor er womöglich sehr innige Bekanntschaft mit der Backsteinmauer dahinter gemacht hätte. Mit lautem Scheppern fallen die Tonnen um und verstreuen ihren halben Inhalt als stinkende Haufen auf dem rissigen Beton der Gasse. Wie ein weggeworfenes Kätzchen liegt der zu kurzgeratene Bengel einen Moment in dem fäulniswarmen Gebilde, blickt Bruce leicht überrascht an und grinst dann wieder breit. „Das war nicht sehr nett, Darling! Den Gestank bekomme ich sicher nie wieder aus den Klamotten, obwohl ich mich doch extra nur für dich so in Schale geworfen hab.“, höhnt er leicht säuerlich und steht wieder auf. „Dein Pech. Doch in Arkham hast du ja viel Zeit über verschiedene Waschmittel nachzudenken.“
 

„Du wiederholst dich, Sweetheart. Aber das macht nichts. Ich hab trotzdem meinen Spaß mir dir!“ „Nicht mehr lange, fürchte ich!“, droht Bruce und tritt diesmal nach ihm. Der Bengel duckt sich allerdings unter seinem schweren Stiefel hinweg und bekommt dabei wieder sein fallengelassenes Messer zu fassen. Blitzschnell richtet er sich damit auf und zielt nun auf den Hals seines Gegners. Die Klinge würde es wahrscheinlich nicht schaffen, durch das verstärkte Material seines Anzugs zu dringen, um ihm wirklich gefährlich zu werden, dennoch reagiert Bruce so, als könnte es ihn schwer treffen. Außerdem muss sich der sichtlich kleinere Clown schon anstrengen, um so hoch überhaupt einen nennenswerten Treffer landen zu können, ohne selbst vorher getroffen zu werden. Wuchtig ergreift Batman daher heranschnellende das Handgelenk des Jüngeren, ehe die Spitze der Klinge ihn berühren kann. Grob zieht er den blass geschminkten Bengel zu sich heran und verstärkt seinen Griff so lange, bis dieser das Messer erneut fallenlassen muss.
 

Knurrend blickt Batman ihm tief in die unnatürlich roten Augen und greift auch nach seiner anderen Hand, damit der Grünhaarige nicht auf dumme Gedanken kommt. Für einen Tritt sind sie sich im Moment viel zu nahe, berühren sich ihre Körper doch schon fast völlig, weshalb sich der Rächer erst einmal auf der sicheren Seite fühlt. Trotzig erwidert der kleine Clown seinen Blick und gibt seinerseits ein herausforderndes Knurren von sich, was bei ihm allerdings eher lächerlich klingt.
 

Eine kleine Ewigkeit scheint zu vergehen, in der sich die beiden einfach nur anfunkeln, als könnten sie mit bloßen Blicken ihr Gegenüber zum Aufgeben bewegen. Für Gewöhnlich ist das eine ziemlich wirkungsvolle Technik von dem Dunklen Ritter, die bei dem durchgeknallten Clown allerdings nur noch mehr Flausen zu wecken scheint ‚Komm, Joker!‘, erklingt es auf einmal im Kopf des Grünhaarigen. ‚Lass die Einsamkeit hinter dir, über die du immer nur lachst, weil du nichts anderes kannst als lachen! So eine Gelegenheit wird sich dir so schnell ganz sicher nicht mehr bieten. Also ergreife sie!‘ Diese kleine Stimme hat definitiv recht. Also verdrängt er all seine Bedenken und nähert sich Batman zu einem Kuss!
 

Im ersten Moment ist der Schwarzhaarige so überrascht von dieser unvorhergesehenen Wendung, dass er überhaupt nicht reagieren kann. Ganz hinten in seinen Gedanken fällt ihm jedoch wieder ein, was mit den ganzen Verrückten in der Iceberg Lounge passiert war, nachdem Joker sie geküsst hatte. In Arkham hatte Batman sie nach dem Vorfall befragt und alle schienen sich in dieser Hinsicht einig zu sein. Irgendetwas im Lippenstift des Jungen hat sie ausgeknockt und dann auch noch krank gemacht, sodass sie sich fast ununterbrochen übergeben mussten, nachdem sie aus ihrem nahezu komatösen Zustand wieder aufgewacht waren. Kein Wunder also, dass der Ritter nun fürchtet, ein ähnliches Schicksal teilen zu müssen. Das Ganze jetzt ist jedoch keine flüchtige Berührung, sondern so innig und begierig, dass der Maskierte nur eins und eins zusammenzählen muss, um zu begreifen, was hier zudem gerade los ist. Als sich der Clown nun wieder von ihm trennt und ihn mit verhangenen Augen ansieht, bestätigt sich seine Vermutung doch ziemlich.
 

„Oh Darling, ich hasse dich so sehr...“, raunt der Clown in Erregung beinahe ertrunken und schmiegt sich fester gegen ihn. Seine Worte scheinen so gar nicht zu seinem Tun zu passen. Doch wie vieles Andere auch, meint Joker sicherlich genau das Gegenteil von dem, was er sagt oder interpretiert etwas Anderes in das Wort Hass hinein. Als Batman ihn nun mustert – noch immer außer Stande etwas zu tun –, fällt ihn auf, dass der Lippenstift des Grünhaarigen rot ist und nicht gelb oder blau, wie ihm die anderen Ganoven beschrieben haben. Welches Schicksal wird Batman also ereilen, wenn nicht das ihre? Den Worten und dem Blick seines Gegenübers entnimmt er in jeden Fall nichts Gutes...
 


 

4
 

Allmählich klären sich seine Gedanken aber wieder und er setzt genau in dem Moment zur Gegenwehr an, als Joker erneut versucht ihn zu küssen. Grob stößt er den Jungen von sich weg, ehe sich ihre Lippen abermals berühren können. Unsanft stolpert der kleine Clown dabei nach hinten und landet dabei hart auf seinen vier Buchstaben. „Wir sind aber ganz schön stürmisch heute, was Sweetheart?“, gluckst er dennoch sichtlich angetan. „Was soll den Mist? Hast du mich jetzt mit irgendetwas vergiftet? Spuck es schon aus?“, fordert Batman, packt ihn am Kragen und zerrt ihn grob wieder auf die Füße.
 

Gib mir Zeit

Meine Verbrechen zu begreifen
 

„Warum sollte ich so etwas tun, Honey? Das hast du nun wirklich nicht verdient. Ich will dir doch nur zeigen, wie sehr ich dich hasse, mein Großer!“, haucht der Clown deutlich erregt und versucht abermals den Abstand zwischen ihnen zu überwinden. Das lässt der Maskierte jedoch nicht zu. „Du elende kleine Schwuchtel!“ Für gewöhnlich ist es überhaupt nicht Batmans Art, so etwas zu sagen oder auch nur zu denken, steht er dem Thema doch eigentlich sehr offen gegenüber. Aber die bloße Tatsache, dass es ausgerechnet dieser durchgeknallte Bengel gewagt hat, ihm auf diese Weise nahezukommen, lassen sämtliche Sicherungen bei ihm haltlos durchbrennen. Daher stößt er den Kleineren erneut kräftig in den verstreuten Müll und nähert sich ihm dann mit geballter Faust.
 

Lass mich lieben und stehlen
 

„Schwuchtel klingt doch etwas hart, findest du nicht? Aber recht hast du schon, ich steh auf Kerle. Und ich bin sicher nicht der Erste, der dich verflucht scharf findet, Darling, also kannst du dich ruhig mal etwas gehenlassen.“, kommt es erstaunlich gelassen von dem Jungen, obwohl er angewidert das Gesicht verzieht, während er sich aus dem Müllhaufen zu erheben versucht.
 

Ich habe vor deinen Augen getanzt
 

Das reicht nun aber endgültig! Batman hat absolut keinen Nerv mehr für so etwas. Sieht nur noch rot. Gewaltsam zieht er den jungen Clown aus dem Müll heraus, drückt ihn fest gegen die Backsteinmauer und schließlich passiert es. Seine Faust schlägt zu, bevor sein Gehirn Nein sagen kann. Schlägt immer wieder zu, obwohl Joker ziemlich schnell seine Gegenwehr aufgibt. Die Schmerzen hat der Grünhaarige erwartet, auf sie war er vorbereitet, wollte sie sogar spüren, doch nicht so, nicht auf diese Weise. Er lebt schon so lange mit Schmerzen jeglicher Art, dass sie ihm fast wie alte Freunde vorkommen. Was ihn dagegen wirklich erschreckt, ist die abgrundtief kalte Abneigung in Batmans Blick. Jokers bis eben noch so vorfreudige und angenehme Gefühle beginnen sich plötzlich zu verflüchtigen. Er kann spüren, dass sie wie aufgeschreckte Vögel aus seinem Kopf auffliegen. – Oder wie Fledermäuse beim Anbruch der Nacht aus einem Kirchturm. So sehr schockiert den Grünhaarigen die kaltherzige Abneigung im Gesicht des Ritters. Doch es ändert nichts an der Tatsache dessen, was er ihm gerade gesagt hat, auch wenn es nicht wirklich Worte bedarf, immerhin versucht Joker seine Homosexualität nicht gerade zu verstecken, was Batman bisher aber wenigstens hingenommen oder ignoriert hat.
 

Wie kann ich ehrlich zu dir sein?
 

Doch ein Kuss scheint die magische Grenze zwischen ihnen zu sein, und er hat es doch tatsächlich gewagt, sie so leichtsinnig zu übertreten, und jetzt muss er mit den Konsequenzen leben. Doch das kann und will er nicht hinnehmen. Es mag vielleicht falsch gewesen sind, ihn so ungefragt zu küssen, und sich somit ihm gegenüber offen zu outen, aber das ist noch lange kein Grund, sich deswegen von ihm ins Koma prügeln zu lassen, nur weil Batmans ach so erhabener Stolz verletzt wurde. Also muss es ihm schnellstmöglich gelingen zu flüchten, ehe er dafür vielleicht nicht mehr in der Lage sein wird...
 

Willst du mir wirklich wehtun?
 

Unbarmherzig und fast wie von Sinnen schlägt der Dunkle Ritter immer wieder ungehalten auf ihn ein. Jedes Zucken des sich eigentlich nicht mehr wehrenden Clowns interpretiert er nur als einen neuen Versuch Chaos zu stiften und ihn bis an jede Grenze zu reizen. Doch er wird schon sehen, was er davon hat! Er wird ihn bis nach Arkham prügeln und dann bekommt er noch eine Extra-Abreibung für seine Frechheiten, damit er ein für alle Mal lernt, wer hier das Sagen in Gotham hat – und das ist ganz sicher keiner dieser Verrückten!
 

Willst du mich wirklich zum Weinen bringen?
 

Allmählich wird dem Grünhaarigen schwarz vor Augen, während blutige Tränen wilde Muster in seine völlig verschmierte Schminke ziehen. Ein ganz schlechtes Zeichen. Er muss schnell handeln, damit er hier noch irgendwie wegkommt. Keinesfalls will er jedoch zurück in diese Anstalt. Schwerfällig versucht er daher mit seiner Hand in seine Hosentasche zu kommen. Doch sein Körper scheint ihm nicht mehr so richtig gehorchen zu wollen. Ja, es stimmt, er steht auf Schmerzen, besonders wenn Batman sie ihn zuteilwerden lässt, doch das ist zu viel des Guten, viel zu viel. So sollten sie nicht mit einander verkehren. Es ist einfach nur falsch! Das ist nicht der Batman, den er auf so sagenhafte Weise hassen – oder womöglich doch lieben? – gelernt hat, dass es sein Herz mit gar tausend Schmetterlingen erfüllt.
 

Irgendwie schafft er es dann doch noch, in seine Tasche zu langen und den hoffentlich rettenden Gegenstand zu umklammern. Seine Sicht verschwimmt, alles scheint sich rot zu färben, doch er muss es einfach schaffen, nur noch ein kleines bisschen...
 

Kraftlos hebt er ein letztes Mal den Arm. Der Ritter scheint es gar nicht mitzubekommen, zu sehr ist er darauf fokussiert, ihn mit seiner Faust zu bearbeiten. Das ist gut. Bitte lass ihn auch weiterhin abgelenkt sein! Wenn es nur nicht so unsagbar schwer wäre, den Arm zu heben. Herr Gott noch mal! Mehrfach sackt er wieder herab, völlig taub, so wie der Rest seines Körpers.
 

Schließlich wuchtet Batman ihn noch ein letztes Mal kräftig gegen die Backsteinwand, sodass sein ohnehin schon lädierter Kopf heftig dagegen knallt und er einen Moment lang nur noch Sterne sieht. Denkt, dass er jetzt endgültig ohnmächtig werden wird und erst in Arkham wieder aufwachen könnte – eingezwängt in diese absolut nicht tröstliche Hab-mich-lieb-Jacke, in einem gepolsterten Raum ganz allein sich selbst überlassen und so vollgepumpt mit Drogen, dass er kaum weiß, wo oben oder unten ist. „Hast du jetzt endlich genug, du verrückter Spinner?“, harscht der Dunkle Ritter zähneknirschend. Und das war sein Stichwort. Das nahezu magische Wort, das ihm einen letzten Kraftschub verpasst. „Ich – ich – bin – nicht verrückt...“, bringt Joker schwerlich hervor und hustet einen Schwall Blut auf die Vorderseite von Batmans Anzug. Gleichzeitig hebt er noch einmal den Arm.
 

Diesmal gehorcht ihm sein Körper gnädiger Weise und so knallt er Bruce die tennisballgroße Rauchbombe mitten gegen die rechte Schläfe. Erschrocken taumelt der Rächer heftig hustend zurück und lässt ihn dabei fallen. Es dauert einen Augenblick, dann hat der Schwarzhaarige eine kleine Gasmaske aufgesetzt und versucht, den sich weiterhin ausbreitenden Rauch zu verlassen. Etwas schwerfällig greift er nach einer Feuerleiter in der Nähe und klettert ein paar Sprossen hinauf. Kurz darauf verzieht sich der Qual endlich, doch Joker ist verschwunden.
 

„Verdammter Mist! Das ist doch gar nicht möglich!“, knurrt Bruce in sich hinein. Doch weit kann der Clown in seinem Zustand unmöglich gekommen sein. Daher lässt er sich wieder zu Boden fallen und durchsucht die Gasse. Hier ist er allerdings nicht. Wie durch ein Wunder ist es dem Bengel gelungen zu flüchten, ohne dabei eine Spur aus Blutstropfen zu hinterlassen, was für den Ritter nahezu unerklärlich scheint. Hastig verlässt er die Sackgasse und sieht sich in der näheren Umgebung um. Der Bengel muss hier irgendwo sein, immerhin dürfte er kaum geradeaus gehen können.
 

Endlose Minuten verstreichen, ohne dass er etwas findet. Das kann doch einfach nicht wahr sein! Er war so kurz davor, ihn wieder nach Arkham zu bringen und dann das. Innerlich könnte er sich selbst dafür ohrfeigen, dass er so sehr die Beherrschung verloren hat. Hätte er nicht angefangen so blindwütig auf den Jungen einzuschlagen, wäre ihm ganz sicher nicht die Flucht gelungen. Stattdessen hätte er den durchgeknallten Clown bei der ersten sich bietenden Gelegenheit betäuben und ins Batmobil verfrachten sollen. Oh, wie konnte er nur so ausrasten, verdammt? Und wahrscheinlich ist die gute Laune des Jokers nun auch erst einmal dahin und er wird allein schon aus Rache für das soeben Erlittene so bald wie möglich wieder mordend durch Gotham ziehen! Was hat er nur angerichtet?
 

Ehe der Maskierte sich jedoch noch mehr selbst die Schuld dafür geben kann, fällt sein Blick zufällig auf etwas am nächtlichen Himmel über ihm. Ungläubig weiten sich seine Augen. Das hat ihm gerade noch gefehlt, das Bat-Signal! Irgendetwas ist also passiert, das sein Eingreifen nötig macht. Unschlüssig wendet er den Blick wieder auf die Straßen vor sich und denkt nach. „Verdammter Mist!“, knurrt er schließlich ungehalten, rennt ein paar Gassen weiter, wo er das Batmobil abgestellt hat, springt hinein und düst dann mit röhrendem Motor Richtung Polizeistation, um zu sehen, was passiert ist. Er kann nur hoffen, dass der Grünhaarige sich eine Weile zurückzieht und seine Wunden leckt, ehe er wieder etwas anstellt. Vielleicht hat der Rächer in der Zwischenzeit die Möglichkeit ihn aufzutreiben? Auf etwas Anderes wird er so bald ganz sicher nicht hoffen können...
 


 

5
 

Der kleine Clown weiß selbst nicht, wie es ihm gelungen ist, Batman zu entkommen oder auch nur einen Schritt vor den anderen zu machen. Doch er hat es geschafft, steht nun im Schatten einer kaputten Laterne an die kühle Backsteinwand gelehnt und versucht irgendwie sich auf den Beinen zu halten. Ein Glück ist die Fledermaus in die andere Richtung gegangen, um ihn zu suchen, sonst wäre es jetzt definitiv aus mit ihm. Und wer auch immer das Bat-Signal eingeschaltet hat, verdient den größten Dank des Grünhaarigen. Mit schwerem, rasselndem Atem und so dicht verschwommenem Blick, dass er eigentlich schon gar nichts mehr erkennen kann, verharrt der Junge zitternd und wartet darauf, dass das tiefe Röhren des Batmobils in der Ferne verklingt.
 

Als dem endlich so ist, setzt Joker unsicher einen Schritt vor den anderen, schwankt bedenklich und tastet sich dann ganz langsam zur Einmündung der Gasse voran. „Scheiße...“, kommt es brüchig und kaum noch verständlich hervor. Schmerzlich verzieht er dabei die blutigen Lippen. Kurz darauf stoppt er, schiebt seine geschwollene Zunge einmal ganz vorsichtig durch den Mund, findet was ihn gestört hat und spuckt den abgebrochenen Zahn dann in den verdreckten Rinnstein vor sich. Nahezu ungläubig betrachtet er den scharfkantigen Splitter und versucht sich an einem wehmütigen Lächeln, was ihm aber nicht so recht gelingen will. „Irgendetwas sagt mir, dass – Batsy vielleicht – ein kleines bisschen – sauer war...“, bringt er keuchend hervor. Unweigerlich muss er über seine eigenen Worte kichern, was eine neue Schmerzwelle durch seinen ganzen Körper zu jagen scheint. Als ihm dann auch noch bedenklich schwarz vor Augen wird, lehnt er sich nach Luft ringend gegen die Wand und verharrt dort eine kleine Ewigkeit.
 

Joker hat keine Ahnung, wie lange er so dasteht und sich zu zwingen versucht, nicht auf offener Straße ohnmächtig zu werden, doch als irgendwann ein paar Blocks weiter ein Polizeiauto mit hektisch blinkender Sirene vorbeirauscht, schlägt er die Augen wieder auf und setzt sich abermals in Bewegung. An sich ist sein Weg nicht weit, nur ein paar Straßen. Dort steht sein eigenes Auto, mit dem er sich in Sicherheit bringen kann, bevor ihn jemand entdeckt. Aber die Tatsache seines mitleiderregenden Zustandes macht es nicht gerade leichter, dorthin zu kommen. Zudem muss er tierisch aufpassen, dass ihn niemand sieht, sonst kann er sich auch gleich auf die Straße setzen und auf den nächsten Polizeiwagen warten, der ganz sicher nicht lange braucht, nicht in einer Stadt wie Gotham.
 

Unsicher wie ein gebrechlicher alter Mann, der versucht über einen vereisten Weg zu laufen, tastet sich der Clown weiter voran. Immer wieder muss er jedoch anhalten und angestrengt nach Luft schnappen. Batman mag seinen Fluchtweg vorhin anhand der fehlenden Blutspuren nicht nachvollzogen haben können, jetzt hätte er damit in keinem Fall ein Problem. Joker blutet inzwischen wie ein abgestochenes Schwein, das irgendwie der Schlachtbank entkommen ist, und fühlt sich auch genauso. Die anfänglich vereinzelten kleinen Tropfen, die er hinter sich verteilt hatte, ballten sich an seinen Haltepunkten zu sichtlichen Pützen zusammen, doch inzwischen wirkt es so, als würde er versuchen, einen undichten Schlauch unter seinem Hemd zu verstecken. Sein fröhlich buntes Oberteil ist klatschnass, ebenfalls der Großteil seiner Hose, und daher zieht er nun eine ununterbrochene Spur hinter sich her, die seinen Weg wie eine rote Fahrbahnmarkierung in zwei zittrige Teile zu teilen scheint.
 

Das ist gar nicht gut, absolut nicht. Der starke Blutverlust wird ihn sehr bald in die Knie zwingen, wenn er es nicht schafft, irgendwie schneller vorwärts zu kommen. Verschwommen versuchen seine müden Augen irgendeinen Weg zu erkennen und anhand dessen herauszufinden, wie weit es noch zu seinem Ziel ist. Doch es scheint unmöglich. Nichts, aber auch gar nichts kommt ihm mehr bekannt vor. Die Welt schwankt vor seinen unnatürlich gefärbten Seelen wie ein Hochseedampfer im Sturm. In seinem Kopf scheint kein einziger klarer Gedanke mehr vorhanden zu sein. Nur ganz leise kann er seinen Überlebenswillen in der hintersten Kammer seines Gehirns verzweifelt wimmern hören. Ihn zu hören, verdeutlich ihm erst recht, wie schlimm es wirklich gerade um ihn stehen muss, hat er ihn doch schon seit dem Tag nicht mehr so gehört, an dem ihm sein eigener Vater das zarte Kindergesicht zu dieser grausigen Fratze zerschnitten hatte und der Junge fürchtete, entweder in seinem eigenen Blut ertrinken zu müssen oder doch durch die Hand dieses schrecklichen Mannes zu sterben.
 

‚Du musst weitergehen und einen sicheren Platz finden, wo du deine Wunden lecken kannst!‘, beharrt sein Verstand. Ja, natürlich. Aber er hat noch nie im Leben ein so tödliches Bedürfnis nach Schlaf verspürt. Er wird ihn bald überkommen, wenn er sich ihm nicht freiwillig fügt. Wird ihn regelrecht niederschlagen, wie Batman nur Augenblicke zuvor.
 

Tapsig schiebt er sich um die nächste Hausecke und versucht keuchend wieder zu Atem zu kommen. Schwach wandert sein Blick dabei umher, um irgendetwas Markantes zu finden, das ihm ein bisschen Hoffnung machen kann. Plötzlich weiten sich allerdings seine bleischweren Augen etwas. ‚Da ist dein Auto! Da ist es sicher. Da kannst du dich ausruhen. Nur noch ein paar Schritte!‘, versucht ihn sein vernebelter Verstand anzutreiben. Und tatsächlich steht dort sein Lamborghini im zitternden Schein einer bedenklich schiefstehenden Laterne. Joker kann sein Glück kaum fassen. Er wird es schaffen! Oh ja, er wird seinen heißgeliebten Wagen erreichen und dann kann er sich dieser tröstlichen Schwärze für eine Weile hingeben und darauf warten, dass sein Körper sich wieder zusammenflickt.
 

Wackelig setzt der Grünhaarige einen Schritt vor den anderen und nähert sich seiner grellbunten Schutzzone langsam aber sicher. Der Wagen scheint richtiggehend im Dunkeln zu leuchten, so grell ist er lackiert. Daher gleicht es einem Wunder, das ihn bisher keiner gefunden zu haben scheint. Wäre dem so, würde Joker es unzweifelhaft daran erkennen, dass die Leiche des unglücklichen Idioten neben dem Lamborghini liegen würde. Das Fahrzeug des Jokers ist nämlich nicht nur unglaublich auffällig, sondern auch mindestens genauso wehrhaft. Man könnte meinen, es handle sich um eine neonbunte Version des Batmobils, und im Grunde ist es auch nicht viel anders. Der Wagen ist so dermaßen vollgepumpt mit Schickschnack, dass sicher selbst der Dunkle Ritter anerkennende Worte dafür finden würde. Ist aber auch kein Wunder, Joker wohnt ja zur Zeit auch in diesen feuchten Männertraum auf vier Rädern, und da braucht es halt allerhand Extras, ganz zu schweigen für den Fall einer Verfolgungsjagd mit dem Rächer.
 

Also keine Leichen hier, sehr gut. Wäre schlimm, wenn er in seinem Zustand jetzt auch noch über so einen Trottel steigen müsste. Dennoch sollte der kleine Clown selbst vorsichtig sein und keinesfalls leichtsinnig die Karosserie berühren. In seinem mitgenommenen Zustand würde ihm das augenblicklich für immer alle Lichter auspusten! Also schön konzentrieren und nur die einzig sichere Stelle berühren. Zitternd streckt Joker die Finger nach der Fahrertür aus. Doch er erreicht sie nicht. Knapp einen Meter vor seiner sicheren Zuflucht schlägt ihn der allumfassende Schlaf brutal nieder. Besinnungslos bricht der junge Clown mit einem schmerzlichen letzten Stöhnen, das fast so leise ist, dass es wie ein Seufzen klingt, der Länge nach auf dem rissigen, mit Abfall übersäten Beton der Gasse zusammen, während sich eine erschreckend große Blutlache unaufhörlich unter ihm ausbreitet und sein Bewusstsein immer tiefer in der Dunkelheit dieser Nacht verschwindet...

Inner conflict


 

1
 

Gewissenhaft huschen seine grünen Augen hinter der violett verglasten Brille von einer Seite zur anderen, entdecken niemanden, um den sie sich Sorgen machen müssten, und dann tritt Edward Nigma aus dem Schatten auf die Straße. Mit schnellen Schritten setzt er seinen Weg fort. Der Rätselmeister will jetzt nur noch nach Hause, eine beruhigende Tasse Tee trinken und die Nacht dann endlich ausklingen lassen. Die Verhandlungen mit Oswald waren schwierig, doch der Rätselmeister konnte sich letztendlich doch durchsetzen, was seine Arbeit in den Narrows dank Pinguins Kontakten ein gutes Stück vorantreiben wird. Bis zum Sonnenaufgang sind es nur noch zwei Stunden, weshalb die Müdigkeit mittlerweile doch ziemlich an ihm zerrt. Seine Schusswunde ist inzwischen völlig verheilt, dennoch wird ihn wohl für den Rest seiner Tage eine kleine, fast kreisrunde Narbe daran erinnern, was bei diesem ersten alljährlichen Treffen der Super-Schurken passiert ist. Allerdings ist das beinahe schon nebensächlich, da ihm das ungeplante Aufeinandertreffen mit dem Joker weit mehr im Gedächtnis geblieben ist. Ungewollt gleitet ein unangenehmer Schauer seinen Rücken hinab, und wie aufs Stichwort juckt es tief unter der vernarbten Haut seiner Schussverletzung. Schon Shakespeare sagte: Ein Mann, der lächelt, immer nur lächelt, kann trotzdem ein Schurke sein, und Joker ist wohl der beste Beweis dafür, auch wenn sich Ed sicher ist, dass der Dramatiker ganz sicher nicht die Art von Lächeln gemeint hat, das der Grünhaarige mit sich herumträgt. Mit einem unterdrückten Knurren verdrängt er die Erinnerungen an den durchgeknallten Clown und läuft einfach stur weiter.
 

Um sich abzulenken geht er in der Zwischenzeit gedanklich alles durch, was morgen Nacht ansteht. Sein Projekt in den Narrows nimmt immer mehr Form an und das ist gut. Allerdings hält es ihn auch ständig bis zur völligen Erschöpfung auf den Beinen, weil es sehr viel zu Planen, Koordinieren, Organisieren und Überwachen gibt. Wer hätte gedacht, dass hinter so etwas so viel Arbeit steckt, obwohl er gar nicht selbst Hand anlegen muss? Tja, nun weiß er es, aber es macht ihm nichts aus. Denken ist schließlich schon immer sein größtes Können gewesen, Planen ebenfalls. Es ist nur ein merkwürdiges Gefühl, seinen Kopf nicht für Rätsel oder verzwickte Fallen zu benutzen, die Batman in die Verzweiflung treiben sollen. Aber Denken bleibt dennoch Denken, und seinen Horizont mit neuen Herausforderungen und Richtungen zu erweitern, kann bekanntlich nie schaden. Rätsel werden ihn dennoch wohl immer bis ans Ende seines Lebens begleiten, dass lässt sich bei seinem geistigen Zustand gar nicht anders machen. Es behindert seine Arbeit jedoch nicht und das ist die Hauptsache. Außerdem verlassen sich die Leute darauf, dass er die bestmöglichen Entscheidungen trifft, und diese ihm auferlegte Verantwortung nimmt er, wie alles, was er anfängt und tut, sehr ernst.
 

Und wer hätte schon gedacht, dass es ein so schönes, erfüllendes Gefühl ist, zu wissen, dass man gebraucht wird? Wirklich gebraucht! Seit sein Leben unweigerlich auf die schiefe Bahn geraten ist, hatte er so ein Gefühl nicht mehr, und auch vorher war es nie so unglaublich einnehmend und intensiv. Trotzdem gefällt es ihm. Als Mann ist es immer schön, wenn man eine richtige Aufgabe hat, bei der man sehen kann, wie langsam, aber sicher Früchte wachsen und man erkennen kann, dass man sie noch zu Lebzeiten ernten können wird. Dieses Gefühl hatte er in all der Zeit mit Batman nicht wirklich. Da es ihm nie danach trachtete, den Dunklen Ritter umzubringen, wie es all seine Kollegen unzweifelhaft vorhaben, gab es eigentlich auch kein wirkliches Ziel, das er verfolgen konnte. Ihm war stets nur daran gelegen, in Batman einen geistigen Rivalen zu finden, und diese Tatsache hat sich schon nach wenigen Auseinandersetzungen mit dem Maskierten mehr als bestätigt. Dennoch machte es ihm lange spaß, den anderen in die Verzweiflung zu treiben und zu sehen, wie auch er daran begann zu waschen. Dieser Spaß füllte ihn aber leider nicht so sehr aus, wie er gehofft hatte, erst recht, da der Rächer von Mal zu Mal weniger Geduld zu haben schien. Und so begann Ed sich zu fragen, welchen Sinn das Ganze denn dann noch hat, wenn er sich mühevoll die schwierigsten Rätsel für ihn einfallen lässt und Batman nichts anderes zu tun hat, als ihm schon gleich zur Begrüßung Prügel anzudrohen und so jeglichen Spaß im Keim zu ersticken.
 

Inzwischen ist er daher unweigerlich zu dem Schluss gekommen, dass er Gotham also lange genug mit seinen Rätseln in Atem gehalten hat und Batman Dank der anderen Schurken auch gar nicht mehr wirklich die Zeit hat, in eine seiner sorgfältig ausgetüftelten Fallen zu tappen, was ihn schließlich in die Narrows trieb, wo er nun einer viel erfüllenderen Aufgabe nachgehen kann. Wo Menschen ihn brauchen, ihn sogar mögen – regelrecht verehren –, dieselbe Abneigung gegen den Dunklen Rächer empfinden, wie er selbst, und denen es vollkommen egal ist, was er vorher getan hat, da sie selbst nicht besser sind – die meisten von ihnen sogar sehr viel schlimmere Dinge getan haben, die Edward einen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagen, wenn er nur daran denkt. Doch über so etwas steht er drüber, kümmert sich nicht um die Vergangenheit, sondern betrachtet nur die Zukunft, die er sich hier aufbauen und die das Leben all dieser armen Menschen hoffentlich retten und zum Besseren verändern wird. Der Brünette ahnt allerdings noch nicht, dass er heute Nacht ebenfalls noch auf jemanden trifft, der dringend auf seine Hilfe angewiesen ist und der sein haarklein durchgeplantes Leben gleichzeitig völlig auf den Kopf stellen wird...
 


 

2
 

Mittlerweile hat Edward sogar sein kleines Notizbuch hervorgeholt und schreibt all seine Gedanken sorgfältig nieder. Er ist so vertieft in seine Planungen, dass er gar nicht mehr auf seinen Weg achtet. Das ist ein Problem, dem er ziemlich häufig erliegt. Er steigert sich so sehr in sein Denken hinein, dass alles andere schlichtweg um ihn herum verschwindet. Leise vor sich hinmurmelnd merkt er so gar nicht, dass er an der falschen Kreuzung abbiegt und sich somit immer weiter von seinem Auto entfernt. Daher kommt es, wie es kommen muss und er kann eine schmerzhafte Kollision mit einer Laterne nur deswegen entgehen, weil zuerst sein Notizbuch gegen den Mast knallt. Überrascht zuckt er zusammen, blinzelt überfordert und tritt dann zwei Schritte zurück, um festzustellen, mit was er da beinahe zusammengestoßen wäre. Ungläubig betrachtet er die Laterne, die daraufhin in ein gereiztes Flackern zu verfallen scheint, als wolle sie ihn für seine Unaufmerksamkeit auch noch rügen.
 

Mit wenig Hoffnung blickt er dann an dem Mast vorbei auf das nahestehende Straßenschild. Irritiert hebt sich seine Augenbraue und er stößt ein erschöpftes Seufzen aus. „Na, ganz klasse...“, lässt er verlauten, wenn er daran denkt, dass er jetzt acht Blocks zurücklaufen muss, um seinen Wagen zu erreichen. ‚Das hast du ja mal wieder super gemacht, du Genie! So kommen wir ja nie nach Hause...‘, erklingt plötzlich auch noch die genervte Stimme des Riddlers in seinem Kopf. Ed ist allerdings im Moment so gar nicht danach, sich mit seiner schlechten Hälfte anzulegen, weshalb er deren Worte einfach ignoriert. Mit einem weiteren Seufzen wendet er sich herum und steckt sein Notizbuch wieder weg, damit er nicht erneut abgelenkt wird. Stur setzt er anschließend zu seinem Rückweg an. Da er sich jetzt wieder völlig auf seinen Weg konzentriert, lässt er unweigerlich abermals den Blick nach allen Seiten wandern, um einer möglichen Gefahr so schnell wie möglich entgehen zu können. Was seine Augen im ersten Moment allerdings entdecken, wirkt nicht sonderlich gefährlich, dafür aber nicht minder erschreckend.
 

Hecktisch sieht sich Nigma noch einmal nach allen Seiten um und betritt dann ganz vorsichtig die Gasse, die seine Aufmerksamkeit geweckt hat. Der rissige Beton unter seinen Füßen scheint regelrecht von Blut überschwemmt zu sein, weshalb er sich augenblicklich die Hände vor den Mund schlägt und ein Würgen zu unterdrücken versucht. Beim Anblick von Blut wird ihm grundsätzlich speiübel, solange es nicht sein eigenes ist. Schwankend tritt er daher ein paar Schritte zurück und lehnt sich an die herrlich kühle Backsteinwand in der Nähe. Hartnäckig versucht er dabei seinen Magen davon zu überzeugen, dass er sich jetzt doch bitte nicht überschlägt. Sehr angestrengt schluckt er, kann die Augen aber nicht von dem abwenden, was sich vor ihm befindet: der Joker!
 

Heftig spürt er, wie die Welt vor ihm deutlich zu schwanken beginnt. So unglaublich viel Blut! All seine Bemühungen, sich nicht zu übergeben, helfen zwar irgendwie, dafür werden ihm nun aber die Knie weich. Langsam beginnt er an der Wand herab zu rutschen, verdreht unwillkürlich die Augen und verliert jegliche Kontrolle über seinen Körper. ‚Wag es ja nicht!‘, hört er den Riddler noch aufgebracht in seinen Gedanken aufschreien, dann wird er ohnmächtig.
 

Die Glückseligkeit der allumfassenden Schwärze um sich herum, hält jedoch nicht lange an, dann jagt ein stechender Schmerz durch seinen pochenden Schädel. ‚Wach sofort wieder auf, du verdammter Vollidiot! Oder willst du, dass Batman um die Ecke geschneit kommt und dich wieder zurück nach Arkham bringt? Dir auch noch ordentlich die Fresse poliert, weil du neulich ausgebrochen bist und dabei das Sicherheitssystem der Anstalt lahmgelegt hast, sodass es jetzt immer noch nicht wieder richtig funktioniert?‘, harscht seine schlechtere Hälft so nachdrücklich in seinen Gedanken, als würde jemand Ed die geballte Faust gegen den Kopf schlagen. Stöhnend und erschrocken reißt er daher die Augen auf und kommt ruckartig wieder zu sich. Sein erster Blick fällt jedoch abermals auf den Joker, was ihn hilflos wimmern lässt.
 

Es besteht gar kein Zweifel, dass all das Blut zu dem kleinen Clown gehört. Doch was, in aller Welt, ist ihm nur passiert? Wer konnte ihn so zurichten? Beim besten Willen fällt Ed niemand ein, der dafür infrage kommen könnte, erst recht nicht nachdem, was der Grünhaarige alles in der Iceberg Lounge angerichtet hatte. Wie spielend leicht es ihm sogar gelungen war, selbst Bane und Killer Croc auszuknocken, als wären die beiden keine muskelbepackten Riesen. Von daher muss der Kampf, den der Bengel durchlebt hat, sehr heftig gewesen sein. Der Brünette will sich das gar nicht weiter vorstellen, doch sein Blick klebt förmlich an dem schwer zugerichteten Körper des Kleineren.
 

„Um Gottes willen...“, bringt Edward nun wieder würgend hervor und versucht sich irgendwie zu beruhigen, um nicht abermals ohnmächtig zu werden. Zumindest in diesem Fall kann er seiner schlechteren Hälft ausnahmsweise einmal zustimmen. Er sollte hier also lieber verschwinden, und zwar schnell! Nein, halt! Das ist doch gar nicht sein eigener Gedanke, sondern der des Riddlers. Diese überaus lästige Zecke versucht seinen angeschlagenen Zustand auszunutzen und schon wieder die Kontrolle zu übernehmen! Für gewöhnlich würde Ed ebenfalls den Gedanken an Flucht hegen, schon allein aus dem Grund, dass der Typ, der den Joker so zugerichtet hat, hier vielleicht noch irgendwo in der Nähe sein könnte, von Batman ganz zu schweigen. Aber wenn der Rätselmeister jetzt geht, könnte der junge Clown seinen Verletzungen erliegen und das würde unsagbares Chaos in der ganzen Stadt entfachen. Der Bengel hat – sehr wahrscheinlich ungewollt – unglaublich viele Anhänger in Gotham, die seinem zerstörerischen Treiben nacheifern und ihn so nur noch mehr anstacheln, da kann er noch so oft behaupten, dass alles nur ein Missgeschick war. Wenn der Grünhaarige also stirbt, sähen sich seine Anhänger dazu angestiftet, seinen Platz einzunehmen und die ganze Stadt in Schutt und Asche zu legen. Das darf auf keinen Fall passieren!
 

Daher bleibt ihm nur eine Möglichkeit, das zu verhindern. ‚Er könnte sterben, wenn er nicht schnell Hilfe bekommt...‘, denkt Edward. Er fühlt sich erstaunt und zugleich irgendwie dumm bei diesem Gedanken. Er denkt selbstverständlich an professionelle Hilfe, daher die gegensätzlichen Gefühle. Er denkt völlig naiv – was sonst gar nicht seine Art ist – an Männer aus Arztserien im Fernsehen, die grüne Notarztkittel tragen, und Sachen sagen wie: Zehn Kubik Ephedrin, Schwester, schnell! Aber solche Männer sind nicht hier und sie werden auch nicht kommen, nicht für den Joker. Selbst wenn Ed einen anonymen Anruf, wie der Clown neulich in der Iceberg Lounge, machen würde, würde es dem Grünhaarigen nicht helfen. Und wenn tatsächlich jemand kommt, dann werden sie ihm nur Hilfe in Form einer Todesspritze verabreichen, um diesen alles vergiftenden Tumor endgültig von ihrer leidgeplagten Stadt loszulösen, halten ihn doch praktisch alle – abgesehen von den anderen Schurken vielleicht – für den ultimativen Verbrecher, der diese Stadt und deren Dunklen Ritter letztendlich in die Knie zwingen wird.
 

Und so ist Ed wohl oder übel also ganz auf sich allein gestellt. Der Erste-Hilfe-Kurs, den er damals zur Fahrprüfung machen musste, scheint tausend Jahre zurückzuliegen und dass, obwohl er ihn regelmäßig hat auffrischen lassen, bis er anfing sich mit der Fledermaus anzulegen. Dennoch ist Nigma zuversichtlich. Das kommt auch daher, dass er sich seit dieser Zeit ziemlich weitergebildet hat. Gewisslich ist er kein Arzt, absolut nicht, aber seine Kenntnisse reichen inzwischen weit über ein normales Maß hinaus, auch wenn ihm beim Anblick von so viel Blut haltlos schlecht wird...
 


 

3
 

Ein kluger Kopf sagte einst: Der perfekte Schizophrene – wenn es so jemanden überhaupt gibt – wäre ein Mann (oder eine Frau), der sich seiner anderen Persönlichkeit(en) nicht nur nicht bewusst ist, sondern der darüber hinaus überhaupt nicht merkt, dass etwas in seinem Leben nicht stimmt. So jemand ist Edward Nigma nun wirklich nicht, denn er ist sich der Anwesenheit des Riddlers in seinem Geist mehr als bewusst, und lässt ihn auch oft die Führung übernehmen, da dieser Teil seiner Persönlichkeit um einiges direkter und insbesondere auch streitlustiger ist, und in ausweglosen Situationen stets einen kühleren Kopf bewahren kann. Edward glaubt jedoch, dass in jedem Mann ein zweiter Mann steckt. Ein Fremder, ein hinterhältiger Kerl, und bei ihm ist das halt der Riddler. Weshalb sich Ed oft mit ihm auseinandersetzen muss, ohne es zu wollen, da Riddler stets seinen Willen ihm gegenüber durchdrücken muss. So auch jetzt.
 

‚Lass ihn doch einfach verrecken, dann haben wir beide etwas davon, und der Rest dieser miserablen Stadt wird Edward Nigma endlich als ihren rechtmäßigen Herrscher anerkennen! Anders bringst du es doch sowieso zu nichts, du elender Schwächling!‘, tönt die Stimme des Riddlers gehässig in seinem pochenden Kopf und Ed schreckt heftig zusammen, als wäre er unvermittelt geschlagen worden. Die Stimme ist so kalt und unbarmherzig, dass es dem Brünetten einen überaus unangenehmen Schauer über den Rücken jagt. Wie, nur wie kann er, der von Natur aus sehr friedfertig, ruhig und ausgeglichen ist, nur eine so eiskalte und nahezu beängstigende Stimme in seinem Verstand beherbergen? Ein Rätsel, dessen Antwort ihn unzweifelhaft genauso verrückt machen könnte, wie es der bemitleidenswerte Clown vor ihm schon lange zu sein scheint.
 

‚Wenn ich ihm nicht helfe, wird die ganze Stadt im Chaos versinken, ist dir das denn nicht klar?‘, harscht er den Riddler gedanklich an. Im Gegensatz zu Two Face, der seine schizophrenen Selbstgespräche laut und offen heraus mit sich führt, spricht Ed stets nur im Gedanken mit seiner schlechteren Hälfte. Das rührt auch daher, dass er Riddler zwar in seinem Kopf beherbergt, sie aber nicht wie bei Harvey gleichberechtigt sind. An die Oberfläche und somit die Kontrolle über den Körper haben, kann immer nur einer von ihnen. Bei Two Face ist es genau umgekehrt. Seine beiden Persönlichkeiten sind gleichzeitig an der Oberfläche, weshalb sie auch laut miteinander sprechen und sich dabei abwechseln, als wären sie tatsächlich zwei wirklich existierende Personen, die nur durch einen dummen Unfall dazu verdammt sind, sich einen gemeinsamen Körper teilen zu müssen. Edward lässt seine schlechtere Hälfte allerdings nur sehr ungern nach vorn kommen, zumeist nur, wenn er nicht mehr weiterweiß. Das Positive am Riddler ist nämlich, dass er sowohl eine große Klappe hat als auch schrecklich feige ist. Somit garantiert er Ed in jedem Fall die Flucht.
 

Meistens zumindest... Dass er ihn allerdings in der Iceberg Lounge praktisch völlig seinem Schicksal überlassen hat, kann er ihm so gar nicht verzeihen, weshalb er umso mehr angefressen ist, dass sich der Riddler jetzt wieder meldet. Für gewöhnlich platzt er ständig dazwischen, wenn ihm etwas nicht passt – und das scheint förmlich bei so gut wie allem zu sein, was Ed macht – und versucht alles an sich zu reißen. Und obwohl Riddler gefühlt noch mehr angst vor der Fledermaus als Edward selbst hat, lässt er es sich dennoch nicht nehmen, Batman stets bis zum Äußersten reizen zu wollen. Wahrscheinlich nur, um sein aufgeblähtes Ego zu streicheln und somit eine Flucht nicht als etwas Feiges darstellen zu müssen, was es eigentlich doch ist, wie Nigma findet – auch wenn er sehr froh ist, mit heiler Haut davonzukommen. Ist immerhin schon ziemlich mies, wenn man das ausbaden muss, was einem ein anderer aufgehalst hat...
 

Nun allerdings will der Brünette so gar nicht flüchten, also muss er die Stimme in seinem Kopf dringend zum Schweigen bringen, ehe es Riddler gelingt, ihn gedanklich zu überwältigen und selbst die Führung zu übernehmen. Das ist jedoch leichter gesagt als getan und Nigma weiß nie so ganz, wie es ihm letztendlich gelingt, doch Herr über sein Selbst zu bleiben. Sollte Ed allerdings abermals ohnmächtig werden, wäre das in jedem Fall die beste Möglichkeit, ihn auszutricksen und den Brünetten somit in den Hintergrund zu drängen. Also tief durchatmen und keine Schwäche mehr zulassen!
 

‚So ein Blödsinn! Chaos bricht in dieser verfluchten Stadt so oder so aus. Da ist es völlig schnuppe, ob dieser dämliche Bengel krepiert oder nicht! Es wäre allerdings sehr unvorteilhaft, wenn du dich da mit reinziehen lassen würdest, also verschwinde schleunigst von hier!‘, hält Riddler weiterhin dagegen. ‚Warum musst du immer so egoistisch sein?‘, will Nigma wissen. Inzwischen ist er so in das Gespräch mit seiner schlechteren Hälfte vertieft, dass sich seine Übelkeit fürs Erste gelegt hat. Nun starrt er nur noch verloren auf den reglosen Körper des Jungen, während er seine gedankliche Diskussion führt.
 

‚Hallo? Was soll denn diese dumme Frage? Wäre ich nicht egoistisch, hättest du schon lange ins Gras gebissen, Freundchen! Also beweg endlich mal deinen dürren Arsch, bevor ich richtig sauer werde! Oder hast du etwa vergessen, dass du nur wegen diesem gehirnamputierten Clown angeschossen wurdest? Fandest du das etwa so toll, dass du es noch einmal haben willst? Hat es dich vielleicht sogar geil gemacht, wie diese fette alte Wachtel ohne jegliche Art von Betäubung, von schwesterlicher Fürsorge oder auch nur Vorsicht mal ganz zu schweigen, dir eine Patrone entfernen wollte, die gar nicht da war, weil es ein verfluchter Durchschuss war und sie das erst nach einer gefühlten halben Stunde mitbekommen hat, obwohl du sie mehrfach darauf aufmerksam gemacht hast? Hat es dir das Höschen feucht gemacht, dass deine Schreie durch die ganze verdammte Anstalt gehallt sind, als hätte man dir ein Stromkabel an die verfluchten Eier gehalten und die anderen Insassen ausgelassen im Chor mitgesungen haben, wie ein paar notgeiler Katzen?‘
 

Ed mag ihm überhaupt nicht zuhören. Wo hat dieser Kerl nur seine schreckliche Ausdrucksweise her? Er selbst würde nie im Leben auch nur ansatzweise auf die Idee kommen, solche Sachen von sich zu geben, egal wie wütend er vielleicht auch sein mag. Wenn Edward das Wort Scheiße in den Mund nimmt, was eigentlich nie vorkommt, ist das praktisch schon das Höchste der Gefühle und der äußerste Ausdruck seines Zorns.
 

‚Nein, das will ich natürlich nicht noch einmal haben...‘, gibt er mit angewidert verzogenem Gesicht kleinlaut zurück. ‚Siehst du? Ich nämlich auch nicht, also los! Der Wagen steht nur ein paar Blocks von hier und du kannst noch vor Sonnenaufgang zu Hause sein, ohne dass dich einer sieht. Die Cops werden sich um den Bengel kümmern und dann bist du ihn ein für alle Mal los und kannst endlich mal etwas Vernünftiges machen, statt den guten Samariter in diesem Scheiß-Bezirk zu spielen.‘ ‚Aber...‘, setzt Ed wenig hoffnungsvoll an. ‚Nichts aber! Kannst du denn nich einmal auf das hören, was man dir sagt? Würde deine Mutter noch leben, würde sie dich jetzt übers Knie legen und dir solche Frechheiten aber mal so richtig austreiben!‘, höhnt der Riddler selbstgefällig.
 

Unweigerlich zuckt der Brünette zusammen. Seine Mutter war eine strenge Frau, das stimmt. Aber sie hat nie die Hand gegen ihn erhoben, nicht einmal wenn sie sturzbetrunken war, was praktisch täglich der Fall war, nachdem Eds Vater mit seiner jungen Geliebten abgehauen ist. Und dennoch fühlt sich der Rätselmeister jetzt so, als hätte er schon eine Ohrfeige bekommen. Schuldbewusst senkt er den Blick und weiß nichts mehr mit sich anzufangen. Darauf hat Riddler sicher nur gewartet. In diesem Zustand ist Ed so beeinflussbar wie ein kleines Kind und seine schlechtere Hälfte kann dann ungehindert die Führung übernehmen. Er kann förmlich spüren, wie sich diese Zecke durch seine Hirnwindungen immer weiter vorarbeitet, um in sein Bewusstsein eindringen zu können.
 

Nigma will sich damit aber nicht abfinden. Zu oft hat ihn Riddler schon in die Scheiße geritten, weil er irgendwelche wahnwitzigen Ideen hatte, denen Ed widerstandslos zustimmen musste, bis er unbewusst einen Weg fand, ihn zurückzudrängen. Es darf nicht wieder so weit kommen! Edward ist nicht auf die schiefe Bahn geraten, um sich ungehindert weiter herumschupsen zu lassen, wie es praktisch sein ganzes vorheriges Leben der Fall war. Er war immer ein sehr sensibles und schwächliches Kind gewesen, und nachdem seine Mutter mit dem Trinken angefangen hatte, hat sie stets über dieses Verhalten den Kopf geschüttelt und gemeint, er solle gefälligst die Zähne zusammenbeißen und ein Mann sein. Diese Worte haben ihm damals nie sonderlich viel geholfen, doch der Gedanke an seine Mutter wird auf einmal allumfassend, obwohl er seit ihrem Tod vor sieben Jahren praktisch nicht mehr an sie gedacht hat. Beinahe verzweifelt versucht er sich daher auf sie zu konzentrieren.
 

Plötzlich flammt die Stimme dieser verhasst-geliebten Frau in seinem überforderten Kopf auf und verdrängt dabei gnädiger Weise und wie durch ein Wunder die fiese Stimme des Riddlers in ihm. ‚Gib deine Angst nicht auf, mein Junge, aber ergib dich ihr auch nicht. Sitz einfach still und versuche, ihr mit Vernunft beizukommen.‘ Oh, Gott allein weiß, wie oft er das schon versucht und es doch nie funktioniert hat. Doch diesmal ist es anders. Diesmal ist es nicht Batman, der ihm Prügel androht, und allein schon von der Vorstellung sein Herz stehenbleiben möchte. Nein, diesmal ist es der Joker und er braucht seine Hilfe. Warum genau er ihm so dringend helfen will, weiß er allerdings selbst nicht so richtig.
 

Klar ist er davon überzeugt, dass beim Tod des durchgeknallten Clowns tatsächlich das völlige Chaos in Gotham ausbrechen wird, weil ein jeder dessen Position als Prinz und vermutlich zukünftiger Alleinherrscher in dieser schäbigen Stadt einnehmen will, doch warum sollte ihn das letztendlich kümmern? Schließlich ist er selbst ein Krimineller, der sich gern an der Spitze von alledem sehen würde – eigentlich nicht, eher ist es der Riddler in ihm, der Herrscher sein will – und würde im Chaos sicher nur Positives für sich finden. Aber dennoch ist dieser Zwang in ihm da und überwiegt seine Furcht sogar, was bedeutet, dass er seine Angst – zumindest für den Moment – tatsächlich unter Kontrolle hat und die Worte seiner Mutter – Gott sei dieser versoffenen und gefühllosen Hure gnädig – wirklich geholfen haben – vielleicht, weil sie noch aus einer Zeit stammen, als Ed noch klein und sie noch nicht ihrem Dauergeliebten dem Alkohol verfallen war, für den sie nicht nur ihren Körper sondern auch ihre Seele verkauft hatte, und Edward letztendlich gezwungen war, bei seiner Tante aufzuwachsen, die allerdings auch nicht viel mehr für ihn übrighatte...
 

Dennoch beschwingt es sein Denken regelrecht. Erst recht, weil er seinen Kopf nun endlich wieder sein Eigen nennen darf. Oh, wie herrlich diese Friedlichkeit der eigenen Gedanken doch sein kann! Seufzend frönt er einen Augenblick der Stille in seinem pochenden Schädel, dann drückt er sich langsam von der Wand ab und tritt näher an den Clown heran. Nur allzu deutlich spürt er, wie ihn die Übelkeit dabei erneut zu überwältigen versucht. Oh, all das viele Blut! Man kann gar nicht hinsehen oder begreifen, wie so ein kleiner Körper nur so sehr bluten kann. Doch er muss! Und so nimmt er seinen neugewonnenen Mut zusammen und dreht den reglosen Clown dann ganz vorsichtig auf den Rücken herum. Und schon ist die zarte Knospe seines Mutes wieder dahin...
 


 

4
 

Mit fest auf den Mund gepresster Hand lässt Edward den Blick über Jokers Vorderseite wandern. Durch die Tatsache, dass er in seinem eigenen Blut gelegen hat, gibt es dort kaum eine Stelle, die nicht rotgefärbt ist. Sichtlich blass um die Nase versucht der Rätselmeister dennoch standhaft zu bleiben und sich den Schaden so genau wie möglich anzusehen. Der Junge ist übersäht mit Schnittwunden, Prellungen, Kratzern, wirkt, als wäre ein Raubtier über ihn hergefallen. Seine Nase ist stark zur linken Seite geneigt, was wohl bedeutet, dass sie gebrochen sein muss. Seine Augen sind dick zugeschwollen und schillern unter dem verschmierten Make-up deutlich purpurn. Seine Sachen sind löchrig, regelrecht zerfetzt und an den Stellen, an denen das Blut schon trocknen konnte, sind sie braun verfärbt und steif vor Dreck. Zudem trug der Bengel wohl Ohrstecker, allerdings ist jetzt nur noch einer davon da, während ihm der andere grob weggerissen worden sein muss, ist das zarte Läppchen doch in zwei Teile geteilt, wo einst der Schmuck gesteckt hat. Und das sind nur die Dinge, die der Brünette auf den ersten Blick feststellen kann. Vielleicht hat der Junge sogar innere Verletzungen, was die beachtliche Menge Blut besser erklären würde...
 

Ganz langsam nimmt Nigma die Hand vom Mund und versucht dabei den regelrecht erstickenden Blutgestank in der Gasse zu verdrängen. Er atmet so flach wie möglich durch den Mund, und das hilft immerhin etwas. Leicht zittrig legt er dann zwei Finger an Jokers Hals und tastet nach dessen Puls. Für einen Moment glaubt der Rätselmeister schon, dass er zu spät gekommen ist und somit die furchtbare Diskussion mit dem Riddler völlig umsonst gewesen war. Dann zieht er jedoch die dünnen Stoffhandschuhe aus, die er immer trägt, und versucht es noch einmal. Nun wummert endlich ganz schwach die große Schlagader unter seinen Fingerspitzen und er stößt mit einer seltsamen Erleichterung die angehaltene Luft aus. „Stirb mir bloß nicht weg, du armer Irrer!“, bringt er seufzend hervor und ist dabei vom mitgenommenen Klang seiner eigenen Stimme nicht sonderlich überrascht.
 

Okay, jetzt sollte es schnell gehen, solange noch Hoffnung besteht. Als Ed den Kopf hebt, um sich kurz umzusehen, fällt sein Blick unweigerlich auf das Auto unmittelbar vor ihnen. Es wäre auch schlichtweg unmöglich gewesen, diesen Wagen nicht zu sehen. Selbst in völliger Dunkelheit muss das Ding richtiggehend glühen, so neongrell ist es lackiert. Unzweifelhaft muss es sich dabei um Jokers Wagen handeln, das zeigt ihm allein schon das breite Clownsgrinsen auf der Motorhaube und der Schriftzug HA HA HA, der sich von der Tür bis zum hinteren Radkasten erstreckt. Der Lamborghini, als den Nigma ihn erkennen kann, ist so bunt, dass einem davon die Augen schmerzen – bei Tageslicht kann man den Wagen sicher überhaupt nicht anschauen, ohne blind zu werden. Die Farben sind Grün, Blau, Lila und Pink, alle regelrecht aggressiv neongrell, aber dennoch ansprechend über die gesamte Fläche des Wagens verteilt. Die Fenster sind allerdings völlig schwarz getönt, selbst die Windschutzscheibe. Die Karosse des Sportwagens ist zudem so tiefergelegt, dass es wahrscheinlich nicht einmal ein Hamster schaffen würde, drunter zu kriechen, ohne sich den Schädel anzuschlagen. Kurz gesagt, der Lamborghini sieht aus wie der zum Leben erwachte Traum eines Rennwagen begeisterten Kleinkindes.
 

Leicht verstimmt betrachtet Edward noch einen Moment den Wagen, dann seufzt er wieder. Es hat doch keinen Sinn. Er traut es sich zwar zu, Joker bis zu seinem eigenen Auto zu tragen – der Bengel ist so klein und schlank, dass er tropfnass vermutlich gerade einmal fünfzig Kilo auf die Waage bringt –, doch das würde bedeuten, dass er ihn ziemlich viel bewegen müsste, was keinesfalls förderlich sein kann, sollte er wirklich innere Verletzungen haben. Von daher wäre es logischer, mit dem Wagen des Clowns zu fahren. Er wird ihn einfach auf den runtergeklappten Beifahrersitz ziehen und dann nach Hause düsen, um sich um seine Wunden zu kümmern. Hier draußen auf offener Straße und ohne jegliche Hilfsmittel, könnte er eh nicht viel ausrichten, und irgendwie bezweifelt er schon, dass Joker einen Verbandskasten oder auch nur ein Warndreieck in diesem übergroßen Kinderspielzeug eines Sportwagens liegen hat. In seinem Bel Air gibt es so etwas, doch es würde zu lange dauern, hinzulaufen und es zu holen.
 

Zielstrebig durchsucht er daher nun die Hosentaschen des Grünhaarigen, in der Hoffnung, den Schlüssel zu finden. Leider vergebens. Vielleicht hat er ihn ja im Kampf verloren? Halb so wild. Ed weiß ziemlich gut, wie man sich dennoch Zugang zu einem Fahrzeug verschafft und es notfalls kurzschließt, auch wenn er es noch nie tun musste. Als er aufsteht, um das Türschloss zu knacken, fällt ihm allerdings auf, dass es gar keins gibt! Er braucht einen Moment, dann erkennt er, dass auf dem Griff eine kleine Schaltfläche zu erkennen ist. Der Wagen wird doch tatsächlich per Fingerabdruck geöffnet! Nigma gibt ein respektvolles Pfeifen von sich. So etwas hätte er dem kleinen Clown nun wirklich nicht zugetraut. Vermutlich lässt sich so sicher auch der Motor starten? Doch das wird er gleich feststellen können.
 

Vorsichtig zieht er den bewusstlosen Bengel dichter an den Wagen heran, wischt so viel Blut wie möglich von dessen Daumen, und will ihn dann an die Schaltfläche heranführen. Ehe ihm das jedoch gelingt, zuckt er leicht zusammen, weil neben ihm ein Geräusch laut wird. Dann taucht eine Katze auf einem Stapel alter Holzkisten auf, der neben der Schnauze des Lamborghinis steht. Als Ed sie flüchtig betrachtet, gibt sie ein erfreutes Mauzen von sich und setzt zum Sprung auf die Motorhaube an, vermutlich in der Hoffnung, dass der Rätselmeister sie dann streicheln wird. Die Samtpfötchen der Katze landen lautlos auf dem grellbunten Lack und praktisch im selben Augenblick jagt ein gewaltiger Lichtblitz über das gesamte Fahrzeug hinweg, sodass die Gasse eine Sekunde lang taghell erleuchtet wird, der Brünette mit einem spitzen Aufschrei zurückweicht und dann unsanft auf seinen vier Buchstaben landet. Am ganzen Körper zitternd, heften sich seine schreckgeweiteten Augen auf die verkohlten Überreste der Katze, als es einen weiteren Stromschlag gibt, der den bemitleidenswerten Vierbeiner richtiggehend pulverisiert! Das kleine Häufchen Asche wird dann von einer sanften Sommernachtsbrise davongetragen, während der Rätselmeister mit aller Macht versucht, nicht wieder ohnmächtig zu werden, als ihm klar wird, wie knapp er selbst gerade diesem Schicksal doch entkommen ist...
 


 

5
 

Nach ein paar Augenblicken hat sich der Brünette wieder halbwegs unter Kontrolle und starrt den Lamborghini einfach nur an. ‚Das Ding ist eine verfluchte Todesfalle und sein Besitzer hat den größten Sockenschuss, den man je gesehen hat! An deiner Stelle würde ich die Beine in die Hand nehmen und verschwinden, ehe du so endest wie dieser räudige Flohteppich, von dem bekanntlich nichts mehr übriggeblieben ist!‘, harscht der Riddler auf einmal wieder mitten in seinem Kopf, sodass Edward erneut erschrocken zusammenzuckt. Allerdings ignoriert er die aufdringliche Stimme seiner schlechteren Hälfte vehement. Zu sehr fasziniert ihn dieses völlig ausgeflippte Auto. Nigma hat eine große Vorliebe für jede Art von Technik, obwohl sein eigener Wagen über keinerlei Extras verfügt, nur durch seine Lackierung überhaupt von einem gewöhnlichen Auto zu unterscheiden ist und auch diese ist bei Weitem nicht so auffällig wie Jokers. Er braucht auch keine, doch scheinbar ist der kleine Clown der Meinung, dergleichen zu brauchen. Aber warum? Wer wäre schon so leichtsinnig und würde versuchen, so einen geradezu schreienden Wagen stehlen zu wollen?
 

Allerdings hat er jetzt absolut keine Zeit, sich über so etwas Gedanken zu machen. Fest beißt er sich stattdessen auf die Unterlippe und versucht erneut – diesmal überaus vorsichtig, immerhin will er nicht auch gegrillt werden – Jokers Daumen auf die Schaltfläche zu drücken. Je näher er dem Ganzen kommt, desto nervöser wird er. Wenn Riddler jetzt auch nur Piep sagt, bleibt ihm vermutlich augenblicklich das Herz stehen. Bevor die Berührung zustande kommen kann, schließt er daher sogar die Augen, zieht die Schultern hoch, als fürchte er einen Schlag, und bereitet sich auf den tödlichen Stromstoß vor. Als der Finger des Clowns schließlich die Schaltfläche trifft, ertönt jedoch nur eine leise Abfolge von Piepstönen, gefolgt von einem etwas lauteren Knacken, als das Schloss entriegelt und die Tür einen Spalt aufspringt.
 

Endlos erleichtert holt Edward endlich wieder Luft und widersteht dem nahezu überwältigenden Impuls auf die Knie zu sinken. Stattdessen stupst er die Fahrertür ganz auf und betrachtet sich neugierig das Innere des Wagens im zarten Licht der Deckenbeleuchtung.
 

Die Sitze sind aus giftgrünem Leder, sodass es Ed eiskalt den Rücken hinabläuft, wenn er sich vorstellt, sich dort hinzusetzen. Das Armaturenbrett ist mit dunklem, purpurfarbenem Leder bezogen und so dermaßen vollgestopft mit Knöpfen, Anzeigen und Schaltern, dass dem Brünetten nur ein Gedanke kommt: Das hier ist die verrückte Version des Batmobils! Der große Monitor eines Bordcomputers vor dem Ganghebel der Automatikschaltung unterstreicht diesen Gedanken nur noch um so mehr.
 

Das Lenkrad wirkt im Vergleich zum Rest des Wagens ziemlich altmodisch, besteht es doch nur aus einem Dreiviertelkreis, wie es früher in den fünfziger Jahren in Mode war. Allerdings ist es nicht, wie damals ebenfalls üblich, aus Holz, sondern auch mit Leder bezogen. Zudem hat es ein aufwendiges Muster, in dem sich dunkelgrüne und violette Streifen abwechseln, sodass es wie eine merkwürdige Zuckerstange wirkt. Auf dem Knopf für die Hupe in der Mitte und der Abdeckung des Airbags ist das Bild einer grinsenden Bombe gemalt. Der Rest des Innenraums ist mit schlichtem, schwarzem Stoff bezogen. Der Wagenhimmel ist jedoch tiefblau und durchzogen von hundert kleinen LEDs, als würde man nächtliche Sterne betrachten. Sie sind aber nicht mit der Deckenbeleuchtung angegangen, weshalb sich Ed den Anblick nur vorstellen kann. Unterbrochen wird das Ganze nur durch einen kleinen Monitor über der linken Seite der Rückbank, über den sich Joker vermutlich Filme anschauen oder Zocken kann. Der Controller dazu liegt auf dem Beifahrersitz. Im Fußraum davor türmen sich einige Comics, DVDs und Spiele-CDs.
 

Langsam setzt sich der Rätselmeister auf den Fahrersitz, um in den hinteren Teil des Zweitürers blicken zu können. Auf der ebenfalls quitschgrünen Rückbank liegt Bettzeug ausgebreitet. Es ist vollkommen schwarz und übersät mit kleinen, gelben Batman-Logos. Auf dem Kopfkissen thront zudem eine sichtlich mitgenommene Plüschpuppe, deren Anblick Edward unweigerlich schmunzeln lässt, wie es auch schon bei der Bettwäsche der Fall war. Die Puppe hat nämlich ebenfalls die Form von Batman! Allerdings lächelt das Püppchen, was der Dunkle Ritter scheinbar nie macht, und das linke Auge ist durch einen roten Hemdknopf ersetzt worden. Der Stoff wirkt sichtlich abgegriffen und ist an etlichen Stellen schon geflickt worden. „Wer hätte gedacht, dass deine Schwäche für die Fledermaus so groß ist...“, kommt es halblaut von Edward, während er daran denkt, wie Joker ihm in der Iceberg Lounge mitgeteilt hatte, dass niemand außer ihm dem Dunklen Ritter etwas zuleide tun darf. Wie weit diese Schwäche – diese Obsession – allerdings wirklich geht, wird Nigma erst noch erfahren.
 

Im Raum unter der Rückbank befindet sich ein Minikühlschrank, daneben ein kleiner Gaskocher und einige Kisten, in denen sich scheinbar Nahrungsmittel, Küchenutensilien, Klamotten, Schuhe und dergleichen befinden. Unter dem Fahrer- und Beifahrersitz entdeckt Ed noch mehr solcher Kisten. Mit nahezu trauriger Bestürzung wird ihm klar, dass der kleine Clown den Lamborghini vermutlich nicht nur aus dem Grund so sehr abgesichert und aufgemotzt hat, weil er dem Batmobil nacheifern wollte, sondern weil er auch in dem Wagen wohnt! Dieser Gedanke bricht ihm auf seltsame Weise das Herz. Der Brünette weiß nämlich nur zu gut, wie so etwas ist. Als er damals vor etwas mehr als fünf Jahren sein gewohntes Leben hinter sich lassen musste und bald darauf auf die schiefe Bahn geriet, hat er auch ein paar unfreiwillige Nächte in seinem Chevrolet verbracht, ehe er ein geeignetes Versteck gefunden hatte. Dem Bel Air fehlen zwar all diese Annehmlichkeiten, die der kleine Clown sein Eigen nennt, dennoch kann sich Nigma vorstellen, dass es weit schöner aussieht, als es eigentlich ist, erst recht, wenn man auf Dauer dazu gezwungen ist, so zu leben.
 

Als Edward später allerdings einen Riesenhafen Bargeld im Handschuhfach findet, fragt er sich schon, warum sich Joker freiwillig so ein niederes Leben in seinem Auto antut, obwohl er sich ganz locker etwas viel Besseres leisten könnte...
 


 

6
 

Nun nicht mehr ganz so überrascht, stellt Edward fest, dass auch die Zündung per Fingerabdruck gestartet wird. Als er den kleinen Clown dann vorsichtig auf den runtergeklappten Beifahrersitz legt – den er vorher sogar mit einer kleinen Plane, die er hinter den Sitzen gefunden hat, abdeckte, um nicht alles in Blut zu tränken –, und dessen Daumen auf die Schaltfläche legt, summt der Wagen jedoch nur gemächlich in den Leerlauf. Im selben Moment springt aber auch das Radio an, das plötzlich mit voller Lautstärke die letzten Noten eines Songs spielt, ehe der überschwängliche DJ zu sprechen beginnt. „Das war Right here waiting von Richard Marx und ihr hört L.O.V.E. WW2, Gothams Sender für einsame Herzen. Ich bin Toby Miller, euer Romantikbeauftragter heute Nacht. Und es geht auch gleich weiter mit einem rührenden Hit von George...“
 

‚Gott, was für ein Versager hört sich denn so einen verfluchten Scheiß freiwillig an? Der Bengel ist doch echt unterste Koje und sicher auch noch stolz drauf.‘, profiliert sich der Riddler mitten in den Lärm hinein, sodass Nigma seine Beschwerde zum Glück eh kaum hören kann. Dennoch kann er sich lebhaft vorstellen, dass es nur wieder Gemeinheiten waren, die seine schlechtere Hälfte von sich zu geben weiß. Etwas anderes scheint es bei ihm sowieso nie zu geben, erst recht nicht, wenn Ed nicht nach seiner Pfeife springen will. Endlich findet der Brünette den Knopf, mit dem er das Radio ausschalten kann und lehnt sich dann seufzend im Sitz zurück. Fast wären ihm die Ohren geplatzt. Sein unfreiwilliger Mitfahrer hat allerdings nicht einmal gezuckt.
 

Als das Summen in seinen Ohren endlich nachlässt, merkt Ed, dass der Motor ja noch gar nicht gestartet hat und blickt sich um. Neben der Zündung entdeckt er einen Knopf, auf dem groß START steht. Kaum, dass er ihn gedrückt hat, öffnet sich auf einmal das Dach über ihm, knickt an zwei Stellen zu einem komplizierten Faltmuster um und verschwindet dann schließlich in einem Fach über dem Kofferraum. Mit offenem Mund verfolgt Nigma das Schauspiel, hat er doch gar nicht gemerkt, dass der Lamborghini auch ein Cabrio ist. Wie auch, wenn das Dach ebenfalls aus Metall besteht und nirgendwo eine erkennbare Trennung oder ein Knickpunkt zu sehen war?
 

Der Rätselmeister hat den Gedanken noch gar nicht ganz verkraftet, da erwacht der Wagen unter ihm so plötzlich und heftig zum Leben, dass Ed einen Aufschrei gar nicht mehr unterdrücken kann. Der Laut geht jedoch völlig im tiefen Brummen des aufgemotzten V12-Motors unter, der mit seinen 450 PS mindestens die Lautstärke des Radios zu haben scheint. Die Vibrationen, die die bebenden Zylinder erzeugen, sind so gewaltig, dass der ganze Wagen erwartungsvoll unter ihm zittert, wie Nigma es sonst nur ansatzweise von Motorrädern her kennt. Das warme Vibrieren gleitet seinen angespannten Rücken hinauf und hinab, dass ihm richtiggehend schwindlig wird. Das ist wirklich kein Wagen für schwache Nerven!
 

‚Heilige Scheiße, was für eine Karre! Da kriegt man ja reihenweise ein feuchtes Höschen und...‘, setzt Riddler ausnahmsweise einmal angetan an, doch das behagt Ed mindestens genauso wenig wie seine abfälligen Äußerungen. ‚Kannst du nicht endlich mal still sein? Deine Ausdrucksweise ist wirklich schrecklich!‘, gibt ihm der Brünette zu verstehen. Der Angesprochene hat nur ein verächtliches Lachen für ihn übrig. ‚Ach, hör doch einmal auf mit deinem ständigen Gejammer! Kann ja nicht jeder so verklemmt sein und so wohlerzogen reden wie du.‘ ‚Mag sein. Aber wo hast du so etwas bloß her?‘ ‚Tja, diese Frage sollte dir wirklich zu denken geben, was? Schließlich hocke ich hier in deinem Kopf und bin aus deiner Verzweiflung und deinem Wahn heraus entstanden. Was sagt das also über dich aus? Womöglich entspreche ich einfach nur deinen innigsten Wünschen? Du wärst gerne das, was ich bin, doch du bist zu feige, es einfach rauszulassen. Gib es schon zu!‘
 

Diese Vorstellung gefällt Edward nun wirklich nicht mehr. Es mag vielleicht tatsächlich sein, dass der Riddler allein aus Verzweiflung und Einsamkeit in ihm erschaffen wurde, weil er sich nicht anders zu helfen wusste und sich irgendwann nur noch hat fallenlassen. Doch er kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum er sich jemanden wünschen sollte, der sich so abfällig ihm gegenüber benimmt und ihm das dann auch noch in irgendeiner Form helfen soll, besser mit der Welt um sich herum klarzukommen.
 

‚Weißt du was? Wenn du nichts Produktives zu dieser Situation beitragen kannst und mir auch nicht helfen willst, dann schweig einfach mal für eine Weile, dann geht das hier viel schneller!‘, weist Nigma ihn dann an. ‚Tse! Dann sieh doch zu, wie du allein damit fertig wirst!‘, schnaubt seine schlechtere Hälfte und zieht sich scheinbar wieder in irgendeine Ecke von Eds Gedanken zurück. Oh, herrliche Stille! Doch wo war er jetzt noch mal stehengeblieben? Ach ja, der viel zu laute Motor!
 

Dieser ist daher nicht gerade unauffällig, wie er so nachdrücklich seine ungezügelte Bereitschaft in die Nacht hineinstößt. Hecktisch blickt sich Edward daher weiter um. Schließlich fällt sein Blick auf den Bordcomputer, der mit dem Wagen zum Leben erwacht ist. Auf dem Monitor blickt nun die Anzeige SICHERHEITSSYSTEM AKTIVIERT, daneben ist ein kleiner Blitz sichtbar, was wohl bedeutet, dass wieder Strom über die Karosse gleitet. Ed ist daher heilfroh, dass er nicht zu den Typen gehört, die beim Fahren ihren Arm aufs geöffnete Fenster legen müssen. Unter dem Hinweis befindet sich aber eine Schaltfläche, auf der DEAKTIVIEREN steht. Zielstrebig drückt Nigma darauf, was den Computer allerdings dazu verleitet, ihn nach dem PASSWORT zu fragen. Der Rätselmeister hätte es sich auch denken können, doch im Moment hat er so gar keine Zeit, sich damit zu beschäftigen.
 

Dafür entdeckt er auf dem Monitor eine weitere Schaltfläche, die wie ein kleiner Motor aussieht. Nachdem er dort draufgedrückt hat, öffnet sich ein kleines Untermenü mit drei Auswahlmöglichkeiten: STILL, NORMAL und YEAH BABY!. Die Auswahl steht auf YEAH BABY!, was den Rätselmeister irgendwie so gar nicht wundert. Hoffnungsvoll betätigt er daher die STILL-Taste und fürchtet schon, dass nun wieder ein Passwort verlangt wird, was aber glücklicherweise nicht der Fall ist. Stattdessen erstirbt auf einmal jeglicher Motorenlärm, sodass der Brünette schon denkt, der Wagen wäre jetzt irgendwie abgesoffen. Ein Blick aufs Armaturenbrett zeigt ihm aber, dass die Zylinder noch immer arbeiten, der Wagen nun allerdings völlig still seine Leistung aufbringt. Unweigerlich wirft er einen neugierigen Blick zu dem kleinen Clown hinüber, der seinen Wagen scheinbar mit jeden nur erdenklichen und unerdenklichen Schnickschnack ausgestattet hat. Neidlos muss Edward zugeben, dass diese Funktion aber wirklich mal etwas sehr Praktisches ist, wenn man sich unbemerkt fortbewegen will oder muss, was mit diesem grellbunten Wagen so oder so schon herausfordernd ist.
 

Der Rest scheint zumindest erst einmal nicht so schwierig zu sein und zum Glück fährt auch der Bel Air des Brünetten mit Automatikschaltung, sodass er damit keine Probleme hat. Geschickt windet er sich daher mit dem Lamborghini aus der Gasser heraus und setzt dann endlich Richtung Heimat.
 


 

7
 

Nigma braucht einen vollen Moment – wenn nicht gar zwei –, um zu verinnerlichen, dass gerade drei Männer – seine Männer – mit großkalibrigen Waffen auf den Wangen – und somit auch ihn – zielen. Gut, seine Handlanger sind wirklich nicht die Hellsten, was man in so einem Gewerbe auch nicht gerade erwarten kann, aber warum fallen sie ihm denn ausgerechnet jetzt in den Rücken, wo er sie doch immer gut behandelt hat? Fast schon panisch tritt er auf Befehl hin auf die Bremse, während er hört, wie die Männer ihre Waffen entsichern und weiterhin mahnend auf ihn anlegen. Schließlich wird ihm klar, was hier falsch ist. „Nicht – schießen, Jungs! Ich bin es...“, gibt er sichtlich eingeschüchtert von sich und steht ganz langsam auf, damit die Männer ihn über die getönte Windschutzscheibe hinweg sehen können.
 

„Boss...?“, fragt Tom verwirrt. „Ja – ja, ich bin es. – Steckt die Waffen weg, um Himmels willen!“ „Scheiße...“, erwidert Carl und schlägt den Lauf seines Kollegen Richtung Boden, als dieser nicht schnell genug reagiert. ‚Das hätte echt ins Auge gehen können! Warum tust du dir so einen Scheiß überhaupt an? Der gottlose Hurensohn wird dich noch ins Grab bringen, bevor die Nacht richtig vorbei ist und dass, obwohl er nicht mal wach ist!‘, harscht Riddler wieder erwacht in seinem Kopf. Edward kommt dabei nicht umhin zu denken, dass eine Kugel im Schädel vermutlich der einzige Weg wäre, diese Nerv tötende Zecke in seinen Gedanken loszuwerden.
 

Er sagt aber nichts, sondern lässt sich nur seufzend zurück auf den Sitz fallen, während seine Untergebenen zu ihm herübergeschlichen kommen, als müssten sie eine ganz schlimme Strafe befürchten. Keine Ahnung, warum sie sich so benehmen. Ed ist ihnen gegenüber nie handgreiflich oder auch nur laut geworden. Die meisten von ihnen haben aber schon für allerhand anderer Schurken, Mafiaclans und dergleichen gearbeitet, wo sie sicher nicht so nett behandelt wurden, und dieses Verhalten daher auch nicht so schnell wieder ablegen können, nur weil ihr jetziger Boss im Vergleich dazu ein sanftes Lämmchen ist.
 

Nun steht Vic neben dem Lamborghini und blickt ihn entschuldigend an. „Haben dich nicht erkannt, Boss...“ „Schon gut. Ich habe auch ganz vergessen, dass ich in diesem durchgeknallten Auto sitze und nicht in meinem Bel Air. – Wo wir aber gerade davon sprechen. Kannst du meinen Wagen abholen, Vic? Er steht in der Gasse Madison Plaza, Ecke Vierte Straße.“, erschöpft reicht er dem breitgebauten Mann seine Schlüssel. „Klar, Boss, kein Problem.“, und schon ist er weg.
 

Als Ed den Blick wieder nach vorne richtet, sieht er, dass die beiden anderen inzwischen das große Rolltor der Garage geöffnet haben und er somit hineinfahren kann. Sein Versteck befindet sich in einer ehemaligen Autowerkstatt. In der Garage wohnen seine Männer und haben dort auch alles, was man so braucht. Über der Werkstatt gibt es eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung, die früher wohl mal dem Besitzer gehört haben mag, und die nun Nigma sein Reich nennt. Es ist nicht viel, aber vollkommen ausreichend, erst recht, weil er meistens sowieso nicht dort ist. Einen Bereich der Garage benutzt er zudem als Büro, um von dort aus alles in den Narrows zu überwachen.
 

Langsam setzt er den Lamborghini nun wieder in Bewegung. Kaum, dass er drinnen ist, schließt sich hinter ihm das Rolltor mit leisem Rumpeln und seine Männer versammeln sich neugierig um den skurrilen Wagen. „Scharfe Karre, Boss!“, tönt Mike auf der Beifahrerseite. „Ja, ganz herrlich. Ein echtes Schmuckstück. Doch damit können wir uns später auseinandersetzen. Er gehört nämlich dem Joker, wie unschwer zu sehen sein dürfte.“ Als der Name des Clowns fällt, zucken die Männer leicht zusammen. Sein Ruf eilt ihm also mal wieder weit voraus.
 

„Du – hast den Joker hierhergebracht, Boss...?“, fragt Mike nun vorsichtig, nachdem er den noch immer weggetretenen Bengel auf dem Beifahrersitz hat liegen sehen. „Ja, sieht wohl so aus. Doch er wird euch nichts tun. Seht ihn euch nur mal an!“ „Ist er tot, Boss?“, kommt es unsicher von Mel, der nun ebenfalls einen Blick auf den blutverschmierten Grünhaarigen wirft. „Nein, noch nicht. Aber es wird sicher nicht mehr lange dauern, wenn ich mich nicht beeile. Also hört zu. Bob, bring eine von den Matratzen hoch in mein Schlafzimmer und leg eine Plane darüber, damit nicht alles vollsaut. Tom, such alles zusammen, was wir an Verbandszeug haben und bring es auch ins Schlafzimmer. Mike, du bringst Joker dann hoch, aber beweg ihn nicht zu viel. Er könnte...“
 

Weiter kommt Edward mit seinen Anweisungen nicht. Während er spricht, schlängelt er sich zur Rückbank durch, um Jokers Bettzeug einzusammeln. Als er die Sachen nun an Mel weiterreichen will, greift Mike nach der Tür auf der Beifahrerseite, um sich den kleinen Clown zu schnappen. Ein gewaltiger Lichtblitz erhellt plötzlich die ganze Garage, und lässt die Halogenstrahler in dem weitläufigen Gebäude fast gänzlich verblassen. Erst jetzt wird Ed klar, dass er etwas sehr Wichtiges vergessen hat und er zuckt unweigerlich zusammen. Einen Moment steht Mike noch aufrecht, während ihm Qualm wie in einem schlechten Film aus den Ohren zu kommen scheint, dann fällt er rücklings zu Boden und rührt sich nicht mehr.
 

Erschrocken weichen die anderen Männer vom Wagen weg und Ed lässt alles stehen und liegen, um sich wieder hinters Steuer zu setzen. Panik schwingt über ihn hinweg. ‚Sag bloß, Mister Allwissend hat da etwas Wichtiges vergessen! Du bist mir echt ein Vollidiot. Erstaunlich, dass die Leute hier überhaupt noch leben, bei deinen unterwältigenden Führungsqualitäten!‘, höhnt Riddler vergnügt. „Er – ist tot, Boss...“, teilt Toni ihm bedrückt mit, während der Rätselmeister die gehässige Stimme seiner schlechteren Hälfte in seinem Kopf haltlos über sein Versagen lachen hören kann. Zähneknirschend schluckt Edward hart und versucht sich trotz alledem zu konzentrieren. „Keiner von euch fasst den Wagen an, ist das klar? – Bob und Tom, tut, was ich euch gesagt habe. Der Rest wartet, bis ich das irgendwie abgestellt habe!“ Selten haben sie ihren Chef so aufgebracht gesehen und verharren daher schweigend auf ihren Plätzen, während sich Nigma den Kopf über das verfluchte Passwort zerbricht.
 

Die meisten Leute benutzen liebend gern nur allzu offensichtliche Dinge, weil sie sich die einfach besser merken können. Ed kann Joker in diesem Fall zwar überhaupt nicht einschätzen, doch er hofft, dass es auch bei ihm der Fall ist, weil er sonst noch ewig hier sitzen wird und vielleicht noch mehr Männer verliert. Und wer weiß schon, was passiert, wenn er versuchen sollte, sich in den Bordcomputer zu hacken... Das Gleiche gilt womöglich für die Tatsache, wenn er dreimal etwas Falsches eingegeben hat. Also was könnte es sein? Was?
 

In sich gekehrt betrachtet Edward den Bildschirm und denkt nach. Was fällt ihm zuerst ein, wenn er an Joker denkt? Sein Gas! Wie nannte er das noch gleich? Smilex? Ed glaubt, dass dem so war. Als er es jedoch eintippen will, fällt ihm auf, dass kleine Striche auf dem Monitor anzugeben scheinen, wie viele Buchstaben das gesuchte Wort hat. Es sind fünf, somit scheidet das Gas wohl aus. Allerdings kann das auch ein Trick zur Verwirrung sein. Nigma hat aber nicht die Zeit, sich Ewigkeiten darüber den Kopf zu zerbrechen. Was fällt ihm also noch ein?
 

Machen wir es doch ganz einfach und nehmen einfach nur Jokers Namen. Nachdem er die Buchstaben eingegeben und das Ganze dann bestätigt hat, erscheint auf dem Bildschirm allerdings ein schmollender Smiley. Das war also falsch. Gut, was noch? Gift? Nein, das hat nur vier Buchstaben. Aber wie wäre es mit Bombe? Das passt zu dem Clown. Als Ed das eintippt, erscheint abermals der schmollende Smiley. Jetzt wird es kritisch. Im Ernstfall hat er nur noch einen Versuch, ehe sich das System sperrt oder ihn als Feind identifiziert und versucht zu töten. Denk nach, Edward!
 

Der Bengel scheint ständig über Batman zu reden. Doch das hat ebenfalls sechs Buchstaben, somit kann es das wohl nicht sein, obwohl es so passend wäre. Dann macht es plötzlich hörbar Klick! in seinem Kopf, als ihm die hoffentlich rettende Lösung einfällt. Er nennt den Dunklen Ritter schließlich gar nicht Batman, sondern Batsy.
 

„Das muss es einfach sein. Mehr Möglichkeiten habe ich jetzt einfach nicht...“, murmelt er vor sich hin, während seine Finger leicht zitternd die einzelnen Buchstaben tippen und dann ENTER klicken. Mit zusammengepressten Augen wartet er darauf, nun vom Sicherheitssystem in seine Bestandteile zerlegt zu werden. Stattdessen ertönt aber ein fröhliches Piepsen. Als Nigma daraufhin die Augen wieder öffnet, erblickt er einen breit grinsenden Smiley und auf dem Monitor steht blinkend SICHERHEITSSYSTEM DEAKTIVIERT. Dennoch folgt er einer Eingebung und berührt mit der Spitze seines Zeigefingers leicht die Außenseite der Fahrertür. Nichts passiert. Mit einem zittrigen Seufzen lässt er sich in den Sitz zurücksinken und atmet einmal kurz durch.
 

„Okay, jetzt kann nichts mehr passieren, denke ich. Also weiter. Mel, nimm du Joker mit nach oben. Toni, nimm das Bettzeug. Paul, du die Kartons hier und der Rest von euch entsorgt bitte die Leiche des armen Mike.“, bringt der Brünette nun endlich seine Anweisungen zu Ende. Schweigend kommen die Männer seinen Worten nach, während Edward selbst den Wagen verlässt und nach oben in seine Wohnung stapft, um sich dort nun endlich um den kleinen Clown zu kümmern.
 


 

8
 

Die fünfzehn Stufen hinauf zu dem kleinen Anbau kamen dem Brünetten noch nie so beschwerlich und endlos vor. Auf dem Absatz, der nach der Hälfte des Weges kommt, bleibt er daher fast schon ruckartig stehen, stützt sich wie ein alter Mann auf das Geländer und holt abgehackt Luft. Er kommt sich vor, als wäre er einen Marathon gelaufen, so schwer geht sein Atem, doch der Rest seines Körpers fühlt sich nicht so, sondern einfach nur vollkommen erschöpft. Solche Schwächeanfälle kennt er sonst nur, wenn er sich mit Batman auseinandergesetzt hat, von daher ist er sicher, dass es gleich wieder bergauf gehen wird. Es war aber auch eine schreckliche Nacht. Zu viel um die Ohren, zu wenig Ruhe, von Essen und Wasser sicherlich ganz zu schweigen. Doch Edward war schon immer ein Arbeitstier – wenn auch zumeist nur gedanklich – und merkt daher erst, wie viel er sich zugemutet hat, wenn er kurz vor dem Zusammenbrechen steht.
 

‚Hey, nun vergiss doch mal diesen Scheiß-Clown! Lass ihn krepieren oder willst du ernsthaft, dass noch mehr deiner dümmlichen Handlanger wegen ihm draufgehen? Das wird passieren, das weißt du! Wenn nicht durch deine inkompetente Unfähigkeit, dann weil dieser durchgeknallte Bengel sie einen nach dem anderen um die Ecke bringen wird, sobald er auch nur die Augen öffnet. Und du wirst dann als Nächstes auf seiner Abschussliste stehen. In der Iceberg Lounge hatte er dich vielleicht verschont, aber nur aus dem einfachen Grund, weil er einen Trottel brauchte, der die Drecksarbeit für ihn erledigt. Welchen Grund hätte er jetzt schon, dich am Leben zu lassen?‘
 

Völlig erschöpft versucht Edward diese Stimme zu ignorieren. Warum sollte Joker auch seine Männer umbringen oder ihn selbst? Gut, er hat nicht alle Tassen im Schrank, doch selbst jemandem wie ihm muss doch aufgehen, dass Ed ihm nur helfen will. Verdient das denn nicht wenigstens etwas Dankbarkeit und wenn es nur ist, dass er den nächsten Tag noch erleben darf? ‚Bitte sei einfach still...‘ ‚Ich denke ja gar nicht dran!‘, setzt Riddler an.
 

Weiterhin tief durchatmend schließt Edward die Augen und versucht zu sich zu finden, als sich eine Hand schwer auf seine Schulter legt. Der Schock, der Nigma daraufhin durchfährt, lässt auch sein Gegenüber unweigerlich zurückschrecken, und selbst seine schlechtere Hälfte fürs Erste flüchten. Die gehetzten grünen Augen des Rätselmeisters nehmen allerdings wieder ihren gewohnt sanften Ausdruck an, als er sieht, dass es nur Bob, Tom, Toni und Paul sind, die sich im engen Hausflur vor ihm zusammendrängen. „Alles okay, Boss?“, kommt es von Bob, während er abermals die Hand ausstreckt, als fürchte er, dass der Brünette vor ihm ohnmächtig werden könnte. „Es – geht schon wieder. War eine lange Nacht und ich bin ziemlich fertig. Und es ist noch so viel zu tun...“ „Vielleicht solltest du dich mal kurz hinsetzen und was essen oder so. Du bist ziemlich blass um die Nase, Boss.“, kommt es nun besorgt von Paul, der nur zu gut weiß, wie leicht Ed solche Dinge vergiss.
 

Bei der Vorstellung von Essen wird Nigma allerdings eher speiübel, wenn er bedenkt, was er noch zu erledigen hat. All dieses viele Blut... Stattdessen geht ihm aber auf, dass seine Männer sicher auch noch nicht viel gegessen haben, machen sie das für gewöhnlich doch alle zusammen, wenn Ed wieder hier ist oder eine Pause einrichten kann. Somit haben seine Jungs ganz sicher die Nacht damit verbracht, sehnsüchtig wie ein paar Hunde auf ihn zu warten, damit sie zusammen essen können. Jetzt fühlt sich Edward erst recht schlecht. Sicher haben seine Männer unten in der Garage genug Lebensmittel, um nicht zu verhungern, doch sie sitzen nun einmal sehr gern mit dem Rätselmeister gemeinsam am Tisch und lassen die Nacht mit ihm ausklingen. Bei diesem Gedanken wird Nigma ganz warm ums Herz und es schmerzt ihn umso mehr, dass Mike nicht mehr am Leben ist. Alles seine Schuld...
 

Von daher sollte er das Ganze wenigstens etwas wieder versuchen gutzumachen. So ein Verlust geht schließlich nicht nur ihm nahe, dass kann er den Männern vor sich deutlich ansehen. Und die Anwesenheit des Jokers macht das alles sicher nicht viel besser. „Es geht schon wieder, wirklich. Doch essen kann ich jetzt so gar nichts. Nicht, solange ich dort oben nicht fertig bin. Aber wenn ihr etwas besorgt, werde ich sehen, wie es nachher ist. Was haltet ihr davon?“, fragt er müde und richtet sich langsam wieder auf. „Okay, Boss. Was sollen wir denn holen?“, möchte Toni nun wissen. „Was hatten wir gestern nochmal?“, stellt Ed die Gegenfrage. Normalerweise kann er sich haarklein an solche Dinge erinnern, ja, noch Tage später aufzählen, was ein jeder von ihnen hatte, ohne auch nur ins Stocken zu geraten. Doch jetzt steht er irgendwie auf dem Schlauch. Das ist wohl auch seinen Jungs klar, bedenken sie ihn nun doch mit einem noch mitfühlenderen Blick.
 

„Chinesisch, Boss.“, erläutert Paul knapp. „Okay, dann eben alles außer Chinesisch. Sucht euch was aus, ja?“ Langsam zieht Ed seine Geldbörse aus der Tasche und fummelt ein paar Scheine heraus, die er ihnen überreicht. Seine Männer haben grundsätzlich kein eigenes Geld, doch das kümmert sie nicht. Sie haben hier alles, was sie brauchen und Edward kümmert sich gut um sie. Bezahlt bereitwillig alles, was benötigt wird. Und da seine Handlanger keine Familien zu ernähren oder Miete zu zahlen haben, ist das die beste Lösung für alle. Zudem ist es das Mindeste, was er tun kann. Immerhin stammt sein gesamtes, schier unerschöpfliches Vermögen aus unzähligen Banküberfällen, die er als Riddler verübt hatte und bei denen es stets nur darum ging, dass Batman seine Rätsel löst, um damit die Geiseln zu befreien, und Nigma mit dem Geld verschwinden konnte. Ed redet sich daher gern ein, dass er etwas von Robin Hood hat, nahm er das Geld doch von den Reichen Gothams, um es jetzt dazu zu verwenden, den Ärmsten zu helfen.
 

„Fangt auch schon mal ohne mich an zu essen. Ich weiß nämlich echt nicht, ob ich heute noch etwas runterkriege. – Vom restlichen Geld könnt ihr euch ja ein paar Bier besorgen und auf den bedauerlichen Mike trinken.“ Sichtliche Begeisterung schlägt sich daraufhin auf den Gesichtern der Männer nieder.
 

Grundsätzlich herrscht in den gesamten Narrows strenges Alkohol- und Drogenverbot. Die Jungs dürfen hier nicht einmal Rauchen, was am Anfang echt hart für einige von ihnen war. Mittlerweile haben sie sich aber daran gewöhnt und verstehen, warum Ed solch eine Regel aufgestellt hat. Es verhindert in jedem Fall viel Ärger. In den Narrows ist es grundsätzlich schwer, an irgendetwas heranzukommen, insbesondere Lebensmittel. Hier ist einfach alles knapp und die Menschen sind zu arm, um in die Stadt zu fahren und sich dort etwas zu besorgen. Zudem kontrolliert Nigma überaus streng, was hierhergebracht und an die Leute verteilt wird, allein schon, damit es nicht zu Streitereien kommt und irgendwer am Ende leerausgeht. Von daher gibt es Alkohol nur an Feiertagen oder als Belohnung für besonders gute Arbeit, was einen sichtlichen Ansporn in den Leuten weckt, sich richtig anzustrengen. Ed selbst trinkt eigentlich nie, außer es gibt etwas zu feiern, wo er dann zumindest aus Anstand mal ein halbes Bier oder so zu sich nimmt.
 

Dass wissen auch seine Männer, dennoch werden sie nicht müde, ihn zu fragen. „Willst du auch eins, Boss?“ Einen Moment denkt der Brünette tatsächlich darüber nach, dann lächelt er verhalten. „Wäre nach dieser Nacht vielleicht gar keine so schlechte Idee, was? Gut, tut, was ihr nicht lassen könnt und nun ab mit euch!“, erwidert der Rätselmeister fast schon ausgelassen, woraufhin sich seine Jungs ein Grinsen gar nicht verkneifen können und an ihm vorbeihuschen. Einen Augenblick sieht er ihnen noch nach, dann setzt er dazu an, die restlichen Stufen zu bewältigen. Das kurze Gespräch hat ihm doch tatsächlich wieder etwas Kraft gegeben, auch wenn der schwerste Teil noch vor ihm liegt.
 

‚Wegen dir gehen wir beide noch über den Jordan, weißt du das? Hör einfach auf deine kleinen Idioten und vergiss den Bengel. Iss etwas, sauf dir den Schädel weg, um den ganzen Scheiß von heute Nacht zu vergessen! In der Zwischenzeit können diese Gorillas den dämlichen Clown irgendwo verscharren und niemand von jemals davon erfahren.‘ Ed ist drauf und dran ihm eine saftige Antwort zu präsentieren, damit er endlich mal wieder Ruhe in seinen Kopf bekommt, doch vorher ertönt eine andere Stimme, die zur Abwechslung einmal nicht aus seinem überforderten Schädel kommt.
 

„Boss?“ Als Nigma zur Tür seiner Wohnung aufsieht, entdeckt er Mel dort stehen. „Alles erledigt, Boss.“ „Sehr gut! – Ist noch was? Du schaust so.“ „Sieht echt übel aus, der Bengel. Keine Ahnung, ob der noch zu retten ist, aber ich dachte, du brauchst vielleicht etwas Hilfe. Siehst ja grad auch nicht so toll aus...“, erwidert der breitschultrige Mann in seiner unnachahmlich ehrlichen Weise gerade heraus. Abermals huscht eine ungeahnte Wärme über sein Herz hinweg. Seinen Männern kann er einfach nichts vormachen. Für Kerle sind sie erstaunlich aufmerksam und einfühlsam und dass, obwohl sie sonst so derbe, hirnlose Schläger sind. Sie geben Edward ein Gefühl von Geborgenheit, das er bisher kaum gekannt hat.
 

Mel ist so etwas wie der Chef seiner zehnköpfigen – jetzt leider nur noch neun, armer Mike – Truppe und steht Ed somit noch etwas näher, als es die anderen schon tun. Kein Wunder also, dass er jetzt seine Hilfe anbietet. Allerdings ist es irgendwo auch etwas ironisch, Mel hat nämlich im Allgemeinen bei so gut wie allem, dass man nicht verprügeln kann, zwei linke Hände. Dennoch bemüht er sich sehr und das allein zählt, wie der Brünette findet. Außerdem kann er aufpassen, dass der Rätselmeister nicht wieder ohnmächtig wird, wenn ihm das Zusammenflicken des Clowns zu viel wird.
 

„Das ist vermutlich eine ziemlich gute Idee. Zuerst könntest du nachschauen, ob es vielleicht noch etwas heißes Wasser gibt. Wenn nicht, mach welches mit dem Gasbrenner in der Küche warm, damit wir erst einmal das ganze Blut entfernen können. – Wenn ich mir das zu lange ansehen muss, wird mir nur noch übler...“ Prüfend sieht Ed dabei auf seine Uhr. Mel tut es ihm gleich. Eine überaus typische Geste überall in den Narrows. Im Gesicht des anderen Mannes kann Nigma förmlich sehen, dass sich dieser gleich den Gasbrenner schnappen wird, da es keinen Sinn hat, jetzt warmes Wasser aus der Leitung holen zu wollen.
 

Durch die lange Vernachlässigung und die weitgehende Zerstörung der Narrows sind Strom, warmes oder auch nur fließendes Wasser sowie Heizung hier ein sehr seltenes Gut. Zum Glück ist jetzt Sommer, so muss immerhin niemand frieren. Eds Arbeiter haben es zwar schon wieder geschafft, Strom und Wasser überhaupt zum Laufen zu bringen – und hoffen, bis zum Wintereinbruch auch das Heizungssystem zum Laufen zu bringen –, doch an Beständigkeit hapert es noch sehr. Daher gibt es nur ein paar kurze Zeitfenster über den Tag verteilt, an denen alles ungehindert benutzt werden kann. Nachts funktioniert dies oftmals besser als am Tag – warum weiß allerdings keiner so recht –, was den Leuten nur recht ist, da die meisten von ihnen gewohnheitsgemäß Nachteulen sind. Nur die Arbeiter unter ihnen – was praktisch jeder zwischen sechszehn und sechzig ist, der körperlich dazu in der Lange ist, der Rest beteiligt sich je nach Möglichkeiten auf andere Weise – sind vierundzwanzig Stunden lang in verschiedenen Schichten im Dauereinsatz, um alles wiederaufzubauen.
 

Das Leben hier ist überaus hart, man muss viel zurückstecken und bekommt dafür nur sehr wenig, aber es geht und kaum einer würde mit den Leuten aus der Stadt tauschen wollen. Umso mehr bemüht sich der Rätselmeister daher, alles so schnell wie möglich wieder zum Laufen zu bringen. Seine kriminelle Phase liegt hinter ihm und nun will er nur noch helfen, um ein wenig Buße dafür zu tun – und vielleicht auch, um den Riddler damit aus seinen Gedanken zu vertreiben...
 


 

9
 

Edwards Gedanken werden allerdings jeher unterbrochen, als er sein Schlafzimmer betritt. Die Luft in dem kleinen Raum ist schon nach dieser kurzen Zeit zum Scheiden dick und die Plane, die verhindern soll, dass die Matratze schmutzig wird, sieht aus, als wäre sie mit roter Farbe bemalt worden. Unwillkürlich taumelt der Brünette gegen die Türzarge. Bevor ihm erneut schwarz vor Augen wird, spürt er noch, wie ihm zwei starke Arme auffangen, ehe er zu Boden gehen kann.
 

Er weiß beim besten Willen nicht, wie lange er weggetreten war, doch als er schließlich die Augen aufschlägt, findet er sich auf seinem eigenen Bett wieder, mit einem herrlich kühlen Lappen auf der Stirn. Mühevoll setzt er sich hin und sieht sich um. „Bist umgekippt, Boss.“, teilt Mel ihm mit, während er neben dem Grünhaarigen hockt und damit begonnen hat, das Blut wegzuwischen. „Ja, scheint so...“, murmelt Ed mit belegter Zunge und kämpft sich langsam auf die Füße.
 

Leicht zitternd sitzt Edward kurze Zeit später ebenfalls neben der Matratze, auf der der bewusstlose Clown liegt, und sortiert das ganze Verbandszeug. Systematisch hält er den Blick dabei gesenkt, um das Blut zu ignorieren, das Mel akribisch zu entfernen versucht. Dennoch ist die Luft in dem kleinen Raum immer noch zum Schneiden dick, obwohl das Fenster schon die ganze Zeit offen ist, seid Mel mit der Arbeit begonnen hatte. Die Nacht ist allerdings ziemlich warm, sodass es nicht einmal nennenswerten Durchzug gibt, obwohl auch im Wohnbereich alle Fenster offenstehen. Innerlich ist der Brünette daher schon ziemlich froh, dass er bisher vergessen hat etwas zu essen.
 

‚Warum nur musst du dich selbst so quälen? Das bringt doch nichts! Dem Bengel kannst du eh nicht mehr helfen, schließlich bist du kein Arzt. Wenn er wirklich innere Verletzungen oder auch nur eine gebrochene Rippe hat, wird er elendig zu Grunde gehen, während du neben ihm im Bett liegst und dich ausschläfst. Findest du den Gedanken etwa so toll, morgen Abend neben einer stinkenden Leiche aufzuwachen? Ist das deine Vorstellung von Hilfe? – Hey, hör mir gefälligst zu!‘ Doch das tut Edward nicht. Er sieht nur die vor ihm liegende Aufgabe, und dass er sie so gut wie irgend möglich erfüllen will. Alles andere hat jetzt Sendepause!
 

Das Saubermachen scheint eine Ewigkeit zu dauern, weshalb Nigma nun doch den Blick hebt, um zu sehen, wie weit sein Helfer inzwischen gekommen ist. Sichtlich erleichtert stellt er dabei fest, dass dieser dem Joker mittlerweile den Großteil seiner Sachen ausgezogen hat, sodass der kleine Clown nur noch sein Oberteil trägt. Als er dem bewusstlosen Jungen nun etwas mühevoll das fast völlig zerrissene Hemd abstreift, kommen darunter unzählige Narben allein nur auf dem Oberkörper zum Vorschein, die einen schrecklichen Kontrast zu all den frischen Wunden liefern. Mit ängstlichem Staunen betrachtet Ed das Ganze, während Mel weiterhin das Blut wegwischt und so immer mehr Narben und Verletzungen zum Vorschein kommen lässt.
 

Auf dem linken Bizeps entdeckt er eine rötliche Spur, die von einem Messer, einer Glasscherbe oder Ähnlichem herrühren mag. Zudem befinden sich auf beiden Unterarmen rote und schwarze Tätowierungen, die Ed an die vier Farben von Spielkarten erinnern: Links finden sich ein Kreuz und ein Herz, rechts dafür ein Pik und ein Karo. Auf dem Brustbein, nur knapp unterhalb des Herzens, sitzt die markant weiße Narbe einer Brandwunde. Außerdem viele lange, sich überkreuzende Kratzer, als wäre er irgendwann einmal ausgepeitscht oder von einer Raubkatze angefallen worden – oder von den etlichen Batarangs erwischt worden, mit denen sich Batman gern umgibt. An der rechten Schulter, nur knapp unter dem Schlüsselbein, erkennt er zudem die charakteristische Einbuchtung, die nur von einer alten Schusswunde herrühren kann. Zumindest diese kann er schon mal nicht von dem Dunklen Ritter haben. Unweigerlich gleiten seine Finger zu seiner eigenen, inzwischen verheilten, Schusswunde hinab und reiben gedankenverloren darüber, als würde sie angefangen haben zu jucken. Leicht schüttelt Edward den Kopf. Joker ist noch so unglaublich jung und scheint dennoch schon mehr als jeder andere von ihnen durchgemacht zu haben...
 

‚Nun glotz doch nicht so, oder macht es dich etwa geil, einen nackten, blutverschmierten Kerl vor dir liegen zu sehen? Gott, wie du mich anwiderst!‘
 

Während der Rätselmeister sich das alles so betrachtet und die angewiderte Stimme des Riddlers zu überhören versucht, wendet sich Mel dem Gesicht des Jungen zu. Das Blut lässt sich dort recht gut wegwischen, was man von der Schminke aber nicht gerade behaupten kann. Obwohl sie durch den Kampf sichtlich verschmiert ist, scheint ihr der nasse Lappen nichts anhaben zu können. Sichtlich irritiert betrachtet sich Mel das Ganze und fängt dann an, stärker zu reiben. Ed kann das kaum mit ansehen, es wirkt richtiggehend brutal, und doch passiert nicht wirklich etwas. „Warte! Das bringt nichts. Ich denke, das Make-up ist wasserfest, vielleicht sogar etwas ganz Spezielles.“ Edward steht leicht schwankend auf und wühlt in einem der Kartons herum, die er hier hat raufbringen lassen. Dort drin befinden sich unzählige Schminkutensilien. Vom Lippenstift in allen nur erdenklichen Farben, bis hin zu Wimpernzange und Wattepads ist praktisch alles dabei. Jede Frau würde vermutlich reihenweise ausflippen, wenn sie auch nur ein Viertel davon ihr Eigen nennen dürfte.
 

Ganz unten findet Ed daher, was er sich erhofft hatte: Eine große Flasche mit extra starkem Make-up-Entferner. „Versuch es damit.“, meint er und reicht sie an Mel weiter. Dieser betrachtet die bunte Plastikflasche mit der zartrosafarbenen Flüssigkeit nur leicht verständnislos, zuckt dann mit den Schultern und kippt etwas davon auf den Lappen. Als er sich dann wieder Jokers Gesicht zuwendet, scheint das Make-up fast schon durch Zauberhand zu verschwinden, auch wenn Mel dennoch etwas reiben muss. Doch es sieht bei Weitem nicht mehr so brutal wie eben noch aus.
 

Als der Lappen die letzte Farbe vom Antlitz des Clowns gewischt hat, sieht Edward plötzlich einen Jungen vor sich, der noch um einiges jünger wirkt, als er eh schon sein muss, und der so herzzerreißend entstellt ist, dass es Nigma schlagartig besagtes Herz bricht, als hätte er hier ein geliebtes Familienmitglied vor sich liegen und keinen Wahnsinnigen, vor dem er bis jetzt immer schreckliche Angst hatte.
 

Ein Junge, der von lachenden Kindern auf dem Spielplatz in all seinen elenden Schuljahren gnadenlos verspottet wurde – falls er seit dieser Tat überhaupt jemals wieder eine Schule betreten hat. Ein Junge, der nie zum Mitspielen gebeten wurde. Ein Junge, der im Mannesalter vielleicht nie mit einer Frau schlafen wird, ohne sie bezahlen zu müssen – obwohl dieser Gedanke bei Joker allem Anschein nach wohl wegfallen dürfte, aber dann bezahlt er halt einen anderen Mann für dessen fragwürdige Liebesdienste. Ein Junge, der immer außerhalb des warmen und hellen Kreises anderer steht. Ein Junge, der sich in den nächsten fünfzig oder sechzig – bei seinem umstrittenen Lebenswandel vielleicht auch nur fünf – Jahren seines erbärmlichen Lebens im Spiegel betrachtet und denken wird, wie abgrundtief hässlich er doch ist, und daher sein gesamtes Leid hinter dieser grotesk-fröhlichen Clownsmaske zu verstecken versucht, die ihn immer tiefer in den Wahnsinn hinabzieht...
 

Ed schämt sich für diese Gedanken, doch er kann sie nicht unterdrücken. Stattdessen fällt ihm auf, dass Joker eigentlich ein unglaublich liebenswertes – ja geradezu niedliches – Gesicht hat, wenn man die grausigen Narben, die ihm dieses geisteskranke, vernarbte Grinsen ins Antlitz brennen, einfach ausblendet. Und dieser Gedanke irritiert den Rätselmeister mindestens genauso sehr. Im selben Moment merkt er, dass er sanft mit den Fingern über die ihn zugewandte, entstellte Wange des Jungen gestrichen hat.
 

‚Sag mal, geht’s noch, du verdammte Schwuchtel? Nimm sofort die Flossen von dem elenden Bengel, bevor du dich noch mit irgendwas ansteckst!‘, kreischt Riddler nun richtiggehend. Überrascht von dieser so unbewussten Tat und der viel zu lauten Stimme in seinem Kopf, zuckt Nigma sichtlich zusammen. Als er zudem spürt, dass Mel ihm irritiert beobachtet, räuspert sich der Rätselmeister verhalten mit deutlicher Röte um die Nase und versucht den Faden wiederzufinden. „Das – hast du gut gemacht. Lass mich jetzt sehen, was ihm alles fehlt...“, meint er dann und beugt sich geschäftig über den besinnungslosen Jungen. Hofft, dass Riddler endlich einmal sein verdammtes Schandmaul hält, damit er sich konzentrieren kann...
 


 

10
 

Die meisten Verletzungen sehen auf den ersten Blick schlimmer aus, als sie eigentlich sind. Das bedeutet aber nicht, dass der Grünhaarige deswegen nicht viel abbekommen hat. Im Gegenteil. Trotzdem sah es mit den Unmengen Blut weit kritischer aus. Nachdem Ed nun alle Verbände und Pflaster verteilt hat, die seine Jungs auftreiben konnten, sieht der zu kurzgeratene Clown fast wie eine altägyptische Mumie aus. Aber immerhin ist langsam ein Ende in Sicht.
 

Im Osten ist schon längst die Sonne aufgegangen, als Nigma sich der letzten Baustelle – dem Gesicht des Jungen – widmet. Gegen die dicken Veilchen, die die Augen des Clowns praktisch komplett zugeschwollen haben, kann er nicht unternehmen. Doch das wird sich von allein in ein paar Tagen regeln. Ein kühler Lappen wird dabei ein bisschen helfen. Als legt er den, den Mel ihm auf die Stirn gelegt hatte, als er ohnmächtig war, nun auf Jokers Augen.
 

Für das zerrissene Ohrläppchen fädelt Ed nun einen medizinischen Faden durch eine Nadel. Vorsichtig setzt er den ersten Stich. Anschließend schiebt er einen winzigen Metallstift an die Stelle, wo vorher der Ohrstecker des Grünhaarigen gesessen hat. Er soll garantieren, dass dort auch später wieder Schmuck sitzen kann, ohne dass ein neues Loch gemacht werden muss. Diese Sache ist vielleicht völlig irrelevant, doch der Rätselmeister versucht immer alles perfekt zu machen, was er anfängt, daher macht er sich eben doch die Mühe, auch wenn es nicht sein müsste. Ein paar Stiche später ist auch das geschafft.
 

Er legt eine kurze Pause ein, wobei ihm auffällt, dass der Riddler schon die ganze Zeit nichts mehr gesagt hat, seit er mit dem Verarzten begonnen hatte. Hat er endlich genug oder ekelt ihn das hier alles vielleicht sogar noch mehr, als es schon bei Ed der Fall ist? Fällt ihm einfach nichts mehr ein, was er ihm an den Kopf werfen kann oder begreift er womöglich, dass er hier doch nur auf taube Ohren stößt? Dem Brünetten ist es einerlei, er ist nur heilfroh, endlich wieder seine Ruhe zu haben und sich selbst denken hören zu können.
 

Mit einem fast schon beschwingten Gefühl geht er daher wieder an die Arbeit. Nun betrachtet er sich den Mund des Jungen. Die dick geschwollenen Lippen sind an mehreren Stellen tief aufgerissen und werden von ihm daher mit Klebestrips versorgt. Halb so wild.
 

Anders sieht es da schon bei den Zähnen des Grünhaarigen aus. Schon in der Iceberg Lounge war Ed aufgefallen, dass der Bengel eine regelrechte Bärenfalle im Mund herumträgt – ganz so, als würde man Killer Croc betrachten. Aus der Nähe gesehen, wirkt das Ganze richtig furchteinflößend. Andererseits auch wieder traurig, denn mindestens vier Zähne scheint ihm sein Gegner brutal ausgeschlagen zu haben. Drei weitere sind abgebrochen oder zersplittert. Hier kann Edward nun wirklich nicht viel für ihn tun, einzig ein paar Zahnreste entfernen, die lose herumliegen.
 

Als Letztes widmet er sich nun der gebrochenen Nase des Clowns. Vorsichtig betastet er sie mit den Fingerspitzen. Auch sie ist haltlos angeschwollen. Dennoch kann er genug spüren, um festzustellen, dass sie tatsächlich gebrochen ist. Daher versucht er sie wieder einzurenken und gerade zu rücken. Dies erzeugt jedoch ein widerlich knirschendes Schaben, das er sogar unter den Fingerspitzen spüren und in seinen Ohren hören kann. Unweigerlich schlägt er sich den Handrücken gegen den Mund, um die aufkommende Übelkeit zu unterdrücken, und schluckt dann ein paar Mal hart. Mit geschlossenen Augen atmet er ein langsam und tief durch.
 

Sorgenvoll wird er dabei von Mel beobachtet. „Geht’s, Boss, oder soll ich das vielleicht machen? Ich weiß, wie das geht. Hab mir selbst schon ein paar Mal die Nase wieder eingerenkt.“, kommt es von dem breitschultrige Mann, woraufhin ihm Ed einen dankenden Blick zuwirft. „Geht schon wieder.“, meint er dennoch tapfer und fixiert die lädierte Nase des kleinen Clowns dann mit einem Streifen Gipsverband.
 

Nachdem auch das erledigt ist, lehnt sich Edward erschöpft zurück und schließt einen Moment die Augen. Mel sitzt schweigend neben ihm und sammelt alles ein, was noch übriggeblieben ist. Schließlich sucht der Rätselmeister seinen Blick und lächelt erschöpft. „Ich denke, wir sind fertig.“ „Das ist gut, Boss. – Denkst du, dass er durchkommt?“ „Ich bin mir nicht sicher. Aber ich denke, wenn es ihm bis heute Nacht nicht schlechter geht und er kein Fieber bekommt, dann ist er über den Berg. – Ich denke, du weißt auch, warum ich das getan habe, nicht wahr?“ Mel scheint einen Moment über die Frage nachzudenken, dann nickt er langsam. „Weil er gefährlich ist und andere seinem Beispiel folgen werden, sollte er draufgehen.“ „Genau. Joker mag vielleicht schlimm sein, aber stell dir nur mal vor, wie es wäre, wenn fünfzig oder hundert Typen durch seinen Tod angestachelt durch die Stadt rennen.“ „Er ist das kleinste Übel?“ „Ganz richtig.“ „Verstehe. Ich sag’s den Jungs. Ich denke, dass sie das dann auch begreifen werden.“
 

„Danke Mel. Kannst du mir noch einen Gefallen tun, bevor du dich nachher schlafenlegst?“ „Sicher, Boss.“ Ed greift nach Zettel und Stift, die sich immer auf seinem Nachttisch finden. Sorgfältig notiert er eine kleine Liste und reicht den Zettel dann an den anderen Mann weiter. „Kannst du zur Apotheke in der Miller Street fahren und diese Sachen besorgen? Das Meiste füllt nur unsere Bestände wieder auf und ist nicht ganz so wichtig. Dringend brauche ich aber die Glukoseinfusionen, um Joker wieder auf die Beine zu bringen. Mister Jonas dürfte heute Notdienst haben. Frag ihn am besten auch, was ich noch tun könnte. Du hast ja gesehen, was Joker alles fehlt. Vielleicht hat er ja ein paar Tipps oder Medikamente, die ich ihm geben könnte. Schmerzmittel oder so? Zudem soll er bitte diese Blutprobe von ihm bestimmen und dir eine Konserve davon besorgen. Ich weiß nicht, ob es wirklich nötig ist, doch besser, wir haben eine da und brauchen sie nicht, als das uns der Bengel hier deswegen verstirbt.“
 

„Wird gemacht, Boss.“, erwidert Mel mit leichtem Schmunzeln und nimmt dann das Geld entgegen, das Ed ihm reicht. Dann streckt er die Hand aus und hilft dem Brünetten auf die Füße zurück. „Danke. Lass uns runtergehen und erst mal etwas essen, und vor allen Dingen auf den armen Mike anstoßen...“, bedrückt senkt Nigma den Blick. Doch dann legt sich Mels Arm freundschaftlich um seine Schulter und drückt ihn an sich. „Nicht deine Schuld, Boss. Aber schön, dass du nach alledem noch Hunger hast!“ „Das wird sich zeigen.“, schwach erwidert der Rätselmeister sein Lächeln und lässt sich dann von ihm nach unten führen.
 


 

11
 

Eine Stunde später ist Joker dann mit Infusionen verkabelt, der unglückliche Mike begraben und ausgiebig auf sein Wohl getrunken, sodass sich Edward endlich ins Bett legen kann. Seine Gedanken schwirren wild umher und er glaubt nicht, überhaupt einschlafen zu können. Erst recht, weil es ein irgendwie komisches Gefühl ist, zu wissen, dass man mit einem nahezu Fremden das Zimmer teilt, der auch noch halbtot in einer Ecke auf einer alten Matratze liegt. Zumindest hat sich der schwere Blutgeruch inzwischen verzogen und Riddler scheint es ihm gleichgetan zu haben, hat er sich doch nicht mehr zu Wort gemeldet, nachdem er Ed so unschön beschimpft hatte.
 

Wenigstens etwas. Jetzt heißt es warten, was Jokers Körper mit alledem macht. Leer starren die grünen Augen des Rätselmeisters zur Decke des abgedunkelten Zimmers hinauf. In weiten Teilen von Gotham sitzen die Menschen jetzt am Tisch beim Frühstück zusammen und ahnen gar nicht, was so alles in der letzten Nacht passiert ist, während sie friedlich schliefen. Und sie werden es wahrscheinlich auch niemals erfahren. Ob man sie deshalb als glücklich bezeichnen kann, da will sich Ed nicht festlegen. Unwissenheit kann manchmal ein Segen und ein echter Fluch gleichzeitig sein.
 

Seine Gedanken versuchen noch immer, alles Geschehene Revue passieren zu lassen, um herauszufinden, ob alles, was er getan hat, das Richtige war. Ob er sich irgendwo noch mehr hätte bemühen können. Und noch viel wichtiger: Was alles für heute Abend geplant ist, damit die Aufbauarbeiten in den Narrows ungehindert weitegehen können. Er hat noch nicht einmal einen Bruchteil davon durchgenommen, da fallen ihm so endgültig die Augen zu, als hätte ihn jemand niedergeschlagen...

Awakening


 

1
 

Mit einem wohligen Seufzen ergreift Edward seine Teetasse und wärmt sich wie ein Erfrierender an ihrer glatten Porzellanoberfläche, als wäre jetzt tiefster Winter und kein drückender Sommerspätnachmittag. Es ist kaum eine halbe Stunde her, seit er aufgestanden ist und nun sitzt er hier an dem Tresen, der seine bescheidene Küche vom Wohnzimmer trennt, und denkt nach, was heute Nacht alles ansteht. Neben ihm, auf der dunkelgrauen Resopalplatte, liegt sein Notizbuch aufgeschlagen und wartet sehnsüchtig darauf, dass in ihm ein paar Punkte abgehakt werden können.
 

Allerdings hat er noch nicht den Nerv dafür, sich völlig darauf zu konzentrieren, was so gar nicht typisch für ihn scheint. Ist aber auch kein Wunder, er hat sonst ja auch keinen wahnsinnigen Clown bei sich untergebracht. Seit er den Joker gefunden hat, sind nun schon drei Nächte und drei Tage vergangen und noch immer ist der Junge nicht wieder zu sich gekommen. Seine Wunden scheinen jedoch erstaunlich gut zu heilen. Zudem scheint er nicht mehr vollkommen weggetreten zu sein. Als Ed nach dem ersten Tag aufgewacht war und sich an die Arbeit machen wollte, fiel ihm auf, dass sich der Clown irgendwann auf die Seite gedreht hatte und dabei wie ein Vierjähriger seinen Plüsch-Batman in den Armen hielt. Ein echtes Bild für Götter, und Nigma zweifelt nicht daran, dass er der Erste ist, der den durchgedrehten Bengel jemals so gesehen hat.
 

Der Brünette hielt das alles für ein gutes Zeichen, auch wenn der Grünhaarige nicht darauf reagiert hat, als ihn der Rätselmeister ansprach oder seine Verbände wechselte. Bei seinen regelmäßigen Kontrollbesuchen hatte Joker aber jedes Mal eine andere Position eingenommen, ganz so, als würde er doch nur tief schlafen. Somit heißt es also weiterhin warten. Edward kann es allerdings nur recht sein. Er hat genug zu tun und eigentlich auch so gar keine Zeit, um sich mit dem Jungen zu beschäftigen. Und sollte er wirklich irgendwann aufwachen, wird eh alles erst einmal stillstehen müssen, bis Nigma ihn wieder vor die Tür gesetzt hat. Wie sollte er sich auch auf irgendetwas konzentrieren können, mit dem Gedanken, von diesem wahnsinnigen Bengel dabei beobachtet und ausgelacht zu werden?
 

Nur allein von der Vorstellung, dass ihn diese unheimlich roten Augen mustern und sich diese schrille Stimme in seine Ohren bohren könnte, schüttelt es den Rätselmeister am ganzen Körper, weshalb er seine Teetasse fester umklammert, um sich von ihrer lieblichen Wärme etwas Ruhe zu erhoffen. Für den Moment funktioniert es, doch der Moment ist weit kürzer, als Ed es jemals gedacht hätte...
 


 

2
 

Etwa zur selben Zeit, wo sich Nigma an seiner Tasse wärmt, wird der heilsame Schlaf des Grünhaarigen unruhiger. Mit leichtem Grummeln, als würde er sich vehement dagegen verweigern aufwachen zu müssen, wälzt er sich von einer Seite zur anderen und versucht, sich tiefer in seinen Traum hinein zu graben. Als es ihm endlich gelingt, rollt sein Kopf schwer zur Seite. Das bedeutet allerdings, dass sein schutzloses Gesicht nun mitten in dem einzigen Streifen Sonnenlicht liegt, der sich keck am Rand des schwarzen Vorhangs vorbeischleicht, der das Zimmer abdunkelt. Joker gibt ein überaus missgünstiges Brummen von sich, kneift die Augen fester zusammen und dreht sich dann sehr schwerfällig auf die andere Seite zurück. Sein müder, mitgenommener Verstand braucht eine ganze Weile, ehe ihm aufgeht, was hier falsch ist: Die Scheiben seines Lamborghinis sind vollkommen schwarz getönt, erst recht, damit keine Sonne seinen Schlaf stören kann! Wo also kommt dann das verdammte Licht so plötzlich her?
 

„Fuck...“, nuschelt er kaum verständlich in sein Kissen hinein. Anschließend versucht er seine Augen davon zu überzeugen, sich zu öffnen, weil hier definitiv etwas nicht stimmen kann. Doch warum ist auch das so schwer? Warum fühlt sich alles so schwer an? So schwach und schmerzlich? Was ist passiert, dass er sich jetzt so ausgekotzt fühlt? Ist das ein Kater? Nein, eher unwahrscheinlich. Joker trinkt für gewöhnlich nichts. Schmeckt eh alles wie Medizin, also warum sich so etwas freiwillig antun? Ist er dann womöglich krank? Auch eher unwahrscheinlich. Er wird eigentlich nie krank. Dann bleibt eigentlich nur noch eine Möglichkeit: Er hat ordentlich Prügel bezogen! Doch von wem?
 

Oh, bitte! Diese Frage ist nun wirklich mehr als überflüssig! Es gibt nur einen, der ihn so fertiggemacht haben könnte. „Batsy...“, nuschelt er wieder mit brüchiger Stimme. Ja, richtig! Es war Batman, und jetzt kommt auch langsam die Erinnerung daran zurück. Doch das erklärt noch lange nicht dieses penetrante Licht, das ihn geweckt hat. Im letzten Moment war es ihm gelungen, dem Dunklen Ritter zu entkommen, nachdem er ihn so aufgewühlt hatte. Doch was war dann? Joker wollte zu seinem Auto zurück, weil er sich dort am sichersten fühlt. Doch dieses Licht beweist ihm, dass er dort wohl nie angekommen ist. Dieser Teil seiner Erinnerung liegt in tiefen Schatten und jedes Nachbohren verursacht nur stechende Kopfschmerzen.
 

Das ist allerdings längst nicht der einzige Schmerz, wie er leidlich zugeben muss. Stattdessen scheint es kaum eine Stelle an seinem Körper zu geben, die nicht brennt, pocht, juckt, zittert, knirscht, knackt, sticht oder um Gnade winselt. „Du hast es mir so richtig schön besorgt, was, Batsy...?“, bringt er mit einem schmerzlichen Lächeln hervor und doch scheint die Erinnerung daran süß wie Honig zu sein. All diese Gefühle, die sich regelrecht zu überschlagen scheinen, wenn er nur an den Maskierten denkt...
 

Okay, vergessen wir für einen Moment mal die unverschämt scharfe Fledermaus, auch wenn’s verdammt schwerfällt. So einen Prachtkerl kann man nun wirklich nicht einfach mal so ignorieren, auch nicht für kurze Zeit! Doch es muss jetzt einfach mal sein. Es muss! Viel wichtiger ist doch jetzt aber, wo er sich hier eigentlich befindet. Also nachsehen und auf mögliche Gefahren gefasst machen!
 

Seine Augen sind zwar immer noch eine herrlich anzusehende Veilchenwiese, aber die Schwellungen sind inzwischen verschwunden, dennoch gleicht es einem Kraftakt, sie dazu zu überreden, sich zu öffnen. Es dauert eine gefühlte Minute, bevor sich seine Lider endlich einen Spalt anheben lassen. Erkennen kann er allerdings nichts. Seine Sicht ist noch ganz verschwommen, und abgesehen von diesem miesen Lichtstrahl, der es gewagt hat, ihn zu wecken, scheint es hier auch eher dunkel zu sein. Umso besser. Schwerfällig lässt er die Lider wieder sinken und blinzelt dann ein paar Mal stöhnend.
 

Endlich sind seine Augen ganz offen und er erkennt über sich eine weißgetünchte Decke mit einer altmodischen Schirmlampe in der Mitte. Er scheint an einem Ende eines kleinen Zimmers zu liegen. Unmittelbar hinter seinem Kopf ist das einzige Fenster des Raums. Ein schwarzer Vorhang verdeckt es, nur ein vorwitziger Sonnerstrahl linst an der linken Seite ins Zimmer hinein und erhellt damit genug, dass man alles erkennen kann, ohne sich sonderlich anstrengen oder Finde-die-scharfkantigen-Gegenstände-mit-dem-Schienbein spielen zu müssen, auch wenn der Rest im Halbdunkeln liegt.
 

Links neben sich sieht er nun einen einfachen Kleiderschank aus weiß gestrichenem Holz, der fast die ganze Länge des kleinen Raums einnimmt. Keine der Türen trägt einen Spiegel oder auch nur ein sichtbares Dekor, dafür aber ein paar Haken, an denen ein Hut, eine Krawatte und ein Jackett verteilt hängen. Ein weiterer dunkler Vorhang verdeckt den kleinen Bereich, der nicht vom Schrank eingenommen wird. Joker genau gegenüber ist eine schlichte Holztür zu sehen. Auf der rechten Seite befindet sich direkt neben seinem Kopf ein schmaler Heizkörper. Unweit davon eine schmucklose, weiße Kommode. An sie schließt sich ein einfaches Bett an, dass penibel ordentlich gemacht ist. Ein kleiner Nachttisch, ebenso weiß und schmucklos wie der Rest der Einrichtung, rundet das Bild ab und macht den Raum auch komplett – mehr Platz ist einfach nicht. Jeder Zentimeter wurde bestmöglich ausgenutzt. Sucht der Grünhaarige allerdings nach Bildern oder sonstiger Art von Dekoration oder persönlichem Touch, wird er hier sichtlich enttäuscht. Das Persönlichste sind nur die paar Kleidungsstücke, die an den Schranktüren verteilt hängen.
 

Sein eigener Schlafplatz – wenn er das denn so bezeichnen kann – befindet sich direkt am Fenster und ragt der Länge nach in den Raum hinein. Vielleicht kann er ja erkennen, wo er sich befindet, wenn er aus dem Fenster blickt? Schwerfällig rollt er sich auf die Seite und will sich dann auf die Knie aufrichten. Doch er stoppt mitten in der Bewegung und starrt einfach nur völlig unverständlich unter sich. Das ist doch sein Kissen! Und da ist sein Plüsch-Batman! Und seine Decke! Wer auch immer ihn hierhergebracht hat, hat es offensichtlich auch geschafft, dass absolut tödliche Sicherheitssystem seines Autos zu knacken, um an sein Bettzeug zu kommen! Das ist doch nicht möglich!
 

Ein heftiges Zittern erfasst seinen nackten Körper und lässt ihn so sehr erschaudern, dass seine Zähne zu klappern beginnen, als wäre ihm schrecklich kalt. Moment mal! Er ist nackt? Splitternackt, um genau zu sein! „Scheiße...!“ Was, in aller Welt, ist passiert, nachdem er ohnmächtig geworden sein muss? Eine schier unbekannte Art von Angst krampft ihm das Herz eine Sekunde lang so sehr zusammen, dass er keine Luft mehr bekommt. Mit aller Macht muss er sich zum Weiteratmen zwingen. Dann beruhigt er sich wieder etwas. Wer immer ihn hergebracht hat, wollte ihm scheinbar nichts Böses, sonst wäre sein Körper ganz sicher nicht mit all diesen Verbänden und Pflastern übersäht. Dennoch kommt er nicht umhin, sich irgendwie geschändet zu fühlen. Er braucht Antworten, und zwar schnell!
 

Mit leicht zitternden Fingern streicht er sich einige verklebte Strähnen aus der Stirn, während er mit der anderen Hand schon nach dem Vorhang greifen will. Erneut hält er jedoch abrupt inne und erstarrt abermals. Sein Gesicht ist ebenfalls nackt! Wer auch immer ihn hergebracht hat, hat es doch tatsächlich gewagt, ihn abzuschminken! Sein wahres Ich zu sehen! Somit ist er also nicht nur nackt oder gar splitternackt, sondern nacktnackt! „Oh, nein, nein, neinneinneinneinnein...“, wimmert Joker nun den Tränen nahe. Ohne seine Schminke fühlt er sich so hilflos und verletzbar wie eine Maus in der Falle, während eine hungrige Katze davor hockt. Und das Gefühl, geschändet worden zu sein, ist plötzlich so übermächtig, dass er am liebsten auf der Stelle sterben möchte.
 

Eine einzige, heiße Perle rinnt seine erhitzte Wange hinab, dann krampft sich seine Hand so dermaßen um den schwarzen Vorhang, dass er ihn fast samt Stange von der Wand reißt. Ruckartig zerrt er den Stoff zur Seite und blickt ins grelle Licht der frühabendlichen Sommersonne. Zuerst erkennt er nichts, doch dann gewöhnen sich seine Augen an das stechende Weiß und er bemerkt, dass es gar kein Fenster, sondern eher eine Art Tür ist, durch die er nach draußen blicken kann. Sie ist nicht ebenerdig, weshalb er zuerst an ein Fenster dachte. Nun merkt er jedoch, dass er eine Art Balkon oder Dachterrasse vor sich hat. Er tippt auf zweiteres.
 

Ein grobes Metallgitter umrundet den gesamten Bereich, der mehrere Quadratmeter umfasst und damit weit größer als dieses Zimmer hier ist. Der Untergrund besteht aus schlichter, schwarzer Dachpappe, wirkt damit irgendwie unfertig. Unweit der Tür steht jedoch ein weißer Plastikgartentisch mit zwei ebensolchen Stühlen auf einigen Holzbrettern. Aus der Mitte des Tisches ragt ein großer, dunkelgrüner Sonnenschirm heraus, der jetzt aber zusammengeklappt ist. Sonst gibt es nichts, keine Pflanzen oder Dekoartikel, rein gar nichts. Wer immer hier wohnt – oder das Ganze womöglich als Versteck benutzt –, mag es scheinbar schlicht und zweckmäßig. Also ganz sicher schon mal keine Frau, von Kindern ganz zu schweigen. Auch gut, denn diese zwei Drittel der Bevölkerung gehen ihm für gewöhnlich tierisch gegen den Strich. Frauen sind blanke Konkurrenz für den kleinen Clown – nehmen sie einem doch immer alle guten Kerle weg – und zu meist an anstrengender Nervigkeit nur noch von Kindern zu überbieten.
 

„Ich muss hier dringend raus...“, teilt Joker dem Zimmer halblaut mit und versucht dann irgendwie auf die Füße zu kommen. Im ersten Moment eine schier unlösbare Aufgabe, doch dann gewinnt er wieder Kontrolle über sich und steht auf. Langsam und auf wackligen Füßen tapst er zur Tür hinüber. Vorsichtig schließt sich seine Hand um die altmodische Klinge und betet dafür, dass nicht abgeschlossen ist. Sicher würde sich hier etwas finden, womit er das Schloss knacken könnte, aber das würde unter Umständen den Besitzer dieses reizenden Raums auf den Plan rufen, und Joker weiß beim besten Willen nicht, ob er es in seinem jetzigen Zustand mit ihm aufnehmen könnte.
 

Tief atmet er ein und aus und drückt die Klinge dann so langsam wie nur irgend möglich herunter. Das macht schon einmal keinen Laut, hoffen wir also mal, dass die Tür selbst jetzt nicht quietscht wie eine abgestochene Katze. Fest beißt er sich auf die Unterlippe und vergrößert dabei den Spalt Zentimeter für Zentimeter. Es scheint eine Ewigkeit zu dauern, bis er groß genug ist, dass der junge Clown hindurchschlüpfen kann. Dann jedoch steht er in einem winzigen Flur.
 

Rechts sieht er eine weiße Tür, die vermutlich ins Freie oder einen Hausflur führt. Rechts vor sich ist eine weitere Holztür, die halboffen steht und in ein Badzimmer zu führen scheint. Ein schmales Fenster befindet sich über einer Wanne der Tür gegenüber. Daneben sieht er ein Waschbecken und einen Teil der Toilette. Die andere Seite des Raums wird von der Tür verborgen.
 

Links vor sich geht es in einen weiteren Raum. Die Tür steht offen und Joker kann ein halbes Dutzend Bücherregale an der Wand aufgereiht sehen. Das Zimmer liegt in angenehmem Halbdunkeln, was bei den noch herrschenden Temperaturen sicher eine gute Idee ist. Die Fenster sind ebenfalls mit schwarzen Vorhängen verdunkelt, doch irgendwo auf der anderen Seite der Wand, die Joker den vollständigen Blick in den Raum nimmt, brennt eine Lampe. Das Zimmer hat einen merkwürdigen Schnitt, wie es scheint. Die Wand mit den Bücherregalen wirkt dabei fast wie ein weiterer kleiner Flur.
 

Dort, wo das Licht brennt, befindet sich also sicher jemand – vielleicht auch mehrere Leute. Plötzlich vernimmt er eine Stimme, die halblaut vor sich hinmurmelt. Der Grünhaarige versteht kein Wort, doch irgendwie kommt sie ihm dennoch seltsam bekannt vor. Doch woher? Wer ist es? Langsam setzt er einen Schritt vor den anderen, nutzt es aus, dass er nicht richtig in den Raum hineinsehen kann, so kann der andere ihn sicher auch nicht kommen sehen, und tritt näher heran. Bereit, den anderen, wenn nötig, mit bloßen Händen um die Ecke zu bringen...
 


 

3
 

Gedankenversunken nippt Edward an seinem Tee und geht Seite für Seite das Notizbuch durch. Mit einer gewissen Erleichterung stellt er dabei fest, dass heute Nacht nicht so viel ansteht, wie er befürchtet hatte, und er somit endlich etwas von den Sachen aufarbeiten kann, die bisher leider liegengeblieben sind. Das ist gut, denn für morgen sieht der Plan schon ganz anders aus. Dann stehen wieder Baustellenbesichtigungen an, und das zieht sich immer ziemlich hin. Doch so etwas muss eben gemacht werden, wenn man einen Zeitplan einhalten und alles so perfekt und schnell wie möglich machen will, obwohl er sich da für gewöhnlich stets auf seine tüchtigen Arbeiter verlassen kann.
 

Langsam schließt er die Augen und nimmt einen weiteren Schluck Tee. Allerdings kommt er nicht dazu, die Tasse wieder abzustellen, um eine neue Seite aufzuschlagen. Praktisch im selben Moment, in dem das Porzellan seine Lippen verlässt, packt ihn jemand ruckartig am Kragen. Ed kann noch nicht einmal nach Luft schnappen, da wird er auch schon überaus grob von seinem Barhocker gezerrt und so heftig gegen die Kante der Resopalplatte gedrückt, dass sein Rückgrat ein schmerzliches Knacken von sich gibt. Mit lautem Poltern fällt das Sitzmöbel dabei um, gleichzeitig zerschellt die Tasse auf dem Holzboden und verspritzt ihren restlichen Inhalt in alle Himmelsrichtungen.
 

‚Und tschüss...‘, verkündet der Riddler in seinem Kopf, während Nigmas Blick es geradeso schafft, den durchgeknallten Clown als seinen Angreifer zu identifizieren. Und schon verschwindet seine schlechtere Hälfte auch schon und überlässt ihn somit seinem Schicksal, selbst mit dem Grünhaarigen fertigzuwerden.
 

„DU! Was fällt dir eigentlich ein, mich so zu behandeln, du abgefuckter Sohn eines räudigen Nacktmulls? Was soll der Scheiß? Findest du es etwa lustig, mir die Klamotten vom Leib zu reißen und mein Gesicht so zu verunstalten? Antworte mir gefälligst, ehe ich mit dem Inhalt deines seltendämlichen Schädels die Wände neu streiche!“ Zornig ballt der Junge vor ihm die Faust und holt damit schlagbereit aus. Gott, der Bengel ist fast zwanzig Zentimeter kleiner und sicher an die dreißig Pfund leichter als Ed und dennoch kommt es dem Rätselmeister so vor, als würde Batman höchstpersönlich Hand an ihn legen. Diese Kraft ist einfach nur erschreckend, erst recht in seinem derzeitigen Zustand!
 

Sein grünes Haar ist wild verwuschelt und erinnert an einen windgepeitschten Laubbaum auf dem Höhepunkt des Sommers. Seine unnatürlich roten Augen blicken noch wilder, gleich einem lodernden Feuer in der Unterwelt. Wenn das Lachen aus ihnen verschwindet, hat Joker die durchtriebenen Augen eines kaltblütigen Mörders, und der Brünette zweifelt keine Sekunde daran, dass jetzt sein letztes Stündlein geschlagen hat...
 

Ed spürt, wie etwas in seinem Kopf, das sich wie ein zerschlissenes Seil anfühlt, langsam nachgibt. Er vermutet, dass das seine verbliebene geistige Gesundheit sein könnte, und an dieser Erkenntnis zerbricht sein bisschen Mut schließlich. Er kann es nicht mehr ertragen, was auch auf dem Spiel stehen mag, er zittert hilflos. Doch es ist längst zu spät zum Weglaufen...
 

Typen wie Joker wissen selbst nicht einmal, was sie von einer Minute zur anderen machen werden, und genau das macht sie ja so gefährlich. Denn sie sind verrückt, wild und auch noch stolz darauf. „Es – es tut mir leid! – Da – da war so viel Blut! – Oh, bitte, es tut mir leid! – Ich wollte dir doch nur helfen! – Bitte nicht schlagen...“, stammelt Edward hilflos, während er vom Joker weiterhin erschreckend kraftvoll gegen den Tresen gedrückt wird. Es ist die Stimme eines Mannes am Rand nackter Panik und hat kaum mehr Ähnlichkeit mit seiner eigenen. Maßregelnd funkelt ihn der Clown noch einen Moment lang an, dann lässt er von ihm ab. „Fass mich noch einmal an und du bist tot, Freundchen!“, faucht der Kleinere schon beinahe und stapft dann einfach aus dem Zimmer. Ed sinkt währenddessen zitternd auf die Knie und legt sich theatralisch eine Hand auf das heftig klopfende Herz. Am liebsten würde er sich jetzt auf dem Boden zusammenrollen und wie ein kleines Kind anfangen zu weinen. Er spürt schon das heiße Brennen hinter seinen schreckgeweiteten Augen. Doch das kann er nicht machen, dann würde Joker sicher erst recht einen Grund haben ihm wehzutun.
 

Stattdessen merkt er, dass sich der Grünhaarige scheinbar ins Bad verzieht. Verrückte sind erstklassige Türenknaller und Ed hat sich den wohl größten davon direkt ins Haus geholt, wie es scheint. Die Tür knallt nämlich sogar gleich zweimal, ehe endlich trügerische Stille einkehrt, ganz so, als hätte sie beim ersten Mal nicht richtig geschlossen, was der Brünette doch sehr bezweifelt. Aber egal, völlig egal. Joker ist auf jeden Fall an der richtigen Stelle, denn Edward hatte die Kisten mit seinen Klamotten und der Schminke im Bad gelagert. Er hatte gerade zwar keine Chance, es ihm zu sagen, doch er ist sich sicher, dass der Junge sie schon finden wird.
 

Es dauert eine Weile, doch dann schafft er es, wieder auf die Füße zu kommen, den Hocker aufzustellen und sich noch leicht zitternd gegen die Resopalplatte zu lehnen. Wie automatisch gleitet seine eine Hand dabei unter den Rand des Tresens und tastet nach einem kleinen Knopf in der Ecke – einem Notfallknopf, von denen es in der ganzen Wohnung an etlichen Stellen welche gibt. Wenn er ihn drückt, werden seine Männern in wenigen Sekunden hier oben sein und ihm helfen – oder es zumindest versuchen werden, denn Nigma bezweifelt, dass sie es selbst bewaffnet wirklich mit Joker aufnehmen könnten, sogar in dessen geschwächtem Zustand. Doch er stockt. Schließlich lässt er die Hand wieder sinken. Im selben Moment ertönt das Wasserrauschen der Dusche, gefolgt von einem überaus hochtönigen Quieken und gedämpften Flüchen.
 

Unwillkürlich zuckt der Mundwinkel des Brünetten nach oben. „Tja, Kleiner. Wärst du eine halbe Stunde früher aufgestanden, hättest du jetzt warmes Wasser zum Duschen...“, kommt es ihm leicht schadenfroh über die Lippen, ehe er sich daran macht, die Splitter der kaputten Tasse einzusammeln. Gleichzeitig wird ihm aber bewusst, dass er selbst vor kaum mehr als einer halben Stunde unter der Dusche stand. Wäre Joker also gerade dann wachgeworden, hätte das sicher sehr böse enden können. Vehement schüttelt er daher den Kopf und verdrängt den Gedanken wieder.
 

