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Verborgene Liebe

von

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Disclaimer: die Teenage Mutant Ninja Turtles und ihre Freunde und Feinde gehören ganz allein ihren Erfindern Kevin Eastman und Peter Laird und den Mirage Studios. Ich leihe sie mir nur aus, versuche, ihren Charakteren nicht allzu viel Schaden zuzufügen und betone, dass ich nix daran verdiene.

 

Charaktere aus TMNT 1987-1993, aber die Zeitlinie eher so um 2005 herum...

 

 

Verborgene Liebe

 

 

1. Kapitel

 

Es ist Dienstagabend.

April O'Neill, stadtbekannte Reporterin bei Channel 6, lümmelt auf ihrer Couch und zappt sich lustlos durchs TV-Programm.

Was ist nur los mit der Welt? Wohin sie auch sieht – überall nur Liebesschnulzen, selbst die Actionfilme kommen heutzutage nicht mehr ohne Sexszenen aus. Dabei ist der Valentinstag schon längst vorbei und für den Frühling gilt das ebenso. Sogar der Sommer verabschiedet sich langsam in den Herbst, nur die ganz Tapferen stelzen jetzt noch in Minirock und Top durch die Straßen. Liegt es vielleicht daran, dass in drei Monaten Weihnachten ist?

Oder wird sie bei dem Thema einfach nur langsam dünnhäutig?

Nein, beschließt sie, als sie aufsteht und einen x-mal gesehen, aber immer wieder guten Splatterfilm in ihren uralten Videorekorder schiebt, das ist ganz allein Irmas Schuld.

Irma, die ihr mit ihrem derzeitigen Mr. Perfect namens Howie seit einer guten Woche täglich auf die Nerven geht.

Irma, die aufpassen muss, weil sie genau dadurch sehr bald nicht mehr ihre beste Freundin sein wird.

Warum wird sie immer so dämlich, wenn sie einen Freund hat?

Gefühlt jeder Satz fängt dann mit „Steve/ Eric/ Andrew/ Howie hat gesagt, dass...“ an, und so geht das immer munter weiter. Als hätte sie ihre eigene Meinung und ihren eigenen Verstand irgendwo abgegeben – vorzugsweise in die Hände ihres derzeitigen Freundes.

Das nervt!

„Ich meine, wenn ihre Kerle wenigstens gut aussehen würden“, murrt April vor sich hin, während sie es sich wieder auf der Couch bequem macht. Aber genau das tun sie leider im seltensten Fall. Dumm wie Brot sind die dabei leider auch. Was an denen Mr. Perfect sein soll, hat sie noch nie kapiert.

Sowas käme ihr ja nie ins Bett. Danke, nein. Da könnte sie ja gleich mit Casey Jones gehen... uh, allein bei dem Gedanken läuft es ihr eiskalt den Rücken hinunter.

Und an diesem Punkt ihrer Gedanken gibt sie auf und stellt sich der unbarmherzigen Wahrheit: es gibt einen Mann, der ihr gefällt, aber leider ist gerade der auch unerreichbar. Und da jeder andere Mann neben ihm so sehr verblasst, spart sie sich die Suche nach einem Ersatz – wofür sie sowieso keine Zeit hat, als viel beschäftigte Reporterin, die sie ist.

Sie ist nicht wie Irma. Sie bleibt lieber Single, so lange, bis sie jemanden begegnet, der ihrem leider unerreichbaren Mr. Perfect das Wasser reichen kann. Auch, wenn das noch so deprimierend ist.

Wie heißt es so schön – und nein, dieser Spruch stammt ausnahmsweise mal nicht von Sensei Splinter – das Herz liebt, wen es liebt.

Und sie, April O'Neill, stadtbekannte Starreporterin eines stadtbekannten TV-Senders, besitzt nunmal ein sehr dummes, eigensinniges Herz.

 

 

„April, was ist das denn?“ Neugierig blättert Raphael in dem Dokumentenordner, den er auf dem Tisch entdeckt hat. „Du hast ein Dossier über den Schrottfresser? Wieso verdirbst du dir damit deine Freizeit?“

„Echt? Zeig her!“

Sofort ist Michelangelo an seiner Seite und schaut ihm über die Schulter, doch da ist schon Donatello heran und nimmt seinen allzu übergriffigen Brüdern die Mappe aus den Händen.