‚Lass den Scheiß, Mann, und drück endlich den verdammten Knopf!‘, harscht ihn der Riddler dabei an. Missgünstig verzieht Ed das Gesicht. ‚Ach? Traust du dich etwa auch schon wieder raus?‘, fragt er seine schlechtere Hälfte zornig. Seine Worte bleiben jedoch unkommentiert. ‚Was ist los mit dir? Der Irre kann jeden Moment zurückkommen und dir eine ordentliche Abreibung verpassen! Willst du das etwa?‘ ‚Nein, natürlich nicht...‘ ‚Dann beweg dich und ruf die Trottel, die du als deine Leute bezeichnest, damit sie dem Bengel mal ordentlich den Hintern versohlen oder noch besser, ihm gleich eine Kugel in seinen verqueren Schädel jagen!‘ ‚Das werde ich nicht tun.‘, erwidert der Rätselmeister ruhig, während er die Scherben in den Mülleimer fallenlässt und nach einem Lappen zum Aufwischen greift. ‚Hackts bei dir? Oder ist das wieder so eine komische Anwandlung, die du neuerdings hast? Hat es dich womöglich sogar geil gemacht, von so einem nackten Zwerg beinahe die Fresse poliert zu bekommen?‘
 

Angewidert verzieht Ed abermals das Gesicht. ‚Erzähl nicht immer so einen Mist und verkneif dir doch endlich mal dein homophobes Gehabe, das ist ja wirklich schrecklich! Er hatte doch nur Angst und war orientierungslos. Dafür kann ich ihn unmöglich bestrafen. Er ist immerhin gerade erst wachgeworden und das auch noch an einem fremden Ort. Ich kann verstehen, dass er da aufgebracht ist. Außerdem ist doch gar nichts passiert.‘ ‚Red dir so einen Scheiß nur weiterhin ein, Freundchen, aber du wirst schon sehen, was abgeht, wenn du seinetwegen mit einem Messer im Rücken aufwachst! Dann brauchst du gar nicht bei mir angekrochen kommen und um Hilfe betteln!‘ ‚Sag mal, hörst du dir eigentlich jemals selbst zu? Wenn ich ein Messer im Rücken hätte, ist die Chance hoch, dass ich gar nicht mehr aufwache. Und dich werde ich ganz sicher nicht um Hilfe bitten, weil du dann nämlich ebenfalls im Sterben liegst und mir außerdem so oder so nicht helfen könntest, weil du nur in meinem Kopf hockst und große Reden schwingst!‘ ‚Tse! Mit dir kann man einfach kein vernünftiges Gespräch mehr führen, seit dir dieser Bengel vor die Füße gekommen ist!‘ ‚Das Kompliment kann ich nur dankend zurückgeben! Außerdem wollte ich ja auch nicht mit dir reden. Also sei endlich still und lass mich das auf meine Art machen!‘
 

‚Was für eine Art soll das sein? Die Wie-pinkel-ich-mir-am-schnellsten-in-die-Hosen-wenn-ein-Mörderclown-vor-mir-steht-Art etwa? Das wird den Bengel sicher beeindrucken!‘ ‚Weißt du, eine große Klappe bringt einen nur weiter, wenn man auch etwas dahinter hat!‘ ‚Oh, werden wir jetzt etwa schnippisch, ja? Schön, dann sieh doch zu, wie du klarkommst! Ich will diese Schwuchtel eh nicht in meiner Nähe haben! Also setz ihn gefälligst vor die Tür, wenn er seinen blassen Arsch irgendwann unter der Dusche hervorbekommt!‘, und damit beendet der Riddler seine sinnlose Ansprache glücklicherweise endlich und lässt Nigma erst einmal wieder mit seinen Gedanken allein. Seufzend macht sich dieser derweilen daran, den verschütteten Tee aufzuwischen.
 


 

4
 

Noch während er damit beschäftigt ist, hört er, wie das Wasser abgestellt wird. Dafür rumpelt und poltert es nun gedämpft im Bad. Vermutlich sucht Joker seine Sachen zusammen. Das soll Ed nur recht sein, so hat er noch ein paar Augenblicke, um sich wieder zu sammeln. Sich vielleicht sogar zu überlegen, wie er den Grünhaarigen möglichst freundlich und beiläufig zum Gehen überreden kann. Er hält es in jedem Fall nicht länger mit ihm aus. Diese nagende Angst, dass der Bengel irgendetwas tun könnte, das ihm schadet, macht ihn ganz verrückt. Zudem das ständige Nörgeln des Riddlers diesbezüglich. Da platzt ihm bald der Kopf.
 

Mit einem schweren Seufzen setzt er sich schließlich zurück auf seinen Hocker und blickt in sein Notizbuch, um herauszufinden, wo er so harsch unterbrochen wurde. Oder besser gesagt: Er starrt es an und findet keinen Faden mehr wieder. Das ist so untypisch für ihn. Was ist nur los? Bringt ihn dieser Clown wirklich so durcheinander? Gut möglich. Immerhin muss Ed so lange um sein Leben fürchten, wie dieser Bengel sich in seinen vier Wänden herumtreibt. Daher vermutlich gar kein Wunder, wenn er sich nicht mehr konzentrieren kann. Mit schmerzlich verzogenem Gesicht beginnt er damit, sich die pochenden Schläfen zu massieren, in der Hoffnung, die aufziehende Migräne noch einmal zu vertreiben. Oh, wie gern würde er jetzt ein Aspirin nehmen und sich noch einmal etwas hinlegen. Doch die verdammten Tabletten sind natürlich im Badezimmer! Das ist heute so gar nicht sein Tag, wie es scheint, und dabei hat er doch gerade erst angefangen – auch wenn es schon sechs Uhr nachmittags ist; aber immerhin sind Gothams Schurken für gewöhnlich nachtaktiv und Ed macht da auch hier keine Ausnahme. Geknickt schließt er die Augen, reibt sich weiter die pochenden Schläfen und verdrängt die ganze Welt um sich herum.
 

Dabei merkt er gar nicht, wie die Zeit vergeht und Joker das Bad wieder verlässt. Erst als der Junge plötzlich neben ihm steht und Ed dieses unnachahmliche Gefühl verspürt, beobachtet zu werden, schreckt er heftig zusammen und betrachtet den jungen Clown verängstigt. Dieser erwidert seinen Blick nur vollkommen unschuldig. Allerdings scheint er fündig geworden zu sein, da er nun wieder komplett bekleidet und geschminkt vor ihm steht.
 

Seine grellgrünen Haare sind geschickt zu einer aufwendigen Frisur gestylt. Die Lider seiner erschreckend blutroten Seelen sind in einem satten Gelb gehalten und harmonieren damit mit dem ungesund wirkenden Gelb seines Augengrundes. Ein schwarzer Eyeliner und ebenso schwarze Wimperntusche runden das Ganze ab, indem sie durch die optische Vergrößerung der eh schon großen Augen seinem Aussehen noch mehr naive Kindlichkeit verleihen. Sein Gesicht, die Ohren und sein Hals sind komplett weiß geschminkt. Auf seinen Wangen liegt allerdings je ein kräftiger Rougefleck. Den Gipsstreifen auf seiner Nase hat er entfernt. Seine Lippen sind sattrot geschminkt. Er trägt auch wieder Ohrstecker, wobei der linke grün und der rechte lila ist. Ed fragt sich kurz, ob das Absicht ist, oder ob der Bengel einfach nur keine passenden mehr hat, nachdem er im Kampf einen hat einbüßen müssen.
 

Das T-Shirt des Clowns ist Mitternachtsblau, geziert mit einem wilden Muster aus bunten Dreiecken, Linien und Punkten. Zudem ist das Hemd so dermaßen enganliegend, dass es Nigma nicht schwerfällt festzustellen, dass der Junge sich auch all seiner Verbände entledigt hat. Etliche Pflaster verteilen sich aber noch auf seinen Armen und dem schmalen Streifen Haut, den das Hemd von seinem Bauch sehen lässt. Seine zierlichen, aber erstaunlich kräftigen Hände stecken in violetten, fingerlosen Handschuhen und seine Nägel sind so grell neongrün lackiert, dass sie regelrecht giftig wirken. Im Gegensatz zu seinem äußerst engen Oberteil ist seine gelbe Hose richtiggehend ausladend geschnitten. Der Gummibund schmiegt sich fest um seine wohlgeformten Hüften und der Stoff sitzt am Hintern schon nahezu verboten stramm, um ihn perfekt in Szene zu setzen, wie es dem Brünetten scheint. An den Beinen ist die Hose jedoch so weit, dass sie einen richtigen Puffeffekt hat und somit schon fast an die Ballonhosen erinnert, die in den 80ern in Mode waren. Das wird noch durch die vielen schmalen, bunten Streifen unterstrichen, die den Stoff zieren.
 

Weiße Hosenträger gehören ebenfalls zum Stil des Clowns. Sie hängen im Moment jedoch ungenutzt seitlich an den Hüften herab. Das Gesamtbild wird durch lilafarbene Chucks mit weißer Kappe abgeschlossen. Der Bengel hat allerdings darauf verzichtet, die ebenfalls giftgrünen Schnürsenkel zuzubinden. Doch sie sind nicht sonderlich lang, weshalb sie ihm vielleicht nicht einmal im Weg sind und er sie schon aus Prinzip nicht bindet. Edward hat aber nur eine Sekunde, um das Äußere des Grünhaarigen zu betrachten, dann beginnt dieser auch schon zu sprechen.
 

„Irgendwas stimmt mit deiner Dusche nicht. Da gib’s nur kaltes Wasser, egal was auch immer ich gemacht hab.“, beklagt er sich etwas, doch es wirkt nicht, als wenn er Ed dafür wirklich rügen wollen würde. Dafür fällt dem Rätselmeister auf, dass sein Gegenüber ganz leicht lispelt. Dieser kaum merkliche Sprachfehler war ihm schon in der Iceberg Lounge unbewusst aufgefallen, doch jetzt hat er die Zeit, ihn richtig wahrzunehmen. Als Joker ihn vorhin angebrüllt hat, war davon jedoch nichts zu hören. Der Brünette denkt, dass das Lispeln sicher dadurch ausgelöst wird, dass dem bedauernswerten Clown durch den Kampf ein paar Zähne fehlen. Diese Annahme widerlegt sich im Verlauf ihres Gesprächs allerdings, denn wenn Joker grinst, kann Ed sehr gut sehen, dass ihm gar keine Zähne mehr fehlen! Dass erinnert ihn unweigerlich an Killer Croc, dem unentwegt die Zähne nachwachsen, und scheinbar ist es beim animalischen Gebiss des Grünhaarigen ganz ähnlich. Weshalb das Lispeln wohl eher daher rührt, dass er beim Sprechen unbewusst die Zunge von den scharfen Spitzen fernhält, um sich nicht selbst zu verletzen.
 

„Ähm, ja, dass – dass ist um diese Zeit normal.“, erwidert der Rätselmeister ihm nun schüchtern. Jokers Stirn legt sich fragend in Falten. „Ach ja? Ist da ein Zeitschalter hinter oder was soll das?“ „Nein – ähm – das Warmwasser- und Stromnetz sind hier noch nicht sonderlich stabil, weshalb es nur bestimmte Zeitfenster über den Tag verteilt gibt, in denen alles zuverlässig funktioniert...“
 

„Soso. Und wo ist hier eigentlich?“ Ed schluckt hart und traut sich kaum, es auszusprechen, ist doch niemand sonderlich angetan von diesem runtergekommenen Ort. „Wir – wir sind hier in – den Narrows...“, er bedenkt sein Gegenüber mit einem flehenden Blick und spricht das letzte Wort so leise aus, dass es kaum mehr als ein Flüstern ist. „Die Narrows? Was hat einen gestriegelten Typen wie dich denn an so einen verkommenen Ort gebracht?“, kommt es sichtlich belustigt von dem Clown. Leicht überrascht von dieser Reaktion, blinzelt Ed sichtlich verwirrt und versucht im stark geschminkten Gesicht des Jungen vor sich etwas zu lesen, was diese scheinbare Belustigung nicht wiedergibt. Doch sie scheint echt zu sein, soweit Ed das beurteilen kann.
 

„Nun ja, ich habe gelernt, dass nicht das, was ich tue, falsch ist, sondern das, was infolge meines Handelns aus mir werden könnte.“ Jetzt ist der fragende Ausdruck im Gesicht des Grünhaarigen zu perfektem, kindlichem Unverständnis geworden. „Und das soll heißen...?“ „Ich – ähm – naja, ich habe über die Jahre beobachtet, was aus den anderen Schurken folglich ihres Handelns und ihrer Entscheidungen so geworden ist. Wie sich ein jeder von uns entwickelt hat. Das alles immer nur schlimmer wird. Wir, Batman, einfach alles. Es keine sonnige Zukunft für auch nur irgendeinen von uns geben wird, wenn wir uns nicht grundlegend ändern. Und ich wollte nicht irgendwann aufwachen und feststellen, dass auch ich so bin – im schlimmsten Fall ein gehasster und gehetzter Mörder und auch womöglich auch noch stolz darauf. Mit dem Riddler in mir würde es sicher irgendwann soweit kommen und das will ich um jeden Preis verhindern. Von daher habe ich mich hier niedergelassen und versuche jetzt, alles wiederaufzubauen. Den Menschen hier zu helfen, um mich von all den Verbrechen zu lösen, die ich früher begangen habe. Ich weiß, ich war nie der wirklich böse Junge, den man fürchten musste, dennoch fühle ich mich schlecht bei dem, was ich so getan habe. Auch wenn ich es nicht wirklich war, sondern der Riddler...“
 

Einen Moment steht Joker einfach nur neben ihm und scheint über seine Worte nachzudenken. „Hm. Klingt irgendwie sogar logisch. Auch wenn sich Batsy sicher wünschen würde, dass einer der andren so einen Sinneswandel hätte und nicht der Harmloseste von allen. Aber immer noch besser du als gar keiner, oder? Ist zumindest ein Anfang. – Aber sag mal, du bist doch der Riddler, oder versteh ich da irgendwas falsch?“ Ed kann sich ein nachsichtiges Schmunzeln kaum verkneifen. Wer hätte gedacht, dass man sich so vernünftig mit dem Joker unterhalten kann, wo er eben noch auf hundertachtzig war? Zum anderen weiß Nigma nicht, wie oft er diese Frage schon beantwortet oder die Leute aufgeklärt hat. Es hat Ewigkeiten gedauert, bis die Bewohner der Narrows begriffen haben, dass er nicht der Riddler ist und sie ihn daher auch nicht so ansprechen sollten. Es ist ihm zwar auch etwas unangenehm, wie sie ihn nun stattdessen ansprechen, aber das kann er ihnen nun wirklich nicht ausreden, egal was auch immer er versucht. Aber immer noch besser als mit dem Namen seiner schlechteren Hälfte angesprochen zu werden.
 

„Ja und nein. Alle kennen mich als den Riddler, aber eigentlich bin ich nur Edward Nigma. Der Riddler ist Teil meiner Persönlichkeit und wohnt sozusagen in meinem Kopf. Manchmal übernimmt er die Kontrolle und fast alle Verbrechen, die auf mein Konto gehen, wurden eigentlich von ihm begangen. Er ist so etwas wie meine schlechte Seite und indem ich Gutes tue, versuche ich ihn loszuwerden, nicht zuletzt, weil er ein herzloses und machtgieriges Aas ist.“ „Du meinst, so wie bei Two Face?“, fragt der Grünhaarige mit einem Grinsen, scheint ihn der zwiegespaltene Ex-Staatsanwalt mit seiner Art doch ziemlich zu belustigen. „Ja. – Nein. – Nicht ganz. – Two Face und Harvey sind praktisch gleichberechtigt, weshalb man sich auch mit beiden zur selben Zeit unterhalten kann. Bei mir ist das anders. Der Riddler ist eine Stimme in meinem Kopf, den niemand außer mir hören kann. Ich kann mit ihm reden und wenn ich es zulassen, kann er die Kontrolle über meinen Körper übernehmen und ihn steuern, selbst agieren, während ich alles aus dem Hintergrund beobachten kann. Er kann aber jeder Zeit alles sehen und hören, was auch ich sehen und hören kann, und dann gibt er zumeist ungefragt seinen Senf dazu und versucht mich zu anderen Dingen zu überreden, die ich nicht tun will. – Er ist genau wie die anderen Schurken in Gotham. Ein skrupelloser Mistkerl, der nur auf seinen Vorteil aus ist und dafür über Leichen gehen würde...“, betrübt lässt der Brünette die Schultern hängen und ist heilfroh, dass seine schlechtere Hälfte ausnahmsweise einmal nichts dazu zu sagen hat.
 

„Klingt so, als wäre dir klar, dass du einen Sockenschuss hast, im Gegensatz zu Mister Black-and-White, der das nicht weiß. Aber das ist gut. Wenn dir klar ist, was nicht richtig ist, kannst du vielleicht wirklich etwas dagegen tun.“ Verwundert betrachtet Edward ihn. So eine tiefgründige Antwort hat er echt nicht erwartet, so viel Verständnis erst recht nicht. Gleichzeitig stimmt es ihn traurig, dass Joker ihm solche Sachen sagt, wo er selbst doch ganz offensichtlich nicht begreift, dass er ebenfalls total durchgeknallt ist. Abermals kommt in dem Brünetten der unergründliche Wunsch auf, ihm helfen zu wollen. Dieser Gedanke wird aber augenblicklich vom Riddler niedergerungen, der ihn aufs Schärfste daraufhinweißt, dass der Bengel ganz sicher nur so tut, um den richtigen Moment dafür abzuwarten, um ihn um die Ecke bringen zu können. Sich praktisch sein Vertrauen versucht zu erschleichen, indem er ihn mit seinem Verständnis in Sicherheit wiegt. Vehement verdrängt der Rätselmeister diese verhasste Stimme.
 

„Ich versuche mein Bestes, auch wenn es manchmal ziemlich schwer ist. Besonders, wenn der Riddler die ganze Zeit an mir herumnörgelt wie eine herrische Ehefrau...“ „Oh, ich kann mir vorstellen, dass dir das ziemlich auf die Eier geht. Vielleicht solltest du ihn mal rauslassen, damit ich ihm die Meinung geigen kann? Wäre sicher lustig!“ Das Grinsen den kleinen Clowns hat etwas überaus Beunruhigendes an sich und Ed kann den Riddler in seinem Kopf regelrecht danach lechzen spüren, dem Wunsch des Bengels nachkommen zu dürfen, nur um ihm dann eine Kugel in die Stirn zu jagen. „Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist. Das würde sicher nur in einem unnötigen Blutvergießen enden. – Aber ihr würdet euch sicher ziemlich gut verstehen, mit eurer unschönen Ausdrucksweise...“, gibt Ed unbedarft zurück.
 

„Wa soll denn das jetzt wieder heißen? Passt dir was nicht daran, wie ich rede?“, fragt der Jüngere scharf. Leicht zuckt Ed zusammen und hebt beschwichtigend die Hände. Eiligst macht er sich selbst wieder bewusst, dass Riddler in seinem Kopf so viel Müll erzählen kann, wie er will, und es doch zu nicht viel führt, der durchgeknallte Clown aber direkt vor ihm steht und ihm ziemlich schlimme Dinge antun kann, wenn er die Beherrschung verliert. Hart schluckt er wieder. „So war das gar nicht gemeint! Bitte nicht aufregen! Ich meinte nur, dass ihr beide eine ziemlich temperamentvolle Art habt, euch auszudrücken...“ Jokers Augenbraue zuckt in die Höhe, während er sein Gegenüber etwas streng mustert. „Du meinst, weil ich fluche wie ein verficktes Ghettokind?“ Der Brünette ist sich nicht sicher, ob er darauf wirklich antworten sollt, aber der Blick des Kleineren zwingt ihn praktisch dazu. „So – könnte man es wohl ausdrücken...“, erwidert er äußerst kleinlaut. Der Grünhaarige zuckt allerdings ziemlich lässig mit den Schultern. „Tja, dagegen kann ich nichts machen, weil ich nun mal ein verdammtes Ghettokind bin. Also komm damit klar, mein Hübscher!“
 

Daraufhin wendet sich Joker von ihm ab, um sich scheinbar etwas in der Wohnküche umzusehen, und somit ist die Diskussion wohl beendet. Edward kommt allerdings nicht umhin, sich zu fragen, wie der Jüngere das genau gemeint hat. Gut, er scheint schon eine Weile in seinem Auto zu wohnen, doch deshalb eignet man sich doch keine so unflätige Ausdrucksweise an, selbst wenn man ganz allein ist und einen niemand zurechtweißt. Unweigerlich fragt sich der Rätselmeister daher, was Joker wohl schon so alles durchgemacht hat, um so zu werden, wie er jetzt ist. Erst recht bei all den Verletzungen, die er unmöglich von Batman haben kann. Allein schon diese grausigen Narben in seinem Gesicht. Jeder der Schurken Gothams hat seine eigene, zumeist traurige Vergangenheit, die ihn auf die schiefe Bahn gebracht hat. Ed ist da keine Ausnahme. Doch was ist dem Clown widerfahren, und gibt es eine Möglichkeit ihm zu helfen, so wie sich der Brünette hier selbst zu helfen versucht, oder ist es für den Grünhaarigen vielleicht schon zu spät, den Rückwärtsgang einzulegen? Fragen über Fragen, die sich Edward regelrecht genötigt fühlt, beantwortet haben zu wollen. Aber er ist sich bewusst, dass er mit diesem Gedanken einen sehr gefährlichen Weg beschreiten könnte...
 


 

5
 

Nigma hat seine Gedanken noch gar nicht ganz beendet, da sieht er, wie der Kleine anfängt, ungefragt in sämtliche Küchenschränke zu gucken. ‚Der Bengel ist echt dreist, sag ich dir. Bestimmt hat er das auch im Schlafzimmer gemacht und deine Unterwäsche durchwühlt! Diese elende, perverse Schwuchtel! Schmeiß ihn endlich raus, verdammt!‘, harscht der Riddler nun wieder zähneknirschend in seinem Kopf. ‚Ach, sei doch still! Jedes falsche Wort könnte mein Ende sein, also sei still!‘, zischt Edward angefressen zurück, auch wenn er sich nicht vorstellen will, wie Joker vielleicht tatsächlich seine Schränke durchsucht hat. Zwar hat der Brünette nichts zu verstecken – zumindest nicht im Schlafzimmer –, dennoch läuft es ihm bei der Vorstellung kalt den Rücken hinab. Andererseits wäre es vielleicht ein Ausgleich dafür, dass Ed ihn so unfreiwillig nackt gesehen hat...
 

„Ähm, was wird denn das, wenn ich fragen darf?“, wendet er sich nun doch an den kleinen Clown. „Wenn ich aufgebracht bin, gibt es nur ein Mittel, um mich wieder völlig zu beruhigen: Essen. Also wo versteckst du das ganze Zeug?“, gibt er zurück und dreht sich nur so lange zu dem Älteren herum, um seinen Fingerzeig zu sehen. Neben den ganzen Bücherregalen, die Joker vom Flur aus zuerst aufgefallen waren, gibt es noch einen schmalen Schrank mit Türen. Nun öffnet der Grünhaarige sie geschwind und schaut hoffnungsvoll hinein. Allerdings wirkt er auf Ed ziemlich enttäuscht.
 

„Willst du mich verscheißern? Da sind doch bloß Konserven und 5-Minuten-Nudeln. Wer soll denn davon sattwerden?“, schmollend blickt ihn der Junge an. Der Rätselmeister würde ihm gern sagen, dass er davon ganz gut sattwerden kann, doch er entscheidet sich für die andere Wahrheit. „Weißt du, es ist ziemlich schwierig, hier an frische Sachen heranzukommen. Und auch das, was du in dem Schrank siehst, ist in dieser Menge nicht so einfach zu beschaffen. Nicht einmal für mich, obwohl ich die Hand über alles hier habe. Man lebt hier immer am untersten Minimum, wenn man nicht die Möglichkeit hat, in die Innenstadt zu gelangen, von Geld ganz zu schweigen. Diese Möglichkeiten habe ich, aber ich sehe es nicht ein, mich unnötig zu bereichern, während die Leute um mich herum womöglich hungern müssen. Deswegen habe ich nur so viel, dass es im Ernstfall ein paar Tage reicht.“ Das bringt den Jungen nur noch mehr zum Schmollen.
 

„Scheiße Mann, wie lange war ich überhaupt weggetreten? Ich hab so Hunger...“ Der Anblick des Grünhaarigen lässt Ed auf seltsame Weise das Herz schwer werden. „Seit ich dich gefunden habe, sind etwa 88 Stunden vergangen. Keine Ahnung, wie lange du da schon bewusstlos in der Gasse gelegen hast. – Aber ich glaube, im Tiefkühlfach müsste noch Hackfleisch sein, wenn du magst.“ Bei der Erwähnung der Zeitspanne hat der Clown ihn nur völlig ungläubig angestarrt. Als er nun aber hört, dass es hier tatsächlich Fleisch gibt, leuchten seine unnatürlich roten Augen wie die eines ausgehungerten Hundes auf.
 

„Das klingt doch schon viel besser!“, flötet er sichtlich aufgeregt, geht in die Hocke und reißt dann die Tür des kleinen Kühlschranks neben der Spüle auf. In diesem befindet sich praktisch nichts als ein paar Flaschen Wasser, was Joker klarmacht, dass sein Gegenüber wahrscheinlich die Wahrheit gesagt hat, als er meinte, hier sei schwer an Frisches heranzukommen und er bereichere sich nicht unnötig, auch wenn er es könnte. Daher wirkt er nicht all zu zuversichtlich, als er nun die kleine Klappe im oberen Teil des Kühlschranks öffnet, hinter der sich das Tiefkühlfach befindet. Auch hier herrscht gähnende Leere, abgesehen von einem in Frischhaltefolie verpackten Klumpen. Zielstrebig zieht er ihn heraus und wischt mit der flachen Hand etwas Reif von der eisigen Oberfläche. Darunter kommt tatsächlich Hackfleisch zum Vorschein, und mit einem halben Kilo erst einmal nicht so wenig. Prima!
 

‚Kannst du mir endlich mal verraten, was das hier werden soll, Herr Gott noch mal? Du sollst den verschissenen Bengel vor die Tür setzen und nicht mit deinen eisernen Reserven durchfüttern!‘, faucht der Riddler erneut in seinem Kopf. ‚Hatte ich nicht gesagt, du sollst still sein und mich das auf meine Weise machen lassen? Wenn ich ihm jetzt sage, dass er zu verschwinden hat, bringt der mich kaltblütig für ein bisschen Hackfleisch um die Ecke! Willst du das etwa? Immerhin würdest du mit mir über den Jordan gehen, also denk doch erst einmal nach, bevor du meckerst! Sieh dir den armen Kerl doch nur mal an! Allein schon, wie dünn er ist. Man kann ja jede Rippe abzählen.‘ ‚Na und? Ist doch nicht dein Problem! Soll er doch in das Loch zurückkriechen, aus dem er gekommen ist!‘ ‚Oh, warum musst du nur immer so herzlos sein?‘ ‚Ganz einfach: Andere Leute interessieren mich nicht! Außerdem hat dir das bisher mehr als nur einmal den Arsch gerettet, du elender Schwächling!‘
 

Ehe er noch etwas erwidern kann, beobachtet Edward nun etwas irritiert, wie Joker zum Schrank zurückkehrt und gefühlt die Hälfte der, eben noch so verschmähten, Konserven mit Gemüse herausräumt. Schwer mit seiner Beute beladen, tappst er in die Küche zurück und wuchtet alles auf die Arbeitsplatte neben dem Herd. Dann beginnt er erneut alle Schränke und Schubladen zu öffnen, bis er einen großen Topf, einen Dosenöffner und einen Bratenwender findet. „Was machst du?“, fragt Ed überfordert, da das irgendwie nach einem größeren Projekt aussieht.
 

„Chili, oder magst du so was nicht?“ Nun ist Nigmas Verwirrung perfekt. „Was hat das denn damit zu tun, ob ich Chili mag oder nicht?“, stellt Ed daher die Gegenfrage. „Weil du mitessen sollst, deswegen frage ich.“ „Mitessen...?“ „Ja, hast du ein Problem damit? Du siehst nicht aus, als hättest du schon etwas gegessen. Oder traust du mir einfach nur nicht?“ Jetzt dreht sich Joker nahezu mahnend mit dem Bratenwender in der Hand zu ihm herum und betrachtet ihn eingehend. „Nein ich – oh – ich habe tatsächlich noch nichts gegessen, aber...“, setzt er hilflos an. Soll er dem Bengel wirklich auf die Nase binden, dass er schiss hat, von ihm vergiftet zu werden? Dass er ihm keinen Meter über den Weg traut? Nein, dass wäre eine ganz schlechte Idee. Außerdem hatte Ed alle Sachen des Clowns durchsucht, weil er fürchtete, irgendwo Gift oder dergleichen finden zu können. Doch es war nichts da. Von daher dürfte es unwahrscheinlich sein, dass Joker ihm etwas ins Essen mischt.
 

„Aber?“, hakt der Kleinere nach. „Aber – ich vertrage nichts Scharfes...“, gesteht Edward schließlich und das ist nicht einmal gelogen. „Finde ich hier deswegen nur Salz, Pfeffer und Paprikapulver?“ „Ja, und weil ich nicht kochen kann...“, entkommt es dem Brünetten, wobei er nahezu schuldbewusst den Blick senkt, als müsste er sich irgendwie vor dem Grünhaarigen rechtfertigen. Der Clown gibt ein helles Kichern von sich. „Du bist echt witzig, weißt du das?“ „Das war mein Ernst und ich bin auch nicht gerade für meinen Humor bekannt.“ „Vielleicht doch, du weißt es nur nicht.“ Zweifelnd betrachtet Ed sein Gegenüber. „Der wenige Humor, den ich habe, geht früh ins Bett.“, erwidert Nigma schulterzuckend. „Ach ja? Meiner bleibt die ganze Nacht auf und hält mich wach.“, grinst der Clown und der Rätselmeister glaubt ihm das auf der Stelle. Die nächste halbe Stunde ist Joker damit beschäftigt, sein Chili zu kochen, wobei er genau von dem Rätselmeister beobachtet wird. Miteinander reden tun sie in dieser Zeit nicht mehr, was Nigma ganz recht ist, so kann er das bisher Geschehene erst einmal Revue passieren lassen, und vor allen Dingen darauf achten, dass der Bengel nicht doch heimlich versucht etwas ins Essen zu mischen...
 


 

6
 

Gerade als sich Nigma dazu entscheidet, dem kleinen Clown doch eine Frage zu stellen – eine, die ihm schon die ganze Zeit unter den Nägeln brennt –, dreht sich der Junge zu ihm herum und hält ihm einen tropfenden Löffel direkt vors Gesicht. „Huch...“, gibt der Ältere überrascht von sich und zuckt etwas zurück. „Los, nun koste schon!“, fordert ihn der Grünhaarige nachdrücklich auf und drückt ihm den Löffel dabei schon fast gegen die Lippen.
 

‚NEIN!‘, kreischt der Riddler dann plötzlich so laut in seinem Kopf auf, das Ed unweigerlich gepeinigt das Gesicht verzieht. Joker hört diese verhasste Stimme natürlich nicht und wehrtet den Gesichtsausdruck des anderen daher als angeekelt. Verständlich, dass er deswegen nicht gerade erfreut ist. Schmollend bläst er die Backen wie ein kleines Kind auf und hält Edward weiterhin trotzig den Löffel unter die Nase. „Was soll das? Ist das die Art, mit der du dich benimmst, wenn einer was für dich kocht? – Dabei will ich damit doch nur Danke für deine Hilfe sagen...“, beim letzten Satz lässt der Bengel richtiggehend traurig die Schultern hängen und sein Blick senkt sich, als wäre er gerade ausgeschimpft worden. Der Brünette schämt sich zutiefst, dass zu sehen.
 

„Du – du verstehst das völlig falsch! Ich finde es toll, dass du für mich kochst. Ist ziemlich lange her, dass das mal jemand für mich gemacht hat, und ich weiß es sehr zu schätzen, wirklich! Es ist nur – es ist der Riddler! Er traut dir keinen Meter über den Weg. Er hat sich gerade so laut zu Wort gemeldet, dass mir fast der Kopf geplatzt ist, ehrlich!“, nahezu panisch versucht sich der Rätselmeister zu rechtfertigen. Einen erschreckend langen Moment mustert ihn der Clown einfach nur stumm, wodurch sich Ed nur noch unbehaglicher fühlt. „Schön, dann koste jetzt! Ich bezweifle zwar, dass es zu scharf ist, wo ich doch gar keine richtigen Gewürze zur Verfügung habe, aber sicher ist sicher.“
 

‚Tu’s nicht! Er bringt dich um!‘, platzt der Riddler abermals dazwischen, zum Glück jedoch nicht mehr so laut, dafür aber hörbar besorgt, was so gar nicht zu ihm passen will. ‚Oh, sei doch endlich einmal still! Wir haben ihn beide die ganze Zeit beobachtet, er hat nichts ins Essen gemischt, verflucht! Außerdem riecht es so gut...‘, erwidert Edward, wobei sein Magen hörbar zu knurren beginnt. Das Geräusch lässt Joker wie ein kleines Kind kichern, was auch den Brünetten unweigerlich zum Schmunzeln bringt, während ihm verlegene Röte in die Wangen steigt. Ohne auf die weiteren Forderungen seiner schlechteren Hälfte zu achten, will er nun nach dem Löffel greifen, muss aber feststellen, dass der Clown ihn so unpraktisch umklammert, dass ihm das nicht gelingen wird. Außerdem fällt ihm nicht zum ersten Mal auf, das Joker scheinbar Linkshänder ist. Mit einem tonlosen Seufzen beugt er sich daher ein Stück weit nach vorn und lässt sich praktisch füttern.
 

Die warme, sämige Soße gleitet seinen Hals hinab und plumpst in seinen Magen, der sie ungewohnt gierig umschlingt und augenblicklich wieder zu knurren beginnt. Er will definitiv mehr davon. Etwas überrascht weiten sich Nigmas grüne Augen. „Das – ist wirklich köstlich!“, bringt er schließlich entzückt hervor. Das Gesicht des kleinen Jungen vor sich wirkt einen Moment so, als würde er gleich in Tränen ausbrechen wollen, dann verzieht sich der Ausdruck wieder und er grinst stolz über das ganze Antlitz. „Siehste!“, flötet er fröhlich und wendet sich wieder dem Herd zu. Kräftig rührt er in dem fast zum Überlaufen gefüllten Topf herum, ehe er ihn schwungvoll neben Edward auf der Resopalplatte abstellt. Kurz darauf landen zwei Teller und zwei Löffel daneben. Mit einer großen Kelle trägt Joker anschließend das Chili auf, wobei ihn der Brünette hastig bremsen muss. So viel kann ja einer gar nicht essen!
 

Davon lässt sich der Grünhaarige aber nicht ärgern, sondern füllt seinen eigenen Teller und krabbelt dann auf den Hocker neben ihm. Kaum eine Sekunde später schiebt sich Joker auch schon das Essen in den Mund, als stünde er wirklich kurz davor zu verhungern. Dabei scheint es ihn praktisch gar nicht zu stören, dass es heiß ist. Der Ältere kann ihn nur mit offenem Mund leicht verdattert anstarren. War es nicht Oscar Wilde, der sagte: Die Männer sind Bestien. Darum ist es höchst wichtig, die Kerle gut zu füttern. Irgendwie passt das hervorragend zu dem kleinen Clown, dessen Teller schon fast leer ist, bevor Ed auch nur einen Löffel genommen hat.
 

„Du, Joker? Magst du mir vielleicht sagen, wer dich eigentlich so zugerichtet hat?“, fragt er stattdessen, was den Angesprochenen abrupt in seinem Essverhalten abbremst. Mit vollem Mund kauend und das halbe Gesicht beschmiert wie ein kleines Kind, sieht der Grünhaarige ihn verwundert an. Ganz langsam schluckt er die Portion herunter und scheint nach den richtigen Worten für seine Antwort zu suchen, während er verträumt in dem Rest Chili auf seinem Teller herumrührt. Schließlich schmunzelt er leicht wehmütig. „Es war Batsy...“ „Batman? Du meine Güte! Du musst ihn ja ganz schön gereizt haben, dass er dich so zerpflückt hat...“, kommt es fast schon entsetzt vom Rätselmeister. Der Clown zuckt nur nichtssagend mit den Schultern.
 

„Was hast du gemacht? Jemanden umgebracht, während er danebenstand?“ Joker wirft ihm einen überaus scharfen Blick zu, bei dem Ed sichtbar zusammenzuckt. „Hatte ich dir nicht schon mal gesagt, dass das damals ein Versehen war? Ich bringe niemanden absichtlich um, wenn es nicht wirklich nötig sein sollte. Außerdem müsste ich ja vollkommen verrückt sein, so etwas direkt vor Batsys Augen zu machen, und ich bin nicht verrückt! – Ich hab ihn nur geküsst und ihm gesagt, was ich fühle. Und dann ist es komplett ausgerastet...“ Für einen Moment fehlen Ed tatsächlich die Worte. „Du hast – ihn wirklich geküsst? So richtig und nicht wie uns in der Iceberg Lounge? – Liebst du ihn etwa?“ Er traut sich gar nicht, es überhaupt auszusprechen, doch warum eigentlich? Schließlich ist es mehr als offensichtlich, dass der Joker schwul ist, also wird er sich davon nicht auf die Füße getreten fühlen, wenn jemand so etwas gerade heraus sagt.
 

Entgegen all seiner Meinung lacht der Bengel jedoch. „Du bist echt witzig! Nein, ich liebe ihn nicht. Ich hasse ihn von ganzem Herzen! Doch ihm scheint es nicht so zu gehen. Er hat mich nur beschimpft und dann verdroschen. Ich hab ihn noch nie aus ausrasten sehen...“ Irgendwie kommt es Nigma so vor, als wäre sich Joker seiner Gefühle selbst nicht ganz im Klaren. Denn so wie er das Ganze betont hat, sein Blick dabei, alles spricht dafür, dass der bis über beide Ohren in den Dunkle Ritter verknallt ist und zwar so richtig. Er scheint nur eine komische Art zu haben, dass auszudrücken. Begreift er vielleicht gar nicht, was der Unterschied zwischen Liebe und Hass ist? Oder ist das so etwas wie eine Hassliebe? Solche Gedanken überfordern den Brünetten doch ziemlich und wie es scheint, ist Batman auch nicht gerade angetan von der Vorstellung, von einem durchgeknallten Clown geküsst und angehimmelt zu werden. Sicher verständlich, immerhin hat der Mitternachtsdetektiv ja gesehen, was in der Iceberg Lounge passiert ist, nachdem der Joker sie alle geküsst hatte.
 

‚Meine Fresse, stell sich nur mal einer vor, wie es sein muss, diesen Emo-Eisklotz zu knutschen, von diesem zähnefletschenden Clown mal ganz zu schweigen! Der Bengel muss echt noch lebensmüder sein, als er ohnehin schon aussieht.‘ ‚Fang jetzt bitte nicht schon wieder mit so etwas an! Joker kann einem wirklich nur leidtun. Er ist so verwirrt...‘ ‚Ist doch nicht wahr! Lass endlich diesen sentimentalen Scheiß! Sonst steckst du dich noch mit irgendwas bei ihm an.‘ ‚Mit Sicherheit nicht! Außerdem sind wir gar nicht so verschieden. Er sehnt sich nach der Aufmerksamkeit Batmans, und im Grunde genommen tun wir anderen Schurken nichts anderes. Wir lechzen wie kleine Kinder nach der Anerkennung unseres strengen Vaters und sind der Meinung, sie nur zu bekommen, wenn wir etwas Schlechtes tun...‘ ‚Jetzt geht das wieder los! Ja, dein Vater war ein Arschloch, wir wissen es. Aber er bumst jetzt eine andere, ist vielleicht schon krepiert, wen kümmert es schon? Also konzentrier dich gefälligst und werde diesen Clown los!‘
 

‚Nein, verdammt noch mal! Wir sind hier noch nicht fertig, wie du vielleicht siehst!‘ ‚Nein, sehe ich nicht. Wo soll das denn deiner Meinung nach enden? Immerhin hat er schon geduscht und schlägt sich jetzt den Wanst voll. Was kommt als nächstes? Geht ihr zwei händchenhaltend ins Schlafzimmer und lasst es ordentlich krachen?‘ Zähneknirschend verzieht Edward das Gesicht. ‚Kannst du nicht einmal mit so was aufhören? Ich Bin Nicht SCHWUL, Herr Gott noch mal!‘ ‚Red dir das nur weiterhin ein, doch ich zähle schon die Sekunden, bis es so weit ist...‘ ‚Du weißt genau, dass ich nur auf Frauen stehe, also lass das endlich! Und selbst wenn, wäre ich nicht plötzlich schwul, sondern bi.‘ ‚So was wie bi gibt es nicht, du Idiot! Es gibt nur die eine oder die andere Seite. Nein, eigentlich gibt es nur Eine Seite, denn die andere ist völlig falsch!‘
 

‚Himmel, wie kann man nur so verkorkst sein? Es ist nicht falsch, wenn man als Mann auf Männer steht, genauso wenig wie es nicht falsch ist, als Frau auf Frauen zu stehen oder auf beides oder...‘, setzt Ed hoffnungslos an. Er weiß sehr gut, dass solche Diskussionen mit dem Riddler und dessen alteingesessenem Weltbild zu nichts führen, doch irgendwie sieht sich der Brünette in der Gegenwahrt des kleinen Clowns fast schon dazu genötigt, dessen angeschlagene Ehre zu verteidigen, auch wenn dieser nichts davon mitbekommt und Ed nicht einmal genau weiß, warum er sich das überhaupt antut. ‚Erzähl doch keinen Scheiß! Lesben gibt es nicht. Das sind bloß Weiber, die nicht wissen wie es geht und die noch nicht den richtigen Schwanz für ihre verkorkste Fo...‘ ‚HÖR AUF!‘
 

Riddler lacht nur gehässig. ‚Jetzt versteh ich. Dir passt der kleine Bengel nicht, stimmt’s? Du bist eifersüchtig! Willst Batman ganz für dich allein. Du braust einen starken Kerl, der es dir so richtig schön besorgt, was? Der dir seinen harten Schwanz in deinen blassen Arsch rammt, bis du nur noch Sterne siehst und dann...‘ „NEIN!“, entkommt es Edward fast schon schreiend. Hecktisch springt er dabei vom Hocker auf, dass dieser fast wieder umfällt, und schlägt die flachen Hände auf die Resopalplatte, dass das Geschirr leise klappert. Überaus irritiert sieht Joker ihn an und erst da wird dem Rätselmeister bewusst, dass er laut gesprochen hat, was ihm noch nie in einem Gespräch mit dem Riddler passiert ist. Ertappt zuckt er zusammen und schlägt sich kindlich die Hände vor den Mund.
 

„Was?“, fragt Joker in einer seltsamen Mischung aus Verwirrung, Sorge und mahnender Strenge. Hecktisch beginnt Nigma zu atmen, was die Strenge gänzlich aus dem Blick des Clowns verschwinden lässt. Sorgenvoll streckt er eine Hand aus, um Ed beruhigend am Arm zu fassen, doch der Brünette zuckt heftig vor ihm zurück. „Was hast du?“, will er stattdessen abermals wissen. Ganz langsam setzt dich der Ältere wieder auf den Hocker und ringt nach Worten.
 

„Es – es ist der Riddler. – Er kann deine – Anwesenheit nicht ertragen. – Und ganz besonders kann er nicht ertragen, dass du – dass du schwul bist. Er ist so abgrundtief homophob! Seine Weltanschauung ist total veraltet, verklemmt und zurückgeblieben. Und ständig unterstellt er mir alles Mögliche, obwohl er genau weiß, dass dem nicht so ist. Er ist der festen Überzeugung, dass du mich mit deinem Schwulsein anstecken könntest, wie mit einer Krankheit, und das schon, indem du einfach nur hier neben mir sitzt. Ich halte das nicht mehr aus, mir platzt gleich der Kopf...“, seine Stimme zittert und das Wimmern darin zeugt schon von den Tränen der Verzweiflung, die immer heftiger hinter seinen Augen brennen.
 

„Der Typ ist also homophob, ja? Und er kann mich nicht leiden, ja? Na, dann haben wir immerhin etwas gemeinsam. Ich kann ihn nämlich auch nicht leiden. Aber ich kenne Kerle wie ihn zur Genüge und weiß daher, wie ich mit ihm umgehen muss, damit er dich mal für eine Weile in Frieden lässt.“ „Wirklich? Wie soll das gehen? Er ist doch in meinem Kopf und du kannst nicht mit ihm reden. Selbst wenn, würde er dir nicht zuhören.“ „Ich muss nicht mit ihm reden, damit er versteht. Doch – vertraust du mir?“ „Ich – was hast du vor? Wird es wehtun?“ „Nein, es tut nicht weh, aber du muss dich ein bisschen fallenlassen und mir vertrauen, weil ich dich nicht dazu zwingen will. Das würde den Riddler nur noch mehr gegen mich aufbringen.“
 

„Okay, dann tu, was du für richtig hälst...“ ‚WAG ES JA NICHT!‘, brüllt seine schlechtere Hälfte in seinem pochenden Schädel. „Mach schnell...“, wimmert Edward, während die erste Träne seine erhitzte Wange hinabgleitet. Hilflos schließt er die Augen und versucht sich auf etwas vorzubereiten, von dem er nicht weiß, was es ist. Eine Sekunde später spürt er die warmen, überraschend weichen Lippen des Clowns auf den seinen und reißt erschrocken wieder die Augen auf. Er versucht zurückzuweichen, doch Joker hält seine Oberarme umfasst und hindert ihn so am Wegkommen.
 

‚Oh, diese dreckige Schwuchtel! Er soll aufhören! Nun tu doch endlich was!‘ War das da etwa gerade Verzweiflung, die er in der Stimme des Riddlers hören konnte? Und klang es nicht auch, als käme es aus weiter Ferne? ‚Das halte ich nicht aus...‘ Ein angewidertes Würgen ertönt in seinem Kopf und dann scheint irgendwo tief drinnen eine Tür zuzuschlagen. Stille. Unsagbare Stille!
 

Langsam trennt sich der kleine Clown wieder von ihm. „Und? Hilft es?“, will er wissen, während Ed noch vollkommen perplex ist. „Ja – ja, es funktioniert tatsächlich!“, bricht es aus ihm heraus, während noch eine einzelne Träne seine Wange benetzt. Ein sanftes Lächeln huscht über das stark geschminkte Gesicht des Grünhaarigen und er beugt sich zu einem weiteren Kuss vor. Diesmal dreht Nigma aber entschieden den Kopf zur Seite und hält ihn auf Abstand. „Bitte nicht! Ich steh nicht auf Jungs...“ „Schon klar, aber gerade das ist ja der Trick dabei.“ „Verstehe. Aber der Riddler ist weg, also...“ „Okay, prima! Dann können wir ja jetzt endlich in Ruhe essen!“, flötet der Jüngere ausgelassen, füllt seinen Teller erneut bis fast zum Rand und klatscht auch auf Eds Teller eine weitere Kelle, obwohl dieser noch gar nicht dazu kam, überhaupt einen Bissen zu nehmen. Doch der Rätselmeister verkneift sich jeglichen Kommentar dahingehend, es hätte eh keinen Sinn.
 

Stattdessen fällt ihm etwas viel Wichtigeres ein. „Werde ich jetzt gleich wieder ohnmächtig, so wie in der Iceberg Lounge?“ Verdutzt und leicht sorgenvoll sieht ihn der Joker daraufhin an. „Was? Wieso? Welche Farbe hat mein Lippenstift?“ „Ähm, rot. Ist das schlimm?“ Seufzend stößt der Kleinere die Luft aus. „Nein, mein Hübscher. Rot ist einfach nur rot und völlig ungefährlich. Da passiert gar nichts.“ „Dann ist ja gut. – Danke für die Hilfe...“ Schüchtern lächelt der Brünette ihm zu. Der Clown erwidert es mit einem breiten Grinsen. „Kein Ding! Und ich denke mal, damit sind wir dann mehr als quitt!“
 


 

7
 

Während sich der Grünhaarige gierig über seinen zweiten Teller hermacht, sitzt Ed nur neben ihm und genießt die Stille in seinem Kopf, die noch nie so nachdrücklich war. Es ist ein echtes Wunder! Auch wenn er auf diesen Kuss gut hätte verzichten können. Andererseits war es nicht einmal ansatzweise so schlimm, wie er es sich vorgestellt hat, und das war es auch schon in der Iceberg Lounge nicht gewesen. Ganz unbewusst stielt sich sein Daumen an seine Lippen und reibt gedankenverloren darüber. Es ist fast so, als könnte er dort noch immer den fordernden Druck spüren, den Joker ausgeübt hat. Ohne es zu merken, färben sich seine Wangen sattrot und er ist heilfroh, dass der Riddler weg ist, um das nicht mitzubekommen.
 

Er merkt nicht, wie sich Joker ihm abermals zuwendet und die Hand ausstreckt. Diesmal aber nicht, um ihn festzuhalten, sondern um ihm die Brille von der Nase zu ziehen. Überrascht zuckt Edward zusammen und blinzelt ihn hilflos an. Neugierig dreht der Bengel das violett verglaste Gestell in seinen Händen herum und setzt die Brille dann sogar auf. „Ah...!“, entkommt es ihm dabei überfordert und er zieht sie schnell wieder ab. „Du meine Güte! Ich dachte, die wäre nur Fake!“, jammert er schon fast und reibt sich kindlich mit der Faust über die Augen.
 

Joker hat eine alberne Ader, die mindestens eine Meile breit ist, aber dumm ist es deswegen überhaupt nicht. Im Gegenteil, Ed hält ihn – trotz seiner kindlichen Ungezügeltheit und seiner zweifelhaften Ideen – sogar für den klügsten Menschen, der ihm in seinem bisherigen Leben begegnet ist. Womöglich sogar klüger als Batman, der bisher diese Position unangefochten getragen hat. Der Grünhaarige hat nur eine ganz spezielle Art, seine Klugheit an den Tag zu legen, und das ist es, was praktisch jeden in seiner Nähe haltlos in den Wahnsinn abrutschen lässt. Edward kann nur froh sein, dass er diesen unschönen Weg schon in geringerem Maße selbst betreten hat, bevor er den Clown kennengelernt hat, sonst würde er es wohl keine zwei Minuten in seiner Nähe aushalten.
 

So dominiert nur das letzte bisschen Angst vor diesem Verrückten in ihm. „Kann – kann ich sie bitte wiederhaben?“, fragt er daher vorsichtig, woraufhin Joker ihn leicht skeptisch ansieht. Seine unnatürlich roten Augen funkeln. Es ist die Art Funkeln, das entweder Humor oder Boshaftigkeit zum Ausdruck bringen soll. „Ich – ich brauche sie wirklich zum Sehen, verstehst du. – Bitte mach sie nicht kaputt...“ Ein freches Grinsen breitet sich auf dem Gesicht des Clowns aus und Eddie kann praktisch schon bildlich vor sich sehen, wie der Jüngere sie lauthals lachend in zwei Teile bricht.
 

„Warum sollte ich so was machen?“, fragt er keck und drückt Ed die Brille dann wieder auf die Nase. „Und jetzt komm mal wieder runter und iss, bevor es kalt wird!“, flötet der Clown ausgelassen und stopft sich das Chili in den Mund, als gäbe es kein Morgen. „Danke...“, nuschelt der Brünette unsicher und rückt mit noch leicht zitternden Fingern die Brille zurecht.
 

Fast schon widerwillig starrt er nun den Teller, den Joker vor seine Nase gestellt hat, an. Er war schon immer ein eher verhaltener Esser, im Gegensatz zu dem Bengel neben ihm, der den Appetit einer ganzen Mannschaft zu haben scheint. Er hat den Jungen beim Kochen nicht eine Minute aus den Augen gelassen und ist sich daher sicher, dass der durchgeknallte Clown nichts ins Essen gemischt hat, dennoch fühlt er sich immer noch nicht sonderlich wohl bei der Sache, obwohl sein Magen erneut erwartungsvoll zu knurren beginnt, was nach der ganzen Aufregung eben ein echtes Wunder ist. Der Grünhaarige betrachtet ihn allerdings so erwartungsvoll – so unschuldig –, dass Edward es kaum ertragen kann. Er will den Joker jedoch nicht wieder unnötig aufregen, weshalb er vorsichtig zu essen beginnt. Dabei wirkt er jedoch wie ein Mann, der eine äußerst unangenehme Aufgabe möglichst schnell hinter sich bringen will. Doch schon nach dem zweiten Löffel wird ihm bewusst, wie unglaublich gut es doch eigentlich schmeckt, und dass er Joker grundlos völlig Unrecht getan hat. Nun beginnt auch sein Magen regelrecht nach dem Essen zu lechzen und er isst mit mehr Elan weiter, was den kleinen Kerl neben sich sichtlich zu freuen scheint.
 


 

8
 

Nicht lange später ist alles aufgegessen und Edward kann beim besten Willen nicht begreifen, wo dieser zierliche Bursche nur all das Zeug hin gefuttert hat. Der Topf war bis zum Überlaufen voll gewesen, sodass mindestens fünf erwachsene Männer davon hätten sattwerden können. Der Brünette hat es gerade mal geschafft, den halbvollen Teller leerzuessen, den Joker ihm gegeben hat, und er hat dankend jeden Nachschlag abgelehnt, den ihm der Jüngere angeboten hat. So hat Joker den ganzen Rest – oder eher den Großteil – selbst verputzt, ohne auch nur ins Stocken zu geraten oder eine wirkliche Pause zu machen. Ed würde sich gern einreden, dass das daher kommt, dass der Bengel seid mindestens drei Tagen nichts mehr gegessen hat, doch nach der Schwere seiner Verletzungen – von denen jetzt fast nichts mehr geblieben zu sein scheint –, wäre es eher verständlich gewesen, wenn er gar keinen Appetit gehabt hätten oder sich nur vorsichtig herangetastet hätte.
 

Sichtlich zufrieden schiebt der kleine Clown nun seinen restlos leeren Teller von sich weg und reibt sich über seinen gutgefüllten Bauch. „Das war herrlich!“, seufzt er angetan. „Was gib’s zum Nachtisch?“, fragt er dann, und der Rätselmeister meint schon, sich verhört zu haben – es kann einfach kein Platz mehr in diesem kleinen Persönchen sein, das ist ganz unmöglich! Seine Stimme klingt in keiner Weise bedrohlich, aber Edward antwortet ihm dennoch auf die nervöse, über seine eigenen Worte stolpernde Weise eines Mannes, der fürchtet, dass er gefeuert, wenn nicht sogar geköpft wird, weil er der Überbringer einer schlechten Nachricht ist.
 

„Ich – ich fürchte Nichts. – Ich – ich esse nichts Süßes. – Oh, es tut mir so leid! – Bitte, tu mir nicht weh...“ Nahezu verständnislos mustert ihn der Jüngere, dachte er doch sicher, Nigmas Ich-mach-mir-gleich-in-die-Hosen-Phase hinter sich zu haben, erst recht nach dem Kuss. „Warum sollte ich dir deswegen etwas antun wollen? Warum sollte ich dir überhaupt irgendetwas antun wollen? Erst recht, nachdem du mich wieder zusammengeflickt hast. Beruhig dich doch endlich mal, Mann! Es wäre nur nett gewesen. Ich bin ein echter Zuckerjunkie. Aber keine Sorge, ich werde nicht durchdrehen, wenn ich meinen Stoff mal nicht bekomme, also mach dich nicht ständig nass, mein Hübscher!“ Er wirkt dabei so normal, wie ein Bengel in seinem Alter nur sein kann, wird bei der Erwähnung seines Lasters sogar etwas rot um die Nase. Das kann man wegen der dicken Schicht aus Schminke zwar nicht sehen, doch wie heißt es so schön: Augen sagen mehr als tausend Worte.
 

„Tut mir leid. Ich bin vor nicht einmal zwei Stunden aufgestanden und es ist schon so viel passiert, dass es mir vorkommt, als wäre ich seit drei Tagen wach. Ich kann mit solchem Druck nicht gut umgehen. – Versteh das bitte nicht falsch. Ich denke schon, dass ich dir inzwischen zu einem gewissen Grad trauen kann, erst recht, weil du den Riddler vertrieben hast. Aber du bist mir dennoch sehr fremd und ich kann dich nicht richtig einschätzen. Und wenn ich etwas nicht durchschauen kann, macht mich das sehr nervös...“, schüchtern erwidert er den Blick des Jüngeren.
 

„Schon gut, kann ich verstehen. Ich bin eher sehr locker und direkt. Deswegen finde ich es komisch, wenn ständig einer vor mir kuscht, obwohl ich ihm nichts getan hab. – Ja, ich hab einen beschissenen Ruf, aber können wir das nicht mal vergessen? Wir stehen doch auf derselben Seite, oder etwa nicht?“ „Ich denke schon, ja.“ „Gut, wenn das jetzt geklärt ist. – Aber sag mal, magst du echt keine Süßigkeiten?“, mit großen Augen mustert ihn der Clown sichtlich durcheinander. „Nein, ich mag nichts Süßes. Obst ist mir im Allgemeinen schon süß genug. Außerdem sind Süßigkeiten hier völlige Mangelware. Nur zu hohen Feiertagen lasse ich für die Kinder hier extra etwas herschaffen...“ „Wirklich schade. Aber da kann man wohl nichts machen...“, seufzt Joker sichtlich geknickt, sodass Ed abermals das Herz schwerwird, ohne dass er wirklich begreift warum.
 


 

9
 

Wo das Essen nun also vorbei ist und endlich etwas Ruhe einkehrt, wirft Edward einen unbewussten Blick in die Küche. Beim dort herrschenden Chaos zuckt er fast sichtbar zusammen. Er hatte Joker die ganze Zeit beim Kochen beobachtet, um sicherzustellen, dass der Bengel ihm nichts ins Essen mischt, dass ihm gar nicht aufgefallen ist, was für ein Schlachtfeld der durchgeknallte Clown dabei hinterlassen hat. Der Anblick des Ganzen passt perfekt zur Art des Grünhaarigen, bei Ed löst es eher kaltes Grauen aus. Er ist ein sehr ordnungsliebender Mensch und das gilt auch für eine Küche, die er für gewöhnlich nicht für mehr benutzt, als um sich Tee zu kochen.
 

Die Vorstellung, Joker darauf anzusprechen, lässt einen eiskalten Schauer seinen Rücken hinabgleiten. Andererseits sieht er nicht ein, warum er selbst hier putzen soll. Auch wenn er es tun würde, wenn sich der Bengel querstellen sollte. Allerdings hat er auch noch genug andere Sachen zu tun, und ohnehin schon mehr Zeit hier verbracht, als vorgesehen war. Zumal ihm noch ein anderer Gedanke kommt, was er nun als erstes tun sollte, bevor er richtig an die Arbeit geht.
 

„Joker? Würde es dir etwas ausmachen, die Küche wieder in Ordnung zu bringen?“, fragt er vorsichtig. Etwas ratlos betrachtet ihn der Kleinere. „Du meinst, abwaschen?“ „Ja, das auch. Der Herd ist ebenfalls ganz vollgekleckert, der Boden auch, die Arbeitsplatte. Überall stehen leere Dosen herum und so weiter.“ Joker sieht nicht gerade so aus, als würde er sich gern mit diesem Gedanken anfreunden, eher wie ein Kind, das nachdrücklich an seine Hausarbeitspflichten erinnert wird, ehe es spielen gehen darf. „Wenn du meinst...“, seufzt er theatralisch und räumt das Geschirr in die Spüle. Edward ist sichtlich überrascht, dass der Junge nicht dagegen protestiert, sodass er schnell weiterspricht.
 

„Vielen Dank! Lass dir ruhig Zeit. Ich muss kurz wegfahren und ein paar Erledigungen machen. Wenn du fertig bist, kannst du ja deine Sachen zusammensammeln. Dein Auto steht unten in der Garage. Ich sage meine Jungs Bescheid, damit sie keinen Schreck bekommen, wenn du auf einmal vor ihnen stehst, sie wohnen nämlich da unten in der Garage. Wenn du magst, kannst du bleiben, bis ich wieder da bin.“
 

Mit diesen Worten verlässt er seine kleine Wohnung und lässt den Clown allein zurück. Noch im Treppenhaus fragt er sich allerdings, was ihn geritten hat, dass er diesen Wahnsinnigen in seinem persönlichen Heiligtum zurücklässt. Dort, wo an etlichen Stellen Schusswaffen für den Notfall versteckt sind, von einem geheimen Tresor, gefüllt mit etlichen Millionen an Bargeld, in Boden unter dem Teppich im Wohnzimmer ganz zu schweigen. Einen Moment steht er daher wie angewurzelt auf den Stufen und ringt mit sich, ob er noch einmal nach oben gehen und Joker doch lieber nach unten in die Garage schicken soll, damit seine Männer ein Auge auf ihn haben. Doch wie sähe das denn aus, wo er dem Bengel doch gerade einen Vortrag darüber gehalten hat, wie er die Küche vorzufinden gedenkt, wenn er wiederkommt. Nein, dass wäre nicht richtig. Also wirft er seine Bedenken über Bord.
 

Joker hat ihn in der kurzen Zeit mehrmals gefragt, ob er ihm vertrauen würde, und genau das sollte Edward auch wirklich tun. Schließlich hat es der Clown geschafft – wenn auch auf sehr spezielle Weise – den Riddler zu vertreiben und dafür ist er ihm unendlich dankbar. Da sollte er nun wirklich etwas mehr Vertrauen zu ihm haben. Fragt sich nur, ob er seine Entscheidung bereuen muss, wenn er wiederkommt, oder nicht...?

Memories


 

1
 

Langsam füllt Joker das Becken mit Wasser – kaltem Wasser, was anderes gibt es jetzt ja nicht – und spritzt einen Klecks Spülmittel dazu. Während er zusieht, wie sich Schaum bildet und das schmutzige Geschirr damit immer mehr verdeckt wird, hört er leise einen Motor aufheulen. Geistesgegenwärtig dreht er den Hahn wieder zu und tritt an eines der Wohnzimmerfenster heran. Als er den schwarzen Vorhang zur Seite zieht, erblickt er unter sich eine große, mit Kies bestreute Fläche, die sich in einiger Entfernung verschmälert und schließlich in einer waagerecht verlaufenden Straße mündet, deren Oberfläche von Schlaglöchern nur so wimmelt. Auf der anderen Seite der Straße steht ein langgezogener, mehrstöckiger Apartmentkomplex, der scheinbar nur noch von guten Gedanken und Wünschen zusammengehalten wird. Das Gebäude scheint nicht ein einziges intaktes Fenster mehr zu haben und an mindestens drei Stellen sind große Stücke der Fassade herausgebrochen. Die unteren zwei Meter der Außenwand sind mit unzähligen, zum Teil schon bis zur Unkenntlichkeit verblassten Graffitis bedeckt, was dem Ganzen einen seltsam traurig-fröhlichen Anblick zugedenkt.
 

Das Tor der von Edward erwähnten Garage scheint sich genau unter seinen Füßen zu befinden. Ganz leise kann er es nun rumpeln hören. Kurz darauf kann der Clown zwei muskulöse Männer sehen, die auf den Kiesplatz hinaustreten und sich geschäftig in der Gegend umsehen. Nur einen Moment später heult abermals der Motor auf und langsam stößt ein Wagen aus der Garage heraus. Für den Grünhaarigen ist es nicht zu übersehen, wem dieses Auto gehört: Dem Riddler. Oder besser gesagt Edward Nigma. Der Chevrolet ist zwar nicht neonlackiert, doch das Grün ist dennoch ziemlich grell. Zudem verteilen sich schwungvolle, dunkelgrüne Fragezeichen über die gesamte Karosserie. Nur das Dach bildet eine Ausnahme. Es ist schwarz und besteht aus schwerem Segeltuchstoff, da der Bel Air wie Jokers Lamborghini ebenfalls ein Cabrio ist. Trotz der Tatsache, dass der Wagen aus den 50ern stammt und somit mindestens vierzig Jahre alt sein muss, wirkt der Oldtimer so unversehrt und strahlend, als wäre er gerade erst vom Band gelaufen. Unweigerlich schleicht sich ein Schmunzeln auf die Lippen des Jungen. Der Wagen spiegelt perfekt das durchgeplant-ordentliche Wesen des Rätselmeisters wider.
 

Ein letztes Mal heult der V8-Motor auf, gefolgt von einem kurzen Hupen. Dann setzt sich der Bel Air in Richtung Straße in Bewegung, während ihm die Männer hinterherwinken. Als der Chevrolet außer Sicht ist, rumpelt unter Jokers Füßen wieder leise das Garagentor. Die beiden Männer bleiben jedoch auf dem Vorplatz und patrouillieren dort entlang, wobei sie sich angeregt zu unterhalten scheinen. Mit einem Seufzen will sich der kleine Clown wieder dem Geschirr widmen, doch daraus scheint nichts zu werden. Sein Blick wandert erneut zu dem verfallenen Apartmentkomplex zurück und klebt dort regelrecht fest. Er weiß nicht, was es ist, doch irgendetwas an diesem Gebäude kommt ihm bekannt vor. Aber was? Er kann sich nicht erinnern, jemals zuvor in den Narrows gewesen zu sein. Also was ist es nur, dass dieses vertraute und doch auf unerklärliche Weise furchterregende Gefühl in ihm auslöst? Ungewollt und auch völlig unbemerkt, driftet der Grünhaarige in Erinnerungen ab, an die er sich bewusst überhaupt nicht mehr erinnern kann, von will ganz zu schweigen...
 


 

2
 

Der Grund, warum Joker das Gebäude so bekannt vorkommt, ist eigentlich sehr einfach: Er hat dort gewohnt! Oder besser gesagt, der kleine Junge, aus dem später der Joker werden soll, hat dort gewohnt. Wurde dort sogar geboren. Der schicksalhafte Tag, der diese Erinnerung aus dem bewussten Gedächtnis des Clowns gelöscht hat, ist zwölf Jahre her, und ereignete sich zu einer Zeit, in der die Narrows noch als Bezirk der armen Arbeiterklasse galten. Nicht lange später hielten jedoch immer mehr Kriminelle dort Einzug, und mit ihnen kam die Zerstörung und die Verwahrlosung, bis hin zu dem Trümmerfeld, das Ed nun versucht wiederaufzubauen.
 

Doch vor zwölf Jahren lebten hier hart arbeitende Familien am Existenzminimum, und die schlichte Behausung, die der Rätselmeister jetzt sein Eigen nennt, war damals die gerade erst fertiggestellte Wohnung des Mannes, der in der Garage darunter eine gut laufende Autowerkstatt geführt hat. Zu seinen Angestellten gehörte ein Mann, der damals fester Bestandteil in Jokers Leben war, an den er sich heute aber in keinster Weise mehr erinnern kann, obwohl er allein dafür verantwortlich ist, dass aus dem kleinen Jack ein wahnsinnig grinsender Clown geworden ist: Sein Vater.
 

Der achtjährige Jack ist ein ganz typischer, amerikanischer Junge mit blonder Wuschelmähne und großen, braunen Kulleraugen. Stets hat er nur Flausen im Kopf und liebt es, andere Leute mit seinem Unfug zum Lachen zu bringen. Das bis dahin Auffälligste an ihm ist einzig und allein die Tatsache, dass er für sein Alter ziemlich kurzgeraten ist, sodass er mehr wie fünf als wie acht aussieht. Zudem wirkt er mit seinen großen Augen und den sehr fein gezeichneten Gesichtszügen eher mädchenhaft. Diese bescheidene Kombination animiert andere Kinder ständig dazu, ihn zu ärgern, doch das macht Jack wenig aus. Es sind nur Worte, Sticheleien, die allerhöchstens seelischen Schmerz zufügen. Also kein Vergleich mit den körperlichen Leiden, die er hinter geschlossenen Türen durchmachen muss...
 

Was ihm allerdings etwas ausmacht, ist die Strenge seines Vaters. Sobald der Junge von der Schule nach Hause kommt, ist alles Lachen und jede Art von Spaß so radikal vorbei, als würde man einer Maschine den Saft abdrehen, bis er am nächsten Morgen erneut aufbricht, um am Unterricht teilzunehmen.
 

Sein Vater – Owen Napier – ist nicht nur überaus streng, sondern ihm rutscht auch sehr schnell die Hand aus, erst recht, wenn er getrunken hat, was ziemlich häufig der Fall ist. Dann trifft sein Zorn jedoch nicht nur sein einziges – und zudem auch noch überaus ungewolltes – Kind, sondern auch seine Frau Mia. Es gleicht einem makabren Wunder, dass der kleine Jack überhaupt auf der Welt ist, hat sein Vater doch praktisch täglich versucht, das winzige Leben aus dem Leib seiner verzweifelten Mutter heraus zu prügeln. Man kann es wohl als weiteres Wunder bezeichnen, dass das Kind vollkommen gesund das Licht der Welt erblickte – zugegebenermaßen um einiges kleiner als seine Altersgenossen, dafür aber auch viel intelligenter. Das Einzige, was man vielleicht auf die Misshandlungen durch seinen Vater im Mutterleib zurückführen könnte, sind seine ungewöhnlichen Zähne. Die ersten waren noch völlig normal, doch jeder vermeintlich Bleibende drängte sich spitz und scharf wie eine Rasierklinge durch das zarte Fleisch, weshalb der kleine Jack gezwungen ist, zwei spezielle Schienen zu tragen, die dieses animalische Gebiss verdecken.
 

Soviel aber erst einmal zur Vorgeschichte, betrachten wir uns jetzt den schicksalhaften Tag, der alles verändert hat...
 

Die meiste Zeit dieses verregneten Mittwochs verläuft ruhig, sodass sich sowohl Mia als auch Jack in vorsichtige Sicherheit wiegen. Dieses zarte Gefühl zerbricht aber schon am frühen Abend, als Owen nach Hause kommt – wieder einmal sturzbetrunken. Darauf bedacht, dass es ganz sicher Ärger geben wird, schickt Mia ihren kleinen Sohn in sein Zimmer. Er soll sich ruhig verhalten und seinem Vater keinen Anlass für Streit geben. Wohlwissend kommt der Junge dieser Bitte nach und setzt sich an seine Hausaufgaben. Deutlich kann er dabei das Poltern vernehmen, mit dem sich sein Vater durch die Wohnung bewegt, bis er sich mit einem weiteren Bier vor dem Fernseher niederlässt. Sorgenvoll betrachtet ihn die Blondine einen Moment, ehe sie sich zum Abwaschen in die Küche zurückzieht.
 

Gedankenverloren taucht sie ihre Hände in das Seifenwasser und reinigt das Besteck vom Mittagessen. Bei jedem Geräusch aus dem nahegelegenen Wohnzimmer zuckt sie jedoch hilflos zusammen und hofft, dass sie die schweren Schritte ihres Mannes nicht hört. Das würde definitiv Ärger bedeuten. Das Faszinierende an Betrunkenen ist allerdings, dass sie über ganz wundersame Eigenschaften zu verfügen scheinen, sobald sie einen gewissen Pegel erreicht haben. Bei Owen ist es die Tatsache, sich dann lautlos wie eine Katze bewegen zu können.
 

So bemerkt Mia ihn erst, als er sich von hinten gegen sie drückt, die Arme um ihren Bauch schlingt und den Kopf auf ihrer Schulter ablegt. Heftig schreckt sie in seiner unerwarteten Umarmung zusammen und spürt im selben Moment, wie sich seine harte Erregung ungestüm gegen ihre Kehrseite presst. „Owen, bitte, ich mache gerade den Abwasch...“, versucht sie ihn halbherzig abzuwehren. Manchmal lässt er sich darauf ein und verschiebt derlei Gedanken auf nachts, wenn sein verhasster Sohn schläft, doch nicht heute.
 

„Is egal. Ich will dich jetz!“, raunt er ihr schwer ins Ohr, wobei er sich nachdrücklich an ihr reibt. Der widerliche Gestank seines Bieratems steigt ihr in die Nase und sie schluckt hart, um zu verhindern, sich übergeben zu müssen. „Können wir das nicht verschieben? Ich fühle mich nicht so gut...“, gibt sie unterwürfig zurück. Erst gestern hatte er sie bis zur Besinnungslosigkeit verprügelt, sodass sie jetzt kaum schmerzfrei gehen oder auch nur stehen kann, da kann sie das nun unmöglich durchstehen. Und sollte sie währenddessen vor Schmerzen schreien müssen, würde ihn das nur zu noch mehr Gewalt animieren. Oh, und wenn Jack das mitbekommt, wird er versuchen wollen, ihr zu helfen, was dann auch nur damit enden würde, dass auch er den Zorn seines Vaters zu spüren bekommt. Der arme Junge ist so klein und doch so tapfer, irgendwann wird Owen ihn noch umbringen...
 

„Halt die Klappe und mach die Beine breit, Schlampe!“ Entgegen seiner Worte klingt seine Stimme völlig ruhig, nur seine Hand umfasst überaus grob ihre linke Brust. Mit der rechten öffnet er nun seine Hose, wühlt sich anschließend unter ihr Kleid und versucht ihr den Slip herunterzuziehen. Er wird es tun, er wird sie vergewaltigen, wie so viele Male zuvor. Sie kann es nur versuchen zu ertragen, so still wie möglich, und hoffen, dass sie davon nicht wieder schwanger wird, so wie damals mit Jack...
 

„Owen, bitte...“, versucht sie es ein letztes Mal, doch er ignoriert ihr Flehen. Stattdessen packt er sie grob am Hinterkopf und rammt ihre Stirn dann mit voller Wucht gegen die untere Kante des Küchenschranks, der über der Spüle hängt. Leise klirren darin die Gläser, während sich ein betäubender Schmerz in ihrem Kopf ausbreitet. Ihr droht schwarz vor Augen zu werden, doch das muss sie um jeden Preis verhindern! Wer weiß schon, was er alles tun könnte, wenn sie erst einmal ohnmächtig wird?
 

Krampfhaft klammert sie sich an die Wirklichkeit, während er so hart in sie eindringt, dass sie einen Aufschrei nicht mehr unterdrücken kann. „Wusste doch, dass dir das gefällt!“, lacht er ihr trunken ins Ohr und stößt fest zu. Mia kommen die Tränen und sie beißt sich so fest auf die Unterlippe, dass sie ihr eigenes Blut schmecken kann. Hilflos lässt sie den Kopf hängen und starrt in das seifige Spülwasser, betet dafür, dass es schnell vorbeigeht, ehe Jack womöglich auf die Idee kommt, nach ihr sehen zu wollen. Keuchend drängt sich Owen immer ungestümer in sie hinein, zerreißt sie innerlich, sodass sie spüren kann, wie ihr klebriges Blut wie warme Bratensoße die Schenkel hinabrinnt. Dann reißt sie plötzlich die Augen auf.
 

Nach unerträglichen Jahren gefangen in der ehelichen Hölle, in denen er sie auf jede nur erdenkliche Weise misshandelt hat, die ein Mann an einer Frau verrichten kann, kommt nun der Augenblick, in dem alles sein Ende nehmen könnte – und doch ist es auch der Tag, an dem alles erst seinen Anfang nehmen wird...
 

Ruckartig lässt sie ihre Hand in das Spülbecken sinken und umklammert den hoffentlich rettenden Gegenstand. Als sich ihr Mann etwas von ihr entfernt, um einen neuen Angriffspunkt zu finden, dreht sie sich blitzschnell herum und hält ihm das große Messer direkt vor die Nase. „Was zum...“, gibt Owen verwirrt von sich. „Komm mir nicht zu nahe, bitte! Ich will dir nicht wehtun! Doch du musst aufhören, bevor noch etwas Schlimmes passiert!“, teilt sie ihm unter Tränen mit. Sein Gesicht verzieht sich zu einer abgrundtief zornigen Fratze und plötzlich wirkt er gar nicht mehr betrunken. „Du dreckige Hure wagst es, mir zu drohen? Das werde ich dir gleich mal wieder austreiben!“
 

Als er nach ihr zu greifen versucht, trifft sie ihn mit der Messerschneide am Unterarm. Ein langer Schnitt platzt dort nun wie die Haut einer überreifen Frucht auf, und Blut tropft auf den Fliesenboden. Völlig perplex starrt er seinen Arm an und dann sie. „Es tut mir so leid, Owen! Bitte hör auf! Lass mich in Ruhe, bitte...“ „Das hast du nicht umsonst gemacht, du verfluchtes Miststück! Dafür wirst du büßen!“, platzt es nun lautstark aus ihm heraus. Als er diesmal nach ihr greift, verfehlt sie ihn mit der Schneide und er zerrt sie an den Haaren zu sich heran. Mit der anderen Hand versucht er ihr das Messer abzunehmen.
 

„Mama...?“, ertönt es dann auf einmal von der Küchentür aus und beide wenden sich in diese Richtung um. Mit verstört aufgerissenen Augen steht der kleine Jack unter der Zarge und versucht zu begreifen, was da gerade vor sich geht. „Es ist alles in Ordnung, Schätzchen! Geh zurück in dein Zimmer und mach deine Hausaufgaben, ja?“, versucht Mia ihr geliebtes Kind aus der Gefahrenzone zu lotzen. „Hör auf deine Schlampen-Mutter und geh mir aus den Augen, du elender Bastard!“, gebärt sich Owen und bekommt dann das Messer zu fassen. Vollkommen erstarrt bleibt der kleine Junge jedoch stehen, kann sich gar nicht rühren. „Jack, lauf!“, gibt seine Mutter panisch von sich.
 

Doch es ist bereits zu spät. Noch ehe der Blonde überhaupt Luft holen kann, rammt Owen seiner Frau das Messer bis zum Heft in den Magen! „Das wird dich lehren, so frech zu mir zu sein, Miststück!“, grinst er und stößt die Klinge immer wieder in ihren zuckenden Körper hinein. „NEIN!“, entkommt es Jack hilflos. Wie von Sinnen tritt er in die Küche hinein, um ihr irgendwie zu Hilfe zu kommen. Derweilen bricht Mia in einer rasch anwachsenden Lache ihres eigenen Blutes auf den Fliesen zusammen. „Lauf – Jack...“, bringt sie stockend hervor, ehe sie die letzte Kraft verlässt.
 

„Mama! – Was hast du getan?“, wendet sich der verstörte Junge nun in Tränen aufgelöst an seinen Vater. Owen gibt ein glucksendes Kichern von sich. „Was denn, was denn? Warum denn so ernst, Jackie-boy? Du lachst doch sonst immer über jeden Scheiß, da musst du das doch zum Todlachen finden!“ Statt Jack lacht aber nur sein Vater aus vollem Hals und zieht in einer erstaunlich eleganten Bewegung das Messer aus dem reglosen Leib seiner Frau. „Du Monster!“, wimmert der kleine Junge aufgelöst. Nun scheint ein Wandel durch das Gesicht seines Vaters zu gleiten. Die irre Ausgelassenheit verschwindet, dafür wirkt er nun zu tiefst betrübt.
 

„Du willst sie wiederhaben, nicht war, Jackie-boy? Ich fürchte nur, dass das nicht gehen wird. – Aber weißt du was? Ich kann dich stattdessen zu ihr schicken, du verfickter, kleiner Bastard!“ Verständnislos mustert der Junge seinen Vater und begreift zuerst nicht, was dieser ihm sagen will. Als Owen sich nun aber mit erhobenem Messer in Bewegung setzt, schlägt das Verstehen plötzlich auf Jack ein. Hastig wirft er sich herum und flüchtet Richtung Wohnzimmer. Doch sein Vater ist schneller und holt ihn ein. Grob packt er das wehrlose Kind am Hemd und wirft es vor dem Couchtisch rücklings zu Boden. Hart schlägt der Kopf des Jungen dabei auf das nackte Holz, sodass er einen Moment nur noch Sterne sehen kann.
 

Das nächste, was er sieht, ist sein Vater, der zwischen seinen gespritzten Beinen kniet, eine Hand fest auf seine zierliche Brust drückt, um ihn zu fixieren, und sich dann mit dem Messer über ihn beugt. „Warum denn so ernst, Jackie-boy? Nun lach doch mal wieder! Immerhin darfst du gleich zu deiner heißgeliebten Mami.“ Mit einer Mischung aus Verständnislosigkeit und Trotz betrachtet ihn das Kind. Seufzend schüttelt Owen den Kopf. „So wird das nichts, Jackie-boy. Du musst lächeln!“ Nichts, nur der anklagende Blick eines Kindes. „Nein? Na schön. Dann wollen wir doch mal sehen, ob wir nicht doch ein Lächeln auf dieses Gesicht gezaubert bekommen!“, gibt er enthusiastisch von sich.
 

Eine Sekunde später schiebt sich das scharfgeschliffene Messer zwischen die fest zusammengepressten Lippen des kleinen Jungen, zerreißt sie, wie zuvor den wehrlosen Körper seiner Mutter, und beginnt dann sägend nach links zu schneiden. Unsagbare Schmerzen durchzucken den zierlichen Körper, während Haut, Muskeln und Sehnen so mühelos entzweigeschnitten werden, als wären sie nichts weiter als ein Grashalm im Wind. Die silberne Spitze sticht dabei unentwegt in die Zunge des Jungen, ein paar Mal sogar in dessen Gaumen, was ihn haltlos würgen lässt. Mit zitternden Händen versucht er sich irgendwie dagegen zu wehren. Doch es bringt nichts, Owen ist viel zu stark. Es franst die klaffende Wunde in seinem Gesicht nur noch mehr aus. Seine Augen schwappen über vor Tränen, während sich gleichzeitig sein Mund mit warmem, Übelkeit erregendem Blut füllt. Er droht regelrecht daran zu ersticken, gleichermaßen an seiner rasch anschwellenden Zunge, wobei er die ganze Zeit das irre Lachen seines Vaters hören muss.
 

Als sich das Messer endlich zurückzieht, wirft Jack ruckartig hustend den Kopf zur Seite und spuckt kraftlos einen riesigen Schwall Blut auf den Boden. „Na das sieht doch gleich besser aus! Aber perfekt ist es leider noch nicht. So sieht kein richtiges Lächeln aus, Junge!“, kommt es fast schon tadelnd von dem Mann über ihm. Langsam hebt Jack den von Tränen verschleierten Blick zum verhassten, gefürchteten und dennoch auf primitive Weise so missverständlich geliebten Gesicht seines Vaters. Dieser grinst weiterhin mit ungeahnter Zärtlichkeit und setzt das Messer ein weiteres Mal an, diesmal auf der rechten Seite.
 

Der Schmerz ist diesmal nicht so stark, ist doch sein ganzes Gesicht noch vom ersten Mal fast völlig taub. Abermals überkommt ihn jedoch wieder das Gefühl an seinem eigenen Blut und seiner dick geschwollenen Zunge ersticken zu müssen. Warum kann er nicht einfach ohnmächtig werden oder sterben, damit es ein Ende hat? Damit er vielleicht wirklich zu seiner Mutter zurückkehren kann. Warum? „Mama...“, wimmert er unverständlich, als das Messer wieder verschwindet und er erneut den Kopf zur Seite legen kann. „Sieh sich das einer an! Das ist ein fröhliches Lächeln!“, flötet sein Vater derweilen, dann stutzt er wieder und betrachtet das Kind genauer. „Weißt du eigentlich, wie ähnlich du deiner Mutter siehst? Die blonden Haare, die braunen Kulleraugen, das verfickt niedliche Gesicht. – Ja, wirklich verfickt niedlich...“
 

Sein Blick scheint sich zu umwölken. Nahezu begierig leckt er sich mit der Zunge über die Lippen und greift dann nach dem Hosenbund seines Sohnes. Aber es scheint doch einen Gott oder irgendetwas dergleichen zu geben, denn endlich, endlich wird Jack schwarz vor Augen und er stürzt in die tröstliche Dunkelheit hinab...
 

Als er wieder zu sich kommt, liegt er in einem Krankenhaus und der Arzt teilt ihm mit, dass sein Vater von der Polizei erschossen wurde, kurz bevor dieser ihn tatsächlich vergewaltigen konnte. Seine im Sterben liegende Mutter hatte es irgendwie geschafft, sich unbemerkt bis in den Hausflur zu schleppen, wo ein Nachbar sie fand und die Rettungskräfte verständigte. Noch während das Leben ihren Körper endgültig verließ, wimmerte sie immer wieder, jemand möge ihren Sohn, ihren süßen kleinen Jack, retten...
 


 

3
 

Während Joker den schlimmsten Tag seines Lebens an seinem inneren Auge vorbeiziehen sieht, ohne zu begreifen, dass er der kleine Jack ist, parkt Edward seinen Bel Air vor einem Kaufmannsladen im Herzen der Narrows. Das Geschäft ist das einzige, das all die Zerstörung und die Kriminalität der letzten zwölf Jahre überstanden hat und zur Zeit auch die einzige Möglichkeit der hier lebenden Leute, sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Die Kosten für die ganzen Waren übernimmt der Brünette gänzlich allein, sodass es für die Bewohner mehr einer Art Tafel oder Essensausgabe gleichkommt, als an einen richtigen Laden zu erinnern. Aber irgendwann wird sich das sicher ändern, wenn alles wieder in normalen Bahnen läuft und jeder einen festen Job hat, der es ihm ermöglicht, seine Familie zu ernähren. Doch das ist Zukunftsmusik...
 

Mit einer Liste in der Hand steigt Nigma aus seinem Wagen und betritt den kleinen Laden, wobei ein silbernes Glöckchen über der Tür sein Kommen ankündigt. Daraufhin tritt ein ältlicher Mann aus dem angrenzenden Lager heraus und stellt sich an den Tresen, um ihn in Empfang zu nehmen. „Ah, welche Ehre, unseren König an diesem herrlichen Abend in meinem bescheidenen Laden begrüßen zu dürfen!“ Augenblicklich steigt Ed die Röte in die Wangen. „Joseph, bitte! Wie oft habe ich Ihnen jetzt schon gesagt, dass Sie mich nicht so nennen sollen? Das ist mir unangenehm.“, seufzt der Brünette und nähert sich dem Tresen.
 

„Aber Mister Nigma, Sie sind doch unser König! Und bei dem, was Sie alles für uns tun, würde ich Sie noch viel höher heben, wenn mir ein noch besseres Wort einfallen würde!“ „Ich bin aber kein König! Ihr habt mich dazu ernannt, ohne mich zu fragen, und ich fühle mich damit nun einmal alles andere als wohl...“ „Ja, aber Sie tun so viel für uns!“ „Das mag sein, deswegen bin ich aber noch lange kein König. Ich habe weder Krone noch Schloss und schon gar keine Untertanen. Und ich bin auch nicht gewillt, mir auch nur eines davon zuzulegen. Also bitte einfach nur Nigma oder noch besser: Edward.“ „Ich könnte Sie niemals mit dem Vornamen ansprechen, Sir! Das wäre einfach nicht richtig.“, traurig betrachtet ihn der andere Mann und Ed gibt schließlich auf. Es ist doch immer das Gleiche. Zumindest nennt ihn hier niemand Riddler, das wäre wirklich schrecklich!
 

„Schön, wie Sie meinen.“, seufzt der Rätselmeister ein weiteres Mal. Ein Lächeln breitet sich auf dem Gesicht des Grauhaarigen aus. „Was kann ich heute für Sie tun, Mister Nigma? Sie sind reichlich früh für ihren Einkauf dran. Stimmt etwas nicht?“ „Doch, alles in Ordnung. Es ist nur so, dass ich heute unerwarteten Besuch bekommen habe und der hat mir die Vorräte weggefuttert. Daher muss ich ein bisschen aufstocken.“, erklärt Edward und reicht ihm die Liste. „Ah, ich verstehe. Sie haben Glück, ich habe alles da und werde es gleich holen.“ „Danke. Ich warte.“
 

Während Joseph nach hinten ins Lager geht, um die Bestellung zusammenzustellen, sieht sich der Brünette in dem kleinen Laden um. Viel gibt es jedoch nicht zu sehen, da alle Waren hinten unter Verschluss gelagert werden. An den Wänden hängen allerdings alte Werbeschilder aus den 50er Jahren, die ihn immer wieder faszinieren. Zudem gibt es eine alte schwarz-weiß Fotographie, die einen sehr jungen Joseph vor dem Laden zeigt, der gerade eröffnet hatte, wie ihm vom damaligen Bürgermeister Gothams die Hand geschüttelt wird. Das Bild ist fast so alt wie die Werbeschilder. Oh, wie viele Bürgermeister diese Stadt in all dieser Zeit schon erlebt – und überlebt – hat. Doch Joseph und sein Laden sind immer noch hier und werden es hoffentlich auch noch eine ganze Weile bleiben.
 

Langsam tritt der Grauhaarige wieder aus dem Lager heraus, nun mit einer gefüllten Pappkiste beladen. „So, da haben wir schon alles. Wenn Sie noch einmal drüber schauen wollen?“ Gewissenhaft blickt Ed in den Karton hinein und setzt gedanklich ein paar Häkchen. „Sehr schön. – Eine Sache wäre da noch. Sie haben nicht zufällig etwas Süßes?“ „Süßes? Das gehört nicht zu meinem allgemeinen Inventar, wie Sie doch eigentlich wissen...“, setzt der Grauhaarige an, wobei Nigma traurig die Schultern hängen lässt. „Stimmt ja, dennoch schade. Ich – wollte jemandem eine Freude machen, der es gerade nicht leicht hat...“
 

Verständnisvoll betrachtet ihn der ältere Mann, dann hellt sich sein Gesicht plötzlich auf. „Oh, warten Sie! Ich glaube, ich habe hinten noch ein paar Tafeln von der Schokolade, die Sie zum Vierten Juli bestellt hatten.“ Überrascht weiten sich Edwards Augen, dann fällt es ihm wieder ein. Am Unabhängigkeitstag vor zwei Wochen hatte der Rätselmeister ein großes Feuerwerk für alle Bewohner der Narrows auf die Beine gestellt. Dazu gab es auch ein prächtiges Grillfest, Musik und Tanz, und Ed hatte jedem Kind eine Tafel feinste Schokolade von Hershey’s geschenkt. Er hatte sich jedoch nicht die Mühe gemacht und genau die Anzahl Tafeln bestellt, die auch der Anzahl der Kinder entsprochen hat, sondern aufgerundet, damit kein angebrochener Karton geliefert wird. Somit sind noch eine Hand voll übrig.
 

Bei dieser Vorstellung geht dem Brünetten regelrecht das Herz auf. „Das wäre wirklich wundervoll, wenn davon noch etwas übrig ist.“ „Ich sehe sofort nach!“ Und schon verschwindet Joseph wieder im Lager. „So, hier ist der Karton. Sieht aus, als wären noch fünf Tafeln da.“ „Ausgezeichnet!“ Geschwind klaubt Ed sie aus der Schachtel und wirft sie zu seinen Einkäufen in die Pappkiste. Sichtlich zufrieden zieht er etwas Geld aus der Tasche und legt es auf den Tresen. „Vielen Dank! Sie haben mir damit wirklich sehr geholfen!“ „Oh, nicht der Rede wert, Mister Nigma. Wenn sich Ihr Besuch nur halb so sehr über die Schokolade freut, wie Sie jetzt, dann bin ich auch zufrieden!“, lächelt Joseph ehrlich. Edward erwidert das Ganze auf seine unbeholfen-schüchterne Art, was sein Gesicht dennoch unglaublich strahlen lässt, und kehrt dann mit den Sachen zu seinem Auto zurück.
 


 

4
 

Während Edward von großer Freude und auch etwas Erleichterung ergriffen den Weg nach Hause antritt, endet der Tagtraum des Clowns schließlich mit seiner waghalsigen und ziemlich ungesunden Flucht aus dem Krankenhaus, kaum eine Woche nach der Gräueltat seines Vaters. Die Angst davor, wieder verletzt zu werden – egal von wem und auf welche Weise – war so groß, dass er es vorzog, allein in diese grausame Welt hinauszuziehen und zu versuchen, dass alles irgendwie zu vergessen. Vollkommen ungeachtet, dass er in seinem schwerverletzten Zustand in der nächsten Gasse zusammenbrechen und elendig krepieren könnte.
 

Jokers Erinnerungen an die Zeit, als er noch Jack Napier war, sind beängstigend – oder gnädiger Weise – lückenhaft und treten nur in Situationen großer Nachdenklichkeit oder anhaltendem Stress zu Tage. Doch wenn sie es tun, reißen sie ihn jedes Mal in ein tiefes Loch des Schmerzes und der Einsamkeit hinab, und versuchen auch das letzte, gut verborgene bisschen seiner geistigen Gesundheit zu vernichten, und aus ihm den mordenden Irren zu machen, den die Menschen stets in ihm sehen, auch wenn der kleine Clown eigentlich nur allen Leuten ein Lächeln ins Gesicht zaubern will – ein völlig ehrliches Lächeln.
 

Gerade ist ihm aber selbst nach allem anderen als nach lächeln zumute. Als die schrecklichen Bilder vor seinen Augen verblassen, nehmen ihm sofort Unmengen Tränen die Sicht – sie flossen schon währenddessen, doch jetzt ist der Damm vollständig niedergerissen worden – und er zittert am ganzen Körper. Unbewusst hebt er die Hände und streicht damit über die dicken Narben auf seinen Wangen. Wäre er damals im Krankenhaus geblieben, hätte vielleicht die Möglichkeit bestanden, sie zu einem gewissen Grad zu retuschieren, was sicher zahlreiche und schmerzhafte Operationen bedeutet hätte, die ihm aber sicher ein normaleres Leben ermöglicht hätten. Doch die Angst – eine regelrechte Paranoia – war einfach zu überwältigend. Abgehakt holt er Luft und kann nicht mehr klar denken. Das Gnädige an der Situation ist allerdings, dass er gar nicht begreift, wer dieser bemitleidenswerte kleine Junge ist, den er gerade in seinem Kopf zu sehen geglaubt hat. Er versteht nicht, dass er selbst Jack ist – oder es einmal war –, dennoch macht ihn der Anblick von all diesem Leid so sehr fertig, als hätte er es statt des Jungen gerade am eigenen Leib erfahren müssen.
 

Langsam und kraftlos sinkt er auf die Knie und stützt sich auf dem Fensterbrett ab, das ähnlich wie ihm Schlafzimmer ziemlich tief liegt, auch wenn es hier keinen weiteren Balkon gibt. Durch seinen stetigen Tränenschleier blickt er unbewusst wieder nach draußen, sucht nach etwas, das ihm irgendwie Halt geben kann, hält den Blick aber dennoch zu einem gewissen Grad bewusst von dem Apartmentkomplex gesenkt. Seine unnatürlichen Seelen fixieren nun die Schlagloch geschädigte Straße davor.
 

Ein Mann weckt ungewollt seine Aufmerksamkeit. Er geht bedächtig die Straße entlang und schiebt dabei einen sichtlich verbeulten Einkaufswagen vor sich her. In Jokers Augen sieht der Mann eindeutig nach einem Obdachlosen aus. Der kleine Clown weiß ja auch nicht, dass es hier so etwas gar nicht gibt, denn das Erste, was Ed in den Narrows gemacht hat, war jedem Bewohner ein Dach über dem Kopf und einen sicheren Rückzugsort zu besorgen. Für Joker ist es aber unzweifelhaft ein Penner und genau das löst eine weitere Erinnerung in ihm aus, die er nicht begreifen kann...
 


 

5
 

Das Ganze ereignete sich zwei Jahre nach seiner Flucht aus dem Krankenhaus. Mittlerweile hat der kleine Jack die Narrows weit hinter sich gelassen und lebt nun auf den weit verzweigten Straßen von Gothams Innenstadt. Schlägt sich irgendwie so durch und versucht zu vermeiden, eingefangen und in ein Kinderheim gesteckt zu werden – von dort aus zu einer neuen Familie zu müssen, die ihn dann womöglich wieder nur wie Dreck behandelt. Allein die Vorstellung ängstigt ihn zu tiefst. Er braucht seine Freiheit und ganz sicher niemanden, der ihm sagt, was er zu tun und zu lassen hat. Das bringt nur Schmerz und Ärger mit sich und das will er nicht. Was er will, ist Spaß und Lachen. Alle Leute sollen glücklich sein und sich freuen ihn zu sehen, und ihn nicht mit offenem Mund und angewidert verzogenem Gesicht anstarren, als wäre er eine mit Pest vollgepumpte Kanalratte, die gerade ein Sonnenbad auf einem frischen Scheißhaufen nimmt. Ganz so, als könnten sie sich mit dem anstecken, was ihn so zugerichtet hat. Ihm fällt jedoch nicht ein, wie er das ändern kann, schließlich ist er nun ein zu kurzgeratener Zehnjähriger, der sich ohne Geld, Liebe und Zuhause irgendwie durchzuschlagen versucht. Und als wäre das nicht schon schwer genug, ist auch noch die ganze Welt gegen ihn...
 

Einen Menschen gibt es allerdings doch in seinem Leben, und dem ist es völlig egal, wie er aussieht und was andere denken, weil auch er sich vom Leben und der Stadt im Stich gelassen fühlt. Bei dieser Person handelt es sich um Frank, einen obdachlosen ehemaligen Seemann, der sich unter einer Brücke sein eigenes kleines Reich zusammengeklaubt und Jack in seiner Mitte aufgenommen hat, als ihm dieser völlig verzweifelt und fast verhungert praktisch in die Arme gelaufen ist.
 

Bei dem alten Mann fühlt sich das Kind auf eine Weise geborgen, wie es das zuvor nur bei seiner Mutter verspürt hat, und das gibt ihm die Zuversicht, dass es doch etwas Gutes auf der Welt gibt und er nicht völlig allein ist. Das solche Dinge wie Vertrauen und Fürsorge tatsächlich existieren. Doch die kindliche Naivität, die diese Empfindungen in ihm wachruft, wird ihm das Genick brechen, sodass er am Ende dieses Tages erneut vor den Scherben seiner Existenz stehen wird. Doch fangen wir schlicht von vorn an.
 

Jedem vernichtenden Unwetter geht immer eine trügerische Stille voraus, die einen in Sicherheit wiegen soll, damit einem das Folgende auch ja den Gnadenstoß versetzen kann. Und so ist es auch jetzt. Es ist ein herrlich lauer Frühlingsabend. Die Sonne steht als großer, rotorange glühender Ball über dem Horizont und der Verkehr auf der Brücke über ihnen ist ein monotones, einschläferndes Brummen. Zwischen ihnen knistert ein kleines Lagerfeuer und die spärlichen Reste ihrer letzten, bescheidenen Mahlzeit verteilen sich darum. Es könnte wohl kaum schöner sein – zumindest unter den gegebenen Umständen, versteht sich.
 

Jack ist gern mit Frank zusammen. Er ist wie ein Onkel oder Opa, der sich rührend um ihn kümmert, obwohl er selbst nie Kinder gehabt hat. Dafür kann er umso besser Geschichten erzählen. Seine schier endlosen Abenteuer auf hoher See faszinieren den kleinen Jungen immer wieder, auch wenn sie teilweise erschreckend und brutal sind. Wie auch Jack ist Frank durch die Hölle gegangen und schließlich hier gelandet. Ganz konnte der Blonde noch nicht herausfinden, was ihm alles widerfahren sein muss, da die Erzählungen des Alten oftmals ziemlich durcheinandergeraten, Lücken aufweisen oder sogar freierfunden scheinen. Doch ihm muss etwas ziemlich Traumatisches passiert sein, dass ihn ab und an in Wahnvorstellungen verfallen lässt, bei denen er Dinge und sogar Personen zu sehen glaubt, die gar nicht da sind.
 

In eine seiner Geschichten erzählte er Jack von Piraten, die das Schiff überfallen haben sollen, auf dem er arbeitete. Die Seeräuber haben wohl die Hälfte der Mannschaft vor den Augen ihrer hilflosen Kameraden niedergemetzelt und die andere Hälfte gefangen genommen. Frank war unter diesen Gefangenen und wurde anschließend wochenlang auf dem Schiff der Piraten gefoltert, bis man sie einfach zum Sterben ins Meer geworfen hat. Frank hatte Glück im Unglück und wurde kurz darauf von einem Handelsschiff aufgelesen und nach Gotham gebracht.
 

Die meisten seiner Wahnvorstellungen drehen sich um diese Piraten und manchmal ist es richtig beängstigend, wenn er mit einer Person, die gar nicht da ist, streitet oder sogar einen Kampf mit ihr auszufechten scheint. Jack weiß sich dann immer überhaupt nicht zu helfen, als still in einer Ecke zu sitzen und zu warten, dass es vorbeigeht. Bisher hat das immer gut funktioniert, auch wenn Frank ihn mehr als einmal ziemlich angebrüllt hat, weil er ihn für einen der Piraten gehalten hat.
 

Heute scheint wieder so ein Tag der Wahnvorstellungen zu sein. Gerade betrachten sie noch so friedlich den Sonnenuntergang und Jack fallen vom einschläfernden Brummen der Autos schon langsam die Augen zu, da springt Frank auf einmal auf, als wäre er von einer Tarantel in den Hintern gebissen worden. „Ihr verfluchten Schweine könnt mich nicht einsperren! Wenn ich hier rauskomme, bringe ich euch um, für das, was ihr getan habt! Hört ihr, ich bring euch alle um!“ Erschrocken zuckt der Blonde zusammen. Dummerweise kommt er dabei zu dicht ans Feuer und verbrennt sich fast die Hand. Überrascht schreit er auf und kommt reflexartig auf die Füße, um Abstand zu gewinnen. Aber das war ein schwerer Fehler!
 

Augenblicklich wendet sich Frank zu ihm um. Seine Augen sind völlig stumpfe Edelsteine, die das Kind so heftig fixieren, als würde er versuchen, es damit aufzuspießen. „Du elendes Schwein hast all meine Freunde umgebracht! Sie in ihrem eigenen Blut ersaufen lassen!“ „Nein!“, kommt es hilflos von dem Jungen, der langsam vor ihm zurückweicht. „Du verlogenes Piraten-Schwein!“, gebärt sich Frank, bückt sich dabei und ergreift eines der Messer, das vom Essen noch neben dem Lagerfeuer liegt. Schmutzig-verschmiert glänzt die schon ziemlich stumpfe, aber dafür noch recht spitze Klinge im Schein der Flammen.
 

Erschrocken holt Jack Luft. Auf unglaublich heftige Weise fühlt er sich an den Tag vor zwei Jahren erinnert, an dem sein Vater seine Mutter mit einem Messer tötete und anschließend auf ihn losging. Todesangst steigt in dem kleinen Körper auf. Sollte es möglich sein, dass er seinem herrischen Vater damals nur entkommen ist, um jetzt durch die Hand eines anderen Messer schwingenden Irren zu sterben? Das darf nicht sein! Das ganze Leid und die Schmerzen, die er durchmachen musste, dürfen nicht umsonst gewesen sein. Er muss kämpfen! Doch wie? Er ist nur ein zu klein geratener Zehnjähriger, dürr wie ein Blatt Papier und gerade einmal kräftig genug, um sich selbst auf den Beinen zu halten. Wie soll er sich also gegen einen ältlichen Seemann zur Wehr setzen, der fast doppelt so groß, gefühlt eine Tonne schwerer und für sein Alter immer noch erschreckend durchtrainiert ist?
 

Er könnte versuchen, wegzulaufen, doch das hat schon bei seinem Vater nicht funktioniert, auch wenn er hier viel mehr Platz zur Verfügung hat. Frank würde ihn sicher dennoch verfolgen, er ist im Moment so dermaßen unberechenbar. Vielleicht helfen ja auch Worte? Einen Versuch wäre es zumindest wert, bis ihm etwas Besseres einfällt, oder er unbemerkt seinen Abstand so sehr vergrößert hat, dass eine Flucht sinnvoll erscheint. „Frank, nun hör doch mal. Leg das Messer weg! Ich bin es doch, Jack. Erkennst du mich denn gar nicht mehr?“ „Und ob ich dich erkenne, Captain Jack Hammer, du elender Hurensohn!“ Scheiße! Da beißt einem der Zufall doch gewaltig in den Hintern. Wer hätte denn auch ahnen können, dass dieser verdammte Piraten-Captain ebenfalls Jack hieß? Oh, er muss sich dringend etwas anderes einfallen lassen...
 

Hilflos weicht er weiter vor dem Obdachlosen zurück, der ihm mit dem Messer immer näherkommt. „Frank, nun hör doch! Niemand wird dir etwas tun, also leg bitte das Messer weg...“ „Wenn mir wirklich keiner etwas tun will, warum hocke ich dann hier in diesem Scheiß-Verließ und muss meine eigene Pisse trinken?“ Darauf weiß der Blonde leider auch keine Antwort. Allerdings scheint Frank nicht klar zu sein, dass er gar nicht eingesperrt ist. Vielleicht hilft es ja, wenn Jack einfach mitspielt?
 

„Frank, du bist nicht eingesperrt! Ich hab dich rausgelassen. Siehst du das denn nicht?“, setzt er hoffnungsvoll an. Blinzelnd schaut sich der ältliche Seemann um, dann verfinstert sich seine Miene jedoch wieder und er tritt mit dem Messer näher auf das wehrlose Kind zu. „Du elende Ratte hast mich nur rausgelassen, um mich über die Planke jagen zu können! Gib es doch endlich zu!“ „Nein!“, verloren rinnen dem Jungen nun Tränen über die Wangen, doch es hilft alles nichts.
 

Als er einen weiteren Schritt rückwärts macht, stolpert er schließlich über die zerschlissene Matratze, auf der er schläft, und landet rücklings in den zerwühlten Laken. Darauf hat Frank nur gewartet. Blitzschnell tritt er vor, presst den Jungen fester auf den Grund und reißt das Messer hoch. Das Déjà-vu könnte wohl kaum größer sein. „Du jämmerlicher Feigling! Du bist gar kein richtiger Pirat! Dir fehlt das Holzbein und die Augenklappe, um wirklich ernstzunehmend zu wirken, doch das können wir ganz schnell ändern!“
 

Nun fixiert er den Kopf des Blonden und richtet die Spitze des Messers auf dessen rechtes Auge aus. Verzweifelt tasten Jacks Finger den Raum neben der Matratze ab, in der Hoffnung, dort etwas zu finden, dass ihn davor bewahren kann, sein Auge einzubüßen. Alles scheint wie in Zeitlupe abzulaufen. Doch dann ergreifen seine Finger endlich etwas. Es ist so scharfkantig, dass er sich daran sofort die zitternde Hand aufschneidet, doch er umklammert es mit aller Kraft. Verzweifelt schließt er die Augen, weil er nicht sehen will, was jetzt passieren könnte. Dann reißt er die Hand hoch und rammt die große Glasscherbe in das Erste, was er so blindlings erwischen kann.
 

Praktisch im selben Moment jagt ein brennender Schmerz über sein rechtes Auge hinweg, als ihn das Messer streift. Dann folgt ein ersticktes Röcheln und etwas Warmes tropft auf seine schmale Brust. Vorsichtig öffnet Jack das unverletzte linke Augen und kann doch kaum glauben, was er sieht. Seine Hand umklammert noch immer krampfhaft die riesige Scherbe, doch diese steckt jetzt tief in der Seite von Franks Hals! Klappernd lässt der ältliche Seemann daraufhin das Messer fallen und greift sich stattdessen an den durchstoßenen Hals. Bei jedem röchelnden Luftholen zuckt die Scherbe darin grotesk auf und ab. Ein heißer Schwall Blut klatscht erneut auf Jacks Brust, dann kippt Frank einfach zur Seite und rührt sich nicht mehr.
 

Zitternd richtet sich der Blonde auf, drückt sich eine Hand fest auf sein verletztes Auge, während er die andere nach dem Mann am Boden ausstreckt. Ehe er ihn allerdings berühren kann, ertönen ganz in der Nähe Polizeisirenen. Erschrocken fährt der Jungen zusammen. Er muss hier weg, andernfalls werden sie ihn erwischen und womöglich ins Gefängnis stecken! Sein Denken setzt vollkommen aus. Nur eine Sekunde später erhebt er sich und rennt...
 


 

6
 

Während Joker darum kämpft, aus diesem Albtraum erwachen zu können, erreicht der Bel Air die Garage, wo Edward schon sehnsüchtig von seinen Männern erwartet wird. Sie überfallen ihn mit so vielen Dingen gleichzeitig, dass er sich erst einmal die Zeit nehmen muss, um dort durchzublicken. Das hilft dem Grünhaarigen jedoch kein bisschen. Dennoch gelingt es ihm, sich aus diesem erneuten Schrecken zu befreien. Aber er begreift einfach nicht, warum er das ertragen muss. Warum muss er mitansehen, wie dieser arme Junge leidet? Bitterlich weinend lässt er sich zu Boden fallen und rollt sich wie ein Embryo zusammen. Unbewusst gleiten seine Finger dabei zu seinem rechten Auge. Die feine Narbe, die dort von der Stirn gerade herunter bis zur Wange reicht, ist unter der dicken Schicht aus Schminke kaum zu spüren. Das sie da ist, sieht man seinem bemalten Gesicht einzig und allein daran an, dass seine Augenbraue an dieser Stelle unterbrochen ist.
 

Er hatte damals wahnsinniges Glück. Hätte Frank auch nur ein winziges bisschen mehr Druck in das Messer gelegt oder hätte Jack auch nur eine Sekunde gezögert, mit der Scherbe zuzustoßen, wäre er jetzt auf diesem Auge blind. Diese Tatsache kümmert Joker nun jedoch kein Stück, versteht er doch nicht, was das alles mit ihm zu tun hat. Warum ausgerechnet er diesen bemitleidenswerten Jungen dabei beobachten soll, wie er immer weiter zu Grunde gerichtet wird. Hilflos fängt er an, sich die grünen Haare zu raufen. Das scheint leider Gottes aber auch der Startschuss für eine weitere Erinnerung zu sein...
 


 

7
 

Inzwischen ist Jack dreizehn und sein Leben auf der Flucht hat ein jähes Ende gefunden. Eines Tages haben sie ihn schließlich doch erwischt und jetzt fristet er sein Dasein in einem Heim für geistig benachteiligte und gewalttätige Jungen und wartet darauf, entweder adoptiert zu werden und weitere Misshandlungen durch eine neue Familie zu erfahren, oder durch die Brutalität der Pfleger vorher ins Gras beißen zu dürfen. Etwas Glück hat er zumindest, denn sein Zimmergenosse ist ein sehr nettes Kerlchen.
 

Er heißt Sam, ist geistig auf der Höhe eines Dreijährigen, was ihn nur umso liebenswerter macht, und hat einen schweren Sprachfehler, der sich dadurch ausdrückt, dass er den Buchstaben A nicht aussprechen kann. Stattdessen ersetzt er ihn immer durch ein O. Jack heißt bei ihm also Jock, was irgendwie nach Joke – Scherz – klingt und das gefällt dem Blonden ziemlich gut, erst recht, weil er so gern andere zum Lachen bringt. Und Sam lachen zu sehen, ist eines der wundervollsten Dinge, die man sich vorstellen kann. Es lässt den einfältigen Jungen von innen heraus leuchten wie die Sonne an einem wolkenlosen Himmel und macht ihn so auf einmalige Weise wunderschön und liebenswert, dass Jack auf nie dagewesene Art das Herz aufgeht und er sich unglaublich zu ihm hingezogen fühlt. Die beiden erzählen sich oft stundenlang Witze oder spielen sich gegenseitig Streiche. Wäre der Rest des Heims nicht so brutal und fies, könnte das Leben kaum schöner sein. Allerdings ist es ausgerechnet Sam, der Jacks Dasein ein für alle Mal auslöschen und dafür etwas ganz Neues erschaffen wird...
 

Das Ganze ereignet sich an einem furchtbar heißen Sommertag. Einmal im Monat sind die Jungs dazu verpflichtet, jeden Winkel ihrer unfreiwilligen Behausung blitzblank sauber zu putzen, und das ist bei solchen Temperaturen nun wirklich kein Spaß mehr. Jack und Sam sind dazu verdonnert, die Waschräume zu putzen. Dafür müssen sie einen besonders starken Industrie-Chlorreiniger benutzen, was der Blonde für überaus verantwortungslos hält. Die anderen Kinder haben nicht weniger gefährliche Putzmittel zur Verfügung, und das, obwohl die meisten von ihnen kaum in der geistigen Verfassung sind, ihren eigenen Namen fehlerfrei zu schreiben oder rechtzeitig eine Toilette aufzusuchen, wenn sie es müssten, und die restlichen ständig zu unkontrollierten Wutausbrüchen neigen und nichts Besseres zu tun haben, als ihre geistig benachteiligten Mitbewohner zu schikanieren. Daher ein echtes Spiel mit dem Feuer.
 

Die Arbeit an sich stört Jack kein bisschen und er ist froh, dass er selbst geistig auf der Höhe ist, um zu begreifen, wie gefährlich das Reinigungsmittel wirklich ist. Nicht zuletzt, weil sich Sam beim ersten Mal aus Versehen etwas davon auf den Handrücken gespritzt hatte. Die Haut an dieser Stelle fing augenblicklich an zu qualmen, als wäre Sam Teil eines billigen Zeichentrickfilms, und es so wirkte, als würde der Junge von innen heraus anfangen zu brennen. Geistesgegenwärtig hat ihm der Blonde Wasser darüber gegossen und so das Schlimmste verhindert. Geblieben ist allerdings ein hässlicher, roter Fleck, wo das Mittel die Haut verätzt hat. Dadurch hat aber selbst Sam begriffen, dass das Zeug wirklich mies ist und er damit unbedingt vorsichtig sein sollte – oder besser gesagt, er es Jack überlassen sollte, damit zu hantieren.
 

Nun hocken die beiden wieder in dem überhitzten Waschraum. Den Großteil der Arbeit haben sie bereits hinter sich. Nun müssen sie nur noch den Boden mit dem Reiniger aufwischen und anschließend noch einmal mit Wasser nachputzen. Dafür kippt Jack einen Schluck von dem ziemlich fies stinkenden Zeug in einen der Eimer. Sorgfältig verschließt er die Flasch wieder. „Oh man, ist das heiß...“, seufzt er dabei erschöpft und wischt sich über die schweißnasse Stirn. Der scharfe Geruch der Säure brennt ihm im Hals, liegt schwer wie eine Decke in dem sommerheißen Raum, und es hilft kaum, dass das Fenster die ganze Zeit offensteht. Derweilen breitet sich ein Grinsen auf Sams Gesicht aus. „Wosserschlocht!“, flötet er fröhlich und greift sich einen der Eimer.
 

Bevor Jack reagieren kann, ergießt es sich auch schon kalt von hinten über seinen Kopf. Zu seinem Entsetzen wird die Flüssigkeit aber augenblicklich brennendheiß, als sie mit seiner Haut in Berührung kommt, und ihm wird ganz hinten in seinem Geist klar, dass das definitiv kein Wasser war. Sam hat in seiner kindlichen Begeisterung den falschen Einer erwischt und ihm den noch unverdünnten Chlorreiniger über den Kopf geschüttet!
 

Hilflos krümmt sich Jack unter dem sich rasch ausbreitenden Schmerz auf dem Boden zusammen und schreit sein Leid in den gekachelten Raum hinein. In völligem Nichtbegreifen gefangen starrt Sam ihn an. Polternd schlägt der nun leere Eimer auf die Fliesen und rollt ungeachtet zur Seite. Eine gewaltige Rauchwolke hüllt bereits den gesamten Kopf des blonden Jungen ein, nur seine gepeinigten Schreie dringen daraus hervor. Es wirkt noch weit unwirklicher als damals bei Sam. Ein grausiger Zeichentrickfilm, der brutale Realität geworden ist, obwohl alles doch nur ein harmloser Spaß sein sollte.
 

Zitternd tasten Jacks Hände nach dem anderen Eimer, in dem sich das klare Wasser zum Nachwischen befindet, doch er kann ihn nicht finden. Angestrengt öffnet er die Augen, um ihn ausfindig zu machen. Doch das war ein schwerer Fehler, denn nun läuft ihm das Zeug direkt hinein und neuer Schmerz verwandelt sein ganzes Gesicht in ein entsetzliches Flammenmeer. Er krümmt sich immer noch weiter zusammen und trägt sein Leid mit bereits brüchiger Stimme in die Welt hinaus. Die Tränen, die er nun auch vergießt, scheinen die Säure auf unerklärliche Weise nicht einmal ansatzweise aus seinen Augen zu spülen. Stattdessen kommt es Jack so vor, als würden sie die Schmerzen nur noch schlimmer machen.
 

Nun endlich scheint Sam doch noch zu begreifen, was seinem Freund fehlt. Vielleicht erinnert er sich aber auch daran, was ihm selbst vor zwei Monaten passiert war und wie Jack ihm geholfen hat? Doch das ist auch völlig egal. Wichtig ist nur, dass Sam jetzt den vollen Wassereimer ergreift und ihm dem anderen Jungen über den Kopf gießt. Wie von einem Faustschlag getroffen bricht Jack endgültig auf dem überfluteten Fliesenboden zusammen, während die rauchende Mischung aus Wasser und Chlorreiniger sich gluckernd den Abfluss in der Mitte des Raumes hinab verabschiedet.
 

Der Qualm verzieht sich allmählich, dafür wird nun das ganze Ausmaß des Schadens sichtbar. Die Haare des eigentlich blonden Jungen sind nun knallgrün gebleicht! Allerdings wirkt es nicht wie eine fehlgeschlagene Behandlung mit einem billigen Haarbleichmittel, dafür ist es einfach zu gleichmäßig und zu extrem im Farbton. Es wirkt eher so, als hätte man Jacks Kopf in einen Farbeimer getaucht und das Ganze trocknen lassen, obwohl ihm die Suppe noch vom Schädel perlt, als käme er gerade aus der Dusch.
 

Ganz langsam geht Sam neben ihm auf die Knie und versucht ihn unbeholfen wachzurütteln. Dabei bemerkt er, dass auch die Augenbrauen und die Wimpern seines Freundes diese grellgrüne Farbe angenommen haben. „Jock? Jock, sog doch etwos! Jock, bitte...“, fleht der andere Junge und bricht in Tränen aus. Jack gibt ein schweres Stöhnen von sich und dreht sich dann gepeinigt auf den Rücken. „Jock? Geht’s dir gut?“, fragt Sam hoffnungsvoll. Flatternd öffnen sich daraufhin die Augen des nun Grünhaarigen. Zuerst kann er überhaupt nichts sehen und denkt schon, dass er jetzt tatsächlich blind ist. Dass er Franks Angriff nur mit knapper Not entgangen ist, um jetzt völlig zu erblinden. Dann fangen seine Augen langsam wieder an, die Welt um sich herum zu fixieren und das Bild wird allmählich klarer.
 

Jack hat also noch einmal Glück gehabt, wie es scheint. Als er nun langsam den Kopf zu seinem Freund wendet, schreckt dieser allerdings heftig zusammen und fängt erneut an zu weinen. „Was ist los, Sam? Was stimmt nicht?“, bringt er fast flüstern hervor und glaubt schon, dass ihn der aufgelöste Junge gar nicht gehört hat. Doch das stimmt nicht, Sam kann einfach nur nicht antworten. Er stammelt etwas völlig Unverständliches vor sich hin und weicht sogar vor ihm zurück. ‚Es ist mein Gesicht. Es ist völlig verätzt und macht ihm Angst...‘, geht es dem Grünhaarigen durch den Kopf.
 

Schwerlich dreht er sich auf den Bauch und stemmt sich dann auf die Knie. Wacklig kommt er schließlich auf die Beine und stolpert zu einem der Waschbecken hinüber. Darauf gefasst, was ihn erwarten wird, klammert er sich am Porzellan fast und hebt dann den Blick, um in den zerkratzten Spiegel über dem Becken blicken zu können. Zu seiner vollkommenen Überraschung ist sein Gesicht jedoch völlig in Ordnung! Nicht einmal ein kleiner Fleck ist zu sehen, der darauf hindeuten könnte, was ihm gerade widerfahren ist. Es ist schier unbegreiflich...
 

Dafür springt ihm allerdings etwas anderes sofort ins Auge. Seine Haare sind völlig grün! Es sieht aus, als hätte er sich einen Haufen Laub oder Gras auf den Kopf gesetzt, um es als primitive Perücke zu benutzen. Seine Brauen und Wimpern sehen nicht anders aus. Noch mehr schockieren ihn jedoch seine Augen. Noch heute Morgen, beim Waschen an genau demselben Becken, hatten sie die Farbe von Milchschokolade – kräftig braun. Jetzt sind sie blutrot und der weiße Grund ist gelb wie eine Sonnenblume. In dieser Kombination sehen sie aus wie die Augen einer Bestie aus einem billigen Horrorfilm, vielleicht ein Werwolf oder Vampir. Auf die Spitze getrieben – welch ein Wortwitz! – wird das Ganze erst recht durch seine unnatürlich scharfen Zähne. Er sieht aus wie ein fleischfressender Busch!
 

Heftig beginnt Jack zu zittern, während Tränen seine Wangen benetzen. Das ist nicht normal, ganz und gar nicht normal. Sein Gesicht hätte bis zum Knochen verätzt sein müssen! Seine Augen hätten als nutzlose Soße aus ihren Höhlen tropfen müssen! Herr Gott, eigentlich hätte er tot sein müssen, wenn man es sich mal richtig bedenkt! Was stimmt nur nicht mit ihm? Seine Gedanken überschlagen sich und doch scheint kein einziger überhaupt in seinem mitgenommenen Kopf existieren zu wollen...
 

Er kommt auch nicht dazu, eine Antwort für all das zu finden, da wird auf einmal ruckartig die Tür zum Waschraum aufgerissen und einer der Betreuer erscheint stocksauer unter der Zarge. „Was soll dieser Scheiß hier? Ihr sollt, verflucht noch mal, arbeiten und hier keine Partys veranstalten!“ Sein Blick wandert durch den Raum. Der beißende Gestank des Chlors hängt noch immer in der Luft, obwohl das Fenster offensteht und das Zeug längst im Abfluss verschwunden ist. Schnell sieht er auch, was mit Jack passiert ist, kann sich aber nicht herleiten, wie es dazu kam und denkt daher, dass die beiden hier nur wieder einen ihrer Späße abgezogen haben, statt zu putzen.
 

„Euch werde ich helfen, hier faul rumzulungern und Unsinn zu machen!“, gebärt er sich mit geballten Fäusten. Dann tritt er auf Sam zu, der ihm am Nächsten ist, und packt ihn grob am Kragen seines zerschlissenen T-Shirts. „So, jetzt zeige ich dir kleinen Missgeburt mal, wie man den verdammten Boden wischt, damit du es nie wieder vergisst!“, knurrt er aufgebracht und wirft den wehrlosen Jungen dann einfach auf die Fliesen. Kaum, dass Sam zum Liegen kommt, holt der Betreuer auch schon mit dem Fuß aus, um ihm kräftig in die Rippen zu treten. Ehe es allerdings dazu kommt, trifft ihn etwas hart am Hinterkopf. „Fass ihn nicht an, du Dreckschwein!“, gebärt sich der Grünhaarige und holt ein weiteres Mal mit dem Stiel des Schrubbers aus.
 

Überrumpelt versucht der Betreuer dem zu entgehen. Lange schafft er es aber nicht. Wie von Sinnen schlägt Jack immer wieder zu, sieht nur noch rot. Daher dauert es auch nicht lange, bis der Mann zu Boden geht. Halbherzig versucht er sich weiterhin zur Wehr zu setzen, begreift einfach nicht, wie es einem so kleinen, schwächlichen Bengel gelingen kann, ihn in die Knie zu zwingen, und dass auch noch mit einem beschissenen Schrubberstiel! Doch er kann dem nichts entgegensetzen. Es ist fast so, als würde ihn eine höhere Macht davon abhalten. Dieselbe Macht scheint Jack regelrecht zu beflügeln und ihm ungeahnte Kraft zu verleihen. Vielleicht ist es aber auch schlichtweg nur die Panik, einen weiteren geliebten Menschen in seinem Leben verlieren zu können, wenn er nicht immer weiter zuschlägt...
 

Ganz egal, was es auch sein mag, Jack hört nicht auf. Daher dauert es auch nicht lange, ehe Blut die alten, stumpfen Fliesen besprenkelt und sich der Betreuer nicht mehr rührt. Allerdings reicht das dem Grünhaarigen noch längst nicht aus. All der Schmerz, den er sein Leben lang ertragen musste, als das Leid, die vergossenen Tränen, die erdrückende Einsamkeit, entladen sich in ungeahnter Wut, die dafür sorgt, dass er nie wieder der kleine, schwache Bengel sein wird, der er bis vor ein paar Minuten noch gewesen sein mag. Der Wahnsinn ereilt ihn endgültig und macht ihn damit blind für einfach alles um sich herum, verleiht ihm ungeahnte Kräfte.
 

Vom Kopf des Betreuers ist nur noch ein blutiger Klumpen zu erkennen und der nächste Schlag knackt ihn schließlich auf wie eine Kokosnuss. Beim erneuten Auftreffen des Stiels verspritzt rötlich-graue Hirnmasse nach allen Seiten. Nichts scheint diesen Ausbruch stoppen zu können. Dann allerdings dringt ein Geräusch an die Ohren des Grünhaarigen und lässt ihn in seiner Bewegung erstarren. Als er den Blick zur Seite wendet, entdeckt er Sam, der weinend auf dem Boden neben ihm hockt. Der andere Junge umklammert nun krampfhaft sein Bein und versucht ihn sichtlich aufgelöst davon abzuhalten, sich weiterhin an der grausig verstümmelten Leiche des Betreuers zu vergreifen.
 

Zwei Drähte, die sich in Jacks Kopf bis eben noch vorschriftsmäßig berührt haben, verlieren ganz plötzlich die Verbindung zueinander. Ehe er selbst begreift, was er als nächstes tun wird, holt er auch schon erneut mit dem Stiel des Schrubbers aus. Sein Ziel ist diesmal allerdings ein anderes. Heftig wird Sam durch den Treffer nach hinten geschleudert. Dumpf knallt er mit dem Hinterkopf gegen die Unterseite des Waschbeckens. Dieser Treffer allein schickt ihn in eine tröstliche Ohnmacht, sodass er nicht mehr mitbekommt, wie er aus dieser Welt herausgerissen wird. Der Aufprall war nämlich so kraftvoll und unglücklich platziert, dass ihm das Genick mit einem widerlichen Laut bricht und er mit grotesk zur Seite geknicktem Hals zu Boden geht.
 

Abermals hebt Jack seine zweckentfremdete Waffe an, als sich die beiden Drähte doch wieder berühren und für einen kurzen Moment die Wirklichkeit zurückholen. Geschockt reißt er die Augen auf, lässt kraftlos den Schrubber fallen und geht neben seinem Freund auf die Knie. „Sam? Sag doch was!“ Doch es ist bereits zu spät. „Nein! Was – was hab ich nur getan? Bitte lass mich nicht allein!“ Er begreift es nicht, kann es nicht glauben und doch ist es wahr. Er hat den einzigen Menschen auf der Welt getötet, der immer auf seiner Seite war, der stets sein Freund gewesen ist und der selbst keiner Fliege etwas zu Leide hätte tun können, den er sogar geliebt hat, ohne es ihm je sagen zu können!
 

Verzweifelte Tränen rinnen seine Wangen hinab. Lange bleiben sie jedoch nicht. Auf dem Flur ertönen Stimmen. Weitere Betreuer, die scheinbar nach ihrem Kollegen suchen und den Ursprung des Lärms ergründen wollen. Hecktisch wendet Jack den Blick zur Tür. Wenn sie ihn hier so sehen, getränkt in Blut und mit zwei Leichen zu seinen Füßen, werden sie ihn vermutlich auch umbringen oder so lange foltern, dass er sich wünscht, er wäre tot. Das darf nicht sein. Er wollte Sam nicht töten! Es war ein grauenvoller Unfall! Doch das wird ihm niemand glauben. Plötzlich weiten sich seine unnatürlich roten Augen. Er muss hier weg, und zwar schnell!
 

Ruckartig lässt er den Blick durch den Waschraum fliegen und sucht nach einem Ausweg. Durch die Tür kann er nicht, es ist nur noch eine Frage von Minuten, vielleicht sogar nur Sekunden, bis die anderen Betreuer hier sein werden. Was also tun? Seine Augen fixieren das offene Fenster keine drei Meter von sich entfernt. Ein letztes Mal wendet er sich Sam zu. Ganz sanft nimmt er sein Gesicht zwischen die Hände. Dabei muss er zwanghaft die aufkommende Übelkeit unterdrücken, weil sich der Kopf des Jungen viel zu leicht auf dessen Hals bewegt. Heiße Tränen trüben seinen Blick, doch er versucht sie zu verdrängen. Überaus zärtlich drückt er seine Lippen auf die von Sam, stielt von ihm den ersten Kuss, den sie niemals teilen konnten. „Ich liebe dich! Werd glücklich, da wo du jetzt bist. Du wirst zumindest nie mehr Schmerzen haben müssen. – Es tut mir so unendlich leid...“ Einen letzten Kuss raubt er dem toten Jungen noch, dann legt er ihn ganz sanft zurück auf die kalten Fliesen.
 

Wacklig kommt er wieder auf die Füße und tritt näher ans Fenster heran. Als er nach draußen sieht, stellt er fest, dass es kaum vier Meter bis nach unten sind. Er schluckt hart. In diesem Moment öffnet sich die Tür und Stimmen werden laut. Verzweifelt wirft er einen Blick über die Schulter, die Schuld steht ihm praktisch im Gesicht geschrieben, anders kann er die Reaktionen der Männer gar nicht interpretieren.
 

„Packt den kleinen Bastard!“, brüllt einer von ihnen und die zwei anderen setzen sich augenblicklich in Bewegung. Das verleiht Jack den Mut, den er noch gebraucht hat. Ehe ihn die Männer zu fassen bekommen, erklimmt er das Fensterbrett und springt! Fassungslos sehen ihm die Betreuer hinterher, wie er anschließend über den Hof rennt, den Zaun emporklettert und endgültig verschwindet...
 

Erst Jahre später wird er erneut auftauchen. Dann nennt er sich allerdings Joker – eine unbewusste Huldigung an seinen geliebten Sam, der ihm immer Jock nannte –, schwirrt als knallbunter Paradiesvogel durch die Nacht und drückt der Stadt ungewollt sein Zeichen auf. Magisch angezogen durch die imposante Gestalt des Dunklen Ritters Gothams und völlig seinem Wahnsinn erlegen, denn Jack Napier ist letztendlich damals zusammen mit Sam auf den Fliesen des Waschraums gestorben...
 


 

8
 

Mit einem kraftlosen Aufheulen gelingt es Joker, sich auch aus diesem Albtraum zu befreien. Sein Kopf schmerzt, er begreift gar nichts mehr, kann nur noch weinen. Dennoch kann er noch immer keine Verbindung zwischen sich und Jack herstellen. Dieser Gedanke ist ihm nach der Flucht aus dem Heim endgültig verloren gegangen. Als er versucht hat, sich irgendwann wieder an seinen Namen zu erinnern, fiel ihm stets nur ein, was Sam zu ihm gesagt hatte: Jock. Und daraus entwickelte sich schlussendlich Joker.
 

Nun allerdings existiert der Junge, den er einst geliebt hat, überhaupt nicht mehr in seinen bewussten Erinnerungen – nichts dergleichen existiert mehr in seinen bewussten Erinnerungen. Es gibt nur noch den vom Wahnsinn zerfressenen Clown, den niemand lieben kann und der sich doch nichts sehnlicher wünscht, als eine warme Schulter zum Anlehnen...
 

Hilflos ergibt er sich weiterhin seinen Tränen und will nur noch vergessen, was er eh nicht begreifen kann...
 


 

9
 

Endlich gelingt es Edward, sich von seinen Männern loszureißen. Seit er losgefahren war, sind zwei Stunden vergangen und inzwischen ist es draußen dunkel geworden. Joker fragt sich sicher schon, wie lange er noch auf ihn warten soll. Seine Jungs haben Ed immerhin gesagt, dass der Bengel in der Zwischenzeit nicht nach unten gekommen ist, was auch die Anwesenheit des Lamborghini beweist. Irgendwie hatte Nigma aber auch gehofft, dass der Grünhaarige noch da sein würde, wenn er zurückkommt. Schließlich hat er die Schokolade ja extra für ihn gekauft.
 

„Hoffentlich hat er nichts angestellt...“, entkommt es dem Brünetten als sorgenvolles Flüstern, als er die letzten Stufen zu seiner Behausung hinaufsteigt. Zumindest scheint alles ruhig zu sein, und auch seine Männer haben von oben keinen Lärm gehört. Langsam und doch etwas nervös legt Edward seine flache Hand auf die Schaltfläche neben der Wohnungstür. Ein zartes, grünes Licht scannt sie ab und daraufhin ertönt ein kaum hörbares Piepsen, mit dem sich die Tür entriegelt. Mit einem stummen Seufzen tritt er ein.
 

Im kleinen Flur hinter der Tür ist es stockdunkel, und im Rest der Wohnung sieht es nicht anders aus. Verwundert runzelt der Rätselmeister die Stirn. Alles wirkt irgendwie verlassen. Gewohnheitsgemäß tritt er drei Schritte von der Tür weg und greift nach unten. Schnell finden seine Finger dabei die kleine Campinglaterne und schalten sie ein. Ihr grellweißes Licht blendet ihn einen Moment, dann hebt er sie an ihrem geschwungenen Bügel auf und leuchtet ins Schlafzimmer hinein. Hier ist alles unverändert. Jokers Schlafplatz noch immer das zerwühlte Chaos, das er beim Aufstehen hinterlassen hat. Das Bad sieht nicht viel anders aus. Alles durcheinander, wie es der Clown nach seiner Dusche zurückgelassen hat. Seufzend schüttelt er den Kopf und will dann in die Wohnküche gehen.
 

Er hat allerdings noch nicht einmal die Schwelle übertreten, da dringt ein erstickter Laut an seine Ohren, den er im ersten Moment überhaupt nicht einordnen kann. Der Raum ist ebenfalls stockdunkel, weil noch alle Vorhänge zugezogen sind und sich Joker scheinbar nicht die Mühe gemacht hat, sie zu öffnen oder auch nur Licht zu machen. Einen Vorhang hat er aber doch etwas zur Seite gezogen, da es draußen aber schon dunkel ist, bringt das jetzt auch nichts. Direkt vor dem Fenster sieht Ed aber etwas liegen. Er ist sich nicht sicher, was es sein könnte, bis er erneut das erstickte Geräusch hört. Plötzlich wird ihm klar, um was es sich dabei handelt: Da weint jemand – Joker weint!
 

Schlagartig bricht es ihm das Herz und er nähert sich vorsichtig dem Jungen. Betroffen geht er neben ihm auf die Knie und stellt die Laterne zur Seite. Ihr Licht fällt nun direkt auf das Gesicht des kleinen Clowns, das so aufgelöst und in Tränen ertränkt zu sein scheint, dass Edward es kaum in Worte fassen kann. „Joker? Was – was ist denn passiert?“, setzt er an. Der Angesprochene scheint ihn zuerst gar nicht wahrzunehmen, dann blickt er ihn einen Moment stumm an, ehe er erneut in heftige Tränen ausbricht. Stammelnd beginnt er zu erzählen, was er alles gezwungen war zu sehen. Die Worte sprudeln nur so aus ihm heraus und dennoch hat Nigma Schwierigkeiten alles zu verstehen. Er will die Grünhaarigen aber keinesfalls unterbrechen, um noch mal etwas wiederholen zu lassen. Dass würde ihn nur noch mehr fertigmachen.
 

Von daher hört er einfach nur aufmerksam zu und versucht sich einen Reim auf das alles zu machen. Im Gegensatz zu dem kleinen Clown wird Ed allerdings praktisch sofort klar, was er dort zu hören bekommt: Die Entstehungsgeschichte des Jokers! Nach dieser Erkenntnis kämpft er förmlich selbst mit den Tränen, so schrecklich ist das alles, was er da zu hören bekommt. Er zweifelt keine Sekunde daran, dass jedes Wort der Wahrheit entspricht. So etwas kann man sich einfach nicht ausdenken und so überzeugend vortragen, obwohl Joker in seinen Augen ein ziemlich gutes schauspielerisches Talent hat, wenn man ihm freie Hand lässt. Und er kann sehr gut nachvollziehen, warum sich der kleine Clown nicht mehr daran erinnern kann, dass er dieser bedauernswerte Junge war.
 

Manche Erinnerungen sind in Ordnung, aber andere sind gefährlich. Es ist am besten, in der Gegenwart zu leben. Denn wenn man die falsche Erinnerung erwischt, könnte man schlichtweg wahnsinnig werden. Dummerweise kann man sich nicht immer den Luxus gönnen und alle schlechten Erinnerungen zurückdrängen, denn sie haben die unschöne Eigenschaft zurückzubeißen, bis man ihnen schließlich doch Beachtung schenken muss. Und genau das muss dem Grünhaarigen in seiner Abwesenheit passiert sein.
 

Die unnatürlich roten Augen in dem schmalen Gesicht sind riesig und schwimmen in Tränen, die einen ganzen Ozean zu füllen scheinen. Es ist ein Gesicht, das mehr über Schmerz weiß, als das Gesicht eines so jungen Mannes wissen sollte – eines Mannes, der fast noch ein Kind ist und genau wie ein solches weint. Die Trauer scheint dem kleinen Clown jede Kraft zu rauben und dafür hilflos zittern zu lassen. Irgendjemand hat Ed einmal gesagt: Menschen weinen mit den Augen, zu mehr sind sie einfach nicht fähig. Als sich Nigma jedoch den aufgelösten Jungen vor sich betrachtet, kommt es ihm ganz anders vor. Joker weint nicht nur mit den Augen, sondern mit dem ganzen Körper. Mit jedem zitternden Muskel, jedem erstickten Luftholen, mit jeder Narbe, die schon lange nicht mehr blutet, aber dennoch bis ans Ende seiner Tage tief drinnen schmerzen wird. Eine Art Schmerz, die sich Edward nicht einmal in seinen schlimmsten Albträumen vorzustellen vermag, obwohl auch er in seinem bisherigen Leben so einiges ertragen musste.
 

Das Vergessen der Umstände traumatischer Erlebnisse ist nicht unüblich und Patienten, die sich von solchen Traumata erholen, stellen oft fest, dass sich im Film ihrer Erinnerungen ein Loch eingebrannt hat. Diese Lücke kann fünf Minuten, fünf Stunden oder sogar fünf Tage umfassen. Selten auch ganze Jahre. Manchmal tauchen zusammenhanglose Bilder, Fragmente, Stimmen oder auch Gerüche erst Jahre später wieder auf. So etwas nennt man Abwehrmechanismus des Gehirns, um den Körper am Leben zu erhalten, auch wenn der geschundene Geist dadurch wahnsinnig wird. Joker ist ein Bilderbuchbeispiel dafür, wie Ed in diesem Moment schmerzlich klar wird.
 

Die paar Mal, die er Joker bisher in Gotham gesehen hatte, schien er ein fröhlicher und überaus ausgelassener junger Mann zu sein. Doch jetzt wird ihm klar, dass er heute hinter diese bunte Maske sehen kann – teilweise sogar im wahrsten Sinne des Wortes, hat er den kleinen Clown doch ohne seine Schminke erlebt –, und dass macht ihn auf seltsame Weise überaus unglücklich und hilflos. Noch nie hat Edward einen Mann gesehen, der so einsam wirkt, der so weit vom menschlichen Alltag mit all seiner belanglosen Kameradschaft und seiner flüchtigen Wärme entfernt ist. Ed ist ziemlich überfordert vom Anblick des bitterlich weinenden Clowns. Er weiß nicht, was er sagen soll, und das passiert ihm nur sehr selten. Gefühlsausbrüche, erst recht von anderen Leuten, sind ihm immer ziemlich unangenehm. Er will ihnen helfen, ihnen beistehen, weiß allerdings nie so richtig, wie er das anstellen soll. Besonders wenn der Riddler seine Gedanken dominiert und ihn daran hindert. Aber seine schlechtere Hälfte ist noch immer in den dunklen Käfig seiner verborgensten Gedanken verband, wo Joker ihn eingesperrt hatte. Somit hat er sein Denken für sich allein, was aber nicht heißt, dass er daher besserweiß, was er tun soll. Doch wie so oft ist es ein Rätsel, das ihm nun durch den Kopf geht und seinen Gedanken damit einen Moment Zeit zum Neuordnen verschafft.
 

Joker,

Im selben Moment, als ich dich traf,

Ich schwöre es,

Fühlte es sich an, als sei irgendwo Irgendetwas mit mir geschehen,

Das ich nicht verstand
 

„Joker, hör mir zu, okay? Ein Schlüssel ist’s zu jedem Herzen. Oft erscheint es bei einem Scherz. Niemals sollst du es verlieren. Dein Gesicht soll es stets verzieren! Was ist das?“ Einen Moment blickt ihn der Clown nur vollkommen verständnislos an. Dann hellt sich sein Antlitz ganz langsam ein bisschen auf. Das Lächeln, das das tränenfeuchte Gesicht des grünhaarigen Jungen nun zaghaft ziert, ist das Süßeste, Ehrlichste, das Edward jemals bei jemandem gesehen hat. Es bewirkt, dass auch er unweigerlich lächeln muss, und es ist wie ein Schlag ins Gesicht, dass sein verquerer Verstand ihn dennoch dazu nötigt, eine Antwort auf sein Rätsel von dem traurigen Clown zu erzwingen.
 

Und dann, als ich dich wieder traf,

Wusste ich im Herzen, dass wir Freunde waren

Es musste so sein. Es konnte nicht anders sein
 

„Ja, richtig! Doch kannst du es auch aussprechen? Kannst du mir die Lösung sagen? – Ich will dich damit nicht bedrängen, aber ich – muss die Lösung hören, verstehst du? Das ist ein ganz penetranter Tick von mir...“, beschämt senkt Nigma den Kopf. Joker bedenkt ihn abermals mit einem verständnislosen Ausdruck in seinen feuchten Augen, dann wird sein Blick nachsichtiger. „Es – ist ein Lächeln...“, gibt er schließlich zurück. „Danke...“, haucht Ed erleichtert. Langsam setzt sich der kleine Clown aufrecht hin und wischt sich kindlich mit den geballten Fäusten über die feuchten Wangen. Abgehakt holt er Luft und versucht sich wieder unter Kontrolle zu bekommen. Der Brünette lässt ihm die Zeit, auch um sich selbst wieder allem bewusst zu werden. Als das Gröbste vorbei ist, zieht er langsam eine Tafel Schokolade aus seinem Jackett. „Ich – hab dir etwas mitgebracht...“, entkommt es ihm schüchtern.
 

So sehr ich mich auch bemühe,

Weiß ich nicht, warum du diese Wirkung auf mich hast,

Auf eine Art und Weise, wie ich es gar nicht beschreiben kann

Worte bedeuten so wenig
 

Als Ed ihm die Schokolade reicht, erhellt nun ein wahres Lächeln Jokers Gesicht, so plötzlich, überglücklich und mit grenzenlos dankbarer Ehrlichkeit, dass Nigma eine Weile richtig gerührt ist und all das schreckliche Chaos vergisst, das der Clown vor sechs Monaten bei seinem ersten Auftauchen in Gotham und zudem vor gerade einmal vier Wochen in der Iceberg Lounge angerichtet hatte. Alles, was allein heute schon passiert ist. Es ist die Art Lächeln, bei dem man sich leicht in ihn verlieben könnte, sogar wenn man ebenfalls männlich und zudem hetero ist...
 

Wenn du aufschaust und lächelst,

Ist es mir gleich, was die Leute sagen könnten

Für mich bist du viel mehr als nur ein verrückter Clown, oh Joker!
 

Dieses Gefühl verstärkt sich sogar noch, als ihm der Grünhaarige nun auch noch freudig um den Hals fällt. Edward erstarrt augenblicklich – ist ihm ungewollter Körperkontakt, erst recht mit einem anderen Mann, doch für gewöhnlich zuwider –, aber nur für einen kurzen Moment. Dann vernimmt er die Stimme des Jungen dicht an seinem Ohr. „Vielen, vielen Dank, mein Hübscher...“, raunt er leicht brüchig, als würde er gleich wieder in Tränen ausbrechen. Das vertreibt den kleinen Schock aus den Knochen des Älteren und er entspannt sich merklich.
 

Die Aufrichtigkeit, die Edward aus diesen schlichten Worten heraushört, lässt ein Kribbeln über seinen Körper laufen. Das ist nicht unbedingt die Art Kribbeln, die Joker – oder irgendein anderer Mann, was das betrifft – in ihm auslösen sollte, aber irgendwie lässt es sich auch nicht unterdrücken. Peinlich berührt läuft der Rätselmeister rot an, hebt aber ganz langsam die Arme und legt sie um den zierlichen Körper seines Gegenübers, drückt ihn leicht an sich. „Keine Ursache.“, flüstert er zurück und wird im selben Moment einmal mehr von nahezu unbekanntem Mitleid für den Verrückten ergriffen.
 

Eine Weile verharren sie so, dann trennen sie sich langsam wieder. Erstaunlich scheu sucht der Grünhaarige anschließend seinen Blick. „Ed? Darf – ich vielleicht heute wieder hier schlafen?“, fragt er vorsichtig. Überrascht weiten sich die grünen Augen des Älteren. Damit hat er nun wirklich nicht gerechnet. Lange irritiert ihn das Ganze allerdings nicht. „Du kannst bleiben, solange du willst! Ich werde dich keineswegs vor die Tür setzen. Erst recht nicht, weil du den Riddler in die Schranken gewiesen hast und ich dir unendlich dankbar dafür bin! – Was hälst du davon, mit mir nach unten zu kommen und ich stelle dir die Jungs vor? Wir können ein bisschen reden und vielleicht finden wir auch etwas, bei dem du mir helfen kannst. – Wenn du das möchtest, selbstverständlich nur.“ Wieder dieses süße Lächeln, das Eds Herz höherschlagen lässt. „Gern.“ „Sehr gut!“, Begeisterung schlägt sich auf Nigmas Zügen nieder.
 

„Kannst du aufstehen?“ „Geht schon.“ Etwas wackelig erhebt sich der Junge und Ed greift erneut nach der Laterne, um ihnen zu leuchten. Als sie schon fast im Flur angekommen sind, bleibt der Kleinere plötzlich stehen. „Der Abwasch...“, entkommt es ihm sichtlich beschämt. Edward wird klar, dass Joker sich seit seiner Abfahrt mit all dem gequält haben muss. Oh, wie schrecklich allein der Vorstellung davon ist! „Das können wir auch noch später erledigen. Jetzt gehen wir erst einmal runter, um dich von all dem etwas abzulenken!“, legt er daher fest. Kurz darauf verlassen sie gemeinsam die Wohnung.
 


 

10
 

Die Nacht scheint gar kein Ende nehmen zu wollen, doch irgendwann erstrahlt der Horizont in prächtig bunten Farben, und Ed und Joker verabschieden sich von den Jungs und betreten wieder die kleine Behausung des Rätselmeisters. Beide sind völlig erschöpft und wollen nur noch ins Bett, was wohl ziemlich verständlich ist. Edwards Männer haben den Clown nach anfänglicher Scheu recht schnell in ihrer Mitte aufgenommen, und der Brünette hofft darauf, dass sie es auch wirklich ernst damit meinen und nicht nur völlig eingeschüchtert etwas vorgespielt haben, weil sie womöglich um ihr Leben fürchten. Was irgendwo auch verständlich wäre, schließlich hat der aufgemotzte Wagen des durchgeknallten Clowns einen aus ihrer Mitte direkt vor ihren Augen ermordet! Sollten sie Joker aber wirklich nicht über den Weg trauen wollen und dadurch sogar die Arbeit leiden, wird er ihnen vielleicht erzählen müssen, was Joker in seinem früheren Leben so durchgemacht hat und was er bisher alles über ihn in Erfahrung bringen konnte. Dann dürften sie hoffentlich verstehen, dass der Bengel es doch wirklich nicht böse meint, sondern nur irgendwie versucht, mit sich und seiner unbarmherzigen Umwelt klarzukommen...
 

Doch darüber will er jetzt nun wirklich nicht nachdenken, sonst kommt er ja nie zum Schlafen. Schnell streift er sich also seine Sachen ab, putzt seine Zähne und schlüpft dann unter das dünne Laken, der er während des Sommers als Decke benutzt. Nicht lange später huscht Joker nur mit Shorts bekleidet an ihm vorbei und kuschelt sich ebenfalls ein. Es ist lange, lange her, dass er zuletzt den Frieden eines Daches über dem Kopf, die Bequemlichkeit einer Federmatratze unter dem Leib und die erlesene Vertrautheit genießen konnte, die ihm eine Tür zwischen seinem geheimsten Selbst und dem Rest der Welt gewährt hat. In abgeschwächter Form hatte er dergleichen zwar auch in seinem Lamborghini, aber es ist dennoch etwas ganz anderes, in einem richtigen Haus schlafen zu dürfen, und sei es nur eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung über einer alten Garage.
 

Als Ed schließlich das kleine Licht auf seinem Nachttisch ausknipst, hört er den Clown selig seufzen. Es ist Jahre her, dass sich Nigma ein Schlafzimmer mit jemandem geteilt hat. Ein komisches Gefühl, erst recht, wenn er bedenkt, dass sein vorübergehender Wohnpartner ebenfalls ein Kerl ist und zudem auch noch schwul. Ob das gutgehen wird? Egal, lieber auch da nicht weiter drüber nachdenken. Jetzt wird erst einmal geschlafen! Morgen wird eine anstrengende Nacht, erst recht, wenn er sich jetzt um ein Mäulchen mehr kümmern darf, das auch noch sinnvoll beschäftigt werden sollte, damit nichts Unschönes passiert. Doch er ist da ziemlich zuversichtlich, solange Joker gute Laune hat und der Riddler die Klappe hält.
 

Unterdrückt hört er den Grünhaarigen gähnen, was auf ihn sichtlich ansteckend wirkt. „Nacht, Ed...“, murmelt er schlaftrunken und presst sich fast schon schnurrend sein Batman-Plüschtier gegen die schmale Brust. Der Angesprochene schmunzelt leicht. „Naja, es ist zwar Tag, aber anders lässt es sich wohl nicht recht ausdrücken, schätze ich. Also, gute Nacht, Joker.“ Der kleine Clown erwidert nichts mehr und schon ein paar Minuten später sind sie beide tief ins Traumland entschwunden.

Come closer


 

1
 

Mittlerweile ist es fast drei Wochen her, seit Edward den Joker bei sich aufgenommen hat. Das Zusammenleben gestaltet sich als weit weniger schwierig, als Nigma es am Anfang befürchtet hat, was vielleicht auch nur daran liegen mag, dass der Clown nun einige anspruchsvolle Aufgaben hat und somit zu beschäftigt ist, um irgendwelchen Unsinn auszuhecken. Eine seiner – in dem Fall selbstgewählten – Arbeiten besteht im Kochen, wobei er nicht nur herzlich gern Ed versorgt, der es seiner Meinung nach auch wirklich nötig hat, isst er doch wie ein Spatz; sondern auch seine Männer, was alle sehr genießen, ist es doch immer wunderbar, wenn sie nach einer harten Nacht gemeinsam zusammensitzen und essen können. Und selbstgekocht schmeckt es doch immer noch am besten!
 

Seine Hauptaufgabe besteht allerdings darin, den Bodyguard für den Brünetten zu spielen, wenn dieser nach Gotham reinfährt, um beispielsweise Geschäfte mit einem der anderen Schurken abzuschließen. Die Anwesenheit des Clowns wirkt dabei oftmals erstaunlich einschüchternd auf die anderen – was vermutlich daher rührt, dass sie alle noch zu gut im Gedächtnis haben, was der Bengel mit ihnen in der Iceberg Lounge abgezogen hat –, wodurch sich der Rätselmeister viel sicherer fühlt und auch weit seltener über den Tisch gezogen oder vertröstet wird. Eine wahre Erleichterung, denn dadurch gehen die Arbeiten in den Narrows um einiges besser und schneller voran.
 

Die Bewohner, die Edward so liebevoll als ihren selbstlosen Retter und König betrachten, haben sich zudem erstaunlich schnell an die Anwesenheit des Clowns gewöhnt. Doch im Gegensatz zu den Schurken haben sie keine sichtliche Scheu vor ihm, sondern bringen ihm nur eine gesunde Portion Respekt und Achtung entgegen. Daher ist es wohl auch kein Wunder, dass es nur ein paar Tage gedauert hat, bis sie Joker den Titel des Prinzen der Narrows verliehen haben, da sie sich sicher sind, dass sie nun auch unter seinem Schutz stehen werden. Der Rätselmeister findet diese ganzen Titel und Spitznamen zwar eher lästig, doch den Clown scheint es sichtlich zu freuen, dass er sich nicht länger nur selbst als Prinz bezeichnen muss, sondern förmlich offiziell dazu ernannt wurde, auch wenn es weder Krönung noch Zepter dafür gab. Außerdem findet es der Grünhaarige tief drinnen im Herzen einfach nur schön, zu sehen, dass es auch Leute gibt, die keine Angst vor ihm haben. Ihm vertrauen, trotz allem, was er bisher getan hat. Die ihn brauchen, ja sogar mögen; sich freuen, ihn zu sehen. Etwas, das er nie gedacht hat, fühlen zu dürfen.
 

Hat Edward keine Aufgabe für den quirligen Jungen, treibt sich dieser nicht selten die ganze Nacht in der Stadt herum und versucht die ungeteilte Aufmerksamkeit des Dunklen Ritters auf jede nur erdenkliche Weise auf sich zu ziehen, um da anknüpfen zu können, wo Batman ihm bei ihrem letzten Aufeinandertreffen so sehr verprügelt hatte. Joker musste damals zwar einiges einstecken, doch der Clown gehört nun einmal nicht zu dem Typ Mann, der sich davon abschrecken oder auch nur belehren lässt – im Gegenteil, er sieht es als Herausforderung! Die Definition von Wahnsinn ist schließlich nicht umsonst, immer wieder das Gleiche zu tun und jedes Mal ein anderes Ergebnis zu erwarten. Vielleicht hat er schlichtweg nur noch nicht die richtige Technik gefunden, um den Maskierten von sich zu überzeugen? Das soll sich heute Nacht allerdings drastisch ändern...
 


 

2
 

Oscar Wilde sagte einmal: Unseren Feinden haben wir viel zu verdanken. Sie verhindern, dass wir uns auf die faule Haut legen. Hätte der Typ Batman gekannt, hätte er seine Worte vielleicht anders gewählt, denn der Rächer würde sich eine ruhige Nacht nur zu gern einmal wünschen, doch dafür hat er einfach zu viele Feinde. So ist es auch kein Wunder, dass der Maskierte alles andere als erfreut ist, als er den Joker mehr als nur auffällig aus einem leerstehenden Gebäude herauskommen sieht. ‚Der Bengel plant doch schon wieder etwas!‘, geht es Bruce mit unterdrücktem Knurren durch den Kopf. Eine Weile war es ja ruhig um den Grünhaarigen und Batman hatte sich schon Gedanken darüber gemacht, was vielleicht mit ihm passiert sein könnte oder ob das Früchtchen nach seiner letzten Abreibung einfach nur irgendwo gehockt und seine Wunden geleckt hat, sodass der Ritter ihn nur nicht aufspüren konnte. Was es auch war, das kleine Früchtchen hat auf jeden Fall ein Talent dafür, sich mächtig Ärger einzuhandeln und sich nicht gerade Freunde zu machen. Nach der Nummer in der Iceberg Lounge wird er die noch nicht einmal mehr unter den Schurken Gothams finden, da ist sich der Rächer sicher. Er ahnt ja auch noch nicht, dass sich der Irre mit dem Riddler, nun ja, nennen wir es mal verbündet hat...
 

Nun wirkt der durchgeknallte Clown aber wieder überaus fidel und versucht ihn abermals zu reizen. Pfeifend tritt der Grünhaarige auf die Hauptstraße und lässt geschickt einen kleinen Gegenstand von einer Hand in die Hand hüpfen. Für Wayne besteht kein Zweifel, dass es sich dabei um den Zünder einer Bombe handelt, die der Bengel ganz sicher in dem leerstehenden Gebäude versteckt hat. Irgendwie hat das Ganze etwas Ironisches, soll das alte Bürohaus doch sowieso nächste Woche abgerissen werden. Wenn der aufmüpfige Knabe es aber jetzt in die Luft sprengen will, ist das Ausmaß der Schäden in der näheren Umgebung nicht abzusehen. Zwar leben in den benachbarten Gebäuden keine Menschen, ist dies hier doch ein reines Geschäftsviertel, dennoch hängen viele Existenzen daran, weshalb der Rächer auf jeden Fall verhindern muss, dass dieser Irre mal wieder alles im Chaos versinken lässt.
 


 

3
 

Von tiefster Vorfreude ergriffen steht Joker pfeifend vor dem Gebäude, in dem er die Bomben platziert hat. Auf seinem Weg hierher hat er schon einiges an Aufregung produziert, um Batman wach zu kitzeln und nun wartet er voll süßer Ungeduld darauf, dass sich der Maskierte zeigt, damit der Spaß so richtig losgehen kann!
 

Ganz typisch für Gothams meistgesuchte Verbrecher ist es, erst kräftig für Unruhe zu sorgen, ein riesiges Chaos anrichten und dann schleunigst abzuhauen, bevor der Dunkle Ritter auftaucht. Doch nicht Joker, oh nein! Chaos ist sein zweiter Vorname und er liebt es! Doch was er noch viel mehr liebt, ist Batmans Aufmerksamkeit zu bekommen. Von daher denkt er auch gar nicht an Flucht, sobald sich der finstere Schatten der Fledermaus am düsteren Nachthimmel zeigt. Stattdessen wartet er begierig auf ihn und macht nur noch mehr Unruhe, damit der Maskierte auch wirklich ganz schnell zu ihm kommt.
 

„Hier bin ich, Darling! Komm und hol mich!“, flötet er frech und winkt ihm wie eine einsame Geliebte zu, die es kaum erwarten kann, dass der Zug ihres Mannes endlich zum Stehen kommt und sie ihn wieder in die Arme schließen kann. Und was soll man sagen? Bruce geht selbstredend darauf ein, ihm bliebt auch nichts anderes übrig, wenn er die Explosion verhindern will. Gekonnt springt er daher von dem Gebäude in der Nähe, das er als Aussichtspunkt benutzt hat, und segelt mit Hilfe seines Capes zu Boden. Doch kaum, dass er die halbe Strecke nach unten geschafft hat, grinst der Clown überaus perfide und rennt dann lauthals lachend los. Als hätte Batman es geahnt. Der Spieltrieb des Grünhaarigen ist schlichtweg zum Kotzen!
 

„Bleib sofort stehen, Joker!“, brüllt er dem Jüngeren hinterher und landet auf dem rissigen Asphalt vor dem verminten Gebäude. Sein Cape hat sich noch gar nicht wieder als düsterer Schleier um seine muskulösen Schultern gelegt, da setzt er auch schon zum Sprint an, um dem Bengel hinterherzulaufen. „Ich denke nicht! So ist es doch viel lustiger, mein Großer! Also fang mich, wenn du kannst!“, gluckst der Kleinere und biegt geschwind um eine Ecke. ‚Das ist eine Sackgasse! Hoffentlich weiß er das nicht, sonst kriege ich ihn ja nie. Der Bursche ist schnell wie ein Windhund...‘, geht es dem Schwarzhaarigen durch den Kopf, während er hinter ihm her hetzt.
 

Joker weiß tatsächlich nicht, dass es sich um eine Sackgasse handelt, bis er vor der hohen Steinmauer am Ende steht und sie wie etwas anstarrt, das sich gänzlich seines Begreifens entzieht. Das ist ein Ärgernis, will er sich doch noch längst nicht fangen lassen. Ein Hindernis ist es allerdings nicht. Schnell erspähen seine Augen das untere Ende der Feuerleiter zu seiner Linken. Mit einem kräftigen Sprung ergreift er die hochgelegene, letzte Sprosse und zieht sich daran hinauf. Geschickt wie ein Affe erklimmt er anschließend die Leiter und hat schon mehr als die Hälfte hinter sich, als Batman endlich die Einmündung der Gasse erreicht. ‚Mist!‘, schimpft der Dunkle Ritter stumm knurrend in sich hinein, hat er selbst die Feuerleiter doch nicht im Kopf gehabt.
 

„Nicht schlappmachen, Darling!“, flötet der Clown ihm ausgelassen zu und klettert weiter. „Na warte...“, knurrt Bruce unterdrückt. Schnell gleitet seine Hand an seinen Allzweckgürtel und greift nach der Enterhakenpistole. Im Lauf befindet sich allerdings kein Haken, sondern zwei Stahlkugeln, die mit einem kurzen Stück Seil miteinander verbunden sind, und durch ein weiteres Seil in der Mitte mit der Pistole. Geschickt zielt er mit der Waffe auf Jokers Fuß und feuert.
 

Kreiselnd schießen die beiden Kugeln aus dem Lauf und wickeln sich in Sekundenschnelle um den linken Knöchel des Jungen. Ruckartig wird der Bengel dadurch in seiner Bewegung gestoppt und klammert sich leicht erschrocken an der Leiter fest. „Du bist mir ja vielleicht ein Stürmischer!“, gluckst er dennoch vergnügt und versucht sich irgendwie von dem Seil zu befreien. Das gelingt ihm aber nicht wirklich. Dafür zieht Batman nun kräftig daran, um ihn aus dem Tritt zu bringen oder im besten Fall sogar einen Absturz zu provozieren. „Hör auf mit dem Blödsinn und komm runter, ehe ich dich holen muss!“, gibt Wayne angesäuert zurück.
 

Joker schreckt durch den Ruck ein weiteres Mal zusammen, kann sich aber weiterhin festhalten. „Warum sollte ich runterkommen wollen? Das wäre langweilig! Außerdem ist das hier nicht der richtige Ort für unsere Zusammenkunft, und ich will, dass alles perfekt ist!“, erwidert er grinsend. Als Batman erneut an dem Seil rucken will, um ihn endgültig runterzuholen, zieht der Bengel plötzlich ein Messer aus der Tasche und zerschneidet es an der Verbindung zur Pistole! Die beiden Kugeln verweilen jedoch wie ein ausgefallenes Fußkettchen an seinem Knöchel. „Du elender...“, setzt der Schwarzhaarige an, beendet den Satz aber nicht, sondern entfernt mit einigen Handgriffen schnell den Rest Seil aus seiner Pistole und ersetzt ihn wieder gegen die Spule mit dem Enterhaken.
 

Der kleine Clown geht jedoch nicht weiter auf ihn ein, sondern setzt kichernd seinen Aufstieg fort. Gerade, als er die letzte Sprosse ergreift und über den Rand auf das Flachdach klettern will, krallt sich der Enterhaken mit einem hohen Klirren neben ihm am Mauerwerk fest. Joker gönnt sich einen kurzen Blick hinab, grinst breit, als er Batmans zornig verzogenes Gesicht sieht, und schwingt sich dann über den Rand. Nur Sekunden später erreicht Bruce ebenfalls die obere Kante und betritt das Dach. Er hat allerdings keine Zeit, seinen Enterhaken wieder einzuholen und die Pistole wegzustecken, weil der Grünhaarige schon wieder losrennt, also lässt er einfach alles achtlos fallen und nimmt die Verfolgung auf.
 


 

4
 

Diesmal scheint Wayne aber mehr Glück zu haben. Als er schon denkt, dass er den Bengel erst erreichen wird, wenn er womöglich dazu ansetzt, auf das Nachbargebäude zu springen, kommt der Grünhaarige ungewollt ins Taumeln, wechselt einen Meter weit die Richtung und bleibt dann sogar ganz stehen. Fluchend versucht er sich die aufgescheuchten Tauben vom Leib zu halten, deren wohlverdiente Nachtruhe er unabsichtlich gestört hat, als er zu dicht an einem niedrigen Sendemast vorbeihasten wollte, auf dem die Vögel leise gurrend gesessen haben. „Hey, nicht in die Haare, ihr verdammten Flugratten! Ihr ruiniert mir ja völlig die Frisur!“, faucht der kleine Clown und schlägt wild um sich. Die hartgesottenen Großstadttauben denken jedoch gar nicht daran, sich von ihm vertreiben zu lassen. Vielleicht halten sie seine bunte Aufmachung auch für etwas Fressbares? Batman steht einfach nur da und weiß nicht, ob er jetzt lachen oder den Knaben irgendwie bemitleiden soll. Es sieht wirklich zu komisch aus.
 

Nach einem Augenblick wird dem Dunklen Ritter aber wieder bewusst, dass der durchgeknallte Clown ja eine Bombe platziert hat, und dass er verhindern muss, dass sie in die Luft fliegt. Also setzt er sich nun in Bewegung und breitet dabei mit Hilfe der Arme sein Cape aus, als wolle er einen Vampir in einem billigen B-Movie spielen. Es reicht aber aus, um die hartgesottenen Tauben doch noch zu verschrecken. Laut gurrend treten sie die Flucht an und verlassen das Dach hastig. „Ja! Verpisst euch, ihr Mistviecher! Was fällt euch eigentlich ein, so einen...“ Bevor er den Satz beenden kann, legt sich plötzlich überaus schwer eine Hand auf seine Schulter und hält ihn nahezu schmerzhaft fest.
 

Augenblicklich erstarrt der Grünhaarige, reißt die Augen auf und zieht die Schultern hoch, als wäre er gerade bei etwas Verbotenem ertappt worden und fürchtet nun Ärger – und im Grunde genommen ist es ja auch so. Langsam legt er den Kopf nach hinten in den Nacken und blickt in das finster dreinschauende Gesicht des Rächers. Ein fast schon verhaltenes Grinsen huscht über die geschminkten Züge des Verbrechers, während seine unnatürlich roten Augen einen sagenhaften Unschuldsblick zur Schau tragen, der mehr als nur filmreif zu sein scheint. Diesen Ausdruck ausgerechnet beim Joker zu sehen, bereitet Batman schon fast Übelkeit, will es doch so gar nicht in seinen Kopf, dass der Bengel auch nur in irgendeiner Form unschuldig sein könnte.
 

„Oh, hey, Darling! Wie geht’s?“, kommt es schließlich kleinlaut von dem Jüngeren. Als Antwort erhält er zuerst nur ein verstimmtes Knurren seitens des Ritters, und der Griff um seine Schulter verstärkt sich noch um einiges. Joker widersteht dem Drang, schmerzlich das Gesicht zu verziehen, doch sein Grinsen kommt ganz leicht ins Wanken. „Schluss mit dem Unfug! Gib mir den Zünder und sag mir, wo du die Bombe versteckt hast, damit ich sie entschärfen kann.“ Nun setzt der Clown ein kindliches Schmollen auf. „Ich fürchte, dass muss ich beides kategorisch ablehnen, Herzchen. Das macht doch gar keinen Spaß, wenn ich es dir sage und du dann gleich wieder verschwindest, bevor wir richtig die Chance hatten, miteinander zu spielen.“
 

Irgendwie gelingt es dem Grünhaarigen, sich aus dem Griff des Ritters zu befreien, doch er sieht immerhin davon ab, erneut die Flucht zu ergreifen. „Das hier ist kein Spiel, Joker! Begreifst du das denn nicht?“, knurrt der Schwarzhaarige und tritt einen Schritt näher heran. Im Gegenzug macht der Jüngere einen Schritt zurück, grinst jedoch wieder selbstsicher übers ganze Gesicht. „Für dich vielleicht nicht, mein Großer, aber ich lasse mir in keinem Fall den Spaß verderben!“, gluckst er ausgelassen.
 

Innerlich verdreht Bruce nur die Augen. Allerdings spannen sich kurz darauf all seine Muskeln kampfbereit an, als er sieht, wie Jokers Hand nun demonstrativ in seine Hosentasche wandert und ein kleines Gerät hervorzieht. „Du willst also den Zünder, Honey? Dann tanz mit mir!“, flötet der Clown begierig, wobei Batman nur wieder innerlich die Augen verdrehen kann. Die oftmals sehr extravagante Ausdrucksweise des Grünhaarigen zerrt echt immer wieder an seinen Nerven. Doch er muss sich ja nicht erst seit gestern mit dem Bengel herumärgern, von daher weiß er, dass Joker damit einen Kampf anzetteln will, und das soll Wayne nur recht sein. Es juckt ihm in den Fingern, den frechen Bengel zurechtzuweisen – wenn es sein muss, auch so hart, wie beim letzten Mal...
 

„Schön, wie du willst. Aber ich führe!“, gibt der Maskierte keck zurück und grinst überaus verstimmt. Angetan legt sich Joker die Hände auf die Wangen und gibt ein begeistertes Quieken von sich. „Oh, von dir lass ich mich gern führen, mein Großer!“ Als ihm der quirlige Bengel nun auch noch eine Kusshand zuwirft, brennen beim Dunklen Ritter fast wieder die Sicherungen durch. Doch er widersteht dem unbändigen Drang, abermals blindwütig auf den Knaben einzuschlagen, so wie vor einem Monat. Das bringt in diesem Moment überhaupt nichts. Er muss erst sicherstellen, dass Joker dichter an ihn herankommt, damit er ihn auch wirklich erwischt. Also einen klaren Kopf behalten, auch wenn es verdammt schwer ist, legt es das Früchtchen doch darauf an, ihn aus der Haut fahren zu lassen, um die Bombe erst recht zünden zu können. Somit Ruhe bewahren und einfach mitspielen.
 

„Wenn das so ist, dann nur nicht so schüchtern! Komm her zu mir!“ Elegant legt sich der Ritter eine Hand auf den Rücken und streckt die andere seinem Gegenüber entgegen, ganz so, als würde er ihn tatsächlich zum Tanzen auffordern wollen. Begeistert funkeln die roten Augen des Clowns auf und er gibt abermals ein helles Quieken von sich. Scheinbar ist er mehr als hin und weg von der Vorstellung, Batman würde ihn zum Tanzen auffordern, denn nun tritt er näher heran und streckt dem Maskierten seine Hand entgegen, als wolle er sich tatsächlich von ihm führen lassen wollen. Die Gedanken an einen erbitterten Kampf scheint er für Erste wohl vergessen zu haben. „Aber schön langsam, Darling. Das wird ein sinnlicher Tango!“, meint er keck und zwinkert auf irgendwie sehr zweideutige Weise.
 

Der Ältere gibt nur ein Brummen von sich, ergreift die kleine Hand des anderen und zieht ihn dann ruckartig zu sich heran. Kaum, dass sich ihre Körper berühren, drückt der dem Jungen die andere Hand fest in den Rücken, damit er nicht gleich wieder abhauen kann, und sieht ihm durchdringend in die Augen. Würden sie nicht auf entgegengesetzten Seiten des Gesetzes stehen, könnte man meinen, sie wären zwei Liebende, die nun wirklich einen anregenden Tango miteinander beginnen wollen.
 

Der kleine Clown scheint zumindest ganz in dieser Vorstellung gefangen zu sein. Mit großen Augen und offenem Mund blickt er zu seinem Partner hinauf und scheint regelrecht weiche Knie zu bekommen. Bruce hält seinem Blick ungetrübt stand, zieht ihn sogar noch etwas fester an sich. Joker schluckt hart und sein Atem kommt in heißen Stößen. „Oh, Darling! Ich – ich hasse dich so sehr...“, raunt er schwer, in sichtlicher Erregung ertrunken, stellt sich dann auf die Zehenspitzen und reckt sich ihm zu einem Kuss entgegen. Erneut fühlt sich der Schwarzhaarige an ihre letzte Begegnung erinnert und widersteht dem Drang, ihn schnell wieder von sich zu stoßen. Die Worte des Jungen passen zudem abermals so überhaupt nicht zu seinem Verhalten. Es will einfach nicht in Waynes Kopf hinein. Doch er darf sich davon jetzt nicht ablenken lassen, das Ziel ist so nahe!
 

Da der Grünhaarige sinnlich die Augen geschlossen hat, kann Bruce seinem Kuss unbemerkt entgehen. Gleichzeitig lässt er seine Hand vom Rücken des Kleineren hinabgleiten, streicht über seine Seite und greift dann schnell in die Hosentasche des anderen hinein. Ruckartig schließen sich seine Finger um den Zünder, zerren ihn hervor. Überrascht zuckt der Joker in seiner Umarmung zusammen und begreift allmählich diesen überaus fiesen Trick. „Mistkerl!“, zischt er empört, ehe Batman ihn grob von sich wegstößt. Taumeln stolpert der Jüngere nach hinten, vollführt dabei eine ungeschickte, halbe Drehung, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, und landet dann doch mit einem unterdrückten Fluchen unsanft auf den Knien.
 

Schmollend wirft er Batman über die Schulter hinweg einen überaus enttäuschten Blick zu. „Was soll das denn? Ich will doch nur hören, dass du mich auch hasst! Was ist denn so schwer daran?“, fragt er sichtlich enttäuscht. Doch der Schwarze Rächer hat nur Augen für den schmalen Streifen blanker Haut, der am Steiß des Jungen, unter seinem bauchfreien Trägerhemd, zum Vorschein gekommen ist. Was sich dem Schwarzhaarigen dort bietet, entzieht sich all seines Begreifens und löst ungewollt wieder allumfassenden Zorn in ihm aus...
 


 

5
 

Was sich Gothams selbsternanntem Ritter dort bietet, ist ein Bild – oder besser gesagt eine Tätowierung. Das allein wäre ja nicht so schlimm, hat Joker doch auch welche auf den Unterarmen. Was es für den Schwarzhaarigen ziemlich schlimm macht, ist das Muster. Es ist nämlich das Bat-Logo – schwarze Fledermaus auf gelbem Grund. Aber auch das ist nur die Spitze des Eisbergs, denn das Logo ist nicht wie gewöhnlich oval, sondern herzförmig! Kann man sich so etwas vorstellen? Dieser durchgeknallte Clown besitzt doch tatsächlich die unverfrorene Frechheit, sich ein herzförmiges Bat-Logo auf den Steiß stechen zu lassen, wie das billige Arschgeweih eines aufmüpfigen Teenagers! Das ist wirklich der Kipfel, das kann Bruce nun wirklich nicht mehr auf sich sitzen lassen. Das grenzt ja schon an Rufmord! Nicht auszudenken, wenn das irgendeiner der anderen Schurken zu Gesicht bekommt, wenn das überhaupt irgendwer zu Gesicht bekommt!
 

Nun ist es an Wayne, ihn mit offenem Mund anzustarren, weil er einfach nicht begreifen kann, was er da vor sich sieht. Etwas irritiert blinzelt der Grünhaarige, ehe ihm die Erkenntnis kommt, was sein Gegenüber so verwirrt haben muss. „Hübsch, oder?“, fragt er keck und wirkt dabei auch noch unglaublich stolz. „Mach das auf der Stelle weg!“, knurrt Batman daraufhin im durchdringenden Tonfall eines Mannes, der seinen unbarmherzigen Willen viele Jahre lang durchgesetzt hat und erwartet, dass das auch noch viele Jahre so bleiben wird. Doch da hat er selbstverständlich die Rechnung ohne den Joker gemacht. „Also, wenn dich das schon so aufregt, was passiert dann erst, wenn du das andere siehst?“, fragt er höhnisch grinsend.
 

Das reicht nun aber wirklich! Batman sieht rot! Überaus grob zerrt er den Bengel auf die Füße zurück, sodass der rechte Träger seines Tops mit einem leisen Wehklagen zerreißt. Der Clown will schon protestieren, da streicht der Ältere ihm ein paar verirrte Strähnen aus dem Nacken, um das Tattoo an dieser Stelle zu betrachten. Hierbei handelt es sich allerdings nur um einen fixenden Smiley, und somit kann es unmöglich das sein, was der Bengel gemeint hat. „Wie viele verdammte Tattoos hast du eigentlich, Herr Gott noch mal!“, fährt ihn der Rächer zornig an und dreht ihn dabei zu sich herum, damit er ihm ins Gesicht sehen kann.
 

Der Verrückte lacht allerdings nur kindlich-amüsiert. „Das musst du schon selbst herausfinden, Darling!“, gibt er frech zurück und zwinkert ihm keck entgegen. Für einen Moment starrt ihn der Dunkle Ritter nur wieder dümmlich an, dann knirscht er hörbar mit den Zähnen und zerrt dem Clown das Top über den Kopf. Der Junge wehrt sich nicht dagegen, wirkt nur weiterhin amüsiert. Akribisch betrachtet der Schwarzhaarige den schlanken Oberkörper des Jungen vor sich, schleicht um ihn herum wie ein penibler Modedesigner um ein neues Modell. Grinsend beißt sich der kleine Clown auf die Unterlippe und genießt die Beschauung sichtlich.
 

Zu finden ist allerdings nichts, was Batman aber nicht davon abhält, weiter zu suchen. Zielstrebig greift er nun nach der Hose seines Gegenübers, was den Grünhaarigen nur noch mehr erfreut...
 


 

6
 

Joker sitzt nun nackt vor ihm auf dem kalten Beton des Flachdaches, doch da ist kein verstecktes Tattoo, nirgends, und Batman wird schlagartig klar, dass der Junge gelogen hat. Doch warum? Wollte er ihn damit etwa nur demütigen? Die beiden starren sich einen Augenblick lang an, gefangen in der unbehaglichen, aufgezwungenen Partnerschaft zwischen Gaffer und Begafftem. Dann lächelt der Clown plötzlich auf eine erschreckend laszive Weise.
 

„Na, gefällt dir, was du siehst, mein Großer?“, fragt er frech und der Rächer kommt nicht umhin, den Blick auf die sich keck emporeckende Erregung des Jüngeren zu senken. Einen Moment lang ist seine Wut wieder da und so allumfassend, dass er lebendig darin begraben scheint und nur wieder denken kann: ‚DAS ist es also, was er die ganze Zeit wollte! Er wollte mich damit reinlegen, weil er wusste, dass ich danach suchen würde, und das hat ihn scharf gemacht!‘
 

„Du bist doch komplett irre!“, wirft der Rächer ihm vor. Der Clown grinst nur wieder breit. „Ich bin vielleicht irre, aber auch irre gut!“ Mit erstaunlicher Heftigkeit begreift Bruce schließlich, was der Grünhaarige somit zu provozieren versucht – und Batman wird noch etwas klar: Dass er doch tatsächlich vorhat, darauf einzugehen, ganz entgegen der Tatsache, dass er ihn allein für seinen unverschämten Annäherungsversuch vom letzten Mal so blindwütig verdroschen hat! Doch nicht einfach nur darauf eingehen, wie er es beim vermeintlichen Tanzen gemacht hat, um den Joker in Sicherheit zu wiegen, nein. Der entblößte Anblick des Jungen lässt seine Lenden auf fast schon penetrante Weise kribbeln...
 

Dann verfliegt seine Wut endgültig, auf nahezu magische Weise, und er nähert sich dem nackten, am Boden sitzenden Clown mit einer ihm, bis dahin nahezu, unbekannten Art von Erregung. Denn wie sagte schon Oscar Wilde: Versuchungen sollte man nachgeben, wer weiß, ob sie wiederkommen. Und nicht zu vergessen: Ein Mann, der hartnäckig allein bleibt, macht sich zu einer dauernden, öffentlichen Versuchung!
 

Oh, ja! Batman ist sehr einsam, obwohl er allerhand Gelegenheiten hätte, das zu ändern. Doch er hat zu viel Angst davor, verletzt zu werden, wenn er Gefühle für jemanden entwickelt. Oder noch schlimmer: Schuld daran zu sein, dass seinetwegen jemand anderer verletzt wird, vielleicht sogar sterben muss. Nicht umsonst arbeitet er strickt allein. Doch Joker ist ebenfalls ein Mann, zudem der meistgesuchte Verbrecher in Gotham. Das einzige Gefühl, das Wayne ihm bis jetzt entgegenbringen konnte, ist Hass. Auch wenn das nicht die Art Hass ist, die sich der Jüngere scheinbar von ihm wünscht. Aber das ist egal. Hier geht es schlichtweg um Befriedigung – zumindest in den Augen des Ritters – und das wäre in Ordnung, oder nicht? Ihm kommt sogar der Gedanke, dass er den Joker damit zu einem gewissen Grad unter Kontrolle halten könnte. Wäre so etwas möglich? Könnte er so überzeugend sein, dass ihm der Bengel hörig wird? Sich ihm freiwillig ausliefert, nur um ihm nahe sein zu dürfen?
 

Prüfend betrachtet er noch einmal den Knaben, der nackt vor ihm auf dem Dach sitzt, und ihn unverwandt ansieht. Das Verlangen in den roten Augen scheint geradezu überzuschwappen. Dieser gefühlt bohrende Blick, den ihm die vorwitzige Erregung des Clowns zuteilwerden zu lassen scheint. Der Bengel wirkt erneut, als wäre er von einer sagenhaften Aura aus Unschuld umgeben, die Bruce hart schlucken lässt. Diese Anziehungskraft ist regelrecht erschreckend und doch will sich der Schwarzhaarige darin verlieren, sich den Grünhaarigen zu Willen machen. Befriedigung finden...
 


 

7
 

Fast wie ferngesteuert tritt er mit schweren Schritten auf den durchgeknallten Clown zu. Dieser beobachtet ihn nun ganz genau. Vielleicht ist er sich nicht sicher, wie er das undurchschaubare Verhalten seines Gegenübers bewerten soll? Fürchtet ganz gewiss neue Prügel, allein schon dafür, dass er die Unverfrorenheit besessen hat, ihm so ein Angebot gemacht zu haben. Leichter Argwohn huscht daher über die roten Augen hinweg, als Bruce direkt vor ihm zum Stehen kommt.
 

„Hoch mit dir!“, verlangt der Maskierte streng. Kaum merklich zuckt der Jüngere zusammen. Batman kann ihm ansehen, wie er begreift, dass sein perfider Plan wohl nach hinten losgegangen ist und er nun seine Strafe dafür zu empfangen hat. Soll er das ruhig glauben, dann lässt er sich sicher einfacher handhaben. „Ich...“, setzt er sichtlich eingeschüchtert an. „Ich sagte: Hoch mit dir!“, unterbricht ihn der Schwarzhaarige harsch. Diesmal zuckt der Bengel deutlich zusammen, was den Rächer tief hinten in seinen Gedanken sogar erfreut, hat er den Joker doch selten so erlebt. Aber die Tracht Prügel vom letzten Mal scheint also doch irgendwo Wirkung gezeigt zu haben, wie es ihm vorkommt. Andernfalls hätte der Kleinere jetzt nur wieder eine große Klappe.
 

Hilflos setzt der Joker nun wieder sein kindliches Schmollen auf. Dennoch erhebt er sich ganz langsam unter dem fordernden Blick des Älteren. Unsicher steht er nun da und scheint sich sogar vor ihm zu genieren, so nackt und verletzbar wie er gerade doch ist. Grob ergreift Batman sein linkes Handgelenk, während er mit der freien Hand eine Plastikfessel aus seinem Allzweckgürtel angelt. Überrascht weiten sich die roten Augen und Joker versucht sich ihm halbherzig zu entziehen. „Was – was hast du vor?“, fragt er unsicher, jedoch ohne auch nur einen Hauch seiner Erregung einzubüßen.
 

Sie stehen direkt neben einem hohen Schornstein. An den Klinkern befindet sich eine schmale Leiter, die der Schornsteinfeger für seine Arbeiten benutzt. An eine der Sprossen befestigt Bruce jetzt die Plastikfessel und kettet den Clown damit an. „Was soll das? Wag es ja nicht, mich hier anzubinden und dann abzuhauen!“, faucht der Grünhaarige erschrocken und versucht sich irgendwie zu befreien. Das gelingt ihm bei der Plastikfessel jedoch nicht ohne ein scharfkantiges Hilfsmittel, das er jetzt aber nicht zur Verfügung hat. Oder etwa doch? Statt auf seine Worte einzugehen, ergreift Batman die andere Hand des Clowns, was dieser nun sehr vehement zu verhindern versucht, und kettet sie mit einer weiteren Plastikfessel an die Leiter des Schornsteins.
 

Berühre mich

Das ist die Nacht

Berühre mich

Ich will deinen Körper spüren
 

Jetzt steht die Angst fast schon greifbar in den roten Augen des Jungen, was aber immer noch keine Auswirkung auf seine Erregung zu haben scheint, was Bruce sichtlich fasziniert. „Bitte – lass mich nicht allein! Ich bin nackt und wehrlos...“, gibt er erstaunlich kleinlaut von sich. „Nackt schon, aber für wehrlos halte ich dich deswegen noch lange nicht. Du kannst schließlich noch immer um dich treten, und von der Bärenfalle in deinem Mund reden wir gar nicht erst.“, erwidert der Dunkle Ritter trocken, woraufhin der Kleinere betrübt die Schultern hängen lässt. ‚Jetzt spuckt er also keine großen Reden mehr. Gut zu wissen...‘, denkt sich Wayne und mustert den eingeschüchterten Clown eindringlich.
 

Vollmond in der Stadt

Und die Nacht ist jung

Ich bin hungrig nach dir

Ich bin hungrig nach Spaß
 

Diese Beschauung gefällt dem sonst so aufgeweckten Jungen langsam aber überhaupt nicht mehr. „Was glotzt du denn so blöd? Tu irgendwas oder mach mich gefälligst wieder los! Was soll der Scheiß überhaupt? Ich würde ja sagen: Mach hinne, mir friert der Hintern ab! Aber das ist bei diesen Temperaturen wohl kaum möglich, trotzdem ist das...“, setzt Joker nun wieder erzürnt an. „Sei still.“, erwidert Batman. Und obwohl er nicht einmal laut wird oder es auch nur als Befehl formuliert, verstummt der Grünhaarige augenblicklich.
 

Ich habe dich gejagt

Und ich war der Köder

Als ich dich dort sah

Ich wollte nicht zögern
 

Plötzlich steht der Dunkle Ritter direkt hinter ihm. Sichtlich zuckt der kleine Clown zusammen. Der Rächer ist ihm so nahe, dass sich Joker schon einbildet, er könne jeden einzelnen Muskel des Maskierten unter dessen Kostüm spüren. Insbesondere einen Muskel. Überrascht weiten sich seine unnatürlich roten Augen. „Batsy, was...?“, setzt er erneut an, wird jedoch wieder von seinem Hintermann unterbrochen. Der heiße Atem des Älteren streift sein Ohr, was einen überaus wohligen Schauer über den nackten Körper jagt. Der Grünhaarige schluckt schwer. „Verarsch mich bitte nicht wieder...“, wimmert er schon fast. „Du wolltest, dass das hier passiert, nicht wahr? Du hast das alles gemacht, weil du mich willst, stimmt’s? Hier und jetzt willst du mich...“, raunt der Mitternachtsdetektiv in sein Ohr.
 

Das ist die Nacht

Das ist die Zeit

Wir müssen es richtig machen
 

„Ja! Ja! Nichts wünsche ich mir mehr, als dich spüren zu dürfen...“ Joker senkt den Kopf, als wäre er gerade ausgeschimpft worden und kämpft gegen aufkommende Tränen an. „Dann soll es so sein...“ Verwirrt wendet der kleine Clown den Blick zu ihm nach hinten. Doch die dunkle Nacht und der schwere Schatten, den der Schornstein wirft, tauchen Batmans ausdrucksloses Gesicht so sehr in Finsternis, das es praktisch nicht mehr zu sehen ist. „Darling...?“, fragt er daher vorsichtig. „Doch glaub ja nicht, dass das irgendetwas zwischen uns ändern wird. Was immer gleich passiert und wie auch immer es endet, es bedeutet nichts, also komm nicht wieder auf dumme Gedanken, verstanden?“, ertönt Bruce‘ Stimme wieder in mahnendem Tonfall. ‚Red dir das nur selbst ein, aber wir werden schon sehen...‘, geht es dem Verrückten durch den Kopf. Laut sagt er allerdings nur: „Einverstanden...“
 


 

8
 

Für einen Moment entfernt sich Wayne noch einmal von ihm und geht zu dem Haufen mit Jokers Klamotten zurück, der keine drei Schritte von ihnen entfernt liegt. Verwundert beobachtet ihn der kleine Clown dabei und will schon fragen, was das nun wieder werden soll, doch er entscheidet sich doch lieber dafür, ausnahmsweise einmal die Klappe zu halten. Er hat zu lange darum gekämpft, dass zu bekommen, was hoffentlich wirklich gleich passieren wird, da will er es nicht kaputtmachen, bevor es anfängt, nur weil er wieder zum falschen Zeitpunkt den Mund aufmachen musste.
 

Das ist die Nacht

Berühre mich, berühre mich

Ich will deinen Körper spüren
 

Bedächtig hockt sich der Schwarzhaarige nieder und schiebt die knallgelben Turnschuhe des Clowns zur Seite. Dann ergreift er das Top des Jungen. Es ist zartviolett, wie das eines kleinen Mädchens. Vorn ist allerdings ein großes, blutverschmiertes Herz aufgedruckt, aus dem eine brennende Lunte hervorragt, was es wieder gar nicht mehr kindlich wirken lässt. Mit leicht gerümpfter Nase knüllt Batman es zusammen und legt es auf die Turnschuhe, als wolle er verhindern, dass es schmutzig wird. Unter dem Top kommt nun die babyblaue Jogginghose des Verrückten zum Vorschein, auf der sich unzählige bunte Sterne verteilen, sodass sie fast wie die Hose eines Schlafanzugs aussieht. Bei der doch recht groben Behandlung, die Wayne ihm zuteilwerden ließ, um ihn auf der Suche nach diesem ominösen Tattoo auszuziehen, sind etliche Sachen aus den Hosentaschen herausgekullert, so auch das, was Batman eigentlich dazu bewogen hat, sich von dem Grünhaarigen zu entfernen.
 

Deinen Herzschlag neben meinem hören

Das ist die Nacht

Berühre mich, berühre mich jetzt
 

Geschwind schnappt er sich eines der schlichten kleinen, schwarzen Tütchen und kehrt zu dem Wartenden zurück. Das sie schwarz und nicht knallbunt ist, so wie der Rest des Früchtchens, verwundet Bruce schon ein bisschen, andererseits auch wieder nicht wirklich. Immerhin hat der Clown ganz sicher nur an ihn gedacht, als er sich das besorgt hat. Joker beobachtet ihn dabei hoffnungsvoll mit großen Augen. Ganz so, als hätte er bis jetzt vielleicht doch nicht daran geglaubt, dass sein langgehegter Wunsch in Erfüllung geht. Doch als der Maskierte nun vor seinen Augen das kleine Tütchen aufreißt und das schwarze Kondom hervorzieht, besteht wohl kein Zweifel mehr, sodass dem Verrückten sichtlich die Knie weich werden und er sich erregt auf die Unterlippe beißt. Allerdings stellt sich Batman nun wieder direkt hinter ihn, sodass dem Kleineren der Blick auf sein bestes Stück verwehrt bleibt. Eine echte Schande ist das! Der Ritter gönnt einem aber auch gar nichts!
 

Du hast mir so ein gutes Gefühl gegeben

Ich fühlte mich wahnsinnig wegen dir
 

„Batsy...“, setzt er erneut an und versucht sich etwas zu ihm herumzudrehen, was die engen Plastikfesseln aber zu einem großen Teil verhindern. Das kann dem Rächer nur recht sein, dennoch drängt er sich jetzt so gegen ihn, dass der Bengel wieder den Schornstein ansehen muss. „Still jetzt...“, murrt er dem Jüngeren entgegen und streift sich das schwarze Latex über. „Aber ich bin...“, kommt es abermals von dem Grünhaarigen. Eigentlich will er dem Ritter mitteilen, dass das hier sein erstes Mal ist und er daher bitte vorsichtig sein soll, doch seine Worte finden selbstverständlich kein Gehör bei dem Älteren. Wahrscheinlich würde er ihm eh nicht glauben...
 

Das ist die Nacht

Das ist die Zeit

Wir müssen es richtig machen
 

„Du bist jetzt still oder das hier ist auf der Stelle vorbei!“, knurrt Bruce ihm nachdrücklich ins Ohr, woraufhin der kleine Clown wieder verstummt und sich auf die Unterlippe beißt. Diesmal jedoch nicht vor Erregung, auch wenn sie sein gesamtes Denken noch immer ungerührt von allem dominiert. Doch da ist auch Angst. Was wird der Maskierte tun? Wird er ihn verletzen und sei es nur aus Versehen? Er schluckt hart und fühlt sich richtiggehend genötigt, erneut das Wort zu ergreifen, um sich irgendwie erklären zu können. Doch dann drückt sich etwas hart und feucht gegen seine blanke Kehrseite und verdrängt jeden Gedanken, der jemals in seinem mitgenommenen Kopf existiert zu haben scheint...
 


 

9
 

Einen Moment später ergreifen Waynes kräftige Hände beinahe grob die schmalen Hüften des Jungen vor sich, zerren ihn in die richtige Position, und dann zwängt sich die erwachte Erregung des Ritters ohne weitere Vorwarnung in den bebenden Körper hinein. Merklich zuckt der Grünhaarige zusammen und stößt ein leidliches Keuchen aus. Batman kümmert es nicht sonderlich. Er will dem Bengel zwar nicht absichtlich wehtun – das würde nur damit enden, dass sich der Clown wieder bei ihm beschwert und im schlimmsten Fall einen blutigen Racheakt plant –, dennoch will er ihm zeigen, wer hier das Sagen hat. Dass er es ernst damit meint, dass sich zwischen ihnen nichts ändern wird. Dass das hier nur ein Akt der Befriedigung für Bruce ist. Wenn Joker dabei kommt, ist das dennoch gut. Es wird dem Kleinen etwas Positives vermitteln, auch auf die Gefahr hin, dass er sich dann wieder irgendetwas einbildet. Doch der Rächer ist nicht gewillt, ihm gefällig zu werden. Sollte er seinen Höhepunkt vor dem Clown haben, hat der Bengel eben Pech gehabt und muss sehen, was er dann macht. Der Schwarzhaarige wird sich in keinem Fall die Mühe machen, ihn dann weiterzubearbeiten. Je schneller das hier endet, desto besser. Schließlich muss sich Batman ja auch noch um die Bombe kümmern...
 

Das ist die Nacht

Berühre mich, berühre mich

Ich will deinen Körper spüren
 

Der Schmerz des ersten Eintauchens verlässt den zierlichen Körper aber glücklicherweise schnell wieder. Es folgt ein unbeschreiblich herrliches Gefühl von Angst, in das sich rasch freudige, heiße Erwartung mischt. Das Faszinierende am Eindringen des Dunklen Ritters ist das seltsame Gefühl des Vertrauten, als wäre diese erstaunliche Sache schon einmal geschehen – nein, nicht nur einmal, sondern sehr oft! Doch dem ist nicht so, nicht außerhalb der endlosen, feuchten Träume, die er seit dem ersten Auftauchen Batmans vor fünf Jahren gehabt hat, und die all sein grenzenloses Verlangen zu diesem Mann immer weiter vorangetrieben haben, bis er sich schließlich bereit fühlte, ihm entgegenzutreten, was letztendlich das Unglück vor einem halben Jahr verursacht hat.
 

Deinen Herzschlag neben meinem hören

Das ist die Nacht

Berühre mich, berühre mich jetzt
 

Mit jedem Zentimeter mehr steigert sich das leidliche Keuchen zu einem atemlosen, heißen Stöhnen, das zehntausend Gefühle durch seinen Körper jagt, ihn erzittern lässt, nach so viel mehr verlangt und sich hilflos darin verlieren möchte. Seinen mitgenommenen Kopf auf so herrliche Weise leerpustet. Als die harte Spitze der Erregung des Ritters schließlich tief hinten in ihm gegen einen unbekannten und doch augenblicklich heißbegehrten Punkt stößt, weiten sich die unnatürlich roten Augen überrascht und er stößt ein hilflos-ergebenes Wimmern aus. „Oh, Darling...!“, schnurrt er in tiefer Erregung ertrunken und drückt sich ihm verlangend noch weiter entgegen.
 

Heiße und kalte Gefühle

Verwirren mein Gehirn

Ich kann mich nicht entscheiden

Zwischen Vergnügen und Schmerz
 

Sein Kopf scheint förmlich zu explodieren, so heftig wird er mit Glückshormonen überschüttet. Doch die Freude hält nur einen winzigen Moment, dann presst sich überaus nachdrücklich die Hand des selbsternannten Rächers der Stadt auf seinen Mund und erstickt jedes weitere Wort im Keim. Ein erschrockener, durch den dicken, verstärkten Lederhandschuh unterdrückter Laut ertönt von dem kleinen Clown und er versucht sich dem zu entziehen. „Ich sagte: Du sollst still sein! Ich will keinen Pieps mehr von dir hören, verdammt!“, zischt Batman ihm scharf ins Ohr. In seiner Stimme schwingt auch eine gute Portion Erregung mit, doch auch sie kann nicht verhindern, dass sich Joker wieder so schrecklich hilflos fühlt. Brennende Tränen steigen erneut in ihm hoch und schwappen diesmal über die Ufer. Allerdings merkt der Schwarzhaarige nichts davon, da seine behandschuhte Hand auch weiterhin fest auf dem Mund des Jungen vor sich gepresst liegt. Und selbst wenn nicht, würde es ihn auch nicht sonderlich kümmern. Der Bengel muss schließlich lernen, wo seine Grenzen sind, und dass sich Batman nicht alles von ihm gefallen lässt.
 

Wie ein Landstreicher in der Nacht

Ich habe um dich gebettelt

Um meinen Körper zu nehmen,

Wie du wolltest

Ich habe um dich gebettelt
 

Daher fackelt der Rächer auch nicht lange und beginnt sich mit kräftigen Stößen in der engen Hitze zu bewegen. Von seinem ungewollten Partner ertönen weiterhin nicht sonderlich glücklich klingende Laute gedämpft unter seiner aufgelegten Hand hervor. Halbherzig versucht er auch wieder sich dieser erzwungenen Ruhe zu entziehen, doch er ist in einer denkbar schlechten Position dafür. Wayne drängt sich so dicht gegen ihn, dass sich der Junge kaum bewegen, nur im Rhythmus der Stöße mitwippen und hoffen kann, dass er dem dennoch so viel entgegenzubringen vermag, dass er nicht irgendwann mit dem Kopf gegen eine der eisernen, rostigen Sprossen vor sich knallt. Andererseits ist er froh, dass es diese Leiter gibt, da er sich mit der Verzweiflung eines Ertrinkenden an ihren Stützen festklammert, sodass die Sehnen seiner feminin anmutenden Hände wie dicke Drahtseile unter der Haut hervorstehen.
 

Das ist die Nacht

Berühre mich, berühre mich

Ich will deinen Körper spüren
 

„Was ist?“, fragt Bruce und keucht ihm dabei hörbar ins Ohr, nimmt aber nicht die Hand von seinem Mund, um ihm die Möglichkeit zur Antwort zu geben, was die Frage völlig sinnlos erscheinen lässt. „Das ist doch das, was du wolltest, also stell dich nicht so an!“, raunt er weiter. Dabei verlagert er seinen Stand etwas, um mit der freien Hand nach einer der Leitersprossen greifen zu können, um nicht den Halt zu verlieren. In dieser Stellung bedienen seine Stöße nun eine etwas andere Stelle und treffen dabei unbewusst erneut den Punkt, der Joker augenblicklich Sterne sehen lässt.
 

Deinen Herzschlag neben meinem hören

Das ist die Nacht,

Weil ich deinen Körper die ganze Zeit haben will
 

In seinem vernebelten Kopf zündet daraufhin ein weiteres Feuerwerk und die Laute, die unter der aufgelegten Hand des Mitternachtsdetektiven hervordringen, ändern augenblicklich ihre Tonlage. Nun wirken sie keinesfalls mehr hilflos oder sogar schmerzlich, nun spiegeln sie die grenzenlose Erregung des kleinen Clowns wider und betteln hörbar um mehr. Batman weiß nicht recht, ob er sich darüber nun freuen oder eher wütend werden soll. Die Empfindung bleibt unbeantwortet und er verzichtet auch darauf, seine Position noch einmal zu ändern, so ist es einfach am sichersten. Stattdessen macht er ungerührt so weiter, auch weil er spüren kann, dass es nicht mehr lange dauert, bis er zu seinem Höhepunkt gelangt. Das ist gut, dann kann er das hier also bald beenden.
 

Das ist die Nacht

Berühre mich, berühre mich

Ich will deinen Körper spüren

Deinen Herzschlag neben meinem hören
 

Andererseits muss er zugeben – und das widerstrebt ihm doch ziemlich –, dass sich das Ganze auf unbeschreibliche Weise gut anfühlt. Dieser zierliche, kleine Körper, der unter jeder seiner Bewegungen zu erbeben scheint. Diese unbeschreibliche Hitze in Verbindung mit dieser kaum zu begreifenden Enge. Die pulsierenden Muskeln, die ihn immer mehr in den wimmernden Clown hineinzuziehen scheinen. Die verruchte Tatsache, dass sie hier mitten in der Nacht auf dem Dach eines Gebäudes miteinander verkehren, das von so vielen anderen Häusern überragt wird, dass sie sich der Welt praktisch auf dem Silbertablett servieren. Der reinste Wahnsinn, auf jede nur erdenkliche Art und Weise! Batman ist nur heilfroh, dass er sein Cape hat, das ihr unzüchtiges Treiben vor den anklagenden Augen Gothams gänzlich verbirgt. Des Weiteren ist er sogar froh, dass es sich bei seinem unfreiwilligen Partner um den Joker handelt, denn dieser ist so viel kleiner als er, dass es selbst ohne Cape schwierig wäre zu sehen, um wen es sich bei seinem Vordermann handelt.
 

Das ist die Nacht

Weil ich deinen Körper die ganze Zeit haben will

Berühre mich, berühre mich jetzt

Das ist die Nacht

Berühre mich, berühre mich jetzt

Ich will deinen Körper spüren
 

Kaum hat er diesen Gedanken an den durchgeknallten Clown verloren, fängt dieser auf einmal heftig an zu zittern. Seine Laute werden immer ungehaltener, sodass Bruce schon überlegt, ob es nicht besser wäre, die Hand von seinem Mund zu nehmen, damit er nicht vom Luftmangel ohnmächtig wird. Er kann diesem Einfall allerdings nicht mehr nachkommen, da bäumt sich der zierliche Körper in seinem Griff heftig auf. Joker versucht den Kopf in den Nacken zu werfen, um seine außer Kontrolle geratenen Gefühle in die Nacht hinauszuschreien. Geistesgegenwärtig folgt Wayne dieser Bewegung allerdings und verhindert so den ausbrechenden Lärm.
 

Das ist die Nacht

Berühre mich, berühre mich jetzt

Das ist die Nacht

Berühre mich, berühre mich jetzt

Ich will deinen Körper spüren
 

Das kümmert den Grünhaarigen aber nicht, auch wenn er wirklich keine Luft mehr bekommt. Vor seinen weit aufgerissenen Augen tanzen deswegen bunte Punkt. Doch auch das ist egal. Er kann sich nur seinen Gefühlen ergeben, völlig hilflos darin ertrunken. Als er schließlich kommt, verdrehen sich seine unnatürlich roten Seelen so sehr, dass Batman wirklich der Ansicht ist, dass der Bengel nun zusammenbrechen wird. Er kann dem aber nichts entgegenbringen, da er in diesem Moment von seinem eigenen Höhepunkt so unerwartet überrollt wird, dass er den zitternden Jungen nur weiterhin an sich drücken und ein lautes Aufstöhnen gerade noch so unterdrücken kann. Dafür stößt er ein tiefes Brummen aus, das Jokers Ohr als heiße Welle trifft und dem Bengel endgültig den Bezug zur Realität verlieren lässt...
 


 

10
 

Langsam nimmt der Dunkle Ritter die Hand vom Mund des Clowns und atmet angestrengt durch. Ihm schwirrt regelrecht der Kopf, und das hätte er nun wirklich nicht für möglich gehalten. Dem Grünhaarigen scheint es ähnlich zu gehen, wirkt es doch so, als würde er nur noch von der Tatsache auf den Beinen gehalten werden, dass Batman ihm noch immer so nahe ist. Die Atmung des Kleineren ist ein überaus krampfhaftes Luftholen, so als wäre er wirklich kurz davor gewesen zu ersticken. Ein hilfloses Zittern lässt den zierlichen Körper noch immer erbeben und Joker klammert sich weiterhin verbissen an den Sprossen der Leiter vor sich fest.
 

„Oh, fuck! – Mach das noch mal...!“, kommt es zwischen ein paar schweren Atemzügen hervor. „Vergiss es!“, zischt der Ältere ihm zu und zieht sich dann endgültig aus ihm zurück. Augenblicklich fühlt sich der Verrückte schrecklich leer und am liebsten würde er jetzt wieder weinen. Aber dafür lässt ihm Wayne keine Gelegenheit. „Das war’s! Du hast bekommen, was du wolltest, reichlich sogar! Und jetzt sag mir, wo genau du die Bombe versteckt hast, damit ich sie entschärfen kann!“ „Also, eigentlich sind es zwei Bomben, die zeitversetzt im Abstand von drei Sekunden hochgehen...“, kommt es leicht verlegen von dem Verrückten, während er sich unbehaglich in den Fesseln windet.
 

Der Rächer lässt ihm einen überaus mahnenden Blick zuteilwerden, sodass der kleine Clown wieder die Schulter hochzieht, als fürchte er einen Schlag. Seufzend stößt der Schwarzhaarige die Luft aus. „Schön, und wo sind sie?“, fragt er noch einmal, sichtlich um Ruhe bemüht. „Machst du mich los, während ich es dir sage? – Bitte...“, kommt die Gegenfrage. „Gut. Aber ich warne dich, versuch keine faulen Tricks! Und wenn ich merke, dass du schwindelst, binde ich dich sofort wieder an und du kannst hier die ganze Nacht nackt hocken!“, zischt der Rächer und zieht einen Batarang aus seinem Gürtel.
 

„Ich bin brav, versprochen!“, erwidert der kleine Clown eifrig. „Dann rede und hör auf herum zu zappeln, sonst schneide ich dir womöglich noch in die Pulsadern.“ Der Junge hält still und Bruce ergreift eine seiner Hände. Geschickt schiebt er seinen Finger unter die engsitzende Fessel, um möglichst viel Abstand zur Haut darunter zu bekommen, und rückt dem Plastik dann mit der scharfgeschliffenen Flügelspitze des Batarang zu Leibe. Währenddessen erläutert Joker ihm die Bomben. „Okay, die eine ist im Erdgeschoss ziemlich in der Mitte. Da ist so ein großer Stützpfeiler im Raum, dahinter liegt sie.“ Mit einem schnappenden Geräusch zerreißt die Fessel und gibt die Hand des Bengels wieder frei. Ein deutlicher, roter Ring aus gereizter, abgeschürfter Haut zieht sich wie ein Armband um das Gelenk.
 

„Und weiter.“, drängt ihn der Maskierte und ergreift seine andere Hand. „Die zweite ist...“, weiter kommt er allerdings nicht. Das Geräusch der Explosion ist ein hohler, machtvoller Knall, der durch die laue Sommernacht rollt, wie eine Bowlingkugel auf der Bahn. Der Klang von berstendem Glas umgibt ihn wie zerreißender Spitzenstoff. Dem Ganzen folgt eine zweite, noch weit heftigere Explosion, die das angeschlagene Gebäude regelrecht in Stücke reißt, und glühende Flammenzungen mit sich bringt, die ihre gierigen Fänge wie ausgehungerte Wölfe in alles hineinschlagen, was noch nicht pulverisiert wurde. In der Luft über dem gerade explodierten Gebäude drehen sich orangerote Feuerzungen; eine Blüte, die sich immer weiter öffnet und in Gotham leider nur allzu bekannt ist: Eine Katastrophen-Rose.
 

Die beiden auf dem Dach Befindlichen zucken heftig zusammen. Klirrend fällt der Batarang zu Boden, während sich der Rächer von dem Verbrecher abwendet und die lodernden Flammen anstarrt, als wären sie ein exotisches Tier, das er noch nie zuvor gesehen hat. „Scheiße...“, murmelt der Clown hinter ihm. Seine gebrochene Stimme ist über den Lärm des Feuers hinweg kaum zu hören. Ruckartig wendet sich Wayne zu ihm um, überbrückt den kurzen Abstand zu ihm und legt ihm augenblicklich die Hände um die Hals. Fest beginnt er zuzudrücken. Joker wehrt sich jedoch nicht. Der Zünder und ihr unzüchtiges Treiben waren also nur eine Ablenkung, um Wayne lange genug zu beschäftigen, damit ein Zeitzünder die Bomben schließlich hochjagt!
 

„Du mieser Abschaum!“, giftet Batman ihn an und verstärkt seinen Griff noch. „Ich – ich – war’s nicht!“, entgegnet ihm der Kleinere erstickt röchelnd. In seinen roten Augen liegt etwas so dermaßen Ehrliches, dass Bruce – wenn auch sehr widerwillig – wieder von ihm ablässt. Nun schlingt sich auch ein rotes Band um den Hals des Kleineren. „Wir sprechen uns noch, Clown!“, brummelt er verstimmt und macht sich dann zügig auf den Weg zum Rand des Daches. „Hey, warte! Du kannst mich doch hier nicht so zurücklassen!“, brüllt Joker ihm aufgebracht hinterher. „Und ob ich das kann! Sie es als Strafe!“, gibt Batman zurück und schwingt sich dann hinab zur Straße, um sich den Schaden anzusehen und gegebenenfalls schon einmal mit dem Löschen zu beginnen, bis die Feuerwehr hier ist. Zudem die sich langsam sammelnden Gaffer von dem brennenden Trümmerfeld fernzuhalten.
 

Mit offenem Mund starrt Joker ihm hinterher. Plötzlich huscht die Erkenntnis über seine roten Seelen hinweg. Er hatte zwei Typen angeheuert, die ihm bei der Sache hier helfen sollten. Sie haben die Obdachlosen aus dem Gebäude gedrängt, während der Grünhaarige die Bomben platzierte. Joker wollte es krachen lassen, wenn es sein muss, doch er wollte niemanden töten, um sich wieder den Zorn der Fledermaus aufzuhalsen. Also sicher ist sicher. Außerdem hatte er den beiden gesagt, dass sie die Bomben im Ernstfall mit einem weiteren Zünder hochjagen sollen, wenn sie nach einer bestimmten Zeit nichts vom Joker hören. Es sollte dazu dienen, ihm die Flucht zu ermöglichen, falls Batman erneut ausflippen sollte, so wie beim letzten Mal. Doch alles lief ausnahmsweise einmal ganz nach Plan und er hat sich herrlich mit dem Flattermann amüsiert, so sehr, dass er ganz die Zeit vergessen hat und nun ist es zu spät!
 

Irgendwie hat das Ganze etwas ziemlich Lustiges an sich. Der Grünhaarige beginnt zu kichern. Daraus entwickelt sich sehr schnell ein Lachen, das über das ganze Dach schallt, und das selbst der Rächer unter auf der Straße über das tosende Flammenmeer hinweghören kann. Zähneknirschend versucht er es zu ignorieren und richtet seinen Blick konzentriert auf die brennenden Trümmer aus. Da ist doch etwas...
 

Als er noch etwas nähertritt, sieht er, dass es sich um eine grausam zerrissene Leiche handelt! Das bringt das Fass endgültig zum Überlaufen. „JOKER! DAS WIRST DU MIR BÜßEN! HÖRST DU?“ Überrascht zuckt der kleine Clown auf dem Dach zusammen. Das ist nicht gut! „Scheiße...“, entkommt es ihm angefressen. Den Worten des Älteren entnimmt er, dass die Explosion doch irgendein Opfer gefordert haben muss und er jetzt ein echtes Problem hat. Er muss hier schleunigst weg, solange die Fledermaus noch beschäftigt ist. Doch er ist immer noch an diese verdammte Leiter gefesselt und der verfluchte Batarang liegt außerhalb seiner Reichweite. Da hilft wohl nur ein Mittel...
 


 

11
 

Während das Feuer der Explosion immer schlimmer wird, die Feuerwehr auch noch nicht aufgetaucht ist und Batman verzweifelt versucht herauszufinden, ob sich womöglich noch mehr Menschen in den Trümmern befinden, bleckt Joker die scharfen Zähne und macht sich daran, damit die verdammte Fessel zu durchtrennen. Er will unbedingt hier weg sein, bevor der Maskierte Gelegenheit hat, ihn für diesen außerplanmäßigen Zwischenfall zu bestrafen.
 

„Boss...?“, ertönt es auf einmal fragend hinter ihm. Heftig zuckt der kleine Clown zusammen und wendet ruckartig den Kopf herum. Er erblickt die beiden Männer, die er auf der Straße angesprochen hatte, damit sie ihm bei dieser Sache hier helfen. Innerlich ist Joker keineswegs froh, sie zu sehen. Immerhin sind allein sie daran schuld, dass Batman jetzt schlecht auf ihn zu sprechen ist. Äußerlich setzt er allerdings ein sehr erleichtertes Gesicht auf.
 

„Jungs! Man bin ich froh, euch zu sehen!“, flötet er begeistert. Verwirrt mustern ihn die beiden anderen. „Was – ist passiert, Boss?“, fragt der eine schließlich. „Tja, was soll ich sagen? Ist alles etwas aus dem Ruder gelaufen...“, meint der Grünhaarige schulterzuckend. „Aber vielleicht kann mich einer von euch ja losschneiden? Das wäre wirklich herzerwärmend!“, tut er ganz hilflos und deutet zu dem Batarang, der knapp außerhalb seiner Reichweite liegt.
 

„Sicher, Boss.“, meint der ältere der beiden, schnappt sich Batmans Waffe und nähert sich dann dem Clown. „Warum bisten du nackt, Boss?“, fragt der zweite und wirkt dabei doch etwas angewidert, einen anderen Kerl völlig entblättert vor sich zu haben. „Gute Frage! Vielleicht weil heute so eine schön warme Nacht ist und ich einfach mal blankziehen wollte? Vielleicht aber auch, weil Batsy einen interessanten Sinn für Humor hat? Vielleicht aber auch nur, weil es sich nackt nun einmal besser vögeln lässt? Such dir was aus, Sweetheart!“ Der Grünhaarige wirkt sichtlich angefressen und ist heilfroh, als die Fessel nun endlich das Zeitliche segnet.
 

Abermals verwirrt mustern ihn die beiden Männer erneut. „Das klingt echt ganz schön schwul...“, meint der jüngere der beiden dann und verzieht wieder das Gesicht. „Wirklich? Na, ein Glück sagt mir das mal jemand, so muss ich wenigstens nicht dumm sterben...“, kommt es in Sarkasmus ertrunken von dem Verrückten zurück, wobei der theatralisch mit den Augen rollt.
 

„Bist du denn zufrieden mit uns, Boss? Hat ganz schön geknallt.“, will der Ältere nun wissen. „Oh, ich bin mehr als nur zufrieden, Sweetheart! Noch schöner wäre es allerdings gewesen, wenn ihr noch ein paar Minuten gewartet hättet.“ „Wir haben uns doch aber genau an deinen Plan gehalten, Boss...“ „Mag schon sein. Aber sehe ich wirklich aus, als hätte ich einen Plan, Jungs?“ Ein weiteres Mal mustern sie den kleinen Bengel vor sich, der sich in keiner Weise die Mühe macht, sich wieder anzukleiden, obwohl er nun frei ist und ganz locker zu seinen Sachen hinübergehen könnte. Stattdessen steht er da vor ihnen und stemmt wie eine zornige Mutter die winzigen Fäuste in die schmalen Hüften.
 

„Nun ja...“, setzt der Ältere an. „Darf ich das Ding bitte mal haben?“, unterbricht ihn der Grünhaarige und deutet dabei auf den Batarang, den der Mann noch immer in der Hand hält. „Äh, sicher doch, Boss.“ „Vielen Dank!“, strahlt der Junge über das ganze Gesicht und wirkt dabei auf fast schon unheimliche Weise niedlich. Und als er lächelt, geschehen gleichzeitig zwei Dinge. Das Erste ist sein Charme, der so überraschend ist, dass er den beiden Handlangern jede Möglichkeit zur Gegenwehr nimmt. Das Zweite ist, man sieht, wie intelligent er ist. Wie gefährlich intelligent. Und dennoch ist das, was folgt, die pure Trotzreaktion eines kleinen Jungen, der nicht bekommt, was er will, und dafür jetzt etwas anderes kaputtmachen muss. Und obwohl Joker sich nach seinem ersten Missgeschick auf dem Festplatz vor über einem halben Jahr geschworen hatte, nie wieder bewusst zu töten, verdrängt er diesen Schwur nun ganz entschieden. Denn Mord und Kartoffelchips haben eine sehr perfide Gemeinsamkeit: Hat man einmal damit angefangen, kann man nur sehr schwer wieder damit aufhören, erst recht, wenn man in einem Gefühlschaos steckt.
 

So holt er immer noch lächelnd mit der scharfgeschliffenen Metallfledermaus aus. Noch ehe der Mann vor ihm begreift, was folgen könnte oder auch nur versuchen kann auszuweichen, schlitzt ihm der kalte Stahl auch schon die Kehle auf! Blut schießt in einer roten Fontäne hervor, die so groß ist, dass es schon wieder so unwirklich wie in einem schlechten Film wirkt. Ein heißer Schwall trifft den anderen Mann sogar mitten im Gesicht und macht ihm damit überhaupt erst bewusst, was da gerade passiert ist. Der Verletzte greift sich derweilen röchelnd an die Kehle und sinkt auf die Knie.
 

„Ich muss zugeben, ich habe gelogen, denn ihr habt ganz und gar keine gute Arbeit geleistet! Wegen euch ist Batsy jetzt sauer auf mich und wird ganz sicher nie wieder mit mir schlafen! Könnt ihr euch auch nur ansatzweise vorstellen, wie schrecklich das ist?“ Während er spricht sticht und schneidet er weiter mit dem Batarang an seinem wehrlosen Opfer herum, sodass der Mann bald aussieht, als wäre eine Horde Raubkatzen über ihn hergefallen. Alles ist voller Blut, das einen erschreckend weiten Radius um sie herum bedient. Joker selbst sieht aus, als hätte einen ganz extravaganten Badeanzug und dazu passenden Armstulpen übergestreift.
 

Abgehakt atmend wendet er sich schließlich von der Leiche ab und blickt den übriggebliebenen Mann vor sich an. Dieser starrt ihn einfach nur an, als würde er gar nicht begreifen, was gerade mit seinem Kollegen passiert ist. Ihn scheint eine andere Sache allerdings viel mehr zu interessieren. „Du – du hattest Sex mit Batman?“, fragt er mit so dermaßen angewidert verzerrten Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen.
 

„Hast du etwa ein Problem damit, Sweetheart?“, kommt es mahnend von dem kleinen Burschen, sein Gegenüber ignoriert seine Worte jedoch. „Heißt das also, dass ich von einem schwulen Clown angeheuert wurde?“ Joker seufzt nur schwer und verdreht wieder die Augen. „Echt jetzt? Ist das wirklich deine einzige Sorge? Und nicht etwa, dass ich deinen Kumpel gekillt habe?“ „Wir sind nur flüchtige Bekannte...“, erwidert der andere Mann, ganz so, als würde die Leiche vor ihm noch leben. „Ich verstehe. Also ist es echt nur deine Sorge, dass ich eine verdammte Schwuchtel bin, stimmt’s? Es macht dich fertig, für so niederen Abschaum wie mich arbeiten zu müssen, nur damit du dir ein verdammtes Bier und ein billigen Tittenheftchen leisten kannst, um dir vor Sonnenaufgang noch ordentlich einen runterholen zu können, hab ich recht, Freundchen?“ Die Strenge in seiner Stimme nimmt deutlich zu und dennoch scheint sein Gegenüber nichts von der drohenden Gefahr zu bemerken.
 

„Ich kann mir so was auch ohne dein schwules Geld leisten!“, plustert sich der Kerl nun auch noch auf und wendet sich trotzig zum Gehen. „Wie du meinst, Herzchen. Mehr Gold am Ende des Regenbogens für mich!“, gebärt sich der Grünhaarige und rammt ihm dann mit voller Wucht den Batarang in den Rücken. Erschrocken japst der Mann auf und sinkt auf ein Knie nieder, aber geschlagen gibt er sich so schnell dann doch nicht. Fuchtelnd greift er hinter sich und versucht den Bengel zu fassen zu bekommen. Doch da der Joker nackt und zudem ziemlich blutverschmiert ist, rutschen seine Finger immer wieder ab.
 

Grob packt ihn der Junge nun an den Haaren und reißt seinen Kopf damit in den Nacken. Knurrend erwidert der Mann seinen Blick voll trotziger Sturheit. „Du dreckige...“ „Ja! Sag’s ruhig!“, stachelt ihn der Clown auch noch an. „...Schwuchtel!“ Joker grinst im Wahnsinn ertrunken über das ganze Gesicht. „Richtig! Ich bin eine dreckige, gottverdammte Schwuchtel, aber immer noch besser als ein toter Mann, so wie du!“, faucht er und zieht den Batarang dann auch an seiner Kehle entlang. Somit ist die Sauerei perfekt.
 

Als der leblose Körper zu Boden klatscht, ertönen endlich in der Ferne die Sirenen der Feuerwehr. Gut, dann muss es jetzt etwas schneller gehen. Mit einem ratschenden Geräusch zerreißt Joker das Hemd des Mannes zu seinen Füßen und wischt sich damit den Großteil des Blutes ab. Bevor die restliche Schweinerei anfängt zu trocknen, betätigt sich der Junge noch etwas künstlerisch, um Batman eine Nachricht zu hinterlassen. Anschließend zieht er sich seine Klamotten wieder über und verschwindet im Schutz des noch immer lodernden Chaos.
 


 

12
 

Über eine Stunde später ist das Feuer endlich halbwegs unter Kontrolle, sodass der Dunkle Ritter den Rückzug antreten kann. Inzwischen haben sich auch allerhand Reporter versammelt, um über das Unglück zu berichten, daher hält Bruce einen Rückzug für angebracht. Bevor er sich aber selbst auf den Heimweg macht – die Sonne wird bald aufgehen –, erklimmt er noch einmal das Dach, auf dem er Joker vorhin zurückgelassen hat. Er glaubt selbstverständlich nicht daran, dass der Bengel noch da ist, dennoch will er wenigstens seine Ausrüstungsgegenstände einsammeln, falls der durchgeknallte Clown sie nicht als Souvenir behalten hat, was er ihm nach heute Nacht definitiv zutrauen würde.
 

Daher überrascht es ihn schon etwas, dass er sowohl seine Enterhakenpistole wie auch seinen Batarang vorfindet. Allerdings sind das nicht die einzigen beiden Dinge, die ihn erwarten. „Noch mehr Leichen...“, murrt er beim Anblick der beiden schwerzugerichteten Männer. Es sieht aus, als hätte jemand versucht Hackfleisch aus ihnen zu machen. Man wird sie vermutlich nur an Hand ihrer Zähne identifizieren können, sollten sie keine Ausweispapiere bei sich haben. Was vermutlich unwahrscheinlich sein dürfte, so wie sich ihm das Bild darbietet. Diese Männer hatten eine Verbindung zum Joker, so viel steht fest. Nur deswegen waren sie hier auf dem Dach und nur deswegen haben sie auch den Tod gefunden.
 

„Vermutlich meinte Joker deshalb, dass er nicht schuld an der Explosion ist – zumindest nicht direkt...“, murmelt Wayne vor sich hin, während er mit spitzen Fingern die Taschen der Männer durchsucht und doch nichts findet. Was ihm stattdessen ins Auge springt, ist die in Blut geschriebene Nachricht, die ihm der Clown dagelassen hat.
 

Es tut mir wirklich sehr leid, was passiert ist. Das war nicht so geplant,

auch wenn du es mir vielleicht nicht glauben magst.

Ich wollte niemanden töten. Naja, abgesehen von diesen beiden Trotteln hier.

Aber die haben es echt verdient, glaub mir!

Trotzdem hoffe ich, dass wir bald wieder zusammenfinden werden...

Ich hasse dich von ganzem Herzen!

Küsse und Grüße

Joker
 

Kopfschüttelnd liest Batman den blutigen Text mindestens dreimal, um auch alles zu verinnerlichen und vielleicht eine versteckte Botschaft oder dergleichen zu entdecken. Doch er glaubt nicht daran. Es würde nicht zum Joker passen, Botschaften in einer Nachricht zu verstecken. Er ist eher der direkte Typ. So oder so findet Bruce die blutroten Worte nicht sonderlich berauschend. Schon gar nicht den letzten Satz. Immer wieder das Gleiche. Ständig sagt ihm dieser Bengel, dass er ihn hasst und es klingt jedes Mal, als wäre er ein bis über beide Ohren verknallter Teenager. Was steckt also wirklich dahinter?
 

Im Moment ist es dem Rächer aber zu schwierig darüber nachzudenken. Er muss erst einmal noch verarbeiten, was heute Nacht alles passiert ist – erst recht zwischen ihm und dem irren Clown... Er kann nur hoffen, dass ihm der Bengel nicht allzu schnell wieder über den Weg läuft, denn was dort unten passiert ist, war kein harmloser kleiner Scherz mehr, und von daher hat er noch ein Hühnchen mit dem Grünhaarigen zu rupfen!
 


 

13
 

Mit einem Hupen hält der Lamborghini vor dem Tor der Garage. Als es rumpelnd nach oben gefahren ist, rollt der Wagen hinein und stoppt dann auf seinem angestammten Platz. Grüßend kommen ihm die Jungs entgegen. „Da sind Sie ja, Mister Jay. Der Boss hat sich schon Sorgen gemacht...“, verkündet Mel, als die Tür des Autos aufschwingt. Keck grinsend tritt Joker heraus. „Tja, mein Großer, war eine harte Nacht.“ „Sieht ganz so aus.“, ertönt es dann hinter ihm. Der Clown dreht sich herum und erblickt Edward in der Tür zu seinem kleinen Büro stehend.
 

„Hey, mein Hübscher!“, flötet der Grünhaarige begeistert. „Hey. Was ist passiert? Du siehst ganz schön mitgenommen aus! – Sind das Würgemale?“, erwidert Ed sichtlich besorgt und deutet auf den Hals seines Gegenübers, den immer noch das rote Band von Batmans Griff ziert. Unbewusst tasten Jokers Finger danach. „Schon möglich...“ Überrascht ergreift Nigma dann die Hand des Jungen. „Und das hier? Himmel, was hast du gemacht?“ „Ich gar nichts. Das war Batsy.“ „Du meine Güte! Du musst ihn ja ganz schön gereizt haben...“ Auf dem Gesicht des Jüngeren breitet sich ein sehr vielsagendes Lächeln aus. Dann nähert er sich ihm etwas weiter und flüstert dem Rätselmeister etwas ins Ohr.
 

Dieser läuft sofort rot an, seine Augen weiten sich ungläubig und ihm steht der Mund offen. „Das – das habt ihr nicht wirklich getan...“, stammelt er. „Doch, und zwar mächtig, wie man ja sieht!“, strahlt der kleine Clown wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum. „Du meine Güte...“, wiederholt Edward noch immer ungläubig, doch der Grünhaarige sieht – trotz seiner offensichtlichen Misshandlungen – doch unglaublich zufrieden aus. Es will zwar so gar nicht in Eds Kopf hinein – von Riddlers ganz zu schweigen –, aber solange Joker damit zufrieden ist, muss er es wohl hinnehmen. Doch warum fühlt er sich dabei dann so schlecht? Eine Frage, die Nigma zu gern beantwortet hätte, aber das ist unmöglich. Irgendetwas tief in ihm empfindet fast so etwas wie Neid. Aber warum?
 

Ehe er sich dahingehend irgendwelche Gedanken machen kann, unterbricht ihn Lenny. „Hey, Leute! Kommt mal schnell her und seht euch das an! Sie berichten über Mister Jay in den Nachrichten!“, ruft er von der Fernsehecke herüber. Schlagartig ändert sich Jokers Stimmung. Nun wirkt er nervös und verschreckt, wie ein kleines Kind, das eine Strafe befürchtet.
 

Eilig gehen sie alle zum Fernseher hinüber und verteilen sich auf den Sitzgelegenheiten, die darum aufgestellt sind. Der Bericht stammt vom Schauplatz der Explosion in dem Geschäftsviertel. Die Flammen sind noch mächtig am Lodern, die Feuerwehr scheint gerade erst angekommen zu sein. Batman ist auch noch kurz im Bild zu sehen, ehe er hinter einer Rauchsäule verschwindet. Ein Polizist berichtet dem Reporter, Batman habe ihm erzählt, dass der Joker für das hier verantwortlich sei, und dass er ihm leider durch die Lappen gegangen ist. ‚Er lügt. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch oben auf dem Dach angekettet...‘, geht es dem Clown schwach durch den Kopf.
 

Es wird ebenfalls erwähnt, dass das Gebäude nächste Woche sowieso abgerissen werden sollte. Doch der Schaden, der jetzt entstanden ist, geht in die Zehntausende, da die Gebäude nebenan auch etliches abgekriegt haben. Zudem haben sich mindestens vier Obdachlose in dem Gebäude aufgehalten, als es in die Luft flog. Zwei von ihnen kamen direkt durch die Explosion ums Leben, die anderen beiden sind qualvoll verbrannt. „Scheiße...“, murmelt der Joker geknickt. Fragend sieht Ed ihn an. „Ich hatte extra vorher alles kontrolliert, damit sich niemand dort drinnen aufhält. Doch diese Idioten müssen wieder reingegangen sein, um ihren Scheiß-Alkohol zu holen, nachdem ich weg war...“, mault er geknickt. Tröstlich legt sich Nigmas Hand auf seine Schulter. „Du hast dein Möglichstes getan, da bin ich mir ganz sicher. Es war nicht deine schuld. Komm, wir gehen rauf und schlafen darüber. Und heute Nacht sieht alles schon viel besser aus.“, meint er versöhnlich und führt den Jungen dann hinauf zu ihrer kleinen Wohnung.
 

„Vorher muss ich aber unbedingt noch duschen, auch wenn es echt schade ist, seinen Geruch damit auch loswerden zu müssen...“, jammert der Kleinere und zupft etwas unbehaglich an seinem Top, dessen zerrissenen Träger er behelfsmäßig zusammengeknotet hat. „Ich bitte sehr darum, auch wenn es jetzt nur kaltes Wasser gibt. Aber du bist ja zum Glück kein Warmduscher.“, versucht sich Ed an einem kleinen Scherz. Irritiert bleibt der Clown jedoch hinter ihm im Treppenhaus stehen. „Was soll denn das heißen? Findest du etwa, ich stinke?“, schmollt der Grünhaarige nun und verschränkt beleidigt die Arme vor der schmalen Brust. Nigma zuckt zusammen, als hätte ihn der Bengel unvermittelt geschlagen.
 

„Was willst du jetzt von mir hören? Ich kann immer nur die Wahrheit sagen, wie du sehr gut weißt...“, erwidert er nervös. Manchmal verachtet er diese Störung wirklich zutiefst. „Gut, dann tu es doch!“, fordert ihn der Jüngere mahnend auf. Unsicher tritt Edward zwei weitere Stufen nach oben, um etwas mehr Abstand zwischen sich und den durchgeknallten Clown zu bringen. „Und was wirst du dann tun? Mich schlagen?“ Ängstlich versucht er dem Blick des Grünhaarigen standzuhalten. Daraufhin ändert sich der Ausdruck im Gesicht des Kleinen aber. Resignierend lässt er die Arme wieder sinken. „Natürlich nicht. Fang doch jetzt nicht wieder mit so was an, mein Hübscher. Ich werde dir nichts tun, ehrlich. Weder jetzt noch irgendwann. – Ich bin nur ziemlich erledigt, denke ich, und deswegen vielleicht leicht reizbar...“, verteidigt sich der Bengel halbherzig.
 

Einen langen Moment mustert ihn der Rätselmeister unentschlossen. ‚Ja, komm schon, du elender Feigling! Sag ihm, was du wirklich denkst und sieh, was dann passiert! Das ist ein ganz mieser Trick, selbst wenn du lügen könntest!‘, mischt sich nun auch der Riddler in das Gespräch ein. Verstimmt verzieht der Rätselmeister deswegen das Gesicht. „Was ist?“, fragt Joker leicht alarmiert, kennt er diesen Ausdruck doch inzwischen schon recht gut. „Es – es ist der Riddler. Er – traut dir immer noch nicht und denkt, dass du mich um die Ecke bringen willst, wenn du hörst, dass ich dir sagen, dass du stinkst, wie ein Schlachthaus in der Sommersonne...“, platzt es haltlos aus dem Brünetten heraus, bevor er ganz begreift, was er da eigentlich sagt.
 

‚Du Volltrottel! Das war dein Todesurteil!‘, knurrt seine schlechtere Hälfte augenblicklich. Joker steht inzwischen der Mund offen, dann fängt er jedoch haltlos an zu lachen. „Das war es, was du mir sagen wolltest? Ach, mein Hübscher! Genauso fühle ich mich ja auch, glaub mal! Also keine Panik.“ Langsam überbrückt er die wenigen Stufen, die ihn von Ed trennen, und steht dann direkt vor ihm. Ungewollt zuckt der Ältere dennoch zusammen und sieht sein Gegenüber hilflos an. Joker erwidert seinen Blick mit einem unglaublich sanften Ausdruck in den unnatürlich roten Augen.
 

„Und was dieses lästige Arschloch betrifft...“, setzt er an, spricht jedoch nicht zu Ende. Stattdessen legt er Nigma ganz sanft die Hände auf die blassen Wangen, die daraufhin schlagartig rot anlaufen. Dabei steigt Ed nur erst recht der beißende Geruch von Blut in die Nase, der den Jungen wie ein Kokon zu umspinnen scheint – von allerhand anderen Gerüchen mal ganz zu schweigen. ‚NEIN! WAG ES NICHT SCHON WIEDER, DU VERFLUCHTER HURENSOHN!‘, kreischt der Riddler haltlos auf, sodass Edward erneut zusammenzuckt.
 

Der Brünette äußert sich dazu nicht, sieht nur unverwandt den kleinen Clown vor sich an. Dieser schließt nun die Augen, und ganz automatisch macht Nigma das Gleiche. Sein Herz rast dabei wie ein Schnellzug. Es vergeht nur eine Sekunde, dann spürt er die herrlich weichen und warmen Lippen des Jokers auf den seinen und verliert sich fast gänzlich in diesem Gefühl. Der schlechte Geruch ist genauso vergessen, wie es nun auch der Riddler ist, der sich tobend in sein Gefängnis zurückziehen muss, welches ihm der Grünhaarige mit seinem Kuss auferlegt. Ed hält einfach nur still. Er kann diese ach so zärtliche Geste nicht erwidern, was er mittlerweile doch ziemlich bedauert. Zu stark ist einfach noch das Gefühl in ihm, dass es falsch ist, einen anderen Mann zu küssen. Zudem ist es ja auch irgendwie kein richtiger Kuss, sondern nur ein extravagantes – aber zugegebenermaßen äußerst wirkungsvolles und auch irgendwie angenehmes – Heilmittel, um diese penetrante Stimme in seinem Kopf für die nächsten vierundzwanzig Stunden zu vertreiben.
 

Langsam trennt sich der Jüngere wieder von ihm. „Geht’s jetzt besser?“, fragt er hoffnungsvoll. Sichtlich schluckt Ed. „Ja – danke. – Und was ich gesagt habe, tut mir wirklich leid...“ „Ach, vergiss das mal wieder. Es stimmt doch und ich weiß es selbst. Von daher, Schwamm drüber! Lass uns jetzt reingehen, damit ich das Schlachthaus den Ausguss runterspülen kann!“, grinst er breit. Es animiert Edward ebenfalls dazu, schwach zu lächeln. „Gut, lass uns gehen.“, meint er müde und wendet sich zur Tür um.
 


 

14
 

Es ist später Vormittag, als Edward erwacht, weil seine Blase dringend der Ansicht ist, geleert werden zu wollen. Müde murrend schleppt er sich leise ins Bad, um dieser drückenden Aufforderung nachzukommen. Gähnend kehrt er anschließend zurück in das winzige Schlafzimmer und setzt sich aufs Bett. Der doch ziemlich penetrante Sonnenstrahl, der Joker damals geweckt hatte, ist jetzt nicht vorhanden, befindet sie sich doch jetzt auf der anderen Seite der Wohnung. Dennoch ist es, auch trotz des schwarzen Vorhangs, noch hell genug in dem Raum, dass er den Clown deutlich unter dem Fenster schlafen sehen kann.
 

Obwohl der Brünette so unglaublich müde ist, nimmt er sich dennoch einen Moment, um seine Brille auszusetzen und seinen Zimmergenossen zu betrachten. Dabei gleiten seine Finger unweigerlich hinauf zu seinen Lippen und streichen unbewusst darüber. Es ist fast so, als könnte er Joker noch immer darauf spüren...
 

Der Grünhaarige liegt unterdessen tiefschlafend auf der Matratze, die er seinen Schlafplatz nennt. Wie ein Erschossener hat er alle Viere von sich gestreckt und die dünne Decke völlig von sich gestrampelt. Sie liegt als undefinierbarer Haufen auf dem Boden am Fußende. Die Hände hat er wie ein Säugling zu kleinen, lockeren Fäusten geballt links und rechts neben seinem Kopf platziert. Sein bemaltes Gesicht wirklich unglaublich entspannt und unschuldig, dass man es fast gar nicht in den Schädel bekommen will. Die grünen Haare bilden eine zerzauste Wolke um seinen Kopf, als wären sie ein Kissen aus wirrem Gras. Seine Batman-Plüschpuppe liegt vergessen wie eine schlafenden Katze auf dem flachen Bauch des Jungen und starrt lächelnd zur Decke empor.
 

Nun gibt der Kleine ein leises Schmatzen von sich, wendet das Gesicht auf die andere Seite und murmelt etwas Unverständliches vor sich hin. Sein linker Fuß zuckt zweimal, ehe er wieder zur Ruhe kommt. Dann herrscht wieder völlige Stille in dem kleinen Raum. Nur das Atmen der beiden Anwesenden ist hörbar und das leichte Seufzen, das der Brünette nun ausstößt.
 

Edward betrachtet den schlafenden Jungen weiterhin unschlüssig. Er mag Joker irgendwie. Seine Aufgeschlossenheit, seinen Sinn für Humor, seine Bereitschaft hart zu arbeiten, wenn ihm etwas aufgetragen wird oder er eine Idee hat. Seinen unerschöpflichen Einfallsreichtum, erst recht, was den Riddler betrifft. Er mag Jokers helles Kinderlachen, wenn er etwas komisch findet, und die Art und Weise, wie sie sich in vielen Dingen so unglaublich und unbewusst zu ergänzen scheinen. Manchmal scheinen sie regelrecht zu wissen, was der andere denkt und vervollständigen dessen Satz, fast schon wie ein Ehepaar, das seit fünfzig Jahren verheiratet ist, und dass, obwohl sie beide so eine unterschiedliche Ansichtsweise von allen Dingen haben. Es ist schon irgendwie unheimlich. Gleichzeitig ist es so unbeschreiblich schön, dass er es gar nicht begreifen kann. Und doch scheint dieses Gefühl noch viel tiefer gehen zu wollen...

Pain in dark alleys


 

1
 

Geschwind umrundet der kleine Mann den ausladenden Schreibtisch und lässt sich dahinter in einen hochlehnigen Lederstuhl fallen. Geduldig wartet Edward an der Tür. „Bitte setz dich doch, Ed!“, fordert Pinguin ihn schließlich auf. Dem kommt der Brünette mit einem leichten Nicken nach und setzt sich ihm gegenüber auf die andere Seite des Schreibtisches auf den dort bereitstehenden Stuhl. Forschend blicken sich die Augen des Kleineren um, dann breitet sich ein Grinsen auf seinen Zügen aus. „Wo hast du deine blassgeschminkte Harpyie gelassen? Zuhause im Käfig eingesperrt, wie ich hoffe doch. Und ich bin ja sonst nicht so, aber ich hoffe doch ebenfalls, mit zugebundenem Schnabel und ordentlich gestutzten Flügeln, damit er so schnell nichts mehr anstellen kann...“
 

Unweigerlich muss Nigma bei diesem Bild leicht schmunzeln. Der Vergleich zwischen Joker und diesem Raubvogel ist nahezu lächerlich, allein schon wegen der imposanten Größe der Harpyie. Aber vermutlich bezieht sich der Schwarzhaarige einzig und allein auf die Tatsache, dass dieser Vogel auch überaus gefährlich und stark ist, zudem einen sehr bescheidenen Ruf an sich haften hat, ebenso wie der kleine Clown. „Du kannst ganz beruhigt sein, Oswald. Joker ist nicht hier. Er ist aber auch nicht brav zu Hause, sondern treibt sich wieder irgendwo herum, um Batman zu ärgern.“, leicht zuckt er mit den Schultern, um anzudeuten, dass er es nicht genauer sagen kann. Der Grünhaarige hält sich mit seinen Aktivitäten stets zurück und verrät seinem Mitbewohner praktisch nie im Voraus etwas. Laut eigener Aussage, um Ed vor möglichen Gefahren durch den Dunklen Ritter zu schützen. Im Nachgang erfährt der Brünette auch nur dann etwas, wenn er explizit nachfragt, was beim oftmaligen Zustand des Clowns ziemlich häufig der Fall ist. Aber das tut hier jetzt auch nichts zur Sache.
 

Nun schleicht sich abermals ein Grinsen auf Pinguins Gesicht. „Schön zu hören. Und du bist sicher, dass du das hier auch ohne deinen lächerlichen Bodyguard hinbekommst? Immerhin bräuchte ich nur mit den Fingern zu schnipsen und fünf meiner Männer kämen herein, um dich ohne zu Zögern abzuknallen.“ Nahezu ungerührt hält Edward dem herausfordernden Blick des anderen stand. Dann schüttelt er ganz langsam den Kopf. „Wir wissen beide, dass du das nicht tun würdest, solange ich dir keinen wirklichen Grund dafür liefere. Und besagten Grund sollte es eigentlich nicht zwischen uns geben, findest du nicht? Dafür kennen wir uns einfach schon zu lange, haben zu viel gemeinsam durchgestanden. Und ich bin doch eigentlich ein sehr friedliebender Mensch.“ „Das mag sein und dennoch tauchst du hier für gewöhnlich mit diesem kleinen Aasfresser auf, ganz so, als würdest du mir nach all diesen gemeinsamen Jahren nicht mehr über den Weg trauen.“, traurig sieht Ozzy ihn an.
 

„Das stimmt nicht! Ich vertraue dir, mehr als jedem anderen sogar. Mehr noch als ihm, obwohl wir uns ja sogar eine Wohnung teilen. Sonst wäre ich jetzt ganz sicher auch nicht ohne Joker hierhergekommen.“ „Sonst ist er aber hier...“, schmollt der kleine Mann auf der anderen Seite des Tisches regelrecht. „Ja, da hast du recht. Doch das hat absolut nichts mit dir zu tun. Er ist auch bei jedem anderen dabei. So machen Bodyguards das nun einmal, dass solltest du doch wissen. Deine Schläger umringen dich sonst ja auch, als wärst du der Präsident der Vereinigten Staaten höchstpersönlich! – Doch ich könnte davon absehen, ihn wieder hierher mitzunehmen, wenn das hier gut zwischen uns verläuft...“ Getroffen senkt der Angesprochene leicht den Kopf und nickt dann verstehend. Dieser kurze Moment der Schwäche hält aber nur ein paar Sekunden, dann findet Pinguin seine gewohnte Gewandtheit wieder.
 

„Schön, lassen wir das. Ich verstehe bloß nicht, warum es ausgerechnet dieses durchgeknallte Huhn sein muss, das du dir auch noch in die Wohnung geholt hast. Diese schrecklich winzige Wohnung, wo du dich noch nicht einmal irgendwohin zurückziehen kannst, weil es dafür schlichtweg keinen Platz gibt, solange du den Bengel nicht bei deinen Männern schlafen lässt. Das ist doch komplett lebensmüde...“ „Findest du? – Ja, anfänglich habe ich das auch gedacht. Es ist glatter Selbstmord, ihn bei mir wohnen zu lassen. Das gleiche Schlafzimmer zu teilen und alles. Doch je länger er da ist, desto mehr lerne ich ihn auch kennen und erkenne, dass er gar nicht so schlimm ist, wie er sich sonst gibt. Das es reine Selbstverteidigung ist. Fühlt er sich sicher, kann er ziemlich nett sein, sogar zu einem gewissen Teil Befehle ausführen! – Er ist ein kindischer Hitzkopf und ich bin ein nachdenklicher Feigling. Vielleicht sind wir deshalb so etwas wie Freunde geworden? Wir machen die Fehler des anderen bis zu einem gewissen Grad wett, sodass fast schon etwas Gutes dabei entsteht.“
 

Irritiert betrachtet Oswald ihn. Was Ed jedoch nicht ausspricht ist: Joker ist ein feuriges Eisen, das frisch aus dem Schmiedeofen kommt, und er – in seiner kleinen, mit Büchern vollgestellten Wohnung – ist das Wasser, indem sich der Clown abkühlt und so um einiges ruhiger zu werden scheint, als er es auf der Straße sonst ist.
 

„Ich verstehe – denke ich zumindest. – Doch pass auf, dass er dich nicht auch noch schwul macht, sonst müsste ich unsere Freundschaft im schlimmsten Fall beenden!“, gluckst der Schwarzhaarige ausgelassen, obwohl Ed den Ernst in seinen Augen sehen kann. „Keine Sorge, dass liegt ganz sicher nicht in meinem Ermessen. Und selbst wenn, hätte das dann absolut nichts mit dir zutun, und so abgedreht wie Joker könnte ich wohl kaum mal eben über Nacht werden.“ ‚Oh, du elender Lügner! Du arbeitest mehr daran, eine dämliche Schwuchtel zu werden, als diesen Schutthaufen von einem Bezirk wiederaufzubauen!‘, profiliert sich der Riddler wütend in seinem Kopf. Nigma ignoriert es allerdings gekonnt. Seine schlechte Hälfte ist ganz sicher nur beleidigt darüber, dass es ausgerechnet ein Kuss des Jokers ist, der ihn immer wieder in die Schranken weist. Ed denkt zwar, dass das sicher auch funktionieren würde, wenn er sich von einer anderen Person küssen lasse würde, die der Riddler nicht leiden kann – vorzugsweise bestimmt ein anderer Mann –, aber das ist jetzt auch egal. Nur weil er sich von dem Grünhaarigen küssen lässt, ist der Rätselmeister noch lange nicht schwul, wie er Riddler schon so unzählige Mal versucht hat zu erklären...
 

„Gut. Dann kommen wir doch jetzt mal zum Geschäftlichen. Was stellst du dir also vor, mein Freund?“ „Ich brauche ganz dringend ein Krankenhaus in den Narrows. Doch das ist gewaltig mehr Aufwand, als wenn man nur ein einfaches Haus zum Wohnen bauen will. Daher möchte ich, dass du mir ein paar Männer besorgst, die sich damit auskennen. Schaffst du das?“ „Selbstverständlich schaffe ich das! Mir stellt sich eher die Frage, ob du dir das leisten kannst. Solche Spezialkräfte sind schließlich nicht billig. Zudem wollen die Leute einen Aufschlag haben, dafür dass du sie an diesem unschönen Ort ihre Arbeit verrichten lässt. Aber das ist dann dein Problem. Schließlich reden wie ja jetzt nur davon, was es dich kosten wird, diese Männer von mir anheuern zu lassen.“ „Wie viel?“, fragt Ed, wobei sein Gesicht ein einziges Pokerface ist, nichts von der Nervosität sehen lässt, die ihn innerlich zu zerfressen droht. Das hier muss einfach funktionieren! Die Leute verlassen sich auf ihn. Er darf sie auf keinen Fall enttäuschen...
 

Der wahre Grund, warum Ed Joker gern mit hierher nimmt, ist nämlich der, dass Oswald es dann nicht wagt, ihn über den Tisch zu ziehen. Doch die Abwesenheit des Clowns scheint sich heute äußerst positiv auf den Pinguin auszuwirken. „Lass mich nachrechnen. – Das sind mindestens zehn hochqualifizierte Männer, die du da für den Anfang brauchen wirst, denke ich. – Für drei Millionen kann ich sie dir wohl bis nächste Woche besorgen. Was sagst du dazu?“ „Du bekommt vier Millionen von mir, wenn ich die Männer bis spätestens diesen Donnertag bekomme!“, hält Nigma dagegen. „Das sind nur drei Tage...“ „Ja, hast du ein Problem damit?“ „Nein, ich wollte das nur klargestellt wissen. – Das dürfte sich aber durchaus machen lassen. Doch dafür will ich zuerst mein Geld!“ Schwungvoll wirft Ed einen zerschlissenen Lederkoffer auf die Tischplatte, sodass er direkt vor Oswald zum Liegen kommt.
 

„Das sind zwei Millionen. Den Rest bekommst du, wenn ich die Männer habe und sichergestellt ist, dass sie die Arbeit auch erledigen können.“ Ein Grinsen huscht über das Gesicht des Pinguins. „So kenne ich meinen Ed! Immer durchgeplant und auf alles vorbereitet.“ Nun lächelt auch Nigma. „Was soll ich sagen? Das hat mich immerhin so weit gebracht. Und das wird sich auch nicht ändern, egal wer auch immer bei mir wohnen wird.“ Ozzy strahlt nun über das ganze Gesicht, erhebt sich und streckt dem Rätselmeister über den Tisch hinweg die Hand entgegen. „Das wollte ich hören, alter Freund! Wir haben einen Deal!“ Sehr zufrieden erhebt sich nun auch Edward und ergreift die Hand des Kleineren. „Tausend Dank!“
 


 

2
 

Sehr erleichtert steigt Nigma ein paar Minuten später in seinen Bel Air und setzt Richtung Narrows. Er hat etwa die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, als er in einiger Entfernung zwei Gestalten über die Straße hechten sieht. Die zwei können wohl von Glück reden, dass der Wagen des Rätselmeisters im Moment das einzige Fahrzeug weit und breit ist, zudem langsam fährt, sonst hätte das womöglich tragisch enden können. Die beiden scheinen allerdings kaum etwas von ihrer Umgebung wahrzunehmen, rennen sie doch einfach blindlings weiter. Dabei erkennt Nigma allerdings auch, um wen es sich dabei handelt: Batman und den Joker!
 

Einem Reflex folgend, den er später noch sehr bereuen wird, beobachtet der Brünette, wie die beiden in einer Nebenstraße verschwinden. „Das ist eine Sackgasse...“, murmelt er vor sich hin und parkt den Bel Air dann hastig auf der anderen Straßenseite im Schatten. Schnell steigt er aus und huscht über den Asphalt. Tiefe Neugierde steigt in ihm auf. Was machen die beiden für gewöhnlich bei ihrem Aufeinandertreffen? Diese Frage hat er sich schon so oft gestellt, doch nie eine richtige Antwort von dem Grünhaarigen bekommen. Da der Bengel aber nie ohne Blessuren nach Hause kommt, sieht sich Ed nun regelrecht genötigt, diese Frage eben selbst zu beantworten. Lautlos geht er daher im Schatten eines großen Müllcontainers in Deckung und linst um die Ecke zu seinem Mitbewohner und dessen ewigem Widersacher...
 


 

3
 

Die Fledermaus ist ihm dicht auf den Fersen. Es ist nur noch eine Frage von Sekunden, bis er ihn packen wird. Joker muss daher schnell etwas einfallen, um ihn auszutricksen. Geschickt schlägt er einen Haken und rennt in eine Nebenstraße. Dummerweise ist es eine Sackgasse. Eine Art Déjà-vu erschlägt ihn fast, fühlt er sich doch so heftig an das letzte Treffen mit dem Dunklen Ritter vor einem Monat erinnert, dass augenblicklich ein erregtes Zittern über seine schmächtigen Körper hinweggleitet. Wunderbar! Gut, dann jetzt schnell die Feuerleiter hoch und ab aufs Dach!
 

Ungläubig blickt sich der kleine Clown um. „Fuck...!“, entkommt es ihm ungehalten, als er feststellen muss, dass es hier gar keine Feuerleiter gibt! Sie befindet sich auf der anderen Seite der Gebäude. Hier ist lediglich Platz für den Müll. Nicht mal eine Hintertür, die ihn vielleicht noch retten könnte. Das ist doch einfach nicht möglich! Wer denkt sich denn so einen sinnlosen Schwachsinn aus?
 

Somit sitzt er also in der Falle. Die Mauer ist viel zu hoch und zu glatt, um sie ohne Hilfsmittel erklimmen zu können, und die Gasse einfach wieder verlassen, ist auch nicht drin, da er dem Maskierten damit direkt in die Arme laufen würde. Also was tun? In diesem Moment legt sich Batmans Hand aber auch schon überaus schwer auf seine Schulter, reißt ihn grob herum, nur um dem Grünhaarigen dann die geballte Faust mitten ins Gesicht zu donnern. Getroffen taumelt Joker rückwärts, kann es aber gerade noch verhindern zu stürzen.
 

Erschrocken holt Nigma hinter dem Müllcontainer Luft und presst sich sofort die Hände auf den Mund, als fürchte er, man hätte ihn gehört. Mit weit aufgerissenen Augen schluckt er hart und kann den Blick doch nicht abwenden.
 

Helles Blut rinnt dem Clown von der aufgeplatzten Oberlippe übers Kinn. Doch er grinst dennoch übers ganze Gesicht, seine Augen glitzern vor heißer Erwartung. „Es ist aus, Joker, also lass die Spielchen!“, knurrt der Schwarzgekleidete drohend. „Es ist nicht aus, mein Großer, und das weißt du. Also komm her und tanz mit mir!“, flötet der Kleinere ausgelassen. „Das werde ich nicht tun! Es wird diesmal nicht so enden, wie beim letzten Mal, also versuch es gar nicht erst zu provozieren! Für dein Tun verdienst du nichts anderes als Prügel!“, mit drohend geballten Fäusten tritt Batman näher heran.
 

„Hey! Ich hab doch gar nichts gemacht! Was soll das jetzt?“, schmollt der Grünhaarige und verschränkt kindlich die Arme vor der schmalen Brust. „Ach ja? Und was war letztes Jahr auf dem Festplatz?“ Genervt verdreht der Jüngere die Augen. „Warum fängst du jetzt mit diesem alten Mist wieder an? Ich hab dir doch schon tausend Mal gesagt, dass es keine Absicht war!“, giftet er zurück. „Das macht die Leute auch nicht wieder lebendig! Und wenn dir das nicht passt, was war dann mit dem Gebäude, das du in die Luft gejagt hast? Wieder sind deinetwegen Menschen gestorben!“, hält der Rächer dagegen.
 

„Das ist jetzt wirklich unfair! Das verdammte Dinge sollte doch sowieso abgerissen werden. Außerdem hab ich den Pennern gesagt, dass sie verschwinden sollen. Was kann ich also dafür, wenn die wieder reingehen? Du weißt ganz genau, dass das nicht meine Schuld war, sondern die dieser beiden Trottel! Die haben das Scheißding in die Luft gejagt und nicht ich!“, kommt es zähneknirschend von dem Irren, während er angesäuert mit den Füßen auf den Boden stampft. „Sie haben nach deinem Plan gehandelt.“ „Nein! Sie haben alles kaputtgemacht und daher den Tod verdient!“ „Hör endlich auf, dich wie ein Dreijähriger zu benehmen und die Schuld ständig nur bei anderen zu suchen! Steh doch einfach dazu, was du getan hast und gut ist.“ „Es ist niemals gut und das weißt du wohl am besten! Du willst mich nur wieder in diese Scheiß-Anstalt schicken, damit du dich nicht mehr mit mir herumärgern musst!“, nun zittert seine Stimme, als wäre er den Tränen nahe.
 

„Dort kann man dir helfen, Joker...“, setzt der Ritter erstaunlich sanft an. „Nein, eben nicht! Da wird man nur noch bekloppter! Deswegen bin ich doch abgehauen. Also versuch nicht, das schönreden zu wollen!“ „Dann hör du auf, Chaos zu stiften und verschwinde zurück in das Loch, aus dem du gekrochen bist!“ „Du kannst mich mal!“, gebärt sich der Junge nun wütend. „Du willst es also auf die harte Tour, ja? Kannst du haben, Freundchen!“ Batman reicht es endgültig. Der freche Clown bettelt ja regelrecht darum, bestraft zu werden. Und er kann sich auch schon etwas vorstellen, das dem Früchtchen ein für alle Mal einen Riegel vorschiebt. Es ist schlichtweg nur noch die einzige Möglichkeit, auch wenn sie ihm selbst so gar nicht gefällt. Doch etwas anderes wird den Bengel einfach nicht mehr in die Knie zwingen können...
 


 

4
 

Zwischen den beiden entbrennt nun ein wilder Kampf, der Ed mehr als nur verdeutlicht, wie stark und geschickt der Joker wirklich ist, und dass er froh sein kann, ihn auf seiner Seite zu wissen. Der selbsternannte Rächer der Stadt steckt dabei mindestens genauso viel wie der Grünhaarige selbst ein. Sie wirken wie zwei Kampfhunde, die blindwütig aufeinander losgehen, ohne Rücksicht auf Verluste. Es hagelt Tritte und Schläge, Blut spritzt nach allen Richtungen. Es scheint kein Ende nehmen zu wollen. Das Durchhaltevermögen der beiden kommt Nigma richtiggehend übernatürlich vor. Es liegt aber vermutlich eher daran, dass sie wie ein eingespieltes Team wirken – tatsächlich wie zwei Tänzer, die einer brutalen Choreografie folgen – und daher zumeist zu wissen scheinen, was der andere als nächstes tun wird. Ein Treffer wirkt somit eher wie reiner Zufall.
 

Irgendwann gelingt es Bruce jedoch, den Joker in die Ecke zu treiben. „Schluss jetzt!“, versucht er es noch einmal. „Vergiss es!“, bekommt er prompt als Antwort. Einer Verzweiflungstat gleichkommend stürzt der kleine Clown nun zu einem erneuten Schlag nach vorn. Batman kann dem Ganzen aber noch einmal ausweichen. Als Gegenleistung stellt er dem Jüngeren ein Bein, sodass dieser äußerst unsanft zu Boden geht. Grob dreht ihn der Maskierte auf den Rücken herum, kaum dass er zum Liegen gekommen ist, und kniet sich dann auf dessen Beine, damit er nicht abhauen kann.
 

Abgehackt atmend sieht Joker zu ihm auf. Blut scheint ein ganz neues Muster auf sein mitgenommenes Gesicht zu malen und ihn so mehr wie einen blutrünstigen Zombie als wie einen Clown aussehen lässt, doch seine unnatürlich roten Augen funkeln auch weiterhin begierig. Mahnend packt Batman ihm am Hemd und beugt sich zu ihm hinab. „Es ist aus, Joker!“, knurrt er. „Schön, du hast gewonnen...“, gesteht sich der Kleinere ein. Langsam streckt er die Hände aus, legt sie hauchzart in den breiten Nacken des anderen Mannes und versucht ihn noch etwas tiefer zu sich zu ziehen. Sinnlich schließt er dabei die Augen und will ihn dann küssen.
 

In diesem Moment hält Edward erwartungsvoll die Luft an. Er kann sich nicht vorstellen, dass der stolze Ritter darauf eingeht. Aber vielleicht ja doch? Immerhin weiß er ja nicht, was bei ihrem ersten Mal so alles vorgefallen ist, abgesehen davon, dass sie Sex miteinander hatten, was Joker ihm sehr glaubwürdig anvertraut hatte. Weit entfernt kann er den Riddler schon wieder in seinem Kopf schimpfen hören, doch er blendet dessen Gehässigkeiten abermals aus. Zu sehr fasziniert ihn das gerade alles.
 

Wie Nigma schon richtig vermutet hat, lässt sich Bruce auch nicht darauf ein. Stattdessen richtet er sich ruckartig wieder auf, entzieht sich so dem halbherzigen Griff des Unterlegenen, und rammt ihm dann die geballte Faust mitten auf die Nase, ehe der Bengel auch nur Piep sagen kann. Das knirschende Geräusch, mit dem die Nase des Grünhaarigen erneut bricht, ist so durchdringend, dass der Rätselmeister in seinem Versteck heftig zusammenzuckt und ein angewiderter Schauer seinen Rücken hinabgleitet. Unweigerlich schüttelt er sich und empfindet tiefstes Mitgefühl für den Jungen.
 

Dieser beginnt nun kraftlos zu husten und dreht schwerfällig den Kopf auf die Seite, damit er einen Klumpen halbgeronnenes Blut ausspucken kann. Sein Gesicht ist eine herzzerreißende Maske aus Schmerz, tiefster Enttäuschung und völligem Nichtbegreifen. „Ich hasse dich doch! Warum musst du mir dann immer wehtun? Kannst du mir denn nicht einmal sagen, dass du mich auch hasst? Mehr will ich doch gar nicht...“, kommt es nasal nuschelt von ihm, während er den Blick langsam wieder zu dem Mann hinaufwendet, der noch immer mit geballter Faust schlagbereit auf ihm kniet.
 

„Du kannst mir glauben, ich hasse dich! Und wie ich dich hasse! Doch das ist nicht das, was du hören willst. Nicht das, was du wirklich fühlst. Sonst würdest du ja endlich begreifen, dass zwischen uns nichts existiert. Es gibt kein Wir. Es gibt kein Uns. Und es wird immer so sein!“ Joker versteht das alles einfach nicht. Er starrt Batman weiterhin hilflos an und kann nichts mehr sagen. Nur eine einzelne Träne schwappt nun aus seinem linken Auge, zieht eine saubere Spur in all das Blut, bevor sie sich in sein Ohr hinabfallenlässt und schließlich ungesehen zu Boden geht...
 


 

5
 

Da keinerlei dummer Kommentar von dem Clown mehr kommt, er ihn einfach nur weiterhin mit großen, glänzenden Augen ansieht, fackelt Batman nicht lange. Er will das hier so schnell wie möglich hinter sich bringen, damit er den Bengel wieder los ist, ehe sich so etwas wie Reue oder Abscheu vor sich selbst in ihm einzustellen beginnt. Das wäre falsch – obwohl das, was er vorhat, auch verdammt falsch ist und sich alles in ihm dagegen sträubt, aber es gibt wohl keine andere Möglichkeit –, doch er muss Joker gegenüber Stärke demonstrieren, auch wenn er sich dafür auf die unterste Stufe begeben muss.
 

In einer fließenden Bewegung erhebt er sich jetzt und zerrt den Grünhaarigen mit sich hoch. Dieser wirkt teilnahmslos und lässt es sich gefallen. Grob stößt er den Kleineren vor sich her, bis sie an der hinteren Wand ankommen. Ruckartig dreht er den Bengel anschließend mit dem Gesicht zur rechten Hauswand um. Vor Jokers Augen baut sich ein altes Regenrohr auf. Oder besser gesagt ein Teil davon. Das meiste ist längst abgefallen oder zerstört worden. Nur ein Segment an zwei Halterungen ist noch vorhanden, das dafür aber bombenfest zu sitzen scheint.
 

Ehe der Clown irgendeine Frage stellen kann oder auch nur ein Wort seine Lippen verlässt, vernimmt er ein metallisches Klirren hinter sich. Dann drückt sich Batman mit seinem gesamten Körper gegen den schmalen Rücken des Jungen, um ihn daran zu hindern abzuhauen. Gleichzeitig ergreift er dessen Hände und kettet sie in einem komplizierten Manöver mit zwei Paar Handschellen an das Regenrohr, dass es Joker nichts nutzt, sollte er nur eine der Schellen knacken.
 

Mit offenem Mund starrt der Grünhaarige das Ganze an und erkennt auch sofort, dass es etwas mehr Geduld und auch Zeit erfordert, sich daraus wieder zu befreien. Somit hat er keine Chance zur Flucht, solange Batman nicht von ihm ablässt. Diese Tatsache stößt ihm ziemlich sauer auf, erst recht, weil er das Gefühl hat, dass Bruce ihn nicht so schnell allein lassen wird. Dennoch versucht er sich noch überlegen zu geben, damit der Flattermann nicht das Gefühl bekommt, ihn irgendwie verarscht zu haben. Mit einem schmollenden Ausdruck im Gesicht wendet er sich soweit nach herum, wie es ihm möglich ist, damit der den Dunklen Ritter ansehen kann.
 

„Sag mal, Herzchen, hast du eine Vorliebe für Fesselspielchen? Ich hab ja an sich nichts dagegen, aber kannst du das Ganze nicht auch mal so machen, dass ich dich dabei ansehen kann?“ „Mit Sicherheit nicht! Es gibt hier nichts für dich zu sehen. Am wenigsten mich.“, brummt der Ältere zurück. „Aber so macht das gar keinen Spaß...“, schmollend schiebt er die Unterlippe vor. Ruckartig kommt Batman ihm so nahe, dass Joker leicht erschrocken zusammenzuckt. „Ich sage es jetzt ein letztes Mal: Das hier wird kein Spaß für dich! Also halt endlich die Klappe!“, zischt er wütend und greift dann in Jokers Hosentasche.
 

„Also hör mal, Finger weg, ja?“, profiliert sich der Junge noch einmal, dann sieht er, was der Mitternachtsdetektiv hervorgeholt hat und schluckt hart. „Oh, nein! Vergiss es! Ich bin jetzt absolut nicht in der Stimmung für so was!“ „Dich fragt aber keiner! Und außerdem soll das ja auch eine Strafe sein!“ Nun wirkt Joker alles andere als selbstsicher. Angst steht in seinen unnatürlich roten Augen. Hilflos zieht er die Schultern hoch und versucht sich noch kleiner zu machen, als er ohnehin schon ist. „Nein, bitte nicht! Das – das kann nicht dein Ernst sein...!“ „Und ob das mein Ernst ist!“, meint der Schwarzhaarige und reißt das kleine Tütchen auf.
 

„Oh, bitte tu’s nicht! – Ich – ich mach auch alles, was du willst, ehrlich...“ „Vergiss es, Joker, der Zug ist endgültig abgefahren! Und anders scheinst du es ja nicht mehr zu lernen. Ich habe es satt, mich ständig zu wiederholen und doch nur von dir ausgelacht zu werden.“ „NEIN! Das kannst du nicht machen! Du bist Batman, verdammt noch mal!“, kommt es nun zornig von dem Jungen und er reißt heftig an seinen Ketten. „Je mehr du dich dagegen wehrst, desto mehr wird es wehtun.“ „Dann schreie ich eben!“ „Dir wird niemand helfen.“ „Du bist so ein mieses Arschloch, weißt du das? Aber glaub ja nicht, dass ich kampflos aufgeben werde! Wenn du also tatsächlich wagen willst, mich zu ficken, musst du dir schon etwas mehr Mühe geben!“, knurrt der Clown nun mit gefletschten Zähnen und versucht nach ihm zu treten.
 

Der erste Tritt findet sein Ziel, doch die Wirkung ist in dieser eingeschränkten Haltung nicht so groß wie erhofft, obwohl der Ritter sogar zwei Schritte zurückgedrängt wird. Der nächste Versuch geht schon ins Leere. Beim dritten Mal ergreift Batman das heranschnellende Bein seines Gegenübers und hält es fest. Joker bleibt somit gar keine Bewegungsfreiheit mehr. Dem Rächer reicht das aber noch nicht aus. Mit der anderen Hand greift er nun in die üppig grünen Haare und zerrt den Kopf des Kleineren schmerzhaft nach hinten, ehe er die Stirn des Irren mit voller Wucht gegen das Regenrohr rammt. Beim Aufprall ertönt ein hohles Plong!, und der kleine Prinz sackt halb benommen etwas in sich zusammen. Somit hat der Maskierte einen Moment, um alle Vorbereitungen abzuschließen...
 


 

6
 

Mit wachsendem Entsetzen kann Edward nun mit ansehen, wie der Dunkle Ritter dem praktisch wehrlosen Clown die Hosen von den Hüften streift und sich dann das Kondom überzieht. „Das – macht er nicht wirklich. – Er will – ihm nur Angst einjagen...“, kommt es als ungehörtes Flüstern von dem Rätselmeister, der nun sichtlich zu zittern beginnt. Ihm steht die Panik deutlich ins Gesicht geschrieben, als wäre er es, der dort gleich so grausam misshandelt wird. Sein Körper erstarrt richtiggehend, allein schon beim Gedanken daran. Er kann sich nicht mehr rühren, nur mit ansehen, wie all sein Hoffen doch nicht erhört wird...
 

Zu allem Übel kommt Joker nun auch wieder richtig zu sich. Schmerzlich stöhnend hebt er den Kopf an, sieht das Regenrohr vor sich, weiß zu erst nicht, was das zu bedeuten hat, doch dann erschlägt ihn die Erkenntnis praktisch. Ruckartig wendet er den Kopf nach hinten und erblickt Bruce mit versteinerter Miene. Ein heftiges Zittern lässt seinen schmächtigen Körper erbeben. „Tu’s nicht...“, fleht er ein letztes Mal in vollkommener Verzweiflung ertrunken. Doch der Ausdruck im Gesicht des Rächers ändert sich kein Stück. Stattdessen ergreift er nun die schmalen Hüften des Jungen und verschafft sich ungehalten Zugang zu ihm.
 

Der Grünhaarige würde gern lockerlassen, sich entspannen, damit es nicht so schlimm wird, aber das kann er nicht. Sein Körper scheint ihm nicht mehr gehorchen zu wollen, ist ganz in einer Angst gefangen, die er nie zuvor gespürt zu haben glaubt. In einem anderen Leben vielleicht. Aber darüber kann er jetzt nicht nachdenken, denn sein zierlicher Leib wird so plötzlich von einem derart heftigen Schmerz eingenommen, dass jegliches Denken unmöglich wird. Krampfhaft versucht er dem unbändigen Drang zu Schreien zu widerstehen, seinem eigentlich so geliebten Peiniger diese Genugtuung nicht zu geben. Doch er kann es nicht. Muss es hinausschreien. Muss es rauslassen, um all den Schmerz, den er sein Leben lang stumm ertragen hat, damit Ausdruck zu verleihen.
 

Ehe Batman ihm grob die Hand auf den Mund drücken kann, entkommt Joker ein einzelner, langgezogener Schmerzensschrei, der von den Wänden widerhallt und damit noch grausamer zu klingen scheint als er eh schon ist. Für Ed hört es sich wie ein unaussprechlicher Laut von tiefster Traurigkeit, unendlicher Sehnsucht, grenzenloser Qual und verzweifelter Unterwerfung an. Ein so dermaßen hilfloses Geräusch, dass er es niemals mit dem durchgeknallten Clown in Verbindung bringen würde, und dessen er sich nicht entsinnen kann, schon einmal etwas Derartiges überhaupt von einem Menschen gehört zu haben...
 

Einen Augenblick lang gehen sämtliche Gedanken in seinem Kopf in einer lautlosen, weißglühenden Explosion aus Abscheu und Entsetzen unter. Seine Haut wird eiskalt und seine Kehle ist wie zugeschnürt. Als der Augenblick vorbei ist, drängt sich eine neue, völlig unverständliche Empfindung an die Oberfläche: Eifersucht! Blutrote, pulsierende Eifersucht! Und er weiß beim besten Willen nicht, woher sie kommt. Doch stimmt das wirklich? Er hätte gern eine Antwort auf diese Frage, aber der Riddler in ihm hält zur Abwechslung einmal entschieden sein bösartiges Schandmaul, andernfalls würde er von ihm sicher eine gesalzene Erklärung bekommen.
 

Nachts kann Ed solche Gedanken als situationsbedingten Unsinn abtun, hervorgerufen durch die Tatsache, dass er schon seit Jahren mit niemandem mehr zusammengelebt hat. Aber tags scheint ihm das beim besten Willen nicht gelingen zu wollen. Tags haben solche ungewollten Gedanken die unangenehme Eigenschaft, ihre Halsbänder, die sie nachts am Ausbruch hindern, abzustreifen und dann ungehindert frei herumzulaufen und ihm den Schlaf zu rauben. Bricht eine neue Nacht an, schlüpfen sie ungesehen wieder hinein und tun so, als kämen sie unter keinen Umständen frei. Doch Edward weiß es besser...
 

Die Eifersucht, so weißglühend wie ein Schürhaken, nimmt den Rätselmeister völlig in Besitz. Der Dunkle Ritter hingegen bemerkt den Laut des Jungen nicht, ignoriert ihn oder ergötzt sich womöglich sogar an der Tatsache, den Joker endlich gebrochen zu haben. Er gibt ein missgünstiges Knurren von sich, presst ihm schließlich die Hand auf den Mund und beginnt dann, sich überaus ungestüm in ihm zu bewegen.
 

Nun seiner Stimme beraubt, hat der kleine Clown keine Möglichkeit mehr, sich verständlich zu machen. Die Laute, die ihren Weg dennoch unter dem dicken Leder von Batmans Handschuh hindurch finden, sind unterdrückt, unartikuliert, weinerlich, ein hilfloses Flehen, versunken in Schmerzen, die sich Nigma nicht einmal in seinen schlimmsten Albträumen vorzustellen vermag.
 


 

7
 

Verzweiflung steigt ihm wie Gift in der Kehle empor, Tränen der Wut brennen in seinen Augen, und doch fällt endlich die Starre von ihm ab, die ihn bis jetzt so fest im Griff hatte. Ed kann es kaum glauben, doch das ist seine Chance! Seine Chance Joker zu retten! Wacklig, aber dafür umso entschlossener, kommt Nigma auf die Beine und will hinter dem Müllcontainer hervortreten. Fest umklammern seine Finger seinen fragenzeichenförmigen Gehstock. Aus dessen unterem Ende schnellt nun eine lange Klinge hervor, funkelt todbringend im schwachen Schein der Laternen auf der Hauptstraße. Seine sonst so hilflosen und wohlgesitteten Gedanken werden von tiefstem Schwarz überschattet und doch sieht er nur noch rot. Blanke Wut, aber keine Tränen mehr. Oh, nein! Seine Venen werden von ungeahntem Mut durchströmt, der ihn beflügeln wird, damit er Batman dafür büßen lassen kann, was dieser seinem kleinen Freund antut. Oh, ja! Der Ritter wird dafür bluten müssen! Der Rätselmeister ist so sehr in Rage, dass er es sogar hinnehmen würde, wenn Bruce durch seine Hand den Tod finden könnte, völlig gleich, welches Chaos die Stadt dann heimsuchen würde. Das Einzige, was jetzt zählt, ist Joker!
 

Niemals hat er etwas so sehr gewollt wie diese Rache. Nie hat ihm etwas mehr bedeutet als dieser Junge dort, auch wenn er das im Augenblick gar nicht begreift. Er sieht nur das unaussprechliche Unrecht, das er unterbinden muss. Entschlossen tritt er hinter dem Müllcontainer hervor und will zum Angriff ansetzen. Doch soweit kommt er gar nicht erst. Plötzlich ist es, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gerannt. Er kommt weder vor noch zurück, kann sich nicht mehr bewegen. Die Welt vor seinen Augen scheint sich immer weiter zu entfernen, als würde er ruckartig nach hinten gezogen werden, und so ist es auch. Nicht körperlich, sondern geistig! Die Barriere, die seine schlechtere Hälfte bis jetzt zurückgehalten hat, ist von all der Wut in ihm unbemerkt zerbrochen und nun ist das dort Innewohnende frei!
 

‚NEIN!‘, entkommt es Ed verzweifelt, aber da ist es schon zu spät – der Riddler hat von seinem Körper Besitz ergriffen und Nigma ist nun ein Gefangener in seinem eigenen Kopf! ‚Nein! Das kannst du nicht machen! Lass mich wieder raus! Ich muss Joker helfen!‘, gebärt er sich in den endlosen Weiten seines Geistes. Als Antwort erschallt ein überaus geisteskrankes Lachen, das jede seiner Hirnwindungen entlangzurasen scheint, jeden Winkel ausfüllt, ihn all seiner Macht und seines Selbst zu berauben scheint. ‚Du hast jetzt Sendepause, Schwächling! Die Show will ich mir unter keinen Umständen entgehen lassen, und du wirst mich nicht daran hindern! Du wirst zusehen! Zusehen, wie Batman dieser dreckigen, kleinen Schwuchtel gibt, was sie verdient hat! Wie sich der Bengel vor Schmerzen windet! Wie sein Blut den Boden zeichnet! Seine Schreie so ungehört! Vielleicht rastet die Fledermaus ja sogar richtig aus und dreht dem Bengel den Hals um, nachdem er ihm das letzte bisschen Hirn rausgefickt hat? Mann, wäre das ein schöner Gedanke!‘
 

‚Wie kannst du nur so grausam sein? Verstehst du nicht, was das für eine Gräueltat ist? Begreifst du nicht, wie schrecklich so etwas sein muss? Stell dir doch mal vor, du wärst es, wenn er das mit DIR tun würde! Würdest du dann immer noch lachen?‘ Grinsend duckt sich Riddler wieder in den Schatten des Müllcontainers, während sich seine Augen keine Sekunde von der grausigen Szene vor sich abwenden. ‚Warum sollte ich mir so etwas vorstellen? Ich war es schließlich nicht, der als schwuchteliger Paradiesvogel durch die Nacht gestöckelt ist, um Batman geil zu machen. Du auch nicht, also habe ich in dem Fall nichts zu befürchten. Und da du ja ein so dermaßener Feigling bist, brauche ich mir auch keine Gedanken darum zu machen, dass der Flattermann mir irgendetwas anderes antun könnte. Immerhin einen Vorteil, den man von dir hat.‘
 

‚Warum bist du nur immer so selbstsüchtig? Niemand hat so etwas verdient! Und Joker hat doch keinem etwas getan...‘ Wieder dieses irre Lachen, das Ed die Tränen in die Augen treibt. ‚Du bist echt gut, weißt du das? Ich dachte immer, du könntest biologisch bedingt nicht lügen, aber damit hast du dich dermaßen selbst übertroffen, dass es gar keinen Vergleich mehr gibt! – Aber mal ehrlich jetzt. Scheinbar hat dir dieser dreckige Hurensohn schon so sehr den Kopf verdreht, dass du alles verdrängt hast, was er gemacht hat, wie? Denk doch nur mal an die Iceberg Lounge. Oder wie oft du dir seinetwegen beinahe in die Hosen gemacht hast. Wie oft du dich wegen ihm geärgert hast und so weiter. Ich könnte endlos viele Dinge aufzählen! Er ist nichts als eine Plage, seit er über deine Schwelle getreten ist. Und jetzt bekomme ich endlich meine Rache dafür, dass er es gewagt hat, mich immer wieder wegzusperren!‘
 

‚Das ist es also, was du willst? Rache dafür, dass er einen Weg gefunden hat, dich ruhigzustellen?‘ ‚Was dachtest du denn? Ich fand es schon schlimm genug, dass ich es dir nicht ausreden konnte, diesen Scheiß in den Narrows abzuziehen. Doch daraus hätte sich vielleicht ja doch noch etwas entwickeln können, das dich an die Spitze dieser verfluchten Stadt gebracht hätte. Also hab ich dich machen lassen. Doch es war ein unverzeihlicher Fehler von dir, diesen geisteskranken Clown in unsere Zuflucht zu lassen! Ich wusste vom ersten Augenblick an, dass der Bengel nichts als Ärger bedeutet. Und du hast auch noch zugelassen, dass er sich so mies an mir vergreift! Hast ihn auf Knien angebettelt mit dir zu knutschen, als wärt ihr verdammte Teenager! Du dreckige Schwuchtel hast dich von ihm anstecken lassen! Vergiften! Wo sind all die schönen Zeiten hin, in denen du mir vertraut hast? In denen du mich gebraucht hast? Um Hilfe gebeten hast? Wo sind sie hin? Wir hatten so große Pläne...‘
 

‚Das waren alles deine Pläne, zu denen du mich genötigt hast! Alles andere verstehst du völlig falsch...‘ ‚Komm mir jetzt nicht so, Freundchen! Was gibt es da denn falsch zu verstehen? Denkst du etwa, ich bekomme nicht mit, was in deinem Kopf vor sich geht, du Trottel? Herr Gott noch mal, ich wohne da drin! Ich kann jeden deiner Gedanken lesen wie eine übergroße Leuchttafel! All diese widerwärtigen, falschen Gefühle, die du nicht haben solltest und schon gar nicht für diesen dreckigen Clown! Doch das ist jetzt vorbei! Du wirst dir das hier mit mir ansehen! Bis zum bitteren Ende! Und wenn Batman den Bengel doch nicht zufällig um die Ecke bringt, dann werde ICH es tun, sobald er weg ist! Und du kannst nichts dagegen unternehmen! Das Letzte, was diese miese, kleine Schwuchtel sehen wird, wirst DU sein, der ihm die Kehle durchschneidet! Und dann gibt es wieder nur noch dich und mich, die rechtmäßigen Herrscher Gothams!‘
 

‚NEIN!‘ ‚Oh, doch! Die Stadt wird dich als Helden feiern, weil du sie von diesem irren Geschwür befreit hast! Und dann können wir sie ebenfalls hinterrücks erledigen und über sie herrschen, wie es uns immer vorherbestimmt war! Niemand wird mich dann noch aufhalten können! Niemand!‘ Edward fehlen die Worte, um das alles zu begreifen. Aber, oh, er hätte es ahnen müssen! Der Riddler war von Anfang an ein machtbesessenes Monster, das über Leichen gegangen ist, um zu bekommen, was er wollte. Edward ist es nur immer wieder gelungen, das zu unterbinden, ihn irgendwie zurückzudrängen. Ihn zu vertrösten. Doch jetzt ist er völlig außer Kontrolle geraten und es gibt nichts mehr, was ihn stoppen könnte...
 


 

8
 

Eine Möglichkeit gäbe es allerdings doch. Aber sie ist sehr schwierig und überaus endgültig. Dem Rätselmeister müsste es gelingen, die Kontrolle für einen kurzen Moment wiederzuerlangen. Dann könnte er nach der Magnum in seiner Weste greifen und sich selbst eine Kugel in den Kopf jagen! Das würde das Martyrium ein für alle Mal beenden. Wenn er stirbt, stirbt auch der Riddler! Aber das würde Joker nicht helfen, in keiner Weise. Ihm muss also vorher dringend eine Möglichkeit einfallen, wie er dem bemitleidenswerten Clown helfen kann und dann... dann kann er sich immer noch endgültig vom Riddler befreien.
 

Um dem Grünhaarigen helfen zu können, muss er allerdings auch für kurze Zeit die Kontrolle wiedererlangen. Dafür muss er eine Lücke in der Gedankenbarriere des Riddlers finden. Solche Lücken entstehen ausschließlich durch unkontrollierte Gefühlsregungen. Als Ed vorhin so außer sich vor Wut war, ist unbemerkt so eine Lücke entstanden, die es Riddler ermöglicht hat, ihn zu überwältigen. Doch wie soll es ihm gelingen, so eine Gefühlsregung in seiner schlechteren Hälfte auszulösen? Riddler wird ihm in keinem Fall zuhören, egal was er auch immer zu sagen hat. Im Moment hat er nur Augen für diese Grausamkeit, die sich keine vier Meter von ihm entfernt abspielt. Absichtlich hält Nigma den Blick gen Boden. Wenn er ihn auch nur ein kleines bisschen anhebt, kann auch er sehen, was dort vor sich geht, und das kann er unmöglich ertragen.
 

Im Gegensatz zum Riddler. Dieser ergötzt sich wirklich überaus an alledem. Es ist richtiggehend ekelerregend. ‚Ja! JA! Gib’s dieser dreckigen Hurenschwuchtel! Immer feste rein da, B-Man!‘, gluckst seine schlechtere Hälfte ausgelassen wie ein kleines Kind. Angewidert verzieht Ed das Gesicht und sein Ekel wird nur noch größer, als er nun das erwartungsvolle Kribbeln in seinen Lenden spüren kann. ‚Oh Gott...‘, wimmert er ungehört. Der Anblick des wehrlosen, verzweifelten Clowns macht den Riddler so richtig heiß! Das will so überhaupt nicht in Nigmas Kopf hinein.
 

Bisher war seine schlechtere Hälfte durch nichts wirklich zu erregen gewesen. Er hat zwar ständig derbe Sprüche von sich gegeben, wenn Ed mal ein hübsches Mädchen über den Weg gelaufen ist, aber mehr auch nicht. Da sich der Rätselmeister selbst nur selten zu irgendwem hingezogen gefühlt hat, schien es dem Riddler auch immer so zu gehen. Er hat sich dem kaum vorhandenen Trieb seines Wirtskörpers angepasst. Es blieb ihm ja auch nie etwas anderes übrig, solange er nicht selbst die Führung hatte. Und wenn der Brünette doch einmal in die Verlegenheit kam, Sex zu haben, hatte sich seine schlechtere Hälfte immer sehr rücksichtsvoll zurückgezogen und geschwiegen. Fast so, als hätte Ed seinen Kopf tatsächlich für sich allein. Andernfalls wäre es sicher auch undenkbar gewesen, irgendetwas dahingehend auf die Reihe zu bekommen. Doch er zweifelt nicht daran, dass sich der Riddler dann ebenfalls dem Genuss hingegeben hat. Schließlich sieht er, was Ed sieht, fühlt, was er fühlt – körperlich wie geistig, auch wenn er damit nicht immer einverstanden ist. Sie teilen sogar Schmerz miteinander, weshalb Riddler im Allgemeinen auch immer ein Auge auf ihn hat, um vor irgendwelchen Qualen verschont zu bleiben. Er hat zwar eine unglaublich große Klappe, ist aber genauso feige und empfindlich wie Edward selbst, auch wenn man das nicht immer merkt. Er kann sich seine große Klappe auch nur deswegen erlauben, weil es ja in erster Linie Edward ist, der dafür dann die Strafe tragen muss.
 

Seine Vorstellung von etwas Erregendem scheint sich im Moment jedoch überaus grundlegend von den Gedanken seines Wirts zu unterscheiden. ‚Ja! Fick das kleine Miststück...!‘, kommt es nun schwer keuchend vom Riddler. Obwohl er die Führung über den Körper hat, dringt keine seine Äußerungen nach draußen, er lässt sie nur Ed zuteilwerden, und das ist schon schlimm genug. Noch schlimmer ist allerdings die mittlerweile nicht mehr zu übersehende Tatsache seiner Erregung. Riddlers Hose ist bis zum Zerreißen gespannt! Ohne den Blick von den beiden Gestalten am anderen Ende der Sackgasse abzuwenden, gleiten seine Finger nun hinab und fummeln zittrig Knopf und Reißverschluss auf. Angestrengt schluckt Riddler und langt in die engen Shorts hinein.
 

Nahezu grob umfasst seine rechte Hand die erhitze Erregung, während er sich mit der Linken wie ein Ertrinkender am Müllcontainer festklammert. Fahrig beginnt sich seine Rechte ungestüm zu bewegen. Stimmloses Stöhnen verlässt dabei seine Kehle. Begierig beißt er sich auf die Unterlippe, zittert nun am ganzen Körper.
 

Edward ist mehr als nur schockiert davon. Heiße Tränen rinnen seine Wangen hinab, er rauft sich die Haare und versucht das alles irgendwie zu ignorieren. Dennoch ist er gezwungen, das Gleiche zu empfinden. Krampfhaft presst er die Schenkel zusammen, in der vagen Hoffnung, damit das penetrante Kribbeln seiner Lenden zu verdrängen. Im Gegensatz zum Riddler wird er diesem abartigen Verlangen aber nicht nachgeben. Dazu ist er zum Glück nicht gezwungen. Im Gegenzug ist seine schlechtere Hälfte auch nicht dazu gezwungen zu weinen, nur weil Ed es gerade tut. Je nachdem wer von ihnen die Führung über den Körper hat, der hat auch die Führung über alle Taten und Empfindungen. Der Unterlegene kann sich zwar gegen die Gefühle wehren, die er selbst nicht haben will, sonst würden sie im Ernstfall beide der Verzweiflung einer Situation erliegen, doch Edward ist schwach. Da er für gewöhnlich Herr über diesen Körper ist, kann er sich weit weniger dagegen wehren, wenn er zurückgedrängt wird. Somit ist er nun gezwungen, die gleiche Erregung zu spüren, auch wenn er sie nicht will.
 

‚Oh, bitte, mach, dass es aufhört...‘, wimmert Nigma hilflos und spürt dabei, wie sich der Riddler immer mehr hineinsteigert. Nicht mehr lange und er wird seinen Höhepunkt haben. Moment... Das ist es! Ein Orgasmus ist die wohl größtmögliche und nicht zu unterdrückende Explosion an Gefühlen im menschlichen Körper. Damit wird er den Riddler überwältigen! Langsam lässt der Brünette die Hände sinken, atmet tief ein und aus. Versucht, seine Konzentration wiederzufinden. Wenn es passiert, muss er bereit sein, da es nur ein kurzer Moment ist, in dem sich die Lücke auftun wird – praktisch nicht länger als der Höhepunkt selbst. Edward kann von Glück reden, dass er nicht dieselbe Verlangen empfindet, sonst würde es unmöglich funktionieren.
 

Dann ist es soweit. Ein blendet weißes Licht durchflutet Riddlers Kopf, vertreibt jeglichen klaren Gedanken und lässt ihn für diesen Moment im Nirwana schweben. Jetzt oder nie! Fest entschlossen erhebt sich Edward und stürmt nach vorn. Die sorgfältig errichtete Barriere des Riddlers zerreißt wir ein billiges Stück Stoff, das vom vielen Waschen schon ganz dünn und spröde geworden ist, und auf einmal hat Nigma wieder den Müllcontainer vor der Nase. Mit weit aufgerissenen Augen starrt er das rostige Metall an, atmet schwer, weil sich sein Körper noch in den Nachwehen des Orgasmus befindet, zittert am ganzen Leib, und doch kann er tief in seinen Gedanken den Riddler lauthals schimpfen hören!
 

‚DU ELENDER HURENSOHN! WAS FÄLLT DIR EIGENTLICH EIN? LASS MICH SOFORT WIEDER RAUS, ICH WAR NOCH NICHT FERTIG!‘, brüllt seine schlechtere Hälfte so laut, dass Edward ein schmerzliches Aufstöhnen gerade noch unterdrücken kann. ‚Das hast du dir selbst zuzuschreiben, mein Freund! Du bleibst, wo du bist, also denk gar nicht mal daran, es erneut versuchen zu wollen, sonst finde ich einen Weg! Und der wird damit enden, dass ich mir eine Kugel in den Schädel jage! Dann ist es aus mit dir!‘ ‚Das wagst du nicht! Immerhin würde dich das auch umbringen...‘ ‚Und ob ich das wage! Es ist mir egal, ob ich dabei sterbe. Hauptsache ich muss dich nicht mehr ertragen!‘
 

‚Du gottverdammte...‘, setzt der Riddler zähneknirschend an. ‚Was? Willst du mich wieder eine Schwuchtel schimpfen, ja? Vielleicht solltest du das noch mal überdenken? Immerhin war nicht ich es, der sich gerade einen runtergeholt hat, während er beobachtet hat, wie dort hinten ein anderer Mann vergewaltigt wird! Also fass dir erst an die eigene Nase, bevor du mich das nächste Mal beleidigst!‘ ‚Du – du...‘ Was auch immer Riddler auf der Zunge liegt, er spricht er nicht aus, sondern knurrt nur beleidigt in sich hinein. Das soll Nigma nur recht sein, er hat jetzt immerhin andere Sorgen.
 

Angewidert zieht er ein Taschentuch aus seiner Weste und wischt sich damit die verschmierte Hand ab. Anschließend knüllt er es zusammen und wirft es weit von sich. Das Erste, das er tun muss, wenn er später nach Hause kommt, ist, sich gründlich waschen. Allein beim Gedanken daran, was gerade gewesen ist, schüttelt es ihn am ganzen Körper. Nahezu wehleidig blickt er dann an sich herab. Im hintersten Winkel seiner Gedanken kommt er sich vergewaltigt vor, obwohl das, was ihm gerade passiert ist, nicht einmal ansatzweise mit dem zu vergleichen ist, was Joker im Moment erleiden muss. Dennoch kann er dieses von Scham und Ekel erfüllte Gefühl nicht anders beschreiben.
 

Heiße Tränen brennen erneut hinter seinen Augen. Diesmal lässt er ihnen jedoch freien Lauf. Am liebsten würde er sich jetzt in einer Ecke zusammenrollen und bitterlich weinen. Doch das kann er nicht, nicht jetzt. Es würde auch überhaupt nichts daran ändern. Daher holt er ein paar Mal tief Luft und beruhigt sich allmählich wieder. Mit spitzen Fingern macht er sich dann daran, sich wieder vernünftig anzuziehen. Es bessert das Gefühl, benutzt worden zu sein, nur bedingt, doch er ist so froh, nun wieder Herr über seinen Körper zu sein. Damit das aber so bleibt, sollte er sich dringend beherrschen, sich nicht mehr vom Zorn überwältigen lassen oder jetzt in irgendeiner Form gefühlsmäßig zusammenbrechen, auch wenn es schwerfällt.
 

Was jetzt zählt, ist Joker dort rauszuholen. Er atmet noch einmal durch und greift dann nach seinem Gehstock. Die Klinge funkelt noch immer im Zwielicht der Laternen. Ehe er sich allerdings erheben und zur Tat schreiten kann, dringt Batmans Stimme zu ihm durch. Vorsichtig linst Nigma um den Müllcontainer herum. Wie es scheint, hat das Martyrium endlich ein Ende gefunden...
 


 

9
 

Nachdem Batman seine Strafe beendet hat, entfernt er sich nun von dem kleinen Clown. Dieser wirkt wieder völlig neben sich. Kraftlos sinkt er jetzt auf die Knie und ringt nach Atem. Es war überaus schwer, Luft durch seine gebrochene, mit Blut verstopfte Nase zu bekommen, erst recht, wenn Bruce ihm weiterhin vehement den Mund zugehalten hat. Mehr als einmal hatte er das Gefühl ersticken zu müssen, hat nur noch bunte Punkte vor seinen Augen tanzen gesehen. Doch im letzten Moment fand sich dann doch immer ein kleines Löchlein, das etwas Luft eingelassen hat. Das macht es aber auch nicht besser. Er fühlt sich so schrecklich, dass es ihm weit lieber gewesen wäre, wenn er hätte ohnmächtig werden können – oder einfach sterben...
 

„Ich hoffe, du hast es jetzt endlich verstanden, Joker? Es gibt kein Wir, niemals! – Und jetzt mach, dass du wegkommst! Du hast fünf Minuten. Finde ich dich dann immer noch hier, war das von eben erst der Anfang von dem, was dir dann blühen wird!“, stellt der Rächer klar. Von dem Grünhaarigen kommt zuerst nur ein ersticktes Wimmern. „Warum – warum tötest du mich nicht einfach...?“, fragt er schließlich. Der Angesprochene gibt ein verstimmtes Brummen von sich. „Ich töte nicht, dass weißt du ganz genau. Und selbst wenn, du würdest nichts daraus lernen, sondern nur deinen Willen bekommen, und auf dieses Niveau lasse ich mich nicht noch einmal herab! Es war ein Fehler, dir überhaupt jemals etwas zu gestatten. Doch damit ist jetzt Schluss! Stell an, was immer du willst, doch behalte dabei im Hinterkopf, dass ich dich dann hart bestrafen werde!“
 

„Warum – bringst du mich nicht zurück nach Arkham...?“ „Damit du wieder ausbrichst und Unschuldige dabei tötest? Ganz sicher nicht! Verschwinde in das dreckige Loch, aus dem du gekrochen bist, und bleib verflucht noch mal dort! Es ist in jedem Fall besser für uns alle.“ Langsam wendet er sich zum Gehen. „Fünf Minuten und keine Sekunde länger!“, ruft er noch einmal über die Schulter hinweg. Kurz darauf geht er an dem Müllcontainer vorbei, hinter dem sich der Rätselmeister im Schatten versteckt, und verschwindet dann gänzlich aus der Sackgasse und aus der Sichtweite der beiden Verbrecher.
 