„Leute, lasst das liegen, das gehört ihr.“

„Danke, Donatello.“

Mit brennenden Wangen nimmt April den kleinen Ordner wieder an sich und verstaut ihn diesmal in ihrem abschließbaren Sekretär. Innerlich grenzenlos verärgert über ihre eigene Leichtsinnigkeit, diese Unterlagen einfach so offen herumliegen zu lassen, versucht sie sich nach außen hin in einem verlegenen Lächeln.

„Man sollte über seine Feinde eben gut informiert sein“, verteidigt sie sich und fühlt sich dabei wie die größte Verräterin unter der Sonne. Shredder ist nicht ihr Feind. Feinde wünschen einander nur das Schlechteste - und zwar gegenseitig.

„Über seine Konfektionsgröße?“ stichelt Raphael mit all der Gemeinheit eines Teenagers, der die komplizierte Welt der Erwachsenen verachtet.

„Und seine Schuhgröße?“ schlägt Michelangelo kichernd in dieselbe Kerbe.

April zieht eine betont arrogante Miene. Sie fühlt sich ertappt, aber sie ist keinem der Vier Rechenschaft schuldig. Sie klettern einfach durchs Fenster, stören sie bei ihrem wohlverdienten Feierabend, plündern ihren Kühlschrank und wühlen in ihren Sachen herum – bei aller Freundschaft, auch ihre Nachsicht hat ihre Grenzen!

„Natürlich“, gibt sie daher schnippisch zurück. „Ich überlege mir nämlich, mit ihm mal zum Shoppen zu gehen. Ich sehe ihn seit Jahren immer nur in demselben Outfit herumrennen. Das ist einfach nur traurig.“

Darüber brechen die drei erstmal in lautes Gelächter aus, und sogar der immer so ernste Leonardo, der sich an dem kindischen Getue seiner Brüder nicht beteiligt und stattdessen die aufgewärmte Pizza aus dem Ofen geholt hat, zeigt ein amüsiertes Lächeln.

„Ist seine Berufskleidung“, sagt er, während er die Pizza in vier gleich große Stücke schneidet und auf Tellern verteilt. „Wie dein gelber Jumpsuit.“

„Seid ihr aus einem bestimmten Grund hier?“ wechselt sie schnell das Thema und täuscht auch gleich die sensationslüsterne Reporterin vor: „Ist irgend etwas passiert? Versucht Krang wieder die Welt zu erobern? Oder ist Baxter Stockman mit seinem Supercomputer wieder aufgetaucht?“

Sie hasst Baxter Stockman, der Kerl ist wirklich verrückt und seit er mit dieser KI unter einer Decke steckt, ist er zu einer richtigen Gefahr geworden. Die beiden haben Shredder und Krang das letzte Mal ziemlich übel mitgespielt, und das heißt schon etwas.

„Heute ist Donnerstag“, erwidert Michelangelo aufgekratzt. „Der neue Star-Trek-Film läuft an. Wir wollten fragen, ob du uns ins Kino einlädst.“

Das ist dreist, aber auch eine gute Idee. Etwas Ablenkung tut ihr bestimmt gut. Sie kann schließlich nicht jeden Abend auf der Couch vor sich hinbrüten und sich in Selbstmitleid suhlen, also stimmt sie zu.

 

 

Sie erwähnen ihr Shredder-Dossier den ganzen Abend über und auch die folgenden Tage nicht mehr und sie glaubt schon, damit wäre die Sache ausgestanden. Dass sie sich darin gründlich getäuscht hat, stellt sie Sonntagabend fest, als sie, erschöpft und genervt von allem und jedem – vor allem natürlich von ihrem Chef und Irma – von Channel 6 nach Hause kommt.

Nie wieder springt sie so kurzfristig für einen Kollegen ein, den sie kaum kennt!

Sie hasst diese Pressekonferenzen des Bürgermeisters – heute ist sie mehr denn je davon überzeugt, dass der Kerl das nur immer Sonntags macht, weil er so tun will, als arbeite er auch an Tagen, an denen normale Werktätige frei haben.

Für eine gute Story seine freien Tage zu opfern ist für sie selbstverständlich – aber das gilt nicht für die Selbstbeweihräucherung des Bürgermeisters.

Sie freut sich schon so auf ihre Couch und einen ruhigen Abend! 

Doch daraus wird leider nichts, wie sie schnell feststellen muss. Denn sie wird schon erwartet.

Im Flur begrüßt sie niemand geringerer als Sensei Splinter höchstpersönlich.