 

10
 

Jetzt, wo der Dunkle Ritter weg ist, könnte Ed ganz einfach zu Joker hinübergehen und ihm helfen, doch irgendetwas hindert ihn daran. Der Riddler ist es nicht, der hat erst mal sein Fett wegbekommen und wird hoffentlich den Rest der Nacht die Klappe halten. Was könnte es also dann sein? Er weiß es beim besten Willen nicht. Vielleicht fürchtet er sich schlichtweg davor, dass Joker schlussfolgern könnte, Ed habe alles mit angesehen, wenn er jetzt so plötzlich bei ihm auftaucht. Ja, dass der Brünette tatenlos zugesehen hat, wie ihm diese Grausamkeit zuteilwurde. Wenn das der Fall ist, kann sich Nigma gleich an Ort und Stelle eine Kugel in den Kopf jagen...
 

Also bleibt er lieber noch etwas hier sitzen und beobachtet das Ganze. Der kleine Clown hockt weiterhin unbewegt halbnackt auf den Knien. Sein abgekämpftes Weinen dringt herzzerreißend herüber, immer wieder unterbrochen von würgendem Husten. Nicht selten spuckt er auch Klumpen von geronnenem Blut auf den Boden. Die Zeit verrinnt und der Rätselmeister ist schon drauf und dran doch hervorzukommen, um ihn daran zu erinnern, dass Batman sehr bald zurückkommen wird.
 

Dann endlich erhebt sich der Junge unter sichtlichen Schmerzen. Unsicher steht er auf wackeligen Beinen und starrt die Handschellen an, die in einem so selten dämlichen Konstrukt mit dem Regenrohr verbunden sind, dass es Ewigkeiten dauern wird, sich daraus zu befreien. Zeit, die er definitiv nicht hat. Knurrend sucht er nach einer Lösung, während er wieder in die Hocke geht, um nach seiner Hose zu angeln. Schwerlich gelingt es ihm, sich wieder anzuziehen. Anschließend beginnt er heftig an den Ketten zu zerren – nichts. Schön, dann eben auf die harte Tour, auch wenn er keine Kraft mehr dafür zu haben glaubt.
 

Langsam spannt er die Handschellen so weit wie möglich, streckt die Arme durch und setzt dann erst einen Fuß gegen die Wand und dann den anderen. Mit aller Kraft, die ihm noch bleibt, beginnt er die Knie durchzudrücken und somit an den Ketten zu ziehen. Seine Handgelenke schmerzen und seine Schultern fühlen sich an, als würden sie jeden Moment aus ihren Gelenken gerissen werden, doch nichts bewegt sich. Verzweifelt fängt er wieder an zu wimmern und will schon aufgeben. Vorher strengt er sich aber noch ein letztes Mal an.
 

Plötzlich löst sich das Regenrohr mit einem schabenden Knirschen aus der Wand und der Grünhaarige wird rücklings zu Boden geschleudert. Hart landet er auf dem rissigen Beton und atmet wieder schwer. Erneut bleibt er so lange liegen, dass Ed schon sichtlich in Sorge gerät. Doch dann setzt sich Joker mit schmerzlichem Stöhnen unbeholfen hin, befreit sich von dem Regenrohr und beginnt dann damit, die Handschellen zu knacken. Das dauert zum Glück nicht so lange.
 

Sorgenvoll wendet er den Blick dabei in den dunklen Himmel hinauf. Nicht nur Ed kommt es schon wie eine Ewigkeit vor, auch der Verrückte hat das nagende Gefühl, dass Batman jeden Moment wieder auftauchen wird. Also weg hier!
 

Schwerfällig kommt er wieder auf die Füße und torkelt dann wie ein Betrunkener zur Einmündung der Gasse. Unterwegs tastet er sich an der Wand und den anderen Müllcontainern entlang. Macht immer wieder kurze Pausen, um zu Atem zu kommen. Nach einer gefühlten Ewigkeit tritt er endlich auf die Hauptstraße hinaus. Mit angehaltener Luft wird Ed klar, dass der Bengel sein Auto sehen könnte. Immerhin steht es fast genau der Sackgasse gegenüber auf der anderen Straßenseite. Zwar im Schatten verborgen, aber dennoch praktisch auf dem Präsentierteller. Erleichtert stößt er die Luft allerdings wieder aus, als er sieht, dass Joker nicht einmal hinübersieht, sondern sich in die Richtung weiterschleppt, aus der Ed ursprünglich gekommen ist.
 

Die fünf Minuten müssen längst um sein, doch Batman ist nirgends zu sehen. Sicher beobachtet er den kleinen Clown aber von irgendwo dort oben aus den Schatten heraus. Edward wartet dennoch geduldig weiterhin. Irgendwann hört er leise eine Autotür zuschlagen, gefolgt vom gar nicht leisen Aufheulen eines Motors. Unzweifelhaft Jokers Lamborghini. Als der knallig bunte Wagen nicht lange später dann an der Gasse vorbeirast, ist er jedoch nicht zu hören, was Nigma für eine gute Idee hält. Er hofft nur inständig, dass der Junge sicher zu Hause ankommt und nicht hinter dem Steuer ohnmächtig wird. Bei der Geschwindigkeit hätte er mit Sicherheit keine Überlebenschance...
 

Auch der Rätselmeister brennt darauf nach Hause zu kommen, dennoch wartet er weitere zehn Minuten, bis er sich wirklich sicher fühlt, und verlässt sein Versteck dann ganz vorsichtig. Hastig huscht er anschließend über die Straße und springt in seinen Bel Air. Er widersteht dem Drang, das Gaspedal bis zum Boden durchzudrücken, dass würde ihm nicht helfen. Erst recht nicht, wo er selbst noch so durch den Wind wegen alledem ist. Daher hält er sich an die vorgegebene Geschwindigkeitsbegrenzung und kommt somit immerhin auch irgendwann ans Ziel.
 


 

11
 

Der Bel Air erreicht die Garage schließlich kurz vor Morgengrauen. Joker muss schon seit mindestens einer Stunde zu Hause sein. Vermutlich liegt er schon in seinem Bett versteckt und versucht das Geschehene irgendwie zu verarbeiten. Ed kann das gut nachvollziehen. Er möchte auch nur duschen und dann ganz dringend schlafen. Alles verdrängen, erst recht das mit dem Riddler...
 

Langsam lässt er seinen Wagen an dessen angestammten Platz rollen und sammelt sich noch einen Moment auf dem Sitz. Mit geschlossenen Augen atmet er tief durch, versucht seine Gedanken zu ordnen. Lange kann er sich dem aber nicht hingeben, dann öffnet jemand ungefragt die Fahrertür. „Boss? Ist alles in Ordnung?“ Fast schon widerwillig wendet Edward das Gesicht der Stimme zu. „Ja, alles bestens, Lenny.“ „Wirklich, Boss? Du siehst blass aus...“ „Es war – eine sehr aufreibende Nacht, nennen wir es einfach mal so.“ „Hat der Pinguin dir Ärger gemacht?“, sorgenvoll mustert ihn der andere Mann, während Nigma den Wagen verlässt.
 

„Nein, mit Oswald lief alles nach Plan. – Es war eher ein – Batman-Problem...“, gesteht er schließlich, was nun Lenny erblassen lässt. „Hat er dir wehgetan?“, wie eine Mutter beginnt er damit, seinen Boss zu umrunden, um mögliche Verletzungen auszumachen. „Nein, alles gut. Ich bin noch mal davongekommen, doch er hat Joker erwischt...“ „Das kannste aber laut sagen! Mister Jay sah ganz schön mitgenommen aus, als er vorhin zurückgekommen ist...“ „Das glaube ich gern. Es war – sehr heftig. – Ist er oben?“ „Ja, Boss. Aber er will niemanden sehen. Mel wollte ihm helfen, doch Mister Jay hat ihn nur angebrüllt und gesagt, dass der nächste, der es wagt, ihn anfassen zu wollen, den Sonnenaufgang nicht mehr erleben wird...“, sichtlich betroffen lässt Lenny die Schultern hängen.
 

„Ich verstehe. – Bei euch ist aber alles in Ordnung, oder? Er ist hier nicht irgendwie Amok gelaufen?“ „Nein, Boss. Er ist nach oben verschwunden und hat die Tür zugeknallt, ehe Mel es noch mal versuchen konnte...“ „Das ist in Ordnung. Lasst ihm ein bisschen Freiraum. Er hat viel zu verarbeiten und ich auch. – Ich werde jetzt ebenfalls nach oben gehen und dann gleich ins Bett. Sag den anderen, dass wir uns heute Abend wiedersehen und dass der Deal mit Oswald steht.“ „Mach ich, Boss.“ Schwerfällig wie ein alter Mann setzt sich der Rätselmeister in Bewegung.
 

Die paar Stufen in dem kleinen Treppenhaus kommen ihm nahezu unüberwindbar vor, sodass er sich gar nicht vorstellen will, wie es Joker da ergangen sein muss, wo er so schrecklich zugerichtet wurde. Ihm wird richtig schlecht, wenn er auch nur ansatzweise an das denkt, was heute Nacht alles passiert ist. Völlig verständlich, dass sich der Grünhaarige da von niemandem mehr anfassen lassen will, auch wenn dieser jemand es nur gut meint. Aber vielleicht kann Nigma zu ihm durchdringen, ihn wieder etwas aufmuntern? Ihm etwas Trost spenden? Das wäre sicher ganz gut für den Hausfrieden.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt er endlich oben an. Dennoch steht er noch eine Weile vor der verriegelten Tür, ehe er seine Hand fast schon widerwillig auf das Sicherungspaneel legt, um sie scannen zu lassen. Auf dem Glas der Scanneranlage und der Klinke kann er die blutigen Fingerabdrücke seines Mitbewohners sehen. Mit einem leisen Klicken öffnet sich die Tür und er betritt mit einem sichtlich unguten Gefühl die kleine Wohnung...
 


 

12
 

Die Behausung des Brünetten liegt in völlige Dunkelheit gehüllt da, was ihm nicht gerade als gutes Zeichen vorkommt. Vorsichtig macht er drei Schritte vorwärts und greift nach der Laterne am Boden. Als er sie einschaltet, sieht er, dass die Tür zum Schlafzimmer offensteht und es verlassen ist. Nichts deutet daraufhin, dass Joker den Raum seit ihrem Aufstehen vor so unendlich vielen Stunden noch einmal betreten hat. Nun doch etwas mehr besorgt will sich Nigma dem Wohnzimmer zuwenden. Vielleicht hat sich der Junge ja stattdessen auf die kleine Couch gelegt? Als er zum Gehen ansetzt, poltert es allerdings im Badzimmer.
 

Erschrocken fährt Edward herum. Die Tür zum Bad ist geschlossen und er kann weitere Geräusche daraus hören. Also muss der Clown dort drinnen sein. Verhalten klopft der Brünette nun an das Holz. Im Raum wird es schlagartig still. „Joker? Ich bin es, Ed. Ist alles in Ordnung bei dir? Lenny hat mir erzählt, dass du ganz schön mitgenommen ausgesehen hast...“ „Geh weg...!“, kommt es gedämpft, aber nachdrücklich. Der Rätselmeister will sich dem schon fügen, als wieder Geräusche zu ihm durchdringen, gefolgt von der brüchigen Stimme des Jungen. „Aua! – Fuck...“, tönt es wimmernd. Dem folgt ein so bemitleidenswertes Schluchzen, das es Ed ebenfalls fast die Tränen in die Augen treibt.
 

„Joker? Du bist verletzt, stimmt’s? Darf ich bitte reinkommen? Ich will dir helfen...“ Zielstrebig legt sich seine Hand auf die Klinke. Die Tür hat kein Schloss, damit man sie von innen verriegeln könnte, doch das stellte bis jetzt nie ein Problem dar. Wenn keiner im Bad ist, steht die Tür immer offen und das reicht für gewöhnlich aus. Doch Ed ist sich sicher, dass Joker sich gerade ganz dringend einen Riegel wünscht, um nicht nur seinen Mitbewohner sondern die ganze Welt auszusperren.
 

„Bleib draußen! – Ich – ich bin nackt...!“, kommt es fast schon fauchend zurück. „Kannst – du dir nicht was überziehen?“, fragt Edward vorsichtig. „...nein...“, lautet die leise Antwort. „Okay...“, gibt Nigma zurück und drückt dann doch die Klinke nieder.
 


 

13
 

Langsam öffnet er die Tür und tritt einen Schritt in den kleinen Raum hinein. Augenblicklich trifft ihn etwas an der Brust. „Arschloch!“, schimpft ihn der Grünhaarige im selben Moment. Ed erkennt, dass es sich bei dem Geschoss um eine Verbandsrolle gehandelt hat, die nun davonkullert und sich dabei immer wieter abwickelt, bis sie gegen die Waschmaschine knallt, ein kleines Stück in die Gegenrichtung rollt und dann zum Stehen kommt.
 

Das Badezimmer wird ebenfalls nur von einer Laterne beleuchtet. Ihr weißes Licht wirkt in der Enge allerdings so grell wie die Lampen in einem Operationssaal, obwohl ihr Kegel kaum mehr als den kleinen Clown beleuchtet. Doch das reicht bei Weitem aus. Der Junge sitzt vor der Badewanne auf den Knien. Auf dem Boden verteilen sich etliche Handtücher, die eindeutig nass sind, wodurch der Brünette schließt, dass der Bengel es wohl geschafft hat zu duschen. Die Brause tropft auch noch leicht vor sich hin, was sie immer noch eine ganze Weile macht, nachdem man sie schon längst wieder abgestellt hat. Die Handtücher sind gnädiger Weise dunkelgrün, sodass darauf nichts zu erkennen ist. Doch da sind auch allerhand Waschlappen, auf deren hellgrüner Farbe jede Menge Blut zu sehen ist. Verbandsmaterial türmt sich auf den Fliesen, doch der Verrückte wirkt damit eher hilflos.
 

Als Ed ihn nun betrachtet, stellt er fest, dass Joker gelogen hat. Der Clown ist gar nicht nackt, sondern hat sich eine frische Jogginghose übergezogen. Die Sachen, die er heute Nacht getragen hat, liegen halbherzig im Wäschekorb neben ihm zusammengeknüllt. „Du bist doch gar nicht nackt...“, meint Nigma daher irritiert. Es wirkt keinesfalls anklagend oder tadelnd, es ist schlichtweg eine Feststellung. Erneut greift Joker nach einer Verbandsrolle und wirft sie nach seinem Gegenüber. Sie verfehlt ihr Ziel aber vollkommen und landet lautlos im dunklen Flur. „Natürlich bin ich nackt oder bist du blind, verdammte Scheiße!“, platzt es richtiggehend hysterisch aus dem Grünhaarigen heraus. Dann bemerkt es auch der Rätselmeister. Joker ist ungeschminkt! Ohne die bunte Farbe im Gesicht fühlt sich der kleine Clown noch viel nackter als ohne Klamotten am Leib.
 

Beschwichtigend hebt Edward die Hände und stellt dann die Laterne ganz langsam auf dem Boden ab. „Schon gut! Alles ist in Ordnung. Ich will dir nur helfen, okay? Mir deine Verletzungen ansehen.“ Ganz langsam nickt Joker, sein Blick ist aber stur auf seine Hände gerichtet, die er verkrampft im Schoß geballt hält, als schäme er sich, seinem Gegenüber sein entblößtes Gesicht zu zeigen. Vorsichtig geht der Ältere vor ihm auf die Knie. „Was ist passiert?“, fragt er dabei sorgenvoll, obwohl er die Antwort ja kennt. Und gerade das ist vielleicht auch sein Glück, denn der Junge schüttelt ganz entschieden den Kopf. „Es war Batman, nicht wahr?“, versucht er es daher weiter. Es vergehen einige Sekunden, dann nickt Joker wieder ganz langsam. „Ist schon in Ordnung. Mehr musst du auch gar nicht sagen.“
 

Geschäftig beginnt er damit das Verbandsmaterial zu sortieren. „Kannst du mich bitte ansehen?“ Nichts, der Grünhaarige sitzt nur weiterhin verkrampft auf den Knien. „Gut. – Kannst du mir dann vielleicht sagen, was dir fehlt?“ Langsam streckt er die Hand aus, um seinem Gegenüber eine verirrte Locke zur Seite zu streichen. Augenblicklich schnellt allerdings die Hand des Irren nach oben und schlägt die seine grob weg. Leicht erschrocken zuckt Nigma zusammen und lässt dann betrübt die Schultern hängen. „Ich – kann verstehen, dass es dir nicht gutgeht. Doch wenn du mich nicht wenigstens ansiehst, kann ich dir nicht helfen. Ich habe dich doch schon ohne Schminke gesehen, erinnerst du dich?“, setzt er wieder an, nur um erneut keine Antwort zu bekommen.
 

Seufzend denkt er nach, wie er zu dem Jungen durchdringen könnte, als sich eine Stimme in seinem Kopf meldet. ‚Ach, nun lass ihn doch! Wenn er schmollen will, weil die Fledermaus ihm den Arsch aufgerissen hat, dann lass ihn halt. Ist doch nicht dein Problem. An deiner Stelle würde ich ihn nicht weiter reizen. Hier liegen genug Sachen herum, mit denen er dir wirklich wehtun könnte, anstatt dich nur mit Mullbinden zu bombardieren.‘ ‚Sei still!‘ ‚Warum sollte ich?‘ ‚Weil du dir heute Nacht schon genug herausgenommen hast!‘ ‚Ach? Was hab ich mir den rausgenommen?‘ ‚Das weißt du ganz genau, Perversling!‘ Nun hört er den Riddler merklich ausgelassen lachen.
 

‚Nun sei doch nicht immer so verklemmt! Ich musste einfach mal Druck ablassen, da du ja der Ansicht zu sein scheinst, dass dein Ding nur zum Pinkeln gut ist. Doch das ist gar nicht gesund, dass so unbenutzt zu lassen, weißt du? Und wenn du schon der Meinung bist, zu beschäftigt zu sein, um dir was zum Vögeln zu suchen, dann solltest du dir wenigstens ab und an mal einen von der Palme schütteln, wenn’s angebracht ist.‘ ‚Spinnst du jetzt völlig? Was war denn daran angebracht, dass zu machen, wenn Joker vor meinen Augen vergewaltigt wird? Das ist widerwertig! Völlig krank!‘ ‚Was blieb mir denn anderes übrig? Dich kann ich ja schließlich nicht ficken...‘ „HALT ENDLICH DIE KLAPPE!“, platzt es schließlich ungehalten aus dem Brünetten heraus.
 

Erschrocken zuckt Joker vor ihm zusammen und sieht ihn mit großen, in Tränen schwimmenden Augen an. Erst da wird Nigma bewusst, dass er laut gesprochen hat. Selbstredend ist der Riddler natürlich nicht der Ansicht, jetzt still sein zu wollen. Stattdessen lacht er wieder dreckig und setzt zu einer neuen Triade an Böswilligkeiten an. Das muss der Rätselmeister unbedingt unterbinden, bevor er völlig wahnsinnig wird. Doch wie? Sein Blick fällt schlagartig auf den kleinen Clown, der noch immer vollkommen verstört vor ihm hockt. Das ist es!
 

Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwänden, ergreift Edward das mitgenommene Gesicht des Jungen vor sich und küsst ihn! ‚Oh, du hinterfotzige Schwuchtel...!‘, setzt seine schlechtere Hälfte angewidert an. Glücklicherweise reicht es aber aus, um ihn in sein kurzzeitiges Gefängnis zu sperren und sich so für die nächsten vierundzwanzig Stunden Ruhe zu verschaffen.
 

Joker findet das allerdings ganz und gar nicht witzig, nicht in diesem Moment der Schwäche und des Schmerzes. Ed hat den Kuss kaum begonnen und registriert, dass es tatsächlich funktionieren wird, da stößt ihn der Grünhaarige auch schon überaus grob von sich weg. In dem kleinen Raum ist es daher unvermeidlich, dass Nigma nun hart mit dem Hinterkopf gegen die Fliesen neben der Tür knallt. Augenblicklich sieht er nur noch Sterne und begreift gar nicht, wo der Bengel die Kraft dafür hergenommen hat. Es muss schlichtweg nackte Panik gewesen sein. Angst davor, dass jetzt die ganze Welt verrückt geworden ist und Ed mit ihm dasselbe anstellen wird wie Batman!
 

„DU MIESES SCHWEIN! FASS MICH NICHT AN!“, gebärt sich der kleine Clown aufgebracht und holt mit der geballten Faust aus. Der Rätselmeister hat jedoch Glück, nicht mehr von ihm ausgeknockt worden zu sein, so kann er nun dem drohenden Schlag im letzten Moment entgehen. Jokers Faust trifft daher überraschend heftig die Fliesenwand, was einen Sprung in die entsprechende Kachel hineintreibt, wie der Brünette schwer schluckend feststellen muss. Ein Schmerzensschrei entkommt dem Verrückten, während er sich die verletzte Hand an die schmale Brust presst. „Scheiße...“, wimmert er und funkelt sein Gegenüber dann mit zornigen Rubinen und gefletschten Zähnen an.
 

„Tut mir leid! Es tut mir furchtbar leid! Der Riddler! – Es war der Riddler! – Ich wollte nur...“, versucht sich der Ältere hilflos zu verteidigen. Ungläubig mustert ihn der mitgenommene Joker, dann entspannt er sich etwas. „Der Riddler? Wirklich?“, hakt er nach und mustert den Brünetten durchdringend. „Ja! Er ist schon die ganze Nacht auf Streit aus. Ich bin deswegen auch schon völlig fertig. – Ich musste ihn endlich irgendwie loswerden, damit ich dir helfen kann. Es tut mir so leid! Ich wollte dir nicht zu nahetreten...“ Resignierend lässt Joker die Schultern hängen. „Schon gut. Es ist nur – ach, schon gut. – Danke, dass du hier bist...“
 

Dann bricht der kleine Clown völlig zusammen. Ungehalten weinend wirft er sich in Nigmas Arme, klammert sich wie ein Ertrinkender an ihm fest. Überfordert zuckt Ed zurück, doch dann fängt er sich und schlingt fest die Arme um den zitternden Körper. Daraufhin wird das Weinen des Grünhaarigen nur noch heftiger. Es wirkt, als würde er jeden Moment an seinem aufgelösten Schluchzen ersticken. Das Ganze rührt Edward so sehr, dass er selbst nicht mehr an sich halten kann. Ungehindert rinnen nun auch ihm heiße Tränen die Wangen hinab. Diese Nacht war schlichtweg viel zu aufreibend, um jetzt nicht zu weinen. „Es – tut mir alles – so leid...“, wimmert er aufgelöst ins Ohr des Jungen. Dieser erwidert nichts, klammert sich nur weiterhin an ihm fest.
 


 

14
 

Nachdem dieser Gefühlsausbruch nun ein Ende findet, sitzen die beiden einen Moment lang einfach nur schweigend da. Dann streckt Edward erneut die Hand aus, um noch einmal zu versuchen, die verirrte Strähne des Clowns zur Seite zu schieben. Diesmal lässt es sich der Jüngere gefallen, schmiegt sich den warmen Fingern sogar entgegen, als sie sanft über seine Wange streichen. Er erwidert auch zaghaft das verhaltene Lächeln des Rätselmeisters, was dieser für einen Schritt in die richtige Richtung hält.
 

„Hast du dir die Hand verletzt?“, fragt er dann. Probeweise ballt und entspannt Joker seine Linke ein paar Mal. „Nein, alles gut. Doch die Fliese hat jetzt einen Sprung. – Sorry...“, erwidert er erstaunlich kleinlaut. Ed betrachtet den Schaden kurz, dann zuckt er mit den Schultern. „Halb so wild. Ist nicht die einzige mit einem Sprung hier.“ Prüfend betrachtet er das Gesicht des kleinen Clowns. Seine Lippen sind aufgesprungen, wo Batman ihn erwischt hat. Doch es ist nur halb so schlimm wie beim letzten Mal. Zähne musste er diesmal auch nicht einbüßen. Dafür trägt sein rechtes Auge ein farbenfrohes Veilchen und ist durchs Weinen nur noch mehr zugeschwollen.
 

Alles halb so wild. Schlimm hat es aber erneut die Nase des Jungen erwischt. Nur zu gut kann sich Ed noch an das widerwärtige Knirschen erinnern, mit dem sie unter Batmans Fausthieb gebrochen ist. Innerlich schüttelt sich der Rätselmeister. Dann atmet er tief durch und widmet sich der Baustelle. „Sie ist gebrochen.“, meint er nüchtern und tastet die Nase des Jungen möglichst behutsam ab. Dieser zuckt schmerzlich zusammen, entzieht sich ihm aber nicht.
 

„Ich weiß...“, nuschelt Joker mit angestrengt verzogenem Gesicht. „Ich muss sie erst richten, bevor ich sie fixieren kann. – Das wird leider ziemlich wehtun, fürchte ich...“, entschuldigt er sich schon im Voraus. „Das ist mir auch klar. Hab’s selbst vorhin versucht, aber irgendwann geht’s einfach nicht mehr ohne Hilfe oder Spiegel. Und ich kann mich nicht so lange auf den Beinen halten. – Du machst das aber schon. Hast es ja schon mal gemacht. Nur leider bin ich jetzt nich weggetreten...“ „Stimmt. Es kann aber sein, dass du währenddessen ohnmächtig wirst.“, erwidert Ed sorgenvoll. Nichtssagend zuckt der Kleinere mit den Schultern.
 

Kurz lässt Nigma von ihm ab und greift nach einem sauberen Lappen. „Hier, beiß da drauf, während ich sie richte.“ Mit hochgezogener Augenbraue betrachtet ihn der Grünhaarige. „Warum? Ich bin doch keine Memme.“, protestiert er etwas. Leicht lächelt der Brünette. „Das will ich damit auch gar nicht andeuten. Doch wenn du schreist, stehen meine Jungs in zwei Sekunden auf der Matte, weil sie denken, hier oben wird jemand umgebracht.“ „Ist ein Argument.“ Erneut zuckt Joker mit den Schultern, greift aber nach dem Lappen und schiebt ihn sich zwischen die scharfen Zähne. ‚Der ist danach definitiv hinüber...‘, geht es Edward noch durch den Kopf, ehe er wieder Hand an die Nase des Clowns legt.
 

Sichtlich zuckt der Grünhaarige zusammen und auch der Rätselmeister muss all seine angeschlagene Selbstbeherrschung aufbringen, um das widerwärtige Knirschen zu ignorieren. Dennoch muss er mittendrin kurz aufhören, um ein Würgen angestrengt zu unterdrücken. „Geht’s?“, nuschelt Joker fast unverständlich um den Lappen herum, während Ed sichtlich mit sich kämpft. „Schon gut. Ich hab’s gleich...“ Erneut knirscht es und dann sitzt wieder alles an der richtigen Stelle. Entgegen seiner Vermutung war von seinem Gegenüber jedoch kein Pieps zu hören gewesen, dafür rinnen ihm ganze Sturzbäche von Tränen über die Wangen und der völlig zerbissene Lappen erzählt die Geschichte des Schmerzes ziemlich gut zu Ende.
 

Mitleidig betrachtet ihn der Rätselmeister. „Alles in Ordnung...?“ Kindlich wischt sich der Clown mit geballten Fäusten über die Augen, zuckt angesichts des Veilchens leicht zusammen und nickt dann. „Ja, danke...“, schnieft er, kann aber schon wieder etwas lächeln. „Okay. Dann fixiere ich jetzt alles und dann hast du es geschafft.“ Joker nickt und hält dann still, als Ed vorsichtig ein paar kleine Wattebäusche in seine Nasenlöcher schiebt und anschließend einen Streifen Gipsverband auf den Sattel klebt. „So, fertig. Das muss jetzt noch ein paar Minuten trocknen, also nicht dran rumfummeln.“ „Okay...“
 

„Tut dir noch irgendwo etwas weh?“ Langsam schüttelt der Kleinere wieder den Kopf. ‚Er lügt...‘, denkt Edward schweren Herzens und dennoch kann er sehr gut verstehen, warum. Die nächsten drei Tage wird es aber deutlich zu sehen sein, dass er Schmerzen hat, da er sich entweder gar nicht erst hinsetzt, sich nur auf die Knie hockt oder schwerlich zu verbergen versucht, dass es wehtut, wenn er sich doch hinsetzen muss. Doch das ist jetzt egal. Jetzt ist es nur wichtig, ihn auf andere Gedanken zu bringen, ihn von alledem abzulenken, damit er anfangen kann, es zu vergessen, auch wenn das unmöglich sein dürfte...
 

„Ich weiß, es klingt sicher ziemlich dämlich, aber ich habe noch eine Tafel Schokolade. Vielleicht willst du die ja haben? Wir könnten uns dann auf die Couch setzen und noch ein paar Zeichentrickfilme schauen, bevor wir schlafen gehen.“ „Das klingt schön...“ Und das Lächeln, das Joker ihm schenkt, treibt Edward fast wieder die Tränen in die Augen.
 


 

15
 

Eine Stunde später kann Ed die Augen beim besten Willen nicht mehr offenhalten. Zeichentrickfilme sind so gar nicht seins. Diese völlige Unlogik der Geschehnisse am laufenden Band haben ihn schon als kleines Kind nur verwirrt. Doch Joker liebt diese schreiend bunten Filmchen einfach so sehr. Allerdings interessiert es den kleinen Clown inzwischen so gar nicht mehr, was Bugs Bunny und Duffy Duck schon wieder zu streiten haben. Mit einem müden Schmunzeln blickt der Rätselmeister an sich hinab. Der Grünhaarige hat sichtlich mit einer bequemen Stellung gekämpft, was sich auf der ziemlich kleinen Couch als nicht gerade einfach erwiesen hat. Irgendwie hat er es aber doch geschafft, ober war schlichtweg genug von der süßen Schokolade und den bunten Bildern abgelenkt.
 

Nun allerdings liegt er zusammengerollt da. Seinen Kopf hat er unbemerkt auf Eds Schoß gebettet, vermutlich als der Brünette selbst schon weggedämmert war. Ein Arm des Jungen hängt über den Rand des Polstermöbels. Die andere Hand umklammert noch immer das leere Silberpapier der Schokolade. Sein Gesicht ist sichtlich mit den Resten der braunen Masse verschmiert, was ihn wie einen völlig erledigten Dreijährigen aussehen lässt.
 

Es wäre wirklich eine Schande, ihn wecken zu müssen, nur damit sie ins Schlafzimmer gehen können. Nigma wird es heute Nacht zwar ganz sicher bereuen, wenn ihm jeder Knochen im Leib wehtut, aber im Moment es ist ihm gleich. Joker braucht jetzt Ruhe. Vorsichtig angelt er nach der dünnen Decke, die immer über der Rückenlehne der Couch hängt, und breitet sie über dem Schlafenden aus, der immer noch nicht mehr als seine Jogginghose trägt. Es ist zwar noch ganz schön warm hier oben und es wird noch wärmer werden, wenn die Sonne erst mal ihren Höchststand erreicht hat, aber er will auch nicht, dass der kleine Clown womöglich doch friert.
 

Vorsichtig beugt er sich dann nach vorn und fingert nach der Fernbedienung auf dem kleinen Tischchen vor sich. Wohltuende Dunkelheit breitet sich im Wohnzimmer aus, als der Fernseher auf Knopfruck erstirbt. Erschöpft legt er den Kopf wieder nach hinten ans Polster und starrt einen Moment zur finsteren Decke empor. „Eines Tages wirst du mir das büßen, Batman! Du wirst dafür büßen, was du meinem kleinen Clown angetan hast!“, flüstert er zornig. Nicht zum ersten Mal in dieser Nacht verspürt er brennende Eifersucht in seinem Herzen und ein anderes, warmes Gefühl, das er aber noch nicht deuten kann. Sanft legt er seine Hand auf Jokers Kopf und streichelt ziellos mit den Fingern durch die wirren, grünen Haare. Der Junge seufzt schmatzend im Schlaf. Sein noch immer nacktes Gesicht fühlt sich fremdartig und unglaublich schön zugleich unter Eds Fingern an. Dann fallen dem Brünetten endgültig die Augen zu...

Relationship crises


 

1
 

Die schmerzvolle Nacht mit Batman ist mittlerweile drei Wochen her. Inzwischen ist es Anfang September, und dieser Monat scheint sich dazu entschieden zu haben, perfekt Jokers aufgewühlte Gefühle widerzuspiegeln, denn es regnet praktisch seit Tagen fast ununterbrochen. Die Arbeiten in den Narrows gehen daher nur sehr schleppend voran. Das neue Krankenhaus steht in seinen Grundmauern da, doch seit der stetige Regen eingesetzt hat, ist es nahezu verlassen und wirkt damit wie eine der unzähligen anderen Ruinen des verwahrlosten Bezirks. Edward hofft daher inständig, dass sich das Wetter bald bessert, damit die Arbeiten bis zum Wintereinbruch erledigt sind. Immerhin wird das Krankenhaus in der kalten Jahreszeit besonders dringend gebraucht werden. Seine Arbeiter wollen auch unbedingt weitermachen und ärgern sich über jeden Tag, an dem dies nicht geschehen kann und sie gezwungen sind, untätig zu Hause herumzusitzen oder sich weit weniger wichtigen Dingen widmen zu müssen.
 

Dem Rätselmeister geht es da nicht viel besser. Auch er fühlt sich in der eigenen Bleibe nahezu eingesperrt, obwohl er immer noch genauso viel wie vorher zu tun hat. Seine Arbeit wird vom Regen nicht nennenswert beeinträchtigt, sie verlagert sich nur in ihren Prioritäten, da die Arbeiter ihm keinen Input mehr über den Fortschritt auf den verschiedenen Baustellen liefern können. Einen Vorteil hat das Ganze zumindest, denn er kann sich so immerhin damit beschäftigen, Joker bei Laune zu halten oder ihn zumindest so sehr ablenken, dass er nicht ununterbrochen an die herrische Fledermaus denken muss. Das ist eine erstaunlich anspruchsvolle Aufgabe, die er dennoch sehr ernst nimmt, doch auch seine hingebungsvolle Hartnäckigkeit in diesem Fall kann nicht verhindern, dass der kleine Clown weiterhin unglaublich traurig ist und nicht selten einfach ohne ein Wort verschwindet, wenn man ihm einmal unbedacht den Rücken zudreht. Was er dann macht, bleibt Nigma verborgen. Allerdings scheint es nicht so, als würde er die Nähe des Dunklen Ritters suchen. Vielleicht geht er einfach nur stundenlang im warmen Sommerregen spazieren, um einen klaren Kopf zu bekommen? Wer weiß... Der Brünette hat leider auch nicht die Zeit, um nach ihm zu suchen. Doch solange der Junge in einem Stück wiederkommt, überhaupt wiederkommt, ist Ed schon sehr dankbar dafür.
 


 

2
 

Der Grünhaarige geht tatsächlich spazieren, aber ganz sicher nicht, um einen klaren Kopf zu bekommen. Dafür sind seine Gedanken einfach zu aufgewühlt und sein geistiger Zustand lässt gar nichts anderes zu. Während ihn der Regen Stunde um Stunde, Nacht für Nacht bis auf die Knochen durchweicht, denkt er ununterbrochen an Batman. Doch diese Gedanken haben sich seit dem letzten, so unglaublich schmerzhaften Treffen mit dem Dunklen Ritter sehr verändert. Seit seine roten Augen den maskierten Rächer vor über fünf Jahren das erste Mal erblickt haben, war Joker der festen Überzeugung, unendlichen Hass in seiner zartesten Form für ihn zu empfinden. Einen Hass, so rein, sanft und unerschütterlich, dass ihn kein anderes menschliches Wesen jemals so hätte verspüren können.
 

Lass mich nicht in all diesen Schmerzen baden

Lass mich nicht allein im Regen stehen

Komm wieder her und bring mein Lächeln zurück

Komm und nimm meine Tränen hinfort

Ich brauche deine Arme, die mich jetzt halten

Die Nächte ohne dich sind so düster

Bring die Nächte zurück, in denen wir glücklich zusammen waren
 

Doch als sich der Mitternachtsdetektiv so grausam an ihm vergangen hat, ist Joker etwas sehr Entscheidendes klargeworden: Er hasst Batman gar nicht! Oh, nein, es ist ein viel qualvolleres Gefühl, das ihn wie kochendes Wasser durchströmt. Ihn von innen heraus immer wieder verbrennt. Liebe! Der kleine Clown ist in den selbsternannten Ritter verliebt, und dass stürzt seine bescheidene Welt in einen Abgrund aus Verzweiflung und Wahnsinn, der bodenlos in die Unendlichkeit führt und von dem es kein Entkommen gibt...
 

Repariere mein Herz

Sag, du wirst mich wieder gernhaben

Mach diesen schrecklichen Schmerz in mir wieder rückgängig

Als du gegangen

Und aus meinem Leben getreten bist

Schrie ich meine Tränen hinaus

Ich habe so viele Nächte wegen dir geweint

Repariere mein Herz

Mein Herz
 

Doch es besteht Hoffnung auf Rettung. Ja, wirklich! Und das ist das eigentliche Problem an der ganzen Sache. Die Rettung kann nur dadurch zu Stande kommen, wenn sein Angebeteter seine Gefühle akzeptiert und im besten Fall sogar erwidert, dann, ja dann besteht womöglich auch Hoffnung auf Heilung! Etwas, wovon der Verrückte nur träumen kann...
 


 

3
 

Ziellos wandert er weiter durch die Nacht, während der Regen seine Tränen hinfort wäscht. Das hat irgendwie etwas unheimlich Tröstliches an sich. Niemand kann ihn weinen sehen. Seine Tränen sind stumm, ungesehen, vereinigt in einer Million warmer Tropfen, die vom Himmel fallen, sein Antlitz und sein schmerzendes Herz gleichermaßen mit ihrer ungeahnten Zärtlichkeit berühren. Verständnisvoll, heilsam, verschwiegen und doch alles wissen und alles sehen, in ihm lesen, wie in einem offenen Buch. Warum kann Batman nicht auch so sein? Wenigstens ein kleines bisschen...
 

Nimm die traurigen Worte Auf nimmer Wiedersehen zurück

Bring mir die Freude in mein Leben wieder

Lass mich nicht mit meinen Tränen hier allein

Komm und küss den Schmerz weg

Ich kann den Tag nicht vergessen, an dem du gegangen bist

Die Zeit ist so erbarmungslos

Und das Leben ist so grausam ohne dich hier neben mir
 

Langsam bleibt er stehen und wendet das Gesicht gen Himmel. Das dunkle Grau der undurchdringlichen Wolkenmassen ist so allumfassend, dass es wirkt, als könnte man die Hand ausstrecken und sie würde in all der feuchten Finsternis dort oben verschwinden. Einer unbekannten Eingebung folgend tut er genau das. Joker streckt die Hand nach oben zu den Wolken aus. Sie trifft jedoch auf nichts. Schmerzlich verkrampft sich daraufhin sein Herz und weitere Tränen bahnen sich ungesehen ihren Weg seine bunt bemalten Wangen hinab. Als er die Hand wieder sinken lässt und seinen Weg fortsetzen will, taucht plötzlich ein Schatten am dunklen Himmel auf, genau an der Stelle, nach der seine Finger bis eben noch so hoffnungsvoll-verzweifelt gegriffen haben. Der Schatten ist unverkennbar für Gotham und somit besteht auch kein Zweifel: Es ist Batman! Ungläubig weiten sich die roten Augen des kleinen Clowns.
 

Repariere mein Herz

Sag, du wirst mich wieder gernhaben

Mach diesen schrecklichen Schmerz in mir wieder rückgängig

Als du gegangen

Und aus meinem Leben getreten bist

Schrie ich meine Tränen hinaus

Ich habe so viele Nächte wegen dir geweint

Repariere mein Herz

Mein Herz
 

Seit Bruce ihn so furchtbar bestraft hatte, hat der Grünhaarige ihn nicht mehr wiedergesehen. Hatte sich zur Abwechslung einmal brav an dessen Warnung gehalten, nichts Böses mehr anzustellen, da ihm sonst unzweifelhaft wieder das Gleiche blühen würde. Doch seit diesem Tag hat sich so viel verändert. Seine Gefühle für den Rächer sind nun andere und das könnte alles zwischen ihnen ändern. Nein, nicht könnte, es muss alles zwischen ihnen ändern! Daher gibt es nur eine einzige Sache, die er jetzt tun kann: Batman seine Liebe gestehen, damit all der Schmerz, all das Leid endlich ein Ende finden kann! Hastig suchen seine Augen den Himmel ab und entdecken den Rächer dann wieder. Eilig setzt sich Joker in Bewegung, um ihn einzuholen.
 


 

4
 

Wasser spritzt zu allen Seiten auf. Seine völlig durchnässten Turnschuhe geben bei jedem Schritt ein widerlich squatschendes Geräusch von sich. Drohen, ihn auf dem glitschigen Untergrund immer wieder aus der Bahn zu werfen, damit er im besten Fall zu Boden fällt und mit dem Gesicht in der nächsten Pfütze landet. Darin ertrinkt, wie er es schon so lange in seinen wirren Gefühlen für diesen Mann ist.
 

Lass mich nicht in all diesen Schmerzen baden

Lass mich nicht allein im Regen stehen

Bring die Nächte zurück, in denen wir glücklich zusammen waren
 

Doch es scheint unvermeidlich. Sein Blick ist stur in den verhangenen Himmel gerichtet und nicht auf seinen Weg. Schließlich stößt die Spitze seines Schuhs hart gegen einen Bordstein und er geht mit einem unterdrückten Fluchen auf die Knie. „Scheiße...“, kommt es schniefend von dem Grünhaarigen, als er sich schwerlich zurück auf die Füße begibt. Seine Hose ist zerrissen, seine Handflächen blutig zerschrammt, doch es kümmert ihn nicht. Stattdessen wendet er den verzweifelten Blick wieder in den Himmel. Doch egal, wie er es auch anstellt, Batman bleibt verschwunden...
 

Repariere mein Herz

Sag, du wirst mich wieder gernhaben

Mach diesen schrecklichen Schmerz in mir wieder rückgängig

Als du gegangen

Und aus meinem Leben getreten bist

Schrie ich meine Tränen hinaus

Ich habe so viele Nächte wegen dir geweint

Repariere mein Herz

Mein Herz, oh, Baby
 

„Scheiße...“, wimmert er nun wieder in Tränen ertrunken. Er kann spüren, wie seine Knie erneut nachgeben wollen und er ist nur zu gern bereit, es ihnen zu gestatten. Bevor er dem allerdings nachgeben kann, ertönt hinter ihm eine forsche Stimme. „Ich dachte, ich hätte es deutlich genug ausgedrückt, als ich sagte, du sollt in dem Loch bleiben, aus dem du gekrochen bist, Joker!“ Erschrocken dreht sich der Angesprochene herum. Dort steht er, der Mann all seiner schlaflosen Nächte! „Darling...“, flüstert der kleine Clown schon fast. Von dem Maskierten kommt nur ein verstimmtes Knurren, weil ihm diese ganzen Spitznamen – insbesondere dieser – so dermaßen auf die Nerven gehen.
 

Bitte komm zurück

Repariere mein Herz

Oh, Darling

Ohne dich kann ich einfach nicht weitermachen

Sag, dass du mich willst

Sag mir, dass du mich noch immer willst

Ohne dich kann es nicht weitergehen

Sag, dass du mich willst

Sag mir, dass du mich noch immer willst

Repariere mein gebrochenes Herz!
 

„Was treibst du hier, Joker?“, fragt er dann scharf. Der Grünhaarige wirkt untypisch scheu, richtiggehend geknickt, was Bruce leicht stutzig macht. „Ich – hab nach dir gesucht...“, meint der Kleinere schüchtern und vermeidet sogar den Augenkontakt mit ihm. „Ach ja? Weswegen?“ Die Stimme des Schwarzgekleideten ist streng, duldet keinen Unsinn. Angestrengt beißt sich der Clown auf die Unterlippe. „Ich wollte dir etwas sagen. – Nein, ich muss dir etwas sagen...“, weiterhin sieht er sein Gegenüber nicht an. Unter seiner Schminke glühen seine Wangen ungesehen wie die eines schüchternen Mädchens auf. Mahnend tritt der Dunkle Ritter einen Schritt näher. „Was hast du jetzt wieder angestellt?“
 

Nun blickt der Junge erschrocken auf. „Gar nichts, ehrlich! – Es ist nur – ich...“ „Spuck es endlich aus oder ich finde einen Weg, dich zum Reden zu bringen!“, droht der Ältere und ballt sichtbar die Fäuste. Der Joker wirkt wie ein verschrecktes Kind, das von seinem Lehrer gemaßregelt wird. Noch nie hat er sich so klein und hilflos gefühlt. Er schluckt schwer und räuspert sich anschließend angestrengt, nur um wieder hart zu schlucken. „Weißt du, ein Musiker hat es ganz treffend ausgedrückt. – Er sagte: Dein ist mein ganzes Herz, du bist mein Reim auf Schmerz. – Verstehst du?“, hoffnungsvoll sieht er den Größeren an. Irritiert schüttelt Bruce den Kopf. „Nein, was soll das heißen?“
 

Der kleine Clown schweigt so lange, dass Batman schon drauf und dran ist, die Antwort wohl doch aus ihm herausprügeln zu müssen. Als er einen weiteren Schritt nähertritt, öffnet der Bengel dann doch endlich den Mund. „Ich – liebe dich...“ Mit großen, feuchten Augen sieht er den Rächer an, doch dieser kann die Tränen, die unaufhaltsam seine Wangen hinabrinnen, nicht sehen. Nicht, bei dem immer noch fallenden Regen. Zähneknirschend erwidert Batman seinen Blick streng. „Willst du mich jetzt langsam verarschen, oder was? Erst hasst du mich angeblich, obwohl es sich beim besten Willen nicht so anhört, und jetzt liebst du mich auf einmal? Du bist doch völlig verrückt geworden!“
 

„ICH BIN NICHT VERRÜCKT!“, platzt es ungehalten weinend aus dem Grünhaarigen heraus. „Ach, hör doch endlich auf mit diesem Mist! Du hörst dich genauso an, von deinem Benehmen mal ganz zu schweigen. Außerdem haben es die unterschiedlichsten Ärzte mehrfach diagnostiziert, sodass nun wirklich kein Zweifel besteht. Also was soll das hier eigentlich?“ „Das hab ich doch gerade gesagt!“, blafft Joker zurück. „Das kaufe ich dir aber nicht ab! Du versuchst dich nur bei mir einzuschmeicheln, damit du nicht wieder dafür bestraft wirst, dass du irgendwelchen Mist angestellt hast, das ist alles! Und jetzt geh mir aus den Augen, ehe ich wirklich böse werde!“, genervt wendet er sich zum Gehen um.
 

„Jetzt renn doch nicht gleich wieder weg!“, ruft ihm der Grünhaarige hinterher. „Warum sollte ich hierbleiben und mir deine lächerlichen Kindereien weiterhin anhören wollen? Das bringt mir überhaupt nichts! Außerdem habe ich weit wichtigere Dinge zu erledigen. Diese Stadt schläft schließlich nicht, also verwinde jetzt endlich!“ „Nein, ich kann nicht gehen! Du musst mir zuhören! Ich...“ „Jetzt halt mal die Luft an! Ich muss gar nichts! Halt den Mund, ehe ich ihn dir stopfe!“, unterbricht ihn der Dunkle Ritter zornig. „Aber ich hab dir doch gesagt, was ich fühle! Kannst du denn nicht wenigstens etwas dazu sagen? Lass mich hier nicht so zurück, bitte!“, verloren greift er nach dem Cape des Größeren und hält ihn fest. Grob reißt sich Batman von ihm los.
 

„Fass mich nicht an!“, knurrt Bruce aufgebracht und wendet sich mit geballter Faust um. Sie trifft den kleinen Clown mitten auf dem linken Auge, sodass dieser unbeholfen ein paar Schritte zurücktaumelt. Joker hat sich noch gar nicht von dem Schlag erholt, da packt ihn der Maskierte auch schon am Kragen und drückt ihm schmerzhaft gegen die Backsteinwand in seinem Rücken. Drohend hebt er wieder die Faust. „Es reicht! Es interessiert mich nicht, was du dir in deinem verschrobenen Schädel zusammenspinnst! Das Einzige, was du jemals wieder von mir bekommst, ist das hier!“, tönt er zähneknirschend und schlägt wieder zu. Immer und immer wieder...
 

Joker kommen die Tränen und wieder kann man sie dank des Regens nicht sehen. Doch selbst wenn keine warmen Tropfen auf sie niedergehen würden, würde es Batman auch nicht mehr kümmern. Dass wird dem Grünhaarigen jetzt bewusst. Den Mitternachtsdetektiven interessiert es nicht, was mit ihm los ist, wie es ihm geht und schon gar nicht, was er fühlt. Sie teilen nicht die gleichen Empfindungen und werden es wohl auch nie. Der Hass, der Bruce antreibt, ist nicht derselbe, wie Joker ihn für den Schwarzhaarigen verspürt hat. Und jetzt könnten ihre Gefühle wohl kaum mehr voneinander entfernt sein...
 

Diese überaus schmerzliche Erkenntnis trifft den kleinen Clown weit heftiger, als es die Fäuste des Rächers jemals könnten. Sein Verstand ist jetzt sehr kalt, und er begrüßt diese Kälte wie einen alten Freund – den er so nie wirklich hatte –, der ihn in eine seltsam tröstliche Umarmung schließt. Er ergibt sich diesem Gedanken genauso hilflos wie den Schlägen des Älteren. Er kann einfach nicht mehr. Vielleicht ist er schlichtweg dazu bestimmt, allein und traurig zu sein? Vielleicht ist es sein Schicksal zu leiden? Ungeliebt und verstoßen durch diese Welt zu streifen und Chaos anzurichten, damit er überhaupt noch etwas fühlen kann? Und seien es auch nur die Schläge, die ihn strafen sollen.
 

Langsam schließt er die Augen und will sich in die tröstliche Schwärze fallenlassen, die seinen Verstand zu überfluten droht. Doch soweit kommt es nicht. Batman lässt vorher von ihm ab, lässt ihn einfach achtlos zu Boden fallen, als wäre er nichts weiter als ein benutztes Taschentuch im Rinnstein. Unsanft landet der Junge auf dem rissigen, feuchten Beton. Sein Blut mischt sich mit dem stetigen Regen und verschwindet als zartrosa Flüsschen im nächsten Gully.
 

„Hast du jetzt endlich genug und hörst auf, so einen Mist von dir zu geben?“, fragt der Rächer streng und ballt dabei weiterhin mahnend die Fäuste. Der Angesprochene sitzt nur schweigend auf dem nassen Grund und hält den Blick gesenkt. Beißt sich verzweifelt auf die gesprungene Unterlippe, um das heftige Schluchzen zu unterdrücken, das sich seinen Hals hinaufdrängt. „Gut, dass will ich dir auch geraten haben! Und jetzt mach, dass du verschwindest, und lass dich ja nicht wieder bei mir blicken!“, knurrt der Mitternachtsdetektiv nachdrücklich, ehe er sich endgültig abwendet und in der Nacht verschwindet. Joker bleibt allein und gebrochen zurück...
 


 

5
 

Von alledem ahnt Edward nichts. Er sehnt sich nach dieser langen und doch ziemlich anstrengenden Nacht jetzt nur noch nach etwas Entspannung, bevor er todmüde ins Bett fallen wird. Daher gibt er ein überaus seliges Seufzen von sich, als er sich in die warme Badewanne sinken lässt. Wohlig umspült ihn das schaumige Wasser, hüllt ihn wie eine sanfte Decke ein. Mit einem Gähnen streckt er sich aus, legt den Kopf nach hinten gegen die kühlen Kacheln und schließt dann die Augen. Eigentlich könnte er auch gleich hier einschlafen, es ist so endlos entspannend. Ein wenig gibt er sich sogar dem Gedanken hin, driftet allmählich ab. Merkt gar nicht, wie sich die Wohnungstür öffnet und jemand einen Moment lang unschlüssig vor dem Bad steht. Dann wird auch diese Tür ganz aufgestoßen – Nigma hatte sie nur angelehnt, immerhin ist er ja allein gewesen und sah daher keinen Grund, sie ganz zu schließen – und jemand bestritt den kleinen Raum.
 

„Ed...?“, ertönt eine bedrückte Stimme. Der Brünette bekommt das gar nicht richtig mit. „Ja...?“, gibt er verschlafen zurück, ohne die Augen zu öffnen – es wäre gerade einfach viel zu anstrengend. Als dann keine Antwort kommt, beginnt sich der Rätselmeister zu fragen, ob er sich die Stimme nur eingebildet hat. Andererseits kommt er sich aber auch gerade ziemlich beobachtet vor. Überaus unwillig öffnet er nun doch die Augen und wendet den Kopf Richtung Tür. Auch ohne Brille merkt er ziemlich schnell, dass dort wirklich jemand steht, genauer gesagt, dass es Joker ist. Geistesgegenwertig zieht er die Knie an, als wolle er versuchen, seine Blöße zu verbergen, obwohl die Wanne so voller Schaum ist, dass man eh nichts sehen kann, und greift dann zum Waschbecken hinüber, um nach seiner Sehhilfe zu angeln.
 

Als er nun im fahlen Licht einiger Kerzen den kleinen Clown vor sich stehen sieht, klappt ihm augenblicklich ungläubig der Mund auf. „Joker...?“, fragt er vorsichtig. Hilflos gleiten seine geweiteten Augen an dem schmächtigen Körper auf und ab. Registrieren dabei jede Verletzung, die der arme Junge schon wieder vorzuweisen hat. Es bricht ihm das Herz, ihn so zu sehen. Noch schlimmer ist der Anblick, weil der Grünhaarige auch noch nass bis auf die Knochen zu sein scheint. Er sieht so unglaublich mitleiderregend aus, dass es kaum in Worte zu fassen ist.
 

„Hey, mein Hübscher...“, bringt der Grünhaare mit brüchiger Stimme hervor und versucht sich schwerlich an einem Lächeln. Es gelingt ihm allerdings so gar nicht. Stattdessen sacken seine Mundwinkel kraftlos wieder herab, und dann bricht er ohne Vorwarnung haltlos in Tränen aus. Wie ein kleines Kind steht er da, legt den Kopf in den Nacken und weint bitterlich zur Decke des Raums hinauf. Er zittert dabei so heftig am ganzen Körper, dass es für Nigma völlig unverständlich ist, warum der Bengel nicht auf die Knie fällt. Sichtlich zuckt Edward in der Wanne zusammen und ein schmerzlicher Stich gleitet über sein Herz hinweg. Reflexartig will er aufstehen und den Jungen tröstend in die Arme schließen. Er ist schon dabei, sich zu erheben, als ihm bewusstwird, dass er ja nackt in der Wanne sitzt, und so lässt er sich deprimiert wieder ins Wasser zurücksinken, denkt darüber nach, wie er es irgendwie anders hinbekommen kann.
 

Hilflos betrachtet er den Jüngeren einen Moment lang, während ihm schon selbst nach weinen zu mute ist. „Oh, bitte nicht weinen! Was ist denn passiert?“, fragt er sorgenvoll und streckt die Hand nach seinem Gegenüber aus, kommt aber nicht an ihn heran. ‚Was soll denn jetzt diese dämliche Frage, Idiot? Schick ihm sofort weg, bevor er noch auf dumme Gedanken kommt!‘, tönt der Riddler plötzlich in seinem Kopf. ‚Was soll das denn jetzt? Siehst du nicht, dass er verletzt ist und leidet?‘, hält Ed zornig dagegen. ‚Nun fang nicht wieder mit deinem sentimentalen Mist an! Das könnte auch alles nur ein Trick sein, um dir zu nahekommen zu können. Denk doch mal nach! Du sitzt hier nackt in der Wanne, völlig wehrlos, sollte dieser Irre auch nur irgendwas versuchen...‘ Innerlich schüttelt Nigma nur den Kopf. ‚Dieses Gespräch ist vollkommen sinnlos und hiermit beendet! Also sei still!‘ ‚Ich denk ja nicht dran!‘, erwidert seine schlechtere Hälfte wütend.
 

Doch ehe noch etwas folgen kann, gibt Joker ein ersticktes Schniefen von sich und fängt sich langsam wieder. Er ist müde, verletzt, mit Kummer überladen, und es gibt zu viele Dinge, an die er immer wieder denken muss, bei Weitem zu viele. Sein Verstand kommt gerade einfach nicht mehr mit. Daher sagt er das Erste, was ihm einfällt, anstatt die Frage des Rätselmeisters zu beantworten. „Darf ich auch mit in die Wanne?“ Überrascht zuckt der Angesprochene zusammen, und das nicht nur, weil Riddler augenblicklich lautstarken Protest dagegen ankündigt. Der kleine Clown scheint es aber nicht zu bemerken oder es zu ignorieren, betrachtet ihn stattdessen nur mit großen, flehenden Augen.
 

Es mag irgendwie pervers klingen, aber Jokers misshandelter und zutiefst trauriger Anblick macht Edward auf seltsame Weise ruhiger. So als würde etwas in ihm wissen, dass der bemitleidenswerte Junge nun all seine Zuwendung braucht, und die kann er ihm nur geben, wenn er sich über seine eigenen Bedenken hinwegsetzt, ruhig bleibt und ihm seinen Wunsch erfüllt. „Okay, komm rein.“, seufzt der Rätselmeister schließlich und rückt etwas weiter ans hintere Ende der Wanne heran. Jokers lärmende Ausgelassenheit kann unglaublich anstrengend sein, doch ihr plötzliches Verschwinden ist geradezu unheimlich und macht Ed daher klar, wie ernst es daher sein muss.
 

‚Hast du jetzt völlig den Verstand verloren? Wie kannst du dieser elenden SCHWUCHTEL nur gestatten, zu dir in die Wanne zu steigen? Wenn du es so nötig hast, kannst du ihm doch gleich deinen Arsch unter die Nase halten! Müsstest dich dafür ja noch nicht mal anstrengen, bist ja schon splitternackt!‘, knurrt der Riddler aufgebracht. ‚Sag mal, was stimmt eigentlich nicht mit dir, Herr Gott noch mal? Erstens: Werde ich ihm garantiert nicht meinen Hintern oder irgendetwas anderes irgendwo hinhalten! Zweitens: Erscheint mir Joker nicht gerade wie der dominante Typ. Sieh dir die halbe Portion doch nur mal an! Und Drittens: Selbst wenn Erstens und Zweitens doch eintreten sollten, bist es ja nicht DU, der irgendetwas in den Hintern geschoben bekommt! Also halt die Luft an und lass mich endlich in Ruhe, sonst werde ich absichtlich dafür sorgen, dass ich noch heute vom nächstbesten Kerl von der Straße flachgelegt werde! Und du kannst dir sicher sein, dass meine Jungs und bestimmt auch Joker ohne lange Erklärungen dafür bereit wären, von allerhand Bewohnern der Narrows sicher ganz zu schweigen! Und wo wir gerade schon so schöne Pläne für meine Entjungferung machen, warum lasse ich mich nicht gleich von allen flachlegen, am besten auch noch alle gleichzeitig!‘, platzt es wutschnaubend aus dem Brünetten heraus. Er hat endgültig so dermaßen genug davon.
 

Riddler lauscht dem Ganzen mit wachsendem Entsetzen. Die bereitwillige Ernsthaftigkeit in der Stimme seines Wirts ist für ihn schlichtweg unbegreiflich. ‚Du – du bist doch völlig irre...!‘ ‚Ach wirklich? Das fällt dir jetzt erst auf? Und wessen Schuld ist das? Meine sicher nicht! Du allein hast mich über all diese Jahre hinweg geisteskrank gemacht, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken oder auf irgendwelche Einwände meinerseits einzugehen, und nun musst du halt mit dem Ergebnis leben! Dein kleines Spielchen ist endgültig nach hinten losgegangen, also gib endlich auf und sei STILL!‘
 


 

6
 

Während ihrer sinnlosen Diskussion hat sich Joker herumgedreht und streift sich jetzt mühevoll die völlig durchnässten, blutverschmierten und zerrissenen Sachen von seinem geschundenen Leib. Mit einem angewiderten Ausdruck lässt er sie in den Wäschekorb neben sich fallen, obwohl sie später wohl eher in der Mülltonne landen werden.
 

In diesem stolzen Land bin ich stark aufgewachsen

Ich wurde die ganze Zeit gesucht

Mir wurde beigebracht zu kämpfen, zu gewinnen

Ich hätte nie gedacht, dass ich scheitern könnte
 

Als Riddler endlich den Mund hält, wendet Ed unbewusst den Blick zu ihm. Mitleidig registriert er die Verletzungen, die nun alle zum Vorschein kommen. Und da ist noch etwas, das ihm bis jetzt nicht aufgefallen ist. „Du liebe Güte! Seit wann hast du denn das Tattoo?“, fragt er überfordert, während seine Augen wie festgewachsen auf dem herzförmigen Bat-Logo kleben. Verwundert schaut Joker über die Schulter und betrachtet einen Augenblick das Bild auf seinem Steiß. Ein wehmütiges Lächeln gleitet über seine Züge hinweg. Dann entledigt er sich seiner Shorts, steht nun völlig nackt im Raum.
 

Kein Kampf mehr, oder so scheint es

Ich bin ein Mann, dessen Träume ihn alle verlassen haben

Ich habe mich geändert, ich habe mich geändert

Aber niemand will dich, wenn du verlierst
 

Peinlich berührt wendet Ed nun den Blick ab, auch wenn es ja nicht das erste Mal ist, dass er den Bengel im Adamskostüm vor sich stehen hat. Es ihn eh schon erstaunt, dass ihm der Grünhaarige beim Ausziehen so rücksichtsvoll den Rücken zugewendet hat. Joker spart sich die Antwort auch erst einmal auf, nähert sich nun der Wanne und steigt ganz langsam und vorsichtig hinein. Mit einem wohligen Seufzen lässt er sich ins warme Wasser gleiten, verzieht dabei aber dennoch leicht schmerzlich das Gesicht.
 

Gib nicht auf,

Weil du einen Freund hast

Gib nicht auf,

Du bist noch nicht geschlagen

Gib nicht auf,

Ich weiß, dass du es gut machen kannst
 

Langsam wendet Edward ihm wieder den Blick zu. Es ist ein sehr komisches Gefühl, hier mit einem anderen Mann in der Wanne zu sitzen, doch bei Weitem nicht so schlimm, wie er es sich anfänglich vorgestellt hat. Es ist auch gar nicht so beengt, da Joker so klein und zierlich ist. Ed könnte noch recht bequem neben ihm die Beine ausstrecken, ohne dass sich sein Gegenüber belästigt fühlen müsste, doch er tut es nicht, weil er dem Grünhaarigen jetzt nicht zu nahetreten will. Stattdessen wartet er geduldig darauf, dass ihm der Jüngere vielleicht doch noch antwortet.
 

Obwohl ich es überall gesehen habe

Ich hätte nie gedacht, dass ich betroffen sein könnte

Ich dachte, ich wäre der Letzte, der an dir zerbricht

Es ist so seltsam, wie sich die Dinge drehen
 

„Es erstaunt mich, dass du es bisher nicht bemerkt hast.“, gluckst der kleine Clown leicht, woraufhin Nigma nur verlegen mit den Schultern zuckt. „Ich hab es schon ziemlich lange. – Eigentlich war es sogar mein aller erstes Tattoo. Damals, als Batsy gerade erst auf der Bildfläche aufgetaucht war...“ Jokers Gesicht versucht Gleichgültigkeit auszudrücken, aber Edward kann die beinahe schon hervorspringende Begierde in der Stimme des Jungen hören, die diese jedes Mal unbewusst annimmt, sobald das Thema auch nur ansatzweise auf Batman fällt. Selbst jetzt ist seine Obsession für den Dunklen Ritter deutlich spürbar, obwohl dieser ihm schon wieder wehgetan hat. Er kann einfach nichts dagegen tun, es ist wie ein Fluch, der sie beide auf ewig bindet, und den womöglich nur ihr gemeinsamer Tod brechen könnte...
 

Gib nicht auf,

Du hast noch mich

Gib nicht auf,

Wir brauchen nicht viel gemeinsam

Gib nicht auf,

Denn irgendwo gibt es einen Ort, an den wir gehören
 

„Warte! So lange schon? Batman streift immerhin schon seit gut fünf Jahren durch Gotham! Himmel, da warst du doch gerade mal fünfzehn! Wer, in aller Welt, tätowiert einen Fünfzehnjährigen?“, kommt er erschrocken von dem Rätselmeister. Nun ist es an Joker mit den Schultern zu zucken. „Irgend so ein Typ, der das wohl hauptsächlich für Ex-Häftlinge und Kriminelle macht. Nennt sich Snake. Es war ihm egal, wie alt ich war, solange ich bezahlen konnte, und das konnte ich. Also hat er keine Fragen gestellt, sondern nur gemacht. Er hat aber auch all meine anderen Tattoos gestochen, von daher kennen wir uns inzwischen schon ganz gut.“, berichtet der Junge und betrachtet dabei die schwarzen und roten Muster auf seinen Armen, während seine linke Hand unbewusst in seinen Nacken greift und dort den Smiley betastet.
 

Lass deinen Kopf ruhen

Du sorgst dich zu viel

Alles wird gut

Wenn die Zeiten rau werden,

Kannst du auf mich vertrauen

Gib nicht auf

Bitte gib nicht auf!
 

Verstehend nickt der Brünette. „Magst du mir jetzt vielleicht auch sagen, was passiert ist?“, fragt er nun wieder vorsichtig. Traurig schlägt Joker die Augen nieder und schweigt eine ganze Weile. „Es – war Batsy. – Es ist immer Batsy...“, erwidert er schließlich. Innerlich knurrt Nigma aufgewühlt in sich hinein. „Er – hat dich doch nicht etwa wieder vergewaltigt, oder?“, versucht sich der Ältere Klarheit zu verschaffen, obwohl sein Mitbewohner jetzt noch nicht einmal ansatzweise so mitgenommen wie damals aussieht. Mehr als überrascht sieht Joker ihn daraufhin an. „Was heißt denn hier wieder?“, will er nun skeptisch wissen, hatte er Ed doch nie erzählt, was damals vorgefallen war, lediglich dass er mit Batman aneinandergeraten sei. Schlagartig wird diese Tatsache auch Nigma bewusst und er hebt beschwichtigend die Hände, ehe er sie resignierend wieder ins Wasser sinken lässt.
 

Gib nicht auf,

Weil du einen Freund hast

Gib nicht auf,

Du bist nicht der Einzige

Gib nicht auf,

Kein Grund, sich zu schämen
 

„Tut mir leid, ich – Ach, jetzt ist es sowieso raus, also warum sage ich es dann nicht einfach? – Ich habe gesehen, wie er dich vor drei Wochen misshandelt hat! – Ich war gerade auf dem Rückweg von dem Deal mit Oswald und habe euch beide über die Straße rennen sehen. Ich bin euch nach und habe mich hinter einem Müllcontainer versteckt. – Ich war einfach neugierig, was alles passiert, wenn ihr euch trefft und du dann so zerpflückt nach Hause kommst. Und dann – dann habe ich es gesehen. – Ich war fassungslos, wollte dir helfen, doch der Riddler hat mich nicht gelassen. Er hat sich daran aufgegeilt, wie du leiden musstest. Es war schrecklich! Seiner Meinung nach hattest du gar nichts anderes verdient. – Und als ich ihn endlich niedergerungen hatte, war zwischen euch schon alles vorbei. – Ich hatte angst und bin in meinem Versteck geblieben, bis du dann vorbeigefahren bist. – Es tut mir so unendlich leid!“, flehend mustert er den Grünhaarigen, der ihm nur mit offenem Mund ungläubig zuhört.
 

Gib nicht auf,

Du hast noch mich

Gib jetzt nicht auf,

Ich bin stolz darauf, wer du bist

Gib nicht auf,

Wir wissen, dass es nie einfach sein wird

Gib nicht auf,

Weil ich glaube, dass es einen Platz gibt

Es gibt einen Ort, an den wir gehören – gemeinsam
 

Einen Moment lang ist der kleine Clown einfach nur sprachlos. Dann kommt blanke Wut dazu. Sie hält sich aber nur eine Sekunde, dann lässt er wieder die Schultern hängen und lächelt Ed dann ehrlich entgegen. Er wird immer nur zu Boden gestoßen, getreten, verletzt, und doch steht er immer wieder mit diesem süßen Lächeln auf und macht weiter, als wäre nichts gewesen. „Ist schon gut. Ist nicht deine Schuld. Ich kann verstehen, dass du angst hattest, die hatte ich auch und wie, du kannst es dir gar nicht vorstellen. Nie hatte ich so viel angst, wie in diesem Augenblick, und doch liebe ich ihn...“ Hilflos entgleiten Edward sämtliche Gesichtszüge. „Was?!“
 

Gib bitte nicht auf!
 

Wieder dieses kleine Lächeln, so voller Traurigkeit. „Du hast gefragt, was heute Nacht passiert ist und das ist die Antwort. Ich hab ihm gesagt, dass ich in ihn verliebt bin. – Er – war damit allerdings nicht sonderlich einverstanden, wie man wohl sehen kann...“ Und das ist der Punkt, an dem Joker völlig zusammenbricht. Das Schluchzen ergreift ihn heftig und trägt ihn, wohin es will. Er hat schlichtweg nicht mehr die Kraft, ihm Einhalt zu gebieten. Er kann seinen Kummer nicht mäßigen, und jetzt hat er endlich mit tiefer und völlig unlogischer Erleichterung festgestellt, dass es ihm auch überhaupt nicht mehr danach verlangt.
 

Stattdessen überbrückt er den kurzen Abstand zu Edward und fällt ihm haltlos weinend in die Arme. Der Rätselmeister ist anfangs sehr überfordert damit – so viel nackte Nähe und heftige Emotionen zu verkraften, gehört nun wirklich nicht zu seinen Stärken. Erst recht nicht mit dem fluchenden Riddler in seinem pochenden Kopf. Doch nach einem Moment gibt er sich einen Ruck, schlingt die Arme um den bebenden Körper und drückt ihn tröstend an sich.
 

So sitzen sie eine ganze Weile in der Wanne, und als sich Joker endlich wieder fängt, ist das Wasser bereits empfindlich kalt geworden. Allerdings will keiner von beiden die fast schon tröstende Enge verlassen, also dreht Ed einfach den Hahn auf, hofft, dass noch etwas Warmwasser übrig ist, und erzeugt eine neue Wohligkeit, obwohl ihm so etwas sonst nie in den Sinn kommen würde. Aber ihm ist irgendwie bewusst, dass Joker gerade nicht der Einzige ist, der das jetzt mehr als alles andere braucht...
 


 

7
 

Seufzend sitzen die beiden zusammen in der Wanne und hängen ihren Gedanken nach. Ed kann noch nicht so recht begreifen, dass Joker tatsächlich in Batman verliebt sein soll, doch es ist einfach nicht zu übersehen, dass es stimmt. Aber warum geht ihm das selbst so nahe? Es schmerzt ihn, dieses Geständnis von dem Jungen ihm gegenüber zu hören. Und da ist sie wieder, diese unbegreifliche Eifersucht, die er schon vor drei Wochen verspürt hat, als er mitansehen musste, wie sich der Dunkle Ritter so grausam an dem kleinen Clown vergriffen hat. Joker hat in jedem Fall etwas Besseres als diesen brutalen Trottel verdient, etwas viel Besseres!
 

‚Oh, wag es ja nicht erst, auch nur daran zu denken!‘, faucht ihm seine schlechtere Hälfte entgegen. ‚Du sollst doch still sein!‘, giftet Ed zurück. ‚Ich denk ja gar nicht dran! Oder glaubst du etwa, ich bin scharf drauf, dabei zu sein, wenn ihr euch gleich gegenseitig das bisschen Hirn rausvögelt, das ihr zusammen habt?‘ ‚Dann verschwinde doch einfach, dann musst du es nicht ertragen!‘, hält Ed dagegen. ‚Das hättest du wohl gern, was? Doch dann kannst du auch gleich von der nächsten Brücke springen! Du brauchst mich! Bist ja gar nicht in der Lage, ein eigenständiges Leben zu führen!‘ ‚Und da liegt dein Fehler! Ich brauche dich nämlich nicht, schon lange nicht mehr, falls überhaupt jemals, doch du brauchst mich! Du bist nur eine körperlose Zecke, die mich immer weiter aussaugt und mich immer wieder daran hindert, glücklich zu sein!‘ ‚Ha! Red dir das nur weiterhin ein! Aber komm nicht angekrochen, wenn dir dieser dämliche Clown den Arsch aufgerissen hat! Ich helfe dir dann nämlich auf keinem Fall!‘
 

Verstimmt beginnt Edward zu knurren und hält sich den inzwischen schon ziemlich pochenden Kopf. Nun ist es an Joker ihn besorgt anzusehen. „Stimmt was nicht?“ Gepeinigt wendet ihm der Ältere das Gesicht zu. „Riddler...“, flüstert der Brünette einfach nur, ehe er sich wieder dem Schmerz in seinem Schädel ergibt. Verärgert verzieht der Grünhaarige das Gesicht und verdreht genervt die Augen. Es ist doch immer das Gleiche. Kein vermeintlich schöner Moment hält lange an, ohne dass dieses Ass seinen Senf dazugeben muss! Joker fackelt daher auch nicht lange, weiß er doch nur zu gut, was in solchen Momenten hilft. Geschwind überbrückt er den kurzen Abstand zum Rätselmeister, und ehe dieser fragen kann, was jetzt wieder los ist, presst der Verrückte seine Lippen auch schon auf die seinen. Harsch verstärkt er den Druck, sodass Edward ein überfordertes Wimmern von sich gibt. Doch er entzieht sich dem Jüngeren nicht, und dass nicht nur, weil er dafür keinen wirklichen Platz hat.
 

Zornig hört er den Riddler in seinem Kopf noch einen Moment besonders doll wüten, dann schlagen die Türen seines Gefängnisses lautstark krachend zu und sperren ihn weg, sodass Nigma seine Gedanken endlich wieder für sich allein hat. Dieses Gefühl ist so befreiend, dass sich der Brünette langsam in den Kuss hineinfallen lässt. Ganz vorsichtig und hauchzart erwidert er schließlich sogar die Bemühungen des Kleineren. Hilflos ergeben schließt er die Augen und lässt all diese Gefühle auf sich herniedergehen.
 

Der junge Clown zögert allerdings keinen Moment, als er spürt, dass Ed ihm wohlwollend entgegenkommt. Angetan verstärkt er den Kuss noch etwas mehr, gleitet fahrig mit der Zunge über die Lippen des Rätselmeisters. Fordert Einlass von ihm. Dabei schleicht sich seine Hand auf den Oberschenkel seines Gegenübers und wandert zielstrebig daran hinauf. Nigma platzt fast der Kopf und doch wird ihm plötzlich bewusst, dass das hier nicht richtig ist. Doch nicht, weil Joker ebenfalls ein Mann ist oder er das angetrocknete Blut auf dessen Lippen nur allzu deutlich schmecken kann, sondern weil der Grünhaarige verletzt ist und sein Herz doch eigentlich einem anderen gehört. Würde er dem Drängen des Jüngeren jetzt nachgeben, würde es nur dazu dienen, dass Joker damit zu kompensieren versucht, dass Batman nichts von seinen Gefühlen wissen will. Edward wäre somit nichts weiter als ein Notnagel, und das will er nicht.
 

Die Gefühle des Rätselmeisters für Joker haben anfänglich nicht selten zwischen Vorsicht, nackter Panik und sogar einer Art seltsamer Verachtung geschwankt. Respekt war langsam dazugekommen. Dann die zarte Knospe von Freundschaft, Brüderlichkeit, geistige wie auch emotionale Verbundenheit. Und jetzt? Unerklärliche Eifersucht dem Dunklen Ritter gegenüber und womöglich der Beginn einer Liebe, die er nicht dachte, jemals zu empfinden – nicht mit dieser penetranten Stimme in seinem Kopf. Das will er jetzt nicht kaputtmachen, wenn er sich dem Jüngeren nun womöglich hingibt. Zumal er sich seiner Gefühle noch nicht einmal ganz im Klaren ist, nicht, solange Riddler immer wieder alles infrage stellt.
 

Schweren Herzens drückt er den Irren daher nun vorsichtig von sich weg, bevor dieser ihn berühren kann. „Warte...“, keucht er. „Was ist?“, fragt Joker verwundert. „Der Riddler – er ist weg. Und – mir ist ganz schwindlig...“ „Mir auch...“, erwidert der Kleinere und lässt von ihm ab. Alarmiert betrachtet ihn der Brünette. „Wirklich? Vielleicht ist das Wasser zu warm? Du bist schließlich verletzt und...“ „Willst du etwa, dass ich gehe?“, fragt der Clown in einem seltsamen Tonfall, den Ed nicht recht deuten kann. „Nein, so war das nicht gemeint...“ „Gut. Ich will nämlich nicht raus aus der Wanne.“ „Okay, dann bleib hier, solange du willst.“
 


 

8
 

Eine Weile sitzen sie einfach nur zusammen im Schaum und mustern den anderen vor sich. „Ich – würde mich gern unterhalten, wenn du nichts dagegen hast. Ich mag so eine erdrückende Stille nicht...“, kommt es schließlich von Edward. Schüchtern betrachtet er den anderen Jungen. „Klar, warum nicht. Worüber willst du denn reden?“ „Hm, eine gute Frage. – Vielleicht – also du musst nicht antworten, wenn es dir zu nahe geht oder so, aber – magst du mir vielleicht von deinem ersten – nennen wir es Liebhaber – erzählen? Ich kenne den Typen zwar nicht, bin aber trotzdem irgendwie neugierig, wie er so war und was euch womöglich entfremdet hat...“ Der Gedanken ist Nigma sichtlich unangenehm, dennoch wüsste er gern mehr über diesen Teil im Gefühlsleben des Verrückten – allein schon seiner eigenen Emotionen wegen.
 

Irritiert sieht er nun mit an, wie sein Gegenüber in ausgelassenes Gelächter ausbricht, das all den Schmerz wegzufegen scheint, der ihn erst zu ihm in die Wanne gebracht hat. „Was ist so lustig?“ „Naja, du kennst ihn, dass ist das Lustige daran. Es ist nämlich Batsy!“ „Du veralberst mich doch, oder?“ „Nee, so was mache ich in dem Fall nicht. Aber wie heißt es so schön? Er ist mein One and Only. Außer Batsy gab es bisher niemanden in meinem Leben und das macht es ja so abgefuckt, weil ich alles mit ihm zum ersten Mal habe und es ihn kein bisschen kümmert...“, niedergeschlagen lässt er wieder die Schultern hängen. Das wollte Ed nun wirklich nicht, hatte er doch gehofft, dass die Antwort eine andere ist. Doch der Grünhaarige erinnert sich einfach nicht mehr an sein Alter Ego Jack Napier und an Sam – den zurückgebliebenen Jungen, der den Joker erst wirklich in ihm erwachen ließ –, den er damals im Heim geliebt hatte, bevor der Wahnsinn jegliches vernünftige Denken in ihm zu zerfressen begann. Zumal er auch mit Sam nicht die Gelegenheit zu haben schien, Zärtlichkeiten auszutauschen, wenn sich Ed recht an das erinnert, was ihm der ausgelöste Clown damals erzählt hatte.
 

Langsam ergreift Nigma den Waschlappen am Wannenrand, taucht ihn ins warme Wasser und rückt dann etwas näher an seinen Mitbewohner heran. „Tut mir leid. Ich wollte dich nicht wieder an ihn denken lassen...“, meint er mitfühlend und reibt dann ganz sanft mit dem Lappen über das Gesicht des Jokers. Dabei beginnt sich die verschmierte Schminke des Jungen allmählich zu lösen. Mit großen Augen betrachtet ihn der Grünhaarige. Dann wird ihm klar, was der Rätselmeister versucht und er weicht vor ihm zurück. „Nicht! Sonst kannst du doch mein Gesicht sehen...“, setzt er sich halbherzig zur Wehr. „Ich weiß doch, wie du ohne Make-up aussiehst, schon vergessen?“ Resignierend lässt der Jüngere die Hände sinken und schlägt die Augen nieder, woraufhin Nigma seine Arbeit wieder aufnimmt.
 

Ed denkt nicht zum ersten Mal, dass Joker ein Gesicht hat, in das er sich vielleicht wirklich verlieben könnte, und dass erfüllt ihn irgendwie doch mit ganz leichtem Unbehagen. Langsam wischt er ihm den Rest der Schminke ab und verdrängt dabei den Gedanken vehement. Solche irrwitzigen Annahmen sind im Moment absolut nicht das, was der aufgelöste Clown gebrauchen kann. Und er selbst schon mal gar nicht. Nein, jetzt braucht Joker erst einmal einen Freund, der ihn vergessen lässt, was Batman doch eigentlich für ein gefühlloses und egoistisches Arschloch ist.
 

„Weißt du, du solltest nicht mehr an Batman denken. Er ist nicht gut für dich, und dass wird sich vermutlich auch nicht so bald ändern.“ „Du hast sicher recht...“, kommt es den Tränen nahe von dem kleinen Clown, während Ed den Lappen wieder zur Seite legt. Vorsichtig hebt er nun die Hand und streicht damit ganz sanft über die Narbe auf Jokers linker Wange. Merklich zuckt der Grünhaarige zusammen, weicht diesmal aber nicht wieder vor ihm zurück. „Gib nicht auf, Törtchen! Eines Tages wirst du sicher den Richtigen finden und sehr glücklich werden!“, meint Ed liebevoll und lächelt ganz sanft, fast wie eine Mutter, die ihr unglückliches Kind zu trösten versucht.
 

Überrascht weiten sich die unnatürlich roten Augen. „Törtchen?“, fragt er verwirrt. „Oh...“, entkommt es dem Brünetten, während er knallrot anläuft, war ihm dieses Wort doch so unbedacht herausgerutscht. Unweigerlich fängt der Kleinere an zu grinsen. „Wie kommst du denn bitte auf Törtchen?“ Peinlich berührt versucht Edward seinem Blick auszuweichen, wobei sich seine Wangen nur noch dunkler färben. „Naja, ich dachte, weil du mir einen Spitznamen gegeben hast, könnte ich das vielleicht auch?“ „Klar, sehr gern sogar, mein Hübscher! Aber warum ausgerechnet den?“ „Warum nennst du mich denn so?“, stellt Ed die Gegenfrage, die ihm eigentlich schon von Anfang an im Kopf herumschwirrt. „Ganz einfach, weil ich dich halt unglaublich niedlich finde!“, grinst Joker ausgelassen. So hat er schon seit Tagen nicht mehr gestrahlt, was das Herz des Rätselmeisters merklich höherschlagen lässt.
 

„O-kay. – Und ich finde eben, dass du wie ein Törtchen aussiehst.“ „Wie bitte?“, fragt der Clown lachend. „Naja, ich habe nach einem passenden Spitznamen für dich gesucht und dachte, da du Süßigkeiten so gern magst, wäre es eine gute Idee, dich nach etwas Süßem zu benennen. – Zuerst kam ich ja auf Muffin, weil meine Tante eine Katze hatte, die so hieß. Das fand ich dann aber doch zu farblos, zumal diese Katze ein echtes Mistvieh war und mich ständig nur gekratzt hat, obwohl ich ihr nie was getan habe. – Daraufhin fiel mir dann Cup Cake ein, aber das sagt sich irgendwie nicht so gut. Also habe ich mich gefragt, was ist sonst noch bunt und süß. Ich kam auf eine Torte. In der Straße, in der ich aufgewachsen bin, gab es einen ganz fantastischen Konditor, der immer unglaublich aufwendige Torten im Schaufenster stehen hatte, und daran habe ich gedacht. Aber Torte klingt irgendwie abwertend, als wärst du ein Mädchen, das von seinem machohaften Freund so genannt wird. Das bin ich nun wirklich nicht und du schon mal gar nicht. – Schließlich kam ich dann zu Törtchen, weil du ja auch so klein bist. Klein und süß, wie ein Törtchen eben...“, entschuldigend blickt ihn der Brünette an.
 

„Oh, Ed...“, schnieft Joker nun wieder in Tränen aufgelöst. Leicht erschrocken sieht Nigma ihn an. „Bitte nicht wieder weinen! Ich sage es nie wieder, wenn es dich so stört...“ Hastig schüttelt der kleine Clown den Kopf. „Nein, es gefällt mir sehr gut! Noch nie hat mir jemand einen so netten Namen verpasst! Ich war immer nur die dumme Schwuchtel, der elende Mistkerl, der verrückte Irre und so einen Mist. Doch Törtchen ist einfach wunderschön! Danke!“, räuspert er sich und beruhigt sich allmählich wieder. „Okay. Dann bist du ab jetzt mein Törtchen!“, lächelt Edward glücklich, wobei ihm das Herz bis zum Hals hinauf schlägt und er schwerlich ein paar Tränen zurückdrängen muss. Doch in diesem Moment hat er unbewusst den Grundstein für ihre weitere Zukunft gelegt...
 


 

9
 

Nach einer Weile des Schweigens lächelt Joker wieder und ergreift das Wort. „So, meinen Stecher kennst du ja nun und viel gibt es da auch nicht zu sagen, wie du selbst ziemlich gut weißt. Du warst ja praktisch von Anfang an mit dabei, auch wenn ich dir die Einzelheiten unserer anderen Treffen dennoch erspare, du hast immerhin genug gesehen, dass es dir noch Jahre reichen wird.“, grinst der Grünhaarige, während Edward sichtlich unwohl dreinschaut. „Doch was ist mit dir, mein Hübscher? Wie hat sich dein Liebesleben bisher so gestaltet?“, will der Clown nun wissen. Sichtlich läuft der Brünette rot an, weicht seinem Blick aus und denkt nach. Schließlich seufzt er schwer. Warum es verheimlichen wollen, dass er bis jetzt nicht sonderlich viel Glück mit seiner Partnerwahl hatte? Es ist wohl eher ersichtlich, sonst wäre ja wohl auch eine Frau an seiner Seite, trotz seiner kriminellen Vorgeschichte – oder gerade deswegen vielleicht sogar. Seinem Gegenüber geht es mit Batman ja auch nicht viel besser. Und er ist sich zudem sicher, dass er bei Joker weitaus eher auf Verständnis stoßen wird als beim Riddler, der ihn noch heute mit all dem liebend gern aufzieht, weil er ihn eben für einen jämmerlichen Versager auf ganzer Linie hält...
 

„Naja, sonderlich glücklich war ich wohl auch nie. – Ich habe es ebenfalls immer wieder geschafft, an die falschen Frauen zu geraten, habe diese Tatsache aber jedes Mal viel zu spät bemerkt und sah mich dann mit meinem gebrochenen Herzen konfrontiert oder wurde sogar zum Gespött meiner Mitmenschen...“, beginnt er unwohl. Mit einem traurigen Blick gefangen in seinen Erinnerungen zieht er die Knie an und lässt sich so weit wir möglich in den Schaum hinabgleiten, sodass ihm das tröstlich warme Wasser über die Schultern fließt. Nachdenklich wendet er den Blick Richtung Decke und sortiert die Ereignisse, die sein Leben nachhaltig geprägt haben. Mitfühlend wird er dabei von dem Jüngeren beobachtet. Nach einer Pause beginnt Nigma schließlich zu erzählen.
 

„Meine erste Freundin hatte ich mit vierzehn. Sie war damals ein Jahr älter als ich und wir gingen in dieselbe Klasse. Eine richtige Freundin war sie allerdings nicht. Sie war das hübscheste Mädchen der ganzen Schule und dementsprechend beliebt und umschwärmt. Ich war hilflos in sie verschossen, anders kann man es wohl kaum ausdrücken. Das hat mich gleichzeitig aber auch völlig blind gemacht, sonst hätte ich vermutlich mitbekommen, welcher Ruf ihr anhaftete. Riddler hat ebenfalls nichts bemerkt. Ich könnte mir ja einreden, dass wir beide in der Pubertät gefangen waren und seine Hormone vermutlich weit mehr mit ihm durchgingen, als es bei mir jemals der Fall war, aber egal. Es erschien mir unmöglich einzuschätzen, wie alt er überhaupt ist. Er scheint sich seit seinem Auftauchen gar nicht verändert zu haben, als würde ich ständig in einen Spiegel blicken, der mir zeigt, was irgendwann einmal aus mir werden wird, solange, bis wir jetzt gleich alt zu seien scheinen. – Egal. Er war damals jedenfalls auf praktisch jedes weibliche Wesen aus, doch sein Einfluss auf mich war bei Weitem geringer als heute, sodass es ihm noch nicht gelang, Führung über meinen Körper zu bekommen und so einen Schuss zu landen. Glücklicherweise ist ihm das auch sonst nie gelungen, wenn ich mal Sex hatte, sonst hätte ich mich wohl augenblicklich von dem entsprechenden Mädchen trennen müssen, da sie den Unterschied in jeden Fall gemerkt hätte, so herrisch und grob wie der Riddler doch sein kann. Führung übernehmen konnte er erst, nachdem ich völlig am Boden war und in den Wahnsinn abzurutschen begann. Also praktisch mit dem Auftauchen von Batman.“, seufzend holt er Luft und versucht dabei den Gedanken an seine schlechtere Hälfte zu verdrängen.
 

„Ich schweife ab, fürchte ich...“ „Nicht so schlimm. Sag mir nur eben schnell, wie lange ist der Riddler eigentlich schon bei dir?“, wirft der kleine Clown ein. „Oh, eine gute Frage. Meine Kindheit war ziemlich zerrüttet und lieblos. Irgendwann ist mein Vater abgehauen und hat sich eine Jüngere gesucht. Meine Mutter hat das nicht gut verkraftet, verfiel dem Alkohol und hat mich ab dann praktisch völlig ignoriert. Irgendwann hat man sie dann stockbetrunken auf der Straße aufgegriffen und ich kam zu meiner Tante. Sie war nicht sonderlich begeistert davon, also war es dasselbe Spielchen in einem anderen Haus und mit einer streitlustigen Katze. Ich war daher schrecklich einsam, hatte keine Freunde und niemanden, der sich auch nur einen Deut um mich geschert hat. Ein paar Monate ging das so weiter und dann tauchte der Riddler plötzlich auf. Ich vermute, dass er schlichtweg aus meiner Verzweiflung heraus geboren wurde und aus dem ewigen Drang nach Rätseln, der da auch immer stärker wurde und für mich den einzigen Trost darstellte. Damals war ich gerade zwölf geworden. Am Anfang war er sehr verständnisvoll und ich habe gar nicht recht registriert, dass er nicht wie der übliche unsichtbare Freund eines Kindes ist, sondern tatsächlich in meinen Gedanken wohnt und mich manipuliert. Doch das habe ich schnell begriffen. Er war aber noch längst nicht so penetrant wie heute, weil er mich damals auch noch viel leichter zu irgendetwas überreden konnte. Doch mein eigener Willen und ein gewisser Sinn für Logik und Gerechtigkeit wurden im Laufe der Jahre stärker und das hat ihn immer mehr verärgert, bis er dann die Kraft hatte, mich völlig zu unterdrücken. Aber das kam erst viele Jahre später mit Batman...“
 

„Oh man, das war sicher alles nicht gerade leicht für dich. Erst recht, wo du sicher dachtest, dass du jetzt endlich einen Freund gefunden hast, der dich versteht...“ „Ja, er wurde einfach immer mehr zum unsichtbaren Feind in mir. Das war sehr beängstigend und doch habe ich es so sehr genossen, wenn er sich Batman gegenübergestellt hat und die Fledermaus an einem meiner Rätsel zu verzweifeln drohte. Dann habe ich mich richtig gutgefühlt. Aber auch nur dann. Alles andere war und ist wie die Hölle mit ihm als Teufel darin...“ „Das glaub ich gern, also reden wir jetzt lieber nicht mehr von diesem Scheißkerl. Erzähl mir was von deinen Tussies!“, grinst der Kleinere keck, was auch Ed ganz leicht schmunzeln lässt, ehe er den Faden wiederfindet und trübsinnig weiterspricht.
 

„Okay, ihr Ruf war also nicht der beste und beschrieb sich darin, dass sie es praktisch mit jedem getrieben hat. Es war für sie wie eine Art Sport, indem es galt, möglichst viele Punkte oder eben Typen zu sammeln. Ich war der letzte Junge unseres Jahrgangs, mit dem sie noch nicht im Bett war, was vermutlich auch nicht verwunderlich war, ich war schließlich der Inbegriff eines Strebers und solche Mädchen fangen immer bei den Sportlern an und arbeiten sich nur im besten Fall irgendwann nach unten vor. Wobei jemand wie ich wohl eher als eine Art Wette angesehen wird, die man mit seinen Freundinnen abhält. Im Grunde war es auch nichts anderes, wie ich später erfahren habe. Doch das ist unwichtig...“, wieder ein Seufzen, diesmal deutlich schwerer.
 

„Ich war in jedem Fall hin und weg, als sie mich ansprach und wir uns zu einem Treffen verabredet haben. Wir waren ganz klassisch zusammen im Kino, wo wir sogar in der letzten Reihe ein bisschen geknutscht haben...“, Ed wird wieder sichtlich rot um die Nase, räuspert sich jedoch und erzählt dann ungerührt weiter.
 

„Anschließend kamen wir auf dem Heimweg am Schrottplatz vorbei und sie meinte, sie will von dort aus die Sterne beobachten. Also haben wir uns ein altes Auto gesucht und es uns da gemütlich gemacht. – Mit Sterne gucken war jedoch nicht viel, da es sich mittlerweile ganz schön zugezogen hatte und daher haben wir da weiter gemacht, wo es mir im Kino mit all den anderen Leuten um uns herum zu viel wurde...“, schwer schluckend stockt er und starrt nur den Schaum vor sich an. „Was ist?“, fragt der Grünhaarige irritiert. „Es – ist mir furchtbar peinlich, was dann passiert ist...“, gesteht der Rätselmeister, ohne den Blick zu heben.
 

„Ach, Quatsch! Vor mir muss dir doch nichts peinlich sein. Ich bin auch nur ein Kerl und versteh das. Also raus damit!“ Die Röte im Gesicht des Brünetten wird nur noch deutlicher. „Nun sag schon! Du warst aufgeregt. Es war dein erstes Mal, schon klar. Was kann da im schlimmsten Fall passieren?“, fragt Joker keck grinsend, doch von Ed kommt immer noch keine Antwort. „Schön, dann rate ich eben. Aber du darfst dich dann nicht beschweren, wenn ich einen Volltreffer lande! – Hm, okay, grenzen wir das mal etwas auf die üblichen Verdächtigen ein. – Entweder du hast keinen hochgekriegt oder es ist gleich in die Hose gegangen.“, amüsiert sich der Clown. „Oh, Gott...“, gibt Edward nur von sich und möchte vor Scham am liebsten im Boden versinken.
 

„Was jetzt? Ging’s etwa in die Hose?“, bohrt der Verrückte nun nach, setzt dabei aber einen erstaunlich mitfühlenden Blick auf. Stumm nickt der Rätselmeister und vergräbt sein glühendes Gesicht unter seinen Händen. Tröstend streicht Joker ihm ein paar feuchte Strähnen aus der Stirn. „Schon gut, mein Hübscher, dass ist nichts Schlimmes. Das passiert vielen Jungs beim ersten Mal. Und du glaubst ja gar nicht, wie oft es mir schon in die Hose gegangen ist, wenn ich nur an Batsy gedacht habe! So was ist echt scheiße, lässt sich aber nicht ändern. Also, Kopf hoch, mein Hübscher! Ist doch alles schon lange her...“, versucht ihn der Jüngere etwas aufzumuntern. „Ja, dass mag sein, aber sie hat mich ausgelacht und ist dann abgehauen. Am nächsten Tag wusste es bereits die ganze Schule! Wer vorher noch keinen Grund hatte, mich zu hänseln, hatte dann in jedem Fall einen, und bis ich auf eine höhere Schule kam, durfte ich mir die tollsten Sprüche gefallen lassen, und dass war noch das Netteste. Außerdem hat mich auch noch der Riddler ausgelacht, obwohl er ja dadurch auch nicht besser dran war als ich...“
 

„Ach, du mein Armer...“, kommt es traurig von dem Kleineren. Ergriffen beugt er sich vor und zieht Ed in seine Arme. Überrascht zuckt der Brünette zusammen, lässt es sich aber gefallen. Irgendwie kommt er sich dabei aber dennoch ein bisschen dumm vor. Denn immerhin wollte er doch Joker trösten und jetzt ist es der durchgeknallte Clown, der ihn tröstet. Naja, wenn man es mal von der guten Seite betrachtet, denkt der Bengel somit zumindest nicht an Batman...
 


 

10
 

„Das war dann also nicht wirklich dein erstes Mal.“, stellt der Kleinere in den Raum, als er sich wieder in der Wanne zurücklehnt und Ed sich etwas beruhigt hat. „Nein, nicht wirklich. Obwohl ich es immerhin unter ihre Bluse geschafft hatte, als es passiert ist. Wäre ich also der Typ Mann, der mit so etwas vor seinen Freunden angibt, könnte man das immerhin als kleinen Sieg betrachten, doch so bin ich nun mal nicht. – Mein erstes Mal hatte ich dann erst mit siebzehn, als ich die Schule beendet hatte und auf der Suche nach einer Ausbildung war. Wir haben uns in einem Café kennengelernt und dann verlief erstaunlicherweise alles ganz normal. Daher ist es auch nicht der Rede wert. Der Sex war toll und wir liebten uns sehr, hatte ich zumindest das Gefühl. Aber nach nur drei Monaten hatte sie die Nase voll von mir und insbesondere von meinen Rätseln, die mich da schon ziemlich eingenommen hatten. Es verging praktisch kein Tag, an dem ich sie damit nicht genervt habe. Doch ich habe es einfach nicht wahrgenommen, bis sie gesagt hat, dass Schluss ist...“
 

„Das ist nicht deine Schuld, mein Hübscher. Wenn sie dich wirklich geliebt hätte, dann hätte sie dafür Verständnis gehabt und dich nicht wegen so etwas Albernem sitzen lassen. Es gehört einfach zu deiner Persönlichkeit, und dass muss sie doch gewusst haben...“ „Sicher hat sie das gewusst, immerhin habe ich ihr beim Kennenlernen auch ein paar Rätsel gestellt. Sie kam zwar nie auf die Lösung, was ich auch gar nicht erwartet habe, sie tat aber stets so, als fände sie das ganz klasse. Daher war ich mehr als nur vor den Kopf gestoßen, als sie das als Grund für die Trennung genannt hatte. Vielleicht war es auch etwas Anderes und sie wollte mir nur eins auswischen, indem sie auf meinen Rätseln herumhackt, aber was spielt das schon für eine Rolle?“
 

„Da hast du recht. Es spielt überhaupt keine Rolle, was der Grund war. Sie ist abgehauen und das war’s dann. Aber keine Sorge, mein Hübscher. Ich werd nicht einfach verschwinden, wenn ich keine Lust mehr auf deine Rätsel hab, auch wenn es mich oft genug ärgert, dir dann zuzuhören. Was aber vielleicht auch nur daran liegt, dass ich nicht die Geduld hab, nach einer Lösung zu suchen.“ „Halb so wild. Du gibst dir zumindest Mühe und sagst mir ja auch ab und an, dass es dich jetzt langsam nervt, und dass finde ich schon mal sehr gut. Sag es mir einfach weiterhin, wenn es dir zu viel wird, dann versuche ich aufzuhören.“ Lässig winkt der junge Clown ab. „Mach ruhig weiter, sonst platzt dir womöglich noch der Kopf. Ich geh im schlimmsten Fall einfach mal vor die Tür, wenn’s mir zu anstrengend wird.“
 


 

11
 

Langsam fangen die beiden an sich zu waschen, doch Nigma wirkt weiterhin nachdenklich, sodass Joker ihn fragt, ob es da vielleicht noch ein Mädel gab, das ihm das Herz schwergemacht hat. „Ja, das gab es tatsächlich. – Eigentlich dachte ich, dass sie meine große Liebe wäre, doch – ich war so blind! – Ich war zwanzig und hatte gerade meine Ausbildung zum IT-Techniker beendet, als ich sie kennenlernte. Sie ging auf die Schwesternschule ganz in der Nähe, weshalb wir uns oft in der Bahn gesehen haben, und hat mir förmlich von Anfang an den Kopf verdreht. Sie schien so perfekt zu sein und hatte sogar sichtlichen Spaß an meinen Rätseln! Sie war überaus klug und entsprach damit ganz und gar nicht der allgemeinen Meinung von Blondinen, sodass sogar der Riddler mehr als nur angetan von ihr war. Wir waren praktisch beider der Ansicht, dass sie die Frau ist, mit der wir den Rest unserer Tage verbringen könnten. Sie vielleicht sogar heiraten und eine Familie gründen...“, verständnislos lächelnd schüttelt der Brünette über diese naiven Gedanken den Kopf.
 

„Wir waren ein Jahr zusammen und haben seit vier Monaten zusammengewohnt, ehe ich bemerkt habe, wie der Hase wirklich läuft. Inzwischen hatte ich eine Stelle bei einem großen Softwareunternehmen bekommen und stieg dort schnell die Leiter nach oben. Alles war so wunderbar, dass es kaum zu fassen war. Das allein hätte mich schon stutzig machen sollen, war mein bisheriges Leben doch nicht gerade von solchem Glück gepflastert. Doch ich ging so in meiner Arbeit, meinen Rätseln und der Beziehung zu ihr auf, dass alles andere unwichtig schien.“, tief holt er Luft und setzt dann zum Schlussakt seiner Geschichte an.
 

„Eines Tages kam ich früher von der Arbeit nach Hause, weil ein paar Umbauarbeiten durchgeführt wurden. Bis heute weiß ich nicht, warum ich nicht einfach in ein Café oder dergleichen gegangen bin, um dort weiterzuarbeiten. Hätte ich es getan, hätte unsere Beziehung sicher noch etwas länger gehalten. Ich wusste allerdings, dass sie an diesem Tag frei hatte und dachte daher, dass es vielleicht nett wäre, wenn wir zusammen Zeit verbringen könnten, vielleicht essen gehen oder so, bevor ich weitermachen würde.“, ein tiefes Seufzen.
 

„Naja, das Ende vom Lied war, dass ich sie mit einem anderen Kerl im Bett erwischt habe und dabei förmlich meine ganze Welt vor meinen Augen zerbrochen ist. Es war der letzte Stoß, den ich noch brauchte, um völlig in meinem Wahn zu versinken und Riddler damit alle Türen zu öffnen, die ihm bis dahin verschlossen geblieben waren. Was sich auch praktisch auf der Stelle gezeigt hat, weil ich eine Pistole auf diesen Mistkerl gerichtet habe...“ Beim Gedanken an diesen leichtsinnigen Irrsinn ballt Ed zornig die Fäuste. Er entspannt sie erst wieder, als er die Stimme seines Mitbewohners hört. „Du hattest echt ´ne Knarre? Warum das denn?“ Überrascht sieht ihn der Brünette an und wird dabei ganz rot um die Nase.
 

„Ähm, das kam daher, dass ich immer mit dem Zug fahren musste und die Strecke durch einige ziemlich miese Gegenden verlief. Ich habe oft bis spät abends gearbeitet und musste immer im Dunkeln nach Hause. – Ich habe mich mit der Waffe einfach sicherer gefühlt. Allerdings hatte ich sie nie vorher auf ein lebendes Wesen gerichtet. Doch in diesem Augenblick hätte ich vermutlich abgedrückt, oder sogar bereitwillig Riddler die Führung überlassen, der in jedem Fall abgedrückt hätte, wenn der Kerl nicht so eine Panik bekommen und angefangen hätte zu heulen. – Gott, der Typ war ein ganzes Stück größer als ich und mit Muskeln bepackt wie Bane! Ich glaube, er war sogar Türsteher in einer Oben-ohne-Bar. Aber als er in den Lauf meiner Magnum geblickt hat, war er auf einmal wie ein verschrecktes Kind und hat splitternackt die Flucht ergriffen...“, ein überaus befriedigtes Lächeln huscht über sein Gesicht, das so gar nicht zu ihm passen will.
 

„Nachdem der Kerl also weg war, stellte ich sie mit vorgehaltener Waffe zur Rede. Allerdings kam nichts außer einer verzweifelten Entschuldigung. Anschließend habe ich sie vor die Tür gesetzt. Doch damit war es noch nicht erledigt. Ich kann wahrscheinlich von Glück reden, dass keiner der beiden auf die Idee gekommen ist, die Polizei zu rufen. Das war mir in dem Moment aber nicht bewusst. Ich hatte ein gebrochenes Herz, war vollkommen durcheinander und wollte sie einfach nur aus meinem Leben streichen. – In unserer gesamten Beziehung hatte ich sie stets mit teuren Geschenken überhäuft, weil ich wollte, dass sie sich wie eine Prinzessin fühlt, und weil ich immer der Ansicht war, dass ich nicht gut genug für sie bin und sie so vielleicht an mich binden kann. Total verrückt, nicht wahr?“ „Nein, dass finde ich nicht. Diesen Fehler machen sehr viele Männer, auch wenn es ihnen nicht alle Frauen oder Männer auf diese Weise danken. – Wenn man verliebt ist, macht man halt die seltsamsten Sachen...“
 

„Das stimmt wohl. Naja, ich wollte zumindest neu anfangen und daher habe ich all die teuren Schmuckstücke und weiß nicht noch alles, was sie von mir bekommen hatte, genommen und bei einem Pfandleiher gegen meinen Bel Air eingetauscht. Damals war er allerdings noch hellblau. – Am nächsten Tag rief sie mich ganz kleinlaut an, und fragte, ob sie vorbeikommen und ihre Sachen holen könnte. Ich war einverstanden, doch in meinem Kopf war es vollkommen wüst und der Riddler war mindestens genauso außer sich wie ich, was nicht gerade förderlich war, aber ausschlaggebend für das, was dann passiert ist.“, tief holt er wieder Luft.
 

„Während ich darauf gewartet habe, dass sie auftaucht, habe ich all ihre Sachen vor das Gebäude auf die Straße geräumt. Es klingt, wie in einem billigen Film, wenn ich das jetzt so bedenke, doch damals hielt ich es für eine Wahnsinnsidee, um mich für ihren Fehltritt zu rächen. Als sie schließlich da war, habe ich vor ihren Augen Benzin über ihre Sachen gegossen und dann alles angezündet. Das war total irre, doch ich habe mich selten so gut wie in diesem Augenblick gefühlt, als alles in Flammen stand und sie nur noch gekreischt hat.“ „Oh, dass kann ich mir lebhaft vorstellen! Es gibt doch nichts Schöneres als ein ordentliches Feuerchen, um all seinen Gefühlen Luft zu machen!“, gluckst Joker vergnügt.
 

„Dem kann ich nur zustimmen. – Ich bin dann einfach in meinen Wagen gesprungen und davongefahren. Meine Habseligkeiten hatte ich schon vorher eingeladen, damit ich schnell verschwinden konnte. Soweit konnte ich immerhin noch denken. Und wieder war ich erstaunt, dass keine Polizei nach mir gesucht hat, sonst wäre ich heute vielleicht nicht hier. – Stundenlang bin ich durch die Stadt gefahren und habe mich schließlich in einer alten Lagerhalle versteckt. Dort sind meine Gefühle dann mit mir durchgegangen und ich habe mir die Augen aus dem Kopf geweint. Das war gefühlt der einzige Moment, indem der Riddler mich tatsächlich einmal getröstet hat. Vermutlich, weil sie ihm genauso viel bedeutet hat wie mir...“ Langsam tastet der Rätselmeister nach dem Stöpsel, um das schon wieder ziemlich kalte Wasser abzulassen. Anschließend verlassen die zwei die Wanne und beginnen sich anzuziehen.
 


 

12
 

„Und wie ging’s dann weiter?“, fragt der kleine Clown beim Abtrocknen, wobei sie sich beiden den Rücken zukehren. „Zuerst wusste ich nicht viel mit mir anzufangen und habe immer gehofft, dass die Polizei mich nicht findet, falls sie nach mir suchen sollten. Ich habe mich eine ganze Weile dort in der Lagerhalle versteckt und nachgedacht, was ich ab jetzt mit mir anfangen soll. Ich wusste immerhin, dass ich nicht zurückkonnte, weder in meine alte Wohnung noch in meinen Job, der mir eigentlich sehr am Herzen lag. Irgendwann bin ich dann weitergezogen und habe mir ein anderes Versteck gesucht. Dabei handelte es sich um eine aufgegebene Lackiererei, doch das hat mich am Anfang nicht interessiert.“
 

Inzwischen stehen die zwei in Unterwäsche da und Edward betrachtet sich noch einmal die Verletzungen seines Gegenübers. Diesmal ist es aber glücklicherweise nicht so schlimm. Die Lippen den Clowns sind aufgeplatzt und sein linkes Auge ist ein farbenfrohes Veilchen. Hier und da ein paar Kratzer und blaue Flecken, doch zum Glück ist nichts gebrochen oder dergleichen.
 

„Im Internet habe ich dann nach etwas gesucht, dass mir einen neuen Sinn im Leben geben kann. Ich hatte sogar mit den Gedanken gespielt, Gotham zu verlassen und irgendwo neu anzufangen. – Daraus wurde aber nichts, da ich im Netz auf allerhand Berichte zu Batman gestoßen bin. Der Dunkle Ritter, wie ihn die Leute nannten, hatte seine Arbeit erst vor ein paar Wochen begonnen, etwa zu der Zeit, als ich meine Freundin beim Fremdgehen erwischt hatte. Ich war sofort von ihm fasziniert und Riddler ebenfalls. Gemeinsam fassten wir den Plan, dass jetzt Schluss damit sei, dass mich die Welt immer wieder herumschubst und wie Dreck behandelt. Ich verlor völlig den Bezug zur Wirklichkeit...“ Neugierig beobachtet Ed nun, wie Joker nach seinem Make-up greift und sich damit das Veilchen überschminkt. Eine Schicht Heilsalbe glänzt bereits auf seinen geschundenen Lippen.
 

„In einer schicksalhaften Nacht begann ich damit, den Bel Air umzulackieren, so wie er jetzt ist. Danach dauerte es nicht mehr lange, bis ich auf die Suche nach Batman ging, um herauszufinden, ob er wirklich so intelligent ist, wie man sich erzählte. Ich wollte ihn mit meinen Rätseln herausfordern, in der Hoffnung, endlich jemanden zu finden, der mir geistig ebenbürtig ist. Die Vorstellung, dass Batman mit meinem Geist konkurrieren könnte, hat mich mehr in Wallung gebracht, als es je eine Frau geschafft hat. Ich war regelrecht besessenen von ihm, ganz ähnlich wie du...“ „Hat dich der Riddler deswegen auch schon als Schwuchtel beschimpft?“, will Joker erstaunlich ernst wissen. „Nein, weil er dasselbe empfunden hat, wenn nicht gar mehr noch als ich. Wir hatten ja auch beide kein körperliches Interesse an Batman, auch wenn es deswegen nicht weniger erregend war...“
 

Der Grünhaarige erwidert dem nichts, blickt nur weiterhin in den Spiegel über dem Waschbecken. Sein Gesicht ziert aber ein verträumtes Lächeln, das unglaublich traurig wirkt, da er das bestens nachempfinden kann. Ed kann sich nur zu gut vorstellen, dass der Junge nun auch an die Fledermaus denken muss. Erstaunt registriert der Brünette allerdings, dass sein Gegenüber darauf verzichtet, sich das Gesicht zu dieser bunten Maske zu schminken. Vermutlich eine gute Idee. Die Sonne wird gleich aufgehen, was bedeutet, dass sie sich ins Bett zurückziehen sollten. Joker wird sich heute Nacht ganz sicher wieder schminken, doch zum Schlafen muss das nun nicht wirklich sein, erst recht, wenn sie allein sind – auch wenn er sonst grundsätzlich immer geschminkt ins Bett geht.
 

„Somit wurde ich also kriminell, um die Aufmerksamkeit des Rächers zu bekommen. Befriedigung darin zu finden, dass er sich meinetwegen den Kopf zermartert. Das ging eine Weile so, dann stellte er mich und ich landete zum ersten Mal in Arkham. Lange blieb ich jedoch nicht dort, sondern brach aus, um ihm erneut entgegenzutreten. Das Spielchen wiederholte sich die nächsten fünf Jahre immer wieder. Dabei lernte ich nach und nach die anderen geisteskranken Kriminellen kennen, entweder in Arkham oder auf Gothams nächtlichen Straßen. Sie schossen praktisch wie Pilze aus dem Boden, obwohl nur ein gutes Dutzend wirklich ernstzunehmend war und es bis heute sind.“ Inzwischen sitzen die zwei im Schlafzimmer in ihren Betten.
 

„Den Ersten, den ich kennenlernte, war Oswald. Er saß bereits sein ein paar Tagen in Arkham, als ich dort landete. Wir waren uns sofort sympathisch, und dass ist auch heute noch so. Und das war mehr oder weniger meine Geschichte. Den Rest kennst du ja. Es wurden immer mehr Superschurken und wir kamen uns dadurch unweigerlich immer wieder in die Quere, sodass sich Oswald schließlich gezwungen sah, dieses Treffen zu organisieren, bei dem du dann aufgetaucht bist.“
 

„Oh, man. Du hast es wirklich nicht leicht gehabt. Aber immerhin ist es jetzt besser.“ „Ja, jetzt ist es besser, aber nur, weil ich inzwischen entschieden habe, dass alles keinen Sinn mehr hat. Batman hat sich mir gegenüber oft genug bewiesen und ich sehe keine Möglichkeit mehr, dass noch zu steigern, ohne dass irgendjemand zu Schaden kommt. Dem Riddler ist das selbstredend egal. Er liebt das Chaos und will sich an der Spitze Gothams sehen, ich aber nicht. Daher habe ich die Konfrontation mit Batman aufgegeben und versucht jetzt, meine schlechtere Hälfte in den Griff zu bekommen, um ein friedliches Leben führen zu können, was mich letztendlich ja auch hierhergebracht hat.“
 

Langsam erhebt sich der kleine Clown und tritt am Edwards Bett heran. „Das war eine gute Idee und manchmal wünschte ich, ich könnte das auch. Aber ich fürchte, dass ist nicht so einfach, auch wenn ich keinen irren Spinner im Kopf hab, der mir nur scheiße erzählt...“, traurig lässt er die Schultern hängen. „Das glaube ich dir gern. Aber ich bin sicher, dass du das schaffst! Ich helfe dir dabei, wenn du mich lässt. Du brauchst Batman nicht und Arkham schon gar nicht! Dort können sie uns nicht helfen, dass können wir nur gegenseitig, habe ich manchmal so das Gefühl. Doch es ist ein langer und beschwerlicher Weg, der einen immer wieder zweifeln und verzweifeln lässt. Aber du darfst dem nicht nachgeben, nicht wieder ins Chaos abgleiten und anderen schaden, auch nicht ausversehen. Du musst dein Ziel vor Augen haben und dann funktioniert es irgendwann.“, aufmunternd lächelt Nigma ihm entgegen.
 

Der Grünhaarige lächelt ebenfalls, doch es wirkt noch immer sehr traurig. Seine Gefühle für Batman sind einfach noch zu tiefgreifend, um sie verdrängen oder gar überwinden zu können, und das ist dem Rätselmeister nur all zu klar.
 

„Ed?“, fragt der Junge schließlich sichtlich bedrückt. „Ja?“ „Kann ich – vielleicht bei dir schlafen?“ Überrascht weiten sich die Augen des Angesprochenen und er zuckt leicht zusammen. „Ähm – also...“, setzt er hilflos mit roten Wangen an. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich will nichts von dir. Ich will nur nicht allein sein. – Ich möchte etwas Warmes neben mir spüren, dass ist alles...“, bringt der Clown hervor, wobei seine unnatürlich roten Augen verdächtig zu glänzen beginnen. Noch während Edward versucht seine Bedenken beiseite zu schieben, kullert dem Jungen eine einzelne Träne über die Wangen. Der ach so stolze Prinz des Verbrechens wirkt völlig gebrochen, was auch dem Älteren unweigerlich das Herz schwermacht.
 

„Okay, komm rein.“, meint Nigma schließlich und rückt an die Wand heran. „Danke...“, schnieft der Verrückte und legt sich neben ihn. Rücken an Rücken verweilen sie zusammen. „Nacht, Ed.“ „Gute Nacht, Joker.“, erwidert der Brünette, doch es dauert eine ganze Weile, bis er schließlich wegdämmert. Es ist einfach ein zu komisches Gefühl, nach so langer Zeit wieder einmal das Bett mit jemandem zu teilen, erst recht mit einem anderen Mann...
 


 

13
 

Irgendwann wird Edward dann wach. Dem Licht, das sich am Rand des Vorhangs vorbeischleicht, nach zu urteilen, dürfte es etwa Mittag sein und es scheint doch tatsächlich aufgehört zu regen zu haben. Somit haben sie noch ein paar Stunden, bis es Zeit wird, aufzustehen und wieder an die Arbeit zu gehen. Müde blickt der Rätselmeister zur Decke empor. Als er sich umdrehen und weiterschlafen will, gelingt ihm das nicht, weil ihm irgendetwas schwer auf der Brust lastet. Murrend blickt er an sich herab und zuckt leicht zusammen, als er dort den kleinen Clown erblickt, der sich ungefragt an ihn gekuschelt hat. Das an sich ist schon merkwürdig, wenn auch nicht wirklich verwunderlich. Das Seltsamste an der Sache ist aber, dass Ed einen Arm um die Schultern der Kleineren gelegt hat und ihn schützend an sich drückt, ganz so, als wären sie tatsächlich ein Liebespaar.
 

Bei diesem Gedanken färben sich seine Wangen augenblicklich knallrot und er ist heilfroh, dass der Riddler noch in seinem Gefängnis hocken muss und das hier nicht kommentieren kann. Später wird er sich aber sicher noch etwas diesbezüglich anhören dürfen. „Oh, Joker...“, flüstert er leise, doch anstatt sich zu überlegen, wie er den Bengel vielleicht von sich schieben kann, ohne ihn aufzuwecken, schließt er ihn nun noch fester in die Arme. Das erwidert der Grünhaarige mit einem seligen Seufzen. Dieses Geräusch und die ungewohnte Nähe des anderen Jungen geben Nigma ein seltsam gutes Gefühl. Ist es vielleicht nur, weil er schon so lange allein ist, dass er sich unbewusst daran klammert, die Nähe eines anderen spüren zu können, oder steckt da etwa mehr dahinter?
 

Diese Frage hat er sich in der letzten Zeit erstaunlich oft gestellt. Praktisch ununterbrochen, seid er den kleinen Clown bei sich aufgenommen hat. In den vergangenen Tagen aber besonders oft. Sein Herz beginnt schneller zu schlagen, wenn er auch nur entfernt an diesen durchgeknallten Bengel denkt. Er sorgt sich um ihn, will ihn immer in seiner Nähe wissen, ihn irgendwie beschützen, vor Batman, vor sich selbst, vor der ganzen Welt...
 

Heißt das womöglich, dass der Riddler mit all seinen bösen Anschuldigungen recht haben könnte? Empfindet Ed etwas für Joker? Selbstverständlich tut er das, immerhin sind sie inzwischen Freunde, ganz unzweifelhaft. Doch ist das wirklich alles? Nein, irgendwie nicht. Da ist noch mehr. Da ist diese seltsame Eifersucht, die er immer wieder im Zusammenhang mit Batman verspürt. Da ist der Zwang gewesen, einen hübschen Spitznamen für den Kleinen zu finden. Da ist das nagende Gefühl der Ungewissheit, jedes Mal, wenn Joker das Haus verlässt und Ed nicht weiß, wo er hingeht und was er macht. Da ist – noch so viel mehr...
 

Joker hat eine etwas schiefe Nasenscheidewand – was wohl auch kein Wunder ist, sooft wie Batman ihm diese wahrscheinlich schon gebrochen hat – und beginnt jetzt ganz leicht zu schnarchen. Für Edward hört sich das Geräusch allerdings eher wie das Schnurren einer etwas verschnupften Katze an. Er empfindet es irgendwie sogar als angenehm. Zudem ist es so leise, dass es ihm vorher nie aufgefallen ist und er es auch jetzt nur hört, weil es hier gerade einmal völlig still ist und sie so dicht beieinander. Es ist gut, das Bett mit einem anderen Menschen zu teilen, der wirkliche Geräusche von sich gibt und ihm vielleicht sogar die Decke wegziehen könnte, wenn es kühler wird – auch wenn das bei der noch vorherrschenden Sommerhitze wohl nicht so bald der Fall sein dürfte. Es ist schon sehr lange her, seit er so ein Gefühl das letzte Mal hatte – auch wenn es sehr komisch ist, das Bett mit einem anderen Mann zu teilen. Doch manchmal kommt ihm Joker fast wie ein kleiner Bruder vor, den er nie hatte.
 

Ein Bruder, ja. Doch das stimmt nicht. Ganz und gar nicht. Das rührt nur von dem kindlichen Verhalten des Clowns her. Was Nigma wirklich fühlt, ist die zarte Knospe von etwas, das er nie dachte, einem anderen Mann gegenüber empfinden zu können, ja, überhaupt empfinden zu dürfen, wenn es nach seiner schlechteren Hälfte geht! Liebe...
 

Unweigerlich muss er bei diesem Gedanken in dem abgedunkelten Zimmer lächeln. Langsam fallen ihm dann wieder die Augen zu und er hält den Joker für den Rest des Tages fest in seinen Armen.

Nightmare


 

1
 

Mittlerweile ist es fast Ende September, doch die Tage sind noch immer heiß, die Nächte dagegen endlich wieder etwas angenehmer. Ganz anders sieht es allerdings noch immer in Joker aus. Er hat zwar beschlossen, seine Gefühle für Batman wieder in ihren Urzustand zurückzuversetzen, um dem Schwarzen Ritter erneut als quirliger Feind gegenübertreten zu können, geboren in brennender Sehnsucht und zartem Hass, doch das ist selbstverständlich viel leichter gesagt als getan. Nachts, wenn Ed ihn mit Aufgaben, Schokolade und anderen Dingen ablenken kann, schafft es der kleine Clown, seine kindlich-fröhliche und ausgelassene Fassade aufrechtzuhalten und seine nagende Liebe für die Fledermaus weitestgehend zu verdrängen, solange nicht die Sprache auf ihn fällt, was selten der Fall ist, da sich Bruce ja für gewöhnlich von den Narrows fernhält und Nigma wohlweislich so oder so nicht ohne triftigen Grund über ihn sprechen würde. Doch wenn es dann Tag wird und sie sich zum Schlafen niederlegen, sieht die Welt ganz anders aus. Dann plagen den Grünhaarigen mittlerweile sogar schreckliche Albträume...
 

Es sind Träume, aus denen man mit dem innigen Wunsch hochschreckt, das Licht im Schlafzimmer einzuschalten, um seinen Platz in der Realität auch nur irgendwie zu bestätigen – und sei diese auch noch so verzerrt –, bevor man zaghaft versucht wieder einzuschlafen, und dann doch bis zum Weckruf nur hilflos-verwirrt die Decke anstarrt...
 

Meist bekommt der Brünette nichts davon mit. Merkt nicht, wie sich der Junge verloren von einer Seite zur anderen wirft. Wie er sich verzweifelt an sein Laken klammert, als wäre es das rettende Seil eines Ertrinkenden. Ihm am ganzen Körper der kalte Schweiß ausbricht und sich mit seinen endlosen, heißen Tränen mischt. Wie er schmerzlich und erstickt stöhnt, sich gepeinigt in einem unsichtbaren Klammergriff zu winden scheint, zittert und doch nicht aufwachen kann.
 

Ab und an wird Edward aber doch davon geweckt und betrachtet seinen mittlerweile doch sehr geliebten Mitbewohner dann überaus sorgenvoll, bis sich dieser irgendwann wieder beruhigt und sie beide dann hoffentlich noch etwas Schlaf finden. Die zwei können vermutlich froh sein, dass sich Joker so stark schminkt, dass man die tiefen, dunklen Augenringe nicht sehen kann, die sich nach solchen Träumen mit erstaunlicher Heftigkeit in sein jungenhaftes Gesicht graben. Andererseits ist die Schminke aber auch ein großer Nachteil, gerade weil man seinen wahren Zustand dann nicht so gut sehen kann, und Ed oftmals so beschäftigt ist, dass er nicht die Möglichkeit hat, ihn so eingehend zu beobachten, um hinter sein aufgesetztes Lächeln blicken zu können.
 

Doch heute erreichen nicht nur die Träume des kleinen Clowns eine völlig neue Dimension...
 


 

2
 

Verwirrt findet sich Joker an einem unbekannten Ort wieder und doch scheint ihm hier so vieles vertraut zu sein, dass allein das schon unheimlich erscheint. Es ist düster, regelrecht finster. Wenn er sich hier noch in Gotham befinden sollte, dann ist es ein Ort, den er nicht kennt – außer in seinem schlimmsten Träumen versteht sich. Dichter Wald drängt sich an den kaum wahrnehmbaren Weg unter seinen blanken Füßen. Es ist ein Wald, wie man ihn nur aus einem Horrorfilm her kennen mag. Wo überaus stechende Augen sich in die Dunkelheit bohren und einem direkt in die Seele zu starren scheinen. Wo man das Gefühl hat, dass jeder Ast sich in eine grabschende, klaubende Hand verwandelt und einen packt, in die Finsternis hinabzieht, wo das zähnefletschende, blutrünstige Monster nur darauf wartet, dass es einem unzweifelhaft nach dem Leben trachtet...
 

Du erwachst in kaltem Schweiß

Aus einem verlorenen und einsamen Traum

Da war ein Mann mit einem langen, dunklen Cape

Du willst nicht an ihn denken
 

Verloren blickt sich der kleine Clown um, und kann doch nichts in der durchdringenden Dunkelheit um sich herum erkennen. Über ihm türmen sich dichte, nahezu schwarze Wolken und machen die alles erstickende Finsternis an diesem grausigen Ort nahezu perfekt. Ein kräftiger Wind zerrt an seiner zierlichen Gestalt, lässt ihn unweigerlich frösteln, obwohl es sommerlich warm ist. Doch er merkt, dass nicht nur seine Füße nackt sind. Abgesehen von seinen Shorts ist er schutzlos, so als wäre er direkt aus seinem Bett hierhergebracht worden. Die dunklen Bäume wiegen sich trunken im Wind hin und her. Äste knacken wie Knochen, Blätter rascheln, irgendwo ertönt der verzweifelte Schrei eines aufgeschreckten Tieres. Die Schatten scheinen immer näherzukommen, nach ihm zu greifen. Der Weg scheint stetig unter seinen Füßen zu schrumpfen, alles immer näher zu rücken.
 

Doch er war so verführerisch, dennoch so verstörend

Du beginnst zu zittern

Oh, niemals wieder, bitte!
 

Seine Kehle schnürt sich krampfhaft zu, er bekommt kaum noch Luft. Panik umklammert sein heftig schlagendes Herz, obwohl ihn so etwas sonst völlig kalt lässt. Er hat für gewöhnlich keine Angst vor der Dunkelheit und sei sie auch noch so düster und erdrückend, oder vor dem, was möglicherweise in ihr lauern könnte. Er ist schließlich der Prinz des Verbrechens, er liebt die Nacht mit all ihren endlosen Facetten, besonders wenn sie düster und unheimlich ist. Horrorfilme sind für ihn sogar der Inbegriff von Spaß, er lacht schlichtweg nur über sie. Lacht über die immer wiederkehrende Dummheit der Leute, die sich vor Monstern und dergleichen fürchten und ihnen doch so unbedarft und hirnlos in die Arme laufen. Aber jetzt, jetzt fühlt er sich genauso wie diese armseligen Geschöpfe. Er fühlt sich endlos klein und hilflos, ertrunken in lähmender Angst. Sehnt sich nach Rettung, nach einem sicheren Hafen, nach starken Armen, die ihn vor alledem beschützen mögen.
 

Oh, er setzt dein Herz in Brand

Nur diesen Ritter, den du dir wünschst
 

Doch hier ist niemand – zumindest niemand, den man sehen kann, dennoch ist durchaus eine überaus mächtige Präsenz spürbar. Augenscheinlich ist er jedoch allein. Joker weiß allerdings, dass das nicht mehr lange der Fall sein wird. Etwas hat es auf ihn abgesehen, er kann es mit jeder Faser seines nackten, zitternden Körpers spüren. Daher muss er schnell weg von hier, ein sicheres Versteck finden und auf den langersehnten und gefahrlosen Tagesanbruch warten. Die wärmende Sonne nimmt all die nächtlichen Schrecken und erdrückenden Schatten mit sich hinfort, und dann findet er auch ganz sicher wieder aus diesem furchtbaren Wald heraus. Aber diese Nacht ist düster, hungrig und hat gerade erst begonnen. Die Endlosigkeit bis zum rettenden Morgengrauen ist nicht einzuschätzen und er in ihr so unglaublich wehrlos...
 

Du schläfst endlich ein

Nach einem langen Tag

Da ist ein Mann mit steinernem Blick

In deine Träume schleicht er sich ein
 

Plötzlich ertönt ein markerschütternder Schrei in der Finsternis. Joker beginnt zu erneut heftig zu zittern, er muss hier ganz dringend weg! Hektisch huschen seine weit aufgerissenen, unnatürlich roten Augen durch die unbekannte Umgebung und zeigen ihm doch nur schemenlose, alles verschlingende Schwärze. Doch etwas kommt näher, ganz unzweifelhaft. Er bildet sich sogar ein, den heißen Atem des Wesens schon im Nacken spüren zu können, sodass ihm dort alle Haare zu Berge stehen! Das reicht nun aber wirklich! Er rennt blindlings los.
 

Du wendest dich ab und verspürst doch eine grenzenlose Sehnsucht

Du beginnst zu zittern

Du willst ihn berühren, du willst so viel von ihm

Für immer
 

Nun reißt der wolkenverhangene Himmel doch endlich noch auf und der Vollmond beleuchtet den schmalen Weg zu seinen Füßen, wie einen himmlischen Pfad. Doch der Anblick des eigentlich so vertrauten und geliebten Himmelskörpers ist alles andere als tröstlich, denn seine zerklüftete Oberfläche ist in ein pulsierendes Violett getaucht, das weit giftiger als alles wirkt, was Joker jemals zusammengemischt hat. So wirkt der Weg unter seinen blanken Füßen nicht wie der Pfad ins Himmelsreich, sondern wie ein direkter Zugang in die Hölle! Das unwirkliche Licht ergreift die schaurigen Bäume rings um ihn herum und lässt sie nun tatsächlich zum Leben erwachen! Von überall her starren ihn nun wirklich blutrünstige Augen an. Krallen besetzte Pranken greifen nach ihm, zerkratzen seine schweißgebadete, eiskalte Haut. Er trägt nichts weiter als seine Shorts, dass wird ihm in diesem Moment noch einmal überaus schmerzlich bewusst. Hilflos versucht er ihnen auszuweichen, doch sie bedrängen ihn mit erschreckender Geschwindigkeit immer mehr.
 

Oh, er setzt dein Herz in Brand

Nur dieser Ritter, den du dir wünschst

Er ist der Held der dunkelsten Nacht
 

Ihm voraus tut sich nun allerdings eine Lichtung auf. Sie wird ihm ganz sicher Schutz bieten oder zumindest etwas Freiraum, um Luft zu holen. Er muss es nur schaffen, sie zu erreichen, bevor ihn die lebenden Bäume endgültig in Stücke reißen können. Schwer atmend stolpert er darauf zu. Seine nackten Füße wollen ihn jedoch nicht mehr tragen, zittern und krampfen bei jedem verzweifelten Schritt, doch er zwingt sie weiter. Der Mond beleuchtet die Lichtung wie ein Scheinwerfer. Nun ist sein Licht allerdings nicht mehr violett, sondern glücklicherweise endlich weiß und ach so tröstlich. Er schafft es, er schafft es tatsächlich! Als er in den Mondschein eintaucht, geben seine Beine endgültig unter ihm nach. Er fällt der Ohnmacht nahe, und doch landet er nicht auf dem harten Boden. Stattdessen findet er sich in zwei starken Armen wieder, die ihn schützend umfangen.
 

Er wird deine Seele nehmen, wenn die Zeit reif ist

Er ist der Held der dunkelsten Nacht

Er wird deine Seele nehmen, wenn die Zeit reif ist
 

Als Joker nervös den Blickt hebt, erkennt er seinen langersehnten und so geliebten Retter. „Batsy...“, wimmert der Grünhaarige und schmiegt sich haltlos weinend an die kräftige Brust des maskierten Rächers. In seinen Armen fühlt er sich unendlich geborgen. Er ist alles, was er sich jemals in solch dunklen Nächten gewünscht hat. Wonach sich sein Herz seit Ewigkeiten verzehrt. Seine Seele gleichermaßen, sein ganzes Selbst. Die Erfüllung all seiner sehnlichsten Träume und so vielem mehr. Der Ritter bleibt allerdings stumm, hält ihn nur weiterhin fest, doch das kümmert den kleinen Clown nicht, seine tröstliche Nähe genügt ihm fürs Erste vollkommen. Doch die Sicherheit, die er verspricht, ist überaus trügerisch...
 

Ganz allein in einem kleinen Raum

An einem Sonntagabend

Oh, plötzlich wird die Luft so kalt

Oh, ja, du weißt, dass er bald kommen wird
 

Batmans Griff verstärkt sich plötzlich immer mehr, droht ihn regelrecht zu erdrücken. Warnend knacken schon seine Rückenwirbel, pressen ihm die Luft aus den Lungen. Von Panik ergriffen versucht sich Joker daraus zu befreien, doch es gelingt ihm nicht. „Lass mich los, bitte!“, kommt es in Tränen erstickt von ihm. Der Rächer erwidert erneut nichts. Stattdessen verwandeln sich seine Arme nun in schmiedeeiserne Ketten, die sich brutal um den zierlichen Leib des Verrückten wickeln, ihm gänzlich die letzte Luft abzudrücken drohen. Mit weit aufgerissenen Augen versucht der Junge den Blick des Rächers zu finden, doch auch dieser hat sich verändert.
 

Du kannst ihn nicht sehen, aber du kannst ihn fühlen

Du beginnst zu zittern

Ein seltsames Gefühl wie eine Explosion in deinem Inneren

Oh, ja!
 

Batmans Augen funkeln nun wie rote Rubin – und sind den seinen damit erschreckend ähnlich geworden –, eingebettet in die Finsternis seiner Maske, wie rote Warnleuchten in einer tiefen Höhle. Auch sein Gesicht hat sich verändert. Er wabert wie die Oberfläche eines Sees, in den man einen Stein geworfen hat. Aus den so vertraut maskulinen Zügen werden nun die eines wahnsinnigen Ungeheuers – einer riesigen Fledermaus, mit rasiermesserscharfen Zähnen und Klauen. Gewaltige, lederne Schwingen entspringen dem breiten Rücken und verdunkeln in ihren unsagbaren Ausmaßen für einen Moment praktisch den ganzen Himmel. Ein schriller Schrei verlässt seine nicht mehr menschliche Kehle – derselbe Schrei, den Joker vor nicht allzu langer Zeit tief im Wald gehört hatte. Er lässt sein Herz regelrecht zu Eis erstarren, macht seinen Körper völlig bewegungsunfähig. Dann fixieren Batmans blutrote Rubine das vollkommen erblasste Gesicht des Clowns in seinen Ketten.
 

Oh, er setzt dein Herz in Brand

Nur dieser Ritter, den du dir wünschst

Er ist der Held der dunkelsten Nacht
 

„Batsy, was...“, setzt Joker hilflos-erstickt an. Dann wird er von dem Monster, das einst sein so sehr geliebter Batman war, brutal zu Boden gedrückt. Ein teuflisches Grinsen breitet sich auf den animalischen Zügen aus. Mit gierigem Knurren lässt das Fledermauswesen seine erhobenen, messerscharfen Klauen im Mondschein bedrohlich funkeln. Sekunden später jagen diese Krallen mit tödlicher Präzision herab und zerfetzen die blanke Brust des wehrlosen Jungen. Unsagbarer Schmerz breitet sich in dem zierlichen Körper aus, heißes Blut versickert im hohen Gras. Nun ist es sein Schrei, der die finstere Nacht wie ein Skalpell durchschneidet.
 

Er wird deine Seele nehmen, wenn die Zeit reif ist

Er ist der Held der dunkelsten Nacht

Er wird deine Seele nehmen, wenn die Zeit reif ist
 

„Bitte nicht! Ich – liebe dich doch...“, wimmert der Grünhaarige erstickt, woraufhin sein Gegenüber nur ein gutturales Lachen ausstößt, das noch wahnsinniger klingt, als Joker es jemals hätte von sich geben könnte. „Ich weiß, aber es kümmert mich noch immer nicht, du armer Irrer! Und Liebe tut nun einmal weh!“, brummt Batman lachend und erhebt erneut die Krallen. Diesmal durchstoßen sie mit erschreckender Leichtigkeit den zerfetzten Brustkorb des Verrückten, zersplittern seine Rippen wie dünnes Glas, umklammern dann sein heftig schlagendes Herz und reißen es ungerührt aus seinem Leib heraus! Erneut hallt der Schrei des Grünhaarigen durch den unglücklichen Wald.
 

Er ist der Held der dunkelsten Nacht

Er wird deine Seele nehmen, wenn die Zeit reif ist

Er ist der Held der dunkelsten Nacht
 

Entgegen aller Annahme stirbt der Kriminelle von dieser Gräueltat jedoch nicht, dafür muss er nun hilflos mitansehen, wie dieses schreckliche Wesen lüstern sein noch immer schlagendes Herz in den blutigen Klauen betrachtet, als wäre es das Schönste, Süßeste was es je zu Gesicht bekommen hat. Weit reißt es nun das mit unzähligen, überaus langen Zähnen gespickte Maul auf und stopft sich das lebensspendende Organ wie eine süße Traube hinein. Genüsslich schluckt es, leckt sich mit der langen Zunge über die geschürzten Lippen und verdreht dabei erschreckend erregt die Augen. Blut tropft von seinen zu einem grausigen Lächeln verzogenen Maul. „Köstlich!“, brummt die riesige Fledermaus und wendet den Blick wieder zu seinem Opfer hinunter. Fassungslos erwidert Joker das Ganze und begreift einfach nicht, warum er nicht stirbt. Die Antwort ist so einfach wie erschreckend: In einem Traum kann man nicht sterben, nicht einmal in einem Albtraum!
 

Er wird deine Seele nehmen, wenn die Zeit reif ist

Er ist der Held der dunkelsten Nacht

Er wird deine Seele nehmen heute Nacht!
 

Von daher wird sein Leiden kein Ende finden, solange es ihm nicht irgendwie gelingt aufzuwachen, um dem Schrecken damit ein Ende zu bereiten. Doch es scheint schlichtweg unmöglich, er weiß auch überhaupt nicht, wie er es anstellen soll. Ist gefangen in den Ketten und dem bohrenden Blick dieses Monster, das sich nun tief zu ihm hinabbeugt. Heißer Atem streift sein eiskaltes Gesicht. Das hilflose Reißen von Stoff ertönt, als ihm das Wesen nun auch noch die Shorts vom Leib fetzt. Grob werden ihm anschließend die Beine auseinandergespreizt. Das abgrundtief böse Lachen des Batman-Wesens hallt durch seinen völlig überforderten Kopf, während sich dessen Krallen tief in das Fleisch über seinen schmalen Hüften graben, ihn in Position zerren und dann...
 


 

3
 

„NEEEEEIIIIIIN!“, zerreißt ein markerschütterndes, so dermaßen hochtöniges Kreischen den sonnigen Vormittag, dass sämtliche Gläser und Fenster in der kleinen Wohnung mahnend zu klirren beginnen, und holt Edward mit der Heftigkeit eines unerwarteten Faustschlages aus seinem eigenen Traum. Der Rätselmeister kann von Glück reden, dass er immer auf der Wandseite seines schmalen Bettes schläft, sonst wäre er beim Ertönen dieses schrecklichen Geräusches sicher aus besagtem Bett gefallen. Dennoch zuckt er so sehr zusammen, dass sich all seine Muskeln schmerzhaft verkrampfen, als fürchte er einen Angriff. Sein Herz setzt für ein paar Schläge aus, ehe es mit rasender Geschwindigkeit davongaloppiert, sodass er Sekunden lang grelle Punkte vor seinen Augen schwirren sieht. Zudem kann er es nicht verhindern, selbst einen erstickten, kleinen Aufschrei von sich zu geben. Zitternd klammert er sich wie ein Ertrinkender an seiner dünnen Decke fest und sieht sich mit panisch geweiteten Augen um. Sein abgehaktes Luftholen geht jedoch völlig in den immer wiederholenden Verneinungen seines völlig aufgelösten Mitbewohners unter.
 

Im schmalen Lichtschein, der sich am Vorhang vorbeischleicht, kann er den Jungen kerzengerade auf der Matratze sitzen sehen, die Arme fest um sich geschlungen, als versuche er sich selbst zu trösten oder als ihm wäre schrecklich kalt. Strömen von Tränen bedecken sein von sichtlicher Panik verzerrtes Gesicht und er zittert mindestens so heftig wie Ed selbst.
 

Auf überaus wackligen Beinen erhebt sich Nigma von seinem Schlafplatz und nähert sich dem kleinen Clown. Sein armes Herz hat sich inzwischen wieder etwas beruhigt, doch es wummert noch immer schmerzlich gegen seine Rippen. Vorsichtig geht er vor ihm auf die Knie und versucht ihn tröstend in die Arme zu schließen. Es gleicht einer völlig reflexartigen Bewegung, denn sein Verstand ist verständnisloserweise trotz des Schocks noch ganz im Schlaf gefangen, sodass der Riddler jetzt zum Glück noch keine Unflätigkeiten von sich geben kann. Allerdings ist Joker so in seiner Verzweiflung ertrunken, dass er die Bemühungen seines Gegenübers gar nicht richtig wahrnimmt. Daher versucht er sich kraftlos zappelnd aus dem Griff des Älteren zu befreien und stößt dabei immer wieder ein brüchiges Nein aus.
 

„Joker, nun hör mir doch mal zu! Ich bin es doch, Ed! Beruhige dich, alles wird gut! Niemand wird dir etwas tun! Es...“ In diesem Moment wird ruckartig die Tür des Schlafzimmers aufgerissen und das verräterische Klicken einer sich entsichernden Waffe ist gleich mehrfach hörbar. Alarmiert schreckt der Brünette abermals zusammen. Beschützend schlingt er die Arme fester um den aufgelösten Clown, völlig egal, dass dieser weiterhin versucht von ihm wegzukommen, presst ihn regelrecht an sich, und starrt dann wie eine Maus in der Falle hinter sich – erwartet, dort förmlich das Monster zu erblicken, das seinen kleinen Freund so sehr geängstigt haben muss.
 

Beim Anblick der beiden Männer, die sich dort allerdings kampfbereit in die Tür drängen, entspannt er sich aber wieder merklich. „Alles in Ordnung, Boss? Wir haben einen Schrei gehört...“, gibt Mel von sich, wobei er fast so fertig wirkt, wie sich der Rätselmeister gerade fühlt. Toni steht neben seinem Chef und betrachtet die Szene, die sich ihm bietet, einen Moment lang etwas unschlüssig, dann lässt er die großkalibrige Waffe sinken und sichert sie wieder blind. Mel tut es ihm gleich, noch ehe Nigma antworten kann.
 

„Alles in Ordnung. Joker hatte nur einen Albtraum. Kein Grund zur Sorge. Er fängt sich sicher gleich wieder...“, erwidert der Herr der Rätsel schließlich, während er den nun bitterlich weinenden Jungen in seinen Armen wie ein Baby hin und her wiegt. „Dann ist ja gut. Hat sich echt grausig angehört, als wenn hier ein kleines Mädchen abgestochen wird...“, meint Toni leicht unbehaglich und kratzt sich verlegen am Hinterkopf. „Wem sagst du das? Ich lag ja praktisch direkt neben ihm und wäre vor Schreck fast aus dem Bett gefallen, von einem beinahe erlittenen Herzinfarkt ganz zu schweigen...“, gibt Ed seufzend von sich.
 

„Na, wenn also alles okay ist, dann gehen wir wieder auf unsere Posten, wenn du nichts mehr brauchst. Schlaf gut, Boss.“, kommt es nun wieder von Mel. „Ja, danke. Wir sehen uns nachher, Jungs.“ Geschwind huschen die beiden Männer wieder aus dem kleinen Zimmer heraus, schließen leise die Tür und verschwinden dann aus der Wohnung. Zurück bleibt Edward mit dem weinenden Jungen in seinen Armen.
 


 

4
 

„Hey, mein kleines Törtchen! Alles ist gut, du brauchst nicht mehr zu weinen. – Kannst du mir vielleicht sagen, was du geträumt hast, dann kann ich dir...“, setzt Nigma sorgenvoll an und wiegt den Grünhaarigen weiterhin sanft in seinen Armen. Doch er kann nicht zu Ende sprechen, da er nun von Jokers tränenerstickter Stimme unterbrochen wird. „Warum liebt er mich nicht? – Warum muss er mir immer nur wehtun...“, wimmert der Grünhaarige verloren und drückt sein feuchtes Gesicht dabei an Edwards blanke Brust. Und das ist alles an Erklärung, was er jemals gebraucht hat.
 

Innerlich gibt Nigma ein überaus verstimmtes Knurren von sich, das so gar nicht zu ihm passen will, wenn es jemand hören könnte. Ein Jemand kann es aber durchaus: Der Riddler. Dieser ist inzwischen ebenfalls erwacht und knurrt mindestens genauso verstimmt wie sein Wirt, doch der Grund ist selbstverständlich ein anderer.
 

‚Verdammter Batman! Eines Tages wirst du mir das tausendfach büßen!‘, brummt der Brünette wortlos in sich hinein und nimmt Joker dabei noch etwas fester in die Arme. ‚Oh, nein! Es muss heißen: Verdammter Ed, weil du schon wieder zu spinnen anfängst! Lass den Bengel sich doch die Augen wegen dieser selten dämlichen Fledermaus aus dem Kopf heulen! Was kümmert es dich schon? Dem hirnlosen Clown ist sowieso nicht mehr zu helfen...‘ ‚Sei still, du gefühllose Nervensäge!‘, faucht Nigma ihn an, doch davon lässt sich seine schlechtere Hälfte selbstredend nicht beeindrucken.
 

‚Ich denk ja gar nicht dran! Du hörst jetzt sofort mit dem Scheiß auf, schmeißt den Bengel raus und legst dich wieder hin, damit wir weiterschlafen können!‘, profiliert sich der Riddler zornig. ‚Sonst was? Kommst du raus und knallst mir eine? Das will ich sehen!‘, kommt es schon fast belustigt von den Brünetten. Riddler gibt ein verstimmtes Knurren von sich. ‚Na warte, du elender Schwächling, du wirst schon sehen, was du von deinen Frechheiten hast! Ich werde...‘ Edward ignoriert seine weiteren Worte jedoch vehement, um sich um seinen kleinen Freund kümmern zu können, obwohl ihm fast der Kopf platzt.
 


 

5
 

Eine schiere Ewigkeit scheint zu vergehen, bevor sich der Junge langsam wieder beruhigt. „Mein armes Törtchen...“, seufzt der Rätselmeister traurig, während er ihm sanft durch die wuschigen, schweißnassen Haare streichelt. ‚Himmel, kannst du endlich mal diesen dümmlichen Spitznamen vergessen? Das ist ja wirklich widerwertig! Ich glaub, ich muss gleich kotzen!‘, gibt der Riddler erneut zum Besten. ‚Sei still! Es geht dich überhaupt nichts an, wie ich was oder wen bezeichne!‘, versucht sich Edward zur Wehr zu setzen. ‚Es geht mich sehr wohl etwas an! Schließlich versuche ich dich vor einem folgenschweren Fehler zu bewahren!‘, entgegnet ihm seine schlechtere Hälfte zähneknirschend. ‚Du willst mich vor einem Fehler bewahren? Das ich nicht lache! Der einzige Fehler, den ich je gegangen habe, war dich in meine Gedanken zu lassen!‘
 

Der Mann in seinem Kopf beginnt gehässig zu lachen. ‚Das magst du vielleicht so sehen, aber nun bin ich eben da und du wirst mich nicht mehr los! Also benimm dich anständig, sonst muss ich mir etwas überlegen, um dich für deine Zuwiderhandlungen zu bestrafen!‘ ‚Ha! Versuch es ruhig, doch du wirst nichts finden! Deine Anwesenheit ist schon Strafe genug für mich, erst recht jetzt, wo ich mich um Joker kümmern muss!‘ ‚Du musst dich überhaupt nicht um ihn kümmern! Bei dem kommt eh alles schon viel zu spät, erst recht jede Form von Hilfe! Das Einzige, was passieren wird, ist, dass du dich nur immer weiter von ihm einwickeln und anstecken lässt, und dass ihr dann gemeinsam durch Gotham schwuchtelt, wie zwei alte Turteltunten!‘
 

‚Wie oft muss ich dir eigentlich noch sagen, dass ich nicht schwul bin, nur weil ich etwas für ihn empfinde?‘ ‚Das, was du angeblich für diesen komplett durchgeknallten Irren empfindest, sind nur Hirngespinste, weil dir seit Ewigkeiten die Eier jucken, also lass endlich den verfluchten Scheiß und komm mal wieder mit deiner Umwelt klar! Such dir ein Weib und fick es ein paar Stunden, damit dein Kopf mal wieder geradegerückt wird!‘ Innerlich seufzt Nigma schwer.
 

‚Du bist echt nicht zu fassen, weißt du das? Aber im Grunde geht es ja nicht darum, ob mich etwas juckt oder nicht, sondern dass Joker kein Mädchen ist und du dich daher nicht an ihm vergreifen willst, weil es dich so furchtbar juckt, du aber von Kerlen so dermaßen angewidert bist! Habe ich recht? Oh, ich habe recht! Ich kann es praktisch spüren, wie sehr dir das gegen den Strich geht. Du kannst es nicht ertragen, wenn du nicht zum Schuss kommen kannst, weil ich mich dagegen verweigere und auch niemand da ist, den du gern flachlegen würdest! Aber weißt du, was mir dadurch gerade bewusstwird? Dich ärgert es gar nicht, dass Joker ein Kerl ist und schwul noch obendrein. Dich ärgert es nicht einmal, dass ich etwas für ihn empfinde. Dich ärgert allein die Vorstellung, dass es dir womöglich sogar gefallen könnte, Sex mit einem Mann zu haben! Du bist schlichtweg eifersüchtig!‘, kommt es hörbar amüsiert von dem Brünetten.
 

‚DAS IST DOCH ECHT DER GIPFEL! Was für Abartigkeiten unterstellst du mir da eigentlich? Allein schon die Vorstellung davon, ist dermaßen ekelerregend, und beweist nur, wie tief du schon gesunken bist, du elende, gottverdammte Schwuchtel!‘ ‚Na und? Dann bin ich eben eine, dass hat dich auch nicht zu kümmern! Es ist mein Leben und erst recht mein Körper und ich kann mit beiden tun und lassen, was ich auch immer für richtig halte! Also sei endlich still und VERPISS dich aus meinem Kopf! Such dir einen anderen armen Tropf, der besser deinen krankhaften Vorstellungen entspricht!‘ ‚Ich denk ja gar nicht dran! Aber mach doch, was du willst, du wist schon sehen, was du davon hast! Von mir aus kannst du dich von der ganzen Welt in deinen blassen Arsch ficken lassen oder dir eine verdammte Kugel in den Kopf jagen, doch glaub mal, ich finde einen Weg, um dich daran zu hindern, und dann gehört dieser Körper ganz allein mir und du und dieser widerwertige Clown werdet ein für alle Mal ausradiert!‘
 

‚Das will ich sehen, wie du das schaffen willst! Du kannst doch nur große Töne spucken und weiter nichts!‘ ‚Wart’s nur ab, du Versager! Aber ich hab noch so einige Tricks drauf, von denen du nichts weißt! Und dein kleiner Schwuchtel-Clown ist grad nicht so wirklich in der Lage, dir zu helfen, fürchte ich...‘ ‚Mag schon sein, dass Joker gerade etwas neben sich ist, aber du weißt genau, dass ich mir im Ernstfall auch einfach von ihm nehmen kann, was nötig ist, um dich zum Schweigen zu bringen, oder? Wäre immerhin nicht das erste Mal, dass ich dazu von dir gezwungen bin, selbst wenn er mir dafür dann eine runterhaut. Das Risiko gehe ich gern ein, um dich endlich mal wieder wegzusperren!‘
 

Vom Riddler kommt nur ein verstimmtes Knurren, hat er diese Tatsache doch scheinbar nicht im Hinterkopf gehabt. Daher setzt nun nachdenkliches Schweigen ein, während sich seine schlechtere Hälfte damit zu beschäftigen scheint, eine Lösung für dieses nicht unerhebliche Problem zu finden. Nigma kann daher nur erleichtert innerlich seufzen und die eingetretene Stille so lange genießen, wie es eben geht.
 


 

6
 

Als Jokers Tränen endlich versiegt sind, sieht Ed ihm fest in die Augen und wartet darauf, dass der Junge seinen Blick erwidert. Als er einen Funken der Aufmerksamkeit des Grünhaarigen hat, beginnt er zu sprechen. „Vergiss ihn! Vergiss die Dunkelheit, die er in dein Herz gesät hat! Er ist es gar nicht wert, dass du um ihn weinst, und schon gar nicht, dass du von ihm träumst, egal auf welche Weise auch immer! – Weißt du, manchmal finden wir jemanden in der Dunkelheit dieser Welt, und manchmal verlieren wir ihn dort auch wieder, so wie du Batman. Aber es gibt auch ein Licht in dieser Finsternis, die er in dein Herz eingepflanzt hat, und dort ist jemand, der dich wirklich lieben kann! Du musst es nur zulassen!“
 

Nahezu verständnislos betrachtet ihn der Verrückte einen Moment, ehe wieder seine Unterlippe zu zittern beginnt und er schwerlich versucht, die aufkommenden Tränen zurückzuhalten. „Wer denn? Wer könnte denn schon einen so durchgeknallten und hässlichen Clown wie mich lieben? WER?“, schluchzt Joker nun wieder völlig aufgelöst und neue Tränen rinnen ungehalten seine vernarbten Wangen hinab. Doch Edward gibt ihm keine Antwort.
 

Das erste Mal, die erste Liebe

Oh, was für ein Gefühl ist das?

Strom durchfließt mich

Mit dem ersten Kuss,

Wie eine Lücke in den Wolken

Und der erste Sonnenstrahl
 

Die für uns wichtigsten Dinge lassen sich stets am schwersten sagen. Es sind die Dinge, deren wir uns – vielleicht auch nur unbewusst – schämen. Sie lassen sich so schwer sagen, weil Worte sie viel kleiner zu machen scheinen. Sind sie einmal ausgesprochen, lassen Worte die Dinge, die dir in deinem Kopf so grenzenlos erschienen, womöglich wieder zu ihrer wahren Bedeutung schrumpfen, und du erkennst im schlimmsten Fall, dass diese Worte völlig falsch waren oder deinem Gegenüber nichts bedeuten. Aber da ist noch etwas, oder? Die wichtigsten Dinge sind den geheimsten Wünschen viel zu nahe, wie ein ungewolltes Zeichen in der Landschaft, das deinen Feinden sagt, wo du dich versteckst. Doch das aller Schlimmste ist, wenn man ein Geheimnis für sich behalten muss, nicht weil man es nicht erzählen darf, sondern weil es niemand sonst verstehen würde...
 

Ich kann es innerlich fühlen

Etwas Neues hat begonnen

Und es übernimmt die Kontrolle

Von meinem Körper und Geist

Es begann, als ich spürte, dass ich dich liebe
 

Edward schlägt einen Moment die Augen nieder und denkt nach, ob er es wirklich aussprechen soll oder nicht – was seine Worte bewirken und vielleicht sogar verändern könnten, oder ob sie es im Moment nur noch viel schlimmer für Jokers gebrochenes Herz machen würden. Schließlich hebt er wieder den Blick und sieht den verzweifelt-aufgelösten Jungen vor sich an, entscheidet sich dann doch, es zu riskieren, aber nicht für irgendwelche Worte, die der Grünhaarige vielleicht nicht verstehen oder hören wollen würde.
 

Zum aller ersten Mal

Zum aller ersten Mal
 

Edwards Herz klopft heftig, und er ist nicht völlig überrascht, festzustellen, dass er Angst hat. Er hat das hier schon eine Weile geplant und lediglich auf die richtige Verkettung von Umständen gewartet. Eine bessere Chance als jetzt wird er aber ganz sicher auch nicht mehr bekommen. Erst recht wegen dem Riddler, der seine Gedanken im Moment wie ein offenes Buch lesen kann und daher erneut wie ein bockiges Kind dagegen zu wüten beginnt. Dieses kindische Verhalten bestärkt den Herrn der Rätsel in seinem Tun aber nur noch mehr, wie seine schlechtere Hälfte nun unzweifelhaft feststellen muss. Und so überbrückt Edward den Abstand zwischen ihnen stattdessen und küsst Joker einfach. Lauthals fluchend wird seine schlechtere Hälfte daraufhin in ihr Gefängnis verbannt.
 

Dieses Leben, diese Liebe

All die Süße, die ich fühle

Noch so mysteriös

So unglaublich real
 

Die Berührung ihrer Lippen ist nur hauchzart und dauert kaum eine Sekunde, doch der Grünhaarige reißt daraufhin weit die tränenfeuchten Augen auf, und in ihnen liegt eine Art Erkenntnis, die er dennoch kaum begreifen kann. Sie wäre einfach zu schön, um wahr zu sein. „Wirklich?“, fragt er daher dennoch ungläubig und doch von so viel Hoffnung durchflutet. Leicht schlägt sich eine peinliche Röte auf den Wangen des anderen nieder und dieses Durcheinander an Gefühlen bereitet ihm schon jetzt Kopfschmerzen, aber er lässt es sich nicht anmerken. „Ja, ich denke schon. – Ich würde es zumindest gern versuchen wollen.“, gesteht er schließlich unsicher lächelnd.
 

Es ist ein unbekanntes Meer

Es ist eine ungeöffnete Tür

Aber ich muss mich ausstrecken

Und ich muss es erforschen,

Auch wenn es vielleicht nicht sicher ist,

Bis der Moment kommt,

Da ich und du wissen, dass wir verliebt sind
 

Jokers Augen werden noch größer. Die seltsam roten Rubine seiner Seelen scheinen dabei fast sein ganzes Gesicht auszufüllen. Eine einzelne Träne rinnt aus ihnen herab und seine Unterlippe beginnt wieder zu zittern. Ed will ihn schon trösten, doch da fällt Joker ihm ungehalten in die Arme und küsst ihn so stürmisch und heftig, dass Nigma regelrecht die Luft wegbleibt. Es dauert daher einen Moment, bis sich der Brünette dem ungeschickt hingeben kann, doch dann erwidert er das Ganze sichtlich erleichtert und mit verhaltener Heftigkeit. Er verliert sich schlichtweg in seinen so lange zurückgehaltenen Gefühlen, die ihm bisher immer so fremd und fast schon falsch erschienen sind, was er jedoch ganz allein seiner schlechteren Hälfte zu verdanken hat.
 

Zum aller ersten Mal

Zum aller ersten Mal
 

Hatte er wirklich geglaubt, dass er Batman liebt? Das ist so dermaßen albern! Einfach nur lächerlich! Wenn er so darüber nachdenkt – wenn er es sich ganz genau überlegt –, ist das hier viel besser! Unendlich viel besser! Wie konnte er die ganze Zeit nur so blind sein? Ed ist seine wahre Liebe, der Mann, auf den er sein Leben lang gewartet hat, und der Einzige, der ihn aus dieser furchtbaren Dunkelheit in seinem Herzen befreien kann!
 

Und, Junge, als ich dich traf

Jedes Gefühl, das ich hatte, war neu

Ich glaube nicht, dass es Worte dafür gibt,

Um die Empfindung richtig zu beschreiben
 

Joker lässt sich tief in den Kuss hineinfallen. Fahrig gleitet er nach einer Weile mit der Zunge über Eds Lippen hinweg, um ihn um Einlass zu bitten. Nigma weiß nicht recht, ob er dem wirklich nachgeben soll, war er bisher doch nie ein Fan von Zungenküssen. Aber wer weiß, vielleicht hatte er bisher auch einfach nur die falsche Person dafür? Außerdem schwirrt ihm gerade so herrlich trunken der Kopf, dass er eh kaum klar denken kann. Also öffnet er ganz langsam einen kleinen Spalt breit den Mund. Den Bruchteil einer Sekunde später bereut er seine Entscheidung aber schon fast wieder, als sich die Zunge des Grünhaarigen so ruckartig und begierig dazwischen zwängt, dass er fast erneut keine Luft mehr bekommt.
 

Es ist ein unbekanntes Meer

Es ist eine ungeöffnete Tür

Aber ich muss mich ausstrecken

Und ich muss sie erforschen
 

Hilflos umklammert er die schmalen Schultern des Kleineren vor sich und versucht ihn etwas in Zaum zu halten, was aber alles andere als einfach ist. Joker scheint völlig von alledem eingenommen zu sein und regelrecht wie ferngesteuert zu funktionieren. Das Feuerwerk an Glückgefühlen im verqueren Kopf des Jungen muss schier grenzenlos sein, was Nigma nach all dessen bescheidenen Erfahrungen mit Batman auch irgendwie verstehen kann. Schwer und heiß tastet die Zunge des Verrückten seine Mundhöhle ab, gleitet die Innenseite seiner Wangen entlang und streicht über seine Zähne hinweg, als suche er nach einem langvermissten Schatz. Ergeben lässt Nigma es zu und fühlt sich doch nicht so sonderlich wohl dabei. Es ist zwar ein gänzlich anderes Gefühl, als das, was er vorher schon erlebt hatte, aber dennoch kann er sich einfach nicht wirklich dafür erwärmen. Vielleicht liegt es einfach nur daran, dass er sich irgendwie unterlegen fühlt, angst hat, dass sein Gegenüber irgendetwas machen könnte, das er nicht will, und dadurch die womöglich guten Gefühle in ihm hinfort geschwemmt werden...
 

Und wenn etwas passiert,

Worte können es nicht definieren

Nur dann weiß ich, dass ich verliebt bin

Zum aller ersten Mal
 

Nun stupst Jokers Zunge immer wieder gegen die seine und versucht ihn dazu zu animieren, nun seinerseits zu ihm zu kommen. Im ersten Moment erscheint Edward dieser Gedanke irgendwie schon fast als tröstlich, weil es doch bedeuten würde, dass er dann etwas Führung bekommen würde. Unbedarft geht er daher zögerlich darauf ein. Ganz langsam folgt er somit der Zunge des Kleinen und lässt sich in dessen Mund führen. Die warme Höhle schmeckt irgendwie süß, so als hätte sein Gegenüber direkt vor dem Kuss etwas genascht. Doch der Brünette ignoriert es und tastet sich vorsichtig weiter vor.
 

Zum aller ersten Mal

Zum aller ersten Mal
 

Ed hat sich kaum zwischen die geöffneten Lippen des Jungen geschoben, da zuckt er auch schon schmerzlich zusammen und zieht sich hastig wieder zurück. Ungläubig kann er kurz darauf sein eigenes Blut schmecken und begreift erst gar nicht, was passiert ist. Überrascht sehen sich die beiden ungleichen Verbrecher an. „Was ist?“, fragt der kleine Clown mit großen Augen, tief enttäuscht darüber, ihrer Verbindung so plötzlich beraubt worden zu sein. Der Rätselmeister antwortet jedoch nicht sofort, dafür schiebt er nun seine Zunge nach draußen und kann undeutlich an deren Spitze einen anwachsenden Blutstropfen erkennen. Mittleidig betrachtet er ihn und sieht dann den Grünhaarigen an.
 

Dieser schlägt sich fast schon erschrocken einen Moment die Hand vor den Mund. Als er sie wieder wegnimmt, um zu sprechen, sieht Edward nur allzu deutlich die scharfkantigen Zähne des Jüngeren, und braucht somit nur eins und eins zusammenzuzählen, um zu verstehen, was gerade passiert ist. „Es – es tut mir so leid! – Ich wollte nicht...“, beginnt er zu stammeln, doch der Brünette winkt nur ab. „Schon gut. Es war nicht deine schuld. Ich – mag auch eigentlich gar keine Zungenküsse. Dachte nur, dass es bei dir vielleicht anders sein könnte...“, gesteht der Rätselmeister dann mit hochroten Wangen. „Okay...“, entgegnet ihm der kleine Clown nun doch sichtlich erleichtert und nähert sich ihm dann wieder ganz unbedarft.
 


 

7
 

Der nächste Kuss fühlt sich schon nicht mehr ganz so seltsam an, sodass Edward ihn praktisch sofort erwidern kann. Auch, weil Joker nun etwas vorsichtiger vorgeht. Das gibt ihm ein wundervolles Gefühl von Sicherheit, doch das Richtige zu tun. Gedankenverloren lässt er sich ganz langsam nach hinten ins Laken sinken, schlingt dabei die Arme um Jokers Nacken und zieht sein Gegenüber dadurch mit sich hinab. Merklich begeistert geht der Grünhaarige darauf ein und baut sich dann über ihm auf.
 

Der Ältere registriert diese Tatsache überhaupt nicht, seufzt nur zufrieden in den Kuss hinein. Ihm wird dabei ganz warm und kribbelig, etwas, das er schon so lange nicht mehr empfunden hat, dass er es gerade einfach nur genießen will. Als sich Jokers Hand dann jedoch in seine Shorts stehlen will, wird Ed allerdings wieder überaus heftig bewusst, dass er hier kein Mädchen vor sich hat, und dass ihm die Vorstellung von Sex mit einem anderen Mann doch noch ziemlich ängstigt, erst recht bei Jokers stürmischer und wilder Art.
 

Leicht hilflos versucht er den Jungen daher von sich wegzudrücken, doch es gelingt ihm nicht wirklich. Zudem merkt er, wie sich nun tatsächlich eine Erregung in seiner Unterhose erhebt und seinem Gegenüber damit sicher nur verdeutlicht, dass es völlig in Ordnung ist, was er tut. Edward schluckt hart, versucht die aufkommende Panik zu verdrängen, was ihm ebenfalls nicht gelingen will.
 

Hilflos versucht er sich daher dem Kuss irgendwie zu entziehen, um seine Bedenken auszusprechen, doch auch das scheint der kleine Clown im Moment nicht wirklich zulassen zu wollen. Stattdessen löst er selbst kurz darauf die Verbindung ihrer Lippen, nur um dafür an Eds Hals weitermachen zu können. Ein heißes Kribbeln gleitet den Rücken des Brünetten hinab und lässt ihn leicht wimmern. Nun hat der Rätselmeister aber endlich Luft, um seine Bedenken verkünden zu können, doch vorher schreckt er heftig zusammen, als sich die schlanken Finger der Jungen jetzt nachdrücklich um seine pochende Erregung schließen! Dabei hört er den Kleineren auch noch heißt in sein Ohr keuchen, ist er doch mindestens so bereitwillig, wie sich Ed ihm gegenüber ungewollt präsentiert.
 

Das ist nun wirklich zu viel! Ein überaus hilfloses Geräusch verlässt Edwards Mund und er versucht noch einmal sehr nachdrücklich, den anderen Jungen von sich zu schieben. „Nicht!“, presst er hervor und findet dann endlich den Blick des Verrückten. Verwundert mustert ihn der Joker und begreift doch nicht ganz, was jetzt los ist. „Bitte, ich – ich kann das – noch nicht...“, stammelt Nigma ergeben und atmet schwer, versucht seine angeschlagene Fassung wiederzufinden. Fast schon erschrocken trennt sich der Clown daraufhin gänzlich von ihm und setzt sich betroffen neben ihn auf die zerwühlten Laken. Sein Gesicht ist tief betrübt, und diese sonderbaren Augen spiegeln ein sehnsüchtiges Verlangen wider, das Ed kaum ertragen kann.
 

„Es – tut mir leid! – Ich – wollte dir nicht zu nahetreten...“, meint Joker beschämt und ringt sichtlich um Beherrschung. Der Brünette richtet sich ganz langsam wieder auf und hebt beschwichtigend die Hände. „Nein, es ist nicht deine schuld! – Ich – Für mich ist das nur alles so neu, zu viel auf einmal. Verstehst du? Ich weiß gar nicht, wo mir im Moment der Kopf steht. – Außerdem denke ich, dass das jetzt auch nicht unbedingt das Richtige ist, nachdem du diesen Albtraum und alles hattest. – Wir sollten das lieber ganz ruhig angehen lassen, meinst du nicht auch?“, hoffnungsvoll betrachtet er den Jungen, der noch immer wie ein Schüler vor ihm hockt, der eine Strafe fürchtet.
 

Ein schmerzliches Lächeln huscht nun über das entstellte Gesicht. „Du hast sicher recht. – Es kam einfach so über mich. Es hat sich so unglaublich gut angefühlt, dass ich alles um mich herum verdrängt hab. – Kommt nicht wieder vor, ehrlich...“ Mittleidig betrachtet ihn der Brünette, dann lächelt er sanft und streicht Joker ein paar verirrte Strähnen aus der Stirn. „Hey, halb so wild! Weißt du, ich denke, dass ich deine Führung dabei sogar bitter nötig habe werde. Doch eben nicht jetzt. – Ich erscheine dir sicher ziemlich verklemmt oder so etwas und vielleicht bin ich das sogar. – In jedem Fall bin ich schüchtern und zurückhaltend, was so etwas angeht. Will es meinem Gegenüber aber gern rechtmachen, doch dafür brauche ich dann Hilfe, um zu wissen, was der andere möchte oder braucht. – Wahrscheinlich wirst du daher nie erleben, dass ich diesbezüglich den ersten Schritt mache, aber das heißt nicht, dass ich dich deswegen nicht auch will. Das tue ich nämlich wirklich! Ich brauche nur etwa Zeit, um mich an all das zu gewöhnen, verstehst du?“
 

Langsam nickt der Grünhaarige und sieht ihn durchdringend an. „Okay, verstanden. – Vermutlich wäre es aber gut, wenn du mich irgendwie ausbremst, wenn es dir zu viel wird, ich merk das sonst wahrscheinlich nicht, so wie eben. Immerhin bin ich es bisher gewöhnt gewesen, dass man mich hart anpackt und mir strickt zeigt, wo’s langgeht. Damit hab ich auch absolut kein Problem, es gefällt mir sogar richtig gut! So was brauch ich sogar, wie mir scheint. Jemanden, der mein Temperament unter Kontrolle halten kann. – Jetzt mehr oder weniger freie Hand zu haben, weil du ebenfalls Führung brauchst, überfordert mich vermutlich genauso sehr wie dich, nur dass ich dann nicht verschreckt bin, sondern versuche herauszufinden, wie weit ich mit dieser Freiheit gehen kann...“
 

„Kann ich mir vorstellen, oder eher, ich habe es gemerkt. – Vielleicht sollten wir beide erst einmal eine Weile über all das nachdenken, uns allem völlig bewusstwerden, und es dann ganz langsam und Schritt für Schritt noch einmal versuchen? Sodass wir uns beide an unsere jeweilige Rolle gewöhnen können, dass wir mit ganz neuen Situationen konfrontiert werden, die wir bisher so noch nicht kannten. Und dann denke ich mal, wird es sicher etwas werden und für uns beide befriedigend.“
 

„Ja, das klingt gut und ich werde mich bemühen, mehr Geduld zu haben, um dich nicht unnötig zu überfordern.“, entgegnet ihm der kleine Clown leicht lächelnd, wobei er diesen Gedanken sehr schnell wieder vergisst, wenn ihn das nächste Mal sein Verlangen überkommt... Erleichtert lächelt Edward zurück, wobei ihm allerdings ein Gedanke kommt, den er bisher so gar nicht auf dem Schirm hatte. „Joker, ich – denke, dass ich in dich verliebt bin, doch was ist mit dir? Empfindest du auch etwas für mich, oder war das jetzt nur eine Kurzschlussreaktion, weil er dich abgelehnt und dir wehgetan hat?“, versucht er sich Klarheit zu verschaffen. Fast schon erschrocken sieht ihn der Jüngere an.
 

„Vielleicht war das gerade wirklich nur eine Kurzschlussreaktion und deshalb so unbedarft, aber – Ed, ich nenne dich nicht umsonst mein Hübscher! Nicht nur, weil ich dich niedlich finde, wie ich es dir schon mal gesagt hab, sondern auch, weil ich mich zu dir hingezogen fühle! Und das praktisch schon, seit du mich hier hast wohnen lassen...“ Überrascht lauscht der Brünette seinen Worten. „Am Anfang war ich mir dessen nicht bewusst, erst recht, weil meine Gefühle für Batsy so durcheinander waren und es leider auch immer noch sind. Doch mit jedem Kuss, den wir teilten, um den Riddler loszuwerden, hab ich mich ein bisschen mehr in dir verloren...“
 

„Oh, Joker! Warum hast du mir denn nichts gesagt? Dann hätte dieser Albtraum vielleicht gar nicht sein müssen...“ „Naja. Ich wollte den Riddler nicht noch mehr gegen dich aufbringen. Der war ja eh schon immer auf Hundertachtzig meinetwegen. Außerdem wollte ich dir nicht zu nahetreten, da du mir mehr als einmal gesagt hast, dass du ja eigentlich nicht auf Jungs stehst. Und dass die Tatsache, dass wir uns küssen, nun einmal nur dazu dient, diese miese Zecke in deinem Kopf ruhigzustellen. Du hattest manchmal sogar angst vor mir, dass hab ich gemerkt. Und ich war so durcheinander. Das wäre keine gute Kombination für eine Beziehung oder auch nur ein Geständnis gewesen, nicht wahr?“
 

„Da hast du wohl recht. – Wir haben uns irgendwie zur falschen Zeit und unter den falschen Umständen kennengelernt, sonst wäre vielleicht alles ganz anders verlaufen...“, schwer seufzt der Herr der Rätsel, ehe er wieder verhalten lächelt. „Doch jetzt haben wir uns doch noch gefunden, und ich denke, wir werden das Beste daraus machen. Und vielleicht reicht es dem Riddler ja dann auch endgültig und er verschwindet, wenn wir tatsächlich ein Paar werden...“
 

„Oh, der Mistkerl kann sich warm anziehen! Dem wird reihenweise der Kopf platzen, wenn wir erst mal richtig loslegen!“, strahlt Joker begeistert übers ganze Gesicht. Ed kommt nicht umhin, zu denken, dass es ihm da wahrscheinlich auch nicht viel besser als seiner schlechteren Hälfte gehen wird, sollte Joker so richtig loslegen wollen. Doch er verschweigt seine Bedenken. Es wäre dem Kleinen gegenüber doch sehr unfair. Er wird mit Sicherheit noch genügend zu jammern haben, wenn der durchgedrehte Clown den nächsten Annäherungsversuch startet, was bestimmt nicht lange auf sich warten lassen wird, so aufgekratzt der Bengel diesbezüglich doch zu sein scheint...
 


 

8
 

Nachdem sich die ganze Aufregung nun etwas gelegt hat, überkommt die beiden allmählich wieder die Müdigkeit. Daher ist es wohl kein Wunder, dass sie zeitgleich zu gähnen beginnen, was sie dann auch gemeinsam lachen lässt. „Vielleicht sollten wir noch etwas schlafen? Es ist immerhin erst Mittag.“, meint Ed, während er auf die Digitalanzeige des Weckers auf seinem Nachtisch blickt und ein weiteres Gähnen zu verstecken versucht. Kindlich reibt sich nun auch Joker mit der geballten Faust die schwer gewordenen Augen. „Gute Idee.“ Langsam erhebt sich Nigma somit und tapst zu seinem Bett zurück. Wehmütig sieht ihm der Grünhaarige hinterher.
 

„Ed? – Darf ich vielleicht wieder bei dir schlafen?“, fragt er schließlich, nachdem sich der Ältere behaglich eingekuschelt hat. Der Brünette braucht nicht erst sein trauriges Gesicht sehen, damit ihm das Herz schwerwird. Aber nachdem jetzt einiges zwischen ihnen geklärt zu sein scheint, verspürt er weit weniger Bedenken als noch beim letzten Mal. „Aber sicher doch.“, erwidert er daher sanft, rückt etwas weiter an die Wand heran und schlägt dann einladend die dünne Decke zur Seite.
 

Jokers trauriges wie gleichermaßen müdes Gesicht erstrahlt mit einer so wundervollen Wärme und Zuneigung, dass Edward richtiggehend das Herz aufgeht. Das Maß an Dankbarkeit, das der Kleine seinetwegen empfindet, versetzt ihn richtiggehend in Erstaunen. Es ist sogar irgendwie ein kleines bisschen beängstigend, jemanden zu haben, den man wirklich liebt und der das Gleiche auch tatsächlich für einen empfindet, aber auch wunderschön!
 

Schnell huscht der kleine Clown zu ihm ins Bett und schmiegt sich an ihn. Schmunzelnd lässt Ed die Decke über ihn fallen und legt sich ebenfalls wieder hin. Es vergeht eine ganze Weile, in der sie sich einfach nur stumm wie verliebte Teenager ansehen. Dann nähert sich der Grünhaarige vorsichtig zu einem neuen Kuss. Nigma ist nicht der Ansicht, dass es diesmal wieder ausarten könnte, daher erwidert er die Zärtlichkeit recht unbefangen und fühlt sich auch schon viel entspannter und sicherer als noch vorhin. Seinen Kopf durchflutet eine herrliche Leichtigkeit, erst recht, weil Riddler jetzt nicht in der Lage ist, seinen Senf dazu zu geben.
 

Als sie sich wieder trennen, lächelt der Grünhaarige zufrieden. Doch in seinen unnatürlich roten Augen liegt ein Glanz, den der Rätselmeister inzwischen ganz gut interpretieren kann. Er besagt, dass dem Bengel noch etwas auf dem Herzen liegt, er noch eine Bitte hat, und hofft, dass ihr im besten Fall wortlos nachgegeben wird, egal wie verrückt sie vielleicht auch sein mag. Schweigend wartet er daher darauf, was kommen wird.
 

„Können wir vielleicht ein bisschen kuscheln?“, fragt der Junge schließlich leicht scheu, fast so, als fürchte er Ärger, den er von Ed aber eigentlich nicht erwarten sollte. Der Ältere ist sich allerdings nicht ganz sicher, was er darunter genau verstehen soll. Seine bisherigen Partnerinnen waren irgendwie nicht gerade von der kuscheligen Sorte, weder nach dem Sex noch zu anderen Zeiten, was bei Frauen wohl eher die Ausnahme darstellt. Nigma selbst ist auch nicht so wirklich ein Freund von zu viel Körperkontakt, von daher war ihm das immer sehr recht. Joker hingegen scheint die ungeteilte Nähe eines anderen sehr zu mögen, ist anhänglich wie ein Hundewelpe, der immer an vorderster Front dabei sein muss, um nicht traurig winselnd in einer Ecke zu hocken.
 

„Was – meinst du damit jetzt genau?“, erkundigt sich der Brünette unsicher. Der kleine Clown sieht ihn mit großen, erstaunlich unschuldigen Augen an. „Löffelchen liegen?“, kommt es bittend von ihm. Der Angesprochene wird sichtlich rot um die Nase, empfindet er so eine Stellung doch als ziemlich intim, weit intimer noch als die Tatsache, dass der Bengel neulich auf seiner Brust geschlafen oder das andere Mal mit dem Kopf auf seinem Schoß gelegen hat. In seinen Augen ist es sogar die intimste Art zu Kuscheln, die man außerhalb vom Sex einnehmen kann – wenn man es ganz genau nimmt, ist es ja sogar auch eine Sexstellung!
 

„O-kay. – Und wer ist welcher Löffel?“, stellt er daher immer noch unsicher die Gegenfrage. Amüsiert gluckst sein Gegenüber in sich hinein. „Ist das nicht offensichtlich? Ich kann wohl schlecht der große Löffel sein, oder? Außerdem wäre dir das bestimmt unangenehm, wenn ich dir da so nahekommen würde, stimmt’s?“ Wieder läuft Ed rot an.
 

„Ja, schon. – Aber ich wollte wenigstens fragen, damit du dich nicht übergangen oder so fühlst...“ „Ach, Quatsch! Du bist doch der Boss hier, also zeig mir, wo’s langgeht, mein Hübscher!“, kichert der Grünhaarige ausgelassen. „Ich bin doch aber nicht dein Boss, sondern dein Freund! Wir sind in jedem Fall gleichberechtigt! Ich – ach, ich weiß auch nicht. In dem Fall kannst du vermutlich nicht von mir erwarten, dass ich dir zeige, wo es langgeht, wie du es ausdrückst, auch wenn du das gewohnt bist. Ich bin nicht Batman und will auch unter keinen Umständen so gemein zu dir sein. Also sag mir einfach, was du möchtest und dann sehen wir weiter.“
 

„Ich möchte, dass du Löffelchen mit mir liegst!“, wiederholt der Verrückte nachdrücklich und schiebt dabei fast schon schmollend die Unterlippe vor. Daraufhin muss Nigma unweigerlich lachen. „Gut, dann versuchen wir das.“ „Yeah!“, freut sich der Jüngere sichtlich, blickt ihn dann allerdings noch einmal prüfend an. „Du stimmst dem jetzt aber hoffentlich nicht zu, nur weil ich es will und dir damit nicht länger auf die Nerven gehen soll? Das darfst du nicht! Wenn du was überhaupt nicht willst, musst du dich gleich beim ersten Mal durchsetzen und Nein zu mir sagen! Sonst zählen deine Einwände beim nächsten Mal nicht mehr! – Ich möchte, dass du dich dabei auch wohlfühlst und nicht nur meinem Willen nachgibst, bitte!“
 

Überaus überrascht mustert ihn der Ältere, dann lächelt er sanft. „Keine Sorge, ich gebe dem nicht nach, weil du es so willst und nervig bist du nun wirklich nicht –, in jeden Fall nicht jetzt. Ich möchte auch meine Erfahrungen machen, darum geht es mir. Das ich über meinen Schatten springen kann, erst recht, weil ich sicher nicht auf dich zukommen und solche Wünsche aussprechen kann. Ich bin zwar eigentlich kein Mensch, der von sich aus gern kuschelt, aber das kann sich ja ändern, wenn ich eine gute Erfahrung damit verbinden kann, was bisher eben nich so wirklich der Fall war. Also möchte ich nun gern Löffelchen mir dir liegen!“ Sehr erleichtert sieht ihn der Grünhaarige an und dreht ihm dann den Rücken zu.
 

Ganz vorsichtig rutscht Ed an ihn heran, schmiegt ihre Körper leicht aneinander. Dabei drückt er möglichst sanft die Knie in Jokers Kniekehlen und zieht dessen Rücken gegen seine Brust. Als sich ihre warmen und zum größten Teil nackten Körper berühren, überkommt Nigma ein Schauer, doch er fühlt sich nicht gerade unangenehm an. Was allerdings etwas fragwürdig ist, ist die Tatsache, dass sich Jokers Po gegen seinen Unterleib drückt, und sich das mit jeder unbewussten Bewegung des Jungen vor sich nur komischer anfühlt. Dafür ist Ed also noch nicht ganz bereit. Daher rückt er mit seiner unteren Körperhälfte wieder etwas von ihm ab und legt dann mit Bedacht die Arme um ihn.
 

„Gut so?“, raunt er ihm anschließend warm ins Ohr, woraufhin sein Partner ein seliges Seufzen von sich gibt, das sehr viel Ähnlichkeit mit dem zufriedenen Schnurren einer Katze hat, und sich noch mehr an ihn herankuschelt – wohlweislich seine Kehrseite aber leicht auf Abstand hält, hat er die Bedenken seines Hintermannes diesbezüglich doch gespürt. Allein dieser Laut treibt dem Brünetten allerdings abermals die Röte ins Gesicht und er schluckt hart, um den doch ziemlich erregenden Gedanken daran zu verdrängen.
 

„Ganz herrlich, mein Hübscher, wirklich ganz herrlich! Du bist ein ganz toller, großer Löffel!“, schnurrt der Clown begeistert und kuschelt sich noch etwas mehr gegen ihn. Innerlich zuckt der Rätselmeister leicht zusammen und hofft, dass der Bengel das jetzt nicht andauernd macht, sonst wird er noch ganz wuschig, und das wäre zu diesem Zeitpunkt ganz und gar nicht gut. Doch sein Po bleibt weiterhin brav auf Abstand, was Nigma sehr erleichtert. „Schön, wenn es dir gefällt. – Doch tu mir bitten den Gefallen und lieg nach Möglichkeit still, ja?“ „Wird gemacht!“, gluckst er wieder vergnügt, liegt dann aber zum Glück wirklich still.
 

Trotz, oder gerade deswegen ist Joker im Augenblick aber sehr zufrieden. In seinen überforderten Verstand ist endlich Ruhe eingekehrt, in sein wundes Herz erst einmal Frieden. Es ist genug, nun einfach nur von jemandem umarmt zu werden, dem er wirklich vertrauen kann. Mit einem erneuten Seufzen fallen ihm dann die Augen zu, und kurz darauf sind sie beide wieder in die Traumwelt entschwunden. Doch ein düsterer Wald wird ihnen diesmal ganz sicher nicht begegnen. Und wenn doch, dann werden sie ihn gemeinsam bezwingen und alles und jedem mutig entgegentreten, der sie versucht zu entzweien – sei es im Traum oder in der Wirklichkeit!

Overtures


 

1
 

Fast auf den Tag genau eine Woche konnte sich Joker jetzt mit seinem Begehren und Verlangen zusammenreißen, sodass sich Ed etwas in Sicherheit zu wiegen begann, dass so schnell vielleicht doch nichts zwischen ihnen passieren wird, und er daher noch etwas Zeit hat, sich mit alledem anzufreunden. Schon sehr bald wird er allerdings merken, wie trügerisch diese Sicherheit in Wirklichkeit doch gewesen ist, wie hartnäckig – nahezu qualvoll – sich der Grünhaarige doch zu beherrschen versucht hat, statt seinem ungezügelten Verlangen einfach haltlos nachzubeben. Aber auch der kleine Clown wird heute mit ganz neuen Dingen konfrontiert werden, die ihm ziemlich zu denken geben, und die die zwei Gauner dennoch noch viel enger zusammenschweißen, als sie es in diesem zarten Stadium ihrer gerade erst erblühenden Beziehung je für möglich gehalten hätten. Immer vorausgesetzt natürlich, dass sie beide den Anbruch der Nacht überhaupt erleben werden...
 


 

2
 

Unruhig wälzt sich Joker durch sein schon ziemlich zerwühltes Nachtlager, windet sich von einer Seite zur anderen, zieht sich brummend das Kissen über den Kopf, vergräbt sich in der leichten Decke, als wäre ihm plötzlich schrecklich kalt, doch es nutzt alles einfach nichts, sodass er sich nun wieder freistrampelt und genervt zur halbdunklen Decke emporstarrt. Er kann es einfach nicht länger verdrängen und ignorieren schon mal gar nicht mehr. Etwas angefressen erhebt er sich schließlich und tapst zu Ed hinüber. Schweigend bleibt er vor dem Bett des Älteren stehen und beobachtet ihn beim Schlafen. Nigma hat sein Gesicht der Wand zugedreht, die Beine sind lang ausgestreckt, die dünne Decke schmiegt sich nur um seinen Unterleib, zeichnet diesen Bereich seines Körpers wie eine Gussform ab, und die Hände hat er lose vor seinem Antlitz zusammengelegt. Ganz leise kann ihn der Clown atmen hören. Er wirkt so unglaublich friedlich und entspannt. Es wäre wirklich eine Schande, ihn jetzt zu wecken...
 

Unschlüssig verweilt der Junge und beißt sich dabei verlangend auf die Unterlippe. Es ist nicht zu übersehen, was gerade in seinem Kopf vorgeht – seine pochende Erregung, die sich keck und heiß in seinen plötzlich viel zu engen Shorts erhebt, spricht seine Gedanken perfekt aus. Es ist ja nicht so, als würde er sich nicht bemühen, sich zu beherrschen, doch es geht einfach nicht mehr. Zudem ist Joker nun einmal nicht der Typ, der sich mit irgendetwas lange zurückhalten kann. Wenn er etwas will, beharrt er kindlich-penetrant darauf, bis er es endlich bekommt. Eine unschöne Eigenschaft, die ihm schon einiges an Ärger und Schmerzen eingebracht hat, und dennoch war bisher nichts wirklich Lehrreiches für ihn in seinen Fehltritten zu finden.
 

Allerdings will er Edward nur ungern überrumpeln, allein schon, weil dieser so schreckhaft diesbezüglich ist. Andererseits kann er sich nur allzu deutlich vorstellen, dass der Rätselmeister jetzt so gar keine Lust auf dergleichen hat. Und das ist ja das eigentliche Problem an der ganzen Sache. Ed kommt damit prima zurecht, verschwändet vermutlich nicht einmal einen Gedanken an so etwas, während Joker vor Sehnsucht regelrecht vergeht und gar nicht weiß, wo ihm überhaupt der Kopf steht, wenn er Nigma nur betrachtet. Nicht zum ersten Mal wird ihm daher bewusst, wie sehr Batman ihm in dieser Hinsicht doch manchmal fehlt. Dieser war zwar auch kein Freund seiner schamlosen Annäherungsversuche, hat aber immerhin nicht lange gefackelt oder Ausreden gesucht. Und wenn es doch nicht sein sollte, hat er ihn zumindest verprügelt, und das hat Joker auf eine überaus primitive Weise dennoch befriedigt. Ed würde hingegen niemals die Hand gegen ihn erheben, ist so scheu, friedliebend, wohlgesittet und zurückhaltend, dass es den kleinen Clown schlichtweg um den Verstand bringt.
 

Was also tun? Hin- und hergerissen grübelt der Grünhaarige darüber nach. Irgendwie gibt es aber nur zwei Möglichkeiten, oder? Die erste wäre, sich wieder ins Bett zu legen und sich im schlimmsten Fall eben selbst um das nagende Problem seiner Lenden zu kümmern. Mit so etwas hat der Verrückte nun wirklich keine Sorgen, es ist nur bei Weitem nicht so befriedigend. Schon jetzt ahnt er daher, dass seine Bemühungen ihm nur ein paar Stunden – wenn überhaupt – Ruhe verschaffen werden, und er es dann nur umso mehr will. In diesem Fall kennt er seinen triebhaften Körper einfach zu gut.
 

Tja, und die zweite Möglichkeit besteht nun einmal darin, sich in irgendeiner Form mit Ed zu vergnügen. Das wirft aber weitere Probleme auf, weil der Brünette dazu ganz sicher nicht bereit sein wird, erst recht nicht in dem Umfang, wie Joker es gern von ihm hätte.
 

Oh, Himmel! Je mehr er über all das nachdenkt, desto schlimmer wird es! Ihm platzt fast der Kopf – von anderen Dingen ganz zu schweigen –, weshalb er jetzt handeln muss, ganz egal, was sein schüchterner Freund davon halten mag. Manche Leute muss man eben zu ihrem Glück zwingen!
 

Tief holt er Luft und fixiert den schlafenden Mann vor sich nur noch intensiver. Ed gibt ein träges Seufzen von sich, bewegt sich ein bisschen und liegt dann wieder still. Die zarte Andeutung eines Lächelns scheint dabei über sein Gesicht hinwegzugleiten. Er träumt bestimmt von etwas Schönem. Joker beißt sich fester auf die Unterlippe, kann schon sein eigenes Blut schmecken, was wohl auch kein Wunder ist, so sehr wie es jetzt schon in Wallung geraten ist, und seine scharfkantigen Zähne tun das Übrige. Laut rauscht es in seinen Ohren und setzt seinen Weg in tiefere Gefilde ungerührt jeglicher Bedenken fort. Der Anblick des Älteren ist einfach so dermaßen erregend, allein schon, weil er von dieser sagenhaften Aura aus Unschuld umgeben zu sein scheint! Zitternd ballen sich Jokers Hände zu kleinen Fäusten, ein Schauer gleitet seinen erhitzten Körper hinab, sein Atem kommt in abgehakten, nahezu angestrengten Stößen. Das reicht! Er hält es keine Minute länger aus!
 


 

3
 

Ohne auch nur noch irgendeinen Gedanken an irgendwelche Bedenken zu verschwenden, lupft Joker die leichte Decke seines Partners und schlüpft darunter. Nigma gibt wieder ein verträumtes Seufzen von sich, ändert seine Position noch etwas und gräbt sich dann wieder tiefer in seinen Traum hinein. Es ist fast Mittag, von daher haben sie noch einige Stunden Schlaf vor sich, ehe sie wieder an die Arbeit müssen, und diese friedliche Zeit möchte Ed selbstverständlich in all ihren Facetten ausleben. Also bloß nicht freiwillig aufwachen! Daher merkt er auch gar nicht, dass er nicht mehr allein im Bett liegt. Wenn Joker bei ihm schlafen will, dann tut er das gewöhnlich gleich von Anfang an und schleicht sich nicht wie ein verängstigtes Kind nach einem Albtraum heimlich ins Bett der Eltern.
 

Eine Weile verharrt der kleine Clown auch ganz still, betrachtet sein Gegenüber nur wieder. Davon wird das nagende Gefühl in ihm aber keinesfalls besser, auch wenn Ed ihm den Rücken zukehrt. Er ahnt ja auch nicht, welch vernichtende Kettenreaktion er gleich mit seinen triebhaften Gedanken auslösen wird...
 

In seinem mitgenommenen Kopf herrscht nur noch ein Gedanke vor, und daher rückt er nun dichter an den Rätselmeister heran, schmiegt sich gegen dessen Rücken. Leicht unwillig beginnt sich Nigma daraufhin erneut zu regen, und diese Tatsache nutzt der Grünhaarige auch gleich aus und dirigiert ihn mit etwas Nachdruck in eine bessere Position. Nun liegen sie wieder Löffelchen, wobei jetzt allerdings Joker der große Löffel ist. Vorsichtig schlingt er die Arme um seinen Vordermann und bettet seinen Kopf auf dessen Schulter. Bei ihrem Größenunterschied ist es etwas schwierig, doch es geht schon irgendwie – Hauptsache seine Hand kommt dorthin, wo sie hinwill.
 

Nun gibt der Brünette allerdings ein verstimmtes Brummen von sich und versucht sich aus seinem Griff zu winden. Da ihm das aber nicht sonderlich gut gelingt, er in seinem Dämmerzustand aber nicht begreift, wo das eigentliche Problem liegt, kämpft er sich schwerfällig aus dem Schlaf empor und öffnet sehr unwillig die Augen. Vor sich erblickt er nach einer Weile die weißgetünchte Wand. Edward gibt ein müdes Gähnen von sich und will sich dann auf die andere Seite herumdrehen. Allerdings hindert ihm irgendetwas – oder eher irgendjemand – daran. „Joker...“, brummt er missmutig in sich hinein, obwohl ihm gar nicht klar ist, wieso er auf so einen Gedanken kommt, kann er sich doch nicht erinnern, dass der Bengel mit ihm ins Bett gegangen ist.
 

„Ja?“, ertönt auf einmal eine Stimme direkt neben seinem Ohr und lässt ihn erschreckt zusammenzucken. Erst jetzt merkt er, dass ihn jemand festhält, und dieser Jemand scheint ganz unzweifelhaft sein Törtchen zu sein. Nachdem er diese Erkenntnis hatte, merkt er aber noch etwas anderes, was ihm viel mehr Sorgen als die plötzliche Anwesenheit des anderen Jungen in seinem Bett bereitet. Er schluckt schwer. Die erhitze Männlichkeit des Grünhaarigen presst sich völlig ungeniert gegen seine schutzlose Kehrseite, nur ein Hauch Stoff hindert sie noch am Eindringen, wie es dem Rätselmeister erscheint.
 

„Was machst du?“, fragt Nigma unschlüssig und auch etwas verängstigt, obwohl er es sich irgendwie schon denken kann, und versucht daher etwas mehr Abstand zum richtiggehend glühenden Unterleib des Grünhaarigen zu bekommen. Der Kleinere rückt allerdings gleich wieder an ihn heran, presst seine erschreckend harte Erregung nur allzu deutlich gegen den unberührten Po des Brünetten. Verängstigt schnappt Nigma nach Luft.
 

„Was glaubst du denn, was ich machen könnte?“, kommt die Gegenfrage in einem so heißen Hauchen, dass ein Schauer seinen ganzen Körper überzieht – ein Schauer der Angst, wie er mitleidig feststellen muss, hatte er doch gehofft, nie wieder Angst vor dem kleinen Clown haben zu müssen – auch wenn es jetzt eine ganz andere Art von Angst zu sein scheint. Wieder schluckt er schwer. „Joker, ich...“, setzt Ed hilflos an, während es heftig in seinem Kopf zu arbeiten beginnt. Das ruft allerdings aber auch ungewollt den Riddler auf die Plan.
 

‚Ja, also echt mal! Was glaubst du denn, wird der Bengel gleich machen, du selten dämlicher Hirni? Der fickt dich, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken! Oder glaubst du etwa, er hat da eine verdammte Taschenlampe in seiner Unterhose versteckt! Du kannst froh sein, dass du überhaupt wach geworden bist, sonst hätte er dich jetzt schon längst ins Koma gevögelt! Und stell dir nur mal vor, was alles passiert wäre, wenn du auf dem Bauch gelegen hättest! Dann hättest du dir ebenso gut mit Leuchtfarbe FICK MICH auf den Arsch schreiben können! Gott, wie kann man nur so dämlich sein!?‘, faucht seine schlechtere Hälfte aufgebracht und zerstört dadurch jegliche Illusion, die sich Edward vielleicht noch hätte einreden können.
 

„Keine Sorge, mein Hübscher. Wir machen das ganz langsam und vorsichtig...“, kommt es wieder in heißen Luftstößen von dem anderen Jungen. Ehe der Brünette etwas erwidernd kann, gleitet Jokers Linke alles andere als langsam an seiner blanken Brust hinab, streift kurz den flachen Bauch und wühlt sich dann zielstrebig in die Shorts des Älteren hinein. Als ihn die tastenden Finger berühren, holt Nigma geräuschvoll Luft und reißt weit die Augen auf. Sofort verkrampft er sich in der Umarmung des kleinen Clowns, fühlt sich ihm auf so unbegreifliche Weise hilflos ergeben - ausgeliefert.
 

Es ist Jahre her, dass ihn dort jemand anders berührt hat, und es hat sich nie sonderlich gut angefühlt, falls es ihm überhaupt eine positive Reaktion abgewonnen hat. Es fühlte sich ja nicht einmal so toll an, wenn er wirklich mal gezwungen war, es selbst zu machen. Mit ein Grund dafür, warum er sich so schrecklich geschändet gefühlt hatte, als Riddler die Kontrolle übernahm, um sich beim Anblick des misshandelten Jokers selbst zu befriedigen.
 

Doch jetzt ist es irgendwie anders. Er kann es nicht genau beschreiben, doch womöglich liegt es ja daran, dass der Grünhaarige ebenfalls ein Mann ist und daher wohl instinktiv weiß, was einem anderen Kerl somit gefallen könnte. Jokers Hand ist zudem so unglaublich weich und zierlich – die Hand eines Teenie-Mädchens – und doch weiß Edward nur zu gut, wie viel Kraft gewöhnlich in ihr steckt, was es umso überraschender macht, sie jetzt so zartfühlend agieren zu spüren. Als sich Jokers Hand nun auf so sagenhafte Weise zu bewegen beginnt, spürt Ed allerdings augenblicklich auch einen wahnsinnigen Schmerz in seinem Kopf aufflammen, als sich der Riddler vehement dagegen verwehrt. Ein dumpfer, stechender Schmerz, der als scharfes Ziehen hinter seinen Augen beginnt und sich pochend in seinem ganzen Gehirn auszubreiten scheint.
 

‚Dieser verdammte kleine Bastard! Nun tu doch was! Er soll sofort mit diesem Scheiß aufhören! Das ist so dermaßen widerlich...‘, jammert seine schlechtere Hälfte hörbar der Verzweiflung nahe. Ed will tatsächlich, dass Joker aufhört, damit der Schmerz wieder nachlässt, und doch hat er sich nie etwas anderes als das hier gewünscht...
 

„Joker – nicht...“, wimmert er verloren. Noch im selben Atemzug beginnt er allerdings erregt zu stöhnen. „Entspann dich, mein Hübscher...“, haucht ihm der Clown keuchend entgegen, reibt sich verlangend an seiner Kehrseite, nur ein paar Lagen hauchdünner Stoff trennen sie voneinander, was die Begierde des Jüngeren aber in keiner Weise schmälert. Das will alles gar nicht in Nigmas Kopf hinein. Es fühlt sich so unglaublich gut an und doch auf komische Weise auch falsch, so endlos verdorben.
 

Hilflos stemmt er die Hände gegen die Wand vor sich und drückt damit auch unbewusst etwas die Hüften nach hinten. Ihm ist heiß, das Blut rauscht ihm laut in den Ohren, sein Herz schlägt so heftig, das es aus seiner Brust herauszuspringen droht, und er kann deutlich spüren, wie sich seine Männlichkeit immer mehr in der Hand des Verrückten straft, sich nach jeder seiner fahrigen Berührungen sehnt, wie ein Verdurstender in der Wüste nach Wasser. Oh, warum muss sich das nur so verdammt gut anfühlen? Sein Stöhnen wird kräftiger, gleichzeitig brüllt der Riddler aber auch immer lauter in seinen Gedanken. Allerdings ist es Ed im Moment vollkommen egal, was diese miese Zecke schon wieder zu meckern hat. Stattdessen konzentriert er sich voll und ganz auf diese Hand.
 

„Na, wie fühlt sich das an? Willst du mehr davon oder soll ich doch etwas anderes versuchen?“, raunt der Jüngere erregt, reibt sich kräftiger am Hinterteil des Brünetten, als versuche er, den störenden Stoff zwischen ihnen allein damit zu entzweien, und verstärkt seinen Griff noch etwas. „Joker – nicht – aufhören...“, wimmert der Angesprochene mit brüchiger Stimme. Alles in seinem Kopf dreht sich, kein klarer Gedanke will ihm mehr gelingen und alles fühlt sich so seltsam leicht an, dass selbst das Geschrei des Riddlers nur noch wie aus weiter Ferne klingt.
 

„Was meinst du, mein Hübscher? Nicht! Aufhören! Oder: Nicht aufhören?“, hakt der Kleinere keuchend nach und reibt sich noch fester am Po seines Partners. Der Stoff, der sie trennt, scheint kaum noch vorhanden zu sein, drückt sich Jokers Erregung doch so ungeniert gegen seinen empfindsamen Eingang, dass es dem Älteren eiskalt den Rücken hinabläuft, trotz der unglaublichen Hitze, die von ihnen beiden ausgeht. Das tiefe Stöhnen des Clowns in seinen Ohren bringt ihn völlig um den Verstand. Edward keucht verloren auf und drängt sich ihm nun völlig bewusst noch weiter entgegen. Er will nicht, dass der Bengel ihn nimmt und doch will er ihm so unendlich nahe sein...
 

Mehr braucht Joker auch ganz sicher nicht als Antwort. Dafür verstärkt er den Druck noch etwas, gleitet fahrig an der harten, feuchten Erregung des anderen auf und ab. Edward dankt es ihm mit haltlosem Keuchen, während er immer wieder hilflos den Namen des Grünhaarigen wimmert.
 

Oh, Gott! Joker fühlt sich wie im siebten Himmel! Wer hätte gedacht, dass es sich so toll anfühlen und Ed auch noch so bereitwillig mitspielen würde? Das ist einfach unfassbar! Hätte er das gewusst, hätte er sich schon viel früher zu diesem Schritt entschieden, anstatt sich die ganze Zeit selbst so zu quälen. Er kann spüren, wie der Rätselmeister zu zittern beginnt, sich verlangend in seinem Griff windet, sich ihm willentlich entgegendrückt, und dann dieses heiße Stöhnen – zum Verrücktwerden! Das hält der junge Clown beim besten Willen nicht mehr aus. Er gibt ein ersticktes Keuchen von sich, presst sich fest gegen seinen Partner und kommt dann in einem heißen Schwall, der sich zwischen ihnen ausbreitet und sich wie Säure in den wenigen Stoff, der sie trennt, hineinfrisst...
 


 

4
 

Edward spürt praktisch im selben Augenblick, wie er jeden Moment von seinem eigenen Höhepunkt überrollt werden wird, noch ehe er ganz begreift, was mit Joker hinter ihm passiert ist und was sich dort so heiß und feucht an seinem Po auszubreiten beginnt. Somit wird das letzte Denken in seinem haltlos überforderten Kopf über Bord geworfen. Mit einem allerletzten Funken wird ihm allerdings klar, was das bedeuten könnte: Riddler!
 

‚ICH BRING DAS SCHWULE SCHWEIN UM!‘, posaunt seine schlechtere Hälfte in Zorn ertrunken. Innerlich zuckt der Brünette zusammen, äußerlich kann er sich aber nicht dagegen wehren. Er war zu lange – gewollt oder auch nicht – enthaltsam, um es jetzt noch irgendwie abzuwenden, oder sich auch nur noch irgendwie verständlich machen zu können. „...Joker...“, bringt er erstickt hervor und mehr kommt auch nicht, stattdessen kommt Nigma so heftig, dass sein Kopf in einer grellweißen Supernova zu explodieren scheint. Eine Sekunde später gehen für ihn auch schon die Lichter aus...
 


 

5
 

Nach Luft ringend liegen die beiden Schurken aneinandergeschmiegt da und versuchen ihr Denken irgendwie wiederzufinden. „Scheiße, das war ja so geil! Oh, Ed...“, keucht der Grünhaarige überaus angetan und haucht ihm einen warmen Kuss in den verschwitzten, bebenden Nacken. Der Brünette erzittert unweigerlich unter dieser innigen Berührung. „Das kannst du laut sagen! Das war echte Scheiße, Bursche!“, gibt der Angesprochene zornig zurück. Joker ist allerdings noch so sehr in den Nachwehen dieses so langersehnten Höhepunkts gefangen, dass er nicht richtig mitbekommt, welch seltsame Ausdrucksweise sein Gegenüber auf einmal an den Tag legt, und auch nicht, dass Edwards Stimme einen Ton tiefer geworden ist, beinahe rau klingt, als wäre er seit Jahren mit dem Alkohol nicht nur befreundet sondern in innigster Beziehung mit ihm verbunden.
 

Selig schmunzelnd kuschelt sich der Verrückte daher an ihn heran und lässt seine Hand abermals am flachen Bauch des Älteren herabgleiten. „Das sollten wir unbedingt noch mal machen! Das bläst einem echt das Hirn aus dem Schädel!“, schnurrt der kleine Clown und schiebt seine Finger dabei erneut unter den elastischen Bund von Nigmas Shorts. Er kommt jedoch nicht dazu, seinen Worten Taten folgen zu lassen oder auch nur die heißbegehrte Männlichkeit in die innige Umarmung seiner schlanken Finger zu nehmen, da rammt ihm der Rätselmeister mit voller Wucht den Ellenbogen in den Magen!
 

Mit einem erstickten Laut entweicht alle Luft aus Jokers Lungen und er rollt sich getroffen auf die andere Seite herum, schlingt die Arme um seine schmerzende Körpermitte. Eine Sekunde später gibt er ein überraschtes Quieken von sich, fällt über den Rand des schmalen Bettes und landet unsanft daneben auf dem Boden. „Scheiße, Ed! Ein einfaches Nein Danke hätte es auch getan...“, jammert er in Selbstmitleid ertrunken und wendet den schmerzlichen Blick dann zu seinem Freund empor.
 

Dieser hat sich erstaunlich schnell erhoben, steht nur breitbeinig auf der Matratze, um nicht aus dem Tritt zu kommen, und zielt mit einer Pistole direkt auf den Kopf des am Boden knienden Jungen. Mit einem erschreckend lauten Klicken entsichert er nun die Waffe und grinst Joker dabei völlig geisteskrank und kalt wie Eis entgegen. „Was zum...“, setzt Grünhaarige an und blickt mit weit aufgerissenen, unnatürlich roten Augen in den düsteren Lauf der Magnum, die Ed für Notfälle unter seinem Kissen versteckt.
 

„Du hast recht! Es wäre total geil, dir das Hirn aus dem Schädel zu blasen!“, profiliert sich sein Gegenüber wild lachend. In diesem Moment wird dem kleinen Clown mit der Wucht eines Hammerschlags klar, was passiert sein muss. „Riddler?!“, entkommt es ihm mit einem verstimmten Knurren dennoch etwas ungläubig. „Der einzig Wahre, du dreckige Schwuchtel! Viel Spaß in der Hölle!“, flötet Edwards schlechtere Hälfte ausgelassen und drückt dann ab!
 


 

6
 

„Sag mal, hast du das auch gehört?“, fragt Bob etwas entsetzt. „Ja, klang wie ein Schuss!“, erwidert Carl aufgebracht und hebt den Blick Richtung Decke. Die beiden sind heute mit Wachdienst dran, während der Rest von ihnen schläft. Das unmelodische Schnarchen der anderen Männer, die am linken Ende der Garage zusammengedrängt auf einigen Matratzen liegen, ist so durchdringend, dass es den Knall der Pistole fast völlig verschluckt, sodass keiner der Männer auch nur ansatzweise davon wachwird. Sonst ist es allerdings vollkommen still in dem weitläufigen Bau, sodass Carl und Bob fast keine Schwierigkeiten damit haben, zu erkennen, um welches Geräusch es sich bei dem hohlen Knall gehandelt hat.
 

„Der Boss hat wohl ungebetenen Besuch bekommen.“, meint Carl verstimmt und denkt dabei verständlicherweise zu allererst an Batman. Sonst würde wohl kaum ein anderer dafür in Frage kommen. Die Leute hier vergöttern Edward ja praktisch schon, und ein Fremder wird sich wohl kaum am helllichten Tag in die Narrows trauen, nur um Nigma an den Kragen zu wollen. „Bestimmt! Lass uns schnell raufgehen und ihm und Mr. Jay helfen!“, erwidert sein Kollege und zusammen stürmen sie kampfbereit nach oben.
 


 

7
 

In dem winzigen Schlafzimmer ist der Schussknall praktisch ohrenbetäubend, nur das wahnsinnige Lachen des Riddlers übertönt ihn noch und bohrt sich wie ein Messer in Jokers schmerzenden Schädel. Der beißende Gestank von heißem Öl, Metall und Schießpulver lastet wie eine schwere Decke auf ihm und brennt wie ätzende Säure in seiner Nase. Im allerletzten Moment konnte er realisieren, was passieren wird und so noch ausweichen. Allerdings hat ihn die Kugel am rechten Oberarm gestreift, sodass nun sein Blut auf den nackten Holzboden tropft und er gehetzt den Blick auf den anderen Mann lenkt, von dem er dachte, ihm niemals persönlich gegenüberstehen zu müssen. Die Tatsache, dass sein verhasstes Gegenüber noch lebt, bemerkt auch der fleischgewordene Parasit sehr schnell und fängt aufgebracht an zu knurren.
 

„Du dreckige Missgeburt! Halt gefälligst still, damit ich dir ein Loch in deinen verfickten Schädel pusten kann!“, gibt Riddler verstimmt von sich und legt wieder auf ihn an. „Ich denk ja gar nicht dran! Verpiss dich und gib mir meinen Ed zurück, du elender Schweinehund!“, erwidert Joker trotzig und entgeht dem zweiten Schuss wieder ganz knapp. Dafür klafft nun ein beachtliches Loch in der Schranktür hinter ihm. „Vergiss es! Der hat endgültig Sendepause und wird auch nicht mehr wiederkommen! Ich hab so dermaßen genug von diesem ganzen Scheiß mit euch beiden alten Tunten! Dieser Körper gehört jetzt mir und du wirst mich ganz sicher nicht wieder vertreiben, du triebgesteuerter Schwanzlutscher!“
 

Eher er ein drittes Mal auf den Clown feuern kann, öffnet sich allerdings abrupt die Tür des Schlafzimmers und zwei Männer drängen sich mit ebenfalls gezogenen Waffen in die Öffnung. „VERSCHWINDET!“, tönt der Parasit augenblicklich lauthals, reißt ruckartig die Magnum herum und drückt den Abzug durch. „NEIN!“, entkommt es dem Grünhaarigen alarmiert, als sich ein Gegenüber zu bewegen beginnt. Mit einem kräftigen Tritt knallt er Bob und Carl die Tür wieder vor der Nase zu, sodass sie unsanft in den engen Flur zurückgestoßen werden; und die Kugel schlägt keine Sekunde später ein Loch durch das Holz und summt ins dunkle Badzimmer knapp über ihren Köpfen hinweg.
 

„Du elender Mistkerl! Wenn du mich abknallen willst, ist das eine Sache, doch lass gefälligst die Pfoten von den Jungs!“, knurrt der Verrückte nun äußerst aufgebracht und postiert sich schützend vor der geschlossenen Schlafzimmertür, hinter der er die beiden Männer erschrocken reden hören kann.
 

„Ist das der Riddler?“, fragt Carl hörbar aufgelöst. „Kam mir auch so vor. Sei bloß vorsichtig, Mr. Jay!“, tönt Bob, sodass ihn der Grünhaarige hören kann. „Ich werd‘ schon mit ihm fertig! Verschwindet lieber von hier, Jungs!“, meint Joker, wobei er den Riddler sehr genau fixiert. Dieser ist von alledem selbstverständlich ganz und gar nicht angetan und zielt erneut auf den schmächtigen Jungen.
 

„Du musst ihn schlafen schicken, Mr. Jay!“, versucht Carl ihm nachdrücklich verständlich zu machen. „WEG VON DER SCHEISS-TÜR!“, erwidert der Angesprochene fast schon kreischend. Die beiden Männer zucken überrascht zusammen und reagieren aber gerade noch rechtzeitig, ehe die nächste Kugel durch das Holz jagt und in dem schmalen Streifen Wand zwischen Bad und Wohnzimmer einschlägt. Hart schluckend betrachten sie einen Moment das schwarze Auge, das sich in der sonst makellos weißen Wand aufgetan hat, ehe sie wieder angestrengt auf das lauschen, was auf der anderen Seite der Tür passiert.
 

„Halt endlich still, du verschissenes Standgebläse!“, knurrt der Parasit überaus gereizt und legt wieder auf ihn an. Es ist schlichtweg erstaunlich, dass er Joker jedes Mal verfehlt, obwohl der Bengel in dem winzigen Zimmer kaum eine Möglichkeit zur Flucht oder auch nur zum Ausweichen hat, ja nicht einmal an ihm vorbeikommt, um den Bereich vor der Tür zu verlassen und den Männer dahinter somit etwas mehr Sicherheit zu gewehrleisten. Das macht dem Grünhaarigen klar, dass Ed und Riddler sich zwar unfreiwilliger Weise einen Körper teilen müssen, aber weder dieselben Gedanken, Vorlieben, Gefühle oder auch nur Fähigkeiten zu besitzen scheinen.
 

Würde Edward die Magnum halten, hätte Joker schon nach dem ersten Schuss die Englein singen hören, falls bei dem großen Kaliber auch nur noch irgendetwas von seinem durchgeknallten Kopf übriggeblieben wäre. Riddler hingegen scheinen die nahezu tödliche Ruhe und Präzision seines Wirts gänzlich zu fehlen, die diesen immer dann überkommen, sobald er eine Waffe in die Hand nimmt. Dank dieser inneren Ruhe kann Nigma sein Ziel sogar in allergrößter Panik noch punktgenau beim ersten Schuss niederstrecken, ohne wirklich zielen zu müssen. Der Riddler hingegen schießt wie ein kleiner Junge, der Cowboy spielt, nahezu blindwütig um sich. Das kommt wahrscheinlich daher, dass er nur selten die Chance zur Führung hat und somit nicht genug üben konnte, oder einfach von Natur aus zu ungestüm ist.
 

Der fünfte Schuss reißt ein weiteres Loch in die Tür des Kleiderschranks, sodass dem Parasiten nun nur noch eine Kugel bleibt, um ihn ein für alle Mal zu erledigen. Riddler weiß selbstverständlich, wo seine bessere Hälfte überall in der Wohnung Dutzende Schachteln mit Patronen und jede Menge weitere Waffen aufbewahrt, doch dieser lästige Clown wird ihm nicht die Möglichkeit zum Nachzuladen geben, geschweige denn ihn den Raum verlassen lassen, damit er eine andere Pistole holen kann – die Magnum unter dem Kissen ist bescheidener Weise die einzige Waffe hier im Schlafzimmer. Von daher muss der letzte Schuss einfach sitzen!
 

„Sprich dein letztes Gebet, Hurensohn!“ Bevor er jedoch den Abzug durchdrücken kann, stürmt Joker nach vorn, ergreift die Hand mit der Waffe und reißt sie ruckartig Richtung Decke. Die Magnum geht dabei unvermittelt los, weil sich Riddlers Finger erschrocken um den Abzug krümmt, und öffnet ein dunkles Auge neben der altmodischen Lampe dort oben. „DU VERFLUCHTES MISTSTÜCK!“, gebärt sich der Parasit am Rande des Wahnsinns und versucht, sich aus dem erschreckend kräftigen Griff des kleineren Jungen vor sich zu befreien. Der Grünhaarige lässt aber nicht von ihm ab. Stattdessen drängt er ihn zurück, bis dessen Kniekehlen gegen das Bett stoßen und er mit einem erstickten Laut rücklings auf der Matratze zum Liegen kommt. Den Bruchteil einer Sekunde später ist Joker wie ein stürmischer Liebhaber über ihm und pinnt ihn aufs Laken, sodass ihm jegliche Möglichkeit zur Gegenwehr genommen wird.
 


 

8
 

„SOFORT RUNTER VON MIR, DU SCHWANZLUTSCHENDE MISSGEBURT!“, gebärt sich der Brünette der Panik nahe. Wild beginnt er unter dem kleinen Clown zu zappeln und versucht mit dem Lauf der Waffe nach ihm zu schlagen. Das will ihm aber nicht gelingen, da Joker seine Hände wie Schaubstöcke umklammert. „Nun krieg dich mal wieder ein, du jämmerliche Zecke! Du führst dich doch bloß so auf, weil dir keiner dein winzig kleines Ding lutscht! Gib’s doch zu!“, kommt es keck von dem Grünhaarigen, während er ihm endgültig die Waffe aus der Hand windet. Polternd landet sie anschließend auf dem Boden. Erschrocken zuckt Riddler zusammen. „HALT DEIN ELENDES MAUL!“ „Oh, nein! Ich fang grad erst an, Freundchen! Und jetzt gib mir auf der Stelle meinen süßen Ed zurück, oder ich schwöre dir, ich bring dich um!“, knurrt Joker mit wild funkelnden Augen.
 

„Versuch’s ruhig, Miststück, aber deinen hirnlosen Stecher bekommst du damit so oder so nicht zurück! Wenn ich draufgehe, geht er mit mir, schon vergessen?“ „Mag sein, aber ich bin sicher, dass Ed Verständnis dafür hätte. Hauptsache du bist endlich weg!“ „Vielleicht, aber davon hast du dann auch nichts mehr, du kleiner Scheißer.“ „Vermutlich nicht, nein. Aber wir könnten das hier alles auch einfach vergessen und einen Deal aushandeln...“ „Was für einen Deal?“, kommt es überaus skeptisch von dem Parasiten.
 

„Mach mit mir, was immer du willst, nur lass Ed gehen. Ich werd‘ mich nicht mehr gegen dich wehren...“ Argwöhnisch hebt Riddler die linke Augenbraue. „Es hat dir doch gefallen, mitanzusehen, wie mich Batsy gefickt hat, nicht wahr? Oh, ja, das hat dich so richtig heiß gemacht! Es würde dir bestimmt noch viel besser gefallen, seinen Platz einzunehmen. Mir das Hirn aus dem selten dämlichen Schädel zu vögeln, mich zu quälen und zu foltern, bis ich elendig um Gnade winsele, vor dir im Dreck krieche. Wenn du mich in meinem eigenen Blut zu deinen Füßen ertrinken sehen kannst. Mir die Scheiße aus dem Leib prügeln kannst. Würde dich das nicht so richtig geil machen, mein Großer? Tob dich also so richtig schön an mir aus! Und wenn du fertig bist, kannst du meine dreckige Leiche ja dann irgendwo verscharren, wo sie niemand findet. – Und dann lässt du Ed gehen, bitte...“, die Ernsthaftigkeit in der Stimme des kleinen Clowns ist richtiggehend erschreckend und vielleicht ist das ja mit ein Grund dafür, warum Riddler tatsächlich über etwas nachzudenken beginnt, wogegen er sich bis jetzt immer strikt verwehrt hat.
 

Ein durchtriebenes Grinsen huscht über sein Gesicht hinweg, das so viel Ähnlichkeit mit Edward hat und doch wie das Antlitz eines völlig Fremden wirkt. „Ich muss zugeben, dass du nur halb so blöd zu sein scheinst, wie du aussieht, Schwuchtel! Doch erwarte ja kein Erbarmen von mir! Wenn ich dich erst mal richtig in die Mangel nehme, wirst du dir noch wünschen, ich wäre Batman und würde dich bloß ficken!“, profiliert sich der Brünette. Dabei verringert Joker ganz langsam den Griff um die Handgelenke des Älteren, um ihm die Möglichkeit zu geben, sich zu befreien. „Ja, gib’s mir so richtig!“, erwidert der Grünhaarige fast schon begierig und mit freudiger Erwartung in den seltsamen Augen, doch das kümmert den Parasiten schon nicht mehr.
 

Grob befreit er sich schließlich von dem Kleineren, schubst ihn von sich runter, packt ihn ruckartig am Hals und drückt ihn dann mit aller Kraft gegen die Wand neben dem Bett. „Ich zeig dir, wer hier der Stärkere ist!“ Die Überheblichkeit in der Stimme des Riddlers ist praktisch schon greifbar. Wie auch Edward schon viele Male zuvor, beginnt sich nun auch der kleine Clown zu fragen, wie eine so friedliche Person wie der Rätselmeister nur so ein selbstgefälliges Ass in seinem Kopf entstehen lassen konnte. Er lässt es sich jedoch nicht ansehen, sondern beobachtet jede noch so kleine Bewegung seines Gegenübers ganz genau.
 

Als sich der Druck um seinen Hals immer weiter steigert, sieht er schließlich seine Chance. Er will seinem süßen Ed, der irgendwo dort drinnen noch existieren muss, allerdings nicht wehtun, weiß er doch nur zu gut, dass er und der Riddler miteinander verbunden sind, denselben Schmerz, das gleiche Leid miteinander teilen müssen, auch wenn sie sonst nicht allzu viel gemeinsam zu haben scheinen. Daher entscheidet er sich für die sanfte Methode.
 

Ehe ihm die Luft endgültig zu knapp wird und dadurch womöglich seine Reaktionsfähigkeit leiden könnte, legt er dem Größeren schnell die Arme um den Nacken und zieht ihn ruckartig zu sich heran. Bevor der Riddler realisieren kann, was passiert, drückt Joker seine Lippen auch schon auf die des Parasiten und versucht ihn so, wie viele Male zuvor, mit einem Kuss in sein geistiges Gefängnis zu verbannen. Deutlich merkt er, wie sich dabei der Griff um seinen Hals zu lockern beginnt, weshalb er zu hofft, dass es damit vorbei ist...
 


 

9
 

Allerdings hat Joker da ziemlich falsch gedacht. So einfach kann er sich leider nicht mehr des Riddlers entledigen, nicht in diesem losgelösten Zustand. Daher lässt der Brünette ruckartig von ihm ab, nur um dann seinen Kopf zu packen und ihn mit aller Kraft gegen die Wand zu rammen. Dem kleinen Clown entkommt ein schmerzlich-überraschter Laut und er sackt benommen auf die Laken zurück. „Du mistiges Drecksstück hast versucht, mich auszutricksen! Doch das nutzt dir überhaupt nichts! So wirst du mich nicht mehr los!“, knurrt ihm der Parasit ins Ohr und legt abermals die Hände um seinen Hals.
 

„Ich wollte mir ja so richtig schön Zeit lassen und dich so dermaßen durchknallen, dass dir Hören und Sehen vergeht und du endlich mal begreifst, wo dein verdammter Platz ist, doch ich fürchte, dass das nichts wird, wenn du so dreist bist. Daher werde ich dich jetzt sofort um die Ecke bringen, weil du es gar nicht anders verdient hast! Doch das soll mir in keinem Fall den Spaß verderben! Schließlich kann ich deine dreckige Leiche anschließend immer noch nach Herzenslust schänden, und sei es nur, um diesen dämlichen Ed vollkommen um den Verstand zu bringen, damit ich endlich die uneingeschränkte Kontrolle über diesen jämmerlichen Körper bekomme!“ Diesmal begnügt er sich auch nicht damit, sich zurückzuhalten, sondern drückt mit aller Kraft zu, stützt dabei sein ganzes Gewicht auf die Hände, sodass der Junge unter ihm augenblicklich zu röcheln beginnt und sich verzweifelt seinem Griff zu entwinden versucht.
 

Schwerfällig hebt der Grünhaarige die Hände, um ihn irgendwie abzuwehren. Doch es pocht so schrecklich in seinem Kopf, zudem schmerzt sein Arm von dem Streifschuss, droht jeden Moment völlig das Gefühl zu verlieren. Er will Ed noch immer nicht wehtun, doch ihm bleibt einfach keine andere Möglichkeit. Er muss tun, was Carl gesagt hat und ihn schlafen schicken.
 

Während Riddler ihm vehement weiter die Luft abdrückt und er schon langsam Sterne zu sehen beginnt, ballt er die linke Hand zur Faust und holt aus. Mit einem wuchtigen, fast schon hohlen Laut trifft die Faust die rechte Schläfe des Brünetten. Überrumpelt wird der Kopf des Älteren zur Seite geschleudert und knallt dabei hart gegen die Wand. Die durchdringenden, grünen Augen verdrehen sich fast schon grotesk, bis nur noch das Weiße zu sehen ist, und dann bricht der Parasit ohnmächtig neben ihm auf der Matratze zusammen...
 


 

10
 

Abgehakt holt Joker Luft und versucht wieder zu Atem zu kommen. Völlige Stille liegt nun auf dem beengten Raum, die dennoch die Lautstärke einer Explosion zu haben scheint, doch der kleine Clown weiß, dass er vielleicht nicht viel Zeit hat, bis Riddler wieder zu sich kommen könnte. Von daher muss er selbst schnell wieder auf die Beine kommen und sich etwas überlegen, um ihn völlig loszuwerden. Aber sein Kopf schmerzt so sehr, dass er keinen klaren Gedanken mehr fassen kann...
 

Plötzlich klopft es verhalten an der Schlafzimmertür. Die Jungs sind scheinbar immer noch da, was dem Grünhaarigen ein nachsichtiges, kleines Lächeln aufs müde Gesicht zaubert – auf sie kann man sich eben immer verlassen. Vielleicht können sie ihm ja auch helfen eine Lösung zu finden? „Mr. Jay? Ist alles in Ordnung?“, dringt es vorsichtig durch das Holz, ehe sich die Tür ganz langsam öffnet. Angriffsbereit schiebt sich der Lauf einer Pistole durch den Spalt, dann folgt zaghaft Bobs Gesicht. „Fuck...“, entkommt es dem Mann beim Anblick der Szene. „Sind – sie tot?“, will Carl hinter ihm unschlüssig wissen. „Ich...“, setzt sein Kollege an, dann stemmt sich Joker stöhnend auf die Ellenbogen und hält sich den pochenden Kopf.
 

„Mr. Jay!“, ertönt es als unmelodischer Chor von den zwei Männern in der Tür. Eilig kommen sie zum Bett und helfen dem Grünhaarigen in eine sitzende Position. „Schon gut, es geht wieder...“, bringt er murrend hervor und befreit sich dann aus dem stützenden Griff der beiden. „Was ist mit Ed?“, will er stattdessen wissen und wendet sich herum. Prüfend tastet Carl nach dem Puls des Brünetten. „Wird sicher eine ziemliche Beule, aber er kommt bestimmt gleich wieder zu sich.“ „Und was machen wir dann?“, will Joker sorgenvoll wissen. Bob zuckt lässig mit den Schultern. „Nichts.“, meint er locker, als wäre es doch vollkommen offensichtlich. Völlig ungläubig betrachtet ihn der Jüngste.
 

„Nichts? Was soll das heißen, nichts? Der Riddler...“, setzt er an, wird aber von Carl unterbrochen, der ihm tröstlich eine Hand auf die Schulter legt. „Der ist weg! Der Boss ist wieder normal, wenn er aufwacht, ehrlich! Von daher können wir nichts tun, außer ihm vielleicht ein Aspirin bringen.“, erklärt er ruhig. „Wirklich?“ „Ja, keine Sorge. Ist nicht das erste Mal, dass das passiert ist. Wir wissen, was zutun ist.“, meint Bob nun wieder locker und zuckt abermals mit den Schultern. Grübelnd betrachtet Joker den ohnmächtigen Rätselmeister eine Weile. „Gut, wenn das so ist. – Dann lasst uns doch jetzt bitte allein, okay? Wir müssen das erst mal verdauen...“ „Kein Problem, Mr. Jay. Schlaft euch richtig aus, ja? Wenn noch was ist, wir sind unten.“, kommt es mit einem sanften Lächeln von Carl, ehe sich beide wieder zur Tür begeben. „Danke, Jungs.“ Dann sind die zwei Schurken wieder allein.
 


 

11
 

Es scheint eine Ewigkeit zu vergehen, in der Joker seinen Freund einfach nur schweigend und bedrückt betrachtet. Dann beginnt sich Edward endlich zu regen. Schmerzlich stöhnend rollt er sich schwerfällig auf die Seite und öffnet dann blinzelnd die Augen. „Oh, mein Kopf...“, wimmert der Brünette und drückt sich die Hand gegen die Schläfe, die so innige Bekanntschaft mit der Wand gemacht hat. Unter seinen Finger kann er deutlich die pochendheiße Beule spüren, die dort stetig anzuwachsen beginnt. Schmerzlich verzieht er das Gesicht.
 

„Ed? Bist du es wirklich?“, ertönt eine ungewohnt vorsichtige Stimme neben ihm. Der Angesprochene wendet seinen noch etwas verschwommen Blick in diese Richtung und versucht sich irgendwie hinzusetzen, was ihm aber nicht gleich gelingen will. „Joker?“, stellt er die Gegenfrage. Der Grünhaarige sieht die zärtliche Sanftmütigkeit in den müden, grünen Augen und begreift, dass es wirklich sein Ed ist. Die Augen des Riddlers waren durch und durch kalt, nahezu tot.
 

Tiefste Erleichterung macht sich in ihm breit und er überbrückt den kurzen Abstand zu ihm, hilft ihm, sich hinzusetzen und sich gegen die Wand lehnen zu können. Dann kann er nicht mehr an sich halten und schließt den völlig überforderten Nigma ruckartig in seine Arme, drückt ihn fest an sich. Krampfhaft versucht er ein Schluchzen zu unterdrücken, während heiße Tränen seine Wangen benetzten. „Joker? – Ist alles in Ordnung?“, fragt Edward betrübt und erwidert dann die Umarmung des Kleineren unbeholfen.
 

Schmerzlich zuckt der Grünhaarige zusammen, als die Hand seines Partners ungewollt über die Schusswunde gleitet. „Alles bestens.“, meint Joker im selben Moment dennoch. Ed schüttelt jedoch nachdrücklich den Kopf, befreit sich von dem Verrückten und betrachtet mit weit aufgerissenen Augen den blutverschmierten Arm des Jungen vor sich. „Nichts ist bestens! Du hättest sterben können, und dass nur meinetwegen!“, gebärt sich der Ältere aufgebracht, erhebt sich schwerfällig vom Bett und tapst unsicher ins Badezimmer, um Verbandszeug zu holen.
 

„Warte...!“, ruft Joker ihm nach, doch Nigma hört nicht auf ihn. Einen Augenblick später setzt sich der Rätselmeister wieder neben ihn und beginnt damit, die Wunde zu säubern. „Es war nicht deine Schuld, mein Hübscher! Das war der Riddler!“, verdeutlicht ihm der kleine Clown. Missmutig lässt Ed die Schultern hängen. „Ich weiß, aber trotzdem. Er ist schließlich ein Teil von mir...“, entgegnet er ihm, während er nun den Arm des Jungen verbindet.
 

„Kannst du mir sagen, was da überhaupt grade passiert ist?“, fragt Joker nach einem Moment, indem sein Gegenüber das Verbandsmaterial wieder zusammensammelt. „Ich – Okay, fangen wir anders an. Der Riddler kann immer nur dann Führung über meinen Körper übernehmen, wenn ich es ihm explizit gestatte, oder er einer Lücke in der Membran meiner Gedanken finden kann. So eine Lücke entsteht zum Beispiel durch großen Stress, allumfassende Panik oder eben durch eine Gefühlsexplosion, wie sie unweigerlich beim Orgasmus zustande kommt. – Ich wollte dich noch warnen, dass du aufhören musst, bevor es womöglich soweit kommt, doch – es hat mich einfach umgehauen...“, peinlich berührt läuft Nigma knallrot an.
 

„Als mir in diesem Moment praktisch der Kopf explodiert ist, hat mich der Riddler gepackt und in das Gefängnis geworfen, in das du ihn für gewöhnlich wegsperrst. So konnte ich mich nicht einmal bemerkbar machen, nicht auf ihn einreden, um ihn vielleicht von dir abzulenken. – Er war so schrecklich wütend auf dich und wollte es ein für alle Mal beenden. – Oh, das tut mir alles so unendlich leid!“ „Muss es nicht. War ja irgendwie meine eigene Schuld. Wenn ich nicht so aufdringlich geworden wäre, wäre es nicht passiert. Von daher tut es auch mir leid, dass ich dir das zugemutet habe, auch wenn es dir scheinbar ja gefallen hat. – Ich kann wohl von Glück reden, dass dieses Arschloch so ein mieser Schütze ist.“
 

Sanft lächelt Ed über diese Tatsache, wobei seine Wangen noch immer von Jokers vorangegangenen Worten glühen. „Danke und ja, er kann nicht besonders gut schießen, weil er kaum Gelegenheit zum Üben hatte. Er hat zwar uneingeschränkten Zugriff auf meine Gedanken und Erinnerungen, wird von meinen Gefühlen beeinflusst, auch wenn ihm das nicht passt, gleichermaßen von meinen Handlungen, und verspürt den gleichen zwanghaften Drang nach Rätseln, doch körperlich ist er nicht auf meinem Niveau. Er bewegt sich ruppiger, fast schon tollpatschig. Ihm geht schneller die Puste aus, dafür sind seine Augen besser. Riddler braucht keine Brille, weshalb er sie entweder abnimmt oder weit auf die Nasenspitze schiebt, wenn wir die Plätze tauschen.“ „Er ist zudem kräftiger als du und seine Stimme ist etwas tiefer, kratziger.“, ergänzt Joker.
 

Überrascht sieht ihn der Brünette an. „Ach wirklich? Gut zu wissen. In meinem Kopf hört sich seine Stimme genauso an wie meine. Und wenn er laut spricht, dann klingt es für mich etwas gedämpft, sodass der Unterschied nicht mehr hörbar ist. Das er kräftiger ist, habe ich noch nicht bemerkt, da er Konfrontationen für gewöhnlich aus dem Weg geht und sich nicht prügelt, wenn er keinen Vorteil für sich darin finden kann oder er nicht ausweglos in die Ecke getrieben wird. Er hasst Schmerzen und will sie daher vermeiden. Von daher war ich schon ziemlich überrascht, wie vehement er sich versucht hat, dir in den Weg zustellen. Sein Hass auf dich muss grenzenlos sein, und dann kommt auch noch sein angeschlagener Stolz durch deine Handlungen hinzu. Er hat alles in sich hineingefressen und es jetzt rausgelassen, wo er die Möglichkeit dazu bekam...“, betrübt senkt Nigma den Blick.
 

Ein bisschen kann er den Riddler sogar verstehen, musste Ed doch praktisch sein Leben lang immer wieder die Gemeinheiten und Pöbeleien anderer Leute runterschlucken – mit dem Unterschied, dass er bisher weniger Gelegenheit hatte, es auch wieder rauszulassen, oder besser gesagt, auch nicht gerade das Verlangen danach verspürte, eine Rachefeldzug anzuführen, da er doch trotz alledem der Ansicht ist, dass eine friedliche Lösung die bessere wäre.
 

„Deine Jungs haben mir erzählt, was ich tun soll, um den Riddler loszuwerden...“, setzt der Grünhaarige nach einer kleinen Pause an. „Das habe ich mitbekommen. Ich bekomme alles mit, was außerhalb meines Körpers passiert. Doch da er mich in das Gefängnis gesperrt hatte, konnte ich mich nicht wehren, um die Kontrolle wiederzubekommen. Das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Als es das letzte Mal passierte, gab es das Gefängnis ja noch nicht und so konnte ich mich wenigstens verständlich machen, damit die Leute um mich herum wussten, was zu tun war. – Auch wenn sie mich in dem Augenblick wohl für völlig durchgeknallt gehalten haben müssen, wenn ich auf einmal mit zwei Stimmen spreche und mir selbst dann auch noch widerspreche...“ „Magst du mir davon erzählen?“
 

„Klar, warum nicht? Viel zu sagen gibt es da allerdings nicht. In Gegenwahrt meiner Jungs ist es bisher zum Glück erst zweimal passiert. Hinzu kommt ein weiteres Mal, das sich bei Oswald zugetragen hatte, weshalb auch er im Ernstfall weiß, was zu tun ist. – Beim ersten Mal hatte ich mich hier gerade erst niedergelassen. Ich hatte nur Mel, Tom und Mike um mich, die schon ziemlich lange an meiner Seite sind und mich auch vorher schon im Kampf gegen Batman unterstützt hatten. – Ich weiß nicht genau, was damals passiert ist. Riddler war nie sonderlich begeistert von meiner Idee, mich hier niederzulassen und den guten Samariter zu spielen, wie er es ausdrückt. Er hat mich ständig bedrängt, diesen ganzen Mist sein zu lassen. Irgendwann hatte ich einfach keinen Nerv mehr dafür und erlitt einen Zusammenbruch. Das reichte allerdings aus, um ihn die Kontrolle erlangen zu lassen...“, beschämt senkt Ed den Blick und atmet ein paar Mal tief durch.
 

„Er ist auf meine Männer losgegangen und hat versucht sie zu töten. Zum Glück ist er ja so ein mieser Schütze und unten in der Garage war auch viel mehr Platz als hier, sodass sie ihm gut ausweichen konnten. Mel ist es dann irgendwann gelungen, sich unbemerkt von hinten anzuschleichen und ihn niederzuschlagen. Als ich wieder zu mir kam, war ich wieder ich selbst. Ich weiß nicht genau, wie es dazu kam. Vermutlich ist es aber ähnlich wie bei einem Computer, der in einen alten, unbeschädigten Zustand zurückgesetzt wird. Als mein Hirn also praktisch wieder hochgefahren wurde, stellte sich die schützende Membran – meine Firewall, wenn du so willst – wieder her und Riddler – dieser miese, kleine Trojaner – hatte somit keinen Zugriff mehr auf meinen Körper. Als es nur Tage später aus purer Erschöpfung heraus das zweite Mal passiert ist, konnte ich den Riddler zumindest etwas zurückdrängen, sodass ich meinen Jungs sagen konnte, dass sie mich K.O. wieder schlagen müssen, was sie nach kurzen Zögern auch getan haben, weil Mel sich an das erste Mal erinnert hat. Mike und Tom waren gerade unterwegs und ich hatte gerade Paul und Toni eingestellt. War eine tolle Bewährungsprobe für die beiden, kann ich dir sagen. – Bei Oswald war es das Gleiche. Es passierte kurz vor dem Schurkentreffen, ich weiß aber beim besten Willen nicht, was da der Auslöser gewesen ist. Die Erinnerung fehlt in meinem Gedächtnis. In jedem Fall konnte ich Riddler wieder etwas abwehren, um mich verständlich zu machen. Oswald und ich sind schon lange Freunde, daher hat er nicht gezögert, da er ziemlich gut weiß, was in meinem Kopf alles falschläuft, auch wenn er dem Riddler nie vorher persönlich begegnet war. Er hat mich einfach mit Narkosegas aus seinem Schirm besprüht, etwas anderes blieb ihm auch nicht wirklich übrig, so klein und schwach wie er im Vergleich zum Riddler doch ist. Vermutlich hat das Gas auch gleich meine Erinnerung gelöscht. Oswald wollte sich dazu nicht äußern...“
 


 

11
 

Inzwischen liegen die beiden schweigend nebeneinander in Edwards Bett und lassen das alles Revue passieren. Schließlich durchbricht der Rätselmeister die Stille. „Hör mal, wenn du das nächste Mal so einen Überfall auf mich planst, solltest du dir wenigstens die Zeit nehmen und mich vorher küssen. Dann wird der Riddler weggesperrt und es kann nichts passieren. Er kann nicht aus seinem Gefängnis raus, auch wenn in meinem Kopf alle Türen sperrangelweit offenstehen würden. Natürlich immer vorausgesetzt, dass ich nicht ohnmächtig werde, dass würde ihn dann zumindest aus dem Gefängnis befreien, bevor seine Vierundzwanzig-Stunden-Frist abgelaufen ist.“, meint er leicht mahnend und dreht sich auf die Seite, um seinem Partner ins Gesicht sehen zu können.
 

Dieser tut es ihm gleich. „Ja, wäre wohl eine gute Idee, was? – Ich weiß auch nicht, was da genau über mich gekommen ist. Ich wollte dir so gern nahe sein, hatte aber Sorge, dass du mich abweisen würdest, weshalb ich mich dafür entschieden hatte, es eben etwas ruppiger zu machen. – An den Riddler hab ich überhaupt nicht gedacht...“
 

„Schon gut. Ist ja noch mal gutgegangen.“, kommt es aufmunternd von Nigma, während er sanft mit den Fingern über Jokers entstellte Wange gleitet. „Aber sag mal, hat es dir wirklich so gut gefallen?“, fragt der kleine Clown dann mit funkelnden Augen. Der Angesprochene wird abermals knallrot und weicht seinem durchdringenden Blick aus. „Das – hast du doch wohl gemerkt, oder? – Mir ist wirklich der Kopf geplatzt! So was habe ich vorher noch nie erlebt. – Ich dachte immer, dass das nichts für mich wäre. – Ich fasse mich nicht einmal selbst gern an, wenn es sich auch nur irgendwie vermeiden lässt. Ich finde das irgendwie eklig. – Und wenn das mal eine meiner Freundinnen versucht hatte, war mir dabei nie so sonderlich wohl. Es fühlte sich irgendwie immer falsch an, sodass mir der Gedanke kam, dass ich es wahrscheinlich grundsätzlich nicht gut finde, dort auf diese Weise berührt zu werden. – Aber...“
 

„Aber?“, hakt Joker hoffnungsvoll nach. „Aber bei dir war es irgendwie ganz anders. – Es hat sich von Anfang an ganz anders angefühlt! Überhaupt nicht schlimm oder falsch oder was auch immer. Mein ganzer Körper hat sich regelrecht danach gesehnt, dort von dir berührt zu werden! – Ich konnte kaum klar denken. – Heißt das vielleicht sogar, dass du – dass du womöglich – der Richtige für mich bist? – Das ich die ganze Zeit nur auf dich gewartet habe?“, nahezu flehend sucht er nun wieder den Blick des Kleineren vor sich. Der Grünhaarige lächelt sanft und legt vorsichtig die Stirn an die seines Partners. „Das fände ich wirklich schön, wenn es so wäre. – Und vielleicht geht es mir mit dir ja genauso? Batsy hat seinen unausgesprochenen Reiz, eine sagenhaft dunkle Anziehungskraft, bei der einem zwangsläufig die Knie weich werden, doch er ist irgendwie nur so etwas wie ein wildes Abenteuer. Eine heimliche Affäre, ein heißer One-Night-Stand, irgendwas in der Art. Nichts, was man dauerhaft ertragen kann, was man aber dennoch braucht, um sich komplett zu fühlen, doch bei dir fühle ich mich geliebt und geborgen...“
 

„Den Gedanken finde ich auch nicht schlecht. Batman kann einfach nicht der Mensch sein, der für dich bestimmt ist, und das sage ich ganz sicher nicht, weil ich dich für mich allein beanspruchen möchte. Dafür trennt euch einfach zu viel. Uns hingegen trennt kaum etwas, wie mir scheint.“ „Doch, der Riddler trennt uns...“, entgegnet Joker geknickt. „Das kann man ändern...“, erwidert Edward, überbrückt den kurzen Abstand zu ihm und küsst ihn zärtlich. Begeistert geht der Verrückte darauf ein und vertieft das Ganze schnell.
 


 

12
 

Eine Weile küssen sie sich einfach nur ganz innig, während Riddler überaus fluchend in sein Gefängnis weggesperrt wird. Als sie sich trennen, sehen sie sich tief in die Augen. „Ich liebe dich!“, gibt Ed von sich. „Ich liebe dich auch!“, erwidert Joker ohne jegliches Zögern. Verlegen beißt sich der Brünette auf die Unterlippe und sein Gegenüber will schon fragen, was jetzt los ist, als Nigma wieder seinen Blick sucht. Erneut färben sich seine Wangen dabei deutlich dunkler.
 

„Ich – würde mich gern für deine Hilfe bedanken und – dich etwas für all die Aufregung entschädigen. – Natürlich nur, wenn du das auch möchtest...“ „Oh, Ed! Alles, was du willst, mein Hübscher!“, kommt es überglücklich von dem kleinen Clown, der trotz des ganzen Ärgers mit dem Riddler noch immer in seinem Verlangen zu vergehen scheint. Der Rätselmeister schluckt schwer. „Okay. – Ich fürchte – mir fehlt es da an Erfahrung, aber – ich würde es dennoch gern versuchen wollen. Vielleicht kannst du mir ja ein bisschen helfen?“ „Aber sicher doch! Weißt du, es macht es einfacher, dass wir beide Jungs sind. Da kannst du dich an deinem eigenen Körper orientieren.“, entgegnet ihm der Jüngere sanft. „Hm. Da ist durchaus etwas dran...“, stimmt ihm sein Partner zu.
 

Langsam beugt sich der Brünette über ihn und nähert zu einem weiteren Kuss, auf den der Grünhaarige nur allzu gern eingeht. Vorsichtig legt sich Eds Hand auf die schmale Brust des Jungen unter sich, streicht über die weiche Haut und gleitet dann hinab zum flachen Bauch. Der Kleinere legt ihm derweilen die Hände in den Nacken und zieht ihn etwas näher an sich heran, während sich ihre Lippen weiterhin gegeneinanderdrücken. Edwards Hand tastet sich weiter hinab, streicht nun über die linke Hüfte und legt sich schließlich warm auf den Oberschenkel des Clowns. Dort verweilt sie eine Weile und beginnt dann ganz langsam wieder mit dem Aufstieg. Anstatt jedoch den gleichen Weg wie vorher nach oben zu wandern, schiebt sie sich nun zwischen die leicht gespreizten Beine des Liegenden, spürt dort das ganze Ausmaß der verborgenen Männlichkeit unter dem dünnen Stoff, der noch immer leicht feucht von Jokers Überfall vorhin ist.
 

Entgegen von Nigmas Gedanken zuckt der Grünhaarige unter ihm jedoch heftig zusammen und löst den Kuss zwischen ihnen. Alarmiert sieht ihn der Ältere an und zieht sofort die Hand zurück. „Was ist?“, fragt er sorgenvoll. Nun ist es an dem kleinen Clown rot zu werden und ihn mit großen Augen anzublicken, in denen so etwas wie leichte Furcht steht. Edward ist drauf und dran das Ganze wieder zu beenden, begreift er doch nicht, was jetzt los ist. „Nichts, alles in Ordnung, doch – du bist wohl nicht der Einzige, dem es in manchen Hinsichten an Erfahrung fehlt, schätze ich. – Mich hat noch nie jemand dort angefasst...“, gesteht der Verrückte schließlich untypisch kleinlaut.
 

Der Brünette ist sich nicht sicher, ob ihn das jetzt überraschen soll oder nicht. „Wirklich? Und Batman?“, fragt er daher etwas verwundert. „Nein, Batsy hat sich mit so was bisher nicht abgegeben. – Bei uns gab’s nie so etwas wie ein Vorspiel oder schlichte Zärtlichkeiten...“, traurig schlägt er die unnatürlich roten Augen nieder. „Das tut mir leid...“, erwidert der Ältere betroffen. „Nein, dass muss es nicht. So was hat mich bei Batsy auch nie wirklich gekümmert. Bei ihm brauche ich die harte Hand, die mich führt. Alles andere würde auch einfach nicht zu ihm passen, so wie ich ihn bisher kennengelernt habe. Da ist es vermutlich eh schon ein Wunder, dass er überhaupt dergleichen mit mir macht. – Bei dir ist das was anderes. Dich möchte ich überall spüren. Also mach bitte einfach weiter, ja?“ „In Ordnung. Aber du musst mir sagen, wenn irgendetwas nicht okay ist, einverstanden? Wenn du etwas nicht magst.“, flehend betrachtet er den jungen Clown unter sich. „Das mache ich, keine Sorge.“
 


 

13
 

Vorsichtig legt sich Edwards Hand wieder zwischen die Beine des anderen Jungen, betasten dort dessen Männlichkeit durch den dünnen Stoff hindurch, macht sich mit all dieser irgendwie bekannten Fremdartigkeit vertraut. Joker liegt weiterhin unter ihm und klammert sich nun mit den Fingern im Kissen fest, als suche er verzweifelt nach Halt. Mit halb geschlossenen Augen beobachtet er jedoch ganz genau, was sein Partner dort unten macht. Sanft verstärkt Ed etwas den Druck seiner tastenden Finger, woraufhin der Grünhaarige ein erregtes Seufzen von sich gibt. Schon eine Sekunde später schlägt sich der Liegende allerdings heftig die Hand auf den Mund, als wolle er versuchen, diesen ungehörigen Laut wieder dorthin zu verbannen, wo er so unbedarft hergekommen ist.
 

Mit schiefgelegtem Kopf betrachtet der Rätselmeister dieses Verhalten verwundert. „Was machst du denn?“, fragt er schließlich fast schon belustigt und lässt erneut von ihm ab. Langsam lässt Joker die Hand wieder sinken. „Ich dachte du – ich – Batsy wollte keinen Mucks von mir hören und hat mir deshalb immer den Mund zugehalten...“, gesteht er betrübt und schlägt erneut die Augen nieder. Ihn so zu sehen, ist so unglaublich untypisch für seinen quirligen Charakter, dass es nahezu erschreckend ist. In Edward entspringt ein nur allzu bekannter Funken Zorn, den er stets dem Dunklen Ritter gegenüber empfindet, wenn es um sein Törtchen geht.
 

Der Kleine hat zwar schon Sex mit einem Mann gehabt und in dieser Hinsicht mehr Erfahrung als Nigma, doch die Art und Weise, wie es zwischen Batman und Joker vonstattenging, ist in Eds Augen schlichtweg unzumutbar und überaus unfair dem Jungen gegenüber. Ein schlichtes Machtspiel der Fledermaus, damit ihm der verwirrte Bengel hörig ist, und nun das Gefühl hat, sich dem Rätselmeister ebenso unterordnen zu müssen. Einfach nur widerlich! Herzlichen Dank auch, du arroganter Möchtegerndetektiv!
 

„Hör zu, Törtchen. Ich kann es, glaube ich, gar nicht oft genug sagen, aber ich bin nicht Batman und werde dich auch keinesfalls so behandeln, selbst wenn du mich auf Knien darum anbettelst. Ich finde es einfach nur schrecklich, wie er dich die ganze Zeit über missbraucht hat – anders kann man es wohl kaum ausdrücken –, und jetzt zu sehen, welchen Einfluss das alles auf dich hat, bricht mir das Herz. – Ich liebe dich! Ich möchte, dass du glücklich bist! Also vergiss bitte, was er alles gemacht hat, ja? Lass dich gehen und vertrau mir! Konzentrier dich nur auf mich, auf uns! Ich möchte, nein, ich muss deine Stimme hören können! Das ist wichtig, verstehst du? Ohne sie weiß ich nicht, wie es dir dabei geht, und dieses Wissen ist für mich unabdingbar, weil ich möchte, dass es schön für dich ist!“, durchdringend mustert er den Jungen unter sich, der ihn mit großen, feuchten Augen betrachtet, als würde er jeden Moment in Tränen ausbrechen.
 

Nachdrücklich nickt der Grünhaarige und blinzelt die aufkommende Traurigkeit wieder hinfort. „Okay, ja. Verstanden. Du bist nicht Betsy, sondern mein lieber, süßer Ed!“ „Ganz genau! – Jetzt entspann dich...“ Vorsichtig legt er wieder die Hand zwischen Jokers Beine und tastet sich durch den warmen Zwischenraum. Der kleine Clown klammert sich erneut am Kissen fest und beobachtet ihn dabei. Als ihm diesmal ein erregtes Seufzen über die Lippen kommt, versteckt er es nicht, sondern stößt es fast schon wimmernd in den kleinen Raum hinein. Der Laut jagt einen überaus angenehmen Schauer über Nigmas Rücken hinweg, gibt ihm ein seltsames Gefühl von Macht, das er so noch nicht kannte. Ihm wird heiß und kalt gleichermaßen und er wünscht sich daher augenblicklich, ihn wieder hören zu dürfen.
 

Mit halbgeschlossenen Augen beißt sich der Jüngere auf die Unterlippe und windet sich etwas unter ihm, drückt sich seinen Fingern entgegen. Ed wird ganz schummerig davon. Er schluckt hart. „Darf – ich dir die Shorts ausziehen?“, fragt er vorsichtig. „Ja, bitte...“, seufzt Joker und hebt die Hüften etwas an, als sich die Hände des Älteren um den elastischen Bund schließen. Kurz darauf landet das störende Stück Stoff neben dem Bett auf dem Boden. Bevor der Rätselmeister aber weitermachen kann, greift nun sein kleiner Freund nach seiner Shorts und zupft daran herum. „Zieh deine auch aus!“ Einen Moment ist der Brünette etwas unschlüssig. Er will jetzt nicht zu weit gehen und Sex mit ihm haben. Heute keinesfalls, dafür ist er einfach noch nicht bereit und es ist schon viel zu viel passiert, als dass er dergleichen auch noch verarbeiten könnte. Daher fürchtet er, dass es ausarten könnte, wenn er sich ebenfalls nackt auszieht. Andererseits ist es auch irgendwie etwas unfair, wenn nur Joker blankziehen muss. Schließlich gibt er sich einen Ruck und entledigt sich dieser letzten Barriere zwischen ihnen.
 


 

14
 

Langsam baut sich der Rätselmeister wieder über ihm auf und lässt sich von ihm dann zu einem weiteren Kuss verführen. Dabei gleitet seine tastende Hand abermals an den Hüften des Jungen herab, macht diesmal aber keinen Umweg über den Oberschenkel, sondern schiebt sich gleich zwischen die gespreizten Beine des Liegenden. Diesmal zuckt der Grünhaarige nicht unter der Berührung zusammen, obwohl nun Haut auf Haut trifft. Stattdessen seufzt er wohlig-erregt in den Kuss hinein, verstärkt den Griff um Nigmas Nacken und drückt sich ihm verlangend entgegen. Dafür ist es jetzt aber wieder Edward, der leicht zusammenzuckt und schließlich den Kuss löst.
 

Mit großen Augen betrachtet ihn sein kleiner Partner. „Was hast du?“, fragt er vorsichtig. Auf dem Gesicht des Brünetten breitet sich ein kleines Lächeln aus. „Nichts. Es ist nur etwas komisch. Ich bin es ja nicht gewöhnt, einen anderen Jungen anzufassen, ja kaum mich selbst anzufassen, weshalb mir mein Kopf gerade weiszumachen versucht hat, dass ich mich stattdessen eben doch selbst berühren würde. Das hat aber nicht zu der Empfindung meines Körpers, geschweige denn der meiner Hand gepasst, weshalb ich doch etwas verwirrt war.“, erklärt er sich etwas umständlich.
 

Jetzt lächelt Joker etwas keck. „Du hast schon einen komischen Kopf, weißt du das?“ „Ja, das weiß ich nur zu gut. Doch vermutlich rührt es daher, dass der Riddler immer so einen großen Einfluss auf mich hat, und da er nicht will, dass ich dich anfassen oder auch nur ein irgendeiner anderen Form nett zu dir bin, gaukelt er mir eben irgendwie vor, ich würde mich selbst berühren...“, langsam schüttelt er darüber den Kopf.
 

„Er ist doch jetzt aber nicht da, oder?“ „Nein, er hockt in seinem Käfig. Er kann uns aber hören und ärgert sich ganz sicher ziemlich über uns. Aber ich bin schon so lange mit ihm zusammen, dass das dennoch irgendwelche indirekte Kreise zieht, fürchte ich.“, entschuldigend sieht ihn der Ältere an. „Der gönnt einem aber auch gar nichts, wie? Naja, egal. Irgendwann finden wir sicher eine Möglichkeit, um ihn endgültig loszuwerden. Und wer weiß, vielleicht platzt ihm ja gleich der Kopf, wenn wir weitermachen!“, grinst der kleine Clown nun überaus gehässig, sodass sich Ed ein Lachen gar nicht verkneifen kann, obwohl er innerlich fürchtet, dass er sich auf eine ordentliche Standpauke gefasst machen darf, sollte Riddler nun doch nicht der Kopf platzen und er morgen wieder aus seinem Gefängnis entlassen wird. Aber was macht das schon, wo er ihn schon so lange ertragen darf?
 

„Fass mich an, mein Hübscher! Fass mich überall an! Zeigen wir diesem verficken Miststück, wie’s richtig gemacht wird!“, gluckst der Verrückte vergnügt und versucht sein Gegenüber zu einem neuen Kuss zu verführen. Nigma stemmt sich aber dagegen und mustert den unter ihm liegenden Jungen mahnend. „Ja, zeigen wir es ihm! Doch eines muss ich vorher unbedingt klarstellen: Hier wird nicht geflucht!“ Überrascht sieht ihn der kleine Clown an. „Ich weiß, du machst das herzlich gern und ich kann es dir wohl auch nicht mehr abgewöhnen. Und mich soll es auch nicht stören, wenn du es draußen machst oder da, wo ich es nicht unbedingt mitbekomme. Oder wenn es wirklich angebracht ist, doch – Als du dich mit dem Riddler angelegt hast, ist mir deswegen, bei dem äußerst herzlichen Ton, den ihr angeschlagen habt, fast der Kopf geplatzt, aber das war in Ordnung. Jetzt ist es nicht okay. Jetzt will ich etwas Schönes mit dir teilen und das soll dadurch nicht getrübt werden. Von daher lege ich jetzt fest, dass du im Bett, oder wo auch immer wir in Zukunft vielleicht Zärtlichkeiten auszutauschen gedenken, währenddessen nicht mehr fluchen darfst! Und am allerwenigsten will ich irgendeines deiner ach so heißgeliebten F-Worte hören!“
 

Blinzelnd betrachtet ihn der Jüngere, hat er Nigma doch noch nie so ernsthaft über dieses Thema reden hören, auch wenn er von Anfang an wusste, dass der Brünette nicht gerade angetan von seiner Ausdrucksweise war. „‘tschuldige...“, nuschelt er daher kleinlaut. „Ist schon gut. Ich wollte das nur klarstellen, ehe es womöglich ausartet.“ „Nein, das ist völlig okay! Ich versteh das und ich finde es auch gut, dass du mir das sagst! Ich weiß, ich kann schwierig sein und mein Fluchen hat dir von Anfang an nicht gefallen, doch ich bin es nun einmal gewöhnt, mich so auszudrücken, kann dagegen nicht wirklich etwas tun. Von daher ist es wichtig für mich, wenn du irgendwelche Grenzen ziehst. Dass ist es, was ich unteranderem damit meine, wenn ich sage, dass ich Führung von dir brauche. Nicht nur körperlich, sondern eben auch geistig oder wie auch immer. Ich möchte, dass das mit uns funktioniert! Also sag mir ruhig eiskalt ins Gesicht, wenn dich was stört. Immer raus damit!“ „Ich bin für gewöhnlich nicht der Mensch, der gern an anderen herumnörgelt, aber so eine unflätige Ausdrucksweise ertrage ich einfach nicht, allein schon nicht, wegen dem Riddler...“ „Schon klar, mein Hübscher.“
 


 

15
 

Ein weiteres Mal führt Edward seine Hand hinab. Diesmal ist er jedoch schon etwas mutiger und umfasst daher die langsam anwachsende Erregung des Grünhaarigen zaghaft. Joker gibt er leises Stöhnen von sich und windet sich etwas unter ihm. Leicht verloren suchen sie den Blick des anderen und schauen sich dann tief in die Augen. Der Brünette kann dabei nur zu gut spüren, wie sich das Organ in seiner Hand immer mehr verhärtet, sich bald heiß und pochend gegen seine Finger schmiegt. Der erregte Atem des kleinen Clowns breitet sich immer mehr in dem beengten Zimmer aus, sodass Nigma selbst wieder ganz schwummerig wird. Daher wundert es ihn auch nicht mehr wirklich, dass er dadurch ebenfalls erregt wird.
 

Noch ehe sich seine Finger an die Arbeit machen können, spürt er nun, wie sich Joker abermals unter ihm windet, diesmal aber aus dem Grund, auch ihn berühren zu wollen. Als sich nun die Hand des Verrückten um seine anschwellende Erregung schließt, zieht der Rätselmeister scharf die Luft ein, schließt einen Moment die Augen und bringt ein verhaltenes Keuchen hervor. Langsam öffnet er wieder die Augen, sucht den Blick seines Partners, der ihn sanft und verlangend anlächelt. Ed erwidert das Ganze etwas wacklig. Stumm scheinen sie sich anschließend abzusprechen und besiegeln dann alles mit einem letzten Kuss.
 

Als sie sich wieder von einander lösen, beginnen sich ihre Hände zu bewegen. Es ist, als hätten sie das schon tausend Mal gemacht, so eingetaktet und synchron wirkt ihr Tun. Ihre Blicke kleben die ganze Zeit über aneinander. Ihr anschwellendes Keuchen erfüllt bald den ganzen Raum. Die Luft scheint zu knistern, wie sie es kurz vor einem Gewitter zu machen scheint. Gleichzeitig kommt es ihnen so vor, als hätte sie sich zudem aufgeheizt, würde wie in einer Wüste flimmern. Dem Rätselmeister wird richtiggehend schwindlig, sodass er sich auch nicht länger mehr auf den Knien halten kann.
 

Wie ein angeschossenes Tier lässt er sich schließlich neben dem Grünhaarigen zurück aufs Laken fallen. Im selben Moment dreht sich Joker auf die Seite, damit sie sich wieder anschauen können. Nur eine Sekunde später nehmen ihre Hände ihren ursprünglichen Platz wieder ein. Üben wechselnden Druck auf die Erregung ihres Partners aus. Gleiten fahrig an ihr hinauf und hinab. Streichen mit dem Daumen fest über die feuchte Spitze, tauchen dabei in die süße Lust ein, die sie dort als zarte Perle empfängt. Das alles, ohne auch nur einmal den Blick von einander abzuwenden.
 

Ihr vereintes Keuchen gleicht einem hilflos wimmernden Stöhnen. Ihre Augen wirken wie trübe Edelsteine. Ein erregtes Zittern nach dem anderen überschüttet ihre angespannten Körper mit Glückshormonen. Jede ihrer hochverdrahteten Hirnwindungen scheint die Verbindung zur Wirklichkeit zu kappen und sie in eine fantastische Traumwelt zu schicken, in der nur sie beide existieren...
 

„...Ed...“, wimmert der junge Clown nun und verstärkt seinen Griff ungewollt ruckartig. Erstickt keucht der Brünette auf und versucht das unangenehme Gefühl zu ignorieren, welches sich daraufhin in seinem Unterleib auszubreiten versucht. „...Joker, dass – ah – ist zu – fest...“, bringt er flehend hervor, will ihr Tun aber nur sehr ungern unterbrechen.
 

Sein kleiner Freund scheint sich aber dennoch bewusst zu sein, dass er seinem Gegenüber möglicherweise wehtut. Völlig verkrampft löst er ganz langsam die Finger von Nigmas Erregung und gibt sie schließlich wieder frei. „...Ed, ich...“, setzt er entschuldigend an. „Pst! Schon gut...“, haucht ihm der Ältere in heißen Stößen entgegen. Dann rückt er etwas dichter zu ihm heran, presst ihre Körper zusammen und schlingt die Hand anschließend um die beiden pochenden Organe. Wie ein Ertrinkender ihm legt Joker daraufhin die Arme um den Nacken, zieht ihn noch fester an sich.
 

Etwas ungeschickt setzt Edwards Hand ihre Arbeit fort, während sich seine andere Hand unter dem zitternden Körper seines Partners hindurchwühlt, sich auf dessen Rücken presst und ihm damit hoffentlich allen Halt vermittelt, den er braucht. Sein Kopf legt sich auf Jokers bebende Schulter, sodass er das überschwängliche Stöhnen des Kleineren direkt im Ohr hat. Das Geräusch ist viel zu laut und doch wünscht er sich, er könnte es ewig hören.
 

Nur ein paar Moment später hält es keiner von beiden mehr aus. Mit einer letzten, ruckartigen Bewegung fährt Nigma noch einmal kräftig an den zwei Schäften hinauf, wobei der den Druck fast bis aufs Schmerzhafte verstärkt. Ihre aneinandergeschmiegten Körper spannen sich wie Stromkabel an. Ihnen droht regelrecht die Luft wegzubleiben. Der Kopf zu platzen. Bevor Ed über die Klippe geht, merkt er noch, wie sich die Nägel des zitternden Clowns in seinen Rücken bohren. Bei seiner eigenen Hand, die dem Jungen vor sich eigentlich Halt verdeutlichen soll, ist es nicht anders, er kann es gar nicht verhindern.
 

Und nun überkommt es sie beide mit einem nie dagewesenen Gefühl von sagenhafter Schwerelosigkeit, die doch so viel Verbundenheit vermittelt, dass sie einen in die tiefsten Tiefen hinabzuziehen scheint. Laut stöhnend kommen die beiden Schurken, werden von ihrem Höhepunkt rücksichtslos überflutet. Nägel bohren sich dabei immer tiefer in erhitze Haut, zerreißen sie, bis deutliche Spuren zu sehen sind und ein Hauch Blut zum Vorschein tritt, das sich mit ihrem süßen Schweiß mischt und ungesehen in dem zerwühlten Laken versinkt. Doch das ist den beiden völlig gleich, im Augenblick zählt nur ihre Zweisamkeit.
 


 

16
 

Eine schiere Ewigkeit scheint zu vergehen, bis die Nachwirkungen des Ganzen allmählich von ihnen abfallen und sie sich ganz langsam und sichtlich widerwillig wieder etwas voneinander trennen. Mit verschleierten Augen betrachten sie sich, während sie wieder Atem schöpfen.
 

„Oh Gott, Ed! Das war der reinste Wahnsinn! Wie hast du das bloß gemacht?“, japst Joker grinsend. Der Brünette wird sichtlich rot um die Nase, erwidert aber mit einem schwachen Lächeln. „Frag mich etwas Leichteres. Ich habe keine Ahnung. Vielleicht bin ich ja ein Naturtalent?“, lacht er unbeholfen. „Aber so was von, mein Hübscher!“, schnurrt der Grünhaarige begeistert und verführt ihn zu einem innigen Kuss. Erschöpft geht der Rätselmeister darauf ein.
 

Unter der fordernden Berührung dieser Lippen droht Nigma weg zu dämmern. Er will jetzt nur noch schlafen. Sein stürmischer Partner scheint da allerdings anderer Ansicht zu sein. Also kein Wunder, dass der Ältere schlagartig die schweren Augen wieder aufreißt, als er spürt, wie sich der kleine Clown über ihm aufbaut und an ihm herum zu streicheln beginnt. Etwas umständlich löst Ed den Kuss. „Nicht, warte!“, presst er hervor. Überrascht sieht ihn der Verrückte an. „Was ist?“ „Bitte nicht mehr...“
 

Nun wirkt der Kleinere fast schon erschrocken, verharrt aber weiterhin über ihn gebeugt. „Hab ich was falsch gemacht?“, fragt er sichtlich verwirrt. Nigma wird wieder rot. „Nein, ich denke nicht. Es ist nur – ich kann nicht mehr.“ „Sollen wir eine Pause machen?“, will der Grünhaarige nun wissen. Edward seufzt leicht und betrachtet ihn etwas mitleidig. „Ja – ich meine, nein – ich meine – können wir den Rest bitte auf ein anderes Mal verschieben? Das war jetzt alles doch etwas zu viel für mich. Und ich möchte so gern, dass unser erstes Mal etwas Besonderes wird...“, flehend blickt er zu seinem Partner auf.
 

„Verstehe und das ist auch absolut kein Problem.“, gibt Joker sanft lächelnd zurück. Langsam legt er sich wieder neben den Brünetten und angelt nach der leichten Decke. „Danke.“, erwidert Ed erleichtert. Kurz darauf kuscheln sie sich wieder eng aneinander und versinken in tiefen Schlaf.

To become one

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Discovered


 

1
 

Mit einem angenehm ziehenden Schmerz taucht die elektrische Nadel in die glatte Haut ein. Immer und immer wieder stößt ihre scharfkantige, hohle Spitze zu und treibt dabei unablässig die grüne Farbe in den zierlichen Körper hinein. Leicht windet sich der kleine Clown unter den erfahrenen Händen des Mannes, der sich gewissenhaft über ihn beugt. Ein nahezu befriedigtes Seufzen verlässt dabei gelegentlich den Mund des Jungen, die restliche Zeit kaut er nahezu erregt auf seiner Unterlippe herum. Die Vorfreude in ihm ist groß, und daher kann er es kaum abwarten, das Ergebnis sehen zu können.
 

Dann endlich entfernt sich sein breitschultriges Gegenüber, legt die Nadel zur Seite und beginnt nun damit, die überschüssige Farbe wegzuwischen, und das zum Vorschein kommende Bild eingehend zu betrachten. Hat er womöglich eine Stelle vergessen? Ist die Farbe überall gleichmäßig deckend? Irgendetwas schief oder unsauber? Nein, nichts von alledem, doch das hat er auch nicht erwartet. Schließlich ist er ein Profi und hat seine Arbeit über viele Jahre hinweg immer mehr perfektioniert. „Und?“, fragt Joker aufgeregt, während er ungeschickt versucht, einen Blick über die Schulter auf das neue Tattoo zu werfen, was ihm im Liegen aber nicht sonderlich gut gelingt. „Ich bin fertig. Du kannst es dir anschauen.“, entgegnet ihm Snake und reicht ihm dann die Hand, um ihm aufzuhelfen.
 

Mit einem breiten Grinsen im Gesicht ergreift sie der Grünhaarige und hüpft dann hinüber zu dem mannshohen Spiegel in der Ecke. Gekonnt wendet er der blankpolierten Oberfläche den Rücken zu und blickt erneut über die Schulter. Begeistert weiten sich seine unnatürlich roten Augen. „Es ist wundervoll! Genauso hab ich es mir vorgestellt!“, freut sich der Verrückte sichtlich und tapst wieder zu dem Kahlköpfigen hinüber, um ihm überschwänglich die Arme um den breiten Nacken zu schlingen und ihm einen schmatzenden Kuss auf die Wange zu drücken. Nachsichtig lächelt der andere Mann, schüttelt den Kopf etwas darüber und wischt sich mit gespielt angewidertem Blick mit der Hand über die stoppelbärtige Wange.
 

„Klasse. Dann beug dich jetzt über die Stuhllehne, damit ich Salbe draufschmieren und dann alles einpacken kann.“, erwidert Snake dann mit leichtem Grinsen und greift nach einer Dose neben sich, während der Clown seinen Anweisungen folgt.
 


 

2
 

Das Ganze ist nun zwei Wochen her. Inzwischen ist das Kunstwerk völlig verheilt, sodass sich Joker wieder in seinen knappen, bauchfreien Sachen präsentieren kann, was nicht ganz so angebracht scheint, wo die nächtlichen Temperaturen doch inzwischen ziemlich frisch werden. Der Bengel kennt da im Allgemeinen aber nur wenig Schmerz. Bevor er das allerdings macht, möchte er selbstredend, dass jemand ganz Bestimmtes das Tattoo zu Gesicht bekommt und seine Meinung dazu äußert. Daher wartet er hibbelig darauf, dass Ed endlich eine Pause macht und er ihn nach oben ins Schlafzimmer entführen kann.
 

Als die Zeit dann gekommen ist, ergreift er die Hand seines sichtlich überrumpelten Freundes und zerrt ihn einfach mit sich, obwohl Nigma eigentlich gerade noch ein paar Ankündigungen an seine Jungs richten wollte. Die versammelten Männer grinsen nur in sich hinein, können sie sich doch ziemlich gut vorstellen, was nun folgen wird...
 

„Du meine Güte! Was ist denn so dringend, dass du mich derart durch die Gegend zerren musst...?“, entkommt es dem Brünetten etwas atemlos, als sie durch die Tür der kleinen Wohnung treten. Joker antwortet jedoch nicht gleich, sondern zieht ihn gleich weiter ins Schlafzimmer, kaum dass die Tür wieder ins Schloss gefallen ist. Und sollte dem Rätselmeister da nicht schon klar gewesen sein, was sein triebhafter Freund womöglich vorhat, so wird es ihm spätestens nun bewusst, als ihn der Bengel ungeniert gegen den Kleiderschrank drückt und ihn zu einem leidenschaftlichen Kuss verführt. Etwas überfordert geht der Ältere darauf ein.
 

Eine fast schon sichtliche Erleichterung legt sich auf seine Züge, als sich der Grünhaarige wieder von ihm trennt. Dafür ist aber nicht mehr zu übersehen, was dem Kleinen gerade durch den Kopf geht, weshalb Edward das Gefühl hat, hier nicht mehr so schnell wieder unverrichteter Dinge wegzukommen...
 

„Törtchen, hör mal. Heute Nacht ist viel zu tun, wie du vielleicht mitbekommen hast. Meinst du nicht, dass du dich da noch etwas gedulden solltest, bis wir...“, er bringt den Satz nicht zu Ende, weil ihn der Junge so unschuldig-erwartungsvoll anlächelt. „Ich hab eine Überraschung für dich!“, flötet er dann, als hätte es die Worte seines Gegenübers gar nicht gegeben, und wendet ihm den Rücken zu. „Eine Überraschung? Muss mir das gefallen...?“, fragt Ed etwas unsicher, ist er im Allgemeinen doch so gar kein Freund von Überraschungen. „Ich hoffe doch, dass es dir gefallen wird, wäre sonst ziemlich blöd für dich. Mir gefällt es in jedem Fall und ich werde mich auch nicht mehr davon trennen, egal wie sehr es dir auch gegen den Strich gehen mag...“, erwidert der Clown leicht schmollend.
 

Langsam zieht er anschließend sein Hemd am Rücken etwas nach oben. Durch die Tatsache, dass seine Hosen immer ziemlich tief sitzen, entblößt sich daher sofort sein Steißbein mit dem herzförmigen Batman-Logo darauf. Wie automatisch wandern Nigmas Augen zu dem Tattoo hinab und weiten sich dann überaus ungläubig. Das Bild hat sich verändert, seit er es das letzte Mal bewusst angesehen hat. Das Zeichen der verhassten Fledermaus wird nun links und rechts von zwei grünen Fragenzeichen flankiert, die einander zugewandt sind, sodass sie wie ein Spiegelbild ihres Gegenübers aussehen. Das herzförmige Logo liegt dabei im geschwungenen, oberen Teil der Fragezeichen. Edward braucht nur einen Moment, um zu erkennen, dass die beiden Fragezeichen in ihrer einander zugewandten Position ebenfalls wie ein Herz wirken.
 

„Um Himmels willen...“, bringt er überrascht hervor und schluckt hart. „Na, gefällt’s dir?“, will der Grünhaarige nun grinsend wissen und blickt ihn über die Schulter hinweg mit großen Augen an. Ed wird sichtlich rot um die Nase, während sein Blick regelrecht auf dem Tattoo zu kleben scheint. „Ja, schon. – Wann hast du das bloß machen lassen?“, will er verwirrt wissen. Joker grinst in sich hinein. „Gleich in der Nacht, nachdem wir miteinander geschlafen hatten. Snake hatte zufällig einen Termin frei, als ich vorbeikam. Also hab ich die Chance gleich mal ausgenutzt.“
 

„Aber, warum hast du das denn bloß gemacht...?“, platzt es schließlich überrumpelt aus dem Rätselmister heraus. Leicht schmollend zieht Joker sein Hemd wieder nach unten und wendet sich dann zu ihm herum. Eingehend mustert er den Älteren eine ganze Weile, dann breitet sich ein kleines Lächeln auf seinen missgestalteten Zügen aus.
 

„Weil ich dich liebe!“, meint der Grünhaarige überaus sanft. „Ich weiß, dass du das tust, doch manchmal verstehe ich einfach nicht wirklich warum. – Ich begreife ja noch nicht einmal so ganz, wieso ich dasselbe für dich empfinde...“, seufzt Ed und legt die Arme um die schmalen Hüften des Jungen vor sich, zieht ihn leicht an sich heran. Dieser schmiegt sich an ihn und verschränkt die Finger im Nacken des Brünetten, sieht ihm tief in die Augen.
 

„Weil nur du es schaffst, dass ich mich wirklich gut in meiner Haut fühle!“, erwidert der kleine Clown völlig ehrlich, dann schlägt er leicht betrübt die Augen nieder. „Als ich klein war, habe ich immer gedacht, Liebe sei ein großes und glorreiches Mysterium, dessen Geheimnis niemals gelüftet werden kann, oder es ist nur etwas, das geldgeile Filmproduzenten erfunden haben, um die Leute in die Kinos zu locken...“, er seufzt schwer, hebt dann wieder den Blick und lächelt zuckersüß.
 

„Heute glaube ich, dass wir alle mit einem Loch im Herzen zur Welt kommen und ein Leben lang auf der Suche nach dem Menschen sind, der es ausfüllen kann. – Ed – du füllst mein Herz aus...!“ Der Rätselmeister sieht ihn mit offenem Mund an und denkt schlagartig, ohne jeglichen Grund: ‚Ich werde ihn verlieren, wenn ich nicht vorsichtig bin. Keine Ahnung, woher ich das weiß, aber ich weiß es einfach. Seine Gefühle sind die reinste Achterbahn – heute so, morgen ganz anders. Da kann er noch so viel glauben und schwören. Der allumfassende Wahnsinn in seinem Kopf wird ihn früher oder später zerfressen und dann werde ich nichts mehr für ihn sein als ein weiteres Opfer zu seinen Füßen...‘
 

„Und was ist mit Batman?“, fragt er schließlich, um seinen Kopf wieder freizubekommen. Immerhin weiß Nigma nur zu gut, dass sein kleiner Freund noch immer gewisse Gefühle für die Fledermaus hegt. Einen Hass, der viel näher an Liebe grenzt, als er es eigentlich tun sollte...
 

Joker zuckt nur mit den Schultern. „Er macht mich komplett, meine Seele, mein Dasein und mein Selbst. Macht mich zu dem, was ich eben bin. Aber nur du heilst mein Herz von all seinen Qualen, die mir diese Welt eingepflanzt hat.“ Sanft lächelt Joker und ergreift Edwards Hände. „Und jetzt möchte ich, dass du auch meinen Körper ausfüllst!“ Noch ehe Ed fragen kann, was der Junge damit jetzt genau meint, zieht dieser ihn mit sich hinüber zum Bett und in die Laken hinab. „Ich – liebe dich auch.“, meint Nigma dann, nachdem der erste Schreck vorüber ist.
 

Die Frage nach dem Warum stellt sich ihm nun gar nicht mehr. Es ist einfach so und bedarf daher keiner Erklärung. Viel wichtiger ist es doch, alles daran zu setzen, diesen Jungen glücklich zu machen, um ihn nicht zu verlieren. Ihn solange bei sich zu behalten, wie es eben geht. Denn sein Verlust würde Nigma weit mehr zu Grunde richten, als es der Riddler in all den Jahren seiner miesen Terrorherrschaft in seinem Kopf je zustande gebracht hat! Das wird ihm in diesem Moment mit sagenhafter Heftigkeit bewusst.
 


 

3
 

Etwa zur selben Zeit, als Joker und Edward mit ihrer heutigen Arbeit beginnen, jagt das Batmobil durch die nächtlichen Straßen Gothams. Zerknirscht sitzt der Mitternachtsdetektiv hinter dem Lenkrad und grübelt nach. Seit er den durchgeknallten Clown das letzte Mal gesehen hat, ist schon ziemlich viel Wasser den Gotham River hinabgeflossen, wie es so schön heißt. Verständlich, dass ihn das durchaus nervös macht. Hinter den Auftritten des Grünhaarigen gab es durchaus so etwas wie eine Regelmäßigkeit, selbst noch, nachdem er ihn verletzt hatte und die Abstände damit größer wurden. Somit kann es praktisch jede Nacht soweit sein, dass er wieder zuschlägt. Doch wann und wo, und noch viel wichtiger, wie und womit?
 

Fragen über Fragen geistern Bruce im Kopf herum, auf die er so schnell wohl keine Antwort zu finden scheint. Seit Tagen hört er sich in der Stadt um, in der Hoffnung, dem Früchtchen zuvorkommen zu können, doch bisher leider vergebens. Die üblichen Verdächtigen haben ihn entweder schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen – weit länger sogar als Batman selbst – oder nur ganz kurz und flüchtig, wobei er aber weder Ärger gemacht zu haben scheint, oder sich auch nur auffällig benommen hätte.
 

Das hilft dem Dunklen Rächer also nicht weiter, erst recht, da er fürchtet, dass Joker diesmal etwas viel Größeres plant, so etwa in der Art von seinem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt letztes Jahr. Der Schwarzhaarige muss dergleichen unbedingt verhindern, weshalb es unabdingbar ist, diesen Irren endlich zu finden!
 

Der zu kurzgeratene Clown ist allerdings nicht der einzige, der ihm allmählich Sorgen bereitet. Seit der Sache in der Iceberg Lounge und seiner anschließenden Flucht aus Arkham, fehlt auch vom Riddler so gut wie jede Spur. Okay, der Brünette gilt nicht gerade als jemand, der groß Ärger macht, dennoch konnte man praktisch die Uhr nach ihm stellen. Dann flatterte wieder ein Rätsel bei der Polizei ein, das Batman zu lösen hatte, bevor der Schurke eine weitere Bank zu überfallen begann und Geiseln nahm. Doch nichts dergleichen. Und wenn Wayne es sich so bedenkt, war es um Nigma auch schon vor dem Überfall in dem Nachtclub ruhiger geworden, was ihn da aber noch nicht sonderlich beunruhigt hatte, braucht der Brünette doch manches Mal etwas länger, um sich etwas Spektakuläres auszudenken, das den Rächer in die Falle tappen lassen soll.
 

Im Gegensatz zum Joker pflegte Edward aber auch immer eine gute Beziehung zu vielen seiner Kollegen, insbesondere zum Pinguin. Daher war Oswald selbstredend die erste Anlaufstelle der Fledermaus, um herauszufinden, wo sich der Rätselmeister wohl versteckt haben könnte. Der kleine Gauner war verständlicherweise nicht sehr angetan vom unangemeldeten Besuch des Dunklen Ritters, doch letztendlich musste der Vogel natürlich singen – irgendwie jedenfalls.
 

Nach einem ziemlichen Hin und Her berichtete er Batman schließlich, dass sich Joker wohl vor einer Weile bei Nigma verkrochen hatte. Ob dem immer noch so ist, konnte Pinguin allerdings nicht sagen, nur dass die zwei einige Male bei ihm waren, um Geschäfte mit ihm abzuschließen. Welche Art von Geschäften wollte Oswald jedoch nicht preisgeben, aus Angst, dass Joker ihm dann einen unschönen Besuch abstatten könnte, da konnte ihm Bruce so viel drohen wie er wollte.
 

Seit einer Weile hatte er den Clown aber nicht mehr gesehen und nur mit Ed konferiert. Als er Nigma darauf angesprochen hatte, meinte dieser wohl, dass er ebenfalls nicht wisse, wo sich der Bengel rumtreibe. Oswald wisse aber auch nicht, wo sich der Brünette aufhält, was Bruce ganz klar als Lüge identifiziert hat, ihn aber nicht dazu bringen konnte, etwas zu verraten. Batman kann ihn schließlich höchstens verprügeln und nach Arkham zurückbringen, wohingegen Joker ihn für ein falsches Wort unzweifelhaft töten wird.
 

Somit ist der Maskierte dadurch leider auch nicht so viel weiter wie erhofft. Auf den Straßen erzählt man sich aber, dass der Riddler sich wohl in die Narrows verkrochen soll. Nicht gerade eine berauschende Aussicht, wie Bruce zugeben muss. Weder für die Fledermaus noch für den Rätselmeister, weshalb es schon einen gewaltigen Grund geben muss, warum sich der Brünette in solch offensichtliche Gefahr begibt. Dennoch wird er dem Hinweis nachgehen. Ihm bleibt ja auch nichts anderes übrig. Aus Nigma bekommt er dann ganz sicher heraus, wo sich der Joker verkrochen hat, sollte dieser nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten und es ihm verraten haben. Schließlich leidet der Rätselmeister unter einer angeborenen Störung, die ihn zwingt, immer die Wahrheit zu sagen.
 


 

4
 

An der Grenze zu den Narrows stoppt das Batmobil schließlich verborgen in den Schatten. Langsam steigt der Fahrer aus und geht zu Fuß weiter, dass ist in jedem Fall sicherer. Sein Wagen würde ungewollt jede Aufmerksamkeit auf sich ziehen und ihn schnell zur Zielscheibe all der Verbrecher hier machen. So eine Verzögerung kann er sich jetzt aber keinesfalls leisten.
 

Er ist noch nicht lange unterwegs, da fällt ihm auf, dass sich hier so einiges verändert zu haben scheint. Es ist zwar schon Ewigkeiten her, seit er das letzte Mal bewusst oder absichtlich hier war und noch viel länger, dass er die Gelegenheit hatte, sich hier auch genauer umzusehen, doch er ist sich sicher, dass hier etwas Großes vor sich geht...
 

Die Hauptstraße, auf der er sich gerade befindet, ist frisch asphaltiert, kein einziges Schlagloch trübt den Blick. Ein glattes, schwarzes Band in die Nacht hinein, einzig unterbrochen von akkurat angebrachten weißen Fahrbahnmarkierungen. Zudem ist auch der Bürgersteig gefahrlos zu betreten, alle Steine lückenlos verlegt, schnurgerade im Lot und bombenfest. Keine Müllberge, über die man erst steigen muss, vom Schutt zerfallener Gebäude ganz zu schweigen. Die Nebenstraßen sind zwar in noch keinem so tollen Zustand, aber an vielen Punkten ist zu erkennen, dass an ihnen scheinbar schon gearbeitet wird.
 

An einigen Stellen fehlen Gebäude, an anderen Stellen sieht es so aus, als wenn neue gebaut werden sollen oder es gerade werden. Hier und da scheint es richtige Baustellen zu geben. Große Flutlichter erhellen diese Bereiche und unzählige Männer und Frauen wuseln geschäftige herum. Absperrzäune sucht der Ritter hingegen vergeblich, was in seinen Augen ein unglaubliches Maß an Vertrauen voraussetzt oder einfach nur von sagenhafter Dummheit spricht. Eine ganze Weile betrachtet sich Wayne diesen skurrilen Anblick. Was geht hier nur vor? Nie hat er erlebt, dass die Leute, die es gezwungenermaßen hierher verschlagen hat, auch nur irgendein Interesse daran hatten, hier etwas aufzubauen oder auch nur aufzuräumen. Ob das wohl etwas mit der vermeintlichen Anwesenheit des Riddlers zu tun haben könnte? Immerhin ist weithin bekannt, dass er ein fast schon zwanghafter Ordnungsfanatiker ist.
 

Er lauscht eine Weile den Gesprächen auf der Baustelle, kann jedoch nicht viel erfahren, das ihm irgendwie weiterhelfen könnte. Nicht ein einziges Mal fallen die Worte Riddler oder Joker. Mehrmals sprechen die Arbeiter aber von ihrem König, ein oder zwei Mal auch von ihrem sogenannten Prinzen. Damit ist Batmans Verwirrung nahezu komplett. Irgendetwas sehr Seltsames scheint hier vor sich zu gehen, von daher sollte er sich besser beeilen.
 

Allerdings weiß er beim besten Willen nicht, wo sich der Riddler, der Joker oder dieser ominöse König mit seinem Prinzen aufhalten könnten. Ziellos läuft er daher weiter, bis er an einer weiteren Baustelle ankommt. Es wirkt, als würde hier ein Krankenhaus oder dergleichen gebaut werden. Viel fehlt nicht mehr, um das Gebäude fertigzustellen, weshalb die meisten Arbeiten drinnen stattfinden. Hinter den großen, hellerleuchteten Fenstern kann Bruce unzählige Leute hin- und herlaufen sehen. Außerhalb beschäftigt man sich derweilen mit dem Anlegen eines weitläufigen Gartens und verschiedenen Parkmöglichkeiten. Was geht hier nur vor sich? Erneut versucht er zu lauschen. Diesmal scheint er etwas mehr Glück zu haben und bekommt ein Gespräch zwischen einem Schichtleiter und einem Burschen mit, der wohl hier neu zu sein scheint.
 

Das Ganze erweist sich als Volltreffer, da der Schichtleiter dem anderen Mann anweist, etwas abzuholen, das ihr sogenannter König besorgt hat, und das sich in dessen Unterkunft befinden soll. Überaus genau beschreibt der Schichtleiter seinem Gegenüber, wie er dort hinkommt und wie er sich auszuweisen hat. Wenig später besteigt der Bauarbeiter einen alten LKW und macht sich auf den Weg. Gekonnt versteckt sich Batman in dem kleinen Anhänger. Während der Fahrt kann er prima beobachten, was sich noch so alles in den Narrows verändert zu haben scheint, was nicht gerade wenig ist. Es wirkt, als würde dieser seit Jahren vernachlässigte Bezirk wieder völlig neu aufgebaut werden!
 

Irgendwann stoppt der Wagen dann, der Fahrer steigt aus und spricht mit ein paar Männern, die ihm augenblicklich entgegenkommen. Diese Gelegenheit nutzt Batman und verlässt ungesehen den Anhänger. Geschwind huscht er hinter eine Hausecke und späht zu den Anwesenden hinüber. Die Männer sind schwer bewaffnet und wirken nicht gerade ungefährlich. Ein großes Rolltor öffnet sich hinter ihnen und noch mehr Männer tauchen auf, und dann beginnen sie damit, große Kisten zu verladen, die hinter dem Rolltor aufgestapelt stehen. Es ist allerdings nicht zu erkennen, was sich in ihnen befindet. Dennoch hat Bruce das Gefühl, hier richtig zu sein. Die Kisten sind nämlich alle mit einem großen, grünen Fragezeichen bemalt! Also hat Riddler hier tatsächlich irgendwie seine Finger im Spiel. Ist er vielleicht sogar der König, von dem die ganze Zeit gesprochen wurde? Zumindest soll dies hier ja sein Versteck sein.
 

Das Gebäude macht auf Wayne allerdings eher den Eindruck einer alten Autowerkstatt. Das Schild über dem Rolltor ist jedoch so verwittert, dass man es nicht mehr entziffern kann, und nichts deutet daraufhin, was jetzt dort drinnen vor sich geht. Hält sich hier wirklich ein König auf oder der Riddler? Irgendwie sieht es ganz und gar nicht danach aus. Dem Rächer fällt allerdings auf, dass auf der Garage ein Anbau thront. Vielleicht ein Hinweis? Er wirkt bei Weitem zu klein, als das all diese Männer dort drinnen hausen könnten.
 

Geschickt erklimmt er die raue Backsteinwand der ehemaligen Werkstatt und späht dann durch eines der großen Fenster auf dieser Seite. Der Raum dahinter liegt im schemenlosen Dunkeln. Als Batman mit einer kleinen Taschenlampe hineinleuchtet, erkennt er eine Art Wohnzimmer mit integrierter, offener Küche. Als er die Lampe wieder abschaltet, entdeckt er einen Lichtschimmer, der von einem Zimmer hinter dem Flur auf der anderen Seite des Anbaus zu kommen scheint. Dort befindet sich also womöglich jemand. Langsam tastet er sich an der Wand entlang zur gegenüberliegenden Seite.
 