Fassungslos starrt sie ihn an. Von seinen Söhnen ist sie dieses Benehmen ja gewohnt, aber von ihm hätte sie bessere Manieren erwartet. Das ist immer noch ihre Wohnung!

Er ist allein – was sie nur noch misstrauischer macht. Aber bevor sie auch nur den Mund öffnen kann, um ihm eine dementsprechende Frage zu stellen, erklärt er ihr sein Begehr:

„Bitte entschuldige mein Eindringen, April. Und bitte sorge dich auch nicht: meinen Söhnen geht es gut, sie sind Zuhause, wo sie, wie ich hoffe, keinen Unsinn anstellen, nur, weil ich mal für ein paar Stunden hier oben bin. Sie wissen nicht, dass ich hier bei dir bin und ich würde es vorziehen, wenn das auch weiterhin unter uns bleibt.“

Sie nickt zögernd. Allmählich weicht ihr Zorn der Neugier.

Aber er ist noch nicht fertig:

„Ich suche dieses Gespräch mit dir, weil meine Söhne mir etwas erzählt haben, was mich irritiert. Du hast Recherchen über Shredder ausgeführt? Kann ich mir die Ergebnisse bitte mal ansehen?“

„Wieso?“ fragt sie barsch zurück und hätte sich am liebsten sofort dafür die Zunge abgebissen. „Ich bin Reporterin. Da ist es doch logisch, dass ich mehr über ihn herausfinden will, oder? Eine gute Story lebt von ihren detailgetreuen Recherchen. Es sind nur Recherchen. Ich habe damit vor Jahren schon angefangen und aktualisiere, wann immer eine neue Information hinzukommt. Sagt Ihr selbst nicht immer: kenne deinen Feind?“

Sie will nicht unhöflich sein, also schlüpft sie schnell aus Schuhen und Mantel und führt ihn dann in ihre Wohnküche, wo sie einladend auf einen Barhocker an der Küchentheke deutet und sich dann daran macht, ihm und sich selbst einen Kräutertee aufzubrühen.

Während der ganzen Zeit steht ihre letzte herausfordernde Frage unkommentiert im Raum. Sensei Splinter scheint sehr lange mit sich zu ringen, doch dann, genau in jenem Moment, wo sie ihm seine gefüllte Tasse zuschiebt, entweicht ihm ein tonloser Seufzer.

Ein unendlich sanfter Blick aus braunen Rattenaugen trifft sie.

„Ich habe lange darüber nachgedacht und ich bin beunruhigt, denn diese Obsession ist nicht deine Art. Also sage es mir ganz ehrlich, meine liebe, gute Freundin: hast du vor, diese Informationen irgendwann einmal gegen ihn zu verwenden?“

Um ihr Erstaunen zu verbergen, nimmt sie erst einmal einen kräftigen Schluck.

Und während der heiße Tee langsam ihre Kehle hinunterrinnt, überschlagen sich ihre Gedanken regelrecht. Sie wüsste nicht, wie sie das, was in ihrem kleinen Dossier steht, auch nur annähernd gegen Shredder verwenden könnte und sie ist sich sicher, dass die Turtles ihrem Meister bestimmt das von der Schuh- und Konfektionsgröße erzählt haben. Doch irgendwie scheint Splinter zu befürchten, dass noch andere Informationen in ihren Unterlagen stehen, dass sie über etwas weitaus Ernsteres gestolpert ist, und das weckt jetzt wirklich ihren Spürsinn.

„Es ist immer gut, etwas in der Hinterhand zu haben“, meint sie daher gedehnt und schickt noch ein kleines, verschwörerisches Lächeln hinterher.

Seine Ohren stellen sich alarmiert auf und sogar sein Fell sträubt sich – beinahe unmerklich, aber sie hat inzwischen ein geübtes Auge, was seine Körpersprache betrifft.

„Ich bitte dich, dir das zu überlegen. Bitte denke daran, dass du damit auch meine Ehre besudelst. Der Name Hamato Yoshi ist in der Welt der Kampfkünste immer noch verknüpft mit dem ehrenhaften Shidoshi eines angesehenen Dojos. Ich bin jetzt zwar eine Ratte und lebe in der Kanalisation, aber ich möchte, dass wenigstens mein Name rein bleibt.“

April gelingt es, ihre Miene völlig unbewegt zu lassen. Wovon, zum Teufel, redet er da?