Dort erwartet ihn eine Art Balkon. Durch die nackte Dachpappe wirkt er ziemlich unfertig, doch es stehen einige Möbel darauf, sodass der Look vielleicht sogar gewollt ist. Lautlos klettert er über die hohe Umrahmung und landet er darauf. Kurz danach nähert er sich geduckt dem einzigen Fenster auf dieser Seite. Ein kleiner Lichtkegel dringt durchs Glas, das Fenster selbst ist jedoch geschlossen und hat die Ausmaße einer Tür, weshalb es sicher auch als Zugang für den Balkon gedacht ist. Ganz vorsichtig linst er in den Raum hinein, der sich als kleines Schlafzimmer entpuppt. Was sich ihm dort allerdings bietet, verschlägt dem hartgesottenen Helden glatt die Sprache...
 


 

5
 

Während sich Bruce im Anhänger des LKWs versteckt und verwundert all die Veränderungen in den Narrows registriert, küssen sich die beiden Kriminellen voll jugendlicher Sehnsucht. Ihre Klamotten haben längst das Zeitliche gesegnet und liegen als wirrer Haufen neben dem Bett auf dem Boden verstreut. Als sich ihre Lippen nun wieder trennen, legt Joker den Kopf auf die Seite, woraufhin sich Edward an dessen ungeschütztem Hals zu schaffen macht. Die Finger des Clowns wühlen sich derweilen durch die seidig-braunen Haare seines Partners. Verlangendes Seufzen dringt dabei aus dem Mund des Verrückten, als die Hände des Rätselmeisters erst über seine Brust hinweggleiten und dann so herrlich warm seine Seiten entlangfahren.
 

Der zierliche Körper windet sich unter ihm, ihre erwachten Erregungen reiben heiß und pochend aneinander. Langsam hebt Nigma den Blick und mustert seinen kleinen Freund, der mit verhangenen Augen zu ihm aufsieht. Dem Rätselmeister scheint es so, als bräuchten sie heute viel weniger Zeit zum Vorbereiten als noch bei ihrem ersten Mal. Vermutlich sogar verständlich. Immerhin weiß der Brünette ja nun, was ihn erwarten könnte, weiß, wie es geht und was er tun muss, um Joker Freude zu bereiten, und noch viel wichtiger: Der Riddler ist weg, sodass er sich voll und ganz konzentrieren kann und dadurch ein gewisses Verlangen tief in ihm geweckt wird.
 

Daher zögert er auch gar nicht lange, raubt dem Liegenden fahrig einen weiteren Kuss und schlingt dabei die Finger um die beiden harten Organe. Gleitet hinauf und hinab, übt wechselnden Druck aus und reibt mit dem Daumen immer wieder über die empfindlichen Spitzen hinweg. Taucht in die süße Lust dort ein. Jokers grellgrün lackierte Nägel bohren sich mit einem sagenhaft erregenden Schmerz in Edwards Schultern hinein, während sein heißer Atem stoßweise den Hals des Älteren streift, sodass diesem ein prickelnder Schauer nach dem anderen den Rücken hinabjagt und ihn nur noch wuschiger macht. „...Ed...“, wimmert der kleine Clown in Griff des Brünetten.
 

Ein zufriedenes Schmunzeln huscht über die Züge des Rätselmeisters hinweg. Es ist einfach nur unglaublich, welch allumfassende Wirkung er doch auf den Jüngeren zu haben scheint. Wie ihn so wenige Handgriffe schier an den Rand des Wahnsinns zu bringen vermögen. Noch mehr als das fasziniert ihn allerdings seine eigene Selbstsicherheit in dieser ungezügelten Situation. Ein Gefühl, das er bis dato praktisch nicht gekannt hat, wenn er nicht gerade dastand und Batman mit einem seiner Rätsel quälen konnte. Der Einfluss des Riddlers ist gebrochen, der Parasit endgültige verschwunden, und dennoch kann Ed noch immer nicht fassen, dass es tatsächlich so ist und es so eine deutliche Auswirkung auf ihn hat. Er nun ein ganz neuer Mensch zu sein scheint.
 

„Oh, Ed! – Nimm mich...!“, schnurrt ihm der Grünhaarige ins Ohr, was einen weiteren Schauer seinen bebenden Rücken hinabjagt. Verlangend beißt er sich auf die Unterlippe und versucht einen kühlen Kopf zu bewahren. Nichts lieber würde er jetzt gern tun, als Joker seinen Wunsch zu erfüllen, dennoch ist da etwas in ihm, das ihn hemmt, dem so selbstsicher zu folgen, wie er sich doch eigentlich fühlt – oder glaubt, sich zu fühlen. Daher trennt er sich etwas von seinem Partner und sucht erneut dessen Blick.
 

Ed wirkt stets so farblos, wie irgendein Kerl, an dem man auf der Straße vorbeigeht, ohne ihn überhaupt zu bemerken, und würde niemals Make-up auftragen, um hübscher auszusehen – so wie es der kleine Clown unter ihm mit hartnäckiger Inbrunst tut –, aber in diesem Moment wirkt es, als hätte auch er sich geschminkt. Seine Wangen färben sich nämlich in einem fast schon unmöglichen Rot, als er Joker seinen Wunsch äußert. Dennoch ist seine Stimme erstaunlich fest, als dulde sie keine Wiederworte. „Kannst du dich wieder auf meinen Schoß setzen...?“
 

Einen Moment mustert ihn der zu kurzgeratene, junge Mann ausdruckslos. Dann legt ihm Joker die Hand auf die Brust und drückt ihn von sich weg. In diesem Augenblick fürchtet Nigma, dass er einen Fehler gemacht hat und jetzt alles vorbei sein könnte. Betroffenheit legt sich auf sein heißes Gesicht, während er sich gehorsam von seinem Gegenüber entfernt und sich mit hängenden Schultern neben ihn setzt. Das war’s dann wohl mit der Zweisamkeit. Der Brünette hat es gründlich versaut...
 

Allerdings kommt es im Leben meistens ganz anders als man denkt, und so ist es wohl auch jetzt. Der Grünhaarige setzt sich ebenfalls auf, wendet sich ihm zu und legt ihm dann sanft die Hände auf die erhitzten Wangen, damit sie sich in die Augen sehen können. „Was schaust du denn so traurig?“, fragt ihn der Verrückte verwundert. „Ich – ich dachte...“, weiter kommt Edward nicht, da unterbricht ihn sein quirliger Partner auch schon. „Aber du sollst doch jetzt nicht denken, mein Hübscher!“, flötet er frech grinsend.
 

Noch ehe Nigma dem etwas erwidern kann, legen sich die herrlich weichen Lippen des Jungen auf die seinen und verführen ihn zu einem tiefen Kuss, der ihm überdeutlich klarmacht, dass das hier ganz sicher noch längst nicht vorbei ist! Mehr als erleichtert und auch irgendwie ausgehungert, geht der Rätselmeister darauf ein. Das Ganze steigert sich merklich, während Joker geschickt auf den Schoß des Älteren gleitet. Sanft legen sich Edwards Hände um die schmalen Hüften, ziehen ihn dichter zu sich heran. Bereitwillig geht der Verrückte darauf ein, sodass sich ihre Erregungen nun wieder ungehindert berühren können. Sehnsüchtig reiben sich die beiden Organe aneinander.
 

„Bereit?“, haucht der kleine Clown keuchend. „In – jedem Fall.“, gibt Nigma willentlich zurück und verstärkt seinen Griff um die Hüften des anderen. Tief sehen sie sich in die Augen, während sich Joker erst auf die Knie aufrichtet und sich dann mit Eds Hilfe hoch genug für ihre Vereinigung drückt. Gewissenhaft korrigiert er seine Position, bis die feuchte Spitze seinen Eingang berührt. Der Brünette stößt ein Keuchen aus. Es fühlt sich so wunderbar an, diesen willigen Körper in Händen zu halten. Zu spüren, wie sich all die Muskeln unter der warmen Haut bewegen. Niemals hätte er sich so etwas träumen lassen, und doch tun sie es ja nicht zum ersten Mal.
 

Fest legen sich Jokers Hände auf Edwards Schultern, ihre Blicke treffen sich unverwandt. Dann atmet der Grünhaarige tief durch, wodurch sich sein Körper merklich entspannt und damit beginnt, die sehnsüchtige Erregung des Älteren in sich aufzunehmen. Zentimeter für Zentimeter schiebt sie sich voran, wobei sie der zuckende Muskelring regelrecht gierig einzusaugen scheint. Momente später sitzt der kleine Clown wieder auf seinem Schoß und sie küssen sich erneut. Stützend legen sich die Hände des Brünetten auf den Rücken den Jungen, dann zieht er die Beine an und kreuzt sie vorsichtig unter dem Po seines Partners. Kurz darauf beginnt sich der Prinz zu bewegen, während der König dem rhythmisch entgegenzukommen versucht. Ihr heißes Stöhnen füllt wenig später den Raum aus.
 


 

6
 

Und genau das ist es, was Batman zu sehen bekommt, als er so unbedarft durch das Fenster blickt. Er kann es kaum fassen. Er hätte wirklich alles erwartet, nur nicht das...
 

Batman ist innerlich sehr erleichtert darüber, Riddler endlich gefunden zu haben, und zudem auch noch diesen durchgeknallten Clown, was ja sein eigentliches Ermessen war. Sehr gut kann er sich nun auch vorstellen, dass Nigma der König sein soll, von dem die Arbeiter gesprochen haben. Es würde in jedem Fall zu allem passen, was er bisher erfahren hat. Gleichwohl kann er sich vorstellen, dass Joker der genannte Prinz ist. Diese Tatsache ist sogar noch einleuchtender und offensichtlicher, immerhin bezeichnet sich der Bengel ja nicht umsonst schon selbst als Prinz von Gotham, und dank der Bevölkerung trägt er ja auch noch den fragwürdigen Titel Prinz des Verbrechens.
 

Hier in den Narrows haben die beiden allem Anschein nach ein ziemlich gutes Versteck gefunden, wie der Rächer zugeben muss. Und scheinbar verfolgen sie auch noch einen interessanten Plan, wobei sich Bruce noch nicht sicher ist, welchen Vorteil sich die beiden Verbrecher damit erhoffen, wenn sie diesen runtergekommenen Bezirk wieder etwas herrichten. Das gilt es also in jedem Fall noch herauszufinden. Immerhin könnte ja auch etwas Zerstörerisches dahinterstecken, das Gotham niederstrecken soll und nur die Narrows am Ende übrigbleiben lässt. Der ganze Wiederaufbau somit nur als Tarnung dienen könnte. Eine furchtbare Vorstellung, doch ganz sicher nicht ausgeschlossen, wenn der größenwahnsinnige Clown mit dem selbstgefälligen Riddler unter einer Decke steckt.
 

Und das im wahrsten Sinne des Wortes, wie Wayne ja nun leider Gottes mit eigenen Augen so unfreiwillig zu sehen bekommt. Von dem triebgesteuerten Bengel hat er nicht wirklich etwas anderes erwartet, erst recht, wo Batman ihn ja zuletzt so abgelehnt, bestraft und verletzt hatte. Bedeutet das, dass das Früchtchen also doch endlich etwas dazugelernt hat und ihn in Zukunft diesbezüglich in Ruhe lassen wird? Sich einen anderen gesucht hat, um seinen fragwürdigen Gelüsten nachgehen zu können? Doch warum ausgerechnet den überaus sensiblen Rätselmeister, der vor allem und jedem zu kuschen scheint? Immerhin ist er praktisch das hundertprozentige Gegenteil von Batman und kann dem wilden Clown damit unmöglich standhalten. Nigma sieht man zudem nun wirklich nicht an, dass er solche homosexuellen Neigungen haben könnte. Doch heißt es nicht, stille Wasser sind tief? Das ist wohl die einzig richtige Aussage, um Edward in diesem Fall zu beschreiben. Er ist nicht nur der Herr der Rätsel, sondern stellt selbst ein sehr vielschichtiges Rätsel da, das Bruce womöglich niemals ganz entschlüsseln können wird...
 

Der Mitternachtsdetektiv will sich das nicht mitansehen, will es nicht einmal in seinem Kopf haben oder auch nur in irgendeiner Weise begreifen, akzeptieren oder darüber nachdenken müssen. Doch etwas tief in ihm drin hindert ihn daran, sich dem zu entziehen. Seine Augen kleben praktisch an er absurden Szene vor sich. Widerwillig fügt er sich diesem schier unüberwindbaren Zwang und sieht genauer hin, studiert seine erbittertsten Gegner regelrecht.
 

Sie wirken unglaublich vertraut miteinander, dass fällt ihm als Erstes auf. Daraus schließt er, dass sie wohl kaum zum ersten Mal mit einander kopulieren. Sie wirken selbstsicher, perfekt auf einander abgestimmt, scheinen genau zu wissen, was sie tun. Durch das geschlossene Fenster kann er die beiden zwar nicht hören – was er auch keinesfalls will, obwohl er mehr als ein Hilfsmittel in seinem Gürtel hat, das ihm das ermöglichen würde –, doch das braucht er auch gar nicht, um zu sehen, dass ihr gemeinsames Tun keinerlei Worte bedarf und nicht nur zur reinen Befriedigung zu dienen scheint. Es wirkt, als würde dort viel mehr dahinterstecken – weit mehr, als sich Bruce eingestehen will und weit mehr, als er den beiden jemals zutrauen würde.
 

Stumm sieht er ihnen weiterhin zu, doch nun nicht mehr nur mit seinem analytischen Auge. Nein, nun meldet sich auch sein Körper zu Wort, oder eher gesagt sein Herz. Ein nahezu unbekannter Stich erfasst das lebensspendende Organ und lässt es für eine Sekunde auf seltsame Weise schmerzen. Missbilligend verzieht der Rächer das Gesicht. So ein merkwürdiges Gefühl hat er in dieser Form noch nie empfunden und begreift daher nicht, was es jetzt zu bedeuten hat. Was er allerdings merkt, ist, dass das Gefühl immer stärker wird, je länger er dem Ganzen beiwohnt. Dennoch kann er sich weder der Szene noch dieser fremdartigen Empfindung entziehen, obwohl inzwischen alles in ihm danach zu schreien beginnt...
 


 

7
 

Stöhnend geben sich die beiden Kriminellen immer mehr ihrem Treiben hin. Nicht mehr lange und sie werden über die Klippe gehen. Dieser Empfindung folgend, schließt Ed seinen kleinen Freund fester in die Arme und legt den Kopf auf dessen Schulter ab. Wie ein Ertrinkender klammert sich der Clown daraufhin an ihm fest. Seine Bewegungen werden ungestümer, seine Stimme lauter. Fast schon tröstlich streichelt Nigma ihm über den bebenden Rücken. Unbewusst hebt er dann etwas den Blick, als er glaubt, einen Schatten im Fenster zu sehen. Selbstredend denkt er, dass es sich dabei um ihre eigenen Schatten handeln muss. Etwas anderes wäre schlichtweg absurd.
 

Das Licht der Nachttischlampe ist in dem völlig dunklen Zimmer stark genug, um dem Rätselmeister zu zeigen, dass es allerdings nicht nur ein eingebildeter Schatten ist und schon gar nicht der Schatten ihres Tieres mit zwei Rücken, den er im glatten Glas des Fensters gesehen haben will. Oh, nein! Es ist weit mehr, es ist Batman!
 

Zu jeder anderen Zeit und an jedem anderen Ort wäre Ed vermutlich vor Schreck fast gestorben, wenn der Maskierte so plötzlich und unerwartet bei ihm auftauchen würde. Jetzt jedoch nicht. Was ihn jetzt durchströmt, ist eher blanke Wut. Er hätte nicht gedacht, dass der Ritter ihn hier finden würde, und schon gar nicht ausgerechnet jetzt.
 

Entgegen aller Annahmen reagiert Nigma jedoch gar nicht darauf. Ungerührt führt er ihr Tun weiterhin gewissenhaft aus. Und um ganz ehrlich zu sein, macht es ihn auf seltsam perverse Weise sogar noch mehr an, zu wissen, dass Batman ihnen dabei zusieht! Es bereitet ihm richtiggehend Genugtuung, erst recht, da der Mitternachtsdetektiv zutiefst angewidert und verärgert aussieht. Doch da scheint noch eine Empfindung zu sein, die ihm der Brünette nie im Leben zugetraut hätte. Es wirkt fast so, als wäre der Dunkle Held tatsächlich so etwas wie eifersüchtig!
 

Das ist gut! Das ist sogar mehr als gut, der reine Wahnsinn! Innerlich kann sich der Brünette ein Grinsen gar nicht verkneifen. Ed beginnt sich sogar zu fragen, ob er seinen verhassten Zuschauer wohl noch mehr ärgern kann als nur allein mit der Tatsache, dass er überaus erfolgreich Hand an den Bengel legt, den Batman vermutlich für sein persönliches Eigentum hält, so herrisch wie er über den Jungen zu bestimmen versucht. Sich ein bisschen dafür an ihm revanchieren kann, dass er Joker ständig so schlecht behandelt. Denn seien wir doch mal ehrlich. Batman ist selbst schuld, hat er den kleinen Clown doch mit seinen Taten praktisch eigenhändig in die Arme des Rätselmeisters getrieben.
 

Daher sucht Ed nun ganz offen heraus den Blick des Älteren. Als sich ihre Augen treffen, zuckt Bruce leicht zusammen, und Nigma kann ihm ansehen, dass er sich gern zurückziehen würde. Stattdessen bleibt er allerdings an Ort und Stelle und erwidert trotzig den Blick des Jüngeren. Etwas Verwundertes scheint in seinen verborgenen Augen zu liegen. Doch Edward erkennt dennoch, worum es sich handelt. Die Fledermaus wundert sich darüber, dass der Rätselmeister keinen Schreck bekommen hat, so wie sonst immer, und damit ihr Tun womöglich beendet wäre. Es vielleicht sogar zu einem Kampf kommen könnte.
 

Diesen Gefallen wird ihm der Brünette aber ganz sicher nicht geben. Batman will sie also schamlos beim Sex beobachten? Bitte, warum auch nicht! Ed hat nichts zu verbergen, und würde Joker die Anwesenheit seines fiesen Lovers mitbekommen, würde er da sicher ganz genauso denken. Soll er doch gaffen und neidisch auf das sein, was er für immer vergrault hat – was er in dieser Form sowieso nie gehabt hat.
 

Somit fängt Edward jetzt tatsächlich an zu grinsen, und zwar so dermaßen dreckig, wie Wayne es ihm im Leben nicht zutrauen würde. Tja, was soll man sagen? Der Maskierte kennt ja auch noch nicht den neuen Ed, den selbstbewussten Ed. Doch jetzt wird er ihn definitiv kennenlernen! Zumindest so weit, wie es auf diese begrenzte Weise eben möglich ist, damit Joker nichts davon mitbekommt.
 

Überaus missbilligend hält Batman dem Grinsen seines Gegenübers stand, und etwas anderes hat der Rätselmeister auch gar nicht erwartet. Also weiter im Text. Er ist sich nämlich ziemlich sicher, dass er es schaffen wird, dass diesem miesen Spanner die Kinnlade runterfällt. Allein nur von der Vorstellung dessen, könnte er schon auf der Stelle kommen! Doch er beherrscht sich, konzentriert sich auch weiterhin akribisch auf seinen kleinen Freund. Doch wenn er das Arschloch vor dem Fenster wirklich ärgern will, muss er sich definitiv ziemlich beeilen, und dass nicht nur, weil der Maskierte sicher nicht mehr lange mitspielen wird.
 

Also löst er nun eine Hand vom bebenden Rücken des Clowns, ballt sie zur Faust, hält sie dem anderen Mann entgegen und streckt dann langsam und mit sichtlicher Genugtuung den Mittelfinger aus. Fick dich, Batman! Wieder grinst Edward in sich hinein. Mann, wer hätte gedacht, dass sich so was so gut anfühlen würde, oder dass er jemals die Chance dazu bekommen würde, sich auf so ein Niveau herabzulassen und es so dermaßen zu genießen? Färbt da etwa etwas von Jokers unflätiger Art auf ihn ab? Das ist gut, nur weiter so!
 

Noch bekommt er allerdings nicht die gewünschte Reaktion des Mannes in schwarz, und um ehrlich zu sein, hat er das auch noch nicht wirklich erwartet, trotz der Tatsache, dass Batman klar ist, dass Ed so etwas Billiges niemals machen würde. Aber das stört den Brünetten nicht, noch ist er schließlich nicht fertig mit ihm.
 

Jetzt legt er die geballte Faust mit dem noch immer ausgestreckten Mittelfinger wieder auf den Rücken seines kleinen Freundes. Sinnlich gleitet er an der verschwitzten Haut herab, wodurch sein Finger als eine Art Wegweiser funkgiert. Sichtlich verstimmt folgt Bruce seinem Zeig immer weiter nach unten. Dann stoppt der Finger schließlich über dem Steißbein des Verrückten – genau dort, wo sich das von der Fledermaus ach so verhasste Tattoo des Bengels befindet. Überrascht stellt Wayne allerdings fest, dass es sich verändert hat. Er braucht nur den Bruchteil einer Sekunde, um zu begreifen. Und dann passiert das, was sich Nigma so sehr gewünscht hat: Batman entgleiten sämtliche Gesichtszüge!
 

Oh, der Anblick ist so dermaßen geil, dass man es gar nicht aushalten kann! Und das muss der Rätselmeister auch gar nicht. In diesem Moment wirft Joker haltlos den Kopf in den Nacken, stöhnt atemlos den Namen seines Geliebten und kommt in einer grellweißen Explosion, die Edward unweigerlich mit sich reißt, und in die er sich nur allzu bereitwillig hineinfallen lässt. Für diesen herrlichen Moment schließt der Brünette angetan die Augen, um alles völlig zu verinnerlichen.
 

Als er sie wieder öffnet, glaubt er nicht, dass Batman noch da sein würde. Allerdings überrascht es ihn auch nicht wirklich, nun festzustellen, dass dieser penetrante Kerl noch immer vor dem Fenster hängt, gleich einem notgeilen Teenager, der seiner Nachbarin beim Umziehen zuzusehen versucht, auch wenn diese längst die Vorhänge zugezogen hat.
 


 

8
 

Langsam löst Ed den Griff von dem kleinen Clown und sie trennen sich voneinander. Kraftlos lässt sich Joker nach hinten in die Laken fallen und holt mit geschlossenen Augen abgehakt Luft. Nigma bleibt noch einen Moment ungerührt sitzen und grinst Batman rotzfrech entgegen, was der Held zähneknirschend über sich ergehen lässt.
 

Nun öffnet der Grünhaarige wieder seine seltsam roten Augen und streckt die Arme aus. Sichtlich ist die Erregung in seinen zierlichen Körper zurückgekehrt und sehnt sich abermals noch Befriedigung. Der Brünette ist nur allzu bereit, sie ihm zu verschaffen, empfindet er doch nicht anders, erst recht mit ihrem stillen Beobachter. Unbemerkt wirft er der Fledermaus einen weiteren Blick zu, bevor er sich zu dem schnurrenden Jungen hinabbegibt, der sich ungeduldig in den zerwühlten Laken windet.
 

Bereitwillig spreizt der Verrückte die Beine auseinander und legt seinem Partner die Arme um den Nacken, zieht ihn zu sich heran. Seine langen Beine schlingen sich um die Hüften des Älteren und dieser ändert noch kurz etwas an ihrer Position, bevor er sich ganz zu ihm herablässt.
 

Als sie sich nun küssen, – so voller Liebe und Leidenschaft – stürzt das Bild gefährlicher Irrer, das Batman sich stets von ihnen vor Augen gehalten hat – selbst jetzt noch, wo er sie bei dergleichen beobachten konnte –, mit einem fast schon hörbaren Krachen in sich zusammen. Sie sehen jetzt mehr wie Romeo und Julio als wie Bennie und Clyde aus; jung, verliebt, unschuldig und so verletzbar wie zwei kleine Kinder, die sich im Wald verirrt haben und dort langsam wahnsinnig geworden sind.
 

Die beiden geben hier nicht nur ihren ungezügelten Trieben nach, um sich in dieser verkorksten, sie ablehnenden Welt so etwas wie Befriedigung zu verschaffen, nein, sie empfinden etwas für einander. Etwas, das tatsächlich vergleichbar mit Liebe sein könnte!
 

Beinahe schlagartig verschwinden daher seine Verachtung und seine Wut, die das Grinsen des Rätselmeisters in ihm ausgelöst haben. An ihre Stelle tritt allerdings wieder diese seltsame Eifersucht, die er eben schon empfunden hat und die er sich nicht wirklich erklären kann. Oh, ja. Mittlerweile ist ihm klargeworden, was das für ein Gefühl ist, weshalb er es nun beim Namen nennen kann, auch wenn es ihm ganz und gar nicht schmeckt, dass diese beiden Spinner so eine Regung in ihm zustande gebracht haben.
 

Doch warum? Warum empfindet er so? Warum macht es ihn schier wahnsinnig, mitanzusehen, wie sich diese beiden dort so schamlos vergnügen? Was hat das alles zu bedeuten? Immerhin hat er keine Gefühle für diesen dämlichen Clown! Er empfindet nichts als Hass und Verachtung für ihn. Und bei Riddler ist es nichts anderes. Dieser war ihm schon immer relativ egal, weil er bisher keine wirkliche Bedrohung dargestellt hat, was aber nicht bedeutet, dass er deswegen ungefährlich ist. Doch nun wirkt es fast so, als müsste er Nigma als eine Art Konkurrenten ansehen, was in völligem Gegensatz zu dem steht, was er zu empfinden glaubt. Was, nur was soll das alles? Was stimmt nicht mit ihm? Was hat dieser durchgeknallte Clown nur mit ihm gemacht? Stumm in sich hinein knurrend schaut er ein letztes Mal durch die Scheibe.
 

Abermals sucht auch Edward für eine Sekunde seinen Blick, und dieser scheint etwas überaus Triumphierendes an sich zu haben. Das reicht! Batman hält es nicht mehr länger aus. Während sich die beiden ungeachtet erneut vereinigen, verschwindet der Dunkle Ritter in den Tiefen der Nacht, als wäre er nie dagewesen – und Ed überkommt dabei unweigerlich eine Befriedigung, die schon ziemlich nahe an diejenige herankommt, die er eben schon mit Joker erleben durfte. Doch das bleibt ganz allein sein kleines Geheimnis!
 


 

9
 

Mit diesem herrlichen Gedanken versenkt er sich erneut tief in dem zitternden Körper unter sich. Hilflos klammert sich Joker an ihm fest und stöhnt seine ungezügelte Lust laut in den Raum hinein. Edward geht es nicht anders. Fast wie von Sinnen beginnt er sich in der hitzigen Enge zu bewegen. Im Hinterkopf schwirrt ihm dabei immer wieder Batmans entsetzter Gesichtsausdruck herum. Wer hätte gedacht, dass der ach so stolze Ritter zu so einem dämlichen Anblick fähig wäre? Und dann auch noch wegen so etwas!? Unbezahlbar!
 

Innerlich grinst Nigma nur wieder in sich hinein, wovon sein kleiner Freund zum Glück nichts mitbekommt. Das würde nur zu sehr unangenehmen Fragen führen, und dass will er jetzt ganz sicher nicht riskieren. Jetzt will er nur diese sagenhafte Hitze und diese unbeschreibliche Enge genießen, die ihn einhüllen, gleichermaßen erdrücken, und hinfort tragen, zu einem Ort, den er dachte, niemals je betreten zu können, da er wie die sagenumwobene Stadt Atlantis stets nur einem Mythos für ihm gleichkam.
 

Ein Ort, den Batman gar nicht verdient hat. Den der Ritter nur durch puren Zufall entdeckt zu haben scheint, ohne ihn wirklich betreten zu können oder die sagenhaften Schätze darin zu würdigen weiß. Einen Ort, an dem er also gar nichts zu suchen hat, weshalb Ed ihn um jeden Preis beschützen möchte und muss!
 

Mit diesem Gedanken stößt er fester zu, sodass sich der Junge unter ihm aufbäumt, als wäre er unter Strom gesetzt worden. Seine Nägel tief in Edwards Schultern hineingräbt, blutige Spuren darauf hinterlässt. Hilfloses Wimmern verlässt Jokers Mund. Ein heftiges Zittern gleitet seinen Körper auf und ab. Dann kann er nicht mehr an sich halten. Seine Stimme dröhnt dem Brünetten viel zu laut in den Ohren und doch scheint sie von so weit weg zu kommen, als sie gemeinsam über den Rand der Klippe springen...

Longing for you


 

1
 

Mit einem schweren Seufzen beobachtet Edward seinen Freund bei dessen letzten Vorbereitungen. Der kleine Clown wirkt sichtlich angespannt und nervös. „Hältst du das wirklich für eine gute Idee, nach allem, was er dir immer wieder angetan hat? Wie er dich wieder und wieder brutal abgewiesen und all deine Gefühle, völlig egal welcher Natur, immer nur mit Füßen getreten hat?“, fragt der Brünette ein letztes Mal mit schwindender Hoffnung und sichtbarer Sorge im Gesicht, die ihn um Jahre älter aussehen lassen. Er wirkt nun mehr wie ein Vater, dessen einziger Sohn vorhat, in die Army einzutreten, und dessen erster Einsatz gleich in einem gefährlichen Kriegsgebiet stattfinden wird, von dem er womöglich nicht mehr nach Hause zurückkommt.
 

Mit nachsichtigem Blick wendet sich Joker zu ihm herum und seufzt nun selbst. Fast so, als hätte er Nigmas Gedanken aufgeschnappt und stimme ihnen wortlos zu. „Sehe ich vielleicht so aus, als wäre auch nur irgendetwas, das ich getan habe, eine gute Idee gewesen?“, stellt der Grünhaarige die Gegenfrage. „Also...“, aber Ed weiß nicht wirklich, was er darauf antworten soll, ohne womöglich die angeschlagenen Gefühle seines Gegenübers zu verletzen. Und das wäre nun wirklich das Letzte, was der Bengel im Moment gebrauchen kann. Es würde alles nur noch viel schwieriger machen, als es ohnehin schon zwischen ihm und dem Dunklen Ritter ist. Daher hält der Brüentte lieber den Mund, auch wenn ihm das sichtlich schwerfällt. Der Jüngere belächelt seine Hilflosigkeit nur.
 

„Schon gut, mein Hübscher. Es ist das allerletzte Mal, dass ich ihm aufs Dach steigen will, versprochen. Wenn er mich wieder nur in die Gosse wirft und der Ansicht ist, keinerlei Gefühle für mich zu haben, ist es endgültig aus zwischen uns, und ich werde nichts mehr dahingehend versuchen, sondern mich ausschließlich auf dich und unsere Arbeit hier konzentrieren. Dann wird er für alle Zeit nur noch mein Feind sein und ich ein anständiges und geregeltes Leben mit dir führen, okay?“ Nigma ringt sich ein schwaches Lächeln ab, auch wenn es deutlich sehen kann, dass sich Joker alles andere als ein friedliches und geregeltes Leben wünscht – mit oder ohne Batman spielt dabei überhaupt keine Rolle, er braucht schlichtweg die Aufregung und den Nervenkitzel.
 

„Einverstanden. Doch ich nehme dich beim Wort. Wenn es nicht funktioniert, ist es aus zwischen euch beiden und ich will kein Wort mehr über ihn hören. – Ich kann dich nicht umstimmen und aufhalten schon gar nicht. Das will ich auch gar nicht, zumindest nicht jeder Teil von mir. – Ich weiß, dass du ihn brauchst. Dass ich dir nicht das geben kann, was du dir von ihm erhoffst. Doch du darfst dich nicht von ihm kontrollieren lassen! Du hast es nich verdient, so von ihm behandelt zu werden, nicht einmal nach all deinen Fehltritten, dass darfst du niemals vergessen!“, flehend sieht er den Kleineren an.
 

„Nein, das werde ich nicht vergessen. Diesmal nicht!“, verspricht Joker und steigt dann in seinen Wagen. „Sei bitte vorsichtig!“, versucht Edward ihm ein letztes Mal ins Gewissen zu reden. „Wann bin ich das jemals nicht?“, fragt der Kleine keck grinsend. Die Unschuld im Blick des Clowns ist nahezu unfassbar, weshalb der Rätselmeister innerlich nur den Kopf schütteln kann. „Montags bis freitags. Oft samstags und den ganzen Sonntag.“ Mit großen Augen mustert Joker seinen Freund leicht perplex und grinst dann wieder. „Sag ich doch! Kein Grund zur Sorge!“ „Du bist wirklich unmöglich...“, lächelt Ed und drückt ihm zum Abschied einen Kuss auf die buntbemalten Lippen. Sekunden später verschwindet das neongrelle Auto in den Tiefen der Nacht. Zurück bleibt die Ungewissheit in dem Älteren, nagend wie eine tödliche Krankheit im Inneren, die er nicht sehen kann, dennoch spürt, wie sie ihn von Sekunde zu Sekunde mehr zerfrisst...
 

Wenn es ums Planen geht, gibt es wohl keine zwei verschiedeneren Geschöpfe im Universum als Edward und Joker. Ed, der stets durchdachte Stratege, der sich immer auf alles vorbereitet sieht – oder es zumindest hofft zu sein. Und Joker, der spontane Chaostyp. Wenn man wie der kleine Clown nur in groben Zügen plant, lässt einem das Freiraum zum Improvisieren, und gerade das ist eine grundlegende Eigenschaft des Grünhaarigen – etwas, zu dem Edward nie fähig war und wohl auch nie sein wird. Ganz anders Batman, der eine perfekte Mischung seiner beiden größten Widersacher zu sein scheint, sodass er ihnen in dieser Hinsicht erschreckend ähnlich ist, auch wenn der Dunkle Ritter das sicher ganz anders sieht...
 

Daher ist es praktisch nicht vorherzusehen, was beim alles entscheidenden Aufeinandertreffen der beiden passieren könnte. Schließlich hat sich der Rächer gleichermaßen schon auf den Clown eingelassen und ihm seinen Willen gegeben, wie ihn auch verstoßen, gedemütigt, verletzt und achtlos weggeworfen. Dies alles hat seine Spuren bei dem Grünhaarigen hinterlassen, die Edward in mühevoller Kleinarbeit immer wieder bereinigen musste. Und doch schien es nie genug zu sein, solange Jokers Gedanken weiterhin um Batman kreisen.
 

Joker war schon immer ein Junge mit einem sonnigen Gemüt gewesen, egal was ihm auch für Steine in den Weg geworfen wurden, er hatte immer sein Lächeln. Aber die Sonne ist jetzt verschwunden, begraben unter einer dicken Wolkenbank, die sich höher und höher auftürmt, und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis es einen heftigen Platzregen oder ein allesvernichtendes Unwetter geben wird. Doch egal, was es auch sein wird, in jedem Fall ist Batman daran schuld! Zähneknirschend wendet sich der Rätselmeister herum, betritt die kleine Wohnung, die er sich mit seinem Freund teilt und versucht, seine eigenen Gedanken zu ordnen, während er gleichzeitig dafür betet, Joker am Ende dieser Nacht heil und wohlbehalten wieder in seine Arme schließen zu können...
 


 

2
 

Lange bevor sich Joker und Edward voneinander verabschieden, rast das Batmobil schon haltlos durch die nächtlichen Straßen der Stadt. Sein Fahrer sitzt angespannt hinter dem Lenkrad und versucht, ebenfalls seine Gedanken zu ordnen. Batman hat an mehreren Stellen Gothams aufgeschnappt, dass dieser irre Clown schon wieder irgendwo eine Bombe versteckt hat, die aber diesmal alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen soll. Kein Wunder also, dass Bruce mit den Nerven am Ende ist, obwohl seine nächtliche Schicht doch gerade erst angefangen hat. Erst recht, weil er einfach nicht herausfinden kann, wo sich diese Bombe befinden soll.
 

Inzwischen hat er dutzende, infrage kommende Orte abgesucht und an die hundert Leute befragt, die direkt oder auch nur im Entferntesten mit Joker in Kontakt stehen, doch er hat nicht den kleinsten Hinweis bekommen. Die armen Trottel, die ihm vor die Fäuste gelaufen sind, wussten nichts, so sehr er sie auch unter Druck gesetzt hat. Einzig, dass es eine gewaltige Bombe geben soll. Doch warum? Wie? Wo? Und wann? Alles Fragen, die er einfach nicht beantworten kann. Aber ihm läuft die Zeit davon. Es muss irgendwo einen Hinweis geben. Es muss einfach! Schließlich liebt der Bengel es, im Mittelpunkt zu stehen, die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und insbesondere im Vorfeld mit seinen Taten vor anderen anzugeben, daher muss es jemanden geben, der Bescheid weiß. Er muss ihn nur finden, und das so schnell wie möglich. Es dürfen nicht wieder Tausende sterben, nur weil diesem irren Clown gerade mal wieder so schrecklich langweilig ist!
 

Mit durchgetretenem Gaspedal rast er weiter und zermartert sich den Kopf darüber. Er braucht dringend Antworten, und zwar schnell. Doch, wo soll er diese nur herbekommen? Ihm gehen eindeutig langsam die Optionen aus. Was also tun? Zähneknirschend grübelt er weiter darüber nach.
 

Plötzlich steigt er allerdings so heftig auf die Bremse, dass er beinahe die Kontrolle über den schwergepanzerten Wagen verliert. Hektisch lenkt er dagegen, damit sich das Auto nicht im Kreis dreht oder womöglich sogar überschlägt, wendet dann mit quietschenden Reifen in einer Qualmwolke, und tritt erneut das Gas voll durch. Wie konnte er das nur die ganze Zeit übersehen? Die Antwort auf all seine Fragen liegt praktisch direkt vor seiner Nase, doch er wollte sie schlichtweg einfach nicht sehen, weil es ihm zuwider ist. Sein Weg geht nun Richtung Narrows. Er ist sich sicher, dass er dort endlich die notwendigen Antworten finden wird, und er könnte sich selbst dafür ohrfeigen, dass ihm das nicht schon viel früher eingefallen ist. Es ist so logisch, und doch hat er den Wald vor lauter Bäumen scheinbar nicht gesehen, weil es in seinen Augen einfach zu skurril ist. Denn, wer weiß zurzeit schon mehr über den Joker als dessen Bettgenosse, der Riddler!
 

Immerhin leben die beiden zusammen. Herr Gott noch mal, sie führen eine sexuelle Beziehung, die ein unverständliches Gefühl von Eifersucht in dem Dunklen Ritter weckt, wenn er auch nur ansatzweise daran denkt. Wenn also irgendjemand weiß, wo sich Joker und die Bombe aufhalten, dann doch wohl Edward Nigma. Tiefgreifende Wut staut sich in dem Mitternachtsdetektiven an, wenn er an das denkt, was er das letzte Mal gezwungen war zu sehen, als er endlich herausgefunden hatte, wo sich der Joker und der Riddler verstecken. Seine Hände krallen sich regelrecht um das Lenkrad.
 

Oh, er wird Antworten bekommen, so viel steht fest. Und wenn er sie aus diesem selbstgefälligen Rätselfreak herausprügeln muss, soll ihm das auch recht sein! Der Brünette hat sich lange genug um eine ordentliche Abreibung gedrückt, indem er immer wieder so arglos getan hat. Doch die Beziehung zum Joker beweist Batman, dass Riddler zu weit mehr fähig sein muss, als es den Augenschein haben mag. Und sei es nur, damit ihn der irre Clown nicht um die Ecke bringt. Also wird Nigma heute Nacht seine gerechte Strafe bekommen, ob er sich nun Batman vor die Füße wirft und um Gnade winselt, so wie sonst immer, oder eben nicht.
 

Diese Tatsache wird ihm sogar eine richtiggehende Genugtuung verschaffen. Ja, er wird Riddler ordentlich den Kopf waschen, damit sich dieser eingebildete Kerl mal fragt, was ihn wohl geritten haben muss, als er sich auf diesen wahnsinnigen Clown eingelassen hat. Er wird jede Sekunde bereuen, die er mit diesem Bengel verbracht hat – erst recht im Bett. Jede einzelne! Und dann wird er sich den Verrückten vorknöpfen und ihm ein für alle Mal zeigen, wessen Stadt das hier ist. Joker hat hier nichts zu melden. Diesmal wird es keine Gnade geben, und wenn er das Früchtchen an den Haaren zurück nach Arkham schleifen muss – von seinem dämlichen Lover ganz zu schweigen –, es wird ihm ein unsagbares Vergnügen bereiten. Es ist endgültig Schluss mit lustig!
 


 

3
 

Geschäftig tigert Ed durch die kleine Wohnung und sammelt ein paar Sachen zusammen, die er später mit nach unten in sein Büro nehmen muss. Als fein säuberlichen Haufen stapelt er alles auf dem Tresen der Wohnküche. Ohne seinen Gedankengang abreißen zu lassen, wendet er sich einem der Fenster zu und öffnet es. Eisige Novemberluft flutet ins Zimmer und vertreibt damit jeden noch so kleinen Funken Müdigkeit, der sich vielleicht gerade in seinem Kopf ausbreiten wollte. Doch Müdigkeit ist es ganz sicher nicht, was ihm zu schaffen macht. Es ist eher die Sorge um seinen kleinen Partner. Ob er wohl schon auf Batman getroffen ist? Hin und her gerissen weiß Nigma nicht, ob die bessere Antwort darauf nun Ja oder doch lieber Nein lauten sollte.
 

Er stößt ein tiefes Seufzen aus und wendet sich wieder dem Tresen zu. Akribisch macht er mit seiner Bestandsaufnahme weiter und versucht, dabei nicht an Joker zu denken, und an das, was ihm möglicherweise wieder zustoßen könnte. Für einen Moment ist sein Kopf auch tatsächlich klarer. Allerdings ändert sich das schnell wieder, als er auf einmal das unverwechselbare Gefühl hat, beobachtet zu werden. Es ist eine dunkle, geradezu machtvolle Aura, die ihm wie ein unendlich schweres Gewicht direkt im Nacken zu sitzen scheint. Entgegen aller Annahmen bereitet ihm diese Präsenz jedoch keine Angst. Sie macht ihn vielmehr furchtbar wütend.
 

„Kann man denn hier nicht einmal fünf Minuten das Fenster offen haben, ohne dass Ungeziefer hereinkommt?“, fragt Nigma richtiggehend pikiert, ehe er sich herumdreht. Der Mann, der unangemeldet wie ein Schatten durchs Fenster hereingekommen ist, ist in ein langes Cape gehüllt, welches die Farbe einer finsteren, mondlosen Nacht hat. Der Teil seines Gesichts, der nicht von der strengen Maske verborgen wird, ist nahezu tot, als könnte er weder Güte noch Liebe oder auch nur Barmherzigkeit empfinden – wobei sich Edward manchmal fragt, ob dem nicht wirklich so sein könnte. Der Mund ist zu Linien endgütiger, emotionsloser Autorität verkniffen, und dennoch verschränkt der Rätselmeister abwertend die Arme vor der Brust und mustert ihn untypisch streng. Die Zeiten, in denen er beim schlichten Anblick von Batman angstvoll zu zittern begonnen hat, scheinen völlig verschwunden zu sein, seit er mit Joker zusammenlebt. Fast so, als wäre ein Teil der durchgeknallten Selbstsicherheit des irren Clowns auf ihn übergesprungen und hätte damit die Lücke ausgefüllt, die der Riddler bis dahin in ihm beansprucht hatte. Er kann spüren, dass sich sogar der Dunkle Ritter dessen irgendwie bewusst ist. Das er spürt, dass etwas anders ist.
 

Trotz oder gerade deswegen lässt sich Batman aber nicht aus der Ruhe bringen. „Wo ist er?“, brummt er mit tiefer Stimme und sieht den Jüngeren eindringlich an, wobei die glühenden Schlitze seiner maskierten Augen mit jedem Wort an Schärfe zuzunehmen scheinen. Verstimmt rümpft Edward die Nase und grinst dann keck. ‚Ich habe ihn genau da, wo ich ihn haben will! Seit Jahren warte ich schon darauf, ihm mal die Meinung zu geigen, und heute könnte dieser Tag endlich gekommen sein. Außerdem hat dieser miese Typ noch so einiges zu büßen, was er meinem süßen Törtchen angetan hat!‘, geht es Ed durch den Kopf, wobei er eine seltsame Art perversen Stolzes verspürt. Mit ihm geht ein Beigeschmack von etwas einher, das fast auf Heiterkeit hinausläuft. Kurz darauf lässt er ein Rätsel ertönen. „Das Erste ist des Schiffes Feind. Beim Zweiten bin ich selbst gemeint. Das Dritte ist eine Präposition. Das Vierte sitzt auf des Königs Thron. Das Ganze wird zwar oft begehrt, doch selten jemandem gewährt. Wie lautet die Antwort, edler Ritter?“
 

Der Angesprochene knurrt nur in sich hinein und tritt mahnend einen Schritt näher. „Hör mit den Spielchen auf, Nigma, oder es wird dir sehr leid tun...“, tönt der Rächer verstimmt. Der Brünette grinst nur. „Was denn? Weißt du Antwort etwa nicht?“, neckt er ihn, wobei Bruce nur wieder knurrt. Lächelnd schüttelt der Rätselmeister den Kopf. „Ich muss zugeben, dass die Antwort nicht gerade meinem Geschmack entspricht. Außerdem hat sich Joker dieses Rätsel ausgedacht, in der Hoffnung, dich damit ärgern zu können. Dieser Gedanke gefällt mir, sehr sogar, besonders im Moment. Also, Batman, ärgerst du dich, oder kannst du es einfach nur nicht lösen?“, stichelt der Jüngere munter weiter und wirkt dabei so selbstsicher, wie er es bisher nur selten dem Rächer gegenüber war – Riddler hin oder her.
 

„Ich werde auf so etwas Idiotisches nicht antworten, also vergiss es! Sag mir lieber, wo Joker ist!“, fordert Wayne und tritt noch einen Schritt näher. Er will seinem Gegenüber durchaus die Chance geben, auf seine Fragen zu antworten, doch letztendlich wird der Rätselmeister diesmal definitiv eins aufs Maul bekommen, und sobald er den dämlichen Clown hat, wandern die beiden schnurstracks zurück nach Arkham!
 

Ed gibt sich allerdings weiterhin erstaunlich unbeeindruckt von alledem. „So kommst du bei mir nicht weiter. Ich will eine Antwort auf mein Rätsel. Ich brauche sie, wie du sehr gut weißt. Also gib sie mir oder tu uns beiden einen Gefallen und verschwinde von hier! Ich habe schließlich nichts getan, was deine Anwesenheit hier rechtfertigen würde. Und zudem habe ich noch jede Menge zu erledigen. Es kann sich immerhin nicht jeder wie du benehmen und die ganze Nacht hinter irgendwelchen Leuten herjagen, nur weil es ihm in den Fingern juckt.“ Zähneknirschend ballt der Mitternachtsdetektiv die Fäuste. Nigma steht jedoch weiterhin ziemlich unbeeindruckt mit verschränkten Armen vor ihm und scheint die Ruhe selbst zu sein, was so gar nicht zu dem eigentlich so sensiblen Mann passen will, den Bruce stets vor sich hatte. Hat das vielleicht etwas mit seiner fragwürdigen Beziehung zum Joker zu tun? Hat er ihn womöglich mit seinem haltlosen Wahnsinn angesteckt?
 

„Schön, wenn du mir also nicht antworten willst, dann tue ich es eben für dich!“, grinst Edward nun gehässig über das ganze Gesicht und wirkt damit regelrecht fremd auf den Maskierten. „Die Lösung lautet: Leck mich am Arsch!“ Der Brünette kichert darüber wie ein Schuljunge über einen unanständigen Witz. Das reicht Batman nun aber wirklich. Dieser lächerliche Freak scheint einfach nicht begreifen zu wollen, dass hier unzählige Menschenleben auf dem Spiel stehen, während er sich über ihn lustig macht! Zornig überbrückt der Schwarzhaarige den kurzen Abstand zu dem anderen Mann und packt ihn grob am Kragen. „Hör endlich mit diesem Unsinn auf und sag mir, wo Joker die verdammte Bombe versteckt hat, ehe wieder tausende Unschuldige dran glauben müssen!“, faucht Wayne außer sich und schüttelt Edward wie ein Bündel alter Lumpen durch.
 

Auch nach dieser unangenehmen Zurschaustellung der scheinbaren Überlegenheit Batmans bleibt der Kleinere auch weiterhin erstaunlich ruhig und gefasst. Seine grünen Augen spiegeln keinerlei Furcht oder auch nur Unbehagen wider. Stattdessen wirkt er ziemlich unbeeindruckt. Warum auch nicht? So eine Behandlung musste er schon oft über sich ergehen lassen, mit dem kleinen Unterschied, dass er nun eben weit weniger Angst vor seinem finsteren Gegenüber hat. „Ich weiß nichts von einer Bombe.“, gibt er daher fast schon gelangweilt von sich. Das macht den Rächer aber nur noch wütender, sodass er ihn diesmal gegen die nächste Wand donnert, sodass Ed kurze Zeit Sterne sieht und sein Kopf unschön zu pochen beginnt. Das alles lässt er sich aber kaum anmerken.
 

„Sag mir endlich, was ich wissen will, Riddler, oder ich schwöre dir, ich prügle dich von hier aus bis nach Arkham!“ Edward, den sonst nichts aus der Ruhe bringen kann, arbeitet sich nun in eine Wut hinein, die der Dunkle Ritter möglicherweise noch bereuen wird. „Verdammt noch mal, Batman!“ Ed spuckt das Wort Verdammt mit einer Art verzweifeltem Knurren aus, so wie es Männer tun, die sich normalerweise nur schwer aus der Ruhe bringen lassen, und bei denen Fluchen stets nur zur linguistisch letzten Instanz ihrer Ausdrucksweise gehört.
 

„Du hältst dich immer für so schlau, überlegen und beherrscht, weil du glaubst, einer der Guten zu sein. Doch Typen wie du können sich nie beherrschen. Euer Problem besteht zu neunzig Prozent aus mangelhafter Impulskontrolle. Du bockst, wie ein kleines Kind, das nicht bekommt, was es will, nur weil wir nicht schon beim ersten Wort nach deiner Pfeife tanzen wollen! Damit bist du Joker mit seinem kindlichen Irrsinn sogar verdammt ähnlich, auch wenn du das nicht wahrhaben willst, und das ist dein wahres Problem! Du siehst nicht ein, dass du nicht besser bist als wir! Wahnsinn ist sehr vielschichtig. Doch im Gegensatz zu dir, wissen die meisten von uns, dass sie nicht ganz richtig im Kopf sind und leben damit. Du versuchst es zu verdrängen oder sogar an uns auszulassen, und dass macht dich schlussendlich zum König der Verrückten! Du heilst uns nicht von unserem Wahnsinn, du entfachst ihn erst in uns! Wir sind nur deinetwegen hier und stiften Chaos! Hast du darüber schon einmal nachgedacht?“
 

„Sag mir, wo er ist!“, ignoriert der Schwarzhaarige die wüsten – und vielleicht sogar gerechtfertigten? – Anschuldigungen seines Gegenübers. „Ich weiß es nicht, Herr Gott noch mal! Und ich weiß auch nichts von einer Bombe! So etwas sagt er mir nicht, damit so miese Typen wie du nicht einfach unangemeldet hier auftauchen und Randale machen!“, faucht der Brünette zurück. Eine ganze Weile mustert ihn der Maskierte, dann lockert er langsam etwas den Griff, ohne ihn aber wieder loszulassen. Er weiß nur zu gut, dass Nigma nicht lügen kann – nicht einmal, wenn man ihm eine Pistole an die Schläfe drücken und ihn dazu zwingen würde. Daher kann er sich bei dem Brünetten sicher sein, immer zu hundert Prozent die Wahrheit zu hören, auch wenn sie ihm nicht passt.
 

„Dann sag mir wenigstens, was du weißt, Riddler!“, fordert er daher weiterhin nachdrücklich und hält ihn in seinem eisernen Griff gefangen. „Ich weiß gar nichts! Das habe ich dir doch eben schon gesagt. Er wollte losziehen, um ein für alle Mal alles zwischen euch zu klären. Doch, wie er das anstellen will, hat er mir nicht gesagt. Um mich vor dir zu schützen! – Ach ja, und noch etwas. Den Riddler gibt es nicht mehr! Also unterstehe dich, mich noch einmal mit dem Namen dieser erbärmlichen Kreatur anzusprechen! Ich bin Edward Nigma und sonst niemand, verstanden?“ Überaus nachdrücklich befreit sich der Rätselmeister schließlich aus dem Griff seines Gegenübers und streicht sein Jackett wieder glatt. Batman hat zwar keine Ahnung, was genau er damit meint, dass der Riddler nicht mehr da ist, aber es ist ihm auch einerlei. Er kommt hier nicht weiter und er hat auch nicht die Zeit, um sich stundenlang mit diesem irren Rätselfreak zu beschäftigen.
 

„Wo ist er hingegangen?“, fragt Batman nach einem Moment des Schweigens, in dem sich die beiden Kontrahenten einfach nur trotzig gemustert haben. Theatralisch seufzend verdreht Edward die Augen und schüttelt genervt den Kopf. „Mir scheint, als hättest du heute die Aufmerksamkeitsspanne einer Stubenfliege, was irgendwie passend ist, wo du doch wie ein lästiges Ungeziefer durch mein Fenster gekrochen bist! Aber schön, weil du es bist, werde ich es ein letztes Mal wiederholen, also hör diesmal zu, ja? Ich weiß es nicht! Ich weiß nichts von einer Bombe. Ich weiß nicht, wo Joker hingegangen ist. Ich weiß nicht, was er macht, wann er es macht, oder wie. Ich weiß nur, dass er mit dir abrechnen will und dass ein für alle Mal. Du kennst ihn doch. Er wird sich schon bemerkbar machen, wenn er bereit für dich ist. Also tu das, was du am besten kannst. Hock dich auf ein Dach und beobachte deine reizende, kleine Stadt! Er ist mit seinem Lamborghini weggefahren. Mehr kann ich dir auch nicht sagen. Also mach die Augen auf und such nach ihm! Der Wagen schreit doch geradezu im Dunkeln, den wirst du doch wohl finden können, du Meisterdetektiv!“
 

Diese Worte gefallen Bruce selbstverständlich überhaupt nicht. Dennoch kann er deutlich sehen, dass Ed auch diesmal die Wahrheit sagt. Er weiß nichts. Somit steht der Rächer wieder genau da, wo er auch am Anfang dieser Nacht schon gewesen ist – bei null. Immerhin weiß er jetzt aber, dass Joker seinen Wagen genommen hat. Und in dem Fall hat Riddler recht, das Ding ist schlichtweg nicht zu übersehen. Dennoch ist die Stadt riesig, der Lamborghini dagegen witzig. Was soll er also jetzt bloß machen?
 

Dann kommt ihm plötzlich ein Gedanke, der ihn weiterbringen könnte. Wenn er Riddler jetzt nach Arkham bringen würde, dann würde die Chance sehr hoch stehen, dass Joker ziemlich schnell davon Wind bekommt und sich ihm somit zeigt, und sei es nur, weil er ganz sicher versuchen würde, seinen Lover aus der Anstalt zu befreien. Dann hätte er sie beide! Und falls Joker sich weigern sollte, ihm zu sagen, wo sich diese verfluchte Bombe befindet, hätte er somit zumindest etwas mehr Zeit, um danach zu suchen, bis die zwei Irren wieder ausbrechen und sich erneut irgendwo verkriechen. Oder er könnte im schlimmsten Fall Nigma als Lockmittel benutzen. Ihn vor den Augen des Jungen verletzen, bis dieser einknickt und auspackt.
 

Dieser Plan gefällt ihm ziemlich gut, und etwas anderes fällt ihm auf die Schnelle auch nicht mehr ein. Daher packt er Nigma nun wieder grob am Kragen und drückt ihn unsanft zurück an die Wand. Die grünen Augen des Rätselmeisters weiten sich für den Bruchteil einer Sekunde überrascht, dann verfinstern sie sich allerdings so sehr, dass Batman fast das Gefühl bekommt, in einen Spiegel zu blicken. Kurz darauf spürt der Rächer, wie sich etwas Hartes eiskalt in die kleine Stelle aus empfindlicher, ungeschützter Haut unter seinem Kinn presst. Im selben Moment vernimmt er das markante Geräusch, mit dem eine Pistole entsichert wird.
 

„Lass mich auf der Stelle los und verschwinde aus meinem Haus, oder ich schwöre dir, ich puste dir ein Loch in den Schädel! Joker dürfte darüber zwar nicht gerade erfreut sein, aber ich bin ganz sicher, er hätte dafür Verständnis. Immerhin hast du mich tätlich angegriffen. Das ist schlichtweg Notwehr, dich zu erschießen.“, knurrt der Brünette leise und mit einer erstaunlichen Nachdrücklichkeit. „Das würdest du nicht wagen...“, setzt Batman an, verharrt dabei weiterhin in ihrer regelrecht eingefrorenen Haltung.
 

„Unter normalen Umständen würde ich dir auf der Stelle zustimmen. Ich würde niemals jemanden erschießen, wenn es nicht wirklich um Leben und Tod gehen würde. Doch das hier ist jetzt etwas ganz anderes. Ich bin nicht mehr derselbe wie früher. Ich habe mich verändert. Selbstredend würde ich dennoch niemanden erschießen, der es nicht wirklich herausgefordert hat, doch bei dir werde ich da gerne eine Ausnahme machen. Ich habe es nämlich endgültig satt, wie du mich und insbesondere Joker behandelst.“
 

„Das hat sich dieser irre Clown selbst zuzuschreiben.“, erwidert Bruce trotzig. „Das sehe ich ganz anders! Hast du dir auch nur einmal die Mühe gemacht und genau über sein Verhalten nachgedacht? Das denke ich nämlich nicht, sonst hätte es bei dir schon längst Klick gemacht!“, zischt Ed. Batman verharrt ungerührt und mustert ihn nur streng.
 

„Nun sieh mich nicht wie ein kleines Kind an, dass keine Eiscreme vor dem Mittagessen bekommt! Herr Gott noch mal, er hat Gefühle für dich! Denk doch nur einmal genau darüber nach! Er hat es dir bestimmt an die hundert Mal gesagt! Doch du ignorierst ihn nur. Verprügelst ihn. Schiebst alles auf seinen fragwürdigen Geisteszustand, damit du fein raus bist und dir nicht eingestehen musst, dass es dir womöglich genauso geht!“
 

„Ich liebe ihn aber nicht!“, knurrt Wayne nun äußerst ungehalten und drückt Ed fester gegen die Wand. Im gleichen Moment presst sich die Mündung der Waffe tiefer in seine Haut hinein. „Das weiß ich, du Idiot! Und darum geht es doch auch gar nicht! Joker liebt dich doch auch nicht! Als er das gesagt hat, war er nur durcheinander und verzweifelt. Himmel, er ist doch fast noch ein Kind! Seine Gefühle spielen völlig verrückt und er kann sie nicht richtig einordnen, weil sein bisheriges Leben ihn nicht gelehrt hat, damit umgehen zu können! Weil er immer nur verstoßen und gequält wurde. Er begreift kaum, dass es so etwas wie Liebe außerhalb von Filmen tatsächlich gibt. Und jetzt nimm endlich deine Pfoten von mir!“, knurrt Nigma und drückt die Magnum nun schmerzhaft fest gegen Batmans Kinn.
 

Ganz langsam lässt der Mitternachtsdetektiv die Hände sinken. Unter den wachsamen Augen seines Gegenübers tritt er einen Schritt zurück. „Sehr gut. Und jetzt nimm die Hände hoch, damit ich sie sehen kann, und keine faulen Tricks! Denn, wie heißt es so schön: Ich schieße schneller als mein Schatten. Und an deiner Stelle würde ich das ernstnehmen, mein verhasster Feind!“ Nur sehr widerwillig kommt der Dunkle Ritter dieser Anweisung nach. Er weiß nur zu gut, dass Edward wirklich verboten gut schießen kann. Daher ist es im Moment vielleicht wirklich besser, seinen Worten Folge zu leisten, bis er ihn irgendwie ablenken und überwältigen kann.
 

„Und jetzt zurück zum Thema. Joker hasst dich, und dass hat er dir unzählige Male gesagt! Es mag sich vielleicht in deinen Ohren nicht so anhören wie echter Hass, doch es ist so. Vielleicht sagt dir das Wort Hassliebe in diesem Fall auch einfach mehr? Ich würde es jedenfalls so interpretieren. Joker hat eben manchmal eine merkwürdige Art sich auszudrücken. Doch seine Gefühle sind echt. Und er wünscht sich nichts mehr, als dass du ihm das Gleiche entgegenbringst. Ist denn das so schwer? Sieh in dein Herz! Ich weiß ganz genau, dass euch etwas verbindet, das keiner von uns verstehen kann. Ihr zwei selbst vielleicht sogar eingeschlossen. Doch das heißt nicht, dass es nicht da ist. Aber du musst es akzeptieren und es ihm sagen, damit das alles hier ein Ende finden kann.“, seufzend betrachtet er den Maskierten einen Moment.
 

„Es ist das Einzige, was er wirklich will. Dann wird all die Zerstörung und der Ärger von seiner Seite ein Ende haben. Nur drei kleine Worte. Ich hasse dich. Ist das so schwer? – Denk doch mal an all eure Treffen. Du hattest doch sogar Sex mit ihm!“ Überrascht weiten sich Bruce‘ Augen. „Oh, ja! Das weiß ich, so wie du weißt, dass ich mit ihm Sex hatte. Joker hat es mir erzählt und ich zweifle nicht an seinen Worten. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie glücklich er in diesem Moment war. Und wie schwer es ihn getroffen hat, dass danach alles so furchtbar schief ging. So sehr, dass du ihn verletzt hast, auf die einzige Weise, die ihn wirklich verletzten konnte...“, angestrengt beißt sich Ed auf die Unterlippe und ringt um Fassung.
 

„Ich werde dir niemals verzeihen, dass du ihm das angetan hast! Das du ihn vergewaltigt hast! Wie konntest du das nur tun? Was ist denn nur in dich gefahren? Und du bezeichnest dich selbst als Beschützer der Stadt? Kein Wunder, dass nicht nur wir dich nicht sehen wollen! Du verbreitest Angst, Schrecken und Schmerz, wo immer du nur kannst, und denkst anscheinend niemals über die Konsequenzen nach! Du zerstörst das Leben all dieser verirrten Seelen, die nicht wissen, wohin sie gehen sollen, und von dir nur zu Boden getreten werden, wenn sie sich doch so sehr nach Hilfe sehnen...“, eine Träne rinnt seine erhitzten Wangen hinab, doch Batman schweigt, senkt aber in einer Art Betroffenheit leicht den Kopf.
 

„Du bist schuld daran! Du hast ihn in meine Arme getrieben, weil er sonst nicht mehr wusste wohin! Weil er jemanden brauchte, der ihn versteht. Der ähnlich denkt wie er. Der ihm zuhört und ihm beistehen kann. Du hast mich zu etwas gemacht, das ich nie sein wollte! Ich stehe nicht auf Kerle, verflucht noch mal! Und jetzt gibt es doch kein Zurück mehr. – Ich habe mich damit abgefunden. Ja, ich habe sogar tiefe Gefühle für diesen Jungen entwickelt, zu denen du anscheinend nicht einmal ansatzweise fähig zu sein scheinst, von wollen ganz zu schweigen! Doch all meine Liebe ist nicht genug, solange du so ein Arschloch bist und ihn wie den letzten Dreck behandelst! Sag ihm doch einfach, was er hören will und alles hat ein Ende!“, fleht Edward schon fast.
 

„Das – kann ich nicht...“, kommt es erstaunlich kleinlaut von dem Rächer. „Und ob du das kannst! Du musst es ja nicht einmal ernst meinen. Er will doch nur die Worte hören. Alles andere ist egal! Doch wenn du es nicht tust, wird das Chaos immer weiter gehen. Solange bis einer von euch ins Gras beißt! Willst du das etwa?“ Schweigen.
 

„Schön. Vielleicht brauchst du das Chaos ja genauso sehr wie Joker? Von mir aus gern. Das soll mich nicht weiter kümmern. Doch eines sage ich dir jetzt im Guten, Batman. Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber du machst dir einen mächtigen Feind mit mir! Also hör endlich auf mein Törtchen zu misshandeln!“, platzt es überaus ungehalten aus dem Rätselmeister heraus, bevor ihm ganz klar wird, was er da gerade gesagt hat.
 

Bruce zuckt zusammen, als hätte Nigma ihn aus dem Hinterhalt heraus geschlagen, und blickt sein Gegenüber dann mit großen Augen an. „...Tört-chen...?“, fragt er mehr als irritiert. Überrascht blinzelt der Brünette. Schlagartig färben sich seine Wangen dunkelrot, als ihm klar wird, was er da gesagt hat und vor allen Dingen zu wem. Hilflos klappt ihm der Mund auf. Unartikulierte Laute kommen heraus, während er nach einer Erklärung sucht. Schließlich setzt er ein trotziges Gesicht auf und ballt die Fäuste, die Waffe weiterhin schussbereit auf Waynes schutzloses Gesicht gerichtet.
 

„Ja, Törtchen! Hast du etwa ein Problem damit, wie ich meinen Gefährten bezeichne? Das ist ganz allein meine Sache und geht dich überhaupt nichts an! Also spar dir deine Anschuldigungen und Vorurteile, und sieh lieber zu, dass du dich gut mit Joker stellst, sonst werde ich dafür sorgen, dass du es mächtig bereuen wirst, jemals aus dem dunklen Loch gekrochen zu sein, das du als deine Fledermaushöhle bezeichnest! Und nun verschwinde von hier und stell das mit Joker richtig, ohne ihn wieder grün und blau zu schlagen! Andernfalls wirst du den Sonnenaufgang nicht mehr erleben!“
 

„Drohst du mir etwa?“, knurrt der Maskierte verstimmt. „Darauf kannst du dich verlassen! Und jetzt raus hier!“, profiliert sich der Jüngere aufgebracht. Der Dunkle Ritter gibt es nicht gern zu, doch die Ernsthaftigkeit im Gesicht seines Gegenübers ist nicht zu übersehen. Irgendetwas an ihr ist so durchdringend, fast schon erschreckend, dass ihm ein ungewollter Schauer eiskalt den Rücken hinabläuft. Er kann es überhaupt nicht fassen, dass ausgerechnet der sonst so harmlose Rätselmeister dieses Gefühl in ihm auslöst. Das ist so dermaßen falsch! Was ist hier nur los? Batman will es nicht, doch er fügt sich den Worten des Riddlers. Unter dem wachsamen Blick des Brünetten dreht er sich zum Fenster herum und verschwindet wieder in der Dunkelheit der Nacht.
 

Edward bleibt allein zurück. Hilflos sinkt er auf die Knie, nachdem sein Widersacher verschwunden ist. Die Pistole gleitet ihm aus der erschlaffenden Hand und landet polternd auf dem Holzboden. Jetzt, wo Nigma alles Revue passieren lassen kann, was gerade gewesen ist, wird ihn richtiggehend schlecht. Abgehackt beginnt er zu atmen und versucht, sich irgendwie wieder zu fangen. Wer hätte gedacht, dass Ed zu so einem Ausbruch fähig ist? Klar hat er sich seit dem Verschwinden des Riddlers verändert. Ist selbstbewusster und durchsetzungsfähiger geworden. Doch das eben war wirklich heftig.
 

Er hat es tatsächlich geschafft, Batman die Meinung zu sagen, und ihm damit sogar zuzusetzen! Er kann es kaum fassen. Ein Zittern gleitet seinen Körper hinab. Es ist eine seltsame Mischung aus verspäteter Angst und unglaublicher Erregung. Mit aller Macht hofft er, dass seine Worte das Richtige bewirken, Batman den Kopf gewaschen haben. Doch, was ist, wenn sie genau das Gegenteil hervorrufen und der Rächer seine Wut über Ed nun an Joker auslassen wird? „Oh, Himmel! Sei bloß vorsichtig, mein kleines Törtchen...“, betet er verloren in die verlassene Wohnung hinein.
 


 

4
 

Während dieser reizenden Unterhaltung seiner zwei Lieblingsmänner kurvt Joker durch die Straßen Gothams. Sein Ziel ist klar, seine Entschlossenheit groß, doch seine Unsicherheit, was das Aufeinandertreffen mit Batman betrifft, ist erschreckend. Der kleine Clown sitzt völlig verkrampft auf dem Fahrersitz seines Lamborghini und weiß nichts mit sich anzufangen. Hilflos kaut er auf seiner Unterlippe herum, tritt dann das Gas voll durch und versucht, seine Bedenken herunterzuschlucken. Es will ihm noch nicht so ganz gelingen, doch da kommt schon das Gebäude in Sichtweite, auf das er es diesmal abgesehen hat: Die Polizeistation!
 

Ungesehen biegt er in eine Nebenstraße ab und verlässt den Wagen. Schon seit einer ganzen Weile hat er das Polizeirevier beobachtet. Die Gewohnheiten jedes einzelnen Gesetzeshüters in dem großen, alteingesessenen Gebäude studiert. Daher ist es äußerst wichtig, dass er ausgerechnet jetzt hier ist. Denn jetzt ist Schichtwechsel, was bedeutet, dass so gut wie jeder Cop in Gotham sich jetzt hier aufhält. Einen Kaffee trinkt, ein Pläuschchen hält, die Uniform an- oder auszieht und so weiter. Ordentlich aufgereiht warten die Polizeiwagen hinter dem Gebäude auf ihren nächtlichen Einsatz.
 

So weit, so gut. Bis jetzt läuft alles nach Plan. Doch noch hat Joker die Polizeistation ja auch noch nicht betreten. Dafür sind noch ein paar Vorbereitungen nötig. Allerdings muss er sich beeilen, bevor sich die ersten Blauhemden wieder auf den Weg machen. Flink huscht er daher die Gasse neben dem Revier entlang, bis ganz zum Ende. Aufmerksam und geduckt, wie eine Katze auf nächtlicher Jagd, sieht er sich um, doch niemand ist in seiner Nähe. Sehr gut.
 

In seinem wirren Kopf entfaltet sich jetzt ein Grundriss des alten Gebäudes. Mit geschlossenen Augen überfliegt er den Plan und sucht nach der Stelle, an der er sich gerade befindet. Hier gibt es einen kleinen Schacht, der ihn direkt in den Keller und zum Lüftungssystem führen wird. Noch einmal sieht sich der Clown gründlich um, dann entfernt er vorsichtig die Abdeckung des Schachts. Er ist so klein, dass vermutlich niemand auf den Gedanken kommen würde, ihn als potenziellen Zugang anzusehen. Allerdings ist auch Joker ziemlich klein, schlank und zudem sehr wendig. Daher zwängt er sich nun erschreckend elegant durch das Loch im Mauerwerk und verschwindet in der Dunkelheit dahinter.
 

Etliche Meter und Kurven später entfernt er ein weiteres Gitter, das zur Abdeckung dient, und landet kurz darauf im Zentralraum des Belüftungssystems. Mit großen Augen blickt sich der Verrückte in dem Raum um. Riesige Metallrohre verlaufen kreuz und quer, bevor sie an verschiedenen Stellen in der Decke verschwinden und sich von dort aus durch das gesamte Gebäude ziehen. Alle Rohe haben einen gemeinsamen Ursprung. Ein gewaltiger Kessel befindet sich in der Mitte des Raumes. In ihm wird die angesaugte Frischluft von draußen erwärmt und dann überall im Gebäude verteilt. An verschiedenen Stellen wird die Luft dann noch einmal nacherwärmt oder auch abgekühlt, sodass in jedem Raum des Reviers immer eine angenehme Temperatur herrscht – ganz gleich, ob Sommer oder Winter.
 

Diese Tatsache wird sich Joker jetzt zu Nutze machen. Aus der Tasche seiner Jacke fischt er nun eine tennisballgroße Kugel heraus. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um die von Batman befürchtete Bombe oder das tödliche Smilex. Stattdessen ist es ein starkes Betäubungsgas, das alle hier im Gebäude befindlichen Personen innerhalb von Sekunden einschläfern wird, sodass der Grünhaarige ungestört weiter seiner Arbeit nachgehen kann.
 

Einen Moment betrachtet er sich aber erst einmal ganz genau den großen Kessel. Um die angesagte Luft durch das gesamte Gebäude zu leiten, braucht es ein paar Minuten. Und da es heute Nacht ziemlich kalt ist, dauert es ebenfalls einige Zeit, ehe die benötigte Menge Luft die Grundtemperatur von zwanzig Grad erreicht hat, mit der sie dann in das Leitungssystem eingespeist werden kann. Während die vorgewärmte Luft durch die Rohre huscht, macht der Kessel selbst eine Pause und wärmt in einem anderen Zulaufsystem Wasser an, das dann zu allen Waschbecken und Duschen des Reviers gepumpt wird.
 

Diesen Moment passt Joker nun ab. Erst jetzt ist es ihm möglich, den Kessel gefahrlos zu öffnen und die Kugel mit dem Betäubungsgas einzubringen. Vorsichtig lässt er sie auf den Grund des Kessels fallen und verschließt ihn dann wieder. Kurz darauf beginnt ein neuer Ansaugzyklus. Als die eisige Luft von draußen auf die Hülle der Kugel trifft, zerbricht diese und gibt das Gas frei. Der grüne Dunst breitet sich schnell im gesamten Kessel aus und hindert ihn daran, noch mehr Luft anzusaugen, da seine Sensoren nun melden, dass er bereits die ausreichende Menge aufgenommen hat. Somit beginnt er nun damit, die vergaste Luft zu erwärmen, was die Wirkung des Betäubungsmittels noch verstärken wird. Momente später öffnen sich etliche Riegel im Kessel und leiten die schwere Luft in die unzähligen Rohre hinein. Geduldig wartet der Verrückte noch ein paar Augenblicke. Dann knackt er die Tür des Kesselraumes und sämtliche weitere, die ihm auf seinem Weg nach oben begegnen.
 

Vorsichtig schleicht er die Gänge entlang, wobei ihm schon etliche, schlafende Polizisten begegnen. Auf ihn selbst hat das Mittel keinerlei Wirkung. Nach einer Weile landet er dann im Hauptbereich des Reviers, einem riesigen Saal voller Arbeitsplätze. Es erinnert fast an eine Art altertümliches Großraumbüro, doch es gibt keine Trennwände. Vor vielen Jahrzehnten befand sich in diesem Gebäude noch das alte Rathaus von Gotham. Nachdem ein neues gebaut worden war, zog die Polizei hier ein. Die weitläufige Architektur wurde aus Denkmalschutzgründen so belassen, sodass der Commissioner nun im ehemaligen Büro des Bürgermeisters sitzt. Über eine halbrunde Brüstung davor kann er problemlos in dem großen Saal blicken und all seine Männer auf einmal befehligen. Eine tolle Aussicht muss man von dort oben haben.
 

Das geht auch dem kleinen Clown durch den Kopf, während er durch die endlosen Reihen schlafender Männer und Frauen schlendert und sich alles genau betrachtet. Langsam erklimmt er die Treppe, die zur Brüstung hinaufführt und lässt seinen Blick durch den Saal schweifen. Ein Lächeln teilt seine geschminkten Lippen. Bisher lief alles nach Plan. Doch etwas anderes hätte er auch nicht erwartet. Die einzig unbekannte Variable in seiner Gleichung stellt schließlich bloß Batman dar, und der wird sich immerhin gerade vergebens den Kopf über die Bombe zerbrechen. Allerdings wird er dafür keine Lösung finden, weshalb Joker ihm nun gleich etwas auf die Sprünge helfen wird.
 

Überaus zufrieden bahnt er sich nun seinen Weg zum Dach des Gebäudes. Dort angekommen erblickt er einen riesigen Suchscheinwerfer ziemlich genau in der Mitte der Fläche. Im Moment ist der Scheinwerfer dunkel. Dennoch kann Joker die schwarze Fledermaus gut erkennen, die vor das Glas der Lampe montiert wurde. Das Bat-Signal.
 

Immer, wenn ich an Dich denke

Halte ich den Atem an

Und ich stehe immer noch hier

Und du bist meilenweit entfernt

Und ich frage mich, warum wir nicht mehr eins sind
 

Beim Anblick des Scheinwerfers beginnt sich der Grünhaarige wie ein kleines Kind zu freuen. Breit grinsend klatscht er in die Hände und hüpft hibbelig von einem Bein aufs andere, als müsse er ganz dringend auf die Toilette. Doch schon eine Sekunde später streckt eine dunkle Macht ihre Hände nach ihm aus. Rammt sie in seine schmale Brust und umklammert mit einer ungeahnten Grausamkeit sein Herz. Erschrocken bleibt ihm fast die Luft weg. Hilflos presst er seine zitternden Hände auf seine bebende Brust, atmet abgehackt und versucht, den allumfassenden Schmerz zu ignorieren.
 

Und es tobt ein Sturm

Heute Nacht durch mein gefrorenes Herz

Ich höre deinen Namen in der ganzen Stadt

Und es bringt mich immer zum Lächeln
 

„Batsy...“, wimmert er schwerlich. Es ist fast so, als müsse er jeden Moment sterben, wenn er das Signal noch länger betrachtet. All die verhasst-süßen Erinnerungen an den Dunklen Ritter strömen zeitgleich auf ihn ein, als würde ihm jemand aus der Dunkelheit heraus eine Faust mitten ins Gesicht rammen. Der sündige Schmerz umklammert sein Herz immer fester, droht es zu zerquetschen, ihm die Luft abzuschnüren. Doch so schnell, wie es begann, ist alles auch schon wieder vorbei. Der Schmerz ist weg und er kann wieder unbeschwert Luftholen. Allerdings wird Joker dadurch mehr und mehr klar, dass es heute Nacht eine Entscheidung geben muss. Es muss einfach, denn länger kann er diese quälende Leidenschaft, diese zerreißende Einsamkeit, in sich einfach nicht mehr ertragen, ohne haltlos in ihr zu ertrinken.
 

Ich verbringe meine Zeit ruhelos

Denke an dich

Und es macht mich fast verrückt

Und es gibt ein Herz, das bricht

Heute Nacht für dich
 

Tief atmet der junge Clown ein paar Mal ein und aus. Sammelt all seine Gedanken und Gefühle wieder ein, um sie so gut wie möglich wegzusperren, damit er seine Arbeit vollenden kann. Es ist nicht mehr viel zutun, nur noch ein kleines bisschen. Und dann heißt es warten. Warten auf den Dunklen Ritter. Warten auf das Schicksal, das sich heute Nacht erfüllen wird. Warten auf die letzte Entscheidung. Den Schmerz, die Sehnsucht und die Glückseligkeit. Warten...
 

Ich vermisse dich,

Seit du weg bist

Ich vermisse dich

Egal, was ich auch immer sage
 

Als er sich wieder halbwegs gefangen hat, überwindet er langsam den kurzen Weg bis zum Scheinwerfer. Nun steht er direkt davon und hat sich nie im Leben kleiner gefühlt. Langsam streckt er die Hand aus. Seine Finger zittern merklich. Als sie die strenge, kühle Glätte der schwarzen Fledermaus auf dem Glas berühren, ist es, als würde ein Stromstoß durch seinen Körper jagen. Ein wohliger Schauer gleitet seinen schmalen Rücken hinab. Sein Herz rast. Es kribbelt am ganzen Körper.
 

Es gibt eine Nachricht tief in mir

Und ich sende dir heute Nacht dieses Signal

Du weißt nicht,

Wie verzweifelt ich geworden bin

Und es sieht so aus, als würde ich diesen Kampf verlieren
 

Einen Moment gibt er sich all diesen Emotionen hin, dann zieht er die Hand wieder zurück und macht sich daran, die aufgesetzte Fledermaus vom Scheinwerfer zu entfernen. Es bedarf nur ein paar Handgriffen und dann umklammern seine Finger das zugeschnittene Metall so fest, das es ihm die Haut zerschneiden würde, wenn er keine Handschuhe tragen würde. Mit einer Art erregter Ehrfurcht stellt er die Schablone neben den Scheinwerfer. Dann zieht er einen Lippenstift aus der Tasche und beugt sich über das riesige Rund des Glases.
 

In deiner Welt

Habe ich keine Bedeutung,

Obwohl ich mich sehr bemühe, dich zu verstehen
 

Als er fertig ist, tritt Joker ein paar Schritte zurück und betrachtet sich sein Werk. Von hier unten sieht es gut aus. Doch das hat keinerlei Bedeutung. Es muss am Himmel von Gotham ebenfalls gut aussehen. Muss verständlich seine Botschaft über der Stadt erstrahlen lassen und den Dunklen Ritter hierher locken. Und auch das ist erst der Anfang, denn der wirklich schwere Teil kommt ja erst dann, wenn der Rächer ihn gefunden hat und hoffentlich bereit ist, ihn anzuhören...
 

Und es ist mein Herz, das bricht

Heute Nacht für dich
 

Mit all der Hoffnung im Herzen, die er noch aufbringen kann, umklammern seine Finger den Hebel des Scheinwerfers. Einen erschreckend langen Moment ist Joker jedoch nicht in der Lage, ihn auch umzulegen. All seine Bedenken drohen ihn regelrecht zu verschlingen. Fest schließt er die unnatürlich roten Augen und versucht, sie zu verdrängen. So verharrt er stur und legt schließlich blind den Hebel um. Grelles Licht entflammt vor seinen geschlossenen Lidern und jagt ungehindert in den dunklen Himmel empor. Vorsichtig hebt er den Blick hinauf in die mit Sternen übersäte Schwärze. Freudig weiten sich seine Augen, als sie das Bild am Himmel erspähen. Sein Herz rutscht ihm in die Hose und eine Träne rinnt seine erhitzten Wangen hinab. Es ist perfekt!
 

Ich vermisse dich,

Seit du weg bist

Ich vermisse dich,

Ganz gleich,

Was mein Freund auch sagen mag
 

Mit einer gewissen Erleichterung begibt sich Joker zum Rand des Daches und setzt sich auf den steinernen Vorsprung. Unter sich kann er den nächtlichen Verkehr vorbeirauschen sehen. Dutzende Lichtpunkte, die das Adernetz aus Straßen entlanggleiten und Gotham Leben einhauchen. Für sie hat Joker allerdings keinen Blick. Er wartet. Wartet auf seinen Dunklen Ritter. Wartet auf Rettung. Auf Hoffnung. Auf Erfüllung eines langgehegten Traumes. Wartet...
 


 

5
 

Batman hat inzwischen Position auf dem höchsten Gebäude der Stadt genommen, dem Wayne Tower. Von hier aus kann er selbst bei Nacht meilenweit sehen. Fragt sich nur, ob er von hier aus auch den grellbunten Wagen des Clowns finden kann. Er zweifelt jedoch daran, dass sich der durchgeknallte Bengel irgendwo hier in der Nähe aufhält, sodass er ihn sehen könnte. Minutenlang starrt er auf die Stadt hinab und wird dabei immer unruhiger. Nichts, absolut nichts. Vermutlich wäre es sinnvoller, sich einen anderen Platz auszusuchen. Einen, der sich weiter weg von der Polizeistation befindet, und somit dem Irren mehr Sicherheit versprechen würde.
 

Und es gibt eine Nachricht, die ich versende,

Wie ein Telegraph an deine Seele

Und wenn ich diese Distanz nicht überbrücken kann,

Wird mein Herz vor Schmerz überlaufen
 

Zornig wendet er schließlich den Blick ab und zieht seine Enterhakenpistole hervor, um sich wieder nach unten auf die Straße zu schwingen. Gekonnt peilt er einen Punkt am nächsten Gebäude an und will schon den Abzug durchdrücken, als er hinter sich etwas aufblitzen sieht. Kampfbereit wendet er sich herum. Was er allerdings sieht, verschlägt ihm einen Moment die Sprache.
 

Ich vermisse dich,

Seit du weg bist

Ich vermisse dich,

Ganz gleich,

Was mein Freund auch sagen man
 

Es sieht aus, wie das Bat-Signal, und doch ist es das nicht. Anstelle der Fledermaus prangert dort im Himmel ein riesiger Smiley! Das breite Grinsen bohrt sich regelrecht in seine Gedanken, sodass er wie erstarrt stehenbleibt und es mit offenem Mund anblickt. Als er sich wieder fängt, knirscht er mit den Zähnen. „Joker, was hast du getan?“, grummelt er in sich hinein. Doch immerhin weiß er jetzt, wo sich der Clown scheinbar aufhält. Oder eher, er hofft, dass sich der verquere Bengel noch dort aufhalten wird, wenn er dort ankommt. Zum Glück ist das Polizeirevier hier ganz in der Nähe, sodass er die Antwort in wenigen Augenblicken erfahren wird.
 

Ich vermisse dich nicht

Ich vermisse dich

Ich lüge mich immer wieder selbst an
 

Geschickt ändert Bruce daher das Ziel seines Enterhakens und schießt. Die metallische Klaue krallt sich ins Mauerwerk und schon segelt der Dunkle Ritter durch die Lüfte, seinem ewigen Widersacher entgegen...
 


 

6
 

Zappelig rutscht Joker auf dem Dachvorsprung hin und her. Das Warten, die Ungeduld, bringen ihn noch völlig um den Verstand. Wie lange es wohl dauern wird, bis Batman das Signal am Himmel entdecket? Und wie lange wird es dann dauern, bis er hier auftaucht? Beides kann er nicht beantworten. Allerdings dürfte es sicher ziemlich schnell gehen, dass der Mitternachtsdetektiv bemerkt, was da am Firmament auf ihn wartet. Joker würde zu gern sein Gesicht sehen, wenn der Rächer sieht, was der Grünhaarige mit dem Scheinwerfer gemacht hat. Zu schade, dass er das nicht kann.
 

Und es tobt ein Sturm

Heute Nacht durch mein gefrorenes Herz
 

Die Frage, wie lange der Maskierte bis hierher brauchen könnte, lässt sich jedoch überhaupt nicht beantworten. Schließlich weiß Joker ja nicht, wo sich Batman zu diesem Zeitpunkt aufhält. Vielleicht ganz hier in der Nähe? Vielleicht am ganz anderen Ende von Gotham? Überall und nirgendwo? Oh, es macht ihn ganz verrückt! Wie nahe ihm der Rächer allerdings im Augenblick schon ist, ahnt er selbstverständlich nicht...
 

Ich vermisse dich überhaupt nicht,

Seit du weg bist

Ich vermisse dich doch,

Ganz gleich,

Was mein Freund auch sagen mag
 

Verloren starrt er weiter über die nächtliche Silhouette der Stadt. Seufzend schlägt er die Augen nieder und lässt den Kopf hängen. Vielleicht kommt er gar nicht, wenn er sieht, was Joker mit seinem Signal gemacht hat? Vielleicht will er ihm damit strafen? Vielleicht ist er auch dahintergekommen, dass es in Wirklichkeit gar keine Bombe gibt? Das alles nur dazu diente, ihn anzulocken? Vermutlich wird er also die ganze Nacht hier sitzen und nichts wird passieren. Oh, welch grauenhafte Vorstellung! Warum, warum nur muss er diesen armen, verwirrten Jungen so quälen?
 

Ich vermisse dich
 

Ganz in diesen hilflosen Gedanken ertrunken, bemerkt Joker den Schatten nicht, der sich nun aus der Düsternis des Daches manifestiert. Zielstrebig nähert sich die Gestalt dem großen Scheinwerfer. Seine in Dunkelheit gehüllte Hand ergreift den Hebel und drückt ihn wieder nach oben. Plötzlich ist die Finsternis hier oben komplett.
 

Ich vermisse dich nicht
 

Heftig zuckt der kleine Clown zusammen und dreht sich so ruckartig herum, dass er fast vom Dach fällt. In seinem Kopf herrscht der Gedanke vor, dass der Scheinwerfer wohl einen Kurzschluss oder ähnliches haben muss. Eine andere Erklärung kann es dafür gar nicht geben.
 

Ich vermisse dich so sehr
 

„War das mit dem Signal wirklich nötig gewesen?“, ertönt eine dunkle Stimme aus der schemenlosen Finsternis. Ein eisiger Schauer gleitet den Rücken des Grünhaarigen hinab und lässt ihn kurz erzittern. Mit weit aufgerissenen Augen kann er nun sehen, wie sich eine Gestalt aus all dem Schwarz absetzt und langsam auf ihn zukommt.
 

Ich lüge mich immer wieder selbst an
 

Eingehüllt in ein langes, mitternachtsschwarzes Cape und mit versteinerter Miene bleibt die Person schließlich gut ein Dutzend Schritte vom Dachvorsprung entfernt stehen und blickt ihn durchdringend an. Joker kann es kaum glauben. Er ist tatsächlich gekommen! Er ist hier! Der Mann, der ihm nach all der langen Zeit immer noch schlaflose Tage beschert, ist hier bei ihm! Batman ist nur seinetwegen gekommen! Dem kleinen Clown fehlen die Worte und er kann nur schwer die heißen Tränen zurückdrängen, die sich hinter seinen Augen sammeln. „Batsy...“, flüstert er mit brüchiger Stimme, dann tritt wieder Schweigen zwischen sie...

Reconciliation


 

1
 

Mahnend mustert Batman sein Gegenüber. Wartet noch immer auf eine Antwort. Schließlich wird ihm die ungewohnte Stille des Verrückten zu viel. „Ich habe gefragt, ob das mit dem Signal wirklich nötig war!“, knurrt er dunkel und tritt zwei Schritte näher. „Ich...“, setzt Joker überraschend scheu an und dreht sich dann herum, um langsam vom Dachvorsprung zu steigen. Nun steht er vor dem Schwarzen Ritter und sieht ihn mit seinen ach so traurigen, großen Augen an. Bruce‘ Miene bleibt jedoch weiterhin ungerührt. „Ich wollte dich sehen. Deswegen hab ich das Signal benutzt...“, erwidert der kleine Clown nach einer Weile. Batman rümpft leicht die Nase. „Das wäre sicher auch anders gegangen! Und warum musterst du den Scheinwerfer dann auch noch so derartig beschmieren? Die ganze Stadt kann das Licht am Himmel sehen, Herr Gott noch mal! Was glaubst du, was sie jetzt denken, was hier los sein könnte? Welche Panik womöglich deinetwegen ausbrechen könnte?“, brummt der Ältere streng und tritt noch zwei Schritte näher, sodass sie sich jetzt genau gegenüberstehen.
 

Ein wenig zuckt der Grünhaarige zusammen und senkt leicht betroffen den Kopf. „Okay, ich gebe zu, dass das mit dem Scheinwerfer vielleicht keine so gute Idee war, aber – aber was hätte ich denn deiner Meinung nach sonst tun sollen?“, fordernd blickt er den Größeren an. „Hätte ich wieder etwas kaputtgemacht, würdest du dich nur wieder aufregen und mir nicht zuhören...“ Ein unmelodisches Schniefen verlässt seine Kehle, sodass der Rächer leicht verwundert den Kopf auf die Seite legt.
 

„Was soll das jetzt? Du wolltest doch etwas in die Luft sprengen! Also sag mir jetzt, wo die Bombe ist! Und was hast du hier überhaupt angestellt? Wo sind die ganzen Polizisten? Was, in aller Welt, kann so wichtig sein, dass du immer so ein Chaos anrichten musst? Antworte mir gefälligst!“, kommt es nun sichtlich ungehalten von Batman, während er mahnend die Fäuste ballt und den Abstand zwischen ihnen so weit verringert, dass er Joker ohne Probleme packen kann. Der Junge schweigt jedoch nur wieder und scheint mit den Tränen zu kämpfen.
 

Ehe Bruce die letzte Geduld verliert, hebt der Grünhaarige allerdings doch den Kopf und sieht ihn hilflos an. Seine unnatürlich roten Augen glänzen verdächtig, doch noch sind die Dämme nicht ganz gebrochen. Angestrengt schluckt der Kleinere und sucht nach Worten, die sein Gegenüber milde stimmen könnten. Doch es scheint wie immer hoffnungslos...
 

„Weißt du, – eigentlich ist es schon fast witzig. – Es – es gibt nämlich gar keine Bombe...“ Verwirrt betrachtet ihn der Schwarzhaarige, dann verfinstert sich seine Miene wieder deutlich und er ballt erneut die Fäuste. „Verarsch mich nicht! In der ganzen Stadt spricht man davon! Also raus damit, bevor ich die Antwort aus dir rausprügeln muss!“ „Es ist die Wahrheit, ganz ehrlich! – Ich hab das nur überall herumerzählt, damit du einen Grund hast, nach mir zu suchen. Einen triftigen Grund!“ Eine ganze Weile sieht Batman ihm in die Augen und sucht nach der Lüge in seinen Worten, kann aber keine finden. Schließlich entspannt er seine Muskeln etwas und seufzt tonlos.
 

„Gut, sagen wir, ich glaube dir. Was ist mit den Polizisten?“ „Denen geht es gut. Sie schlafen unten. Ich hab den Schichtwechsel abgepasst, damit sie nicht so schnell entdeckt werden. Dann hab ich Narkosegas durch die Lüftung geschickt und alle Zugänge verschlossen. Sie werden noch ein paar Stunden außer Gefecht sein.“, kommt zur Abwechslung einmal eine ausführliche Erklärung von dem Verrückten. Abermals mustert Bruce ihn sehr genau, kann aber auch diesmal keine Lüge ausfindig machen. Doch was soll das alles? Was steckt dahinter?
 


 

2
 

„Ich bin nicht gerade glücklich mit alledem, aber immerhin hast du niemanden verletzt und auch nichts zerstört. Ich denke, das ist schon einmal viel wert. – Doch was willst du jetzt?“, setzt Batman nach einer erneuten Pause an. In seiner Stimme liegt eine fast unbekannte Ruhe. „Zuerst würde ich mich gern für all das entschuldigen, was ich bisher gemacht habe. – Du glaubst mir das wahrscheinlich nicht, doch vieles davon bereue ich wirklich sehr. – Ich – ich bin kein böser Mensch! Kein Mörder! – Ich wollte nur Aufmerksamkeit von dir. – Aber mein Kopf – ich – ich...“, versucht sich der kleine Clown irgendwie zu rechtfertigen.
 

Doch sichtlich überrascht hört ihm der Dunkle Ritter zu. Mit so etwas hat er nun wirklich nicht gerechnet, auch wenn Joker mehr als einmal ihm gegenüber beteuert hat, dass vieles nur ein unglücklicher Unfall gewesen sein soll. Andererseits hat der Bengel auch genug Unfug absichtlich gemacht, nur um Batman zu sich zu locken. Es ist schwierig, aber beim Geisteszustand des Grünhaarigen wohl nur allzu verständlich, weshalb er beim hilflosen Gestammel des Clowns auch einfach abwinkt. „Ist schon gut. Ich weiß schon, was du zu sagen versuchst. – Ich will dir doch auch bloß helfen...“ „Es hilft mir aber nicht, wenn du mich in diese verschissene Anstalt schickst!“, platzt es auf einmal sehr ungehalten aus dem Jüngeren heraus, sodass Bruce ein sichtliches Zusammenzucken gerade noch verhindern kann.
 

„Ich habe auch nicht vor, dich zurück nach Arkham zu bringen, solange du mir keinen triftigen Grund dafür lieferst. Und im Moment habe ich auch keinen. Immerhin hast du dich lange genug anständig benommen, wenn man das so sagen kann. – Riddler scheint einen sehr positiven Einfluss auf dich zu haben.“ Nun ist es der Joker, der überrascht zu ihm aufsieht. Leicht fängt er an zu lächeln.
 

„Er ist nicht mehr der Riddler...“ „Ja, das hat er mir auch versucht zu erklären, auch wenn ich es nicht ganz begreife.“, unterbricht ihn der Rächer. „Ach ja?“ „Ja. Ich war bei ihm, um herauszufinden, wo du und diese ominöse Bombe sich aufhalten.“ Nun weiten sich die unnatürlich roten Augen leicht entsetzt. „Du hast ihm doch nicht etwa wehgetan!?“, knurrt der kleine Bengel alarmiert und ballt nun selbst die Fäuste. Beschwichtigend hebt Batman die Hände. „Nein, soweit ist es nicht gekommen. Und er wusste ja auch nichts. Dafür weiß ich jetzt aber mehr über euch...“ „Oh. – Du weißt es also?“, fragt Joker scheu und mit glühenden Wangen. „Ich wusste es schon vorher. Riddler ist nämlich nicht der Einzige, der unfreiwillig so einiges beobachtet hat...“
 

„Nicht Riddler! Riddler ist weg! Er heißt Ed!“, stellt der Grünhaarige vehement klar und mustert sein Gegenüber dabei richtiggehend trotzig. „Ja, natürlich. Das weiß ich doch. Ich muss mich nur erst daran gewöhnen. – In jedem Fall ist es scheinbar gut für dich, für euch, dass ihr euch gefunden habt. Und es ist gut, dass Edward versucht, ein besserer Mensch zu sein. Was macht ihr da eigentlich in den Narrows?“ „Ed will sie wieder aufbauen. Aus Buße für all das Schlechte, das er Gotham angetan hat. Ich versuche zu helfen, aber es fällt mir nicht so leicht. – Ich kann nicht nur so dasitzen und Zahlen betrachten. Oder zusehen, wie andere arbeiten. Oder die ganze Nacht durch irgendwelche Trümmer patrouillieren. Manchmal ist es ganz nett, eine schöne Abwechslung, doch – Ich brauche zwischendurch einfach ein bisschen Action und Chaos, fürchte ich. Muss mir die Hände schmutzig machen können. – Ich brauche dich...“ „Das Gefühl habe ich auch. Doch ich fürchte, ich kann dir nicht geben, was du suchst...“
 

„Nein, vielleicht kannst du das wirklich nicht. – Aber ich kann zumindest versuchen, dir nicht mehr so viel Ärger zu machen. Deswegen...“, setzt der Junge an und verstummt dann. Dafür zieht er nun ein kleines Päckchen aus seiner Jackentasche und zupft ein Tuch daraus hervor. Damit beginnt er über sein Gesicht zu reiben. Nahezu fassungslos kann Batman dabei mitansehen, wie sich die dicke Schicht aus bunter Schminke aufzulösen beginnt und immer mehr vom wahren Gesicht des Clowns zum Vorschein kommt!
 


 

3
 

Mit offenem Mund steht der Mitternachtsdetektiv da und versucht, verzweifelt eine Möglichkeit zu finden, um zu verhindern, dass sich dieses wohlgehütete und vielleicht sogar größte Geheimnis Gothams – abgesehen von seiner eigenen Identität, versteht sich – vor seinen Augen lüftet. In diesem völlig unwirklichen Moment erklingt in seinem Kopf allerdings die Stimme von Edward Nigma, der ihm weiszumachen versucht, dass er – Bruce Wayne – doch tatsächlich Gefühle für diesen durchgeknallten Clown haben soll, und er sie sich eingestehen muss, um alledem ein Ende zu setzen! Das ist vollkommen verrückt und doch scheint in diesem Augenblick kein Zweifel dafür zu bestehen. Er will nicht, dass es so endet. Wenn er das wahre Gesicht des Jungen vor sich sieht, könnte das bedeuten, dass ihre ewige Fehde ein Ende finden könnte. Und das will er auf keinen Fall! Ehrlich gesagt liegt ihm mindestens genauso viel daran, sich mit Joker zu messen, wie es stets für den Jüngeren gewesen sein muss. Es darf nicht enden! Er braucht ihn!
 

Doch es ist bereits zu spät... Nur wenige Momente später steht ein Junge vor ihm, von dem man so gar nicht vermuten würde, dass er diese Stadt schon so lange terrorisiert hat. Ein Junge, der von allen gefürchtet und gleichermaßen auf krankhafte Weise bewundert wird. Ein Junge, der ihm so oft den Schlaf geraubt hat, ihn zur Weißglut gebraucht und nahezu in den Wahnsinn getrieben hat. Ein Junge...
 

Ja, das ist er. Der Joker ist nur ein kleiner, verwirrter Junge, der sich nach Liebe und Aufmerksamkeit sehnt, weil er sie in seinem früheren Leben vielleicht nie bekommen hat. Ein Junge, der immer gelitten hat und dem man seinen Schmerz meilenweit ansehen kann, weshalb er sein Gesicht hinter dieser bunten Maske versteckt hielt. Oh, was ist nur mit ihm passiert? Wer hat ihm so zugesetzt, ihn in den Wahnsinn getrieben? Der Anblick bricht Batman auf eine Weise das Herz, die er nicht begreifen kann. Er weiß nur, dass er ihm so gern helfen wollen würde. Helfen, all dieses Leid zu vergessen und doch noch ein schönes Leben zu führen. Doch er weiß einfach nicht wie...
 

Langsam hebt der Grünhaarige den Kopf und lächelt sehr verloren. „Oh, mein Gott...“, entkommt es Bruce ungewohnt hilflos. Er weiß nicht, was er sonst sagen soll, und doch rutschen ihm diese drei Worte so unvermeidlich heraus. Er kann nichts dagegen tun, obwohl er sich sicher ist, dass er mit diesem gedankenlosen Ausspruch die angeschlagenen Gefühle seines Gegenübers nur noch mehr verletzten könnte. Alles scheint in so einem Moment so grausam falsch zu sein, und dennoch ist die Stille noch viel schlimmer. Allerdings drücken die seltsam roten Augen des Jungen vor sich Verständnis aus. Batman ist daher ganz sicher nicht der Erste, der ihn so sieht und so verloren reagiert. Edward kennt ihn so bestimmt auch. Joker kennt diese Form der Ablehnung vermutlich gar nicht anders.
 

Doch da ist noch etwas. Unter all der Schminke und dem sichtbaren Leid, dem Schmerz und all dem Wahnsinn ist der Junge vor ihm hübsch. Nein, das ist falsch. Er ist nicht nur hübsch, er ist unbegreiflich niedlich! Er wirkt so unschuldig und verletzbar, dass es Batmans Herz erneut zum Schmerzen bringt. Unverständlicherweise verspürt er plötzlich sogar den unbändigen Drang, Joker in die Arme zu schließen und ihn vor der ganzen Welt beschützen zu wollen, so wie es Nigma zweifelsohne zu tun versucht.
 

Oh, er könnte den Rätselmeister verfluchen, dass er ihm so sehr die Augen geöffnet hat! Andererseits könnte er ihm wohl kaum dankbarer sein. Andernfalls wäre er jetzt ja auch nicht hier und würde es sehen können. Begreifen, was Joker immer wieder zu all dem Chaos verleitet hat. Schließlich hat ihm der Rächer immer wieder gezwungenermaßen die Aufmerksamkeit geschenkt, die er sich so sehr wünscht. Nach der er vielleicht sein Leben lang gesucht hat? Und geht es Bruce nicht ähnlich? Sucht er nicht auch nach dem einen Menschen, dem er sich anvertrauen kann? Der ihn versteht und begreift, warum er das alles auf sich nimmt? Sich hinter einer Maske versteckt? Immer wieder die Gefahr sucht? Die Action? Den Nervenkitzel? Ja! Doch ist ein geisteskranker Krimineller da wirklich die richtige Wahl, um sich zu offenbaren?
 


 

4
 

Jokers scheues Lächeln bleibt trotz alledem bestehen. Mit großen Augen betrachtet er weiterhin sein finsteres Gegenüber. Nun seufzt er schwer und ringt sichtlich nach Worten. „So, das ist es. Das ist mein wahres Gesicht. – Nicht gerade ansehnlich, oder? – Aber ändern kann ich es nicht. – Ich kann mich nur verstecken...“ „Das musst du doch aber gar nicht...“, setzt der Rächer zaghaft an, einfach nur, um etwas zu sagen, und doch meint er es völlig ehrlich. Vielleicht sogar, um dem Jüngeren irgendwie ein besseres Gefühl zu verschaffen. Jetzt, wo er sein Gesicht sehen kann, breitet sich tiefstes Mitleid in dem Rächer aus. Doch der kleine Clown winkt nur ab.
 

„Ich kann dir leider nicht sagen, wie ich heiße. – Ich weiß es nicht mehr. Joker ist alles, was ich seit Ewigkeiten kenne. – Ich kann dir auch nicht sagen, woher ich komme oder wer meine Eltern sind. Auch das weiß ich nicht mehr. Ich weiß nicht einmal, ob sie noch leben, geschweige denn wo. – Es ist alles so leer in meinem Kopf. – Doch vielleicht – vielleicht reicht dir ja, was du siehst? Vielleicht kannst du damit eines Tages etwas anfangen und mir all diese Fragen beantworten? Für uns beide eine Lösung finden? – Das würde ich mir wirklich wünschen...“ „Ich werde es in jedem Fall versuchen, versprochen...“
 

Wieder dieses kleine Lächeln, das Batman immer mehr das Herz bricht. Mittlerweile kann er sich sehr gut vorstellen, warum Joker so geworden ist, wie er jetzt vor ihm steht. Es scheint kein Zweifel zu bestehen, dass er auf grausamste Weise von einer Stadt dazu getrieben wurde, die ihm nun furchtsam zu Füßen liegt. Ein perfektes Beispiel dafür, welche Auswirkungen undurchdachte Handlungen auf ein unschuldiges, junges Leben haben können. Doch das ist jetzt nicht mehr zu ändern, man kann nur noch versuchen, Schadensbegrenzung zu machen. Edward hat dabei schon einen ziemlich guten Start hingelegt, und jetzt ist es an dem Ritter, dort anzuknüpfen, ihm die Hand zu reichen und ihm wieder auf die Füße zu helfen.
 

Vielleicht ist es Schicksal, das sie verbindet? Vielleicht auch so etwas wie Vorhersehung, die sie beide hierhergeführt hat? Aber das ist auch vollkommen egal. Wichtig ist nur, dass sie beide jetzt hier sind und sich dem Lauf der Dinge hingeben – es gibt einfach kein Zurück mehr. Joker hat sein Möglichstes getan, und jetzt liegt es an Bruce weiterzumachen. Nun endlich lässt er sich ganz und gar von seinem Herzen leiten. Ist bereit, alle damit verbundenen Konsequenzen zu tragen...
 

„Ich danke dir für deine Offenheit. Dafür, dass du mir dein Gesicht gezeigt hast. Das war sicher alles andere als leicht für dich. Daher möchte auch ich ehrlich zu dir sein. Keine Geheimnisse mehr zwischen uns...“ Verwundert sieht der Grünhaarige auf, versteht er doch so gar nicht, was der Ältere ihm damit sagen will. Nur eine Sekunde später reißt er jedoch erschrocken die unnatürlich roten Augen auf, als er nun mitansehen muss, wie Batman versucht, sich seiner Maske zu entledigen! Das größte Mysterium Gothams wird sich somit jeden Moment vor ihm enthüllen! Hilflos stockt ihm allein schon beim Gedanken daran der Atem. Sein Herz zieht sich in einem schier unbekannten Schmerz zusammen. In seinem wirren Kopf rasen die Gedanken nur so dahin.
 

„NEIN!“, entkommt es Joker den Tränen nahe. Überrascht hält der Schwarzhaarige inne und blickt ihn verwundert an. „Nein, bitte tu das nicht! Ich will das nicht!“, versucht ihm der Kleinere nahezu panisch klarzumachen. „Warum?“, fragt der Beschützer der Stadt schließlich, war er sich doch sicher, dass es genau das ist, was alle Schurken Gothams wirklich wollen – abgesehen von seinem möglichst grausamen Tod. Sichtbar zitternd tritt der Verrückte näher an ihn heran und überwindet vollends den Abstand zu ihm. Kraftlos lässt er die Stirn gegen die muskulöse Brust seines Gegenübers sinken und schluckt hart. Batman steht nur da und weiß nicht, was er tun soll.
 

„Ich – ich hab dir mein Gesicht gezeigt, weil ich hoffe, dass du mir helfen kannst, mich zu erinnern. Oder zumindest zu verstehen, was alles nicht mit mir stimmt. Damit ich irgendwann vielleicht ein normales Leben führen kann. Ich völlig läutern kann, so wie Ed. – Doch wenn du mir jetzt auch dein Gesicht zeigst, kenne ich dein wahres Ich. Das wäre unfair. Du kennst mich nicht. Aber höchstwahrscheinlich kenne ich dich. Vielleicht hab ich dir sogar mal etwas ganz Schreckliches angetan. Dir einen geliebten Menschen genommen...“, nun fließen die Tränen ungehalten und es wird schwer, ihn zu verstehen. „Nein, das stimmt nicht...“, wirft Bruce überfordert ein.
 

„Ja, vielleicht stimmt es nicht, aber – aber es würde alles zwischen uns zerstören. – Außerdem wäre es sehr gefährlich für dich. – Du – du kannst mir so etwas nicht anvertrauen, auch – auch wenn ich es nicht absichtlich verraten würde...“ Langsam hebt der Dunkle Ritter die Arme und legt sie um den aufgelösten Clown, drückt ihn sanft an sich. Dieser entspannt sich daraufhin etwas, schließt ebenfalls ganz zaghaft die Arme um ihn und schmiegt sich an ihn, als hätten sie so etwas schon tausend Mal gemacht. Und genauso fühlt es sich auch an. Es fühlt sich richtig an – in ihnen beiden.
 

„Gut, vergessen wir, dass ich das machen wollte. Du hast recht, es wäre wohl nicht vertretbar. Nicht zum jetzigen Zeitpunkt, aber vielleicht irgendwann eines Tages.– Doch was willst du dann? Was kann ich tun, um mit dir gleichzuziehen? Was kann ich dir von mir geben? Denn das möchte ich wirklich.“ Schniefend reibt sich Joker wie ein kleines Kind mit den Fäusten über das feuchte Gesicht und ringt um Beherrschung. Langsam sieht er anschließend zum weiterhin verhüllten Gesicht seines ewigen so geliebten Widersachers auf. Geduldig wartet dieser auf eine Antwort.
 

„Ich – wollte schon immer wissen, welche Farbe deine Augen haben...“ „Einverstanden.“, erwidert Batman und löst eine Hand vom noch leicht zitternden Rücken des Jungen. Zielstrebig gleitet er mit dem Zeigfinger auf Höhe der linken Schläfe über seine Maske. Dort befindet sich eine winzige Schaltfläche, die die weiße Blende über seinen Augen transparent werden lässt. Sie hat auch noch jede Menge andere Funktionen, doch im Moment reicht ihm die eine völlig aus.
 

Das trübe Halbdunkel des Daches reicht allerdings nicht ganz aus, damit sie sich wirklich in die Augen sehen können. Aber in diesem Moment schiebt ein kräftiger Windstoß die dicken Wolken auseinander und entblößt einen gleißend hellen Novembervollmond, der wie ein Bühnenscheinwerfer genau auf sie fällt und die ganze Szene wie den Höhepunkt eines kitschigen Films wirken lässt. Das Mondlicht lässt Batmans Augen nahezu mystisch glitzern – ganz so, als wäre er ein Wesen aus einer ganz anderen Welt –, sodass Joker schlagartig knallrot anläuft und sich mädchenhaft die Hände vor den offenen Mund schlägt. „Oh, mein Gott! Sie sind – sie sind eisblau! Oh, und so unglaublich schön...“, seufzt der kleine Clown angetan und schluckt hart.
 

Der zaghafte Ansatz eines Lächelns umspielt Bruce‘ Lippen. Dann jedoch gibt Joker ein lautes Niesen von sich, während ein heftiges Zittern seinen schmächtigen Körper entlanggleitet. „Wir sollten raus aus der Kälte. Du bist sicher schon ganz durchgefroren.“, stellt Batman mit leichter Sorge fest, die er noch nie dem kleinen Clown gegenüber so nachdrücklich zu empfinden schien. Doch jetzt ist sie nahezu unausweichlich. Ehe der Grünhaarige etwas erwidern kann, ergreift der Maskierte daher seine Hand und führt ihn zum Dachvorsprung zurück. Dort angekommen, zieht er seine Enterhakenpistole hervor und zielt auf das Nachbargebäude. Knirschend klammert sich der Metallhaken ins Mauerwerk. Nun legt sich Batmans Arm fest um die Hüften des Jüngeren und schon segeln sie zu Boden.
 


 

5
 

Ein paar Schritte weiter erreichen sie das Batmobil. Geschickt dirigiert der Dunkle Ritter den kleinen Clown auf die Rückbank und nimmt dann neben ihm Platz. Herrlich wohlige Wärme umfängt die beiden und lasst den Grünhaarigen ein seliges Seufzen ausstoßen. Für einen Moment schließt er die Augen und legt den Kopf nach hinten an die Lehne. Langsam steigt Wärme in seinen Körper und verleiht seinen blassen Wangen wieder ein bisschen Farbe. Bruce sitzt schweigend neben ihm, versucht seine Gedanken zu ordnen und zu entscheiden, was jetzt am sinnvollsten wäre. Ein paar Möglichkeiten bieten sich ihm dar, doch er ist unschlüssig, was jetzt richtig wäre. Sein Herz sagt dies, sein Körper das und sein Verstand ist wie immer völlig anderer Meinung. Vielleicht sollte er einfach den Joker entscheiden lassen?
 

Grübelnd denkt er darüber nach, während der Jüngere neben ihm weiterhin die herrliche Wärme genießt. „Soll ich dich nach Hause fahren?“, fragt der Maskierte schließlich etwas ungeschickt. Er kommt sich vor, als wäre er wieder achtzehn und hätte sein erstes Date. Es ist total verrückt. „Nein, mein Wagen steht hier gleich um die Ecke.“, erwidert sein Sitznachbar und lächelt ihn sanft an. „Aber danke fürs Fragen. Wäre bestimmt eine tolle Überraschung für Ed, wenn ich auf einmal mit dem Batmobil vorfahre! Doch das können wir uns gern für ein anderes Mal aufheben.“, gluckst er amüsiert. „Ja, er wäre sicher hocherfreut, mich zu sehen...“, brummt Wayne leicht verstimmt, was den Verrückten nur noch mehr zum Lachen bringt.
 

„Ihr solltet wirklich anfangen, euch besser zu verstehen, finde ich...“, meint Joker schließlich verträumt. „Meine zwei Lieblingsmänner...“ Sein Blick ist leer auf die Windschutzscheibe gerichtet, doch seine linke Hand legt sich dabei sanft auf Batmans Oberschenkel. Sie steckt in einem dünnen, fliederfarbenen Handschuh, hinzu kommt das Kostüm des nächtlichen Ritters, sodass der Schwarzhaarige die Wärme, die unzweifelhaft von dieser Hand ausgeht, nicht spüren kann. Dennoch fühlt er sich erneut in der Zeit zurückversetzt. Ganz so, als wäre das Date vielleicht doch noch nicht vorbei. Sein Herz beginnt etwas schneller zu schlagen, und er fragt sich, ob Joker womöglich gerade an das Gleiche denkt wie er...
 

Nicht zum ersten Mal in dieser Nacht erinnert sich Batman nun an die Worte von Edward Nigma. Er verinnerlicht sie, wird sich ihnen endlich vollkommen bewusst. Noch einmal befragt er sein Herz, doch es scheint kein Zweifel mehr zu bestehen. Der Rätselmeister hat etwas in ihm geweckt, das jetzt raus will. Daher legt er nun seine Hand auf die des Jokers und umfasst sie leicht. Kaum merklich kann er spüren, wie der Kleinere ein bisschen zusammenzuckt. Wahrscheinluch fürchtet er, zu weit gegangen zu sein und jetzt Ärger mit seinem finsteren Sitznachbarn zu bekommen. Normalerweise wäre das wohl auch so, doch Bruce ist jetzt nicht in der Stimmung dafür.
 

Dafür gibt er sich einen letzten Ruck und umfasst die zierliche Hand etwas fester. Irritiert und mit einem Hauch Schreck in den roten Augen, wendet ihm der Clown den Blick zu. Auch Batman sieht ihn jetzt an. In seinen blauen Seelen liegt kein Zweifel mehr, viel mehr so etwas wie Furcht. Das verwirrt den Grünhaarigen nur noch mehr und er setzt an, etwas zu sagen. Bevor es allerdings dazu kommt, ergreift der Ältere das Wort.
 

„Ich hasse dich...“, meint Batman, und allein die Verlegenheit, mit der er es sagt, verleiht seinen Worten fast schon unwirkliche Glaubwürdigkeit. Zudem schleicht sich eine tiefe Röte auf seine Wangen, die nicht einmal von seiner Maske ganz verdeckt werden kann. Joker sieht ihn überrascht an, fragt sich vermutlich, ob er sich womöglich verhört haben könnte. Dann jedoch ist er unheimlich gerührt, beinahe erschüttert. Und er fragt sich, wie er diesen Mann neben sich bis jetzt nur immer für einen kaltherzigen Egoisten halten konnte, der zu keinerlei Gefühlen ihm gegenüber im Stande zu sein schien. Batman fehlt es vielleicht an hinreichend Zärtlichkeit, um dem wirklich Ausdruck zu verleihen, aber Gefühle – für Joker – hat er durchaus.
 

Sichtlich beginnt nun die Unterlippe des kleinen Clowns zu zittern, als wenn er gleich wieder in Tränen ausbrechen möchte. Doch er verkneift es sich vorerst wacker, lächelt stattdessen überglücklich. „Ich hasse dich auch!“, erwidert er mit leicht brüchiger Stimme. Völlig untypisch legt sich nun auch ein winziges Lächeln auf Bruce‘ Lippen und ihm kommt ein Gedanke. „Ich hasse dich mehr.“, führt er daher weiter aus, woraufhin sein Lächeln etwas breiter wird. Überrascht weiten sich abermals die unnatürlich roten Augen des Jungen neben sich. Eine einzelne Träne rinnt seine entstellten Wangen hinab, ehe er wieder lächelt. „Ich hasse dich am meisten!“, stellt er nun grinsend in den Raum.
 

Das Spiel könnte man sicher endlos so weiterführen, doch der Schwarzhaarige hat da andere Pläne, weshalb er ein letztes Mal ansetzt. „Ich hasse dich für immer und ewig!“, gibt er von sich, und das verschlägt dem Verrückten sichtlich die Sprache. „Oh, Gott...“, gibt Joker erstickt von sich. Dann brechen alle Dämme. Hemmungslos beginnt er zu weinen und lässt sich dabei abermals gegen Batmans Brust sinken. Sanft legt der Mitternachtsdetektiv den Arm um ihn und streicht ihm beruhigend über den bebenden Rücken. „Das – das ist – alles, was – was ich – je von dir hören wollte...“, stammelt der Grünhaarige aufgelöst und ringt nach Luft. Wayne hält ihn einfach nur weiterhin fest. „Ja, das weiß ich jetzt...“, murmelt er vor sich hin, wobei er sich nicht sicher ist, ob Joker ihn über sein Schluchzen hinweg überhaupt gehört hat. Aber es spielt auch keine Rolle. Wichtig ist nur, dass er es endlich gesagt hat und sich selbst seinen Gefühlen sicher ist.
 


 

6
 

Eine Weile sitzen sie so beisammen und Schweigen füllt den Wagen aus. Irgendwann hat sich Joker wieder im Griff und kuschelt sich fast schon schnurrend gegen die Brust des Ritters. Seine Hand legt sich dabei wieder auf den Oberschenkel des anderen. Gleitet langsam daran hinauf. Als Batman ihm einen Blick zuwirft, liegt ein hauchzartes Lächeln auf den Lippen des Clowns und seine Augen schwimmen in einem nur allzu bekannten Glanz der Erregung. Innerlich schluckt Bruce hart. Erneut geht ihm derselbe Gedanke durch den Kopf und ein verlangendes Kribbeln breitet sich in seinen Lenden aus. Der Bengel hat ihm eindeutig vollkommen den Kopf verdreht, ob er es nun will oder nicht...
 

Andererseits, was spricht schon dagegen? Es würde ihre Versöhnung auf jeden Fall vollenden, sodass Joker für eine ganze Weile nicht mehr auf dumme Gedanken kommen sollte, die der Stadt Schaden zufügen könnten. Allerdings scheint es im wirren Schädel des Grünhaarigen gerade ein heilloses Durcheinander zu geben. Er reckt sich nämlich nun etwas nach oben, um den Schwarzhaarigen küssen zu können! Für so etwas ist der Rächer allerdings so gar nicht bereit. Es geht weit über das hinaus, was zwischen ihnen sein sollte. Daher dreht er den Kopf im letzten Moment zur Seite, sodass die Lippen des Jüngeren nur seine Wange streifen.
 

Jetzt liegt Enttäuschung in den roten Augen des Verrückten und er senkt betroffen den Blick. Aufmunternd legt sich nun aber Bruce‘ Hand auf die seine. „Ich – denke nicht, dass wir uns küssen sollten. So was solltest du dir lieber für Edward aufheben.“, meint der Ältere sanft. „Vermutlich hast du recht...“, erwidert der kleine Clown mit einem Hauch Traurigkeit. „Doch das heißt nicht, dass wir nichts anderes machen können...“, kommt es dann in einem fast schon herausfordernden Ton von Batman. Eine weitere Erklärung braucht der Bengel aber auch gar nicht mehr.
 

Oder anders gesagt: Er bekommt auch gar keine. Dafür findet er sich nun rücklinks auf der Sitzfläche liegend wieder, der Dunkle Ritter über ihn gebeugt. In dessen eisblauen Augen liegt eine ganz ähnliche Erregung verborgen, die Jokers Herz auf der Stelle schneller schlagen lässt. Fahrig löst Batman sein Cape und lässt es in den Fußraum gleiten. Dort liegt es als undefinierbarer, mitternachtsschwarzer Haufen. Mit großen Augen betrachtet ihn der kleine Clown. Sollte es wirklich möglich sein? Wird er den Rächer nun tatsächlich nackt sehen dürfen? Dieser Gedanke brennt sich sofort in seinen Schädel ein und entbrennt dort zu einem regelrechten Zwang. Er muss es sehen! Er muss ihn sehen!
 

Sichtbar zitternd hebt der Grünhaarige die Hände und legt sie auf die verhüllte Brust des Rächers. Seine ruhelosen Finger tasten sich über das undurchdringliche Material hinweg, versuchen sich dabei vorzustellen, wie es sich darunter wohl anfühlen könnte. Sein Atem kommt in heißen Stößen und er schluckt hart. Beinahe belustigt beobachtet Batman ihn dabei, bis ihm aufgeht, dass sie so bisher ja gar nicht miteinander verkehrt haben. Zwischen ihnen gab es immer nur ein brutales Machtspiel, eine animalische Darstellung seiner Dominanz und Jokers aufgezwungener Unterwürfigkeit. Doch jetzt hat sich vieles zwischen ihnen verändert. Es muss nicht mehr so sein, auch wenn Bruce die Vorstellung irgendwie wurmt, so selbstlos und nett diesem Verrückten gegenüber zu sein...
 

Einen Versuch ist es zumindest wert. So schnell werden sie vermutlich nicht mehr auf diese Weise zusammenkommen, also was soll’s?
 

Leicht richtet sich der Dunkle Ritter auf und entledigt sich kurzerhand seinem Oberteil. Aufmerksam wird er dabei von dem kleinen Bengel beobachtet. Es wirkt wie das Lösen eines komplizierten Puzzles und doch sitzt jeder Handgriff des Älteren so genau, nahezu blind, dass es der Verrückte gar nicht in seinen Kopf hineinbekommt. Nach einem Moment landet auch dieses Stück im Fußraum und Joker kann sein Gegenüber zum ersten Mal so regelrecht schutzlos sehen. Der Mund klappt ihm auf und seine unnatürlich roten Augen kleben an jedem strammen Muskel, als wären sie dort festgewachsen. Innerlich kann Bruce diesen Anblick nur belächeln und doch wirkt es so seltsam, den quirligen Jungen so sprachlos zu erleben.
 

„Wow...“, flüstert der Clown schließlich so leise, dass es kaum zu hören ist. Da ihm ja die Schminke fehlt, ist es für Wayne auch kein Kunststück zu sehen, wie der Liegende dabei knallrot wird. Er wirkt wie ein verschüchterter Teenager, der zum ersten Mal bewusst seinem Schwarm gegenübersteht. Irgendwie schon niedlich, diese Vorstellung.
 

Langsam streckt Joker wieder die Hand nach ihm aus. Das Zittern ist nun so deutlich, dass es so gar nicht zu ihm passen will. In seinem ohnehin schon wirren Kopf muss nun wirklich das reinste Chaos herrschen, anders kann es sich Bruce nicht mehr vorstellen. Zudem scheint den Knaben sein ganzer Mut verloren gegangen zu sein. Er schafft es nämlich gar nicht erst, den Rächer zu berühren, sondern stoppt ein paar Zentimeter vor der warmen Haut, als fürchte er einen Stromschlag oder Ähnliches zu bekommen, und beißt sich stattdessen etwas hilflos auf die Unterlippe. Niemals hätte Batman sich träumen lassen, den gefürchteten Joker jemals so zu erleben. Es ist wirklich erstaunlich. Andererseits auch irgendwie traurig...
 

Daher kann er sich das Ganze auch nicht lange mitansehen. Dafür ergreift er nun die Hand des Jungen, der dabei merklich zusammenzuckt, und legt sie sich selbst auf die Brust. Überrascht reißt der Grünhaarige die Augen auf. Unter seinen immer noch leicht zitternden Fingern kann er nun deutlich den Herzschlag seines Gegenübers spüren. Etwas, dass er nie für möglich gehalten hätte. Sein eigenes Herz dröhnt so laut in seinen Ohren, dass er kaum einen Gedanken fassen kann, geschweige denn auch nur ansatzweise verstehen, was hier gerade alles vor sich geht. Noch mehr überfordert ihn allerdings die Tatsache, dass auch das Herz des Ritters nicht gerade ruhig ist. Es wummert mit Tempo unter seinen Fingern, so als wäre der Schwarzhaarige gerade Joggen gewesen.
 

„Batsy...“, entkommt es ihm verwirrt. „Sei still, okay? Sag einfach nichts mehr...“, erwidert sein finsteres Gegenüber, woraufhin der Jüngere nur stumm nickt. Einen Moment später beugt sich der Beschützer der Stadt wieder etwas weiter nach unten und legt nun seinerseits eine Hand auf die schmale Brust des Liegenden. Doch sie verweilt nur ein paar Sekunden, dann ergreift sie den Reißverschluss an der dunkelgrünen Pelzjacke des Jungen und zieht ihn geschwind herunter. Joker folgt ihm und stützt sich im richtigen Augenblick so weit nach oben, dass Batman sie ihm von den Schultern streifen kann. Ungeachtet landet sie auf dem Haufen Stoff im Fußraum.
 

Als das erledigt ist, drückt ihn der Ältere zurück auf den Sitz. Nun mustert der Held das hautenge T-Shirt seines Gegenübers. Innerlich muss er wieder schmunzeln, auch wenn es ihn in jeder anderen Nacht vermutlich in den Wahnsinn getrieben hätte. Es ist hellgrün und auf Brusthöhe prangert aufgedruckt das Bat-Logo. Doch im Gegensatz zum vorwitzigen Tattoo des Clowns ist es hier das Originallogo und kein herzförmiger Unfug. Joker entgeht der Blick des anderen Mannes nicht, weshalb er leicht unbeholfen lächelt, während seine Wangen wieder anfangen zu glühen. Der Schwarzhaarige lässt das Ganze jedoch unkommentiert, stattdessen beugt er sich tiefer, legt seinen Kopf auf die Schulter des Jüngeren, haucht ihm heiß ins Ohr, während sich seine Hände – befreit von den schweren Handschuhen – ungestüm unter das Hemd des Clowns wühlen und dort dessen blanke Brust betasten.
 

Im ersten Moment schreckt der Grünhaarige leicht zusammen, ist er doch eine so zärtliche Behandlung von dem Größeren gar nicht gewöhnt. Dann lässt er sich aber fallen, schließt die Augen, legt den Kopf etwas auf die Seite und genießt die warme Haut auf der seinen. Es hält jedoch nicht lange und dann trennt sich Batman wieder von ihm. Fast schon ruppig versucht er stattdessen, den Jungen von dem engen Hemd zu befreien. So ganz will ihm das aber nicht gelingen, ohne den dünne Stoff womöglich zu zerreißen. Der kleine Verbrecher begreift seine Misere aber schnell und zieht sich das Shirt selbst aus.
 

Als das erledigt ist, sehen sich die zwei eine Weile einfach nur an. Dabei wirkt es fast so, als würde der Dunkle Ritter auf etwas warten. Sichtlich unbeholfen streckt Joker daher wieder die Hände nach ihm aus. Sein Ziel ist nun der Gürtel des Älteren. Etwas angestrengt kaut sich der Junge wieder auf der Unterlippe herum, während er zu entschlüsseln versucht, wie das verdammte Ding geöffnet wird. Irgendwo muss es einen versteckten Hebel oder Schalter geben, doch er kann ihn einfach nicht finden. Mit einem leichten Schmunzeln beobachtet Bruce ihn dabei. Schließlich erlöst er den Bengel dann aber doch von seiner hirnzermarternden Qual und legt die Hände auf die seinen.
 

Der kleine Clown hebt den Blick. Tief sehen sie sich in die Augen, während Wayne blind ihre Finger an die richtige Stelle dirigiert. Überrascht weiten sich die roten Seelen. Da ist tatsächlich ein versteckter Schalter auf der Rückseite! Er ist schwierig zu erreichen, doch der Rächer führt ihn sicher ans Ziel. Auf einmal gibt es ein leises, schnappendes Geräusch und der Gürtel springt auf. Vorsichtig zieht Joker ihn von den Hüften seines Gegenübers, betrachtet ihn ein paar Sekunden lang und lässt ihn dann demonstrativ zu Boden fallen. Nun trennt die beiden nicht mehr viel.
 

Daher wirft Bruce den Jüngeren auch wieder in den Sitz zurück und umfasst den elastischen Bund von dessen Jogginghose. Sie ist ungewöhnlich schlicht und schwarz, was nicht wirklich zum farbenfrohen Stil des Jungen passen will. Doch dieser Anschein ist einzig dem schummerigen Halbdunkel des Wageninneren zu verdanken. Als sie noch auf dem Dach der Polizeistation gestanden haben und der Mond sie beleuchtete, konnte Bruce ohne Probleme erkennen, dass der schwarze Stoff von feinen, silberfarbenen Fäden durchzogen ist, die ihn im richtigen Licht funkeln lassen. Jetzt kümmert ihn das aber nicht mehr, das Verlangen steigt immer weiter in ihm an, und so verschwindet die Hose des Kleineren ziemlich schnell.
 

Augenblicke später folgen ihr die hellblauen Turnschuhe des Knaben. Damit es fair bleibt, entledigt sich auch Batman seiner schweren Stiefel und seiner Hose, sodass beide nun nur noch ihre Shorts tragen. Die des Rächers ist schwarz und lässt kaum Platz für Fantasie, was man auch irgendwie von ihm erwarten würde. Jokers hingegen ist lila und mindestens genauso eng. Doch was sich darin verbirgt, muss sich keineswegs verstecken. Stattdessen tauschen die ewigen Rivalen einen tiefen Blick miteinander aus, und das scheint vollkommen auszureichen, um ihre Erregungen vollends aus dem Schlaf zu wecken.
 

Prall, in Erwartung ertrunken, spannen sie den elastischen Stoff bis zum Zerreißen an. Daher verschwendet der Rächer auch keine Zeit mehr. Nur einen Moment später gesellen sich die Unterhosen zu den restlichen Sachen und sind erst einmal vollkommen vergessen. Jedoch nicht völlig. Ehe Batman jegliche Beherrschung über Bord wirft, angelt er noch einmal nach der Jogginghose des Verrückten. Fahrig wühlt er in den Taschen herum, bis er findet, wonach ihm der Sinn steht. In dem Fall kann er sich wohl hundertprozentig auf Joker verlassen. Schnell reißt er das Tütchen auf und legt das Kondom an. Mit großen Augen wird er dabei von dem Grünhaarigen beobachtet, sodass ihm klar wird, dass heute Nacht viele, bisher wohlgehütete, Geheimnisse ihre Lösung finden...
 


 

7
 

In diesem Augenblick wird auch dem Grünhaarigen klar, dass heute Nacht sehr vieles anders ist. Zum ersten Mal scheint es so zu sein, als würde er seinen geliebten Feind bei ihrem Akt ansehen dürfen! Sein Herz hämmert wie ein Vorschlaghammer, er weiß kaum, wo ihm der Kopf steht. Und dann passiert es tatsächlich. Bruce beugt sich zu ihm hinab. Überraschend sanft umfangen seine Hände die schmalen Hüften des Jungen unter sich, ziehen ihn noch etwas mehr zu sich heran. Ihre Blicke treffen sich einen Moment. Dann durchzieht ein leichter Schmerz Jokers Unterleib, als sich der Ritter Zugang zu ihm verschafft. Keuchend legt der Jüngere den Kopf in den Nacken, streckt sich ihm willentlich entgegen.
 

Batmans beugt sich tiefer, schließt die Arme um ihn, haucht ihm heiß ins Ohr. Der kleine Clown verschränkt die Beine um die Hüften des Älteren, klammert sich wie ein Ertrinkender an ihm fest. Es fühlt sich alles so anders an. Diese Stellung, die Stöße, diese unbegreifliche Nähe zu diesem Mann, einfach alles. Es ist, als wäre die Zeit zurückgedreht worden und sie würden ihr erstes Mal nun in einer alternativen Zeitlinie erleben, in der von Anfang an alles so verlaufen ist, wie Joker es sich immer gewünscht hat. Es ist so komisch, kaum zu begreifen. Kurz gesagt: Es ist falsch!
 

Alles, was hier gerade passiert ist vollkommen falsch! Das ist nicht der Batman, den der durchgeknallte Bengel lieben und hassen gelernt hat. Es ist nicht die Art von Sex, die er sich von ihm wünscht und die so typisch für den Dunklen Rächer sein sollte. Es ist nicht richtig. Mit der Wucht eines Faustschlags wird dem Gauner klar, dass ihm das hier keinerlei Befriedigung verschaffen wird oder auch nur kann. Seine Erregung ist vollkommen verflogen und er fühlt gar nichts mehr...
 

Sein Partner scheint von alledem nichts mitzubekommen. Tief keucht er dem Grünhaarigen stattdessen ins Ohr, stößt immer wieder zu und nähert sich dabei Schritt für Schritt seinem Höhepunkt. Schließlich ist es so weit, Bruce kommt mit einem unterdrücken Knurren. Im selben Moment kommen Joker die Tränen...
 


 

8
 

Mit einem leichten Schnaufen trennt sich der Dunkle Ritter von dem irren Clown. Als er sich aufsetzt, um seine Gedanken etwas zu sortieren, ertönt ein unmelodisches Schniefen, gepaart mit einem abgehakten Luftholen. Verwundert richtet Batman den Blick wieder auf seinen Partner. Sichtlich überrascht stellt er dabei fest, dass der Bengel zu weinen begonnen hat. Da stimmt irgendetwas nicht, denn es wirkt keinesfalls so, als wären es Freudentränen. Irgendetwas ist also gründlich schiefgegangen...
 

„Joker? – Was ist los? Habe ich dir wehgetan?“, fragt der sonst so stolz Rächer vorsichtig und streckt die Hand nach ihm aus, um ihm so etwas wie Trost zu spenden. Doch dazu kommt es nicht. Noch ehe seine Finger die feuchten Spuren auf den entstellten Wangen des Jungen berühren können, holt dieser aus und schlägt die Hand grob zur Seite. Zornig funkeln seine roten Augen ihn an. Nun ist Bruce‘ Verwirrung komplett.
 

„Sag mal, was soll die Scheiße eigentlich?“, platzt es ungehalten aus dem Grünhaarigen heraus, während er sich unbeholfen hinsetzt und ihn mit seinen Blicken durchbohrt. Irritiert mustert ihn der Schwarzhaarige. „Ich kann dir nicht folgen...“, gesteht er etwas kleinlaut. So hätte es einfach nicht laufen sollen, und nun fühlt sich Batman sehr unbehaglich. Der Bengel kann überaus unberechenbar sein, erst recht, wenn ihn seine Gefühle übermannen. Zudem befinden sie sich hier auf ziemlich beengtem Raum, was eine Auseinandersetzung nicht gerade leicht macht, zumal sie beide für gewöhnlich Fäuste Worten vorziehen.
 

Nun fließen die Tränen ungehalten. „Warum behandelst du mich so?“, fragt der kleine Clown sichtlich aufgelöst. „Bitte – ich weiß nicht, was du...“ Ruppig fällt ihm der Jüngere ins Wort. „Da! Schon wieder! Hör auf damit! Das bist nicht du!“, faucht er nun. Wayne versteht immer weniger. „Joker...“, setzt er verloren an, weiß aber beim besten Willen nicht, was er eigentlich sagen soll, um die Situation irgendwie zu entschärfen.
 

„Für was hältst du mich eigentlich?“, schmollt der Bengel weiter. Die Frage findet der Ritter doch etwas seltsam. Müsste es nicht eher Für Wen anstatt Für Was heißen? „Ich bin kein kleines Mädchen, falls dir das entgangen sein sollte. Also behandle mich nicht, als wäre ich aus Zucker und würde kaputtgehen, wenn du mich anfasst!“ Langsam geht Bruce ein Licht auf, doch er will erst einmal schweigen, damit der Bursche vor ihm im besten Fall etwas Dampf ablassen kann.
 

„Ich bin dein schlimmster Gegner! Und ich hasse dich von ganzem Herzen! Ich will, dass es so ist wie früher! Was ist daran so schwer? Oder musst du mich jetzt etwa in Watte packen, nur weil du mir gesagt hast, dass du mich ebenfalls hasst? Gott, wenn ich jemanden zum Kuscheln brauche, gehe ich zu Ed! Doch du bist nicht Ed, du bist Batman! Also fass mich an wie ein Mann, verdammt noch mal! Schlag mich! Kratz mich! Beiß mich! Fick mich! Ganz egal, nur mach es richtig!“
 

Einen langen Moment sehen sich die beiden einfach nur an. Joker schmollend wie ein kleines Kind, Batman nachdenklich in sich gekehrt. Es kommt keine Antwort von dem Rächer, weshalb der Verrückte dazu ansetzt, ihn weiter zurechtzuweisen. Bevor er allerdings ein Wort herausbringen kann, ballt der Mitternachtsdetektiv die Faust und knallt sie ihm mit voller Wucht auf den Mund!
 

Völlig unvorbereitet wird der Grünhaarige nach hinten gegen das Fenster geworfen und stößt sich mächtig den Kopf am Panzerglas an. Warmes Blut rinnt ihm übers Kinn und er blickt sein Gegenüber mit tellergroßen Augen an. Kaum eine Sekunde später spuckt er einen abgebrochenen Zahn auf den Fußboden und grinst über das ganze Gesicht. „Batsy!“, freut er sich ausgelassen. Daraufhin erwischt ihn ein weiteres Mal die Faust des Älteren. Als sich allerdings ihre Blicke treffen, hat sich auch ein Grinsen auf Batmans Züge geschlichen. „Du willst es also auf die harte Tour? Kannst du haben!“ „So gefällst du mir, Darling!“, flötet der Clown freudig-erregt, während er von seinem Gegenüber wieder grob in den Sitz gedrückt wird.
 


 

9
 

Der Dunkle Ritter verliert nun keine Zeit mehr, ist selbst schon ganz kribbelig. Womöglich entwickelt er gerade ganz ähnliche Neigungen wie der Bengel unter ihm? Vielleicht waren sie aber auch schon immer da und er kann sie ganz einfach nur mit dem Grünhaarigen zusammen ausleben? Vollkommen egal. Hastig fummelt er nach einem neuen Kondom, während er von Joker mit bohrenden Blicken betrachtet wird. Gierig leckt sich der kleine Verrückte über die blutigen Lippen, kann es kaum erwarten. Dann sieht Bruce ihn wieder an. Seine eisblauen Augen glühen regelrecht im Halbdunkeln des Wagens. Ein erregter Schauer gleitet dem Clown daraufhin am Rücken hinab. „Oh, du glaubst ja gar nicht, wie sehr ich dich will...“, wimmert der Jüngere hilflos und kaut verloren auf seiner aufgeplatzten Unterlippe herum. „Ich kann es mir lebhaft vorstellen.“, erwidert der Rächer fast schon keuchend.
 

Mach das nochmal mit mir

Einmal ist mit einem Mann wie dir nie genug
 

Klaubend streckt Joker die Hände nach ihm aus, doch alles, was er bekommt, ist ein weiterer Schlag in sein lädiertes Gesicht. Das stört den Bengel aber keineswegs. Demonstrativ spuckt er einen Klumpen geronnenes Blut gegen die Rückenlehne des Beifahrersitzes und grinst dann breit. „Noch mal!“, keucht er angetan und windet sich erregt unter dem Schwarzhaarigen. Batman lässt sich nicht lange bitten und schlägt wieder zu. Der Blick der unnatürlich roten Augen wird langsam glasig und das ist das unmissverständliche Stichwort für den Mitternachtsdetektiven.
 

Mach das nochmal mit mir

Ich kann nie genug von einem Mann wie dir bekommen
 

Grob anmutend umfasst er die bebenden Hüften des Kleineren, zieht ihn näher zu sich heran und dringt dann hart in ihn ein. Als Antwort erhält er eine faszinierende Mischung aus Schmerz und Erregung. Dieser seltsame Laut verdreht dem Rächer richtiggehend den Kopf, seine Gedanken lechzen nach mehr, von seinem Körper ganz zu schweigen. Ja, jetzt fühlt es sich definitiv richtig an! Während er sich immer weiter in den zierlichen Leib hineinzwängt, legt er den Kopf in den Nacken und stöhnt mit tiefer Stimme zum Wagenhimmel hinauf, lässt sich völlig gehen. Unter ihm bäumt sich der Verrückte auf. Abermals streckt er die Hände nach seinem verhassten Liebhaber aus, umklammert dessen Unterarme und bohrt seine Nägel in das warme Fleisch hinein. Der selbsternannte Held bemerkt es kaum.
 

Berühr mich, wie du es gerade getan hast

Oh, Junge, tu mir das noch einmal an
 

„Oh! Ah! Batsy, ich – hasse dich...“, presst der Junge keuchend hervor. Schwerlich richtet der Angesprochene den Blick auf ihn. „Ich – hasse dich auch...“, bringt der Schwarzhaarige wie von Sinnen hervor. Als Antwort darauf beginnt der kleine Clown zu lachen, während sein vergossenes Blut wilde Muster auf sein mitgenommenes Gesicht zeichnet. Dieses Lachen klingt im Moment so unwirklich und doch könnte es nicht passender sein. Auf fast schon skurrile Weise verändert sich das Geräusch zu einem keuchenden Stöhnen, als Bruce beginnt, sich mit festen Stößen in ihm zu bewegen.
 

Gib mir das noch einmal

Einmal ist einfach nicht genug, für mein Herz es zu hören
 

„Mehr...“, wimmert der Bengel mit verdrehten Augen verloren vor sich hin. Er windet sich verlangend unter ihm und wirft dabei den Kopf von einer Seite auf die anderen. Als Batman ihn dabei beobachtet, kommt ihm ebenfalls der Gedanke, dass hier noch etwas fehlt. Das es noch nicht ganz reicht, noch nicht perfekt ist. Doch was? Etwas, das das Ganze noch weiter auf die Spitze treibt. Etwas, das typisch für ihr Zusammensein ist. Etwas, das...
 

Sag es mir noch einmal

Ich kann nie genug davon hören, während ich dich in der Nähe habe
 

Während er die Härte seiner Stöße noch verstärkt, fällt sein Blick plötzlich auf den Hals des Jungen. Da der Grünhaarige den Kopf weit in den Nacken gelegt hat und sich unter ihm aufbäumt, als wäre er unter Strom gesetzt worden, liegt sein Hals völlig schutzlos und entblößt vor ihm. Im fahlen Halbdunkeln wirkt er unglaublich verletzlich. Stramme Sehnen und Adern stehen angestrengt an den Seiten hervor und wirken wie dicke Drähte, pulsieren und pumpen. Der Anblick ist nahezu hypnotisch. Und dann weiß Batman plötzlich, was zu tun ist.
 

Sag diese Worte noch einmal, wie du es gerade getan hast

Oh, Junge, sag es mir noch einmal
 

Fast schon wie ferngesteuert ändert er etwas seine Position und streckt eine Hand nach seinem Partner aus. Mit leicht zitternden Fingern streicht er über die empfindliche Haut am Hals des Clowns. Dieser gibt ein wimmerndes Stöhnen von sich und streckt sich den Fingern willentlich entgegen. „Batsy...“, keucht er und schluckt hart. Das kann Bruce überdeutlich unter der Haut spüren. Es ist fast so, als würde er eine lebensechte Anatomiepuppe berühren.
 

Mach das nochmal mit mir

Einmal ist mit einem Mann wie dir nie genug
 

In diesem Moment entbrennt ein regelrechter Drang in ihm, der so überwältigend ist, dass er sich ihm nicht widersetzen kann. Sein Keuchen wirkt atemlos, sein Körper bewegt sich wie von selbst. Seine Hand ändert ihre Position und liegt nun flach auf der schutzlosen Kehle des Clowns. Mit glasigen Augen sieht der Junge zu ihm auf. In ihnen thront eine tiefe Bitte und der innige Wunsch nach Erlösung. Beides wird Batman ihm diesmal nicht verwehren, weder bewusst noch unbewusst.
 

Mach das nochmal mit mir

Ich kann nie genug von einem Mann wie dir bekommen
 

Nun übt die flache Hand des Dunklen Ritters Druck auf die Kehle des Unterlegenen aus. Presst sie nieder. Die Laute, die daraufhin aus dem Mund des Jüngeren kommen, wirken etwas abgehakt, büßen aber kein bisschen von ihrem Verlangen ein. Der zierliche Körper drückt sich Bruce immer mehr entgegen.
 

Berühr mich wie du es gerade getan hast

Oh, Junge, tu mir das noch einmal an
 

Jetzt gesellt sich die zweite Hand des Rächers hinzu, sodass jede von ihnen an einer Seite Platz nimmt. Locker umfassen sie zunächst den zuckenden Hals des Verrückten, ertasten all seine angespannte Beschaffenheit. Warten auf den richtigen Augenblick.
 

Tu mir das noch einmal an

Mach das nochmal mit mir
 

Batman legt noch etwas mehr Kraft in seine Stöße, spürt dabei, wie es ihm bald kommen wird. Also los jetzt! Während er ein weiteres Mal in die schier verzweifelt flehenden Augen seines schlimmsten Rivalen blickt, schließen sich seine Hände um dessen Hals. Drücken zu, immer fester. Der Junge unter ihm ringt hilflos nach Luft, verdreht die Augen, bis kaum mehr als der unnatürlich gelbe Grund zu sehen ist. Der Körper unter seinen Händen zittert. Die Nägel des Clowns bohren sich in die Oberarme des Rächers und ziehen blutige Spuren.
 

Einmal noch

Einmal noch
 

Angestrengt beißt Wayne die Zähne zusammen, konzentriert sich auf den Rhythmus und das Zusammenspiel seiner Stöße und Hände. Keinen Moment lässt er dabei den Grünhaarigen aus den Augen, schließlich will er ihm Befriedigung verschaffen und ihn nicht verletzten. Dennoch verstärkt er den Druck noch ein kleines bisschen mehr. Schmerzhaft graben sich die Nägel des Jungen immer tiefer in sein Fleisch hinein, sodass Batman der Gedanke kommt, dass es womöglich doch zu viel sein könnte. Hin- und hergerissen grübelt er eine Sekunde darüber nach. Allerdings reicht Joker diese kurze Zeitspanne aus. Gerade, als der Rächer doch die Hände wegnehmen will, kommt der kleine Clown mit einem letzten, erstickten Geräusch und reißt den Mitternachtsdetektiven haltlos mit sich.
 

Stöhnend legt Bruce wieder den Kopf in den Nacken und lässt sich vollkommen gehen. Langsam rutschen seine Hände vom Hals des Jüngeren ab und erlauben diesem, endlich wieder Luft zu holen. Der völligen Erschöpfung nahe und doch endlos zufrieden, sinkt Joker auf den Sitz zurück. Batman hingegen lässt sich gegen das Fenster in seinem Rücken fallen. Eine ganze Weile ist ihr angestrengtes Atmen das einzige Geräusch im Wagen.

Confession


 

1
 

Das ungleiche Paar ist schon fast eingeschlafen. Joker hat seinen Kopf unbemerkt auf dem durchtrainierten Oberschenkel des Rächers gebettet und döst vollkommen zufrieden vor sich hin. Wer hätte gedacht, dass das Ganze doch noch so gut ausgehen würde, und nicht in einem Riesenkrach endet, wie er die ganze Zeit befürchtet hatte? Das Cape des Dunklen Ritters dient dem kleinen Clown als zweckendfremdete Decke, in das er sich ganz fest eingekuschelt hat. Tief atmet er dabei den herben Duft seines Partners ein, der ihm eine ungeahnte Sicherheit zu versprechen scheint. Bruce sitzt derweilen mit halbgeschlossenen Augen neben ihm und streicht ihm gedankenverloren durch die völlig wirren, grünen Haare. Tief grübelt er darüber nach, was in den letzten Stunden so alles passiert ist. Was überhaupt alles seit dem ersten Auftauchen des Jokers vor fast einem Jahr so alles passiert ist. Und das nicht nur mit Gotham, sondern auch mit sich selbst. Er hat sich verändert, gleichfalls Joker. Dabei stellt er nicht sonderlich verwundert fest, dass es ihm doch tatsächlich schwerfällt, sich jetzt von dem kleinen Bengel zu trennen. Ist das nicht vollkommen verrückt? Doch es muss sein. Jeder von ihnen muss wieder in seine eigene Welt zurück. Es ist einfach besser so...
 

Langsam wendet er den Blick der hinteren Seitenscheibe zu. Von ihrem Standpunkt aus kann Batman das Polizeirevier ziemlich gut sehen, ohne dass sie jemand in den Schatten entdecken könnte. Mit einem erstaunlich heftigen Anflug von Wehmut muss er jetzt allerdings feststellen, dass die Beamten wohl wieder aus ihrem ungewollten Schlaf erwacht sind. Ein gutes Dutzend verlässt gerade die Wache, blickt sich unschlüssig um, versucht zu verstehen, was ebent passiert ist. Da aber sonst alles in Ordnung und niemand verletzt ist, auch sonst alles ungewohnt friedlich scheint, geben sie ihre Bemühungen schnell wieder auf und widmen sich dem nächtlichen Geschehen. Somit verabschiedet sich die Tagschicht nun endgültig, während die Nachtschicht doch noch mit ihrer Arbeit beginnen kann. Das an sich ist selbstverständlich nicht schlimm, es ist sogar sehr wichtig, doch es bedeutet auch unzweifelhaft, dass sich Batman und Joker jetzt wirklich voneinander trennen müssen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie doch entdeckt werden oder ein anderer Auftrag nach der Fledermaus verlangt...
 

Der Schwarzhaarige gibt ein untypisch bedrücktes Seufzen von sich, das all seinen Unwillen diesbezüglich ausdrückt. Er kann selbst kaum begreifen, wie schwer ihm gerade das Herz wird. Doch es gibt keinen anderen Weg. Nachdrücklich rüttelt er dem kleinen Clown an der Schulter, der daraufhin ein sehr verstimmtes Brummen von sich gibt. „Noch fünf Minuten...“, grummelt er gähnend in sich hinein und kuschelt sich noch mehr in das Cape. „Joker, wach auf! Zeit zu gehen.“, erwidert ihm der Ältere nachdrücklich. Der Grünhaarige will das aber so gar nicht wahrhaben und zieht sich das Cape daher trotzig über den Kopf, sodass er nun wie eine kleine Raupe aussieht, die sich gerade erfolgreich verpuppt hat.
 

Ein nachsichtiges Schmunzeln huscht über Bruce‘ Gesicht hinweg und er schüttelt leicht den Kopf. „Nun hör doch mal, Joker. Dein Gas hat seine Wirkung verloren. Es ist hier nicht mehr sicher für dich.“ „Was ist kaputt...?“, fragt der Verrückte mit belegter Stimme und windet zumindest seinen Kopf wieder aus dem Cape heraus. „Nichts ist kaputt, aber die Polizisten sind wieder wach. Du musst gehen, ehe sie uns entdecken.“, meint der Beschützer der Stadt mit mahnendem Unterton. Sehr langsam scheinen die Worte des Größeren zu ihm durchzudringen. Als sie endlich am Ziel sind, weiten sich die unnatürlich roten Augen in beginnender Erkenntnis, und ein sehr enttäuschter Ausdruck schlägt sich auf dem entstellten Gesicht nieder.
 

„Nein...“, jammert Joker kindlich, setzt sich hin und klammert sich schmollend am Cape fest, als könne er damit verhindern, dass ihn der Dunkle Ritter so unschön vor die Tür setzt. Sein finsteres Gegenüber kann das sehr gut nachvollziehen, würde er doch auch gern noch etwas mit ihm hier verweilen, das Ganze entspannt und vernünftig mit dem Sonnenaufgang ausklingen lassen, dennoch lässt es sich jetzt nicht ändern. Kurzentschlossen und völlig ohne zu begreifen, was er gleich tun wird, beugt sich Batman zu ihm hinüber und streift mit seinen Lippen ganz flüchtig die des kleinen Clowns. Diese hauchfeine Berührung ist kaum ein Kuss zu nennen, und doch ist es das Zärtlichste, das je zwischen ihnen gewesen ist und jemals sein wird. Überrascht sieht Joker mit großen Augen zu ihm auf, ist den Tränen nahe. „Doch.“, haucht Bruce entschieden und streckt die Hand aus. Der Grünhaarige lässt die Schultern hängen, windet sich aber aus dem Cape heraus und überlässt es ihm wortlos.
 


 

2
 

Schweigend, in sich gekehrt und sichtlich unwillig ziehen sich die beiden nun also wieder an. Sie machen es bewusst langsam, um so lange wie möglich noch die Nähe des anderen genießen zu können. Erneut wundert sich Batman in diesem Fall über sich selbst. Es ist so untypisch für ihn, die Gegenwahrt dieses Irren suchen zu wollen, ganz egal auf welche Weise auch immer. Sie regelrecht zu brauchen. Seine Gefühle sind das reinste Chaos, und dennoch kann er dem Knaben neben sich deswegen nicht einmal böse sein. Schließlich ist Joker ja nicht erst seit gestern so anhänglich ihm gegenüber. Aber seit dem Gespräch mit Nigma vorhin, weiß Bruce einfach nicht mehr, was er denken und fühlen soll. Es ist etwas in ihm erwacht, das er nicht kontrollieren kann, und ehrlich gesagt macht ihm das auch ein bisschen Angst. Wo soll das nur hinführen? Was ist, wenn er wirklich gerade dabei ist, sich in den durchgeknallten Bengel zu verlieben? Das würde in jedem Fall sehr viel Ärger bedeuten, und zwar für sie beide – für die Stadt sicher ganz zu schweigen. Nicht auszudenken, was Edward als verschmähter Liebhaber dann womöglich tun könnte, wenn er vorhin schon so heftig reagiert hat. Andererseits hat Nigma ihn aber auch regelrecht dazu genötigt, sich seinen Gefühlen für Joker zu stellen und alles zwischen ihnen zu klären. Somit ist der Brünette dann doch wohl selbst schuld, wenn es am Ende nicht so ausgeht, wie er es sich erhofft hat, oder?
 

Aber jetzt ist einfach nicht die Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen. Das sollte er wohl erst einmal still und heimlich für sich allein machen, bevor er den Clown nur wieder durcheinanderbringt und dieser sich erneut Dinge einbildet, die einfach nicht zwischen ihnen sein dürfen. Zudem findet der Schwarzhaarige, dass man so etwas nicht unbedingt nach dem Sex besprechen sollte, wenn die Gefühle eh schon hochgekocht sind und einem so herrlich trunken der Kopf schwirrt. Sie sollten sich dafür viel mehr Zeit, Ruhe und insbesondere Abgeschiedenheit suchen, falls irgendetwas schiefgeht und einer von ihnen womöglich wieder einmal ausrastet. Doch erstmal muss der Rächer mit sich selbst ins Reine kommen, dann alles andere. Als allererstes jetzt aber den Grünhaarigen aus der Schussbahn bekommen, bevor sie entdeckt werden und Nigma einen neuen Grund findet, um Bruce ans Leder zu wollen, von den Polizisten ganz zu schweigen...
 


 

3
 

„Aussteigen!“, harscht der Schwarzhaarige seinen kleinen Partner etwas an, als dieser nach dem Anziehen einfach nur stur neben ihm sitzenbleibt. Leicht erschrocken zuckt Joker zusammen und wendet ihm vorsichtig das nackte Gesicht zu. Kindlich schmollend hat er die Unterlippe vorgeschoben, und in seinem Blick liegt die tiefe Bitte, es nicht so enden zu lassen. Demonstrativ seufzt der Dunkle Ritter und sieht ihn abwartend an. Langsam lässt der Jüngere die Schultern hängen und senkt den Kopf. „Ist ja schon gut...“, kommt es trübsinnig von ihm, während er geknickt die Hand nach dem Türgriff ausstreckt. „Nun guck doch nicht so, Kleiner...“, setzt Bruce aufmunternd an. Der Verrückte dreht sich jedoch nicht zu ihm um.
 

Erneut seufzt der Rächer, diesmal aber tonlos. „Hör mal, Joker. Ich will auch nicht, dass es jetzt schon endet, ganz ehrlich, aber es geht nicht anders. Das verstehst du doch sicher, oder?“ „...ja, glaub schon...“, kommt es leise zurück. In der Stimme des Jungen liegt eine verborgene Traurigkeit, die sich langsam an die Oberfläche schiebt. Nicht mehr lange und sie wird ihn überwältigen, und dann könnte es gefährlich werden. Der Ältere muss daher dafür sorgen, dass der durchgeknallte Bengel mit einem guten Gefühl nach Hause geht. Bruce dachte zwar bis eben, dass er dem kleinen Clown genug Gutes getan hat, – und sich selbst unzweifelhaft auch – aber der Grünhaarige erhofft sich scheinbar immer noch einiges mehr von ihm, als er ihm im Moment geben kann.
 

Gerade, als sich der Junge dazu entschließt die Tür zu öffnen, schlingen sich auf einmal die starken Arme der Fledermaus um seinen schmächtigen Körper, ziehen ihn leicht wieder zurück und drücken ihn an seine Brust. Der Kleinere fürchtet wohl einen Angriff oder dergleichen und versteift sich augenblicklich im Griff des anderen Mannes. Hilflos zieht er die Schultern hoch und macht sich noch kleiner. Dieses Verhalten stimmt Batman auf eine ganz neue Weise traurig, da es doch irgendwie bedeutet, dass ihm der Joker nicht ganz vertraut. Das ist vielleicht sogar verständlich, wenn man bedenkt, was schon alles Unschönes zwischen ihnen passiert ist. Vieles davon bereut der Ritter mittlerweile sehr und er wünscht sich, er könnte es rückgängig machen. Das geht natürlich nicht. Dafür begreift er nun aber, was Nigma gemeint hat. Batman ist für das verheerende Verhalten des Clowns mit verantwortlich – und das von allen anderen Schurken wohl auch. Es ist für ihn schwer zu begreifen, doch es stimmt wohl. Nicht nur die Irren stacheln ihn an und treiben ihn zu Dingen, die er eigentlich nicht tun will, sondern auch er stachelt sie an und begünstigt damit ihr schlechtes Benehmen. Sie formen einander unbewusst, dafür aber unweigerlich und nachhaltig!
 

Das ist eine Tatsache, die Bruce in all den Jahren weder wirklich bemerkt noch begriffen hat, jetzt allerdings versteht er es endlich. Und wie sehr er sich doch wünscht, er hätte es früher in den Kopf bekommen. Dann wäre all das Unglück womöglich gar nicht erst passiert. Das ist wohl der Preis, den man dafür zahlen muss, wenn man auf eigene Faust versucht, die Welt zu verbessern – die Konsequenzen sind nicht ersichtlich, egal wie viele gute Absichten hinter alledem stecken mögen. Man verändert nicht nur sich selbst, sondern auch alles und jeden in seiner Umgebung unausweichlich! Und das ist etwas, was man nur sehr schwer wieder rückgängig machen oder geradebiegen kann. Denn wenn man seine Fehler endlich bemerkt hat, ist es längst zu spät...
 

„Schon gut, keine Gefahr...“, meint Wayne nun vorsichtig. Er wartet einen Moment, und dann entspannt sich der Junge in seinem Griff langsam wieder. Leicht verloren wendet Joker ihm doch noch das Gesicht zu. Die Traurigkeit in seinen roten Augen ist inzwischen unübersehbar geworden, sodass ihn der Ältere kaum ansehen kann, ohne unerfindliche Schuldgefühle zu empfinden. Daher bettet er nun bedächtig seinen Kopf auf der Schulter des Grünhaarigen, drückt ihre Wangen gegeneinander, sodass der Verbrecher wieder geradeaussehen muss. Das lässt den Bengel erneut zusammenschrecken, doch nur ein bisschen. Jetzt vermutlich auch eher, weil er so eine Nähe von dem Rächer nicht gewöhnt ist, anstatt eine Strafe oder dergleichen befürchten zu müssen.
 

„Batsy, was...“, setzt der Clown flüsternd an. „Es war doch gerade sehr schön zwischen uns, nicht wahr? Und das kann es wieder werden. Das wird es wieder sein! Schon sehr bald, versprochen. Aber jetzt musst du gehen und ich auch. Ich will nicht, dass man dir wehtut, verstehst du? Und ich will dir auch nicht wehtun müssen, nur weil uns die Polizisten zusammen sehen und von mir erwarten, dass ich dich zurück nach Arkham bringe. Niemand würde jemals verstehen, was zwischen uns ist. – Edward ist bestimmt auch schon ganz krank vor Sorge um dich. Die Sonne geht bald auf, wir waren die ganze Nacht zusammen, Joker, und jetzt ist es halt vorbei. Aber nur für diesen Moment, ganz ehrlich. Also fahr jetzt bitte auf direktem Weg nach Hause, okay?“
 

Die Stimme des Dunklen Ritters ist nur ein tiefes Hauchen, das Joker innerlich erzittern lässt. Eine einzelne Träne rinnt seine erhitzten Wangen hinab, doch er fühlt sich jetzt viel besser. Ein kleines Schmunzeln legt sich auf seine Lippen. „Okay – und danke für alles...“ Langsam trennt sich Bruce von ihm. Der Verrückte greift wieder nach der Tür, wendet sich aber noch einmal zu ihm herum. Nun ist es ein ehrliches Lächeln, das sein verwüstetes Gesicht ziert. Es bringt auch Batman leicht zum Schmunzeln. „Ich hasse dich.“, kommt es verträumt von dem Jüngeren. „Ich hasse dich auch.“, erwidert der Mitternachtsdetektiv völlig ehrlich. Sein Herz schlägt dabei viel zu schnell, was die Worte in seinen Ohren völlig falsch klingen lässt, doch es ist nun einmal die Art des Clowns, sich ihm gegenüber so auszudrücken, also spielt er einfach mit – auch wenn sie es beiden tief drinnen vielleicht besser wissen... Dann öffnet Joker die Tür und sie steigen gemeinsam aus.
 

Der Verbrecher duckt sich instinktiv in den Schatten des schwergepanzerten Wangens und lässt seine Augen flink in alle Richtungen huschen. Batman braucht sich nicht wirklich zu verstecken, aber auch er lässt seinen Blick schweifen, fixiert dabei besonders das nahegelegene Polizeirevier. Dort scheint inzwischen alles wieder ruhig zu sein und seinen gewohnten Gang gefunden zu haben. Also keine Gefahr für seinen durchgeknallten Partner. Ohne den Blick von dem Backsteingebäude abzuwenden, gibt er Joker ein Zeichen. „Los jetzt!“, zischt er ihm leise zu. Als er den Blick nur eine Sekunde später senkt, ist der Bengel allerdings schon lässt nicht mehr zu sehen. Leicht verwundert sieht sich der Rächer noch einmal um. Im Augenwinkel bemerkt er eine Bewegung. Es ist das Heck von Jokers quietschbuntem Lamborghini, der ohne Licht und stillschweigend in der Dunkelheit verschwindet. Eine gewisse Erleichterung erfasst den Schwarzgekleideten und er setzt sich wieder hinter das Steuer seines eigenen Wangens, um diese Nacht nun hoffentlich ausklingen lassen zu können.
 


 

4
 

Ziemlich zufrieden, wenn auch immer noch etwas geknickt, sitzt der kleine Clown hinter dem Steuer. Ungesehen – hofft er zumindest – düst er über Nebenstraßen Richtung Narrows. Sein ganzer Körper kribbelt noch so herrlich angetan von der wilden Leidenschaft, die er mit dem Ritter geteilt hat. Es kommt ihm wie in einem Traum vor. Ist das alles wirklich passiert? Er schluckt hart. Dabei schmerzt es leicht tief hinten in seinem Hals. Unbewusst gleiten seine Finger hinauf und streichen über die gereizte Haut. Batmans kräftige Hände haben einen roten Ring auf seinem Hals hinterlassen, und ihm wird ganz schwummerig, wenn er nur daran denkt. Ein überaus erleichtertes Seufzen verlässt seine Lippen. Nein, dass alles kann kein Traum gewesen sein!
 

Es war alles echt. Und nun endlich hat er all das bekommen, was er sich immer von dem Älteren gewünscht hat! Es ist nur so furchtbar schade, dass es schon enden musste. Doch er klammert sich mit aller Macht an Batmans letzte Worte, dass sie sich sehr bald wiedersehen und das alles wiederholen werden. Schon beim Gedanken daran wird ihm wieder ganz heiß und kribbelig. Verlangend beißt er sich auf die Unterlippe und versucht, irgendwie auf Kurs zu bleiben. Wäre doch wirklich schade, wenn er jetzt einen Unfall bauen würde, nur weil er sich nicht mehr im Griff hat. Also lieber schnell an etwas anderes denken...
 

Doch was fällt ihm da ein? Mal nachdenken... Sein Kopf ist so ein herrliches Chaos der Gefühle, dass ihm gar nichts anderes einfallen will. Furchtbar... Ja, furchtbar geil! Ach Mist, so wird das ja nie etwas! Okay, okay, jetzt völlige Konzentration, bitte... Gut, dass sieht schon besser aus. Nur nicht nachlassen. Weiterbohren... Tiefer... Gleich... Plötzlich reißt Joker erschrocken die Augen auf und tritt so heftig auf die Bremse, dass das Heck des Lamborghinis bockend ausbricht und ihn im Kreis zu schleudern droht. Fluchend hält er dagegen und schafft es gerade noch so, nicht in irgendwelche geparkten Autos am Straßenrand zu krachen. Doch es ist wirklich mehr als haarscharf.
 

Als der Wagen endlich zum Stehen kommt und Joker durchatmen kann, entspannt sich auch sein Geist wieder und präsentiert ihm dafür das, was ihn eigentlich erst in diese Lage gebracht hat: Ein Bild von Edward! Nun weiten sich erneut seine Augen in völligem Unglauben, und das Begreifen schlägt wie ein Hammer auf ihn ein. „Scheiße...“, wimmert er verloren. „Was hab ich nur getan?“ Nun wird ihm alles vollkommen bewusst. Seit er Ed seine Liebe gestanden und zum ersten Mal mit ihm geschlafen hat, hatte er nichts mehr mit Batman zu tun gehabt – jedenfalls nicht auf diese spezielle Weise.
 

Er war so glücklich, dass er die Fledermaus endlich vollkommen von sich überzeugen konnte, dass er ganz außer Acht gelassen hat, dass er ja einen festen Freund hat, und ihn somit gerade ohne jeglichen Gedanken an Reue betrogen hat! Diese Erkenntnis bricht über ihm zusammen, wie das Gebäude, das er vor einer Weile aus Versehen in die Luft gesprengt hat – obwohl Joker es ja nicht selbst getan hatte, wenn man es ganz genau nimmt, aber egal. „Scheiße...“, flüstert er wieder und atmet hektisch.
 

Er hat den einzigen Menschen auf der Welt betrogen, der ihm noch mehr als der Dunkle Ritter bedeutet! Edward hat in den letzten Stunden schlichtweg gar nicht existiert! Oh, wie konnte ihm das nur passieren? Wie konnte er nur so rücksichtslos, so egoistisch, so, so... Ihm fehlen einfach nur die Worte, um zu beschreiben, wie sehr er sich doch gerade selbst verabscheut. Was ist er nur für ein triebgesteuerter Mistkerl? Und das ist noch sehr nett ausgedrückt!
 

Kraftlos sinkt er über dem Lenkrad zusammen und fängt an zu weinen. Kindlich beginnt er zu schluchzen und will dabei einfach nicht in den Kopf bekommen, was er getan hat. Was soll er denn jetzt bloß machen? Nigma wird sich von ihm nicht hinters Licht führen lassen, wenn er ihm irgendeine Geschichte auftischt. Dafür kennen sie sich inzwischen einfach zu gut. Außerdem ist nicht zu übersehen, dass er mit dem Mitternachtsdetektiven aneinandergeraten ist, in welcher Form auch immer. Den Rest kann sich Ed auch ohne irgendwelche Ausflüchte zusammenreimen. Nichts zu sagen bringt daher genauso wenig wie eine Lüge.
 

Joker bleibt daher nur die Möglichkeit, es ihm zu gestehen. Ihm zu sagen, was er getan hat, und dann mit den unausweichlichen, herzzerbrechenden Konsequenzen zu leben. Zu akzeptieren, dass er die erste und womöglich einzige Beziehung in seinem Leben zerstört hat, nur weil er den notgeilen Teenager spielen musste. Dass er den einzigen Menschen in seinem Leben vor den Kopf gestoßen hat, der immer ehrlich und liebevoll zu ihm war, dem er stets blind vertrauen konnte. Der ihm gezeigt hat, dass Liebe wirklich existiert, und wie wundervoll sie sein kann. So etwas kann er von Batman nicht erwarten. Der Rächer wird niemals eine Beziehung mit ihm führen, geschweige denn es auch nur ansatzweise wollen. Mehr als Sex ist mit ihm nicht drin. Joker muss der Wahrheit daher ins Auge sehen: Noch bevor die Sonne ganz aufgegangen ist, wird er wieder ganz allein auf der Straße sitzen!
 

Vielleicht sollte er einfach abhauen? Gleich jetzt, ohne überhaupt noch einmal nach Hause zu fahren? Im Handschuhfach ist genug Geld, damit er sich für lange Zeit keine Sorgen machen muss. Um alles andere kann er sich dann später noch kümmern. Es wäre so einfach. Es würde niemandem wehtun. Aber stimmt das wirklich? Nein, selbstverständlich nicht! Wenn Joker nicht bis Sonnenaufgang Zuhause ist, wird Ed vor Sorgen umkommen und ganze Heerscharen an Suchtrupps losschicken, um ihn zu finden, erst recht, weil er weiß, dass sich der kleine Clown mit Batman treffen wollte, und dann wird das Ganze so oder so rauskommen. So etwas kann er dem Brünetten auf keinen Fall antun, dafür liebt er ihn zu sehr. Also muss er sich dem stellen, ob er nun will oder nicht.
 

Langsam hebt er den Kopf vom Lenkrad und wischt sich kindlich mit den Fäusten die feuchten Augen. „Scheiße...“, wimmert er zum dritten Mal und holt erstickt Luft. Schwerfällig lässt er sich gegen die Rückenlehne sinken und blickt zum Wagenhimmel empor. Dieser liegt als dunkler Schleier über ihm und spiegelt perfekt seine jetzige Stimmung wieder. Hilflos kaut er eine Weile auf seiner geschundenen Unterlippe herum, dann ergreift er ruckartig das Lenkrad und setzt sich wieder aufrecht hin. Es hat gar keinen Sinn hier rumzuheulen! Er hat Scheiße gebaut und muss dafür jetzt eben geradestehen. Nur ist das normalerweise so gar nicht seine Art, immerhin ist er ein geisteskranker Krimineller, ganz genau aus dem Grund, dass er sich niemals eingestehen kann und will, einen Fehler gemacht zu haben. Doch jetzt...
 

Jetzt ist es fast wie ein Zwang. Er muss es einfach loswerden, um es nicht noch schlimmer zu machen. Der Rätselmeister hat ihm mal gesagt, dass sie sich nur gegenseitig von alledem heilen können, um irgendwann vielleicht ein normales oder zumindest geregeltes Leben führen zu können. Dass weder Batman noch die Arkham Anstalt ihnen da helfen kann. Im Moment kommt es Joker so vor, als wäre da wirklich etwas Wahres daran. Dass dieser Heilungsprozess schon lange, aber unbemerkt begonnen hat, und er sich dessen nun endlich bewusst wird.
 

Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden oder womöglich doch noch einen Rückzieher zu machen, tritt Joker aufs Gas und lenkt den Wagen wieder Richtung Narrows und seiner ungewissen Zukunft entgegen...
 


 

5
 

Nervös wie ein Schüler vor einer großen Prüfung, stoppt Joker seinen Wagen vor der Garage. Grüßend hebt Bob eine Hand, während das Rolltor rumpelnd in seinen Führungen nach oben rattert. Flüchtig erwidert der Clown den Gruß, doch eigentlich bekommt er es gar nicht richtig mit. Seine Gedanken sind ganz woanders. Als das Tor am Ende angekommen ist, kriecht der Wagen an seinen angestammten Platz und der aufgemotzte Motor erstirbt in der friedlichen Stille des weitläufigen Raumes. Unschlüssig sitzt der Grünhaarige weiterhin hinter dem Steuer und versucht, sich ein Schreckensszenario nach dem anderen auszumalen. Doch ganz egal, wie er es auch immer drehen und wenden mag, es endet immer auf die gleiche Weise: Joker sitzt einsam und allein mit gebrochenem Herzen auf den kalten Straßen Gothams, ungeliebt und von allen verlassen, die ihm etwas bedeutet haben...
 

Traurig starrt er seine Hände an und ist nicht gerade verwundert darüber, dass sie ein bisschen zittern. Himmel, was ist nur los mit ihm? Wann, in Gottes Namen, haben seine Hände das letzte Mal vor Angst gezittert? Er kann sich nicht einmal daran erinnern, es muss also sehr lange her sein. Zittrig stößt er Luft aus, nur um sie einen Moment später mit einem unterdrückten Schrei wieder einzusaugen. Ein unerwartetes Klopfen an der Scheibe ist der Grund dafür. Mit aufgerissenen Augen starrt der Verrückte durch das getönte Glas. Davor steht Carl, immer noch in seiner klopfenden Haltung eingefroren, in der anderen Hand ein triefendes Sandwich, den überrascht geöffneten Mund verschmiert wie ein kleines Kind. Einen Augenblick sehen sich die beiden einfach nur verloren an und keiner von ihnen rührt sich.
 

Joker ist noch ganz in der Vorstellung gefangen, dass Ed an die Scheibe geklopft haben könnte, und ihn somit mit seinen Fragen überfällt, bevor der Grünhaarige auch nur die Gelegenheit hatte, sich darauf vorzubereiten, zu ihm zu gehen. Und Carl ist ganz sicher überrascht darüber, seinen zweiten Chef so ganz ohne seine bunte Schminke zu sehen, auch wenn das durch die getönte Scheibe nicht gut zu erkennen ist. Es wäre zwar nicht das erste Mal, kommt aber sehr unerwartet, erst recht, wenn der Bengel gerade von einer Spritztour zurückkommt.
 

Schließlich fällt die Starre von Joker ab und er lässt die Scheibe herunter. „Klecker mir ja nicht den Lack voll!“, mahnt er sein Gegenüber ziemlich halbherzig. Dennoch tritt der andere Mann sehr erschrocken zurück und betrachtet leicht panisch den Wagen vor sich. Zu seiner Erleichterung ist dieser jedoch völlig sauber, sodass sich Carl langsam wieder entspannt. „Ist alles in Ordnung, Mister Jay?“, fragt er stattdessen sorgenvoll und betrachtet ihn nun eingehender.
 

Daraufhin lässt sein schmächtiges Gegenüber betrübt die Schultern hängen und weicht seinem Blick aus. „Es – geht mir gut, aber – in Ordnung ist rein gar nichts. – Ich fürchte, ich – hab diesmal richtig Scheiße gebaut...“, kommt es stockend von ihm, während sich heiße Tränen hinter seinen Augen sammeln und nur darauf warten, über die Ufer treten zu können.
 

„Was – was ist denn passiert...?“, fragt der Ältere nun vorsichtig. „Das wirst du sicher noch früh genug erfahren, mein Großer. Doch jetzt muss ich erst mal ganz dringend mit Ed reden. Ist er hier?“ „Ja, der Boss ist in seinem Büro.“ „Okay, danke...“, seufzt Joker in sich hinein und öffnet die Tür, um auszusteigen. Er meidet den fragenden Blick des anderen Mannes ganz bewusst und wendet sich stattdessen zu dem kleinen Raum in der Ecke um, den sein Freund als Büro benutzt.
 

Die Tür ist geschlossen, was bedeutet, dass Edward eigentlich nicht gestört werden will. Doch darauf kann Joker unmöglich Rücksicht nehmen, nicht jetzt. Dennoch kommt es ihm sehr gelegen. So steht er fast fünf Minuten vor dem zerkratzten Holz und sammelt allen Mut, den er in sich finden kann. Alle Männer, die gerade anwesend und wach sind, betrachten ihn dabei sehr verwundert, doch keiner wagt es, sich ihm zu nähern, um vielleicht doch noch ein paar Worte aus ihm herauszubekommen. Aber wenn der kleine Clown so nervös wegen dem ist, was er scheinbar angestellt hat, muss es etwas sehr Verheerendes gewesen sein, das sie womöglich alle in Gefahr bringen könnte...
 

Der sonst so aufgeweckte Junge schluckt noch einmal hart und streckt dann die Hand nach der Klinke aus. Zitternd verharrt sie einen Moment direkt darüber und kommt nicht mehr weiter. Hilflos ballt sie sich zur Faust, auch sie zittert sichtlich. Dann atmet Joker ein letztes Mal tief durch, schlingt die schlanken Finger um die Klinke und betritt dann das Büro seines Freundes, ohne anzuklopfen...
 


 

6
 

Edward ist tief in Gedanken versunken. Er merkt gar nicht, dass die Tür geöffnet wird und jemand ungefragt eintritt. Stumm betrachtet Joker den Brünetten. Dieser ist zwischen den unzähligen Stapeln an Papier auf seinem Tisch kaum zu sehen. Leise kann er ihn aber murmeln hören, dann huscht sein Stift wieder über das Blatt und macht flinke Notizen. Es sieht aus, als wäre er irgendwo zwischen Kostenrechnungen und Arbeitsplanung heillos verschwunden. Kein Wunder, dass er eigentlich nicht gestört werden will. Dabei den Überblick zu behalten, ist selbst für den hochbegabten Nigma kein Kinderspiel – erst recht, wenn man bedenkt, dass der Brünette gerade gut ein Dutzend Projekte gleichzeitig am Laufen hat.
 

Eine Weile steht der Grünhaarige einfach nur da und beobachtet ihn. Hofft innerlich darauf, dass Ed ihn bemerken wird, damit er ihn nicht aus seinen Gedanken reißen muss. Doch wenn sich der Rätselmeister einmal so vertieft hat, holt ihn so schnell nichts mehr zurück. Nun gibt der Ältere allerdings ein schweres Seufzen von sich und fährt sich zerstreut mit den Fingern durch die Haare. „Mist...“, schimpft er leise in sich hinein und betrachtet den Plan vor sich sehr skeptisch. Mit leicht verärgertem Gesicht streicht er schließlich etwas durch, kaut verloren auf dem Ende des Stiftes herum, was sonst gar nicht seine Art ist, und scheint dennoch keine Lösung zu finden. Nach einem Moment wirft er den Stift dann einfach schnaubend auf den Tisch, nimmt seine Brille ab und reibt sich die überanstrengten Augen. Erschöpft legt er anschließend den Kopf zurück gegen die Stuhllehne und schließt die müden Augen.
 

Edward wirkt, als würde er jeden Moment schreckliche Migräne bekommen. Vielleicht wäre es also doch besser, wenn der kleine Clown später wiederkommen würde? Doch gerade, als er diesen Gedanken gefasst hat und sich unbemerkt wieder davonschleichen will, öffnet Nigma die Augen und setzt sich wieder gerade hin. Sein Blick fällt auf seinen quirligen Freund, während er nach seiner Brille greift und sich wieder seiner Arbeit widmen will.
 

„Joker, du bist zurück und das auch noch in einem Stück.“, bemerkt er nebensächlich und studiert wieder seine Aufzeichnungen. „Können wir reden?“, fragt der Jüngere möglichst neutral. „Jetzt bitte nicht. Ich habe hier an die zehn Problem, die ich erst lösen muss, bevor auf allen Baustellen das Chaos ausbricht. Also sei so gut und geh etwas mit den Jungs spielen, ja?“, erwidert der Brünette, ohne von seinem schon ziemlich mitgenommenen Blatt aufzuschauen. „Nein, es muss jetzt sein!“, beharrt der Verrückte etwas nachdrücklicher. Nun reibt sich Ed demonstrativ die Schläfen. „Ich habe doch gerade gesagt, du sollst...“, erst jetzt blickt er versucht streng zu seinem Freund hinüber. Der Anblick des Jungen lässt ihn seinen Satz gar nicht erst beenden.
 

Überrascht erhebt er sich stattdessen von seinem Platz und umrundet den Schreibtisch mit besorgter Miene. „Himmel, was ist passiert? Wo ist deine Schminke?“, fragt er vorsichtig, fast erschrocken, und deutet dabei auf die Würgemale am Hals seines Gegenübers. „Alles – Nichts – Ich...“, setzt der Kleinere an und verstummt dann. „Hat er dir etwa wieder wehgetan?“, will Ed nun wissen und dirigiert seinen Partner dabei ein Stück nach hinten, wo ein weiterer Stuhl steht, auf den sich der kleine Clown wortlos fallenlässt.
 

„Nein, – er hat mir nicht wehgetan. Wir – konnten sogar endlich alles klären...“ „Woher dann wieder die Male an deinem Hals?“ Als Edward mit den Fingern darüberstreichen will, zuckt Joker vor ihm zurück, was Nigma ein ganz schlechtes Gefühl gibt. „Joker...?“, haucht er schon fast und kniet sich dann vor ihm hin, um ihm besser in das so ungewohnt nackte Gesicht sehen zu können, das der Clown nun betrübt gesenkt hält. „Ist nicht schlimm, aber – ich hab echt Scheiße gebaut...“, erwidert der Junge schließlich und krampft zitternd die Hände im Schoß zusammen.
 

„Was hast du gemacht?“, fragt der Rätselmeister verwirrt. Seit wann gibt der durchgeknallte Bengel schon mal zu, dass er Unfug angerichtet hat? Es muss also etwas ziemlich Heftiges gewesen sein, das ihnen allen später womöglich noch Ärger einbringen könnte. Nun beißt sich Joker fest auf die Unterlippe, fängt an zu wimmern, und dann fließen auf einmal ungehalten die Tränen. Überrascht zuckt Edward ein Stück zurück, versteht überhaupt nichts mehr.
 

„Ich – ich – hab – dich betrogen...“, platzt es dann aus dem kleinen Clown heraus. Jetzt ist Nigmas Verwirrung komplett. „Was? Aber wie das denn?“ „Ich hab – mit ihm geschlafen...“ Völlig in Tränen aufgelöst sieht Joker ihn nun an, gefasst auf all den Ärger, den er jetzt ganz unzweifelhaft bekommen wird. „Du hast...“, setzt der Ältere an, verstummt dann aber wieder. Langsam erhebt er sich, geht zu seinem Schreibtisch zurück und lehnt sich dann mit dem Po gegen die Platte. Abwehrend verschränkt er die Arme vor der Brust und seufzt.
 

„Es tut mir so unendlich leid! Ich – ich – dass war nicht so geplant! Bitte glaub mir das! Ich wollte doch nur – ich – ich...“, hilflos ringt der Verrückte nach Worten, wobei das meiste in seinem heftigen Gefühlsausbruch ertrinkt. Nigmas Stirn legt sich fragend in Falten, während er versucht, den Ausführungen seines Freundes irgendwie zu folgen. Seine aufgewühlten Gedanken zu sortieren und zu verstehen.
 

Nach all der gemeinsamen Zeit, all den Abenteuern, hat er ihn immer noch nicht ganz ergründet. Nicht einmal ansatzweise, wie ihm scheint. Er hat ihn lachen und weinen sehen, töten und tanzen; er hat ihn schlafen und im Schutz der Nacht Wache halten sehen. Er hat ihm beigewohnt, wie es sonst nur Mann und Frau in seiner Empfindung vorbehalten sein sollte, und hat ihn in allen nur erdenklichen anderen Situationen erlebt, aber dennoch – Joker bleibt ihm völlig unergründlich in all seinem Denken und Handeln.
 

Wie soll er sich jetzt also verhalten? Was soll er ihm antworten? Sein Kopf droht fast zu platzen, wenn er versucht, irgendetwas dahingehend zu unternehmen. Daher hält er es für das Beste, erst einmal zu schweigen und zu sehen, was der Bengel noch aus alledem macht. Was er vielleicht noch zu sagen hat. Womöglich gelingt es ihm dann, eine Lösung dafür zu finden...
 

Der Grünhaarige sitzt weiterhin bitterlich weinend vor ihm, zittert inzwischen am ganzen Körper und bekommt kein verständliches Wort mehr heraus, japst nur halb erstickt nach Luft. In seinen unnatürlich roten Augen liegt eine tiefe Bitte, dieses Martyrium endlich zu beenden und ihn im schlimmsten Fall für sein Vergehen zu bestrafen. Doch kann Nigma das wirklich? Der Brünette ist sich in gar nichts mehr sicher, seufzt nur wieder schwer und behält seine abwehrende Haltung erst einmal bei.
 

Sein Schweigen erträgt Joker aber nicht allzu lange. „Nun sag doch bitte etwas!“, fordert er ihn schließlich auf, nachdem er sich halbwegs wieder unter Kontrolle bekommen hat. „Und was soll ich deiner Meinung nach dazu sagen?“, stellt Edward die Gegenfrage. Perplex starrt ihn der kleine Clown an. Der Rätselmeister wirkt ungewohnt kalt und distanziert, ganz so, wie Joker ihn noch nie erlebt hat. Dass ist ganz sicher kein gutes Zeichen.
 

„Es – es tut mir leid...“, wimmert der Grünhaarige abermals verloren und senkt wieder den Blick. „Das hilft uns aber auch nicht weiter, fürchte ich.“, kommt es fast schon giftig von dem Älteren zurück, sodass der Verrückte sichtbar auf dem Stuhl zusammenzuckt. „Ich verspreche, dass – dass es nie wieder vorkommt, ganz ehrlich!“, versucht es der Kleinere mit wenig Hoffnung, und in diesem Fall wird er leider auch nicht enttäuscht. „Dass glaubst du doch selbst nicht einmal, stimmt’s? Also erzähl mir so etwas nicht! Von versprechen ganz zu schweigen! Sag mir lieber, was ich jetzt mit dir machen soll, um das Problem ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen!“
 

Diesmal zuckt der Grünhaarige noch viel deutlicher zusammen. Er erkennt seinen sonst so verständnisvollen Freund gar nicht mehr wieder. Es ist eher so, als würde er stattdessen mit dem Riddler sprechen. Was für eine abgrundtief furchtbare Vorstellung, selbst jetzt noch, wo Edward schlechtere Hälfte schon so lange Geschichte ist. Erst recht, wenn er sich die unterdrückte Wut in den für gewöhnlich so sanften, grünen Augen seines Gegenübers so betrachtet.
 

Hilflos versucht Joker nach dem allerletzten Strohhalm zu greifen. „Ich weiß es nicht! Doch tu, was immer du für richtig hältst! Bestraf mich so viel du willst, doch bitte, bitte setz mich nicht vor die Tür! Ich brauch dich!“, bettelt er nun ergeben und sieht den Älteren flehend an, während neue Tränen seine entstellten Wangen wie Sturzbäche hinabrinnen.
 

Ed bleibt jedoch erstaunlich ungerührt von alledem. Mustert ihn fast schon herablassend. „Hör auf damit, dass bringt dich kein Stück weiter! Und eine Strafe bringt bei dir schon mal gar nichts! Denkst du eigentlich, ich bin blöd oder so etwas? Ich kenne dich doch nicht erst seit gestern, Junge! Daher gibt es nur eine Möglichkeit, um dir klarzumachen, was du falsch gemacht hast...“ „Nein! Bitte nicht!“ „Raus hier!“ Nigmas Stimme scheint noch viel kälter geworden zu sein, sodass Joker nun das Gefühl hat, dass sich messerscharfe Eisfinger um sein Herz schließen und es immer weiter zusammenquetschen, tief ins Fleisch schneiden, bis es schließlich platzen und er grausam daran zu Grunde gehen wird.
 

Unwillig und auf sehr wackeligen Beinen, erhebt sich der kleine Clown von seinem Stuhl. „Ich liebe dich...“, flüstert er schon fast, doch Edwards einzige Reaktion darauf ist ein strenger Fingerzeig auf die Tür. So endet es also nun doch genauso, wie es sich Joker die ganze Zeit über ungewollt ausgemalt hat, und er kann nichts mehr dagegen tun. Keine Worte, die vielleicht doch noch eine Wendung bringen könnten, lassen sich mehr in seinem mitgenommenen Schädel finden. Sein Kopf ist völlig leer, sein Herz dafür bis zum Überlaufen mit Trauer, Schmerz und Schuld angefüllt. Schniefend wendet er sich schließlich herum und greift nach der Klinke, doch auch diesmal kann er sie nicht sofort erreichen...
 


 

7
 

Allerdings hindert ihn jetzt kein plötzlicher Gedanke, keine unerwartete Gefühlsregung daran. Diesmal sind es zwei einladend warme Arme, die sich um seinen bebenden Körper schließen und ihn fast schon ruckartig etwas zurückziehen. Überrascht erstarrt der kleine Clown in dieser unerwarteten Geste. Außer ihm ist nur Edward hier im Raum, somit kann nur er es sein, der ihn nun doch zurückhält. Unbewegt und mit gesenktem Kopf, noch immer die Türklinke umfassend, verharrt der Grünhaarige und wartet mit all der Hoffnung, die er dachte, schon längst verloren zu haben.
 

Sanft legt sich Nigmas Kopf auf seine Schulter, zieht ihn noch fester in die Umarmung hinein, ganz so wie es Batman vorhin getan hatte. „Geh nicht...“, flüstert ihm der Rätselmeister so herrlich warm ins Ohr. „Aber...“, setzt der Verrückte unschlüssig an. Er glaubt nicht an einen plötzlichen Sinneswandel seines Partners, auch wenn er ihn sich mehr als alles andere auf der Welt wünscht.
 

„Nein, bleib bei mir.“ „Ich...“, Joker weiß einfach nicht, was er sagen soll. Er ist so durcheinander. „Schon gut. Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen und ich werde dich auch nicht wegjagen. Mir tut es leid, dass ich gerade so fies zu dir war...“ Vorsichtig dreht der kleine Clown den Kopf etwas nach hinten, um dem Brünetten ins Gesicht sehen zu können. Der Ausdruck darauf ist wieder so sanft und verständnisvoll, wie er es immer war.
 

Langsam beginnt der Jüngere zu begreifen. „Heißt das etwa, dass gerade war – ein Trick? Du hast mich nur verarscht?“, fragt er skeptisch, würde er seinem Gegenüber doch nie etwas so Perfides zutrauen. Ed seufzt schwer. „Ja und nein.“ Verwirrt legt sich Jokers Stirn in Falten und er dreht sich langsam in der Umarmung des anderen herum, damit sie sich besser ansehen können. Schließlich lässt Nigma sogar von ihm ab und steht nun wie ein kleiner Junge vor ihm, der getadelt wird. Es wirkt völlig unwirklich bei der sonst so beherrschten Persönlichkeit des Rätselmeisters.
 

„Ja, es war ein Trick, weil ich herausfinden wollte, ob du es wirklich bereust, es getan zu haben. Wie viel dir an mir liegt. – Und nein, es war kein Trick, weil ich – ich eifersüchtig bin...“ Verwirrt betrachtet ihn der Verrückte. „Du – bist eifersüchtig? Auf Batsy?“ „Ein bisschen schon, ja. – Ihr passt viel besser zusammen. Ihr ergänzt euch so gut. Und ich bin mir sicher, dass Batman keine halbe Stunde darüber nachgrübeln muss, ob es jetzt angebracht wäre, mit dir zu schlafen oder nicht. Er tut es einfach, ohne sich über irgendetwas Sorgen zu machen. Du wirst es schon aushalten. Ich dagegen habe jedes Mal das Gefühl, dir nicht zu genügen, weil ich viel zu schüchtern und vorsichtig bin. Und...“
 

„Ach, Ed. Du genügst mir voll und ganz! Ich finde es wundervoll, wie du mit mir umgehst. Ich würde es gar nicht anders wollen. Ich finde, es gibt nichts Schöneres auf der Welt, als einfach nur neben dir im Bett zu liegen und zu kuscheln. Deine Wärme um mich rum zu haben. Da brauch ich gar nicht mehr. Ich mag es, dass du schüchtern und nachdenklich bist, dich um alles sorgst. Das bist eben du und das würde ich im Leben nicht eintauschen wollen, schon gar nicht gegen so jemanden wie Batsy!“
 

„Wirklich?“ „Aber selbstverständlich, mein Hübscher!“ „Und du liebst mich?“ „Noch immer von ganzem Herzen und viel mehr!“, nun endlich kann Joker auch wieder etwas lächeln, was Edward ebenfalls ein bisschen ansteckt. „Ich liebe dich auch. – Ging es dir deswegen so nahe, weil du dachtest, mich betrogen zu haben?“ „Ja. Immerhin haben wir eine richtige Beziehung miteinander. Seither hatte ich nichts mit Batsy und hätte auch nicht gedacht, dass es da jemals wieder etwas Positives geben könnte. Doch dann...“ „Ist schon gut. Du musst mir das nicht erklären. Ich verstehe es auch so.“ „Ach wirklich? Ich versteh es nämlich selbst gar nicht mehr...“
 

„Das kann ich mir vorstellen. Ich habe auch ziemlich lange gebraucht, um es zu verstehen, und es zu akzeptieren erst recht. – Und eigentlich ist es auch ganz einfach. Du brauchst uns beide, um dich wirklich gut zu fühlen.“ Nun macht Joker große Augen. „Ich bin sicher, inzwischen ist sich Batman dessen auch bewusst geworden. Ich denke, du weißt wahrscheinlich, dass er vorhin bei mir war, um nach dir zu suchen? Da ist mir aufgefallen, dass auch er in einer gewissen Weise eifersüchtig zu sein scheint. Es wie ich aber gleichzeitig auch akzeptiert. – Deine Bedürfnisse sind so weit gefächert, dass ein Mann da nicht ausreicht...“
 

„Du meinst...“ „Ja. Du brauchst Batman, weil er dir Führung gibt. Dir den Weg weist und dich in die richtige Richtung treibt. Du brauchst seine strenge Hand und seine grobe Art, um den Sinn deines Daseins als Joker nicht zu verlieren. Vielleicht sogar, um deinen Wahnsinn ein bisschen zu bändigen, da bin ich mir nicht sicher. Du brauchst all die Action, die mit ihm einhergeht. – Und du brauchst auch mich. Ich gebe dir Sicherheit, Fürsorge, Verständnis. Ich bin dein Freund. Ich gebe dir Halt und höre dir zu. Ich bin der Hafen, in den du dich in stürmischen Zeiten zurückziehen kannst. Der dir Wärme und Geborgenheit gibt, und ab und an auch etwas mehr...“
 

Nun fließen wieder Tränen über die entstellten Wangen des Clowns. „Oh, Ed! Dass hast du wirklich schön gesagt! Und ja, ich hab das Gefühl, dass es genauso ist. Ich brauch euch beide, um mich vollständig zu fühlen. Es gibt keinen perfekten Mann für mich, der all das in sich vereinen kann. Doch – wie kann ich dir das nur zumuten?“ „Ganz einfach. Es war von Anfang an so und ich bin es gewöhnt.“ Jetzt wirkt der Grünhaarige wieder ratlos.
 

„Als ich dich kennengelernt habe, gab es Batman schon in deinem Leben, wenn auch nicht so, wie du es dir gewünscht hast. Doch er war immer da. Eine dunkle Konstante, völlig gleich, was um dich herum passiert ist. Dennoch hast du dich in mich verliebt, erst recht, als mit euch alles schiefging. Aber ich wusste immer, dass es nicht das Ende mit euch sein kann. Dafür ist deine Obsession für ihn zu groß. Das hat mich auch so nicht gestört, bis ich mich dann in dich verliebt habe und wir Sex hatten. Dann wurde ich mir bewusst, dass ich schon die ganze Zeit über schrecklich eifersüchtig war, immer nur auf dem zweiten Platz zu stehen. Dass ich es nicht ertragen konnte, wie er mit dir umgeht und dir das auch noch in gewisser Weise gefällt. Dennoch habe ich gesehen, dass du es brauchst. Dass ich dir nicht das geben kann, was er kann, und es auch nie können werde. Daher akzeptiere ich deine, nennen wir es eine Beziehung, mit Batman, solange du dich dabei wohlfühlst. Also musst du das nächste Mal keine Angst haben, dass ich dich vor die Tür setzen könnte, nur weil ihr miteinander geschlafen habt.“
 

„Himmel, wie kann es nur möglich sein, dass du so gut zu mir bist, wo ich dir doch ständig nur Kummer bereite und Ärger mache? Das verdiene ich doch gar nicht, wenn ich nebenher mit einem anderen Typen ins Bett springe...“ „Du machst mir nicht immer nur Kummer oder Ärger. Diese Zeiten sind größtenteils vorbei. Zudem hast du mir doch gerade auch bewiesen, dass dir durchaus bewusst sein kann, wenn du etwas falsch gemacht hast. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung! Und außerdem verdienst du alles Glück dieser Welt! Nur weil wir Kriminelle sind, heißt das noch lange nicht, dass wir keine Liebe verdient haben, und was auch immer das ist, dass du mit Batman hast.“
 

„Danke, Ed! Tausend Dank!“, schluchzend fällt Joker ihm in die Arme, und so stehen sie noch eine Weile zusammen da und vergessen den dummen Streit und all die Probleme, denn ein neuer Tag steht schon in den Startlöchern und wartet nur darauf, dass sie ihn in Angriff nehmen, um die Welt für sich ein kleines bisschen besser zu machen – zu dritt!?

Amnesia


 

1
 

Nach dieser ganzen ungewollten Aufregung war der restliche Tag umso entspannter. Eng aneinandergeschmiegt liegen die beiden in ihrem Bett und träumen noch ganz friedlich vor sich hin. Keiner von ihnen ahnt, dass es mit der Ruhe sehr schnell vorbei sein und diese Nacht eine schreckliche Wendung nehmen wird, die nicht nur die zwei Verrückten an ihre Grenzen bringen könnte...
 


 

2
 

Herrlich warm drückt sich Jokers Körper gegen Edwards. Es wäre wirklich eine echte Schande, jetzt aufstehen zu müssen. Dennoch öffnet der Rätselmeister ganz langsam die Augen und blickt verschlafen zum Fenster hinüber. Die Nacht bietet sich ihm äußerst ungemütlich da. Eisblumen ranken sich am Glas hinauf und dicke Schneeflocken fallen schwer vom bewölken Himmel herab. Innerlich schüttelt sich der Brünette, und verzieht verstimmt das Gesicht. Am besten gar nicht erst darüber nachdenken, was dort draußen vor sich geht. Da jagt man ja freiwillig nicht einmal einen räudigen Hund vor die Tür.
 

Gähnend vergräbt er daher lieber wieder das Gesicht in den wirren, grünen Haaren seines Vordermanns und zieht ihn noch etwas dichter an sich heran. Ein bisschen Zeit zum Dösen haben sie schließlich noch. Schwerfällig regt sich der kleine Clown in seinen Armen, versucht, sich anscheinend umzudrehen. Ed lässt ihn gewähren, indem er seinen Griff etwas lockert. Verträumt betrachtet er dann das schlafende Antlitz seines kleinen Partners. Er wirkt so unglaublich friedlich. Langsam stiehlt sich eine Hand des Älteren unter der Decke hervor. Ganz sanft streicht er dem Jungen damit eine verirrte Strähne aus der Stirn und dabei lächelt er liebevoll in sich hinein.
 

Joker scheint davon allerdings nicht so angetan zu sein. Murrend vergräbt er sein Gesicht im Kissen, was Nigma nur noch mehr schmunzeln lässt. Einen Moment später dreht sich der Bengel dann auch schon wieder auf die andere Seite zurück und versucht, sich tiefer in den Schlaf zurückzuziehen. Vorsichtig rückt Edward an ihn heran und legt erneut die Arme um ihn. Diese herrliche Wärme stellt sich abermals zwischen ihnen ein, sodass der Rätselmeister gähnend die Augen schließt und abzudriften beginnt. Zum Einschlafen kommt er jedoch nicht...
 

Plötzlich reißt der kleine Clown erschrocken die Augen auf und zuckt merklich zusammen. Blinzend versucht sich sein Hintermann daraufhin von der einlullenden Stimme in seinem Kopf zu trennen. Er schafft es aber nicht mehr schnell genug. „Was zum...?“, platzt es völlig verwirrt aus dem Grünhaarigen heraus und er blickt sich fragend in dem kleinen Raum um. Viel erkennt er jedoch nicht, immerhin ist es dunkel draußen, und somit auch hier drinnen. „Was ist los, Joker? Hattest du einen Alptraum?“, tönt auf einmal eine verschlafe Stimme hinter ihm. Der Angesprochene zuckt erneut heftig zusammen und trennt sich dann überaus grob von seinem Partner, um sich kerzengerade hinzusetzen.
 

„Scheiße, wer...“, kommt es fast schon ängstlich von ihm. Besorgt setzt sich auch Nigma aufrecht hin und tastet an ihm vorbei nach der Nachttischlampe. Als das sanfte Licht auf das Gesicht des Clowns fällt, zuckt Ed innerlich selbst erschrocken zusammen. Die unnatürlich roten Augen des Jungen vor ihm sind weit aufgerissen, scheinen die Welt um sich herum nicht mehr zu verstehen. Drücken Angst und Wut gleichermaßen aus. Wirken völlig fremd auf den Älteren. Besorgt streckt er eine Hand aus, um dem Jüngeren irgendwie Trost zu spenden. Allerdings schlägt der Verrückte die Hand einfach grob beiseite, ehe sie ihn berühren kann.
 

„Fass mich nicht an, verdammt noch mal!“, faucht der Jüngere zornig. Nigma fehlen die Worte, es klingt so unglaublich befremdlich. „Was soll der Scheiß hier? Wo bin ich? Wer bist du? Und, was in aller Welt, machst du neben mir im Bett?“ Nun ist die Verwirrung des Älteren komplett. „Aber, Joker, erkennst du mich denn nicht mehr? Ich bin es doch, Ed, dein Freund...“, versucht er es hilflos, während allmählich die Angst in ihm anzuwachsen beginnt und sein Herz wie eine Buschtrommel schmerzlich gegen seinen Brustkorb schlagen lässt. Hier stimmt etwas ganz und gar nicht!
 

Nun springt der Bengel wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett, um Abstand zu ihm zu gewinnen. „Ich kenne keine Ed! Und mein Name ist Jack, verflucht! Was hast du mit mir gemacht, Alter? Bist du einer von diesen Perversen, die auf kleine Jungs stehen?“ Mit offenem Mund hört sich Edward diese unbegreiflichen Anschuldigungen an und weiß beim besten Willen nicht, was er darauf erwidern soll. Er kommt sich wie in einem ganz schlechten Film vor. Ganz vorsichtig steht er allerdings ebenfalls auf und hebt, wie er hofft, beruhigend die Hände. „Nein, ich – ich bin wirklich dein Freund...“, erwidert er schließlich, mehr fällt ihm einfach nicht ein. Sein Hirn arbeitet auf Hochtouren, kann aber einfach keinen Sinn in alledem finden. Er braucht mehr Zeit, die er ganz offenbar aber nicht hat. Mehr Informationen, die Joker ihm ganz sicher nicht geben wird, hat er sie ganz offensichtlich doch nicht einmal selbst.
 

Angewidert verzieht Joker das Gesicht. „Wovon träumst du eigentlich, Alter? Ich steh nicht auf Kerle, und auf dich schon mal gar nicht! Und jetzt sag mir endlich, wie ich hierhergekommen bin und was das alles soll!“ Panisch sucht der Brünette nach einer Lösung, doch das scheint seinem Gegenüber definitiv zu lange zu dauern. Grob packt ihn der kleine Clown nun bei den Schultern und schubst ihn dann polternd gegen den Kleiderschrank. Hart schlägt Nigmas Kopf dabei gegen das Holz und lässt ihn Sekunden lang Sterne sehen. Das reicht dem Verrückten aber noch längst nicht aus.
 

Jetzt packt er ihn am Kragen seines T-Shirts und drückt ihn fester gegen die Schranktür. Ein tiefes Knurren presst sich dabei seine Kehle empor. Seine scharfen Zähne glänzen bedrohlich im Zwielicht der Nachttischlampe „Treib hier keine Spielchen mit mir, Alter! Nur weil ich kleiner bin als du, heißt das noch lange nicht, dass ich mich von dir rumschubsen lasse! Also gib’s endlich zu! Du hast mich entführt und mir irgendwelchen Scheiß eingeflößt, damit ich dir hörig bin, stimmt’s? Du hast mich gefickt, nicht wahr? Jetzt mach endlich dein verdammtes Maul auf, du dreckige Schwuchtel!“ Mit gefletschten Zähnen ballt der Grünhaarige die linke Hand zur Faust und hebt sie drohend in Schlagposition. Völlig verängstigt beginnt Edward zu zittern, er kann einfach nichts dagegen unternehmen.
 

„Oh, bitte, Joker! Nun erinnere dich doch! Ich habe dich nicht angefasst und entführt schon gar nicht! Ich bin doch dein Freund, dass musst du mir glauben! Ich...“, weiter kommt er mit seinen Worten nicht mehr. Denn plötzlich knallt die Faust des Kleineren mit voller Wucht auf seine Nase und lässt ihn augenblicklich verstummen. Ganz hinten im Kopf kann der Brünette ein widerliches Knirschen hören und weiß sofort, dass Joker ihm doch tatsächlich gerade die Nase gebrochen hat! Er kann es einfach nicht glauben. Was ist nur los mit ihm? Warum kann er sich nicht erinnern?
 

Ed gibt ein schmerzliches Stöhnen von sich, während ihm warmes Blut über Mund und Kinn läuft. Aus Jokers Augen sprüht reinster Hass. Sie sind kalt wie Eis und doppelt so tödlich. „Ich sag es dir jetzt ein letztes Mal, Alter. Mein Name ist Jack, also verkneif dir deine perversen Fantasien! Du bist nicht mein Freund und wirst es auch niemals sein! Denn im Gegensatz zu dir bin ich, verdammt noch mal, nicht schwul!“ Knurrend drückt er den wehrlosen Rätselmeister noch fester gegen den Schrank. Nach gefühlt endlosen Sekunden lässt er dann schließlich doch von ihm ab. Kraftlos fällt Ed auf die Knie und hustet erstickt, während sich Jack im Raum umzusehen beginnt.
 


 

3
 

Nichts, aber auch rein gar nichts kommt ihm in diesem winzigen Zimmer bekannt vor. Schmerzlich beginnt sein Kopf zu pochen, versucht, irgendwie zu begreifen, was in den letzten Stunden passiert sein muss. Doch er kommt nicht drauf. Alles ist wie ausgelöscht. Ganz tief hinten im Kopf kann er sich daran erinnern, wie er zu Bett gegangen ist. Sam lag im Bett auf der anderen Seite des kleinen Raumes, den sie sich teilen, und sie haben sich irgendwelchen Unsinn erzählt und herzlich gelacht, bis das Licht ausging und sie schlafen sollten. Und jetzt ist er hier, wo immer das auch sein mag. An einem ihm völlig unbekannten Ort, und das auch noch halbnackt mit diesem notgeilen Spinner in einem Bett. Wie hat es dieser schlaksige Möchtegern nur geschafft, ihn aus dem Kinderheim zu entführen, ohne dass die Betreuer oder Sam etwas davon bemerkt haben?
 

Ist dieser Kerl vielleicht weit gefährlicher, als er sich hier ihm gegenüber gerade gibt? Oder hatte er etwa Helfer? Ist auch völlig egal. Das Einzige, was jetzt zählt, ist, dass Jack so schnell wie möglich von hier wegmuss. Noch einmal wirft er einen Blick durch den fremden Raum, doch das Ergebnis bleibt dasselbe.
 

„Hey, Alter! Wo sind meine Klamotten? Und wag es ja nicht, mich irgendwie zu verarschen, sonst ist eine gebrochene Nase noch dein geringstes Problem!“, drohend steht der kleine Bengel vor Edward, der vor Schmerzen kaum noch einen klaren Gedanken fassen kann. Seine Nase beginnt unermüdlich anzuschwellen, was die Qual nur noch vergrößert und ihm das Atmen erschwert. Tränen benetzten seine glühenden Wangen. Seine zitternden Hände sind mit seinem eigenen Blut bedeckt, ebenso der Boden vor ihm. „Ich rede mit dir, du notgeiler Spinner!“, knurrt Jack in sich hinein und packt sein wehrloses Gegenüber erneut am Kragen. Mit einem wehklagenden Geräusch reißt der Stoff dabei ein, woraufhin Nigma nur wieder zusammenzuckt.
 

Weinend versucht Ed, seinem bohrenden Blick irgendwie standzuhalten. Doch es schmerzt so sehr, ihn so zu sehen. Einfach nicht begreifen zu können, was hier los ist. Innerlich ist ihm klar, dass es besser wäre, Joker zu antworten, aber die aufkeimende Panik und die anhaltenden Schmerzen schnüren ihm regelrecht die Kehle zu. Ein Wimmern ist alles, was er von sich geben kann. So hilflos hat er sich nicht einmal in den schlimmsten Situationen mit Batman und dem Riddler gefühlt. Da hatte er immerhin den Vorteil, zu wissen, wie es ausgehen wird – hier ist alles ungewiss, und das macht ihn ganz verrückt.
 

„Antworte mir!“, fordert der Clown abermals zähneknirschend. Und genau das schafft Nigma noch immer nicht, er ist wie gelähmt. Was er aber schafft, ist, seinen Arm zu heben und zur Kommode hinüber zu deuten. Dort liegen zwei Haufen Stoff. Der eine ist penibel ordentlich gefaltet und in der Reihenfolge aufgeschichtet, wie sein Besitzer die Sachen anzuziehen pflegt. Der zweite Haufen ist das reinste Chaos, als hätte man die einzelnen Teile dort einfach nur achtlos hingeworfen.
 

Verstimmt folgt Jack seinem Fingerzeig, scheint dabei aber nicht sonderlich zufrieden zu sein. Grob lässt er den Rätselmeister fallen und wendet sich der Kommode zu. Der Brünette gibt ein schmerzliches Stöhnen von sich und setzt sich schwerlich wieder aufrecht hin, um alles besser im Blick behalten zu können. Abgehackt holt er durch den Mund Luft und lehnt sich gegen die Schranktür. Bitter kann er dabei sein eigenes Blut auf der Zunge schmecken. Es bereitet ihm Übelkeit, doch er klammert sich verbissen an seine angeschlagene Selbstbeherrschung. Für dergleichen Dinge ist noch genug Zeit, wenn sich Joker endlich wieder zu erinnern beginnt. Derweilen durchwühlt sein ungewollter Zimmergenosse die Sachen. Angewidert lässt er die Hälfte davon zu Boden fallen.
 

„Sag mal, du verarscht mich doch wohl! Das sind nicht meine Sachen!“ Zornig wirft ihm der Junge einen neongrünen, ärmellosen Pullover mit ausladendem V-Ausschnitt entgegen, sodass er mitten in Nigmas lädiertem Gesicht landet und sein Blut den Stoff beschmutzt. Hilflos klammert sich der Ältere an dem Stück Stoff fest, als wäre es sein rettender Anker. Wenn Joker diesen Pulli sonst trägt, findet Edward ihn eigentlich immer ziemlich niedlich damit. Es bricht ihm das Herz, sich jetzt daran zu erinnern. Himmel, der Verrückte liebt dieses grellgrüne Ding! Heiße Tränen rinnen erneut seine Wangen hinab und er versucht krampfhaft, ein weinerliches Schluchzen zu unterdrücken.
 

„Es – es tut mir leid. – Ich – ich habe – nichts anderes...“, bringt Ed schließlich stockend hervor. Theoretisch könnte er dem Clown auch sagen, dass er sich einfach etwas anderes aus dem Schrank herausnehmen soll. Doch was hätte das für einen Sinn? Alle Klamotten des Grünhaarigen sehen total durchgedreht, knallbunt oder schreiend grell aus. Er besitzt überhaupt nichts Dezentes oder Schlichtes, und es würde wohl auch gar nicht zu ihm passen. Er legt es schließlich grundsätzlich darauf an aufzufallen, in welcher Weise auch immer.
 

„Du mieses Arschloch!“, faucht der Jüngere und krallt sich dann einfach Nigmas Sachen. Diese findet er zwar ebenfalls zum Kotzen, viel zu streng, aber immerhin sehen sie nicht aus, als hätte sich ein Kleinkind auf LSD mit Fingerfarben daran vergangen. Der Rätselmeister sagt nichts dazu, presst sich nur weiterhin den Pullover des Verrücken gegen die bebende Brust. „Wo ist das Bad?“, brummt der Bengel nun. Erneut hebt der Brünette schniefend die Hand und deutet damit einfach nur auf die geschlossene Schlafzimmertür. Jack rümpft verächtlich die Nase und stapft dann an ihm vorbei, um den Raum zu verlassen.
 


 

4
 

Krachend fällt die Tür hinter dem kleinen Clown ins Schloss zurück. Trügerische Stille stellt sich in dem beengten Raum ein. Zitternd stößt der Rätselmeister die Luft aus und betrachtet das wurmstichige Holz. Doch nur einen Moment, dann rauben ihm neue Tränen die Sicht. Was ist nur passiert? Was soll das alles? Was, nur was hat er verbrochen, um das zu verdienen? Er war doch so glücklich mit Joker. Alles schien perfekt. Erst recht, wo Batman jetzt auch endlich begriffen zu haben scheint, worauf es wirklich ankommt. Und jetzt das. Es ist so schrecklich unfair!
 

Doch das alles kann kein Zufall sein. Irgendjemand hat da seine Finger im Spiel. Dergleichen passiert nicht einfach über Nacht aus heiterem Himmel, auch wenn es Edward gerade so vorkommt. Dafür muss es eine logische Erklärung geben. Aber wer könnte so etwas in Joker auslösen und wie? Oh, wenn seine Nase nur nicht so pochen würde, könnte er auch einen Gedanken an die Lösung dieses Unglücks verlieren. Aber solange sich der Grünhaarige wie eine wilde Furie aufführt und ihm jederzeit an die Gurgel springen könnte, wird Ed keine Lösung finden, geschweige denn sich um seine Nase und die Schmerzen kümmern können, um überhaupt wieder logisch zu denken.
 

Er braucht in jedem Fall mehr Zeit. Doch die hat er einfach nicht, solange Joker nicht wenigstens etwas ins Hier und Jetzt zurückfindet. Verbissen lässt Nigma alles Revue passieren, was sich gerade ereignet hat. Der Clown erinnert sich nicht mehr an ihn. Zudem scheint er in einer Zeit gefangen zu sein, in der er sich seiner Homosexualität noch nicht bewusst war. Hm, dass bedeutet dann wohl, dass diese Amnesie – falls es sich um dergleichen handeln sollte – mehrere Jahre betrifft! Also mal nachdenken. Zu welcher Zeit könnte das wohl gewesen sein? Noch bevor Batman begann, die dunklen Nächte Gothams unsicher zu machen, schätzungsweise.
 

Sorgfältig durchsucht der Brünette sein pochendes Gehirn. Erinnert sich an alles, was Joker ihm jemals bezüglich seiner lückenhaften Vergangenheit erzählt hat. Der Bengel ist jetzt, nach eigener Aussage, zwanzig Jahre alt. Als er Batman kennengelernt hat, war er fünfzehn. Ed erinnert sich noch genau daran, wie er mit dem Früchtchen zusammen in der Badewanne gesessen hat und schockiert darüber war, wer so verantwortungslos sein kann und einen Fünfzehnjährigen tätowiert. Somit befindet sich Joker also mit größter Wahrscheinlichkeit wieder in der Zeit, als er noch ein Teenager war und sein Wahnsinn – von seiner Obsession zu Batman ganz zu schweigen – gerade erst so richtig zu sprießen begann. Er also gerade erst zum jetzigen Joker wurde.
 

Aber wer könnte so eine Macht haben, und warum? Scarecrow vielleicht? Nein, eher unwahrscheinlich. Sein Gas löst Angstzustände aus, und dass ist hier keineswegs der Fall. Zumal es der Vogelscheuche bis jetzt auch nicht gelungen ist, Joker irgendeine Angst zu entlocken. Wäre aber ganz sicher interessant zu wissen, um was es sich dabei handelt. Vermutlich irgendetwas mit Batman, womit die zwei sogar eine Gemeinsamkeit hätten. Schließlich fürchtet Jonathan nichts mehr als die dunkle Fledermaus. Doch das ist hier gerade nicht das Thema. Also weiter im Text.
 

Allerdings ist es ziemlich schwierig, sich irgendwie festzulegen. Die meisten Schurken, erst recht die, die zu so etwas fähig sein könnten, hat Joker seit Monaten nicht mehr gesehen, geschweige denn ihnen irgendetwas getan. Das bedeutet also, dass dort jemand entweder sehr nachtragend ist und sich für etwas rächen will, das schon länger zurückliegt, er jetzt aber erst die Möglichkeit dazu bekommen hat. Oder aber es gibt ein neues Gesicht in Gotham. Einen unbekannten Schurken, der es auf Joker abgesehen hat. Doch warum? Weil er selbst an der Spitze der Nahrungskette stehen will, die Joker als Prinz dieser verruchten Stadt immer noch unangefochten anführt, und dass trotz der Tatsache, dass er nun ein weitgehend friedliches Leben führt?
 

Wer auch immer es war, muss den Clown auf einen seiner Streifzüge der letzten Tage erwischt haben. Allerdings war Joker nur ein einziges Mal draußen, und dass, um sich mit Batman auszusöhnen. Hat ihm dabei etwa jemand aufgelauert, sodass es nicht einmal der Rächer mitbekommen hat? Oder bevor die beiden aufeinandergetroffen sind? Der Junge hat zumindest nichts erzählt. Vielleicht hat er es aber auch vergessen? Immerhin war er so aufgewühlt, weil er dachte, Edward betrogen zu haben, da kann er unmöglich einen Gedanken an dergleichen verschwendet haben. Wahrscheinlicher wäre aber, dass Joker gar nichts bemerkt hat – sich der Täter ihm nicht direkt in den Weg gestellt hat. Dass ihm heimlich, aus dem Hinterhalt heraus, etwas verabreicht wurde, das jetzt seinen Gedächtnisschwund auslöst.
 

Doch geht so etwas überhaupt? Schließlich war ihm nichts anzumerken, bis Ed ihn ungewollt geweckt hat. Es muss daher mitten im Schlaf eingesetzt haben. Das heißt im Ernstfall etliche Stunden später. Gibt es das? Eine Amnesie mit Zeitverzögerung? Denkbar. Zum Beispiel, wenn der Patient einen Schock erlitten hat oder aus einem Koma erwacht. Aber beides ist bei Joker nicht der Fall. Um eine Lösung dafür zu finden, müsste Nigma ihn vermutlich befragen, was aber selbstverständlich nicht geht. Der Clown ist in einer Vergangenheit gefangen, die mehr als fünf Jahre zurückliegt. Wo er höchstwahrscheinlich noch nicht einmal irgendeinen Schurken gekannt hat...
 

Der Rätselmeister gibt es nicht gern zu, doch er wird hierbei wohl Hilfe brauchen. Hilfe von Batman. Was für eine berauschende Vorstellung... Ein nur allzu bekannter Funken Eifersucht regt sich in seinem Herzen, den er vehement zu verdrängen versucht. Auch die Fledermaus dürfte von diesem Gedanken nicht sonderlich angetan sein – Versöhnung mit Joker hin oder her –, geht es dem Rächer doch nicht anders. Er und Nigma sind immerhin stumme Rivalen um die Gunst des kleinen Clowns und akzeptieren den jeweils anderen nur, weil Joker es so will und braucht. Aber es muss sein. Keinem anderen kann er in dieser Sache vertrauen. Kein anderer verfügt über mehr Wissen hinsichtlich Gothams Schurken.
 

Ein tiefes Seufzen verlässt seinen Mund. All diese Überlegungen haben nur ein paar Sekunden in Anspruch genommen. Das ist nicht viel und bedarf sicher noch genaueren Nachdenkens, ehe er sich seinen Rivalen womöglich ins Haus holen muss, doch für Jack war die Zeit lang genug. Aus dem Bad vernimmt Ed jetzt einen überraschten Schrei, der sehr schnell in Wut umschlägt. Der Brünette schluckt hart. Er ahnt Schlimmes...
 


 

5
 

Nur Sekunden später wird die Schlafzimmertür ruckartig aufgerissen und Jack steht wutschnaubend und mit gefletschten Zähnen unter der Zarge. „DU!“, knurrt er wie ein tollwütiger Wolf. Noch ehe der Angesprochene überhaupt Luft holen kann, um eine mögliche Antwort zu formulieren, packt ihn der Jüngere wieder am Kragen, der daraufhin nur noch weiter einreißt, und rammt ihn dann mit voller Wucht gegen die Schranktür. Nigma sieht nur noch Sterne, klammert sich aber verbissen weiterhin an die Wirklichkeit. Nicht auszudenken, was alles passieren könnte, sollte er jetzt ohnmächtig werden...
 

„Was für ein krankes Schwein bist du eigentlich?“, faucht ihn der Bengel an. „Was hast du mit meinen Haaren gemacht? Und was sind das für selten dämliche Bilder auf meinen Armen? Das geht überhaupt nicht ab! Ich hoffe für dich, dass der Scheiß Henna ist!“, gebärt sich der kleine Clown weiterhin, während er Edward immer wieder gegen die Schranktür wuchtet und ihn wie ein paar alte Lumpen durchschüttelt. Diese Kraft ist wirklich beängstigend, und Ed hatte so sehr gehofft, sie nie wieder am eigenen Leib erfahren zu müssen...
 

Trotz der Schmerzen und der Angst ist Edwards erster Gedanke allerdings: ‚Zum Glück hat er das Tattoo an seinem Steiß nicht gesehen. Das könnte ihm kein Mensch erklären und anschließend noch weiterleben...‘ Kurz darauf kommt ihm noch ein weiterer Gedanke. Die Amnesie scheint noch weiter zu reichen. Jacks Hier und Jetzt muss sich irgendwo zu der Zeit befinden, wo der Bengel in diesem schrecklichen Kinderheim war. Bevor er seinen Freund Sam im Affekt getötet hatte. Bevor der tragische Unfall mit dem Chlorreiniger passiert ist. Ja, sogar noch bevor er sich überhaupt erst in Sam verlieben konnte.
 

„Ich – ich...“ setzt Nigma stammelnd an und bekommt dennoch kein Wort heraus. Er weiß auch beim besten Willen nicht, was er sagen soll. Sein Gegenüber versteht aber verständlicherweise so gar keinen Spaß mehr. „Ich hoffe für dich, dass ich der Einzige bin, den du entführt hast, Freundchen! Denn wenn du Sam auch nur ein Haar gekrümmt hast, mach ich dich kalt!“ Ah! Das bestätigt immerhin die Vermutung des Rätselmeisters, in welcher Zeit sich der Grünhaarige jetzt befinden müsste. Kein Trost, aber wenigstens eine kleine Gewissheit.
 

„Du – du verstehst das alles völlig falsch...“, bringt Ed schwerlich hervor und windet sich hilflos im eisernen Griff des Verrückten. „Oh, glaub mal, ich versteh sehr gut!“, knurrt Jack und ballt abermals die linke Faust. Kurz darauf knallt sie mit voller Wucht auf Nigmas rechtes Auge. Ein weiterer Schlag trifft ihn überaus hart im Magen. Dann lässt der Junge, Gott sei Dank, wieder von ihm ab. Wie ein nasser Sack landet der Brünette erneut auf dem Boden und ringt erstickt nach Luft, hustet und versucht abermals, nicht ohnmächtig zu werden. Sein ungewollter Mitbewohner verschwindet derweilen wieder im Bad, um sich nun doch endlich anzuziehen.
 


 

6
 

Die Wartezeit ist diesmal um einiges länger, was Ed nur recht sein kann. Angestrengt versucht er durchzuatmen, all die Schmerzen zu ignorieren, die von seinem Körper Besitz ergriffen haben und ihn hilflos zittern lassen. Er hat auch die Möglichkeit zum Nachdenken, auch wenn es ihm jetzt noch viel schwerer fällt. Erst einmal braucht er ein paar Minuten, ehe er sich wieder halbwegs aufrecht hinsetzen und gegen den Schrank lehnen kann. Im Nachhinein betrachtet war das vielleicht aber keine so gute Idee. Kaum, dass er sitzt, fliegen auch schon schwarze Punkte vor seinen Augen vorbei. Oder eher vor seinem Auge. Das Rechte kann er nicht mehr öffnen, ohne das es schmerzt und zu tränen beginnt.
 

Reflexartig schließt er es daher wieder und das andere gleich mit. Nun sieht er allerdings weiße Punkte vor seinen geschlossenen Lidern dahinrasen. Ihm ist ganz schlecht, und er ist schon ziemlich froh, dass das alles nicht erst nach dem Frühstück passiert ist, sonst hätte er sich mit aller größter Wahrscheinlichkeit schon mehr als einmal übergeben müssen. Nach und nach vergeht die Übelkeit wieder etwas, und auch die Punkte verschwinden. Ganz langsam öffnet er daher erneut das linke Auge und prüft dabei abwartend seinen restlichen körperlichen Zustand.
 

Schwerfällig rollt sein Kopf zur Seite und starrt erneut auf die Schlafzimmertür. Angestrengt lauscht er auf mögliche Geräusche aus dem Bad. Viel ist jedoch nicht zu hören. Joker, oder eher Jack – das sollte er sich dringend merken, es könnte vielleicht irgendwann einmal wichtig sein –, murmelt irgendetwas vor sich hin. Es klingt nicht gerade erfreut, was Nigma hinsichtlich seiner Situation nachvollziehen kann. Der Rätselmeister kann nur hoffen, dass der Bengel halbwegs zufrieden sein wird, wenn er wieder zurück ins Schlafzimmer kommt. Noch mehr Prügel will der Brünette nun wirklich nicht beziehen, schon gar nicht, ohne zu wissen, bei wem er sich eigentlich dafür bedanken darf.
 

Für eine Sekunde kommt ihm der Gedanke, den Panikknopf zu drücken, der sich in seiner unmittelbaren Nähe an der Seite des Schrankes befindet. Doch würde ihm das etwas bringen? Seine Jungs kämen zu ihnen hinauf. Sie würden nicht begreifen, was mit Joker nicht stimmt, genauso wenig wie Jack begreifen würde, was dieser plötzliche Überfall nun wieder zu bedeuten hat. Edwards Männer wären in der Überzahl, doch das würde auch nicht so viel bringen. Der Grünhaarige hat genug Kraft und Geschicklichkeit, um zwei oder drei von ihnen auszuschalten, noch bevor die Jungs überhaupt auch nur einen Treffer landen können.
 

Das wäre also eher eine schlechte Idee. Vielleicht sollte er sie aber dennoch im Hinterkopf behalten, falls der Verrückte wieder auf ihn losgehen will? Was für Möglichkeiten hat er noch? Unter seinem Kopfkissen liegt seine .45er Magnum. Aber was soll er damit anfangen? Etwa auf den Jungen schießen, den er von ganzem Herzen liebt? Unmöglich! Nicht einmal aus Notwehr! Zudem ist er sich auch irgendwie sicher, dass sich Jack nicht sonderlich von der Waffe beeindrucken lassen würde. Immerhin hat der Bengel schon einiges durchgemacht und weiß sich zu wehren. Außerdem ist Ed nicht einmal ansatzweise so schnell und gewandt wie der Clown, nicht einmal in völlig fittem Zustand. Joker würde ihm die Waffe daher mit größter Wahrscheinlichkeit einfach wieder abnehmen, wenn er nicht in dem Augenblick auf ihn schießen will, wenn er die Badezimmertür öffnet. Also auch keine Option...
 

In der Küche liegt noch ganz hinten in einem Schrank eine Tafel Schokolade versteckt. Allerdings käme es einer unmöglichen Weltreise gleich, in seinem angeschlagenen Zustand dorthin kommen zu wollen. Und die Chancen stehen verdammt hoch, dass Joker diese Leckerei im Moment auch herzlich wenig interessiert. Somit auch keine Möglichkeit, Frieden zu stiften. Der stolze Rätselmeister gibt es nur sehr ungern zu, doch er sitzt definitiv in der Falle. Oder besser ausgedrückt: In einem ganzen Haufen Scheiße! Ein Rätsel wird ihm hier selbstredend auch nicht helfen, die findet Joker schon unter normalen Umständen mehr lästig als alles andere, und er lässt sie nur notgedrungener Maßen über sich ergehen, um Ed eine Freude zu machen.
 

Daher bleibt ihm wohl nichts anderes übrig, als hier zu sitzen und auf sein Schicksal zu warten... Akzeptieren will er diese Tatsache nicht wirklich, doch es gibt einfach nichts, das er tun kann, ohne Joker wohlmöglich zu verletzen, den Bengel immer wieder unbewusst auf die Palme zu bringen, oder sich selbst noch mehr Schmerzen einzuhandeln. Also einfach abwarten...
 


 

7
 

In seinen Schmerzen versunken döst der Rätselmeister schon fast ein. Es ähnelt allerdings mehr einer Ohnmacht als heilendem Schlaf. Verhindert wird dies durch ein lautes Poltern. Sein vernebelter Kopf erläutert ihm schließlich, dass es sich dabei um die Badzimmertür gehandelt haben muss, die Joker wohl äußerst ungestüm geöffnet hat, sodass sie gegen das Regal mit Handtüchern geknallt ist, das sich genau dahinter befindet. Instinktiv spannt der Brünette sämtlich Muskeln an und macht sich auf das gefasst, was auch immer jetzt passieren wird. Bitter schmeckt er eine Unmenge Adrenalin hinten im Rachen. Entgegen all seiner Annahmen kommt der kleine Clown jedoch nicht mehr ins Schlafzimmer, um ihm womöglich eine letzte Abreibung zu verpassen.
 

Stattdessen hört er gedämpft, wie der Junge die Wohnungstür öffnet und in den Hausflur verschwindet. „Mist!“, knirscht Edward in sich hinein. Mit zusammengebissenen Zähnen kämpft er sich schwerlich auf die Füße. Er muss den Grünhaarigen irgendwie aufhalten. Nicht auszudenken, was alles passieren könnte, wenn Joker in seinem Zustand durch Gotham irrt. Jeder Schurke, der sich gerade auf freiem Fuß befindet, wird sofort merken, dass etwas nicht mit ihm stimmt und ihm an den Kragen wollen. Sie alle haben immer noch mehr als genug Wut wegen der Sache in der Iceberg Lounge im Bauch, um den Verrückten schneller um die Ecke zu bringen, als dieser auch nur Piep sagen kann...
 

Es scheint eine Ewigkeit zu dauern, bis Nigma endlich aufrecht steht, ohne von Ohnmacht oder grellen Lichtpunkten vor den Augen überwältigt zu werden. Bevor er jedoch den Raum verlässt, lässt er sich aber noch einmal aufs Bett sinken und greift nun doch nach seiner Pistole unter dem Kissen. Selbstredend hat er immer noch nicht vor, Joker in irgendeiner Form zu verletzten, aber vielleicht hält ihn ein Warnschuss zumindest solange auf, bis seine Jungs ihn irgendwie einfangen oder beruhigen können?
 

Beim Gedanken an seine Männer wird Ed ganz flau im Magen. Sie wissen ja auch nicht, dass mit Joker etwas nicht stimmt, werden ihn daher wie immer ganz ausgelassen und überschwänglich behandeln. Und er wird es ihnen danken, indem er sie in seiner Wut und Panik verletzt – oder gar schlimmeres...
 

„Oh, nein...“, wimmert der Brünette leicht und erhebt sich schwerlich wieder. Er muss sich irgendwie beeilen. Ungeschickt stolpert er aus dem Raum heraus. Die Wohnungstür steht noch offen, und der Ältere kann die zornigen Schritte seines Gefährten am unteren Ende der Treppe poltern hören. Schnell versucht er ihm zu folgen, doch es ist alles andere als einfach. Seine wackeligen Beine wollen ihm resolut den Dienst versagen und ihn die Treppe herabstürzen lassen, sodass er sich panisch am Geländer festklammern muss. Es verhindert jedoch nicht, dass er vier Stufen hinabrutscht, und ein stechender Schmerz seine Beine und den Rücken hinaufschießt, von seiner Hüfte ganz zu schweigen, in der es mahnend knackt. Mitleidig stöhnt er auf und zieht sich zitternd am Geländer hoch.
 

Für einen Moment verstummen daraufhin die Schritte des Clowns und Edward kann über das Geländer hinweg einen Blick auf ihn erhaschen. Es dauert nur eine Sekunde, dann wendet Joker das Gesicht aber schon wieder ab und setzt seinen Weg fort. Doch es hat gereicht, um all den Zorn und das Unverständnis in den unnatürlich roten Augen zu erkennen. Zudem sieht er in Nigmas Klamotten unglaublich befremdlich aus, und dass nicht nur, weil sie mindestens vier Nummern zu groß für ihn sind.
 

Es ist schon eine ganze Weile her, da hat Joker mal eines seiner weißen Hemden angezogen, ganz so wie es unter Liebespaaren nach romantischer Zweisamkeit schon mal üblich ist. Es reichte ihm bis über die Knie, sodass er gar nichts anderes mehr angezogen hat. Hätte er sich einen Gürtel um die Hüften gebunden, hätte es fast so ausgesehen, als würde er ein Kleid tragen. Er tanzte damit beschwingt durch die Küche und kochte Kaffee, während Ed ihn schmunzelnd vom Tresen aus beobachtet hat. Er sah so unglaublich niedlich aus, so glücklich. Aber das scheint schon tausend Jahre her zu sein, wie es dem Brünetten vorkommt...
 

Schweren Herzens verdrängt der Rätselmeister diesen Anblick und beginnt damit, vorsichtig den Rest der Treppe hinter sich zu bringen. Zweimal sieht es dabei wieder so aus, als würde er stürzen, sich womöglich den Hals brechen, doch er kann sich jedes Mal gerade noch so retten. Allerdings ist das nicht gerade förderlich für all die Blessuren, die sich immer weiter in seinem Körper ausbreiten. Mittlerweile scheint es keine Stelle mehr zu geben, die nicht höllisch schmerzt. Alle Muskeln zittern und ihm bricht deswegen schon bei der kleinsten Bewegung der Schweiß aus. Das ist gar nicht gut, überhaupt nicht.
 

Schließlich erreicht er doch endlich den untersten Absatz und somit die Tür, die ihn in die Garage führt. Sie steht nicht offen, was aber auch nur daran liegt, dass sie eine große Feder hat, die sie von selbst ins Schloss zurückfallen lässt. Tief durchatmend steht Ed davor und versucht sich auf das vorzubereiten, was ihn auf der anderen Seite erwarten könnte. Es gelingt ihm nicht wirklich, zudem hört er nichts aus der Garage. Ist das jetzt ein gutes oder eher ein schlechtes Zeichen? Auch diese Frage kann er nicht beantworten. Von daher hilft nur eines: Schwer fällt seine Hand auf die Klinke und drückt sie nieder...
 


 

8
 

Was ihn auf der anderen Seite der dicken Metalltür erwartet, wirkt mindestens so befremdlich, wie den durchgeknallten Bengel in Nigmas Anzug zu sehen. Joker steht mit dem Rücken zu ihm. Ein Schnappmesser funkelt bedrohlich in seiner Hand im Schein der Deckenbeleuchtung. Wo hat der Bengel nur so schnell das Messer gefunden? Ihm gegenüber stehen Edwards Männer aufgereiht und unbewaffnet. Alle Beteiligten wirken angespannt. Die Luft scheint zum Schneiden dick. Die Szene erinnert den Rätselmeister unweigerlich an den Wilden Westen. Allerdings herrscht hier durchaus verkehrte Welt, denn der Grünhaarige kann in diesem Zustand unmöglich den rechtschaffenden Sheriff spielen, der seine heißgeliebte Stadt vor einer fiesen Räuberbande zu beschützen versucht. Doch vielleicht mimen seine Jungs auch ein wehrhaftes Dorf und sie versuchen, sich gemeinsam gegen diesen irren Eindringling zu verteidigen?
 

Aber ganz gleich, wie man es auch sehen mag, es ist nicht gut. Joker hat eine deutliche Angriffshaltung eingenommen und ballt die Faust, die nicht das Messer hält. Knurrend wie ein Hund zieht er dabei die Lippen hoch, um seine eindrucksvollen Reißzähne zu präsentieren. Eds Truppe wirkt hingegen nur sehr verwirrt. Alle stehen sie wie verschüchterte Kinder da und wissen nichts mit ihrem Gegenüber anzufangen.
 

Scheppernd fällt plötzlich die Tür hinter Nigma ins Schloss zurück. In der schneidenden Stille ist der Laut nahezu ohrenbetäubend. Sichtlich zucken alle Anwesenden zusammen. Gehetzt wendet Joker den Blick und entdeckt den Brünetten, der erschöpft an der Zarge lehnt. Mehr als ein zorniges Knurren hat er auch für ihn nicht übrig. Edwards Männer hingegen sind nun ziemlich erschrocken, versuchen ganz sicher zu ergründen, was vorgefallen sein muss, weshalb ihr Boss in so schlechter Verfassung ist.
 

Zwei von ihnen treten einen Schritt vor und setzen dazu an, ihm helfen zu wollen, doch dann wendet Joker mahnend den Blick herum, schwenkt sein Messer drohend in ihre Richtung und knurrt wieder. Mit einem japsenden Laut nehmen die Männer ihren ursprünglichen Platz wieder ein.
 

„Du hast mich in einen Hinterhalt gelockt, du elender Mistkerl!“, faucht der kleine Clown nun wieder in Nigmas Richtung. „Nein! Ich schwöre, dass es nicht so ist! Niemand hier will dir etwas tun. Bitte bleibt ganz ruhig...“ „Du hast mir gar nichts zu sagen, Alter! Und jetzt lass mich sofort gehen oder ich werde...“ „Schon gut! Schon gut. Keiner von uns wird dich aufhalten, wenn du gehen willst. Aber vielleicht überlegst du es dir doch noch einmal? Wo willst du denn mitten in der Nacht bei dieser Kälte hin?“, setzt Ed wenig hoffungsvoll an. „Das geht dich einen Scheißdreck an, wo ich hinwill!“
 

Inzwischen hat es der Rätselmeister mehr oder weniger aufgegeben, Joker an seiner Flucht zu hindern. Es würde nur zu unnötigen Verletzten führen. Außerdem ist der Grünhaarige gedanklich in einer Zeit gefangen, in der er wohl kaum mal eben in seinen Lamborghini springen und aus der Stadt düsen wird. Zu Fuß wird er bei dieser Kälte und dem Schnee, der den ganzen Tag über gefallen ist, daher sicher nicht weit kommen. Er kann ihm etwas Vorsprung lassen und dann einen seiner Jungs hinter ihm herschicken, um ihm im Auge zu behalten, bis er eine Lösung für all das gefunden hat. Das ist vermutlich der einzig vernünftige Weg.
 

Zu allem Überfluss kann sich Ed auch nicht mehr lange auf den Beinen halten. Daher sollte er das hier vielleicht beschleunigen und dem Bengel seinen Willen lassen. „Toni, öffne das Tor und lass ihn gehen.“, gibt er schwer atmend von sich und lehnt sich bedenklich gegen die Türzarge. Sorge schlägt sich daraufhin in den Gesichtern der Männer nieder. Unzweifelhaft gilt sie nicht nur Edward selbst, sondern auch Joker. Dennoch dauert es nur ein paar Sekunden und dann setzt sich Toni unter den wachsamen Augen des verrückten Clowns langsam in Bewegung.
 

Als er das Garagentor erreicht, wendet er noch einmal den Blick zum Brünetten um, doch dieser nickt ihm nur zu. Mit einem lautlosen Seufzen betätigt der breitschultrige Mann schließlich den Knopf und das Tor rattert gemächlich in seinen Führungen nach oben. Rumpelnd kommt es nach einer Weile zum Stehen, eisige Nachtluft weht herein. Jungfräulicher Schnee türmt sich gut fünf Zentimeter vor dem Gebäude auf. Eine Millionen Wintersterne funkeln am tiefschwarzen, inzwischen größtenteils wolkenlosen Himmel, und ein perlweißer Mond erhellt den Vorplatz fast so gut wie ein Bühnenscheinwerfer, lässt die herabgefallenen Flocken wie unzählige Diamanten glitzern. Es herrscht vollkommene Stille dort draußen. Nur wenn man sich unglaublich anstrengt, kann man in weiter, weiter Ferne das Brummen einiger Baumaschinen hören.
 

Kaum, dass das Tor zum Stillstand gekommen ist, huscht Joker auch schon darauf zu. Die Männer in der Garage weichen vor ihm zurück, als fürchten sie, dass er eine ansteckende Krankheit haben könnte. Der Rätselmeister kann es ihnen nicht verübeln. Gleichermaßen ist er froh, dass sie sich so verhalten. So entgehen sie zumindest dem meisten Ärger. In jedem Fall haben sie weit mehr Glück als Ed selbst.
 

Nahezu abrupt stoppt der kleine Clown direkt unter dem Tor. Die kalte Luft erfasst seinen schmalen Körper. Unsichtbare Windfinger greifen in seine geborgten Klamotten. Sie flattern sichtlich, erst recht, weil sie ihm viel zu groß sind. Ganz langsam wendet der Junge das Gesicht herum und starrt sie alle eine schier endlose Weile an. Sein Blick ist der eines kleinen Tieres, das viel zu lange eingesperrt war und nun unverhofft freigelassen wird. Unschlüssig, ängstlich und hilflos, dennoch gehetzt und voller Wut. Ein seltsamer Funken huscht durch seine unnatürlich roten Augen. Gern würde sich Edward einbilden, dass in diesem Funken etwas von Erkennen schlummert, von Erinnerung. Doch das ist wohl zu viel des Guten.
 

Jacks Gesicht verfinstert sich immer mehr. Zum Schluss scheint er schon fast zu Schmollen. Wie ein bockiges Kind starrt er sie alle an, dann verschwindet er ohne ein weiteres Wort einfach in die eisige Nacht hinaus und rennt davon...
 


 

9
 

In sich gekehrt lässt Toni das Tor kurze Zeit später wieder nach unten fahren, damit noch etwas Wärme in der Garage zurückbleibt. Schweigend stehen sie alle beisammen und wissen nicht so recht, was sie jetzt sagen oder tun sollen. Nigma geht es da nicht viel besser. Er kämpft allerdings auch noch mit ganz anderen Dingen.
 

Das Tor hat sich noch keine zwei Minuten geschlossen, da kapituliert sein angeschlagener Körper endgültig. Mit einem schmerzlichen Stöhnen rutscht er ungelenk an der Türzarge hinab und setzt sich dann unsanft auf den kalten Betonboden. Sein Kopf dröhnt, als würde er jeden Moment platzen. Die grellen Punkte vor seinen Augen sind auch wieder da. Ihm ist schlecht, und dass nicht nur vor Schmerzen, sondern auch vor Sorge. Heiße Tränen rinnen ungehalten seine völlig blassen Wangen hinab, und er gibt ein ersticktes Schniefen von sich.
 

Erst jetzt merken seine Jungs, dass etwas nicht stimmt. „Boss!“, kommt es erschrocken von Mel. Mit zwei großen Schritten ist er bei ihm und versucht, die Lage zu ergründen. „War das etwa Mister Jay, der dich so zugerichtet hat?“, fragt er sorgenvoll und versucht, ihm wieder auf die Füße zu helfen. Stöhnend lässt es der Rätselmeister geschehen. Im festen Griff des anderen Mannes stolpert er langsam zur Couch hinüber. Schwerlich legt er sich dort hin, auch wenn er es nicht will, doch Mel lässt ihm keine andere Wahl.
 

„Ja, aber – aber Joker ist nicht – ist nicht er selbst. – Er kann sich an nichts erinnern. – Nicht an mich, nicht an euch, an gar nichts. – Irgendwie hat er sein Gedächtnis verloren und irrt jetzt dort draußen herum. Wir müssen ihn unbedingt wiederfinden und versuchen, seine Erinnerungen zurückzubringen, bevor er etwas anstellt oder ihm womöglich etwas passiert! Ihn trifft keine Schuld an alledem...“, berichtet Ed unter Tränen.
 

„Aber wie kann denn so was passieren? Ich meine, man verliert doch nicht einfach so über Nacht alle Erinnerungen...“, wirft Bob bedrückt ein. „Ich weiß es nicht. Doch ich vermute mal, dass dort irgendwer seine Hände im Spiel hat. Als er aufgewacht ist, hat er mich nicht mehr erkannt. – Er hat geglaubt, ich hätte ihm irgendetwas Schlimmes angetan. – Dann ist er durchgedreht und hat mich verprügelt. Zum Glück nicht allzu sehr. Doch er hat mir die Nase gebrochen. Und ich kann wohl von Glück sagen, dass ich meine Brille noch nicht aufhatte, als er mir aufs Auge geschlagen hat...“
 

Inzwischen hat Carl einen nassen Lappen besorgt, den er dem Brünetten nun reicht, damit dieser ihn auf seine Nase legen kann. Auch der Rest der Männer wuselt geschäftlich umher und sucht Verbandsmaterial zusammen. „Woran kann er sich denn überhaupt noch erinnern?“, kommt es nun von Tom, während er Ed ein Kissen in den Rücken drückt, damit er bequemer sitzen kann. Dankbar versucht der Brünetten zu lächeln, doch es will ihm nicht so recht gelingen.
 

„Naja, er kann sich an nichts erinnern, was hier in den letzten Monaten passiert ist. Er kann sich auch nicht an sein Dasein als Joker erinnern. Was immer passiert ist, hat mehrere Jahre seines Lebens einfach ausradiert. So wie ich ihn verstanden habe, glaubt er, wieder ein junger Teenager zu sein. Er glaubt, dass er noch immer in diesem Waisenhaus lebt, aus dem er irgendwann geflüchtet ist...“ Edward hatte seinen Männern vor einer ganzen Weile zumindest bruchstückhaft erzählt, was er so alles von Joker erfahren hatte, sodass sie jetzt immerhin halbwegs verstehen, was er ihnen mitteilt.
 

„Toni und ich werden nach ihm suchen. Vielleicht können wir ihn ja doch irgendwie überreden, wieder hierher zurückzukommen.“, meint Carl zuversichtlich. „Das ist eine gute Idee. Doch kommt ihm nicht zu nahe, solange er so aufgebracht ist. Beobachtet ihn bloß, bis sich eine günstige Gelegenheit ergibt. Passt auf, dass ihm nichts zustößt oder er, Gott weiß wem in die Arme läuft. Im Schnee dürfte er nicht schwer zu finden sein, zumindest, solange er sich noch in den Narrows aufhält.“ „Verstanden, Boss.“ Und schon machen sich die beiden auf den Weg.
 

„Gibt es überhaupt ein Mittel, das gegen Amnesie hilft?“, fragt Mel nun unschlüssig. „Hm. Eine gute Frage. Soweit ich weiß, eher nicht. Man kann nur versuchen, Erinnerungen in jemandem wieder wachzurufen, indem man ihm etwas über sich erzählt oder ihn an vertraute Orte führt. Oftmals schließen sich solche Gedächtnislücken auch von ganz allein wieder. Aber das kann ziemlich lange dauern. Vielleicht hat das Ganze auch eine Chemikalie oder dergleichen verursacht, und dann bräuchten wir womöglich ein Gegenmittel? Das müssen wir aber alles erst herausfinden. Dafür brauchen wir Joker aber hier. – Wahrscheinlich brauchen wir sogar auch Hilfe von außerhalb...“
 

„Du meinst – Batman?“, fragt Bob nicht sonderlich glücklich. Edward erwidert seinen Blick in nicht gerade besserer Stimmung. Tonlos knirscht er mit den Zähnen. „Ja, ich fürchte, wir brauchen Batman...“, spricht er schließlich das aus, was keiner von ihnen jemals hören wollte. Ein Seufzen geht durch die Runde, aber es ändert natürlich nichts an der miesen Lage, in der sie sich gerade befinden. Keiner von ihnen will sich freiwillig vor die Tür begeben, um die Fledermaus zu suchen, und dass würde Ed auch niemals von ihnen verlangen. Das ist etwas, dass er selbst in die Hand nehmen muss. Allerdings muss er dafür erst einmal wieder etwas auf die Beine kommen.
 

Morgen ist aber auch noch eine Nacht, um sich damit zu beschäftigen. Und vielleicht besteht ja auch die unwahrscheinliche Change, dass sich Joker bis dahin wieder an alles erinnert und zu ihnen zurückkommt, als wäre nichts gewesen? Daran glaubt der Rätselmeister zwar nicht, aber hoffen darf man ja noch. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass Joker Batman ganz von selbst unabsichtlich in die Arme läuft. Der Ritter wird sofort merken, dass etwas nicht stimmt und ihm sicher irgendwie versuchen wollen zu helfen. Im besten Fall bringt er den Clown dann sogar hierher zurück und sie können gemeinsam an einer Lösung arbeiten.
 

Ja, dass wäre wirklich der beste Plan. Etwas anderes fällt Nigma im Moment einfach nicht ein, nicht mit diesen höllischen Kopfschmerzen und alledem. Müde schließt er die Augen und döst ein. Seine Männer lassen ihn schlafen. Abwechselnd halten sie allerdings bei ihm Wache, falls sich sein Zustand verschlechtern sollte, während der Rest seinen allnächtlichen Arbeiten nachgeht.

Raid


 

1
 

Bemüht geduldig starren die grünen Augen durch das Fernglas. Der Schneefall hat inzwischen aufgehört, sodass zumindest eine Chance besteht, in dem heillosen Durcheinander auf den Straßen in der Ferne dort unten etwas zu erkennen. Allerdings bezweifelt Selina irgendwie, dass es ihr gelingen wird, den Bengel von ihrem Standpunkt aus zu entdecken. Das Baseballstadion ist zwar das höchste Gebilde weit und breit, doch der große Parkplatz rundherum, macht es nicht gerade einfach, die wenigen Straßen, die die Narrows verlassen, zu beobachten. Mit einem angestrengten Seufzen lässt sie das Fernglas sinken und reibt sich die überanstrengten Augen.
 

„Glaubst du wirklich, dass es funktionieren wird?“, fragt sie ihre Mitstreiterin zum gefühlt hundertsten Mal. Ivy wirkt bei dieser Witterung nicht besonders glücklich. In nahezu drei Dutzend Schichten Stoff eingewickelt, ist sie kaum noch zu erkennen. Nicht zum ersten Mal denkt Catwoman dabei, dass es sicher einfacher gewesen wäre, mit alledem bis zum Sommer oder zumindest bis zum Frühling zu warten. Trotz der Kälte ist Pamela aber der Ansicht, das Ganze jetzt durchziehen zu wollen, weshalb sie eben selbst schuld ist, wenn ihr nun die Knospen abfrieren. Und wie heißt es doch so schön: Rache ist ein Gericht, das man am besten kalt serviert! Zudem ist ihr Zielobjekt nicht mehr lange in Gotham. Sich ein anderes zu suchen, könnte dauern und wäre sicher auch nicht einmal ansatzweise so lohnenswert. Also Augen zu und durch.
 

„Es wird funktionieren, vertrau mir.“, grummelt die Rothaarige verstimmt in sich hinein. „Von hier aus hat man aber einen ziemlich bescheidenen Blick...“, meint Selina mürrisch und setzt das Fernglas wieder an. „Eine andere Möglichkeit haben wir aber nicht, wie du sehr gut weißt. Außerdem gibt es ja nicht mehr so viele Straßen raus aus den Narrows, die dieser Rätselfreak nicht schon für seine kleinen Renovierungsarbeiten gesperrt hat.“ „Da ist etwas dran. Doch wer kann uns denn garantieren, dass dieser irre Clown überhaupt hierherkommt und sich nicht irgendwo in den Narrows verkriecht?“ Leicht verdreht Ivy die Augen. „Ich garantiere dir das. Immerhin habe ich das Gift zusammengemischt, das sein Gedächtnis auslöscht. Zudem sind noch ein paar andere Komponenten enthalten, die ihn gefügig machen werden. Ohne es zu wissen, wird er daher ganz instinktiv nach uns suchen. Du musst nur die Augen offenhalten, damit ihn niemand vor uns findet.“
 

„Na dann hoffen wir doch mal, dass dem so ist. – Glaubst du denn, dass Eddie und seine Leute den Bengel so einfach gehen lassen?“, hakt die Katze nach und lässt das Fernglas erneut sinken. „Darum mach ich mir keine Sorgen. Schließlich erkennt er keinen mehr von ihnen. Er wird sich daher versuchen zu verteidigen, und wir wissen doch alle nur zu gut, wie unverschämt stark Joker ist. Er schafft das schon. Außerdem ist dieser Hosenscheißer Nigma ja bekanntlich nicht gerade scharf darauf, Prügel zu beziehen. Und da Joker ja sein Kumpel ist, wird er bestimmt auch nicht wollen, dass der Bengel etwas abbekommt.“ Nichtssagend rümpft die Schwarzhaarige die Nase. „Und was ist mit Freeze? Immerhin ist das hier sein Revier.“ „Auch darüber brauchst du dir keine Gedanken machen. Ich habe Victor von alledem in Kenntnis gesetzt, bevor wir angefangen haben, und er ist damit einverstanden. Wenn er nicht so beschäftigt wäre, hätte er schon längst selbst versucht, dem Bengel den Hals für seine miese Aktion in der Iceberg Lounge umzudrehen. Somit ist er froh, dass wir ihm die Arbeit abnehmen. Wir haben sogar etwas bei ihm gut, sodass er uns bei nächster Gelegenheit zur Hand gehen wird.“
 

Ein Grinsen huscht über Catwomans Gesicht. „Wunderbar! – Aber sag mal, was war das eigentlich genau für ein Zeug, das ich da in die Lüftung von seinem Auto geschmuggelt habe? Die Karre hätte mich immerhin fast gegrillt...“, pikiert sie sich nun etwas. „Nun reg dich nicht so auf. Es ist doch nichts passiert. Deine Schnurrhaare sind alle noch dran. – Für das Gift habe ich unter anderem verschiedene Bestandteile von Schlafmohn und Stechapfel verwendet. Zusammengenommen haben sie eine ganz ähnliche Wirkung wie Flunitrazepam.“
 

Nun macht Selina große Augen und verzieht angewidert das Gesicht. „Ist das nicht diese sogenannte Vergewaltigungsdroge? Das Zeug, das miese Typen einem ins Glas tun, um leichtes Spiel zu haben, weil man kaum noch Kontrolle über den eigenen Körper hat und man sich anschließend an nichts mehr erinnern kann? Und einen dann nach getanem Vergnügen wie den letzten Dreck irgendwo in einen Müllcontainer stopft?“ „Ja, ganz recht. Es löst unter anderem Gedächtnisschwund aus und macht einen völlig willenlos. Doch so heftig ist es hier nicht ganz. Joker kann sich immerhin noch aus eigener Kraft bewegen und halbwegs klar denken, sonst würden wir hier ja auch ganz umsonst hocken. Dafür ist der Gedächtnisverlust stärker, sodass er auch uns nicht mehr erkennen wird. Vielleicht hat er sogar ein paar Halluzinationen, doch das kann ich nicht genau sagen. Da spielt es eine Rolle, wie sehr sein Gehirn darauf anspringt und wie stark sein Wahn das Ganze begünstigt.“ „Na, wenn das mal gut geht...“, seufzt die Katze und konzentriert sich wieder auf die Straßen in der Ferne.
 


 

2
 

Die Erschöpfung zerrt hartnäckig an ihm. Die Kälte dringt immer weiter in seinen zierlichen Leib vor. Jeder Atemzug in dieser eisigen Luft schmerzt wie tausend Nadelstiche. Doch er muss weiter, er muss einfach. Keine Ahnung, wie lange er schon rennt, vor alle dem davonrennt, aber der Zwang dazu wird nicht geringer. Alles erscheint ihm so fremd. Und ein paar Mal hatte er zudem das nagende Gefühl, dass ihn jemand verfolgt. Das scheint nun allerdings vorbei zu sein. Ein heftiger Wind jagt mittlerweile durch die Straßen und Gassen und hat seine Spuren im Schnee unwiederbringlich davongeweht. Wenigstens ein Trost in dieser völlig verrückten Nacht.
 

Wie konnte das nur alles passieren? Er will gar nicht darüber nachdenken, was dieser Perverse womöglich alles mit ihm angestellt hat. Was er äußerlich sehen kann, reicht ihm zur Genüge. Daher muss er weiterlaufen, muss zurück zum Kinderheim, diesem ungeliebten Ort, der doch auf so seltsame Weise so etwas wie Schutz verspricht. Er muss Sam finden und sich vergewissern, dass es ihm gut geht, das ist alles, was jetzt zählt.
 

In der Ferne werden bunte Lichter sichtbar. Sie strahlen ein seltsam geformtes Gebilde an, bei dem es sich eindeutig nicht um ein Haus oder Bürogebäude handeln kann. Es dauert einen Moment und etliche Meter, ehe Jack klar wird, dass es sich dabei um das Baseballstadion handelt. Gut, das ist gut. So weiß er zumindest in etwa, wo er sich jetzt befindet. Dennoch ist der Weg in sein trügerisches Zuhause noch sehr weit. Bei dieser Witterung wird er es allerdings unmöglich schaffen, vor Tagesanbruch wieder im Heim anzukommen. Vielleicht wäre es daher angebracht, sich irgendwo im Stadion zu verstecken? Schließlich ist es dort sicher und warm, und vielleicht findet er sogar etwas zu essen. Ein paar Münzen wären auch gut. Dann könnte er den Bus nehmen, anstatt sich weiterhin durch dieses Chaos aus Schnee und Eis zu pflügen.
 

Ein bisschen Hoffnung ergreift sein schmerzlich pochendes Herz, erwärmt es sogar ein wenig. Diese Wärme scheint seinen erschöpften Körper mit neuer Energie zu versorgen. Sie treibt ihn regelrecht an. Also holt er noch einmal alles aus sich heraus und rennt auf das Stadion zu, auch wenn es nur sehr langsam näherkommt...
 


 

3
 

Ein Zittern gleitet ihren Rücken hinab, und nur mit Mühe kann sie ein Niesen unterdrücken. ‚Wie lange soll ich mir hier eigentlich noch den Hintern abfrieren?‘, geht es Selina angefressen durch den Kopf, während sie weiterhin durch das Fernglas starrt. Doch das Ergebnis bleibt dasselbe: Nichts. Der heftige Wind weht immer wieder feine Wolken aus Schnee in ihr Sichtfeld, doch sonst ist alles wie ausgestorben. Ein Jeder sitzt daheim am warmen Ofen oder liegt tiefschlafend eingekuschelt in seinem Bett, nur sie hocken hier in der Kälte. Und wofür? Schwer seufzend macht sie sich noch etwas kleiner, um wenigstens etwas Wärme zu sparen, auch wenn es nicht mehr allzu viel bringt. „Ivy?“, setzt sie an. „Wie lange...“, doch sie kann ihre Frage nicht mehr zu Ende führen. Die Rothaarige wendet ihr genervt den Blick zu. „Was?“, fragt sie schnippisch und wappnet sich schon für die patzige Antwort ihrer Mitstreiterin.
 

„Moment! – Ich sehe da jemanden...“ Die Schwarzhaarige wirkt allerdings ziemlich unschlüssig. „Na endlich...“, gibt die Pflanzenfrau in einem ungewohnt kindlichen-klagenden Tonfall von sich und verdreht dabei theatralisch die Augen. „Sieht mir aber nicht nach dem irren Clown aus...“, zerstört die Katze da aber auch schon die aufkeimende Freude in ihr. „Was? Wer ist es dann?“, will Ivy nun erzürnt wissen. Das kann doch alles einfach nicht wahr sein. Sollte ihr schöner Plan etwa doch gescheitert sein? Ist der Bengel vielleicht sogar immun gegen den Giftcocktail, ganz so, wie schon in der Iceberg Lounge ihre Pheromone bei ihm nicht gewirkt haben? Aber das kann doch einfach nicht sein! Sie hat sich die Mischung immerhin selbst ausgedacht, und es ist das stärkste Gebräu, das jemals ihren Händen entsprang. Soll ihre Rache also jetzt schon zum Scheitern verurteilt sein, ehe sie überhaupt beginnen konnte?
 

„Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wer das sein soll. Doch irgendetwas an ihm kommt mir dennoch bekannt vor. Ich komme nur nicht drauf...“, erwidert Selina nachdenklich. „Lass mich mal sehen!“, knurrt die Rothaarige in sich hinein und reißt ihr das Fernglas dann einfach aus den Händen.
 

Als sie den Jungen sieht, hat sie ebenfalls das Gefühl, dass er ihr bekannt vorkommt. Die grünen Haare scheinen unverkennbar zu Joker zu gehören. Doch die Klamotten, die er trägt, sehen eher nach dem Riddler aus. Und dann das Gesicht. Keine Spur von irgendeiner knallbunten Schminke. Aber da sind diese seltsamen Narben auf seinen Wangen. Könnte es also doch der Clown sein? Unschlüssig lässt sie das Fernglas sinken und blickt die Schwarzhaarige neben sich an. Diese zuckt nur nichtssagend mit den Schultern.
 

„Kannst du nicht deine Fühler nach ihm ausstrecken? Wenn er das Gift abbekommen hat, dann befinden sich doch sicher irgendwelche Sporen davon in seinem Körper, oder nicht?“ „Da hast du recht...“ Ivy schließt die Augen und konzentriert sich auf all die Pflanzen in ihrer Umgebung. Es sind allerdings nicht sonderlich viele. Der Parkplatz um das Baseballstadion herum, ist eine einzige tote Asphaltfläche, auf der kein Leben mehr gedeiht. Erst an den Rändern davon stehen ein paar Bäume. Sie liegen jedoch in tiefstem Winterschlaf und versuchen damit der Kälte irgendwie standzuhalten. Das Leid, das sie in dieser Jahreszeit durchmachen, umklammert das Herz der Rothaarigen wie mit grabeskalten Fingern. Mit einem kaum hörbaren Knurren versucht sie dieses Elend zu ignorieren. Es lässt sich einfach nicht ändern...
 

Ihre Sinne gleiten weiter. Da sind die wenigen Bäume, die die angrenzenden Straßen säumen, auch sie im Kampf mit der gefühllosen Witterung. Da ist das nahezu tote Gras auf einem Grünstreifen zwischen den Fahrbahnen, das unter all den Schneemassen elendig zu ersticken droht. All die Samen und Knollen unter der Erde, die verzweifelt ausharren und auf die wärmende Sonne des Frühlings warten, um ihr Leben erst richtig beginnen zu können. Diese armen Babys... Wie gern würde Ivy ihnen jetzt helfen, doch dafür ist einfach keine Zeit. Sie selbst durch die Kälte schon zu geschwächt.
 

Okay, Schluss damit, ehe sie die Erschöpfung noch ganz übermannt. So schwer es ihr auch fällt, sie blendet all das nun völlig aus. Sucht nach dem einzigen pflanzlichen Leben, das es schön warm hat und sich daher immer weiter vermehren kann. Da! Da sind ihre kleinen Sporen, oh, und wie gut es ihnen doch geht. Ein sanftes Lächeln umspielt Ivys Lippen und sie entspannt sich merklich. Aufmerksam wird sie dabei von Catwoman beobachtet, die den Bengel weiterhin mit dem Fernglas im Blick hatte. „Was ist nun?“, fragt sie ungeduldig. „Er ist es. Da besteht kein Zweifel. Die Sporen breiten sich immer weiter in seinem Gehirn aus und verstopfen mehr und mehr seiner Gedächtnisrezeptoren. Doch es geht ihm nicht sehr gut. Die Kälte setzt ihm zu...“
 

„Wem sagst du das?“, und nun muss Selina doch niesen. „Das ist mir auch klar. Aber wenn er nicht bald aus der Kälte rauskommt, erleidet er eine Unterkühlung, und dass wirkt sich negativ auf die Sporen aus. Im schlimmsten Fall sterben sie dadurch und all unsere Mühe war umsonst, weil Joker dann ins Koma fallen wird.“ „Oh, man. Na schön. Dann holen wir ihn lieber?“ „Ja, gehen wir ihm entgegen. Doch wir müssen vorsichtig sein. Die Sporen melden mir, dass seine Gedanken ein heilloses Durcheinander an Wut und Verzweiflung sind. Alles in seinem Körper ist zum Kampf bereit.“ „Welch eine Freude...“, seufzt die Katze. Kurz darauf machen sich die beiden auf den Weg hinab zum Parkplatz.
 


 

4
 

Er glaubt, dass er es schaffen kann, dass er das Stadion erreichen und dann sicher sein wird. Doch die Kälte hat seinem Körper mehr zugesetzt, als es ihm bisher bewusst gewesen ist. Seine letzten Kräfte sind verbraucht und er steht kurz vor dem Zusammenbruch. Beinahe ruckartig bleibt er daher stehen und atmet angestrengt durch. Die eisige Luft scheint seine Lungen gefrieren zu lassen und kühlt seinen mitgenommenen Leib nur noch mehr aus. Schmerzlich legt er sich eine fast schon völlig taube Hand auf die Brust. Sein Herz scheint sich bei jedem Einatmen heftig gegen diese Misshandlung zur Weht zu setzten. Zwingt ihn immer mehr in die Knie, damit er endlich mit diesem Unsinn aufhört und sich schlafenlegt.
 

Schlafen, oh ja, das klingt unglaublich verführerisch. Seine Augen werden ganz schwer. Sein Körper verliert immer mehr an Spannung. Ohne es zu wollen, sinkt Jack ganz langsam auf die Knie. Ein heftiges Zittern schüttelt seinen zierlichen Leib durch, doch er merkt es schon gar nicht mehr. Seine unnatürlich roten Augen verdrehen sich, sodass nur noch der seltsam gelbe Untergrund sichtbar ist. In seinem Kopf wird es so herrlich dunkel. Er spürt nicht, wie die Sporen in seinem Gehirn heftig Alarm zu schlagen beginnen, verzweifelt nach ihrer Mutter rufen, die so nah und doch so weit weg ist. Es wirkt wie ein Film, der in Zeitlupe abgespielt wird, als der kleine Clown schließlich vollkommen das Bewusstsein verliert und zu Boden zu fallen beginnt...
 


 

5
 

Selina und Ivy kommen gerade auf dem Parkplatz an, als die Schwarzhaarige auch schon die Stimme erhebt. „Er ist stehengeblieben?!“, gibt sie etwas verwirrt von sich. „Vermutlich hat er uns entdeckt...“, kommt es zähneknirschend von ihrer Begleiterin. „Nein, sieh doch, wie er sich die Hand auf die Brust legt. Irgendetwas stimmt da nicht.“ In dem Moment bleibt auch die Rothaarige ruckartig stehen. Überrascht betrachtet die Katze ihr verzerrtes Gesicht. „Meine – Babys...“, presst Ivy hervor und atmet angestrengt. „Oh, nicht doch...“, entkommt es Selina mit einem genervten Anflug von Hilflosigkeit.
 

Schon einen Moment später kann sie beobachten, wie Joker auf die Knie sinkt und Ivy es ihm gleichtut. Die Pflanzenfrau streckt eine Hand in Richtung des Jungen aus, eine unglaubliche Anstrengung überzieht dabei ihr Gesicht. Ehe eine der beiden Schurkinnen ein Wort herausbringen kann, bricht der Grünhaarige im unberührten Schnee am Rand des Parkplatzes endgültig zusammen. Nur wenige Sekunden später folgt ihm Ivy. Sie liegt zusammengekrümmt in der weißen Pracht, als wäre sie das letzte Blatt eines Baumes, der sich bis jetzt erfolgreich den Witterungen in den Weg gestellt hat, und seinen Kampf nun doch kläglich verloren hat.
 

Etwas unschlüssig betrachtet Catwoman die beiden eine Weile. Sie muss nachdenken, was jetzt am sinnvollsten wäre, doch eigentlich bleibt ihr dafür überhaupt keine Zeit. Jede Sekunde, die die beiden hier im Schnee liegen, tötet sie ein bisschen mehr. Allerdings ist sich die Katze nicht sicher, wem von beiden es schlechter geht, wem sie also zuerst helfen müsste. Ivy ist zum Großteil eine Pflanze, weshalb ihr die Kälte sehr zusetzt. Aber im Gegensatz zum Joker trägt sie jede Menge warmer Klamotten. Ein kleiner Gewissenskonflikt entspringt in ihrem Inneren. Letztendlich entscheidet sie sich aber für die Rothaarige. Sie ist immerhin entfernt so etwas wie eine Freundin, wohingegen Joker nur ein durchgeknallter Irrer ist. Sollte er also in der Zeit, die Selina braucht, um Ivy nach drinnen zu bringen, sterben, so wäre das kein großer Verlust, weder für sie noch für Gotham. Es wäre nach all der Mühe nur ein ziemliches Ärgernis.
 


 

6
 

„...du mich hören...?“, dringt eine kaum verständliche Stimme zu ihr durch. Ihr Körper fühlt sich komisch an, so als würde er im Nebel schweben. Daher gelingt es ihr nur schwerlich, sie zurück an die Oberfläche zu kämpfen. Mehrmals kann sie die Stimme noch auf sich einreden hören, ohne ein Wort zu verstehen. Sie muss sich konzentrieren, um wieder nach oben zu kommen. Plötzlich rüttelt eine Hand kräftig an ihrer Schulter. „Ich weiß, dass du mich hören kannst, also komm schon!“, zischt die Stimme nun zornig, und sie merkt, dass es sich dabei um Selina handeln muss.
 

Noch halb weggetreten hebt sie den Arm und schlägt damit kraftlos die rüttelnde Hand von sich weg. „Ivy?“, erklingt daraufhin die Frage. „...ja doch...“, brummt die Pflanzenfrau genervt und öffnet ganz langsam die Augen. Dabei merkt sie, dass sie in einem Bett zu liegen scheint. Mindestens drei Decken drücken ihr dabei fast die Luft ab, doch es ist so herrlich warm. Dennoch versteht sie das Ganze nicht. Langsam tritt Selinas doch irgendwie erleichtertes Gesicht in ihr Blickfeld. Kurz darauf hilft ihr die Schwarzhaarige, sich hinzusetzen. „Was – ist passiert? Und wo bin ich?“
 

Seufzend sitzt ihre Partnerin neben ihr auf einem Stuhl. Sie hat sich die Maske vom Kopf gezogen und streicht nun mit der Hand durch ihre schulterlangen, schwarzen Haare. Sie wirkt mindestens so müde, wie sich Ivy gerade fühlt. „Du bist auf dem Parkplatz zusammengebrochen, Joker ebenfalls. Ich hab euch ins Stadion gebracht. Das hier ist so etwas wie die Krankenstation.“ „Verstehe.“, murmelt die Rothaarige und sieht sich um. Am anderen Ende des Zimmers liegt der kleine Clown ebenfalls in einem Bett, begraben unter einem Berg Decken. Er ist allerdings noch nicht wieder zu sich gekommen. Dennoch breitet sich ein kleines Schmunzeln auf dem Gesicht der jungen Frau aus.
 

„Was ist?“, fragt die Katze leicht belustigt. Nachsichtig schüttelt die Angesprochene etwas den Kopf. „Nichts. Ich bin nur erleichtert. Meinen Sporen geht es gut. Das bisschen Energie, das ich ihnen zukommen lassen konnte, bevor ich ohnmächtig wurde, hat geholfen. Sie haben alle überlebt.“ „Na immerhin etwas. – Also werden sie dafür sorgen, dass der Bursche wieder aufwacht?“ „Ja, sie sind schon emsig dabei. Es dürfte also nicht mehr lange dauern.“ „Prima. – Denkst du, dass ich euch Zwei mal eine Weile allein lassen kann? Ich verhungere nämlich langsam.“ „Oh, etwas zu essen wäre jetzt wirklich wundervoll. Meine Sporen brauchen viel Energie bei dieser Kälte.“ Ein Grinsen schleicht sich auf Selinas Gesicht. „Die einzige Antwort, die ich jetzt gelten lasse, Schwester!“, und schon erhebt sie sich, um die Stadionküche zu plündern.
 


 

7
 

Sein Körper schmerzt und sein Schädel brummt ganz fürchterlich. Kein klarer Gedanke will in seinem Kopf Halt machen und ihm erklären, was hier eigentlich los ist. Ein heftiges Zittern schüttelt seinen schmächtigen Leib durch, weshalb er sich mit einem Stöhnen tiefer in die wohlige Wärme hineingräbt, die ihn umgibt. Langsam zieht sich Jack die Decke bis über den Kopf und rollt sich wie eine kleine Raupe zusammen. Er kann sich allerdings nicht erinnern, wie er hierhergekommen ist. Er weiß noch, wie er durch den Schnee geirrt ist und das Baseballstadion entdeckt hatte. Danach nichts mehr...
 

Jetzt scheint er aber in einem Bett zu liegen und es herrlich warm zu haben. Welche Schlussfolgerung ergibt sich also daraus? Plötzlich reißt er weit die Augen auf und starrt erschrocken in das Halbdunkel unter der Decke. Irgendjemand muss ihn gefunden und hierhergebracht haben, wo auch immer hier sein mag! Dieser Gedanke gefällt ihm ganz und gar nicht. Was ist, wenn es die Schlägertypen von diesem schmierigen Perversen waren? Immerhin hatte er zwischendurch ja das Gefühl, verfolgt zu werden. Wenn ihn die Kälte also womöglich in die Knie gezwungen hat und die Kerle ihn daher finden und zurückbringen konnten...
 

Oh, was für eine schreckliche Vorstellung! Jack muss sich in jedem Fall Klarheit verschaffen und dann ganz schnell zusehen, dass er hier wieder wegkommt. Er will nicht erleben, was dieser Kerl mit ihm anstellt, wenn er dieses Mal vielleicht bei Bewusstsein ist – oder was er vielleicht schon getan hat, während Jack wieder ausgeknockt war... Ein überaus unangenehmer Schauer gleitet seinen schmalen Rücken hinab und lässt ihn zittern. Okay, erst einmal tief durchatmen und dann weitersehen.
 

Ganz vorsichtig lupft Jack nun die Decke vor seinem Gesicht ein kleines Stück. Der Spalt ist gerade so groß, dass er etwas von der Außenwelt erkennen kann. Helles Licht dringt herein und nimmt ihm für einen Moment völlig die Sicht, sodass er die Decke wieder sinken lässt. Ein paar Augenblicke vergehen, dann versucht er es erneut. Diesmal allerdings noch langsamer, sodass er sich an die erschreckende Helligkeit gewöhnen kann.
 

Allmählich erkennt er etwas. Zu seiner völligen Verwirrung sieht es aber nicht wie das Zimmer von diesem schrägen Typen aus. Es scheint viel größer zu sein. Außerdem stehen hier mehrere Betten. Befindet er sich also gar nicht in der Wohnung dieses kranken Freaks? Womöglich aber in der seltsamen Halle, in der er auf die Schlägertypen getroffen ist? Dann muss es aber in einem Teil oder Nebenraum sein, den er vorher noch nicht gesehen hat. Hier ist alles so weiß und steril wie in einem Krankenhaus. Das gefällt Jack immer weniger. Er hasst Krankenhäuser, erst recht Ärzte und alles, was damit zu tun hat. Daher wäre es nur gut, wenn er schnell einen Weg hier rausfindet.
 

Bedächtig hebt er die Decke ganz langsam weiter an. Gleichzeitig schiebt er seinen Körper Stück für Stück dichter an den Rand des Bettes, damit er hoffentlich unbemerkt entschlüpfen kann. Schließlich lugt sein ganzer Kopf heraus, während sein Rest so weit an die Kante gerutscht ist, wie nur möglich, ohne herauszufallen. Daher kann er jetzt beträchtlich mehr von dem Zimmer erkennen. Langsam dreht er den Kopf in alle Richtungen, um sich ein Bild von alledem zu machen. Dabei hat er immer mehr das Gefühl in einem Krankenzimmer zu liegen. Aber immerhin scheint niemand sonst hier zu sein, was ihn schon einmal sehr beruhigt. Also schnell aufstehen und ab durch die Mitte.
 

Ganz so schnell wie gehofft, geht es dann aber doch nicht. Allein sich hinzusetzen, erfordert unendlich viel Kraft. Sein Körper ist inzwischen zwar gut durchgewärmt, aber er fühlt sich schlapp, müde und insbesondere hungrig. Nach einer kleinen Ewigkeit sitzt er endlich und hält sich den pochenden Kopf.
 

„Na? Endlich ausgeschlafen?“, ertönt auf einmal eine Stimme von irgendwo hinter ihm. Jack gibt einen überraschten Laut von sich und schreckt heftig zusammen. Da er aber so dicht an der Kante sitzt, passiert nun das Unweigerliche. Mit einem hohen Quieken fällt er aus dem Bett und knallt hart auf das nackte Linoleum. Ein schmerzliches Stöhnen entkommt ihm, während er kampfbereit versucht, wieder auf die Beine zu kommen und sein unbekanntes Gegenüber auszumachen. Ein keckes Lachen dringt an sein Ohr, das irgendwie erschöpft klingt. Dennoch hilft es ihm, endlich die Person zu finden.
 

Überrascht weiten sich seine roten Augen. Bei dem Fremden handelt es sich um eine Frau! Sie sitzt in einem Bett am anderen Ende das Raumes, sodass er sie von seiner Position aus nicht sehen konnte. Ihre langen, roten Haare bilden eine dichte Wolke um ihren Kopf, und wirken mit ihrer intensiven Farbe fast so, als würden sie in Flammen stehen. Ihre stechend grünen Augen sehen wie frischgewachsener Efeu aus. Tatsächlich scheinen sogar Efeublätter in ihren Haaren zu stecken. Ihre vollen Lippen tragen dieselbe grüne Farbe, was ihr ein irgendwie florales Aussehen verleiht. Fast wie eine Gestalt aus einem Märchen – die Hüterin des Waldes.
 

Jack schluckt hart und kann sie einfach nur anstarren, was sie allerdings nicht zu stören scheint. Sie lächelt sogar leicht belustigt und hebt eine Augenbraue. „Sag mal, hat das nicht wehgetan, Junge?“ „Ähm – geht schon wieder...“, bringt der Grünhaarige schwerlich hervor und setzt sich wieder aufrecht hin. Als sich dabei ihre Blicke trennen, fällt ihm wieder ein, was hier alles falsch ist, und dass er ja eigentlich wegwollte.
 

Etwas schwerlich kommt er wieder auf die Beine und sieht sich in dem großzügigen Raum um. Sucht nach der Tür und nach etwas, womit er sich und die junge Frau im Ernstfall verteidigen kann. Er verspürt den unbändigen Drang, ihr helfen zu wollen, scheint es doch so, dass er nicht der Einzige ist, der hier gefangen gehalten wird. Schließlich sieht er die Tür, und sie befindet sich auch noch genau dem Bett der Rothaarigen gegenüber ganz in seiner Nähe. Gut, jetzt noch... In einer Ecke entdeckt er einen Besen. Schnell flitzt er hinüber, ergreift ihn und huscht dann zum Bett der jungen Frau zurück. Schweigend betrachtet sich Ivy das Ganze.
 

Ohne die Tür aus den Augen zu lassen, stellt er sich genau neben das Kopfteil und hält den Besenstiel dabei kampfbereit umklammert. „Kannst du aufstehen, Missy?“, fragt er schließlich. „Mein Name ist Ivy.“, erwidert die Pflanzenfrau ruhig. „Okay. Ich bin Jack. Kannst du aufstehen, damit wir hier verschwinden können?“ Leicht überrascht registriert Ivy, dass ihr der kleine Clown nicht gesagt hat, dass er Joker heiße. Das ist doch mal interessant. „Ich denke schon.“, erwidert sie ihm, rührt sich jedoch nicht.
 

Plötzlich spannt der Junge neben ihr alle Muskeln an. Kurz darauf kann Ivy Schritte auf dem Flur draußen hören. Mit erhobenem Besen geht Jack langsam zum Fußende. Die Rothaarige kann ihn dabei leise knurren hören. Innerlich muss sie lachen. Selina wird vor Schreck sicher gleich eines ihrer sieben Leben verlieren, aber irgendwie hat der Gedanke etwas durchaus Spaßiges an sich.
 

Dann öffnet sich die Tür und Catwoman betritt den Raum. Auf den Händen balanciert sie ein großes Plastiktablett, wie man es aus einem Fast-Foot-Restaurant her kennen mag. Ein nahezu unverschämter Berg an Dosen, Bechern und Schachteln türmt sich darauf empor, sodass der Kopf der Katze völlig dahinter verschwindet. So sieht sie allerdings auch nicht, was nun auf sie zukommt.
 

In einer erstaunlich fließenden Bewegung holt Jack mit dem Besenstiel aus und schlägt ihr damit das Tablett aus den Händen. Polternd und krachend landen Essen und Getränke auf dem Boden und Selina erstarrt für eine Sekunde vollkommen. Mit weit aufgerissenen Augen blickt sie den Jungen vor sich an, der nun wieder den Besen anhebt, um auf sie loszugehen. Sie gibt ein verärgertes Fauchen von sich und weicht im letzten Moment aus.
 

„Was soll denn das?“, schnappt sie und versucht, nach ihrer Peitsche zu greifen. Allerdings trifft sie in dem Augenblick der Stiel des Besens genau auf dem Handrücken, ganz so, als hätte Joker geahnt, was sie vorhat. Mit einem unterdrückten Schmerzlaut versucht sie, dem nächsten Schlag auszuweichen. Doch die Reflexe des Bengels scheinen sogar noch besser als ihre eigenen zu sein. So rammt er ihr den Besen mit voller Wucht in den Bauch. Eine Sekunde später presst sich der Stiel waagerecht gegen ihren Hals und drückt sie damit gegen die Wand in ihrem Rücken. Der Kleinere gibt ein Knurren von sich, sodass Selina fast das Gefühl hat, von einem wütenden Hund angebrummt zu werden, was ihr ganz und gar nicht schmeckt.
 

Sie hätte zwar mehr als eine Möglichkeit, um sich aus seinem Griff zu befreien, doch das würde diesen sinnlosen Kampf wohl nicht beenden. Von daher entscheidet sie sich für die andere Lösung. „Ivy, würdest du wohl dein Schoßhündchen zurückrufen, bevor ich ihm noch in die Kronjuwelen treten muss?“ Sichtlich zuckt der Junge vor ihr zusammen und wird sich seiner ungeschützten Stellung diesbezüglich überhaupt erst bewusst. Dennoch weicht er keinen Schritt zurück. „Jack, sei brav und lass Selina in Frieden. Immerhin hat sie uns etwas zu essen besorgt.“, erwidert die Rothaarige und erhebt sich langsam vom Bett.
 

„Aber ich...“, setzt der kleine Clown an und wendet ihr das Gesicht zu. Als sich ihre Blicke treffen, bricht er den Satz ab und sein Körper verliert für einen Moment an Spannung. Das genügt der Katze, und so stößt sie ihn kräftig von sich weg. Unsanft landet Jack am Boden. Kurz darauf tritt die Spitze des Besenstiels in sein Blickfeld und richtet sich drohend auf seine Nase. „Schluss damit!“, faucht Selina. Dann kniet sich Ivy neben ihn, und ehe er etwas sagen kann, drücken sich die herrlich weichen Lippen der Rothaarigen auf die seinen. Ihm wird ganz schwindlig und heiß...
 

„Jack, sein ein guter Junge und räum das Chaos wieder auf, ja?“, fragt Ivy zuckersüß, während ihre langen, schlanken Finger wohltuend in seinem Nacken zu kraulen beginnen. „Okay...“, flüstert der Grünhaarige ganz verträumt und beginnt dann mit dem Aufräumen. „Mann, der Bengel ist auch ohne seinen lächerlichen Aufzug ganz schön taff...“, brummt die Katze verstimmt. „Wohl wahr. Aber jetzt haben wir ihn immerhin unter Kontrolle. Also lass uns essen, damit wir dann endlich zur Tat schreiten können. Die Nacht dauert schließlich nicht ewig und es gibt noch so viel zu erledigen.“, erwidert ihre Partnerin.
 


 

8
 

„Moment! Stopp!“, unterbricht Jack Selina, die gerade das weitere Vorgehen zu erläutern versucht. Mit erhobener Augenbraue sieht ihn die Katze ungeduldig an. „So geht das nicht! – Ich bin euch beiden echt dankbar, dass ihr mir geholfen habt und all das. Aber ich hab keine Zeit, um mit euch um die Häuser zu ziehen. Ich muss Sam finden!“, kommt es nun sehr nachdrücklich von dem kleinen Clown. Die Schwarzhaarige verdreht nur wieder die Augen. Wenn das so weitergeht, bekommen sie heute Nacht gar nichts mehr auf die Reihe und all die Mühe war umsonst.
 

Beruhigend legt sich nun Ivys Hand auf die schmale Schulter des Jungen. Flehend sieht er ihr in die Augen. „Aber das wissen wir doch, Jack. Und hättest du Selina ausreden lassen, dann wüsstest du jetzt, dass unser Plan einzig und allein dazu dient, dir zu helfen, Sam zu retten.“ Leicht zwinkert die Rothaarige der Katze zu, die sie nur verständnislos mustert. Es ist wohl besser, das Kommando erst einmal wieder an die grüne Flora zu übergeben, schließlich ist dieser Irre ja auch ihre Marionette.
 

„Wirklich?“, kommt es skeptisch von Jack. „Aber selbstverständlich! Wir mussten immerhin hilflos mitansehen, wie dieser Spinner euch beide entführt und in die Narrows verschleppt hat. Leider wurden wir dabei entdeckt, weshalb dieser Nigma uns eine Nachricht übergeben hat. Es war von Anfang an eigentlich nur sein Plan, Sam zu entführen. Doch da ihr beide euch ja ein Zimmer teilt, war es unvermeidlich, dass du von alledem Wind bekommst, weshalb er auch dich mitnehmen musste. Er hat sich allerdings schon gedacht, dass es mit dir nicht einfach werden wird, weshalb er auch zugelassen hat, dass du entkommen konntest, in der Hoffnung, dass du dann auf uns triffst.“
 

„Sam ist wirklich bei diesem Kerl? Oh, mein Gott! Ich hab ihn dort aber nirgends entdecken können...“, betroffen senkt Jack den Kopf. „Das war Absicht, Junge. Er hat Sam im Keller in einen Käfig eingesperrt, weshalb es dir unmöglich war, ihn zu sehen.“, mischt sich Selina nun doch kurz ein, wodurch sie ein zustimmendes Nicken seitens ihrer Partnerin erntet. „Oh, dieser Dreckskerl! Ich werd ihm den Hals umdrehen!“, platzt es knurrend aus dem kleinen Clown heraus.
 

„Dafür ist später sicher noch genug Zeit, Kleiner. Doch erst einmal müssen wir Nigmas Forderung erfüllen. Er mag ein krankes Arschloch sein, aber er ist auch ein Ehrenmann, und hält daher sein Wort. Wenn wir ihm also bringen, was er will, wird er Sam freilassen. Anschließend kannst du dich nach Herzenslust an ihm rächen.“ „Klingt so, als würdet ihr diesen Nigma gut kennen...“ „Nein, aber er hat einen gewissen Ruf, weshalb wir immerhin besser einschätzen können, was jetzt angebracht ist, als du es kannst.“
 

„Klingt logisch. – Und was will er?“ „Hast du schon mal etwas vom Enigma gehört?“, meldet sich nun wieder die Katze zu Wort. Verwundert betrachtet sie der Grünhaarige. „Heißt das nicht Rätsel?“ „Ja, schon. Aber das tut hier jetzt nichts zur Sache. In diesem Fall ist damit ein Diamant gemeint.“ „Das stimmt. Ein ganz besonderer Diamant allerdings. Er ist unglaublich groß und schwarz.“, fügt Ivy hinzu. „Ein schwarzer Diamant? Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt.“ „Sie sind auch sehr selten. Sie stammen aus dem Weltraum und kommen nur durch den Einschlag eines Meteoriten auf die Erde. Daher sind sie auch unglaublich wertvoll.“, erklärt Selina weiter.
 

„Klingt ja unheimlich. Aber okay. Und wo bekommen wir diesen Stein dann her?“ „Er wird zurzeit im Gotham Metropolitan Museum ausgestellt. Aber nur noch wenige Tage. Danach wird er ins Ausland gebracht und dort versteigert. Wir haben also nur heute Nacht, um das Ganze durchzuziehen. Sollten wir scheitern, wird Nigma Sam töten und anschließend Jagd auf uns drei machen.“ Sichtlich zuckt Jack zusammen und sieht Ivy mit großen Augen an. „Das – das darf nicht sein! Bitte, ich tue alles, was nötig ist!“ „Ganz ruhig, mein Junge. Wir haben schon alles geplant. Sam wird nichts passieren, solange du tust, was wir sagen.“ „Aber sicher doch!“ „Gut, dann los!“, erhebt sich nun die Schwarzhaarige ungeduldig und markiert damit die Zeit zum Aufbruch.
 


 

9
 

An sich ist der Weg zum Museum ziemlich weit. Doch der nächtliche Schneefall und die späte Stunde lassen die Straßen erstaunlich leer erscheinen. Außer ein paar Räumfahrzeugen ist praktisch niemand unterwegs. Zudem kennt Selina jede Menge Schleichwege und Nebenstraßen, die sie noch schneller und vor allen Dingen ungesehener zu ihrem Ziel bringen. Jack blickt sich die ganze Zeit über sehr nervös um. Es gibt so vieles, das ihm so gar nicht bekannt vorkommt, sodass er sich richtiggehend fremd im eigenen Land fühlt. Diese Fremdartigkeit ist jedoch einzig und allein der Tatsache zu verdanken, dass sich Gotham an vielen Stellen sehr verändert hat, seitdem Joker vor 8 Jahren ins Kinderheim kam.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit stoppt das Motorrad der Katze endlich und Jack löst seinen Griff von ihrer Taille. Langsam verlässt auch Ivy den Beiwagen und blickt sich um. Sie befinden sich in einer Seitenstraße hinter dem Museum, gut getarnt in den alles verschluckenden Schatten, die Gothams emporragende Gedärme des Nachts auf den Grund werfen. „Gut, es ist so weit. Erinnerst du dich noch an den Plan, Jack?“, fragt die Rothaarige den sichtlich angespannten Jungen neben sich. „Ich...“, setzt der Grünhaarige nachdenklich an und wirft den beiden Frauen dann einen skeptischen Blick zu.
 

„Was ist los mit ihm?“, will die Schwarzhaarige wissen und spannt ihren Körper an, als fürchte sie einen erneuten Angriff. Die grüne Flora seufzt nur und nähert sich dem kleinen Clown dann geschwind. Ehe er seinen Satz beenden kann und sein Denken womöglich wieder klarer wird, vereinigt sie ihre Lippen mit den seinen und erlangt somit erneut die Kontrolle über ihn. Der Körper den Jüngeren verliert sichtlich an Spannung und er blickt sich leicht benommen um. „Jack? Du weißt doch, warum wir hier sind, nicht wahr?“, fragt Ivy ihn schließlich etwas streng. „Wegen Sam und – und dem – Diamanten...“, kommt es mit belegter Stimme zurück. Dennoch ist die Rothaarige zufrieden.
 

„Ganz genau. Also konzentrier dich jetzt. Wir befinden uns hinter dem Museum. Selina wird uns jetzt einen Weg hinein bereiten und dann muss alles schnell und insbesondere reibungslos passieren. Denk immer daran. Wenn wir das Museum mit leeren Händen verlassen müssen, hat Sam nicht mehr lange zu leben.“, schärft sie ihm ein. Bedrückt nickt der Bengel und lässt die Schultern hängen.
 

Ivy hat ihre mahnenden Worte noch nicht ganz beendet, da macht sich die Katze auch schon bereit. Flugs verschwindet sie um die Hausecke und blickt sich prüfend um. Keine Menschenseele ist zu sehen. Gut, dann schnell weiter. Nun hat sie das gewaltige Gebäude des Museums vor sich. Imposant ragt es wie ein prähistorisches Tier düster in den Himmel empor. Beleuchtung gibt es nur auf den drei anderen Seiten, wo sich der Eingang und die zahlreichen Parkplätze befinden. Inzwischen sind auch ihre beiden Begleiter bei ihr angekommen.
 

Auf der Rückseite hat das Museum erst ab dem dritten Stock eine aufwendige Fensterfront, um die zahlreichen Ausstellungsstücke ins beste Licht zu rücken. Doch das stellt kein Problem dar. Sie wollen über den Keller ins Gebäude. Dort befinden sich riesige Lagerräume, wo alle Gegenstände untergebracht sind, die gerade in keiner Ausstellung stehen oder die, die restauriert und noch erforscht werden. Die Räume sind streng gesichert, sodass man sich eher wie in einem Bunker vorkommt, wenn man sich dort unter aufhält. Eine Schwachstelle hat das Ganze allerdings: Die Klimaanlage. Über die zahlreichen Lüftungsrohre werden sie ganz einfach bis zu dem Raum vordringen können, indem sich der Enigma befindet.
 

In etwa zwei Metern Höhe entdecken die drei nun ein Gitter. Es verdeckt den Auslass der Klimaanlage. Über ihn kommen sie in den Kühlraum, von wo aus das gesamte Gebäude mit frischer Luft versorgt wird. Über ein anderes Rohr kommen sie dann in den Ausstellungsraum. Mit einem eleganten Satz springt Catwoman hoch zum Gitter und klammert sich daran fest. Warme Luft bläst ihr entgegen, als würde ihr jemand einen Fön ins Gesicht halten. Der Ausstoß ist zwar bei Weitem nicht so heiß, wie bei besagtem Haartrockner, doch durch die nächtliche Winterkälte kommt es einem viel wärmer vor, als es eigentlich ist. Zudem riecht es irgendwie leicht abgestanden, fast schon muffig. Vermutlich kein Wunder, wenn man gedenkt, dass die meisten Stücke im Gebäude weit älter als Gotham selbst sind, und Alter riecht nun einmal nicht mehr allzu frisch.
 

Leicht rümpft die Katze die Nase und macht sich dann daran, die einzelnen Schrauben des Gitters zu lösen. Lautlos fallen sie anschließend in den Schnee und verschwinden darin. Mit etwas Mühe lässt sich die Abdeckung dann entfernen und Selina lässt sie vorsichtig hinab in Jacks wartende Hände gleiten. „Ich seh nach, ob die Luft rein ist.“, verkündet die Schwarzhaarige dann und verschwindet in dem Loch in der Wand. Gebannt warten die beiden anderen auf ihre Rückkehr. Minuten vergehen, dann endlich taucht der Kopf ihrer Begleiterin wieder auf.
 

Ein keckes Grinsen umspielt ihre schwungvollen Lippen. „Sieht gut aus. Die Gitter innerhalb des Gebäudes sind nicht verschraubt und im Kühlraum gibt es keine Wache. Dafür aber eine einzelne Kamera. Doch sie bewegt sich nicht, sondern ist starr auf die Schaltung der Klimaanlage ausgerichtet. Daher dürften wir keine Probleme haben, solange wir den Boden nicht berühren.“, erläutert sie zuversichtlich und streckt dann eine Hand aus, um Ivy hochzuhelfen. Und schon sind die beiden Frauen verschwunden. Mit leicht schief gelegtem Kopf sieht Jack ihnen einen Moment nach. Dann setzt er zum Sprung an und hangelt sich nach oben.
 

So leise und schnell wie möglich, huschen die drei dann zum Kühlraum vor. Der Weg ist nicht sehr weit, führt dafür aber in einem spürbaren Gefälle in den Keller hinab. Am Ende angekommen, löst Selina das nächste Gitter und stellt es neben sich im Rohr ab. Etwas zusammengedrängt blicken die drei anschließend in den Raum. Da ist tatsächlich nur eine Kamera und sie bewegt sich auch nicht, ganz genau wie es Catwoman gesagt hat. Etwa in einem 45°-Winkel zeigt sie direkt auf die Schalttafel der Anlage, sodass man von außerhalb gut sehen kann, ob alles vorschriftsmäßig funktioniert. Die Anlage nimmt den Großteil des Raumes ein, fast der ganze Rest wird von mehreren weiteren Rohren in Beschlag genommen, die an verschiedenen Stellen in den Wänden und der Decke verschwinden und sich von dort im gesamten Gebäude erstrecken.
 

Jetzt muss es ihnen also gelingen, in eines der Rohre hineinzukommen und sich dann darin in Richtung Ausstellungsraum zu bewegen. Ziemlich dicht an dem Punkt, wo die Rohre die Anlage verlassen und bevor sie dann in Decke und Wänden verschwinden, befindet sich je eine Klappe in dem hohlen Metall. Sie dient als Reparatureinstieg. Nun allerdings werden die drei Gauner so eine Klappe als Zugang benutzen.
 

Vorsichtig hangelt sich Selina aus dem Rohr heraus und klettert dann daran hinauf. Auf Händen und Knien krabbelt sich anschließend bis zur Anlage. Dort angekommen, genügt ein geschickter Sprung und sie landet auf dem nächsten Rohr. Geduldig wartet sie, bis ihre beiden Partner zu ihr kommen. Jetzt packt Jack sie an den Knöcheln, sodass sich die Schwarzhaarige kopfüber zur Unterseite des Rohres bewegen kann, um dort die Klappe zu öffnen. Mit einem leisen Quietschen schwingt sie auf und schaukelt leicht hin und her.
 

Ein paar Momente später hocken die drei in der Röhre und arbeiten sich ihr folgend nach oben vor. Etliche Biegungen, Windungen, Auf und Abs später, erreichen sie schließlich den Ausstellungsraum. Langsam und gewissenhaft kriechen sie von einem Auslassgitter zum nächsten, um festzustellen, welches davon ihrem Zielobjekt am nächsten ist. Nach einigem Hin und Her finden sie dann eines, das keine drei Meter von der Vitrine des Enigma entfernt ist! Perfekt! „Dein Auftritt, Jack.“, flüstert Ivy ihm zu, während Selina das Gitter entfernt.
 

Kaum eine Sekunde später schlingt sich eine Liane um den Bauch den Jungen und lässt ihn dann kerzengerade herab. Etwa einen Meter über dem Boden stoppt sie. An einer zweiten Liane taucht nun Catwoman neben ihm auf. Mit einer Spraydose beginnt sie die Umgebung zu besprühen, woraufhin rote Laserstrahlen sichtbar werden. „Nicht berühren, sonst geht der Alarm los!“, zischt sie ihm zu. Gewissenhaft nickt der Junge, während Ivy sie anschließend weiter runterlässt. Nun stehen sie inmitten all dieser roten Linien, die sich kreuz und quer durch den ganzen Raum zu ziehen scheinen. Dabei bilden sie die wildesten Muster, sodass es nahezu unmöglich erscheint, sie zu passieren. Doch es muss einen Weg geben. Es muss!
 


 

10
 

„Sieh genau hin, dann erkennst du den Weg.“, erläutert die Katze. Sie verharrt jedoch an Ort und Stelle, macht sich gar nicht erst die Mühe, ihm zu zeigen, was sie meint. Jack beachtet sie auch nicht mehr wirklich. Hochkonzentriert reißt er stattdessen nun die unnatürlich roten Augen auf und starrt wie hypnotisiert auf die Laserschranken. Sein Blick analysiert jeden Knick, jede Kante, jede Kreuzung, ganz so, wie er es später als Joker tun wird. Und da ist er, der Weg! Er sieht ihn plötzlich ganz deutlich vor sich, ganz so, als wäre er schon immer dagewesen und hätte nur darauf gewartet, von dem Grünhaarigen entdeckt zu werden. Wie zwei Schlangen winden sich seine Augen jetzt den Weg entlang. Auf und ab, links und rechts, vor und zurück, und dann steht er gedanklich vor dem großen Glaswürfel, hinter dem der Enigma friedlich hockt und vor sich hin träumt. Das spärliche Licht, das sich in seinen vielen Facetten spiegelt und ihn auf so berauschende Weise mystisch glitzern lässt...
 

Auch außerhalb seines Kopfes kann er ihn sehen, wie er zwischen den Laserstrahlen hindurchlugt. Der Stein ist riesig, etwa so wie ein großes Hühnerei. Doch seine Beschaffenheit ist etwas unförmig, nicht ganz oval, zu buckelig. Eine Schönheit ist dieser schwarzbraune Klumpen in jedem Fall nicht. Seine Größe lässt ihn lediglich obszön wirken, so als wäre er gar nicht echt, als hätte ihn ein ungeschicktes Kind aus Ton gemacht, der anschließend zu lange gebrannt wurde. Seine unterschiedlich großen, geschliffenen Facetten lassen ihn das Licht brechen und seine Oberfläche in allen Brau- und Schwarztönen funkeln. Doch auch das macht ihn nicht schöner. Ihm fehlt der elegante Glanz eines echten Edelsteins, die endlosen Regenbögen, die einem solchen Stein für gewöhnlich in jedem Winkel entspringen. Wäre der Enigma nicht so abstrus groß, sondern würde er auf einem schlichten Männerring sitzen, vielleicht an der Hand eines Königs aus alter Zeit, wäre er sicherlich ein äußerst beeindruckender Anblick. Würde Kraft und Macht symbolisieren – dunkle Macht...
 

In Jacks Augen sieht er so allerdings eher wie ein Witz aus. So als hätte jemand einen schmutzigen Klumpen Schlacke poliert oder aber – und dass ist schon ziemlich makaber, trifft es aber irgendwie noch besser – einen Haufen versteinerte Hundescheiße... Also alles andere als ein schöner Anblick, für den man gern unzählige Millionen ausgeben würde. Dennoch ist dort etwas. Etwas, das verhindert, dass er den Blick davon abwenden kann. Etwas Dunkles, Machtvolles, Mystisches. Etwas sehr Geheimnisvolles... Seine Fingerspitzen beginnen plötzlich zu kribbeln, und der kleine Clown stellt sich vor, den Enigma in Händen zu halten. Seine kühle und doch irgendwie seltsam warme Oberfläche zu spüren. Und wie dann sämtliche Geheimnisse des Universums und der Zeit in ihn hineinzufließen beginnen. So lange, bis sein gesamter Verstand in einem schwarzen Loch verschwindet und er vollkommen vom Wahnsinn zerfressen ins Nirwana eintaucht...
 

Diese Vorstellung ist so gewaltig, dass kein einziger Gedanke mehr in seinem überforderten Kopf Platz hat. Geistlos starrt er einfach nur ins Nichts. Das entgeht auch Selina nicht. Verwundert betrachtet sie den Jungen, wedelt mit der Hand vor seiner Nase herum, und wirft dann einen Blick nach oben zu Ivy. Die Rothaarige zuckt nur verständnislos mit den Schultern und schüttelt den Kopf. Ihre Verbindung zu ihm besteht noch immer, von daher muss es etwas anderes sein. Schön, dann eben etwas ruppiger. Die Schwarzhaarige tritt einen Schritt näher an ihn heran und legt einen Arm um seine Schulter, damit er vor Schreck nicht zurückweichen und so womöglich den Alarm auslösen kann. Auf diese Berührung reagiert Jack auch gar nicht, scheint völlig weggetreten. Gefährlich beginnen ihre diamantbesetzten Krallen im spärlichen Licht des Raumes zu funkeln. Eine Sekunde später zieht sich ein hauchfeiner Schnitt unter dem Kinn des Bengels entlang, durch den sich schwerfällig etwas Blut hervorpresst und alsbald den Kragen von Edwards weißem Hemd verfärbt.
 

Ein Zucken geht durch den schmächtigen Körper. Ein müdes Stöhnen folgt. Dann fängt Jack an, sich unbehaglich in ihrem Griff zu winden. „Hey, langsam, Junge! Konzentrier dich wieder auf unsere Aufgabe, hörst du?“, faucht ihm die Katze nachdrücklich ins Ohr. Merklich zuckt der Grünhaarige wieder zusammen und blinzelt dann verwirrt. „Selina...?“ „Ja. Werd mal wieder klar im Kopf, Kleiner, und vergiss deinen Freund Sam dabei nicht.“, weist sie ihn wieder an. „Sam...“ „Ja, Sam. Also marsch jetzt! Wir haben nicht ewig Zeit!“ Ganz langsam lässt sie ihn wieder los. „Siehst du den Weg noch? Dann konzentrier dich erst einmal nur darauf und nicht auf den Stein.“ „Okay.“
 


 

11
 

Als sich Jack nun zum Glaskasten aufmacht, scheint es, als wäre Joker wieder da. Der Grünhaarige bewegt sich mit einer ungetrübten Sicherheit und Präzision, als hätte er das hier schon tausend Mal gemacht. Da fällt es sogar Catwoman schwer, einen gewissen Funken Bewunderung zu unterdrücken. Tonlos pfeift sie durch die Zähne und wirft abermals einen Blick zu Ivy hinauf. Ihre Partnerin wirkt sehr zufrieden. Sämtliche anderen Gefühlsregungen hat sie im Moment jedoch aus ihrem Gesicht verbannt, beobachtet nur mit angehaltener Luft, wie sich der Bengel immer weiter vorarbeitet. Als Selinas Blick nun wieder auf Jack fällt, kommt dieser gerade vor der mannshohen Vitrine an.
 

Fast schon fragend sieht er zu ihr hinüber. Doch nur für einen Moment, dann zieht er den Glasschneider aus seiner Tasche und macht sich ans Werk. Mit einem kaum hörbaren Quietschen frisst sich die scharf geschliffene Metallscheibe in das Glas hinein und formt langsam einen Kreis. Nur noch ein paar Zentimeter, dann ist er vollendet...
 

„HALT! Stehen bleiben und Hände hoch!“, hallt plötzlich eine kräftige Stimme durch den großen Saal, was ein erschreckendes Echo erzeugt. Wie vom Donner gerührt zucken die drei zusammen und sehen sich um. Am Eingang zum Ausstellungsraum stehen vier Wachmänner mit gezogenen Waffen! „Mist...!“, knirscht die Katze verstimmt. Irgendein stummer Alarm muss die Blauhemden auf sie aufmerksam gemacht haben. „Was machen wir denn jetzt?“, fragt Jack etwas hilflos. „Du machst genauso weiter wie bisher! Denk an unseren Plan, Junge. Ivy und ich werden uns um die Burschen hier kümmern.“ Ehe der kleine Clown noch etwas sagen kann, prescht Selina auch schon vor. Im selben Moment seilt sich die grüne Flora an einer Liane von der Decke herab, während unzählige Ranken auf die Wachmänner zurasen.
 

Ein paar Sekunden betrachtet sich Jack das Ganze, wägt ab, ob es nicht vielleicht doch besser wäre, den beiden Damen zu helfen. Als er allerdings sieht, wie heftig sie mit den nahezu wehrlosen Wachmännern umgehen, ist er heilfroh, dass sie nicht auf ihn so wütend sind. Ein Schauer gleitet seinen schmalen Rücken hinab und er wendet sich wieder der Vitrine zu. Tief atmet er ein und aus und setzt dann erneut den Glasschneider an. Etwas wackelig vollendet der Grünhaarige schließlich den Kreis und die Scherbe fällt ihm entgegen. Als er versucht, sie aufzufangen, entgleitet sich jedoch seinen Finger und fällt mit einem unmelodischen Klirren zu Boden, wo sie in tausend Teile zerspringt. Das Klirren ist über den Lärm des Kampfes hinweg allerdings überhaupt nicht zu hören.
 

Etwas verstimmt betrachtet Jack die vielen funkelnden Bruchstücke, dann zuckt er gleichgültig mit den Schultern. Das Chaos ist eh schon perfekt, da macht so ein kleines Missgeschick sowieso nichts mehr. Kurz wirft er einen Blick zu Ivy und Selina, doch die sind immer noch mit den Wachmännern beschäftigt, was ein echtes Wunder zu sein scheint. Die Typen sind allem Anschein nach doch etwas zäher, als sie auf den ersten Blick wirken mögen. Der Junge denkt sich aber, dass das hier ganz sicher nicht das erste Mal ist, dass das Museum von ein paar Schurken ausgeraubt wird. Von daher haben die Typen wahrscheinlich eine etwas speziellere Ausbildung für solche Fälle. Es wirkt fast so, als würden die sechs miteinander spielen oder gar tanzen, als hätten sie vielleicht sogar auf irgendeiner Ebene Spaß dabei.
 

Der Jüngste macht sich aber keine weiteren Gedanken. Stattdessen greift er jetzt vorsichtig durch das etwa tellergroße Loch in der Vitrine. Nun kann er den Enigma wieder ungehindert ansehen, und dessen mystische Aura scheint erneut in ihn eindringen zu wollen. Leicht schüttelt der Grünhaarige den Kopf. Seine Finger zittern sichtbar, dennoch nähern sie sich immer weiter dem dunklen Stein auf seinem Sockel aus weißer Seide. Sein Zeigefinger streift die facettenreiche Oberfläche, und es ist, als würde ein Stromschlag durch seinen Körper jagen. Für eine Sekunde zuckt Jack zurück. Unterdrückt knirscht er mit den animalischen Zähnen und packt den Stein dann ohne jede weitere Vorwarnung. Fest schlingen sich seine langen Finger darum; spüren jede Kante, jede glatte Seite, jede Spitze, an der sich mehrere Facetten treffen. So kalt und doch so warm, als hätte man ein kleines Lebewesen in Händen, das langsam stirbt...
 

Diese Vorstellung bereitet ihm allerdings kein Unbehagen. Stattdessen schlingen sich seine Finger noch fester um den Enigma, als wollten sie versuchen, auch noch das letzte bisschen Leben herauszupressen. Seine Gedanken sind jetzt einzig und allein nur noch bei Sam. Er wird ihn retten, koste es, was es wolle!
 

Jack ist so in alledem vertieft, dass er gar nicht merkt, wie es auf einmal totenstill in dem Saal wird. Alle Kampfgeräusche ersterben, alle Stimmen verklingen, sein Atem ist das einzig Hörbare. Doch das liegt nicht an seiner grenzenlosen Konzentration, auch nicht an der mystischen Aura des Steins. Es liegt an etwas viel Dunklerem...
 

Vorsichtig löst der kleine Clown den Stein aus seinem samtenen Bett, spürt sein ganzes, schier unglaubliches Gewicht, und zieht dann bedächtig die Hand durch das Loch im Glas zurück. Nun ist der Enigma frei, gehört ganz allein ihm – oder auch nicht... „Leg ihn sofort wieder zurück, Joker!“, fordert plötzlich eine düstere Stimme direkt hinter ihm. Erschrocken zuckt der Junge zusammen und wendet dem Fremden sein bleiches Gesicht zu, die Augen tellergroß in Panik ertrunken aufgerissen. Hilflos presst er sich dabei den Diamanten an seine schmächtige Brust.
 

Vor ihm steht ein großer Mann in einem seltsamen schwarzen Kostüm. Sein Gesicht ist fast vollständig von einer Maske verdeckt. Seine ganze Erscheinung wirkt böse und bedrohlich. Jacks Herz krampft sich schmerzhaft zusammen, ihm bleibt fast die Luft weg, und dennoch hat dieser Mann etwas seltsam Anziehendes auf ihn, so wie der Enigma...
 

Batman versteht nicht, was das Ganze hier soll. Der stumme Alarm hat auch ihn hierhergebracht. Doch als aller Letzten hätte er hier den Joker vermutet, und dann scheinbar auch noch unter einer Decke mit Catwoman und Poison Ivy! Das kann doch nicht wahr sein. Schließlich dachte er, dass Jokers Gaunertage vorbei seien, dass er versucht, anständig zu werden, so wie sein Gefährte Edward. Irgendetwas stimmt hier also ganz und gar nicht.
 

Als ihm der Bengel nun so untypisch erschrocken das Gesicht zuwendet, kann Batman seine Überraschung über den ungewohnten Anblick geradeso noch verbergen. Joker ist ungeschminkt! Und das sind auch nicht seine Klamotten, die er da trägt. Das alles wird immer verwirrender.
 

„Tu mir nicht weh! – Was hast du mit Selina und Ivy gemacht?!“, platzt es dann erstickt aus dem kleinen Bengel heraus, während er an Bruce vorbeizuschauen versucht, um seine Partnerinnen zu sehen. Diese liegen bewusstlos und gut verschnürt am anderen Ende des Ausstellungssaals. Die Wachmänner sind ebenfalls am Boden, doch das ist wohl eher den beiden Ladys zu verdanken als diesem unheimlichen Typen hier vor ihm.
 

Nun ist die Verwirrung des Dunklen Ritters perfekt. So seltsam hat Joker ja noch nie gesprochen. Für gewöhnlich giert der Bengel ja eher nach der strengen Hand des Rächers. Der Schwarzhaarige hat zudem mit einem dummen Spruch gerechnet, der mehr als nur zweideutig daherkommt, gefolgt von einem albernen Spitznamen für die Fledermaus. Aller Wahrscheinlichkeit nach Jokers so heißgeliebtes Darling. Doch nichts dergleichen. Stattdessen spiegelt sich völlige Panik und hilflose Angst in den roten Augen wider. Zudem ein verständnisloses Nichtbegreifen. Das ist etwas sehr oberfaul. Steht er vielleicht unter der Wirkung irgendeines Mittels von Ivy? Das erscheint Batman schon fast unmöglich, wenn er an die Geschehnisse in der Iceberg Lounge zurückdenkt. Aber was ist es dann?
 

Im Moment hat er jedoch nicht die Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen. „Gib mir den Stein, Joker, und sag mir, was das hier alles soll!“, fordert er nun nachdrücklich. Der Angesprochene weicht jedoch nur einen Schritt vor ihm zurück und presst sich den Diamanten fester an die schmale Brust. „Was ist nur los? Warum nennen mich alle so? Mein Name ist Jack, verdammt noch mal!“, entkommt es dem Grünhaarigen daraufhin erstaunlich aufgebracht. Okay, wie es scheint, scheint eine ganze Menge mehr nicht mit Joker zu stimmen...
 

„Wie auch immer. Gib mir den Stein, ehe ich dir wehtun muss!“ „NEIN! Du kannst ihn nicht haben. Ich brauche ihn, um Sam zu helfen!“, erwidert der Jüngere und setzt zur Flucht an. Das Ganze wird immer verwirrender. Wer ist denn nun wieder Sam? Egal jetzt. Mit geballten Fäusten rennt Batman hinter dem kleinen Clown her. Weit kommt der Bengel allerdings nicht, da alle Ausgänge verschlossen sind. Das schreckt ihn im Moment aber nicht sonderlich ab. Er läuft einfach weiter im Kreis, vermutlich in der Hoffnung, dass sein Verfolger irgendwann müde wird und er dann einen Weg nach draußen finden kann. Den Gefallen wird Batman ihm aber nicht so schnell tun.
 

Der Dunkle Ritter hat auch nur sehr wenig Geduld mit alledem. Daher dreht er den Spieß einfach um und so läuft ihm Jack ungewollt mitten in die Arme. Erschrocken versucht der Grünhaarige, die Richtung zu ändern. Dabei dreht er Bruce allerdings den Rücken zu, worauf dieser nur gewartet hat. Ehe der kleine Clown außer Reichweite kommt, holt der Rächer aus und versetzt ihm einen harten Schlag mit der Handkante in den Nacken. Das reicht allein aber noch nicht aus, um ihn zu Fall zu bringen. Doch es macht ihn immerhin langsamer. Jetzt packt Bruce ihn am Kragen, zerrt ihn zu sich heran, nur um dann seinen Kopf zu packen und ihn gegen die nächste Wand zu schlagen.
 

Nun gehen bei dem Grünhaarigen die Lichter aus, und warmes Blut läuft ihm von der Platzwunde an seiner Stirn übers nackte Gesicht. Nicht sonderlich glücklich betrachtet sich der Schwarzhaarige das Ganze. Dabei fürchtet er, dass das hier wohl noch eine sehr lange Nacht werden könnte...
 

Und was soll er jetzt machen? Diesen Haufen Irrer wieder zurück nach Arkham bringen natürlich! Für Ivy und Selina gilt das in jedem Fall. Bei Joker sollte er darüber wohl lieber noch einmal nachdenken. Sollte Edward mitbekommen, dass er sein Törtchen in die Anstalt verfrachtet hat, wird es ganz sicher ziemlichen Aufstand geben. Also was stattdessen? Frei rumlaufen lassen kann er den Jungen unter keinen Umständen. Erst recht nicht, da irgendetwas ganz gewaltig bei ihm durcheinander geraten zu seien scheint. Aber vielleicht kann der Rätselmeister ihm ja sagen, was los ist? Vielleicht sucht er sogar schon nach Joker? Vielleicht gab es Streit zwischen den beiden, und Joker wollte es ihm so heimzahlen?
 


 

12
 

„Wie lange dauert das denn noch?“, fragt Ed nun schon zum gefühlt hundertsten Mal. Durch seine gebrochene Nase klingt es allerdings nicht tadelnd, sondern gedämpft und weinerlich. Nachsichtig blickt Mel vom Dach herunter. Hinter ihm sind Bob und Tom gerade fiberhaft damit beschäftigt, einen großen Suchscheinwerfer auf dem Balkon von Nigmas Wohnung zu befestigen. Auf dem noch dunklen Glas ist mit schwarzer Farbe eine Fledermaus gemalt worden. „Noch fünf Minuten, Boss.“ „Geht das denn nicht etwas schneller?“, fragt der Brünette der Verzweiflung nahe. Langsam klettert Mel an der Leiter herab und steht dann neben ihm. Sanft legt er ihm eine Hand auf die Schulter. „Nun beruhige dich doch, Boss. Es geht nun mal nicht schneller...“
 

Nigma gibt ein tiefes Seufzen von sich. „Ich weiß, aber – ich mache mir so schreckliche Sorgen...“ „Das versteh ich doch, Boss. Doch ich bin sicher, dass es Mister Jay schon gut geht. Das kann man von dir nicht behaupten. Du bist immer noch angeschlagen, und es hilft niemandem, wenn du hier zusammenklappst.“ Betroffen senkt der Rätselmeister den Kopf und beißt sich auf die Unterlippe. Krampfhaft versucht er die Tränen zurückzuhalten, die vehement hinter seinen Augen brennen. „Komm mit, Boss. Wir gehen rein und dann mach ich dir einen schönen Tee. Der beruhigt dich vielleicht etwas.“ Ed antwortet nicht, sieht ihn nicht einmal an. Doch als Mel ihn nun bestimmend Richtung Rolltor dirigiert, geht er ohne Einwände mit ihm.
 

Fünf Minuten später sitzt er auf der Couch in der Fernsehecke der Garage und umklammert seine Teetasse mit solcher Verbissenheit, dass es einem Wunder gleichkommt, dass das dünne Porzellan nicht zerspringt. Mel sitzt schweigend neben ihm und hat ihm wie ein Liebhaber im Kino den Arm um die Schultern gelegt. Die Nähe des anderen Mannes beruhigt Edward tatsächlich ein bisschen. Oder zumindest gibt es ihm Halt. Nie war Ed dankbarer als in diesem Moment, dass er so ein freundschaftliches Verhältnis zu seinen Jungs pflegt. Ohne den Beistand der anderen wäre er jetzt nicht mehr als ein Häufchen Elend, das sich vermutlich nur weinend im Bett verkriechen kann, weil er allein gar nicht in der Lage wäre, irgendetwas anderes hinzubekommen – nicht in seinem jetzigen Zustand.
 

„Boss?“, wird die eingetretene Stille dann irgendwann von Lenny unterbrochen. Langsam hebt Ed den Kopf und sieht ihn so unglaublich flehend an, dass sein Gegenüber leicht schlucken muss. „Ja?“ „Der Scheinwerfer ist jetzt einsatzbereit.“ Nun gleitet sichtliche Erleichterung über das abgehärmte Gesicht des Brünetten hinweg. „Ein Glück! Bitte macht ihn sofort an, ja?“ „Wird gemacht, Boss.“ Flink huscht Lenny zum Rolltor zurück und ruft dann zu seinen beiden Kollegen hinauf. Ein paar Augenblicke später erhellt der Scheinwerfer den nächtlichen Himmel in Richtung Gothams Innenstadt. Die drei Männer jubeln kurz, was Ed bestätigt, dass alles wie gewünscht funktioniert, auch wenn er das Licht von hier aus nicht sehen kann – die Garage hat keine Fenster.
 

Ein paar Minuten später kommen Bob und Tom mit dem Werkzeug zurück in die Halle und das Rolltor wird wieder geschlossen. Angespannt setzen sich alle in die Fernsehecke zu Nigma und betrachten die Nachrichten. Vielleicht wird Joker ja irgendwo erwähnt? Ansonsten können sie jetzt nur warten...
 


 

13
 

Es ist keine zehn Minuten her, seit die Jungs den Suchscheinwerfer mit der aufgemalten Fledermaus eingeschaltet haben, da klopft es plötzlich sehr nachdrücklich an das Rolltor der Garage. Erschrocken zucken alle Anwesenden zusammen. Schließlich steht Toni auf und nähert sich vorsichtig dem Tor. In die Metallstreben des Rolltors ist ein kleines Fensterchen eingebettet – kaum mehr als ein Sehschlitz, doch es reicht aus. Es reicht aus, um Toni einen heftigen Schreck einzujagen. „Heilige Scheiße...“, japst er, woraufhin ihn alle gebannt anstarren.
 

„Es – es ist – Batman...“, bringt er schließlich hervor, woraufhin Edward hörbar nach Luft schnappt. „Mach sofort das Tor und lass ihn rein!“, erwidert der Rätselmeister halb erstickt, hätte er im Leben doch nicht gedacht, dass der Ritter tatsächlich auftauchen würde – und dann auch noch so schnell. Ratternd gleitet das Tor in seinen Führungen nach oben. Und wahrhaftig, da steht Batman, in all seiner düster-grimmigen Pracht. Doch er ist nicht allein, wie sie alle sehr schnell feststellen. Auf seinen Armen, fest eingewickelt in sein Cape, damit die Kälte nicht allzu viel Schaden anrichtet, trägt er ein Bündel bei sich, aus dem nur noch das Gesicht herausschaut.
 

„Oh, mein Gott, Joker!?“, platzt es fassungslos aus dem Brünetten heraus. Wackelig springt er auf, fällt fast zu Boden, wenn Mel ihn nicht rechtzeitig festhalten würde, und stolpert dann ungelenk zu seinem Widersacher hinüber. Batman kommt ihm derweilen langsam und sehr aufmerksam entgegen. Da sich Nigmas Männer glücklicherweise alle auf einer Seite der Halle befinden – abgesehen von Toni, der noch ehrfürchtig neben dem Tor steht –, kann er sie sehr gut im Auge behalten. Allerdings glaubt er nicht, dass sie ihn angreifen werden. Das kann er überdeutlich im Gesicht des Ex-Schurken ablesen.
 

„Um Himmels willen, Joker! – Was hast du mit ihm gemacht?“ „Ich musste ihn K.O. schlagen. Er war völlig außer sich.“ „Hat – hat er etwas angestellt?“ „Sieht ganz so aus.“, langsam zieht Bruce sein Cape etwas zurück und entblößt dabei Jokers Brust. Noch immer hält der bewusstlose Junge den schwarzen Diamanten ganz fest umklammert, und Batman wollte ihm jetzt nicht absichtlich die Finger brechen, nun um den Stein an sich nehmen zu können.
 

Mit großen Augen betrachtet Edward den unverschämt großen Klunker in den zierlichen Fingerchen seines kindlichen Freundes. „Ist das – ist das der Enigma?“ „Ja. Was hat Joker mit Catwoman und Poison Ivy zu schaffen?“ „Was?“ „Die drei haben gemeinsam versucht, den Stein zu stehlen.“, erläutert der Rächer mürrisch. „Oh. – Ich habe nicht die geringste Ahnung, was das sollte. Er kann die beiden überhaupt nicht leiden, und das beruht auf größtmöglicher Gegenseitigkeit. Er würde nie mit ihnen zusammenarbeiten, wenn es nicht dem Wiederaufbau der Narrows dient.“ „Also hast du nichts damit zu tun?“ „Ich bitte dich! Warum sollte ich etwas damit zu tun haben? Ich versuche doch, ein ehrliches Leben zu führen. Da schicke ich doch Joker nicht raus, um so einen dummen Klumpen zu klauen. Nicht einmal, wenn dieser dumme Klumpen der Enigma ist.“, beharrt der Rätselmeister stur, und seine grünen Augen bestätigen die Wahrheit seiner Worte.
 

„Verstehe. – Wie hast du dir die Nase gebrochen?“ Doch Edward schweigt und weicht seinem Blick betroffen aus. „Es war Joker, nicht wahr? Also bin ich nicht der einzige, bei dem er sich seltsam benommen hat.“ „Er – er kann nichts dafür. – Irgendetwas hat sein Gedächtnis ausgelöscht. Er kann sich nicht mehr an uns erinnern...“, bringt Ed mit brüchiger Stimme hervor, während eine einzelne Träne seine linke Wange hinabrinnt.
 

Bedächtig setzt sich Bruce wieder in Bewegung und steuert die Tür an, die ins Treppenhaus führt. „Was wird das?“, fragt Nigma vorsichtig. „Dort geht es rauf in deine Wohnung, nicht wahr?“ „Ja, schon...“ „Gut, dann los. Wir haben einiges zu besprechen, fürchte ich.“ Bruce‘ Worte dulden keine Widerrede, sodass Edward den Mund wieder zu macht. Stattdessen lässt er bedrückt die Schultern hängen und folgt ihm wie in kleines Kind, das gerade Ärger bekommen hat. Seine Jungs verharren unschlüssig auf ihren Plätzen.
 

Einzig Mel folgt den beiden zur Tür. Batman verschwindet schon im Treppenhaus und setzt seinen Weg unbeirrt fort. „Boss, wenn...“, setzt der Chef der Truppe an. „Ist schon gut. Ich komme klar. Ihr werdet schon merken, wenn ich Hilfe brauche. Doch ich denke nicht, dass es dazu einen Grund geben wird.“ Dann verschwindet auch der Rätselmeister im Treppenhaus, während Mel die Tür zurück ins Schloss fallenlässt und sich wieder zu den anderen gesellt. Und erneut heißt es also warten...

Looking for memories


 

1
 

Leicht vor sich hin grummelnd, wartet Batman nicht sonderlich geduldig vor der Wohnungstür, bis Edward die Treppe zu ihm nach oben gestiegen ist. Dies tut der Rätselmeister mit sehr besorgtem Gesicht und hängenden Schultern, was ihn um Jahre älter wirken lässt. Als der Brünette schließlich neben ihm steht, mustern sich die beiden Rivalen einen Moment, ehe sie gleichzeitig einen sorgenvollen Blick auf den noch immer ohnmächtigen Clown werfen. Schließlich seufzt der Jüngere und drückt seine flache Hand auf das Paneel neben der Tür. Zartgrünes Licht gleitet seine Hand entlang, es folgt ein leises Piepsen und dann öffnet sich der Eingang. Ohne ein Wort betritt Ed seine Wohnung und wendet sich zum Schlafzimmer. Dort schaltet er die Nachttischlampe ein, zieht die Decke von ihrer Schlafstätte zurück und sucht dann wieder den Blick des Ritters. „Leg ihn aufs Bett...“, meint er bedrückt.
 

Bruce kommt dem Ganzen nach, und kaum, dass der Grünhaarige liegt, wickelt Nigma ihn auch schon ganz fest in die Decke ein. Er holt sogar noch eine zweite aus dem Schrank und breitet sie ebenfalls über ihm aus, damit er erst mal wieder warm wird. Betreten lässt der Rätselmeister erneut die Schultern hängen und setzt sich neben den scheinbar schlafenden Jungen, streicht ihm liebevoll eine verirrte Strähne aus der Stirn. Wayne gibt ein Brummen von sich, das wohl ein Seufzen sein soll, und setzt sich dann ebenfalls auf die Bettkante. Einen sehr langen Moment herrscht betretenes Schweigen in den winzigen Raum.
 

„Was sollen wir jetzt machen?“, fragt Edward schließlich. Seine Stimme ist dabei kaum mehr als ein ersticktes Flüstern, leicht unverständlich durch seine gebrochene Nase, und hörbar den Tränen nahe. „Ich bin mir nicht sicher, doch ich denke, dass er bald wieder aufwachen wird. Von daher sollten wir uns entweder schnell eine Lösung einfallen lassen, oder uns darauf gefasst machen, ihn wieder schlafen zu schicken, bis wir einen sinnvollen Einfall haben.“ „Ja, das klingt vernünftig. Doch bitte schlag ihn nicht wieder! Das würde er in seinem jetzigen Zustand nicht verstehen und es die Sache nur noch mehr verkomplizieren. – Du hast doch bestimmt Betäubungsgas oder dergleichen in deinem tollen Gürtel?“, wirft Nigma ein und mustert ihn eindringlich, fast schon flehend.
 

Ohne zu antworten, greift Batman an besagten Gürtel und zieht eine kleine Spraydose heraus, die er seinem Gegenüber reicht. „Warum gibst du mir das?“ „Ich denke, Ivy hat bei der ganzen Sache ihre Finger im Spiel, und sie ist es vermutlich auch gewesen, die das bei ihm ausgelöst hat. Gewollt oder auch nicht. Also werde ich nach Arkham fahren und sie danach fragen, ehe wir irgendetwas an ihm ausprobieren und es dadurch womöglich nur noch schlimmer wird.“ Zustimmend nickt der Brünette. „Das wäre sicher das Beste. Und wenn sie sich weigert?“ „Ich bekomme schon eine Antwort von ihr, mach dir da mal keine Sorgen. Sieh du nur zu, dass er dich nicht noch mehr lädiert, wenn er aufwacht. Sprüh ihm einfach das Mittel ins Gesicht. Aber halt die Luft dabei an, nicht dass es dich statt ihn ausknockt und er hier Unheil anrichtet.“
 

Etwas überrascht weiten sich Nigmas Augen, dann nickt er wieder. „Okay, ich versuche es.“ „Gut, dann mache ich mich jetzt auf den Weg. Ich versuche, mich zu beeilen. Kannst du das Fenster offenlassen, damit ich wieder reinkomme, ohne den ganzen Weg durch das Haus zu nehmen und deine Leute unnötig aufzuschrecken?“, fragt Bruce und deutet hinter sich auf den Zugang zum Balkon. „Ja, ich lasse den Riegel offen, dann kannst du das Fenster einfach aufdrücken.“ Mit einem weiteren Brummen nickt Batman und verschwindet ohne ein weiteres Wort über den Balkon in die Nacht hinaus. Edward bleibt allein zurück, mit dem bewusstlosen Clown neben sich...
 


 

2
 

Gedankenverloren sitzt Ed jetzt also auf dem Bett und grübelt über eine Lösung nach. Sonderlich viel weiß er nicht über Amnesie. Sein Wissen dahingehend beschränkt sich auf die oftmals sehr fragwürdigen Informationen, die man im Fernsehen oder in Büchern finden kann. Was davon wirklich stimmt, ist also die entscheidende Frage. Aber vielleicht erst einmal alles zusammentragen und dann systematisch ausschließen oder ausprobieren. Etwas anderes bleibt ihm im Moment kaum übrig, bis Batman hoffentlich mit der richtigen Lösung zurück ist.
 

Ein Punkt, der ihm einfällt, gibt an, dass Amnesie nur eine vorübergehende Tatsache ist. Dennoch kann es Tage oder Wochen, vielleicht sogar Monate dauern, ehe sich dieser Zustand von selbst verflüchtigt. Darauf zu warten, steht daher vollkommen außer Frage – erst recht, wenn man das aggressive und vollkommen unberechenbare Verhalten des Grünhaarigen bedenkt. Und es wäre sicher nicht von Vorteil, ihn deswegen irgendwo einzusperren oder anzuketten. Das könnte seinen Zustand im schlimmsten Fall sogar noch begünstigen und ihn immer tiefer abdriften lassen, sodass er sich womöglich nie wieder erinnern kann.
 

Also weiter im Text. Soweit Nigma das beurteilen kann, gibt es auch kein Heilmittel, – weder eine Arznei noch eine totsichere Methode – um eine Amnesie umzukehren. Doch womöglich ist das hier anders, weil Ivy ihre Finger im Spiel hat? Sie hat das Ganze vermutlich mit irgendeiner Droge oder einem Gift hervorgerufen, und das kann gegebenenfalls neutralisiert werden. In dem Fall muss die grüne Flora aber erst einmal reden. Der Brünette ist sich allerdings nicht sicher, ob das so einfach wird, wie es sich bei Batman angehört hat.
 

Immerhin ist die Rothaarige weithin dafür bekannt, insbesondere Männer sehr leicht um den Finger zu wickeln und zu manipulieren. Und davon war auch der Dunkle Ritter in der Vergangenheit schon mehrmals betroffen und musste dann ungewollter Weise nach ihrer Pfeife tanzen, ehe er wieder so klar denken konnte, um ein Gegenmittel aus seinem Gürtel zu benutzen. Sollte es ihm dennoch gelingen, von ihren Pheromonen verschont zu bleiben, stellt sich immer noch die Frage, ob ihre Antwort auch wirklich die Lösung ist. Zwar wird der Mitternachtsdetektiv nicht davor zurückschrecken Gewalt anzuwenden, doch das muss ja noch lange nicht heißen, dass sich Ivy davon beeindrucken lässt und brav für ihn singt. Immerhin weiß keiner von ihnen, was eigentlich der Plan der beiden Schurkinnen war und weshalb sie ausgerechnet Joker dafür missbraucht haben.
 

Doch irgendwie kann sich der Rätselmeister schon vorstellen, was das Warum und Wieso sind. Wie die meisten Schurken Gothams sind die zwei Frauen ganz sicher immer noch sauer auf den Clown, wegen der Sache in der Iceberg Lounge, was man ihnen auch nur schwer verübeln kann. Einige von ihnen konnte Ed durch seine Arbeit in den Narrows schon beruhigen, nur eben nicht alle. Durch den Diebstahl des Enigma wollen sich die beiden wahrscheinlich auch an Ed rächen. Doch warum? Weil er Joker bei sich aufgenommen hat? Glauben sie vielleicht sogar, dass Nigma nach der Pfeife des irren Clowns tanzt und die ganze Arbeit in den Narrows nur als Tarnung für einen verheerenden Vernichtungsschlag dient? Diese Vermutung könnte stimmen, denn er bezweifelt schon sehr, dass irgendeiner von ihnen auch nur ansatzweise vermuten könnte, dass er mit dem Bengel ins Bett springt. Dazu waren und sind sie diesbezüglich viel zu vorsichtig. Abgesehen von seinen Männern und Batman weiß es niemand außerhalb dieser vier Wände. Nicht mal die Bewohner der Narrows, auch wenn der ein oder andere vielleicht etwas dahingehend vermuten könnte.
 

Die Frage, warum ausgerechnet Joker dafür herhalten musste, ist schon fast überflüssig, wo er allein doch das Chaos in Oswalds Club angerichtet hat. Zudem ist der Bengel äußerst kräftig und geschickt und damit ein harter Gegner für Batman, was den beiden Grazien im besten Fall die Flucht ermöglicht hätte. Doch wie wir wissen, ist das ja gründlich nach hinten losgegangen. Doch warum? Vermutlich, weil sich Joker auch nicht mehr an die Fledermaus erinnern kann. Daher fehlt ihm die grenzenlose Obsession, die ihn sonst im Kampf gegen seinen finsteren Liebhaber antreibt. Er glaubt immerhin, noch ein Teenager zu sein, außerdem noch nicht einmal schwul, weshalb seine Abneigung beziehungsweise sein eingebildeter Hass gegen Batman diesmal völlig echt sind.
 

Vielleicht wollte er noch nicht einmal gegen ihn kämpfen? Ihm fehlt es in diesem Fall sicher auch noch etwas an Erfahrung, wodurch es für Batman nur allzu leicht gewesen sein dürfte, ihn auf die Matte zu schicken. Wirklich eine knifflige Angelegenheit. Aber das schweift jetzt schon viel zu weit vom eigentlichen Thema ab...
 

Amnesie, was fällt ihn dazu noch ein? Seine spärlichen Informationen scheinen sich dahingehend einig zu sein, dass es sehr förderlich ist, wenn sich die betreffende Person an einem ihr vertrauten und geliebten Ort befindet. Das sie etwas macht, was sie sonst gern tut, zum Beispiel einem Hobby nachgehen. Und insbesondere soll es helfen, wenn man der Person etwas über sie erzählt. Eigenschaften, Erlebnisse und dergleichen. Tja, Joker befindet sich aber schon an dem einzig vertrauten Ort, den Edward unzweifelhaft ausmachen kann. Und der Grünhaarige wird es in seinem jetzigen Zustand wohl kaum zulassen, dass Nigma ihn mal eben wie einen anstrengenden Fünfjährigen vor dem Fernseher parkt, damit er sich ein paar Cartoon anschauen und dabei tonnenweise Schokolade in sich hineinstopfen kann. Und ganz sicher wird der Bengel auch kein Comicheft lesen wollen, ganz egal, wie verboten eng die Klamotten der Superhelden auch immer seien mögen. Zweiteres fällt somit auch schon mal weg.
 

Bleibt also nur die dritte Möglichkeit. Doch auch sie dürfte sehr schwer umzusetzen sein. Immerhin wollte ihm Joker ja neulich auch nicht zuhören, ganz egal, was auch immer er gesagt hat. Dem Rätselmeister entkommt ein trauriges Seufzen. Was soll er nur tun? Vielleicht zerbricht er sich aber auch völlig grundlos den Kopf? Wenn Ivy Batman ein Gegenmittel nennen kann, ist die Sache sicher ganz einfach. Aber bei dem vorherrschenden Glück, das der Brünette sein Eigen nennen darf, wird das wohl eher nicht der Fall sein. Mit aller größter Wahrscheinlichkeit sagt sie Batman genau das, was Nigma schon durch den Kopf gegangen ist: Das sie darauf warten, dass die Wirkung nachlässt oder sie seinen Erinnerungen irgendwie auf die Sprünge helfen müssen.
 

Keine sonderlich guten Aussichten also. Hilflos spielen seine nervösen Finger mit der kleinen Spraydose, die Batman ihm gegeben hat. Langsam dreht er sie hin und her. Sie ist sehr schlicht und kaum größer als ein Feuerzeug. In dem durchsichtigen Kunststoff kann er eine leicht gelbliche, nicht ganz klare Flüssigkeit schwappen sehen, fast wie Zitronensaft. Das Fläschchen ist zudem vollkommen unbeschriftet und fern jeglicher Kennzeichnung, die einen auch nur vermuten lassen könnte, um was für einen Inhalt es sich dabei handelt. Irgendwie hat diese Tatsache etwas sehr Leichtsinniges, was man so mit Batman nicht gerade in Verbindung bringen würde...
 


 

3
 

Viel weiter kommt Nigma mit seinen Gedanken auch nicht, da beginnt sich der kleine Clown neben ihm zu regen. Etwas überrascht erhebt sich der Rätselmeister schnell von der Bettkante und tritt ein paar Schritte zurück. Angespannt beobachtet er seinen Gefährten, der sich leicht murrend auf die Seite dreht und weiter zu schlafen versucht. Unschlüssig beißt sich Ed auf die Unterlippe. Die Ohnmacht des Jungen scheint vorbei, doch es sieht nicht so aus, als wäre er schon bereit, völlig aufzuwachen. Es fehlt ihm sicher noch an genug Wärme, um sich ganz aufzurappeln. Einer Eingebung gleich, schiebt sich der Brünette nun aber die kleine Sprayflasche unter die Manschette. So hat er die Hände frei und erregt damit keine ungewollte Aufmerksamkeit, zudem kann er sie immer noch problemlos und schnell erreichen, sollte es erforderlich sein.
 

Fast zwei Minuten vergehen, ohne dass sich Joker noch einmal bewegt. Erneut kaut Ed auf seiner Unterlippe herum. Eigentlich muss er dringend mal pinkeln, aber er ist hin- und hergerissen, ob er den Bengel mal kurz allein lassen kann. Stumm verflucht er seinen nervösen Körper und versucht, den nagenden Drang zu ignorieren. Aber eigentlich ist das eine schlechte Idee. Wenn Joker jetzt aufwacht und auf ihn losgeht, wird er sich ganz unzweifelhaft in die Hosen machen. Welch demütigender Gedanke... Resignierend lässt er die Schultern hängen und seufzt tonlos. Es hat ja doch keinen Sinn.
 

Vorsichtig wendet er sich um und nähert sich der Tür. Mit leichtem Zittern legen sich seine Finger um die Klinke und drücken sie ganz langsam nach unten. Seine Augen kleben dabei die ganze Zeit an dem schlafenden Jungen. Zentimeter für Zentimeter tut sich ein Spalt auf, und dann huscht der Brünette lautlos in den kleinen Flur. Dort schließt er einen Moment die Augen und atmet tief durch. Dann betritt er schnell das Bad.
 


 

4
 

Während Edward sich so seine Gedanken über Jokers Heilung macht, fährt das Batmobil auf den Hof der Anstalt. Pflichtbewusst nähern sich ihm eine Handvoll Wachen, doch der Ritter ignoriert sie und setzt seinen Weg dann ungetrübt zu Fuß zur Eingangstür fort. „Nun warte doch mal! Du kannst nicht einfach...“, setzt einer der Männer an und postiert sich vor der großen Flügeltür, um dem Schwarzgekleideten den Durchgang zu verwehren. Er mag vielleicht der Beschützer der Stadt sein und immer wieder diese Irren einfangen, doch auch für ihn gelten nun einmal Regeln. Bruce verzieht das Gesicht und brummt hörbar, was sein Gegenüber sichtlich nervös macht, doch noch gibt er seinen Posten nicht auf. Immerhin sind seine Kollegen bei ihm und werden ihm helfen. „Ich muss sofort mit Ivy sprechen.“, knurrt Wayne schon fast, rührt sich aber nicht.
 

„Das – das geht jetzt nicht. Commissioner Gordon ist bei ihr, um sie nach dem gestohlenen Diamanten zu befragen, und sie steht unter Beruhigungsmitteln.“ Die Miene des Wachmannes wirkt irgendwie entschuldigend, dennoch schiebt er fast schon schmollend wie ein kleines Kind die Unterlippe vor und umklammert das Betäubungsgewehr vor seiner Brust fester, um seinen Standpunkt deutlich zu machen. „Catwoman ebenfalls.“, ertönt nun eine Stimme hinter Batman, wo sich die anderen Wachen in einem Halbkreis um ihn gescharrt haben. Der Rächer knurrt nun wirklich, sodass es alle hören können, was die Männer um sich herum sichtlich zusammenzucken lässt.
 

„Der Enigma befindet sich an einem sicheren Ort und ich bringe ihn wieder ins Museum zurück, wenn das Ganze hier vorbei ist. Aber erst muss ich mit Ivy reden, bevor noch etwas Schlimmeres passiert.“, versucht es Batman erneut. Überraschung huscht über das Gesicht des Wachmannes vor ihm. „Du hast den Stein? Na, dann können wir ja lange versuchen, sie zum Reden zu bringen...“, seufzt er und wirkt unschlüssig, was er jetzt tun soll. Hilfesuchend wirft er einen Blick an dem Mitternachtsdetektiven vorbei zu seinen Kollegen, die aber auch etwas ratlos wirken.
 

Plötzlich öffnet sich ein Flügel der großen Tür hinter dem Mann und Dr. Arkham streckt den Kopf heraus, vermutlich, um herauszufinden, was hier los ist. „Kann man den Herren vielleicht irgendwie behilflich sein?“, fragt er leicht mahnend, woraufhin sich ihm alle Blicke zuwenden. „Ja, Sir, wir...“, setzt der Wachmann vor ihm wieder an. „Ich muss sofort mit Ivy sprechen!“, fällt Bruce ihm etwas ungehalten ins Wort und schiebt den bewaffneten Mann dann einfach zur Seite, als wäre er nicht weiter als eine große Stoffpuppe. Daraufhin ertönt hinter ihm das bedrohliche Knacken der sich entsichernden Gewehre, die ganz unzweifelhaft auf ihn angelegt werden. Sein Kostüm würde den Betäubungspfeilen vermutlich standhalten, doch es sind nicht die einzigen Waffen, die die Männer bei sich tragen. Wayne versucht, ruhig zu bleiben. So eine Situation kommt mindestens einmal die Woche vor und er ist daran gewöhnt, was es aber auch nicht weniger unangenehm macht, weshalb er vehement dem Drang zu widerstehen versucht, sich umzudrehen und die Fäuste sprechen zu lassen, nur um diese verhassten Waffen aus den Augen zu bekommen.
 

Dr. Arkham setzt einen beinahe mitleidsvollen Blick auf und seufzt. „Geht es um diesen Diamanten? Gordan befragt sie gerade wenig erfolgreich danach.“ „Da wird er auch nicht weit kommen, weil ich den Stein sicher versteckt habe. Aber das Ganze geht noch viel weiter und es droht noch mehr Unheil, wenn ich nicht sofort mit ihr sprechen kann.“, erläutert der Ritter ein weiteres Mal, mit sichtlich wenig Geduld. „Soso. Na schön, du kennst den Weg ja. Adams? Miller? Begleitet ihn!“, legt der Leiter der Anstalt fest und tritt dann zur Seite, damit Batman hineinkann. Die Wachmänner tauschen einen unschlüssigen Blick miteinander aus, ehe die zwei Genannten dem Maskierten in die verwinkelten Untiefen des uralten Gebäudes folgen.
 


 

5
 

Schweigend schreiten die drei die schier endlosen Korridore entlang. Begleitet werden sie dabei von den teilweise äußerst obszönen Rufen der Insassen hinter ihrem Panzerglas, die sich sichtlich daran aufschaukeln, Batman so zum Greifen nahe vor sich zu haben und ihn dennoch nicht erreichen zu können. Wayne ignoriert das Ganze überaus gekonnt, macht sich im Hinterkopf aber die ein oder andere Notiz für ein mögliches späteres Aufeinandertreffen. Die zwei Wachmänner nehmen das alles nicht ganz so gelassen auf. Wütend schlagen sie gegen die ein oder andere Scheibe und rufen den Geisteskrankheiten gemeine Verwünschungen zu. Auch diese Tatsache registriert der Ritter stumm und fügt sie seinen geistigen Notizen hinzu. Vielleicht sollte Bruce Wayne mal einen Personalwechsel in Aussicht stellen? Mit so einem Verhalten ist schließlich niemandem geholfen. Am wenigsten den Wachen selbst, sollten die Insassen die Möglichkeit bekommen, in Freiheit zu gelangen. Und wenn Arkham eines vorweisen kann, dann jede Menge totes Personal...
 

Dann endlich kommen sie bei Ivys Zelle an. Vor ihr steht Gordan sichtlich entnervt, während die Rothaarige auf der anderen Seite der Scheibe seine Bemühungen mit bockig verschränkten Armen zur Kenntnis nimmt. Seufzend wendet sich der Commissioner ein Stück um, nimmt die Brille ab und reibt sich müde die Augen. So kommt er einfach nicht weiter. Vielleicht sollte er erst mal eine Pause machen? Sie etwas schmoren lassen? Doch dann wecken sich ihm nähernde Schritte seine Aufmerksamkeit. Als er sich die Brille wieder aufsetzt, erblickt er Batman und war selten so froh, ihn zu sehen.
 

„Hey, alter Freund! Was verschlägt dich hierher?“, fragt er die Fledermaus fast schon beiläufig. „Wie es scheint, derselbe Grund, der auch Sie hierhergeführt hat, Gordan.“ „Na, dann mal viel Glück. Ich bekomme kein Wort aus ihr heraus...“, seufzt der Grauhaarige nur wieder und tritt ein paar Schritte zur Seite. Die beiden Wachmänner postieren sich links und rechts vom Commissioner, während Bruce etwas näher an die Scheibe herangeht.
 

Finster dreinblickend starrt Batman durch das mehrfach verstärkte Panzerglas. Es ist so dick, dass sein Gegenüber schon ganz leicht verschwommen wirkt. Und trotzdem ist es im äußersten Ernstfall nie dick genug, um Typen wie Bane oder Killer Croc lange Stand zu halten. Dennoch ist nicht zu übersehen, wie Ivy mit verschränkten Armen dasteht und seinem Blick ungerührt standhält. „Du brauchst es gar nicht erst zu versuchen. Aus mir bekommst du kein Wort heraus.“, profiliert sie sich und wendet damenhaft beleidigt den Blick zur Seite. Die Fledermaus nimmt das Ganze schweigend zur Kenntnis. Er lässt ihr sogar einen Moment Zeit, ehe er selbst zu sprechen beginnt.
 

„Mir scheint, euch beiden ist gar nicht klar, was ihr da womöglich für eine verheerende Kettenreaktion in Gang gesetzt habt. Sollte Joker auch nur ansatzweise an den Punkt seiner Erinnerungen zurückfinden, der ihn sein anfängliches Selbst erkennen lässt, wird er unzweifelhaft eine Bombe in Gotham zünden, und all der Ärger des letzten Jahres wird von vorn beginnen...“, versucht er zu ihr durchzudringen, als er auch schon von Gordan unterbrochen wird.
 

„Der Joker!? Eine Bombe!? Um Himmels willen! Was soll das alles?“ Hecktisch sieht er sich um, doch einzig die Wachmänner reagieren auf seine Worte und blicken sich genauso verstört und alarmiert um. Für Batman und Ivy scheinen sie hingegen eher Luft zu sein. Die grüne Flora gibt ein schnippisches Geräusch von sich.
 

„Und warum sollte mich das kümmern? Außerdem läuft der Prozess rückwärts ab, daher ist es vollkommen unmöglich, dass er mal eben auf eine zündende Idee kommt.“ „Also weißt du, was mit ihm los ist und hast das Ganze sicher auch bei ihm ausgelöst? Warum?“ „Warum wohl? Die Iceberg Lounge! Das war so was von demütigend! Diese halbe Portion hat es gar nicht anders verdient, wenn er es wagt, uns alle so vorzuführen, als wären wir blutige Anfänger und nicht die meistgesuchten Schurken der Stadt! Außerdem ist er einer der wenigen, die dir die Stirn bieten können. – Allerdings fürchte ich, dass das Mittel etwas zu gut wirkt, sonst wäre der Coup ganz sicher nicht nach hinten losgegangen...“, gesteht sie nachdenklich-kleinlaut. „Wie kann man es rückgängig machen?“ „Warum sollte jemand das wollen? Es hat doch nur Vorteile, wenn er sich nicht mehr erinnern kann, ein geisteskranker, mordender und bombenbauender Clown zu sein. Du solltest mir eigentlich dankbar sein!“, meint sie keck und selbstgerecht.
 

„Begreifst du denn nicht, dass er sich mit seinem aggressiven Verhalten nicht nur selbst schadet, sondern auch anderen?“, knurrt der Ritter. „Also bitte! Wem schadet er in dem Zustand denn? Höchstens Nigma, diesem Weichei eines Möchtegernkerls, und das ist ja nun wirklich nicht schlimm. Dieser Freak hat schon lange mal eine ordentliche Abreibung verdient! Diese ganzen, dummen Rätsel. Mir platzt schon der Kopf, wenn ich bloß daran denke...“ Um Ruhe bemüht ballt Batman sichtbar die Fäuste. „Sag mir das Gegenmittel, ehe ich hier andere Saiten aufziehe!“, knurrt er unterdrückt. Seine Gefühle spielen völlig verrückt, und er versteht nicht einmal wieso. „Du kannst nichts tun, und mit Drohungen kommst du bei mir erst recht nicht weiter.“, siegessicher lacht sie in sich hinein.
 

Bruce‘ Geduld ist jedoch vollkommen am Ende. Ihm platzt fast der Kopf, wenn er an den kleinen Clown denkt. Sein Herz beginnt schmerzhaft zu rasen. Was ist das nur, was er da fühlt? Er wird doch nicht... Nein, niemals! An so etwas Absurdes sollte er gar nicht erst denken! Oder etwa doch? Er ist so schrecklich durcheinander, seit Edward ihn zurechtgewiesen hatte, er solle sich seinen Gefühlen stellen und nicht immer auf Joker herumhacken. Aber damit kann er sich jetzt unmöglich auch noch auseinandersetzen. Erst einmal muss der Grünhaarige wieder normal werden – normal für seine Verhältnisse zumindest. Also einen klaren Kopf bewahren. Alles andere kann warten, bis das hier vorbei ist. Doch das ist so viel leichter gesagt als getan. Seine angeschlagene Geduld ist völlig am Ende. Er braucht eine Antwort, und zwar sofort!
 

„Tür aufmachen!“, faucht er daher in Richtung der Wachmänner. Irritiert sehen diese ihn an, wohingegen Ivy einen sichtlichen Schreck bekommt. Allerdings wiegt sie sich wieder etwas in Sicherheit, als Gordan nun vortritt. Immerhin ist es Batman für gewöhnlich streng verboten, sich an den Insassen zu vergreifen. „Ich denke nicht, dass du...“, setzt er an. „Ich sagte: Aufmachen!“, unterbricht ihn Wayne mit gebieterisch erhobener Stimme, sodass der Commissioner überrascht einen Schritt zurückweicht, kennt er den Rächer doch sonst nur als wortkarg und überaus geduldig. Daher glaubt er, dass wirklich etwas sehr Schlimmes mit dem Joker im Gange ist, und dass es daher bestimmt besser wäre, Batman dieses Mal seinen Willen zu lassen. Das Schicksal der ganzen Stadt könnte schließlich auf dem Spiel stehen...
 

Die beiden Wachmänner tauschen einen überforderten Blick. Eigentlich ist es Batman nicht gestattet, die Zellen zu betreten, schon gar nicht, wenn er so aufgebracht ist, aber... Dann greift einer von ihnen nach der Karte an seinem Gürtel, die die Tür entriegelt. Mit leicht eingezogenen Schultern nähert er sich damit dem elektronischen Schloss. Erschrocken reißt Ivy die Augen auf. Wenn Batman tatsächlich reinkommt, kann sie ihm nichts entgegenbringen. Sie ist so vollgepumpt mit Beruhigungsmitteln, dass sie gerade noch aufrecht stehen kann, ohne zu schwanken. In ihrer Stimme liegt ein leichtes Lallen, obwohl sie noch klar genug denken kann, um mühelos einen ordentlichen Satz zustande zu bringen. Doch das Schlimmste ist, dass sie in diesem Zustand keine Kontrolle über ihre Pheromone, geschweige denn über ihre Pflanzen hat. Sie ist ihm also hilflos ausgeliefert, und sie bezweifelt stark, dass einer der anderen Männer ihr unter diesem Umständen helfen wird.
 

Die Karte ist nur noch wenige Zentimeter von der Scananlage entfernt, als sie schließlich zusammenbricht. „Okay, okay! Ich sage dir, was du wissen willst, doch bleib mir vom Leib!“, entkommt es ihr atemlos. Das scheint dem Mitternachtsdetektiven zu genügen, und er nickt dem Wachmann zu, der sich daraufhin wieder zurückzieht. „Dann spricht! Doch ich warne dich, wenn ich merke, dass du lügst, komme ich wieder und dann gibt es keine Gnade mehr!“ „Oh, verkneif dich doch mal endlich dein verdammtes Machtgehabe!“, giftet sie, tritt dabei aber zwei Schritte zurück, als fürchte sie, damit schon zu weit gegangen zu sein.
 

„Das Gegenmittel.“, knurrt er nur. „Jaja, das Gegenmittel. Das ist aber nicht so einfach. Die Sporen, die seine Amnesie auslösen, befinden sich in seinem Gehirn. Es gibt aber kein Mittel, das sie abtöten kann. Ich kam nicht dazu, eines zu entwickeln. Und ehrlich gesagt hatte ich auch keine Lust dazu, denn in meinen Augen hat sein Zustand nur Vorteile. Doch wenn ich sie bei dieser Kälte nicht regelmäßig mit Energie versorgen kann, sterben sie langsam ab. Der Prozess dauert aber, da sie sich schneller vermehrt haben, als ich dachte. Sein verqueres Gehirn scheint ein idealer Nährboden für meine Sporen zu sein, weiß der Himmel wieso. Es kann daher gut und gerne mehrere Wochen dauern. Und wenn er Angst hat oder wütend ist, begünstigt das ihr Wachstum, sodass er immer tiefer abrutscht.“ „Das würde aber bedeuten, dass positive Gefühle das Ganze zumindest aufhalten könnten?“
 

„Das liegt im Bereich des Möglichen. Zumindest wirkt es den Sporen entgegen, stoppt ihr Wachstum bis zum nächsten Wutausbruch. Wenn er ruhiger wurde, musste ich zeitweise sogar meine Pheromone bei ihm einsetzten, damit er nicht auf dumme Gedanken gekommen ist und seinen eigenen Idee nachgehen wollte. Im Klartext: Je höher sein Stresslevel, desto mehr profitieren die Sporen davon. Doch wie willst du es anstellen, ihm etwas Positives zu entlocken? Er erkennt dich doch auch nicht mehr, und er scheint die herrliche Eigenschaft zu haben, auf alles und jeden loszugehen, den er nicht kennt.“, zweifelnd betrachtet sie ihn. „Ich denke, ich weiß schon, was helfen könnte...“ Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und geht zurück Richtung Ausgang, lässt die Anwesenden einfach ratlos stehen.
 


 

6
 

Während sich Batman mit der grünen Flora herumschlägt, verlässt Edward das Bad wieder. Langsam betritt er das winzige Schlafzimmer und betrachtet seinen kleinen Freund, der ihm gerade so unglaublich fremd vorkommt. Und doch ist da dieses zarte, verwundbare Gesicht, in das er sich auf so unbegreifliche Weise verliebt hat. Das löst einen inneren Konflikt in ihm aus, der ihm mit jeder Minute mehr das Herz bricht. Wenn das Ganze nicht bald ein Ende findet und er sein süßes Törtchen wieder in den Armen halten kann, dann weiß er beim besten Willen nicht, wie lange er das alles noch aushalten kann, ohne einen Nervenzusammenbruch zu bekommen.
 

Mit einem schweren Seufzen sieht er auf den schlafenden Jungen herab. Dieser hat sich aber aus den Decken herausgestrampelt, während Nigma im Bad war. Nun liegt er wie ein kleines Baby auf dem Rücken, die zu kleinen Fäusten geballten Hände neben seinem Kopf. Ein kaum merkliches Zittern gleitet über den schmächtigen Körper hinweg. Joker friert ganz offensichtlich, befindet sich aber noch zu tief im Schlaf, um daran etwas zu ändern. Ein weiteres Seufzen verlässt die Lippen des Brünetten, die nun leicht zu schmunzeln beginnen.
 

Mit einem überaus liebevollen Blick beugt er sich zu dem kleinen Clown hinab und ergreift die Decken. Er kommt allerdings nicht dazu, sie wieder ordentlich zu platzieren, da reißt der Grünhaarige plötzlich die Augen auf. Erschrocken zuckt der Ältere zusammen. Seine Reflexe sind jedoch zu langsam, erst recht, weil sein Verstand ihm doch sagt, dass vor ihm ein geliebter Mensch liegt und kein Irrer, der ihm womöglich wieder an den Kragen will. Doch genau das hat Joker natürlich vor, erkennt er den Rätselmeister ja noch immer nicht.
 

Somit schnellen die Hände des Jungen in einem unglaublichen Tempo nach oben und schließen sich dann wie Schraubstöcke um den Hals seines einstigen Liebhabers! Atemlos beginnt Ed zu röcheln und versucht, Abstand zu gewinnen, doch es gelingt ihm nicht. Trotz der ungünstigen Position, in der sich Joker für seinen Angriff befindet, und all dem, was vorher schon vorgefallen ist, steckt noch so unglaublich viel Kraft in ihm, dass Nigma dem nichts entgegenbringen kann.
 

Verzweifelt krallt er die Finger in die schmalen Arme des Clowns, unter deren Haut er deutlich die prallen Muskeln arbeiten spüren kann. „...Jack...“, japst er erstickt und versucht, irgendwie loszukommen. Der Junge unter ihm verstärkt den Druck allerdings noch etwas mehr. „Jetzt hab ich dich, du mieses Schwein! Und diesmal gibt es keine Gnade!“, knurrt der Jüngere zornig und drückt noch fester zu. Edward sieht nur noch schwarze Punkte vor seinen Augen vorbeifliegen und sein Kopf dröhnt ganz furchtbar. Blut rauscht laut in seinen Ohren, in denen er seinen Herzschlag wummern hören kann. Ihn verlässt jegliche Kraft.
 

Langsam sinkt er vor dem Bett auf die Knie, während Jack sich in eine sitzende Position begibt, um seinen Angriff weiterhin ausführen zu können. Allmählich verliert der Körper in seinem Griff an Spannung, sodass er ihn nun problemlos zu Boden drücken kann. Drohend baut sich der kleine Clown über ihm auf und stützt jetzt sein ganzes Gewicht auf die Arme, um den Druck noch weiter zu erhöhen. Deutlich kann er dabei spüren, wie es im Hals seines Opfers hektisch arbeitet. ‚Ich werde sterben. – Hier und jetzt werde ich sterben...‘, geht es dem Rätselmeister traurig durch den Kopf, während er immer mehr seiner Gegenwehr einbüßen muss. Nur noch ein paar Sekunden und er wird ohnmächtig werden, und dann ist alles aus. Erwürgt von dem einzigen Mann, den er jemals geliebt hat...
 

„...Jack...“, wimmert er noch einmal, doch der Name ist nicht mal mehr ein Flüstern. Nur die zitternden Bewegungen seiner Lippen lassen ihn undeutlich erahnen. Heiße Tränen rinnen seine dunkelrot angelaufenen Wangen hinab. Dann ein letztes Aufbäumen seines Verstandes. Der winzige Funken, der sich als sein Überlebensinstinkt bezeichnet, schickt in völliger Verzweiflung ein Bild in seinen immer schwächer werdenden Geist: Die kleine Spraydose, die Batman ihm gegeben hat. Das ist es! Das Betäubungsmittel!
 

Doch seine verbliebene Kraft ist schon viel zu gering dafür. Seine Finger zittern, und im Liegen kann er das Fläschchen nicht einfach in seine Hand fallenlassen. Mit endloser Anstrengung versucht er, sich nur darauf zu konzentrieren. Luft zu bekommen, muss jetzt nebensächlich sein, auch wenn sein ganzer Körper krampfhaft danach verlangt. Zitternd dreht er seinen Arm auf die Seite und beginnt damit, sein Handgelenk vor- und zurückzubewegen. Er bildet sich ein, die kleine Flasche rutschen zu spüren. Seine unkontrollierten Finger wühlen sich verzweifelt unter die Manschette. Für einen Moment berühren sie die offenliegende Sprüheinheit und rutschen dann wieder ab.
 

Noch mehr Tränen fließen, doch er versucht dennoch, irgendwie Ruhe zu bewahren. Da, wieder die Finger an dem Fläschchen. Er schafft es, den Zerstäuber zwischen Zeige- und Mittelfinger einzuklemmen. Jetzt vorsichtig. Wenn ihm die Flasche wieder entgleitet, ist alles aus. Er wird in spätestens fünf Sekunden das Bewusstsein verlieren. Konzentration! Wieder bewegt er sein Handgelenk und spürt dabei, wie der Boden der kleinen Falsche gegen seinen Unterarm gedrückt wird. Als er sein Handgelenk im größtmöglichen Winkel zur Seite beugt, schiebt sich die Flasche schließlich seinen Fingern entgegen. Ganz fest presst er sie zusammen und zieht sein Handgelenk dann wieder in die Waagerechte. Der Boden der Flasche verheddert sich allerdings am Rand seines Hemdärmels und rutscht weg. Mit einem nicht hörbaren Klirren landet sie auf dem Holz und rollt ein kleines Stück zur Seite.
 

Nun ist Edwards Verzweiflung vollkommen. Wie soll er die Flasche jetzt noch erreichen, bevor ihm endgültig schwarz vor Augen wird?
 

Doch irgendwie muss es so etwas wie einen Gott geben, der seine schützende Hand über Nigma legt. Der ihm all seine Untaten in dieser Stunde der Not vergibt und gutheißt, was er hier in den Narrows versucht aufzubauen. Denn aus welchem Grund auch immer, aber Joker verlagert in diesem Moment etwas sein Gewicht, um einen besseren Angriffspunkt zu haben. Die Anstrengung steht auch ihm ins Gesicht geschrieben. Die Vorkommnisse dieser Nacht fordern nun auch von ihm ihren Tribut. So gelingt dem Brünetten ein einzelnes röchelnd-ersticktes Luftholen, das seinem geschundenen Körper neue Energie verschafft. Und er hat auch etwas mehr Bewegungsfreiheit.
 

Als der Grünhaarige nun wieder seine ganze Kraft einsetzt und ihm erneut völlig die Luft abdrückt, tasten Edwards Finger nach dem Fläschchen. Einmal streifen sie es bloß und stupsen es damit noch etwas weiter weg. Allerdings lässt sich der Rätselmeister diesmal nicht von seiner Verzweiflung übermannen. Er hält dem bohrenden Blick des aufgebrachten Jungen über sich stand, während seine Finger erneut mit der Suche beginnen. Als sie diesmal das Fläschchen berühren, tun sie es sehr vorsichtig. Es rollt kurz auf der Stelle, während Ed jedes Zittern in seinem gefühllosen Arm zu vermeiden versucht. Eine schier endlose Ruhe überkommt ihn plötzlich und er packt wildentschlossen zu.
 

Doch der schwerste Teil liegt noch vor ihm. Er muss den Arm heben und Joker mit dem Betäubungsmittel besprühen, und dass auch noch, ohne sich selbst damit zu treffen. Eine schier unlösbare Aufgabe, erst recht, wo ihm nun wieder die Luft ausgeht und sein Körper den Dienst quittieren will. Sein verkümmerter Überlebensinstinkt meldet sich aber wieder zu Wort. Ein Zucken gleitet über seinen Leib hinweg und er wölbt reflexartig den Rücken nach oben. Dadurch kommt der kleine Clown etwas ins Wanken, und das reicht Nigma.
 

Ruckartig hebt er den Arm in einem letzten Kraftaufgebot hoch. Der Grünhaarige sieht ihn im Augenwinkel und wendet instinktiv den Kopf in diese Richtung, fürchtet womöglich einen hinterhältigen Angriff. Das ist wirklich ein Glück für Ed, denn er findet nicht die Kraft, um seinen Arm noch weiter zu bewegen. „Was zum...?“, setzt Jack verwirrt an, als er das kleine Fläschchen in der Hand seines verhassten Gegenübers sieht. In diesem Moment drückt der Rätselmeister kraftlos auf den Zerstäuber. Der herausschießende feine Tröpfchennebel trifft den Jungen völlig unerwartet mitten im Gesicht. Erschrocken holt Jack Luft und fängt an zu husten. Er kneift einen Moment die Augen zu und schüttelt sich mit verzogenem Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen.
 

Dabei lösen sich auch endlich die Hände von Edwards Hals, sodass er abgekämpft nach Luft schnappen kann. Dabei lässt er den kleinen Clown aber keine Sekunde aus den Augen. Es scheint nämlich so, als würde das Betäubungsmittel nicht wirken. Hat sich Batman vielleicht vertan und ihm das falsche Fläschchen gegeben? Wäre immerhin möglich, da es ja nicht einmal beschriftet ist. Was soll er nur tun, wenn dem wirklich so ist? Er hat nicht die Kraft, sich noch weiter gegen den Jungen zur Wehr zu setzten – jetzt noch viel weniger als vorher schon.
 

Das Husten den Grünhaarigen wird immer schlimmer. Dann wird es zu einem erstickten Röcheln, dann zu einem angestrengten Würgen. Der schmächtige Körper krümmt sich zusammen, als hätte er schreckliche Schmerzen. Ed betrachtet das Ganze erschrocken, weiß er doch nicht so recht, was er tun soll. Erst recht, da sich der Bengel sicher auch nicht helfen lassen will. Das Würgen wird immer stärken und lässt ihn hilflos zittern. Plötzlich weiten sich die unnatürlich roten Augen des Jungen und er erbricht sich krampfhaft. Mit einem feucht-warmen Platschen landet das halbverdaute Essen aus dem Stadion auf Edwards Hemdbrust.
 

Der Rätselmeister gibt ein weinerliches Geräusch von sich und verzieht angewidert das Gesicht. Als ihm der warme, saure Geruch in die Nase steigt, möchte er sich am liebsten ebenfalls übergeben. Das kann doch wirklich alles nicht wahr sein... Nun beginnt der Irre auf seinem Schoß bedenklich zu schwanken. Eine Sekunde später bricht er wie ein erschossenes Tier neben dem Rätselmeister auf dem Boden zusammen und rührt sich nicht mehr.
 

Mühevoll rappelt sich der Brünette etwas auf und betrachtet ihn. Er atmet schwach, aber gleichmäßig. Er ist tatsächlich endlich ohnmächtig geworden. Also hat das Mittel wohl doch gewirkt, wenn auch nicht so wie erhofft. Edward gönnt sich noch ein paar Augenblicke zum Durchatmen, dann verfrachtet er Joker wieder zurück ins Bett.
 


 

7
 

Nigma sitzt mit dem Kopf auf den angezogenen Knien da und versucht, das alles irgendwie in den Kopf zu bekommen. Ein paar Minuten später öffnet sich fast lautlos die Balkontür und Batman betritt mit schweren Schritten das kleine Zimmer. Verwundert betrachtet sich der Ritter die Szene. Irgendetwas ist wohl vorgefallen.
 

„Was ist das für ein Geruch?“, fragt er irritiert, woraufhin der Brünette ganz langsam den Kopf hebt. Er streckt die Knie aus und setzt sich etwas gerader hin. Dabei kann Bruce ziemlich gut den allmählich antrocknenden Fleck auf seiner Brust erkennen. „Er ist aufgewacht und hat versucht, mich zu erwürgen...“, erklärt der Rätselmeister mit kratziger Stimme. Im Schein der Nachttischlampe kann Wayne nun auch den purpurfarbenen Ring um seinen Hals erkennen.
 

„Ich – hab ihn dann mit deinem tollen Mittel besprüht. Als Ergebnis hat er sich dann übergeben, bevor er zusammengebrochen ist.“, anklagend blicken ihn die grünen Augen an. „Das sollte aber nicht passieren...“, erwidert der Rächer etwas kleinlaut. „Ach nein? Gut zu wissen...“, bemerkt Nigma leicht schnippisch. Einen Moment herrscht Schweigen.
 

„Kann ich euch beide mal eine Weile allein lassen, damit ich mich waschen kann?“, fragt Ed schließlich und quält sich schwankend auf die Füße. „Sicher. Doch warum hast du das nicht schon längst getan?“ „Tja, warum wohl? Ich hatte Sorge, dass er sich noch mal übergeben und daran womöglich ersticken könnte.“ „Deshalb also die stabile Seitenlage.“, stellt Batman fest. „Ja, ganz recht. Dennoch war mir nicht wohl dabei, ihn allein zu lassen. Ich wusste ja auch nicht, was für komische Nebenwirkungen das Zeug im Ernstfall noch hat.“ „Es hat eigentlich gar keine Nebenwirkungen. Im Gegenteil soll es besonders sanft und schnell wirken. Doch anscheinend reagieren die Sporen, die Ivy eingesetzt hat, um sein Gedächtnis zu löschen, abweisend darauf.“ „Wie auch immer. Hat sie dir ein Gegenmittel genannt?“ „Ja.“ Doch Ed wartet nicht auf eine Erklärung diesbezüglich, sondern wendet sich um und verlässt das Zimmer. Leise schließt er hinter sich die Badzimmertür. Kurz darauf hört Bruce Wasser rauschen.
 


 

8
 

Der Mitternachtsdetektiv steht eine Weile da und betrachtet den kleinen Clown. Die Wirkung dürfte nicht mehr lange anhalten. Daher wäre es sinnvoll etwas vorzubereiten, damit die Situation nicht wieder außer Kontrolle gerät und er noch einmal eingeschläfert werden muss. Aus seinem Gürtel zieht er daher zwei Paar Plastikhandschellen und kettet die Hände des Jungen damit an die Bettpfosten. Anschließend dreht er ihn auf den Rücken zurück. Dabei hört er den Grünhaarigen leise murren. Er wird also wach. Gut, dann weiter. Bruce kniet sich auf das Laken und beginnt damit, die Hose des Irren zu öffnen. Als er sie ihm von den Hüften streifen will, wacht der Bengel jedoch schon gänzlich auf.
 

Etwas orientierungslos blicken sich die roten Augen um und fixieren schließlich die Fledermaus über sich. Ein Schreck geht durch den Liegenden. Als er zurückweichen will, merkt er, dass er an die Bettpfosten gefesselt ist. Angst huscht über das blasse Gesicht. „Was soll der Scheiß?“, fragt er aufgebracht und versucht, sich zu befreien. „Das ist nur zu deinem Besten.“, erwidert der Dunkle Rächer und zieht ihm nun wirklich die Hose aus. „Bist du jetzt vollkommen irre?“, platzt es daraufhin aus Jack heraus. Doch Wayne geht nicht darauf ein. Stattdessen zieht er ihm auch noch die Shorts aus. „Aufhören! Fass mich nicht an, du verdammte Schwuchtel!“, gebärt sich der kleine Clown hilflos und versucht nach ihm zu treten. Die Wortwahl des Jungen lässt den Rächer für den Bruchteil einer Sekunde stutzen, dennoch bleibt ihm jetzt keine Zeit, um sich etwas anderes zu überlegen.
 

Batman wehrt den Tritt aber erstaunlich leicht ab und spreizt ihm dann grob die Beine auseinander. „Nein! Lass mich los! Aufhören!“, kreischt der Kleine nun der Verzweiflung nahe. Der Ältere lässt sich davon allerdings nicht beirren und macht ungerührt weiter. Als er gerade in ihn eindringen will, gibt es auf einmal ein metallisches Klicken direkt an seiner rechten Schläfe. Der Rächer erstarrt instinktiv und wendet den Blick zur Seite, ohne jedoch den Kopf zu drehen.
 

Neben ihm steht der Rätselmeister. Sein bloßer Oberkörper ist noch von feinen Wassertropfen bedeckt und ein Handtuch hängt ihm um den Hals. Sein Blick ist eiskalt und die Mündung der Pistole bohrt sich Batman nun fast schon schmerzhaft in die Schläfe. „Ich traue dir ja so einiges zu und du hast auch schon Dinge getan, von denen wohl niemand vermuten würde, dass du sie jemals tun würdest. Doch das hier ist doch wirklich das Allerletzte! Wie kannst du nur so scharmlos seinen Zustand ausnutzen wollen?“ „Du verstehst das völlig falsch. Das...“, setzt Batman an. „Ich verstehe genug! Also sie gefälligst still, wenn ich rede! Und hatte ich dir nicht gesagt, dass du mein Törtchen nicht mehr ärgern sollst?“ Ein Zucken gleitet unbemerkt über Jacks Körper hinweg.
 

„Und dennoch machst du es schon wieder! Es wäre so viel besser, wenn ich dir ein Loch in deinen Schädel ballern würde! Doch wenn er jemals sein Gedächtnis wiederfinden sollte, kann ich mir dafür dann selbst die Kugel geben. Also mach, dass du hier rauskommst, ehe ich mich endgültig vergesse!“, knurrt Nigma aufgebracht. Einen Moment starren sich die beiden Rivalen abschätzend an. Ganz langsam hebt der Schwarzgekleidete anschließend die Hände und erhebt sich etwas ungelenk vom Bett. Ohne den Blick von der ihm folgenden Waffe zu lösen, nähert er sich rückwärts der Balkontür.
 

„Riddler...“, setzt er noch einmal versöhnlich an. „Ich heiße Ed, verdammt noch mal!“, kommt es ungehalten zurück. „Ja, entschuldige. Das Gegenmittel...“ „Das ist mir scheißegal und jetzt raus hier!“, zitternd krümmt sich Edwards Finger um den Abzug. Batman hebt wieder die Hände. „Schon gut, schon gut, ich gehe...“, gibt er beschwichtigend zurück und verschwindet flink in die Nacht hinaus. Eilig läuft Ed zum Fenster und verriegelt es. Zitternd legt er anschließend die Stirn an das eisige Glas, schluckt schwer, was einen dumpfen Schmerz in seiner wunden Kehle verursacht, und versucht mühevoll, die aufkommenden Tränen zurückzudrängen. Ein Glück kam er noch rechtzeitig, sonst hätte er sich das niemals verzeihen können...
 


 

9
 

Er weiß nicht, wie lange er so dasteht, mit geschlossenen Augen die Kühle des Glases genießt und das alles einfach nur zu vergessen versucht. Doch irgendwann hört er hinter sich ein angestrengtes Keuchen, begleitet von einem leisen, schmerzlichen Wimmern. Als er sich herumdreht, sieht er, wie Joker versucht, die Fesseln loszuwerden, was bei diesen elenden Plastikdingern ohne Hilfsmittel schier unmöglich ist. Ohne ein Wort verlässt Ed das Zimmer. In der Küche legt er die Magnum auf den Tresen. Er denkt nicht, dass er sie noch einmal brauchen wird. Dann greift er nach der Schere, die an einem Haken neben dem Herd hängt.
 

Als er ins Schlafzimmer zurückkommt, scheint Joker seine Bemühungen erst einmal eingestellt zu haben. Seine Handgelenke sind aber schon ganz wundgescheuert und Tränen benetzen seine glühenden Wangen. Er wirkt verzweifelt und gebrochen. Edward will sich gar nicht vorstellen, wie es gerade im Kopf des Jungen aussieht. Wie er denken muss, dass die ganze Welt verrückt geworden ist und es scheinbar jeder auf ihn abgesehen hat.
 

Dann treffen sich ihre Blicke ungewollt. Der Grünhaarige zuckt sichtbar zusammen. In seinem jungenhaften Gesicht ist keine Wut mehr zu sehen. Er begreift den Ernst seiner Lage anscheinend und hat jetzt nur noch Angst. Immerhin ist Nigma in seinen Augen genauso ein Irrer wie Batman. Doch er kann sich nicht mehr wehren oder befreien, und der Typ vor ihm hat auch noch eine Knarre. „Bitte...“, wimmert er in Tränen erstickt und versucht, mehr Abstand zwischen sich und den Rätselmeister zu bringen.
 

Beschwichtigend hebt der Brünette die Hände. „Schon gut, schon gut. Ich will dir nichts tun, ganz ehrlich. Ich will dir doch nur helfen, dass musst du mir glauben, bitte! – Hier, mit der Schere kann ich dich von den Fesseln befreien, okay? Darf ich dich losschneiden?“ Verloren beißt sich der Grünhaarige auf die Unterlippe und wiegt der Für und Wider seiner Worte ab. Schluchzend holt er Luft und nickt dann kläglich.
 

„In Ordnung. Dann halt still, ja? Ich will dich nicht schneiden...“, erwidert der Ältere und tritt langsam näher ans Bett heran. Joker wendet daraufhin das Gesicht der Wand zu und schließt krampfhaft die Augen, als würde er sich darauf vorbereiten, wieder verletzt zu werden. Es bricht Ed ein ums andere Mal das Herz. Doch er atmet tief durch und durchtrennt dann ganz vorsichtig die Fesseln.
 

Reglos bleibt der kleine Clown einen Moment liegen, als warte er darauf, dass noch etwas passieren könnte. Als er hört, dass der andere das Zimmer wieder verlässt, öffnet er zaghaft die Augen. Hastig setzt er sich hin und streift sich die Shorts wieder über. Dann springt er vom Bett und versucht die Hose anzuziehen. In diesem Moment kommt Edward ins Zimmer zurück. Sie starren sich wieder an, während Joker mit Bedacht weiter mit der Hose kämpft.
 

Der Brünette hat das Gefühl, dass er etwas sagen sollte, um die Wogen endgültig zu glätten, doch er weiß einfach nicht was. „Du – heißt Ed, oder?“, fragt der Grünhaarige vorsichtig. „Ja, das stimmt.“ „Danke, dass du diesen Kerl vertrieben hast...“, meint der kleine Clown etwas unsicher. „Kein Problem. Der Typ hat sie doch nicht mehr alle.“, meint Nigma genervt und lächelt entschuldigend.
 

Zu seiner großen Überraschung lächelt Joker zaghaft zurück, und plötzlich spürt Edward wieder seine Liebe zu diesem Jungen. Ein Gefühl, das unglaublich stark und ungetrübt ist, und doch so grenzenlos kompliziert. Oh, wie sehr er es nach dieser kurzen Zeit schon vermisst, ihn zu lieben. Es macht ihm erst so richtig bewusst, wie sehr es doch um ihn geschehen ist, wie sehr er Joker doch an seiner Seite will, ihn braucht, nicht mehr ohne ihn kann. Himmel, ihm muss dringend etwas einfallen, wie er das alles wieder in Ordnung bringen kann! Im Ernstfall muss er eben darauf hoffen, dass sich der Grünhaarige wieder in ihn verliebt. Das ist es! Es muss Ed nur gelingen, die Begierde für sich in Joker erneut erwachen zu lassen! Wie schwer kann das schon sein? Sehr schwer, ist die Antwort, denn er weiß beim besten Willen nicht, wie er das anstellen soll...
 

Und es ist noch so viel schwerer, weil der kleine Clown noch gar keine Gefühle für dasselbe Geschlecht entwickelt zu haben scheint, was nach Batmans Angriff eben, wohl noch in viel weitere Ferne gerückt sein dürfte...
 


 

10
 

Eine ganze Weile stehen die beiden einfach nur etwas unschlüssig da und wissen nicht, was sie als nächstes tun sollen. Ed will ihm auf keinen Fall zu nahekommen, um womöglich wieder seinen Zorn zu spüren zu bekommen. Joker hingegen ist sich nicht sicher, ob er dem anderen wirklich vertrauen kann. Schließlich wenden sie die Blicke voneinander ab und sehen sich verloren in dem kleinen Zimmer um, in der Hoffnung, einen klaren Gedanken für diese Situation zu finden.
 

Edwards Blick wandert über den Boden. Vom Fenster bis zum Bett verteilen sich kleine Pfützen und winzige Häufchen Schnee auf dem Holz. Leicht verärgert registriert er das Ganze. Hätte sich Batman nicht wenigstens die Stiefel abtreten können, als er hereinkam? Immerhin liegt eine Fußmatte vor der Balkontür. Nein, stattdessen hat dieser Spinner nur wieder das Eine im Kopf! Wirklich eine große Hilfe. Er hätte den Rächer gar nicht erst rufen sollen. Früher oder später wäre ihm sicher selbst eine Lösung eingefallen. Erst recht, wenn er letztendlich dann doch allein dasteht.
 

Sein Blick klebt förmlich an diesen feuchten Spuren und er verkneift sich ein verärgertes Zähneknirschen. Es wäre sicher von Vorteil, die Flecken baldmöglichst wegzuwischen, nicht dass noch einer ausrutscht. Joker hat keine Schuhe an und steht praktisch mittendrin. Gerade als sich Nigma dazu entscheidet, einen Lappen aus der Küche holen zu wollen, registriert er im Augenwinkel eine Bewegung. Sein Blick gleitet etwas zur Seite, zur Kommode, und plötzlich werden seine grünen Augen riesengroß und ihm klappt erschrocken der Mund auf. „Oh, Gott!“, presst er erstickt hervor und tritt ein paar Schritte zurück. Verwundert legt der Grünhaarige den Kopf schief. „Was ist denn in dich gefahren?“, fragt er leicht belustigt.
 

Daraufhin fängt Ed auch noch an zu zittern und deutet mit dem Finger grob in Richtung Kommode. Seine Lippen versuchen Worte zu formen, doch sie wollen nicht raus. „Da-a-a-a-a...“, stottert er hilflos und tritt noch einen Schritt zurück. Die nackte Panik steht ihm in den Augen. „Was ist da?“, fragt der Clown mit erhobener Augenbraue und folgt seinem Fingerzeig.
 

Dicht neben seinem Fuß läuft eine Spinne über den feuchten Boden. Ausdruckslos starrt Jack sie an. Doch es ist nicht einfach nur eine Spinne. Es ist die Art Spinne, die sonst nur in dunklen, warmen Kellern hockt. Die Art Spinne mit den dicken, haarigen Beinen. Die Art Spinne, die schon fast die Größe eines 50-Cent-Stücks haben und dann kommen erst noch diese widerlichen Beine dazu. Diese fetten, brauen Biester, die sich in ihren höhlenartigen Netzen verstecken und herausgeschossen kommen, sobald etwas einen Faden berührt. Die Art Spinne, die wirkt, wie eine kleine Version der riesigen Vogelspinnen. Die sich wahrscheinlich auch noch was darauf einbilden, ihren Verwandten so ähnlich zu sehen, und die immer erst mal angriffsbereit die Vorderbeine in die Luft strecken, anstatt den Rückzug anzutreten. Die Art Spinne, die Frauen vermutlich in ihren Albträumen verfolgen und in den höchsten Tönen schreien lassen – und Edward Nigma, der eine panische Angst vor jeglicher Art von Achtbeinern hat.
 

Das Vieh muss vor einer Weile unten durchs Garagentor gekommen sein. Doch als der Winter anbrach, muss es ihr doch zu kalt geworden sein, wenn drei Dutzend Mal am Tag das Tor geöffnet wird. Irgendwie muss sie dann den Weg in den Hausflur geschafft haben. Doch da gibt es keine Heizung, weshalb es dort jetzt ziemlich frisch ist. Sie muss allerdings die Wärme gespürt haben, die von dem Platz am Ende dieser gewaltigen Treppe kam. Dicht in einer Ecke der Türzarge gedrückt, hat sie dann sehnsüchtig darauf gewartet, dass sie Einlass erhält, was sicher nicht allzu lange gedauert hat. Dann hat sie sich die schön warme Ecke neben der Kommode bei der Heizung ausgesucht und bis eben dort unbemerkt gehockt. Als Batman reinkam, hatte er die Balkontür nicht ganz geschlossen und so muss dem Biest kalt geworden sein. Jetzt ist sie auf der Suche nach einem neuen Platz und erschreckt Ed damit zu Tode.
 

Ihr muss ziemlich kalt geworden sein. Sie bewegt sich sichtlich steifbeinig, aber äußerst flott und huscht lautlos an Jokers Fuß vorbei, sodass dieser gerade noch einen Blick auf sie werfen kann. Die Spinne hält direkt auf den Rätselmeister zu, als würde es ihr eine perfide Freude machen, ihm Angst einzujagen. Ed wird ganz blass. Seine Beine zittern, so wie auch der Rest seines Körpers. Erschrocken springt er schließlich aufs Bett und drückt sich gegen die Wand. Jack fängt an zu kichern. Es ist, als würde jemand ein Messer in Edwards Brust rammen. Am Anfang ihrer Beziehung hatte Joker des Öfteren über dieses bemitleidenswerte Verhalten gelacht, bis er gemerkt hat, wie groß die Angst seines Freundes tatsächlich ist. Daraufhin ist er dann immer systematisch auf Spinnenjagd gegangen, oder hat den Blick des Brünetten in eine andere Richtung gelockt, bis er das Biest beseitigen konnte.
 

Jack hingegen lässt das erst einmal ziemlich kalt. Er könnte sich eher ausschütten, wenn er sieht, wie sich dieser seltsame Freak dort gerade in die Hosen macht, und dass nur wegen so einer ‚kleinen‘ Spinne. Der Arachnide scheint wohl auch Gefallen an diesem zitternden Häufchen Elend zu haben oder aber, er hat sich dazu entschieden, dass das Bett ein herrliches neues Versteck abgeben könnte. Zumindest ändert die Spinne nun die Richtung und krabbelt geschwind an der herabhängenden Decke empor. „Oh, Gott! Dass kann doch wohl nicht wahr sein...!“, wimmert Ed den Tränen nahe, als die Spinne nun über das Laken kriecht und ihm so gefühlt jeden Fluchtweg abschneidet. „Nein, bitte...“, schluchzt der ach so stolze Rätselmeister und presst sich kindlich die Hände vor die Augen, als könne er das Untier damit hinfort wünschen, wenn er es nicht sieht.
 

Langsam vergeht Jack das Lachen. „Hey, sag mal. Du hast echt Schiss vor der kleinen Spinne, oder?“, fragt er schließlich mitleidig. „Das Monster nennst du klein?“, kommt es als ersticktes Wimmern unter den Händen hervor. „Naja, es gibt ja schließlich noch viel Größere und so...“ „Oh, bitte, ich kann nicht mehr...“, bricht es nun ungehalten aus dem Brünetten heraus. Derweilen hat ihn die Spinne schon fast erreicht. Noch ein paar Zentimeter und sie kann ihm ins Hosenbein kriechen!
 

Bevor das allerdings passiert, fasst sich der kleine Clown dann doch ein Herz. Eilig huscht er zum Bett hinüber und packt das pelzige Etwas an einem der langen, haarigen Beine. „So, Gefahr vorbei.“, flötet er richtiggehend fröhlich. Als Nigma zaghaft die Augen öffnet, schwebt die Spinne allerdings direkt vor seiner Nase! Ihm entkommt ein überaus hochtöniger Schrei, sein ganzer Körper erstarrt. „Oh, ich bitte dich! Schaff sie raus, erschlag sie, spül sie im Klo runter, egal was, aber tu sie weg von mir, bitte...!“, jammert er und fängt nun auch noch an zu hyperventilieren. „Na schön. Aber wie kann man als Kerl nur solchen Schiss vor einer kleinen Spinne haben?“, kommt es schulterzuckend von dem Grünhaarigen, der sich zur Balkontür umwendet.
 

Die Spinne ist jedoch alles andere als erfreut über diese grobe Behandlung. Mühselig schwingt sie sich an ihrem eingeklemmten Bein hinauf. Richtiggehend fasziniert betrachtet Jack nun, wie das Vieh seine Mundwerkzeuge in seinen Finger zu bohren versucht. Allerdings hat sie sich an der falschen Seite hochgeschwungen und erwischt nun nur den Fingernagel. Oder besser gesagt: den schon ziemlich abgebröckelten Nagellack des Clowns. Ein neongrünes Stück bricht jetzt heraus und verhaspelt sich in den Zangen, sodass die Spinne es nicht mehr so leicht loswird, ohne ihre Beine zur Hilfe zu nehmen. Das bringt den Bengel wieder zum Kichern, während Edward panisch alles beobachtet und hofft, dass das Früchtchen auf keine fiesen Ideen mehr kommt.
 

Schließlich hat sich Jack genug amüsiert und öffnet die Balkontür. In hohem Bogen fliegt die Spinne durch die Luft und klatscht dann lautlos in den Schneehaufen, der sich um den Scheinwerfer gebildet hat. Zum Unglück der Spinne bricht eine Minilawine vom Glas des improvisierten Bat-Signals los und begräbt sie unter sich. Das war’s dann wohl...
 


 

11
 

Grinsend wendet sich Jack herum. Doch er kommt gar nicht dazu, die Balkontür wieder richtig zu schließen, da fällt ihm Edward auch schon in die Arme. Fest drückt er den überraschten Jungen an sich und weint hemmungslos. „Oh, danke, danke, danke, tausend Dank, mein kleines Törtchen!“ Abermals geht ein Zucken bei diesem Wort durch den schmächtigen Körper. Ed bemerkt es gar nicht. Er hat nicht einmal gemerkt, was er da überhaupt gesagt hat und was das für Folgen haben könnte. Er ist nur so endlos erleichtert.
 

Plötzlich legen sich zwei Arme um Nigma und drücken ihn an sich. „Hey, mein Hübscher. Was hast du denn?“ Verwundert hebt der Brünette den Kopf und starrt sein Gegenüber einfach nur an. „Wie – wie hast du mich gerade genannt?“, fragt er verwirrt. „Mein Hübscher, wie denn sonst?“, lächelt der Junge vor ihm. „Törtchen?“, kommt es vorsichtig von dem Älteren. „Ja. Warum weinst du denn?“ „Da war eine Spinne...“ „Wo?“ „Du – du hast sie gerade rausgeschmissen. Weißt du nicht mehr?“ Verwundert legt Joker den Kopf schief. „Du – du hast gelacht, weil sie von einem Haufen Schnee begraben wurde...“ „Jaaaa, dass war geil!“, gluckst der Clown.
 

„Joker?“ „Ja?“ „Kennst du einen Jack?“ „Nee, wer soll das sein?“ „Egal. Weißt du, was mit Ivy und Selina ist?“ „Nee, die zwei hab ich schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Warum fragst du? Machen dir die Zicken etwas Stress?“ Doch Ed schüttelt nur leicht den Kopf. „Ach, war nur so ein Gedanke.“, winkt er ab. Innerlich kann er es kaum fassen. Soll es wirklich möglich sein, dass dieser kindische Spitzname Jokers Erinnerungen tatsächlich wieder zurückgebracht hat? Da hilft wohl nur eins.
 

Edward blickt ihm tief in die Augen und beugt sich dann zu einem Kuss vor. Nahezu begierig geht Joker darauf ein und zieht ihn fest an sich. Im Kopf des Rätselmeisters zündet ein unglaubliches Feuerwerk und sein Herz könnte vor Freude zerspringen. Er ist zurück! Sein süßes kleines Törtchen ist endlich wieder zurück! Er kann sein Glück kaum fassen.
 


 

12
 

Die beiden haben ihren sinnlichen Kuss noch gar nicht beendet, da öffnet sich erneut die Balkontür. Sehr wachsam tritt Batman erneut in das Zimmer hinein und betrachtet die zwei einen Moment. Langsam und sichtlich unwillig, lösen sie sich schließlich voneinander. „Batsy?! Was machst du denn hier, Darling?“, fragt der kleine Clown aufgeregt und verwirrt gleichermaßen. Der Angesprochene hat jedoch kaum einen Blick für ihn. Die paar Worte genügen, um zu wissen, dass er wieder normal ist – zumindest so normal, wie es ihm eben möglich ist.
 

„Glückwunsch.“, brummt der Ritter nichtssagend, doch der Brünette scheint es zu verstehen. „Danke. Aber hatte ich dich nicht aus meinem Haus verwiesen?“, gibt Nigma leicht angefressen zurück und drückt den Grünhaarigen schützend und mit einem Funken Eifersucht in den Augen an sich. „Hey! Meine zwei Lieblingsmänner dürfen sich nicht streiten!“, schmollt Joker leicht dazwischen. Batman ignoriert jedoch beide Aussagen. „Ich muss den Enigma zurückbringen.“, meint er nur trocken. Ed rollt mit den Augen und trennt sich dann sehr unwillig von seinem kleinen Freund. „Was...?“, setzt der Grünhaarige an, versteht er doch so gar nichts mehr.
 

Dann ist Edward auch schon zurück und drückt dem Rächer einen seltsamen schwarzbraunen Klumpen in die Hand. „So, zufrieden?“ „Ja.“ Ohne ein weiteres Wort dreht sich Bruce herum und verlässt die Wohnung wieder. Nigma tritt ans Fenster und verriegelt es diesmal richtig. Für heute hatte er definitiv genug ungebetenen Besuch.
 

„Sag mal, Ed, was ist hier eigentlich los? Was wollte Batsy und was war das für ein hässlicher Klumpen, den du ihm gegeben hast?“ „Das ist eine sehr lange Geschichte.“ „Okay. – Aber was ist denn mit deiner Nase passiert? Und dein Hals? Hat er dir etwa wehgetan? Und warum hab ich eigentlich deine Klamotten an? Ich dachte, du stehst nicht auf Rollenspiele...“ „Ach, mein kleines Törtchen. Kein Grund zur Sorge. Batman trägt keine Schuld dafür. Und alles andere werde ich dir erzählen – irgendwann einmal.“, lächelt er nur müde, aber so unendlich erleichtert.

Three is one too many?

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Or not...


 

1
 

Nach diesem letzten Akt gehen bei Joker endgültig die Lichter aus. Alle Kraft verlässt ihn, seine Beine rutschen einfach schwerfällig von Bruce‘ Schultern herunter und er schließt trunken die Augen. Und noch ehe der kleine Clown ganz auf den Laken zum Liegen kommt, schläft er auch schon tief und fest. Keuchend kniet der Rächer über ihn gebeugt da und betrachtet ihn eine Weile eingehend, um ganz sicher zu gehen, dass er auch wirklich nur schläft und nicht wieder ein unvorhergesehener Unfall passiert ist, der erneut seinen streitlustigen Freund auf den Plan ruft. Als er sich dem gewiss ist, packt er langsam die Kette der Handschellen, die noch um seinen Hals liegt, und entlastet so auch die Arme des Jungen. Behutsam öffnet er die Fesseln, während Edward sich aufsetzt und das Wort erhebt.
 

„Schläft er jetzt?“, fragt er leicht besorgt, bereit, den Rächer abermals zur Seite zu stoßen und einzugreifen, sollte dem nicht der Fall sein. „Ja.“, brummt Batman leise. „Gut, dann belass es jetzt bitte auch dabei.“ Stumm nickt der Maskierte – für heute hat er definitiv selbst genug –, während Nigma aufsteht und ungefragt nach dem Cape der Fledermaus angelt. Verwundert hebt Wayne eine Augenbraue, doch dann sieht er es selbst. Joker ist ziemlich unpraktisch auf der völlig zusammengeknüllten Bettdecke eingeschlafen und Ed will ihn ganz sicher nicht aus Versehen aufwecken, wenn er ihn nun anders hinlegt, damit er ihn zudecken kann. Naja, Schwamm drüber. Ist immerhin nicht das erste Mal, dass das Cape von dem Grünhaarigen als Decke zweckentfremdet wird. Daher kümmert es Batman im Moment nicht so sonderlich, stattdessen steht er ebenfalls auf und beginnt damit, sich anzuziehen.
 

Nachdem der Rätselmeister seinen kleinen Freund wie eine verpuppte Raupe eingewickelt hat, begibt er sich kurz ins Badezimmer, um sich zumindest eine frische Unterhose und seinen Bademantel überzuziehen. Die Fleischbeschauung muss ja auch mal ein Ende haben. Immerhin haben sie jetzt noch so einiges zu besprechen – zumindest von Edwards Seite aus.
 


 

2
 

Als Nigma halbwegs angezogen ins Schlafzimmer zurückkommt, sitzt Bruce schon fertig am Kopfende des schmalen Bettes und hält etwas in der Hand, das er sehr verwundert betrachtet. Langsam blickt er auf und sieht sein Gegenüber fragend an. „Was, in aller Welt, ist das?“, will er fast schon entrüstet wissen und hebt den fraglichen Gegenstand dabei hoch, sodass ihn der Rätselmeister sehen kann. Ed muss unweigerlich schmunzeln, als er sich neben seinen ewigen Rivalen aufs Bett setzt. „Das, mein verhasster Freund, ist Jokers wertvollster und liebster Besitz: Seine Batman-Puppe. Ohne sie kann er für gewöhnlich nicht einschlafen, ganz egal, ob ich neben ihm liege oder nicht. Es ist fast so, als hätte dieser zerschlissene Haufen Stoff eine magische Wirkung auf ihn. Die Puppe beruhigt ihn und tröstet ihn besser, als ich es jemals könnte. Und das, obwohl das Original so oft überhaupt erst der Grund für seine Aufregung oder Traurigkeit ist.“ Bei der letzten Aussage bedenkt Nigma den Rächer neben sich mit einem mahnenden Blick, der besagen soll, dass Batman ja nicht vergessen sollte, wie dünn und zerbrechlich das Band ist, das sie drei hier geknüpft haben, das es jeder Zeit wieder reißen und erneut Chaos ausbrechen kann, sollte er einen undurchdachten Fehler begehen.
 

Stumm betrachtet Bruce das lächelnde Plüschpüppchen, dessen Stoff an vielen Stellen schon so dünn ist, dass die Watte jeden Moment herausplatzen könnte, wenn man sie falsch anfasst. Mindestens genauso viele Stelle sind ungeschickt und behelfsmäßig mit viel zu dicken Fäden in allen möglichen Farben geflickt. Die Puppe hat inzwischen auch ihr zweites Auge eingebüßt, weshalb sie die Welt nur noch durch ein paar Knöpfe sehen kann – der eine dunkelrot, der andere hellblau, zudem sind sie auch noch unterschiedlich groß, was dem Gesicht ein fast schon beschränktes Aussehen verleiht. Das kleine Cape ist völlig verfranzt und nur noch halb so lang, wie es einst war. „Du liebe Güte. – Jetzt sehe ich es auch, irgendwie. – Aber die Dinger werden schon seit Jahren nicht mehr hergestellt. Es gab sie nur eine ganz kurze Zeit zum Anfang meiner – naja, nennen wir es Karriere.“
 

„Da siehst du mal, wie lange er das Ding schon hat und es heiß und innig liebt.“, grinst Ed und nimmt ihm die Puppe dann vorsichtig wieder ab, um sie seinem kleinen Gefährten in die Arme zu legen. Fast schon wie ein Ertrinkender klammert sich der schlafende Junge daran fest, während ein seliges Lächeln sein träumendes Gesicht erhellt. Leicht überrascht beobachtet der Schwarzhaarige das Ganze. „Himmel. Ich habe die Puppen damals vom Markt nehmen lassen, weil sie...“, setzt Batman kopfschüttelnd an. „Weil sie gelächelt haben und dass nicht zu deiner typischen Miesepeter-Stimmung passt, nicht wahr?“, neckt ihn Nigma ein bisschen. „Ja, so kann man es wohl ausdrücken. Sie waren gerade mal zwei Tage in den Läden, und meines Wissens wurden in dieser Zeit nicht einmal sechs Stück davon verkauft.“
 

„Und ich wette, Joker hat schon Tage vorher vor einem der Läden campiert, weil er sicher der Erste sein wollte, der so ein Ding sein Eigen nennen darf.“ „Da hast du wahrscheinlich sogar recht.“, pflichtet ihm Bruce schulterzuckend bei. „Mit allem anderen war es da bestimmt auch nicht besser.“ „Was meinst du, mit allem anderen?“ „Tja, mach doch mal den Kleiderschrank dort auf oder mach im Wohnzimmer das Licht an, dann siehst du, was ich meine.“ Doch der Rächer bleibt auf seinem Platz sitzen. „Ich weiß, dass er ein T-Shirt und Unterwäsche mit meinem Logo hat.“, erwidert er stattdessen. „Das stimmt. Er hat, glaube ich, nur drei oder vier Shorts auf dem nicht deine Fledermaus klebt, die er aber auch nie wirklich anzieht, außer alles andere ist gerade in der Wäsche. Dazu mindestens drei Dutzend Shirts und Pullis in verschiedenen Farben. Socken in jeder nur erdenklichen Ausführung. Sogar einen Schlafanzug, der von oben bis unten mit an die hundert kleinen Logos bedeckt ist. Hinzu kommen Actionfiguren, Comics, Tassen, Teller, Schüsseln, Stifte, Schlüsselanhänger und vermutlich jeden anderen Mist, auf dem irgendetwas von dir abgebildet ist.“, seufzt Nigma.
 

„Oh, Mann. Ich kann diesen ganzen Kram nicht sonderlich leiden. Es macht Batman in meinen Augen irgendwie eher zu einer Witzfigur. Aber immerhin lächelt nichts mehr. Doch der Erlös aus dem Verkauf geht zu einhundert Prozent an sämtliche Waisenhäuser und Kinderkliniken in der Stadt. Also muss ich es hinnehmen. – Ist aber bestimmt ziemlich anstrengend mit ihm, oder?“ „Das kannst du laut sagen. Als hätte ich einen hyperaktiven Dreijährigen zu versorgen, und es wird noch schlimmer, wenn er irgendwo etwas entdeckt, das er noch nicht hat, was man praktisch für unmöglich halten sollte, bei all dem Kram, der sich hier stapelt.“ „Dann wird er vermutlich ausflippen, wenn das hier in zwei Monaten auf den Markt kommt.“, meint Wayne und zieht etwas aus seinem Einsatzgürtel heraus. Als er es Ed in die Hand legt, erkennt dieser, dass es sich um eine Schokoladefigur handelt, wie man sie sonst als Weihnachtsmann oder Osterhasen her kennt. „Du lieber Himmel! Wenn das Zeug wirklich auf den Markt kommt, wird er vermutlich drei Wochen lang Verstopfung haben, weil er sich damit bis zum Erbrechen vollfuttert!“, nahezu entrüstet sieht ihn der Rätselmeister an.
 

Ein fast schon entschuldigender Ausdruck liegt dabei auf dem Gesicht des Dunklen Ritters. „Dann sollest du ihm wohl besser nicht sagen, wann man das kaufen kann. Es soll nämlich ab jetzt Sommerloch zwischen Ostern und Weihnachten stopfen. Es ist also nicht dauerhaft im Bestand, was vielleicht ein kleiner Trost für sich seien dürfte. Das hier ist jetzt auch nur eine Vorabprobe, die ich bekommen habe. Und ich dachte mir, es wäre sicher genau das Richtige für ihn. Als eine Art Testesser, wenn man so will.“ „Danke, irgendwie zumindest. – Bist du deswegen hergekommen, oder nur, um mich mit alledem hier zu demütigen?“
 

„Naja, direkt demütigen wollte ich dich mit meiner Anwesenheit nun nicht. Aber Joker hat mir vor einer ganzen Weile mal zufällig erzählt, dass er heute Geburtstag hat, und ich dachte, ich mache ihm eine Freude. Ein bisschen auch als Wiedergutmachung für all das Leid, das ich ihm bewusst oder auch nur unbewusst bereitet habe. Ich war jetzt nicht darauf vorbereitet, dass du da, allem Anschein nach, einen ganz ähnlichen Plan hattest. Ich wollte dich jetzt auch nicht aufs Abstellgleis verfrachten, nur um mich mit ihm zu vergnügen, daher war der Dreier wirklich eine ganz spontane Idee, die ich da hatte, und die er anscheinend aufgeschnappt hat, ohne dass ich es auch nur aussprechen musste. Vielleicht hatte er so einen Gedanken auch selbst schon und wusste nur nicht, wie er dich dazu bringen kann mitzumachen.“
 

„Ja, eine ganz tolle Idee. Und wie nett du mich doch zu alledem überredet hast, so schonend und vorsichtig. Ich bekomme schon ein Trauma, wenn ich nur dran denke. Wie kannst du ihm nur solche Flausen in den Kopf setzen? Ist dir eigentlich klar, was das jetzt bedeutet?“, hakt Nigma leicht angesäuert nach. Unverständlich mustert ihn der Rächer. „Was denn?“ „Na, was schon? Dass er so was jetzt öfter haben will! Mindestes jedes Mal, wenn er Geburtstag hat!“ „Oh...“, entkommt es Bruce auf einmal sehr kleinlaut. „Ja, oh. Vielleicht denkst du beim nächsten Mal zweimal darüber nach, wenn es dich da unten wieder mal juckt! Joker ist wie ein Schwamm und saugt alles auf, was er von dir kriegen kann. Und noch schlimmer ist, dass er alles dann für selbstverständlich hält. Er hat mir zu Anfang unserer Beziehung gesagt, ich solle mich strickt durchsetzen, wenn etwas für ihn tabu sein soll, sonst würden meine Einwände beim nächsten Mal nicht mehr zählen. Er ist da wie ein kleiner Hund. Was verboten ist, muss auch verboten bleiben, sonst bekommt man es nicht mehr umerzogen.“
 

„Das – tut mir jetzt wirklich ehrlich leid. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig mit ihm ist...“, entkommt es dem sonst so stolzen Ritter ganz verlegen. Abwertend verschränkt Edward die Arme vor der Brust. „Das habe ich mir schon gedacht. Du siehst nur den Spaß mit ihm oder den Ärger, je nach dem. Spielst den sorglosen Vater, während ich immer die schimpfende Mutter sein muss. Doch was den Rest der Zeit ist, merkst du nicht, weil du dich geschickt aus der Affäre ziehst, nie da bist, wenn es wirklich drauf ankommt. Aber ich muss dich enttäuschen, Mister. Das ist jetzt vorbei. Ihr habt so etwas wie eine Beziehung, was bedeutet, dass du auch deinen Teil dazu beitragen musst, wenn du deine Stadt weiterhin in einem Stück behalten möchtest, und nicht mich immer dafür abstellen kannst, ihn bei Laune zu halten, nur weil du dich für so erhaben hälst und nur auf uns herabblickst, als wären wir unschöner Müll in der Gosse.“
 

„Eine Beziehung...“, murmelt Bruce in sich hinein und ignoriert den Rest gekonnt, auch wenn es ihm zu denken gibt. „Ja, eine Beziehung. Und sag mir nicht, dass dir das noch nicht aufgefallen wäre. Und noch viel weniger kannst du abstreiten, dass du Gefühle für ihn hast.“ Erschrocken wendet ihm der Schwarzhaarige das Gesicht zu und lässt dann resignierend die Schultern hängen. „Du kannst es nicht leugnen! Euer Umgang miteinander hat sich seit unserem letzten Gespräch sehr verändert.“ „Ich leugne es ja gar nicht. Ich – versuche nur zu verstehen, was ich da eigentlich genau fühle...“ „Dann kannst du dich ja erst recht mit Joker zusammentun, da er ja auch nicht versteht, was das alles für Gefühle sind, die du immer wieder in ihm aufwallen lässt. Er möchte es Hass nennen, weil er ganz sicher große Angst davor hat, dass du ihn wieder ablehnst, wenn er dir sagt, dass er in dich verliebt ist. Doch es ist so. Er liebt dich! Die ganze Situation, die Gefühle und euer Umgang miteinander unterscheiden sich nur so grundlegend von der Beziehung, die er mit mir führt, dass er dafür schlichtweg ein anderes Wort braucht.“
 

„Klingt sogar irgendwie logisch. Ich – bin mir da nicht ganz sicher, ob ich diese Empfindung als Liebe bezeichnen würde, die ich ihm gegenüber habe. Vielleicht will ich es auch einfach nicht so bezeichnen. Aus Angst, aus Stolz, unterbewusst aus dem Gedanken heraus, weil er ein Junge ist, weshalb auch immer. Ich habe kein Problem mit Männern, ich hatte nur noch nie eine Beziehung mit einem. Wir sind zudem so verschieden und niemand würde es verstehen, wenn wir ein richtiges Paar werden würden. Es würde uns alle in Gefahr bringen, ganz egal, dass ihr zwei hier versucht, ein normales Leben zu führen. – Zudem unterscheidet sich das Gefühl grundlegend von dem, was ich sonst für Liebe gehalten habe, dass ich es einfach nicht einordnen kann. Ich akzeptiere es, aber ich kann es nicht benennen, und das macht mir manchmal sehr zu schaffen.“
 

„Ich denke, dass ist in Ordnung. Du musst mit dir selbst in diesem Fall ins Reine kommen, ganz egal, ob es dafür ein Wort gibt oder auch nicht. Joker hätte in jedem Fall eine andere Bezeichnung dafür und dieser musst du dich halt anpassen, auch wenn es komisch klingt. Wenn er sagt, dass er dich hasst, ist das halt seine Art zu sagen, dass er dich liebt und du musst einfach nur mitspielen.“ „Das tue ich inzwischen. Doch was ist mit dir?“ „Was soll mit mir sein? Ich weiß schließlich, dass ich ihn liebe. Auch wenn der Gedanken an einen Kerl für mich auch nicht leicht war.“ „Naja, ich habe, allem Anschein nach, eine Beziehung mit ihm und du doch ebenfalls. Also was ist das hier, was wir da tun? So was ist doch nicht normal.“ Edward denkt fast eine Minute darüber nach, während er überaus gewissenhaft seine Brille putzt.
 

„Nun, was in unserem Leben ist schon normal? Aber – hast du schon mal von dem Begriff Polyamorie gehört?“ „Heißt das nicht, dass man mehr als eine Person gleichzeitig lieben kann?“, hakt Bruce nach. „Nicht ganz. Es bedeutet kurzgesagt, dass man romantische oder auch nur sexuelle Gefühle für mehr als eine Person empfindet, obwohl man in einer glücklichen Partnerschaft steckt. Es bedeutet, dass man mehrere Beziehungen gleichzeitig führt. Doch das Entscheidende an dem Begriff ist, dass alle Beteiligten von allen Beziehungen wissen und sie nicht nur akzeptieren, sondern auch erlauben, man keine heimliche Affäre mit jemandem hat. Es herrscht also Einigkeit auf allen Seiten.“
 

„Aber ihr wisst doch gar nicht, was ich sonst noch für Beziehungen habe.“ „Das stimmt. Doch das ist egal, da der Begriff nur auf Joker und unsere Situation mit ihm anzuwenden ist. Ich habe beispielsweise gar keine andere Beziehung und habe auch nicht vor, dass zu ändern. Ich bin da eben altmodisch. Etwas, für das die Gesellschaft mich mal nicht an den Pranger stellen kann. – Hat Batman denn eine andere Beziehung?“ „Als Beziehung würde ich das nicht ganz bezeichnen. Es läuft mal gut und dann wieder nicht so.“ „Also mit einem anderen Schurken?“, grinst Edward in sich hinein. „Es ist eine Frau und – ich versuche, sie auf den Pfad der Tugend zurückzuführen...“ „Klappt wohl nicht ganz so, wie?“ „Nicht immer. Ganz so, wie ihre Laune gerade ist. Ich fürchte, sie hat einfach noch zu viel Spaß daran, Böses zu tun. Das ist nicht wie bei Joker, der das alles nur gemacht hat, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Es ist tief in ihrem Leben verwurzelt, fürchte ich. Sie kennt es womöglich gar nicht anders...“
 

„Das belastet dich, habe ich recht?“ „Ja, sehr sogar. Daher ist es manchmal ganz gut, sich zwischendurch mit Joker ablenken zu können. Da weiß ich zumindest leichter, woran ich bin.“ „Und was ist mit dem Mann hinter der Maske? Hat er eine Beziehung?“ „Das ist sehr kompliziert. Er hat keine Beziehung, nur gelegentliche Vergnügungen, die aber eher einer Verpflichtung gleichkommen. Man erwartet halt so einiges von ihm und daher muss er seinem Ruf gerecht werden, auch wenn er es nicht immer will. Es wäre auch sehr schwer, eine Beziehung zu führen, wenn man Nacht für Nacht das Haus verlassen muss, um Schurken zu jagen.“ „Also steckt unter dieser Maske ein sehr einsamer Mann, der sich daher in wilde Abenteuer mit bösen Mädchen und Jungs stürzt.“ „So kann man es wohl ausdrücken. Doch vielleicht wird das eines Tages anderes sein, wenn ich jemanden finde, dem ich mich anvertrauen kann...“
 

„Das solltest du dir sehr gut überlegen. Es würde womöglich bedeuten, dass es Batman dann nicht mehr gibt, und dass würde Joker das Herz brechen. „Das ist mir auch schon durch den Kopf gegangen. Aber vielleicht ist es ja auch Joker, dem ich mich anvertrauen kann? Irgendwann, in ferner Zukunft, wenn...“, er stockt, weil er es nicht aussprechen will. „Wenn sein Wahnsinn irgendwann geheilt ist?“, schlägt Edward vor. „So ungefähr, ja.“ „Das würde aber mit Sicherheit auch bedeuten, dass es Batman dann nicht mehr gibt.“ „Schon möglich. Aber vielleicht wird Batman bis dahin auch nicht mehr gebraucht und ich kann eine echte Beziehung mit ihm führen – naja und mit dir.“
 

„Kann man sich überhaupt eine Welt ohne Batman vorstellen?“, fragt Nigma und ignoriert bewusst Bruce‘ letzten Ausspruch. „Im Moment nicht, aber womöglich irgendwann einmal. Aber ich kann das ja auch nicht den Rest meines Lebens machen. Das ist allein schon körperlich völlig unmöglich.“ „Ich bin sicher, es gibt genug Leute, die liebend gern in deine Fußstapfen treten würden. Du musst nur die richtigen finden, die deine Werte hundertprozentig widerspiegeln und denen du blind vertrauen kannst.“
 

„Wohl wahr. Darüber sollte ich mir mal Gedanken machen. – Ist dir aufgefallen, dass wir uns noch nie so unterhalten haben?“ „Ja und es ist sogar ziemlich interessant. Da könnte man sich glatt dran gewöhnen, und vielleicht sollten wir das in Zukunft auch öfter machen. Wer hätte schon gedacht, dass Batman so tiefgründig und redegewandt sein kann, und über seine Gefühle spricht. Das er überhaupt welche hat.“ „Sehr witzig, aber recht hast du schon. Ich versuche das für gewöhnlich vor anderen zu verbergen, um niemandem zu schaden. Aber vielleicht gehört sowas ab jetzt wirklich dazu, wenn wir polyamorisch leben.“ „Das heißt polyamorös leben.“ „Ach wirklich? Klingt ja ganz so, als hättest du dich eingehender mit dem Thema befasst.“
 

„Das könnte man so sagen. Man kann es wohl als Zwang bezeichnen, doch ich habe immer gern einen Namen für alles. Daher habe ich versucht, ein Wort für das zu finden, was Jokers Gefühle und alles drumherum am besten beschreiben kann. Nach vielen vergeblichen Stunden bin ich dann mehr zufällig darauf gestoßen und habe dann alles gelesen, was ich dazu finden konnte. Von daher, ja, ich kenne mich aus.“ „Ich hätte von dir auch ehrlich gesagt nichts anderes erwartet.“ „Ich nehme das mal als Kompliment.“
 


 

3
 

Eine Weile herrscht Schweigen, das Bruce schließlich wieder bricht. „Es – gibt noch einen weiteren Grund, warum ich heute unbedingt herkommen wollte...“ „Ach ja? Das klingt irgendwie ziemlich ernst.“ „Ist es auch...“ Plötzlich zieht Batman einen großen Briefumschlag hervor. Er scheint bis zum Zerreißen mit etwas gefüllt zu sein. „Was ist das?“, fragt Ed mit einem Anflug von Sorge. Der Maskierte schweigt jedoch wieder, wirkt, als würde er tief in sich gehen. Vielleicht sogar mit sich ringen, es überhaupt auszusprechen.
 

„Weißt du noch, als Joker dachte, dich mit mir getrogen zu haben und ihr euch dann fast getrennt hättet?“ Nigma zuckt neben ihm so heftig zusammen, als wäre er unerwartet geschlagen worden. „Du – du weißt davon?“, japst er erschrocken. „Joker hatte es mir eine Weile später erzählt.“ „Ist ja interessant. Gibt es auch etwas, das er dir nicht erzählt hat?“, jetzt wirkt der Rätselmeister sichtlich pikiert. „Das weiß ich nicht, oder? Aber er hat mir nie erzählt, dass ihr zwei ein Paar seid, dass habe ich ja eher durch Zufall erfahren und er hat es mir später bestätigt. Das aber auch erst, nachdem ich das Gespräch mit dir und er sich um dich gesorgt hatte.“ Nun läuft Ed knallrot an, wenn er daran denkt, auf welche Weise Batman die Tatsache ihrer Partnerschaft so ungewollt in Erfahrung gebracht hat.
 

„Na immerhin etwas.“, gibt er daher schnippisch zurück. „Gut, ja, ich erinnere mich an diese Nacht. Wie könnte ich auch nicht. Doch so schlimm war es gar nicht. Wir hätten uns nicht getrennt...“ „Ja, weil du ihn verarscht hast.“ Abermals wird Ed rot. „Wie mir scheint, hat er dir das ja haarklein erzählt. Aber vielleicht verstehst du ja auch, warum ich das gemacht habe?“ „Durchaus.“ „Schön, dann komm doch jetzt bitte endlich zum Punkt.“
 

„Gut. In dieser Nacht hatte er mir zum ersten Mal sein Gesicht gezeigt, wie du ja sicher weißt. Und er bat mich darum, doch irgendwie herauszufinden, wer er wirklich ist. Oder besser gesagt, wer er in seinem früheren Leben war...“ „Was? Wirklich? Das hat er mir nicht gesagt.“ „Oh, okay. Jetzt weißt du es. Ich denke, er will endlich völlig mit diesem Thema abschließen können. Vielleicht hatte er die Hoffnung, seine Familie wiederzufinden, oder einfach nur zu begreifen, was mit ihm passiert ist. Was ihm den Verstand geraubt hat.“ „Oh, Joker...“, seufzt der Brünette und lässt traurig die Schultern hängen, erst recht in Anbetracht dessen, was er selbst von der Vergangenheit des Clowns erfahren hatte. Dass das alles kein gutes Ende nehmen wird...
 

„Nun ja, es war nicht sonderlich einfach. Doch der Blick auf sein ungeschminktes, doch sehr unverwechselbares Gesicht hat mir sehr dabei geholfen, einen Ansatzpunkt zu finden. So hat es nicht lange gedauert, bis ich auf alte Akten von einem Kinderheim gestoßen bin, das vor ein paar Jahren dichtgemacht wurde, weil dort unzumutbare Bedingungen geherrscht haben.“ Unweigerlich muss Ed an das denken, was Joker ihm so von Sinnen erzählt hatte, und auch an Sam, für den jede Hilfe zu spät kam.
 

„Die Akten wurden nach der Schließung eingelagert und man hat versucht, die Kinder ausfindig zu machen, um ihnen eine Entschädigung für all das erlittene Leid zu zahlen. – Viele der Kinder sind in dem Heim gestorben, die wenigsten auf natürliche Weise, wenn ich mir das so betrachte. Doch ein Kind konnte bis heute nicht gefunden werden...“ „Joker...“
 

„Ganz genau. Das Bild in seiner Akte war unzweifelhaft er. Somit konnte ich seinen Namen erfahren. Ich war mir nicht sicher, ob es sein richtiger Name war, weil ich ja auch nicht wusste, wie es da schon um seinen geistigen Zustand bestellt war. Schließlich hat es sich um ein Heim für gewalttätige und geistige benachteiligte Jungs gehandelt. Doch etwas anderes hatte ich nicht und habe darauf meine Recherche gestützt.“ Edward sitzt nur schweigend neben ihm und krampft die Hände im Schoß zusammen. Er will das alles nicht hören, er weiß schon zu viel, und dennoch brennt er darauf, zu erfahren, wie viel Wahrheit in Jokers Worten gesteckt hatte und was es sonst noch zu erfahren gibt.
 

„Sein Name war Jack Napier. Als ich danach gesucht habe, bin ich auf einfach alles gestoßen. Geburtsurkunde, Krankenakten, Schulakten und so weiter. Anhand verschiedener Bilder konnte ich zweifelsfrei zuordnen, dass es sich dabei tatsächlich um Jokers richtigen Namen handelt. Und ich konnte ihn bis zum Beginn von allem zurückverfolgen, bis hierher.“ Überrascht sieht Ed ihn an. „Hierher? Was soll das denn heißen?“
 

„Naja, die Familie Napier hat in dem Gebäude gewohnt, das deinem Versteck gegenüber gelegen hat. Das, welches du gerade erst abreißen hast lassen.“ Fassungslos klappt Nigma der Mund auf. „Das – das ist ein Witz, oder?“, er wird ganz blass. „Nein, ist es nicht, und mit so etwas würde ich auch keine Scherze machen. Sie hatten das Apartment 4c und bezogen es drei Jahre, bevor Joker auf die Welt kam. Sein Vater Owen hat sogar hier in der Werkstatt gearbeitet, er war Mechaniker.“ „Oh, mein Gott, nein!“
 

„Ich fürchte doch. Vielleicht ist es also auf irgendeiner Ebene nicht mal ein Zufall, dass du hier bist und er den Weg zu dir gefunden hat?“ „Das ist mir völlig egal, ich will gar nicht darüber nachdenken, weil es mich sonst nur noch graut. Also sprich einfach weiter.“
 

„Schön, doch es wird dir vermutlich nicht gefallen, was jetzt kommt. Als Jack acht Jahre alt war, musste er mitansehen, wie sein Vater seine Mutter erstochen hat. Und, als wäre das nicht schon schlimm genug, hat er sich anschließend an dem wehrlosen Kind vergriffen und versucht, es ebenfalls zu töten. Daher stammen die Narben in Jokers Gesicht. Er hatte nur unwahrscheinliches Glück, dass die Polizei rechtzeitig eingetroffen war, um ihn zu retten. Die Beamten mussten seinen durchgedrehten Vater erschießen und haben Jack anschließend in ein Krankhaus gebracht.“
 

Nach außen hin gibt sich Edward schwer betroffen, innerlich ist er aber weit entspannter. Immerhin kennt er diese Geschichte schon und sie deckt sich mit Jokers Worten. Doch das wird er Bruce nicht verraten, erst recht, weil sich der kleine Clown ja selbst nicht daran erinnern kann, es jemals Ed erzählt zu haben.
 

„Im Krankenhaus wurde er dann notoperiert. Die Wunden hatten jedoch nicht die Zeit, zu heilen oder retuschiert zu werden. Jack ist nämlich wenige Tage später aus dem Krankenhaus geflüchtet. Eine einwöchige Suchaktion blieb ohne Ergebnis, weshalb man ihn offiziell für tot erklärt hat.“ „Für tot?“, kommt es erschrocken von Nigma. „Ja, bei der Schwere seiner Verletzungen und seinem überaus geschwächten Zustand ist das wohl auch kein Wunder gewesen. Es ist eher ein Wunder, das Jack das Ganze überlebt hat.“ „Scheint mir, als wäre er schon immer ein kleiner Kämpfer gewesen.“
 

„Allem Anschein nach ja. Danach verliert sich seine Spur verständlicherweise erst einmal. Jahre später kam er dann in das Kinderheim. Man hatte ihn beim Stehlen auf der Straße aufgegriffen. Er muss sich daher irgendwie durchgeschlagen haben.“ ‚Ja, mit etwas Hilfe.‘, geht es dem Brünetten durch den Kopf. ‚Auch wenn die Hilfe am Ende nur noch mehr Schaden angerichtet hat.‘
 

„Er war eine ganze Weile in dem Heim und anhand der Berichte und Zeugenaussagen der Kinder von damals, will ich mir gar nicht vorstellen, was er alles durchmachen musste. Das Ganze endete schließlich mit einem toten Kind, einem toten Pfleger und der Tatsache, dass Joker abermals geflohen ist. Ich weiß nicht, wie es dazu kam und diese Frage konnte mir auch niemand beantworten. Doch wie es schien, kam es irgendwie zum Streit. Vermutlich ist das Kind im Handgemenge mehr aus Versehen getötet worden. Sein Genick war gebrochen. Der tote Pfleger hingegen könnte Jokers Handschrift tragen. Zumindest haben die anderen Pfleger ausgesagt, er sei blutverschmiert gewesen, als sie ihn entdeckten und er daraufhin geflohen ist.“
 

„Ich bin sicher, er hatte seine Gründe dafür.“, erwidert der Jüngere trübsinnig. „Der Ansicht bin ich auch. Bei dem toten Jungen handelte es sich nämlich um Jokers Zimmerpartner, einen zurückgebliebenen Burschen, der seine Eltern und seine geistige Zurechnungsfähigkeit bei einem Autounfall mit Fahrerflucht verloren hatte. Er hieß Samuel Jones und war wohl Jokers einziger Freund dort. Daher vermute ich mal, dass der Pfleger Schuld am Tod des Jungen war und Joker ihn mit Sicherheit rächen wollte, und das ist dann etwas ausgeartet.“ ‚Nah dran, du Meisterdetektiv, aber doch daneben.‘ Laut sagt Ed hingegen: „Klingt logisch.“
 

„Finde ich auch. Danach verliert sich Jacks Spur vollkommen. Nach dem Vorfall im Kinderheim haben ganze Hundertschaften der Polizei nach ihm gesucht, doch ohne Erfolg. Joker scheint ein ziemliches Talent dazu zu haben, sich zu verstecken, was ich selbst nur zu gut bestätigen kann. Wie dem auch sei, ein Jahr später wurde er daher wieder offiziell für tot erklärt und niemand hat Zusammenhänge zu diesen beiden Geschichten gezogen. Fakt ist, Jack Napier ist bis heute tot. Als er das nächste Mal nachweislich aufgetaucht ist, war das auf dem Weihnachtsmarkt, und da war er dann ja schon der Joker, wie wir ihn heute kennen.“
 

„Das heißt also, dass er in dieser Zeit irgendwie vollkommen den Bezug zur Realität verloren haben muss, oder?“ „Dem scheint so. Laut den Akten des Kinderheims war er jedenfalls bei völliger geistiger und körperlicher Gesundheit und hat auch bis zu diesem schicksalhaften Moment kein auffällig aggressives Verhalten an den Tag gelegt, daher eher schleierhaft, warum er da überhaupt gelandet ist. Vermutlich, weil zu dieser Zeit dort gerade Platz war oder er sich in der polizeilichen Obhut vorher mehr als nur danebenbenommen hat, weshalb sie falsche Schlussfolgerungen gezogen haben.“
 

Schweigen tritt zwischen die beiden, während sie Joker beim Schlafen beobachten. Schließlich räuspert sich der Rächer. „Nun ja, dass war das, was ich herausfinden konnte. Steht alles hier in der Akte, inklusive meiner Recherchen und allen Fotos, Berichten und Schreiben, die ich auftreiben konnte. Gib sie ihm doch bitte, wenn sich die Gelegenheit ergibt und er nicht völlig deswegen durchzudrehen droht.“ „Das werde ich, und danke für deine ganze Mühe.“ „Dafür musst weder du noch Joker sich bei mir bedanken. Mir lag immerhin selbst sehr viel daran, dieses Geheimnis zu lüften, doch ohne Jokers Mut, mir sein Gesicht zu zeigen, wäre ich wohl nie dahintergekommen.“
 

„Trotzdem danke, auch für alles andere, was du ihm inzwischen Gutes tust.“ ‚Doch du brauchst gar nicht glauben, dass Joker diese Aufzeichnungen jemals zu Gesicht bekommt. Ich werde sie irgendwo verstecken, wo er sie niemals findet. Und vielleicht, aber nur vielleicht, lässt sein Geisteszustand und seine Gefühlswelt es eines Tages zu, es ihm zu zeigen, doch das bezweifle ich sehr...‘
 


 

4
 

„Gut, wenn das jetzt alles geklärt ist. Und ich denke, es nimmt nicht nur mir eine Last von den Schultern.“, seufzt Bruce und steht auf, um sich zu strecken. „Da hast du recht. Es hilft in jedem Fall dabei, zu verstehen, warum Joker manches Mal so handelt, wie er eben handelt. Vielleicht musst du bei deinem Mädchen auch nur herausfinden, was sie zu alledem treibt und dann vollzieht sich der Wandel in einen guten Menschen womöglich sogar ganz von selbst? Wenn sie jemanden hat, dem sie trauen und über all das Schlechte in ihrem Leben sprechen kann.“
 

„Da ist etwas Wahres dran. Doch dafür müsste ich erst einmal rausbekommen, wer sie unter ihrer Maske ist.“ „Wenn sie schon mal in Arkham war, wissen die es vielleicht.“ „Ja, aber die Leute in Arkham kennen eure Namen zumeist nur, weil ich sie ihnen nenne, da die Meisten von euch sich ja strickt weigern, mit dem Personal dort in irgendeiner Form zu kooperieren.“ Nun grinst Edward wieder über das ganze Gesicht. „Wohl wahr, wohl war. Doch da sind diese überaus reizenden Menschen grundlegend selbst schuld, und ich denke, dass weißt du auch. Aber vielleicht kann ich dir ja helfen? Du musst mir nur sagen, wer sie ist. Wenn ich sie kenne, kenne ich ganz sicher auch ihren Namen.“
 

„Wie denn das?“ „Nun ja, wir sind vielleicht Schurken, die unter einem Pseudonym agieren, aber wir kennen uns untereinander zumeist sehr gut und teilweise auch schon sehr lange. Und somit weiß ich womöglich Dinge über dein Herzblatt, von denen du nicht mal träumen würdest. Und du weißt, dass ich eine Schwäche für Rätsel habe. Insbesondere wenn ich jemand neuem begegne, bringe ich gern alles in Erfahrung, was geht, um selbst auf der sicheren Seite zu sein, oder auch nur, um ein Druckmittel zu haben, sollte es nötig werden. Also, für wen schwärmt der große Batman?“
 

„Das – möchte ich lieber nicht sagen.“ „Ach, ich werde dich sicher nicht dafür verurteilen, immerhin bin ich mit dem Joker zusammen, dagegen ist deine kleine Liebschaft nun wirklich nicht mehr nennenswert. Da die meisten mir bekannten Schurken aber eher männlichen Geschlechts sind, grenzt sich die Auswahl da ja ziemlich ein. Zudem vermute ich mal nicht, dass es sich bei deiner Auserwählten um Ivy handelt, ansonsten solltest du dir dringend überlegen, ob das wirklich echt ist.“ „Es ist nicht Ivy.“ „Prima! Meinen Glückwunsch. Dann kann es sich wohl eher um Catwoman handeln. Das würde sogar gut passen. Ihr habt denselben Modegeschmack.“, kichert Ed in sich hinein.
 

Batman versucht seine kühle Fassade aufrecht zu erhalten, doch es gelingt ihm nicht, als ihr Name fällt. „Oh, du Glückspilz! Die Mieze ist wirklich heiß, wenn sie nur nicht so eine Kratzbürste wäre. Aber da passt ihr beide auch irgendwie ganz gut zusammen. Ihr habt ständig schlechte Laune und lasst es dann liebend gern an anderen aus.“ „Schluss jetzt! Kennst du ihren Namen oder nicht?“
 

„Selbstverständlich kenne ich ihren Namen. Sie war immerhin auch beim Schurkentreffen in der Iceberg Lounge, und dort haben wir uns alle mit dem Vornamen angesprochen. Das ist kein Geheimnis zwischen uns.“ „Und wie lautet er nun?“ „Ich frage mich, warum ich ihn dir verraten soll? Was habe ich davon?“ „Spielst du jetzt etwa wieder Riddler mit mir?“, knurrt der Maskierte. „Oh, ganz sicher nicht. Diese Zeiten sind vorbei und werden auch nicht wiederkommen. Doch nach heute Nacht muss ich mich schon ein bisschen fragen, was dabei für mich rausspringt, findest du nicht? Schließlich hattet ihr zwei weit mehr Vergnügen an der Sache als ich.“
 

„Was willst du?“ „Wie wäre es damit, wenn du deine Sauerei hier wegräumen würdest? Und wie wäre es, wenn du nie wieder auf den Gedanken kommst, es in meinen vier Wänden mit diesem durchgeknallten Bengel zu treiben? Für den nächsten Dreier könnten wir es ja mal in deinem Bett tun!“, nun ist Edwards Grinsen perfekt, dass selbst Joker ihm Anerkennung zollen würde.
 

Batman hat verständlicherweise nur ein Brummen dafür übrig. „Über Letzteres können wir reden, wenn es dazu kommt. Doch es wäre sicher enttäuschend für dich, da Batman kein Bett hat, und ich dir ganz sicher nicht verraten werde, wer ich wirklich bin. Mit Zweiterem kann ich mich arrangieren, wenn Joker es kann, was wohl nicht allzu schwer sein dürfte.“, mehr sagt er dazu nicht, sondern bückt sich, um seine Hinterlassenschaften einzusammeln. „Aber nicht ins Klo damit, das verstopft und dann bekommst du die Rechnung! In der Küche ist ein Mülleiner unter der Spüle.“, weist Ed ihn immer noch grinsend an, als Bruce das Zimmer verlässt.
 

„Das will ich sehen, wie du mir eine Rechnung zukommen lässt.“ „Oh, mir fällt da schon was ein, keine Sorge. Im Ernstfall schreibe ich es groß und deutlich auf mein Bat-Signal und schicke es dir an den Himmel. Sieht bestimmt toll aus, wenn da steht: Batman hat mein Klo mit seinen Lümmeltüten verstopft und das kostet jetzt 150 Dollar! Die Leute werden sie kaputtlachen!“, schon beim Gedanken daran, könnte sich Ed ausschütten.
 

„Braver Junge.“, neckt er auch schon weiter, als die Fledermaus kurz darauf zurückkommt. „Übertreib es nicht, Nigma!“, mahnt er ihn streng. „Würde mir im Traum nicht einfallen.“ „Sagst du mir jetzt endlich ihren Namen oder willst du nur meine Zeit verschwänden?“ „Selina Kyle. Und ich muss sagen, sie hatte wirklich kein schönes Leben. All die Prostitution und Gewalt, da hätte ich auch Probleme, mich einem weiteren brutalen Kerl anzuvertrauen.“, der Brünette wirkt ehrlich betrübt. Doch Batmans Reaktion darauf fällt nicht wie gewollt aus. Er bleibt nämlich völlig ruhig, auch wenn er innerlich zerbricht.
 

„Danke, wenn das dann alles ist, werde ich jetzt gehen, die Sonne geht gleich auf und dann will ich hier weg sein. Mein Cape kann er erst mal behalten. Ich hole es in ein paar Tagen wieder ab. Aber pass auf, dass er damit keinen Unfug anstellt.“ „Das kann ich verstehen und ich werde es versuchen, auch wenn ich nichts versprechen kann. Du darfst gehen.“, erwidert der Rätselmeister, leicht geknickt, weil er den Rächer mit seinen Worten scheinbar nicht schockieren konnte, aber das werden mit Sicherheit dann die Dinge tun, die er nun über sein Kätzchen erfahren dürfte. Mit einem weiteren Brummen wendet sich Bruce der Balkontür zu.
 

Der Mitternachtsdetektiv ist schon mit einem Fuß draußen, als er sich ein letztes Mal zu Edward umwendet. „Ach ja, ehe ich es vergesse...“ Statt Worten folgt jedoch etwas, was wohl niemand jemals von Batman erwarten würde, aber das hatte Ed über sich selbst schließlich auch gedacht, bis es dann passiert ist: Er zeigt Nigma den ausgestreckten Mittelfinger!
 

Dem Brünetten entgleiten die Gesichtszüge und er muss unweigerlich lachen. „Echt jetzt?“, ruft er dem Ritter noch hinterher, bekommt jedoch keine Antwort mehr. „Rache ist süß, nicht wahr, Batman? Auch wenn das echt kindisch war. Aber was sag ich da schon?“, teilt Ed dem nun völlig stillen Zimmer mit. Einzig ein verschlafenes Murmeln ertönt von seinem kleinen Freund, neben den er sich jetzt legen und ebenfalls schlafen wird. Ein Glück hat das jetzt endlich erstmal ein Ende!
 


 


 


 


 

~~~~~Ende~~~~~
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Lied: Steve Miller – The Joker Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Lied: Culture Club – Do you really want to hurt me? – Übersetzung, erste Strophe Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Lied: Gilbert O´Sullivan – Clair – erste Strophe – Übersetzung – leicht geändert Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Lied: Samantha Fox – Touch me – Übersetzung – leicht verändert Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Lied: Toni Braxton – Unbreak my heart – Übersetzung – leicht verändert
Lied: Peter Gabriel – Don´t give up – Übersetzung – leicht verändert
Textausschnitt von Joker: Heinz Rudolf Kunze: Dein ist mein ganzes Herz Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Lieder: Lee Aaron – Lady of the darkest night – Übersetzung – leicht verändert
Robin Beck – First time - Übersetzung Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Lied: John Waite – Missing you – Übersetzung – leicht geändert Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Lied: Captain and Tennille – Do that to me one more time – Übersetzung – leicht verändert Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
den enigma-diamanten gibt es wirklich so. er ist 555,55 karat schwer und hat 55 facetten und wurde letzten monat tatsächlich in dubai versteigert. Komplett anzeigen

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