„Ich verstehe Eure Beweggründe, Sensei, aber ich bin nicht überzeugt.“

„April, die Gerüchte sind nicht wahr. Sie wurden von neidischen, bösartigen Menschen in die Welt gesetzt. Er war nur mein Schüler. Zugegeben, der beste, den ich je hatte. Aber ich habe ihn nie bevorzugt und ich habe ihn auch ganz gewiss niemals angerührt.“

Scheiße – was?

Fast wäre ihr die Tasse aus der Hand geglitten. Und trotzdem gelingt es ihr irgendwie, weiterhin die Ungerührte zu spielen.

„Sensei“, selten zuvor hat sie jedes ihrer Worte so gründlich abgewogen, „Sie wissen doch selbst: Gerüchte können nur durch die Wahrheit besiegt werden. Auch wenn ich diese Gerüchte niemals geglaubt habe, meint Ihr nicht, es wäre an der Zeit, mir die Wahrheit zu sagen?“

Täuschen, lügen und tricksen liegt ihr nicht, auch, wenn es manchmal zu ihrem Job gehört – es gehört nicht zu ihrem Job, ihre Freunde zu manipulieren, aber man kann auch nicht behaupten, dass es ihr Splinter besonders schwer macht. Das scheint ihm schon viel zu lange auf der Seele zu brennen, sie hat den Eindruck, dass er ganz froh ist, endlich seine Version der Geschichte zu erzählen – und diesmal alles.

 

2. Kapitel

 

Nachdenklich tippt sich April mit dem Ende ihres Stiftes gegen die Lippen und starrt auf das Blatt Papier vor sich, auf das sie in ihrer nur für sie lesbaren Sauklaue alles das niedergeschrieben hat, was Splinter ihr vor einer halben Stunde erzählte.

Als er ging, wirkte er richtig erleichtert.

Ja, das hatte ihm eindeutig jahrelang auf der Seele gelegen.

„Menschen können so gemein sein", murmelt sie, legt den Stift fort, nimmt ihre Tasse und geht dann langsam zum Fenster, um hinaus in die Nacht zu starren.

Sie kann nicht aufhören, darüber nachzudenken.

Böse Zungen behaupteten also damals unentwegt, dass Hamato Yoshi seinen Schüler Oroku Saki nicht nur bevorzugte, sondern auch mit ihm - Shredder war damals noch ein Oberschüler, also minderjährig - sein Bett teilte.

Und trotz wiederholtem Dementi kamen diese Verleumdungen immer wieder auf, bis der oberste Shinobi des Footclans schließlich entschied, dem ein Ende zu bereiten, indem er seine eigene Tochter Hamato zur Frau gab.

Diese Ehe kam nie zustande, weil Oroku Saki sich vorher an die Spitze des Footclan putschte.

Und da verstummten diese Gerüchte endlich, aber dafür wurde jetzt behauptet, dass Hamato Yoshi den Shinobi hatte ermorden wollen. Erst nachdem Hamato aus Japan geflohen war, übernahm Shredder für diesen Coup die Verantwortung - was Hamato zumindest in den Kreisen der Welt des ehrenwerten Kampfsports wieder rehabilitierte.

Insoweit versteht sie, dass er jetzt so auf die Reinerhaltung seines Namens fixiert ist, aber sein mangelndes Vertrauen in ihre Freundschaft und auch in ihr Urteilsvermögen hinterlässt bei ihr einen bitteren Nachgeschmack. Und sie kann es nicht leugnen: ein gewisser Restzweifel bleibt.

Die ganze Angelegenheit ist zehn Jahre her - wieso macht er deswegen jetzt so ein Faß auf, wenn doch nichts dahinter steckt?

Sie hat recherchiert, gründlich! - sie kann graben wie ein Maulwurf, auch über Kontinente hinweg, und sie fand nicht einmal eine Spur dieser Gerüchte, vor denen Splinter so große Angst hat. Fühlt er sich doch irgendwie schuldig?

Oder ist das wieder nur so ein Ehre-Ding, von dem sie als US-Amerikanerin nichts versteht – und als Frau schon mal gar nicht?

Seufzend trinkt sie ihre Tasse leer und geht dann wieder zurück zu ihrem Sekretär, wo sie dann sorgfältig ihre Dokumentenmappe einschließt.

Ich könnte ja einfach Shredder fragen, schießt es ihr durch den Kopf, gefolgt von einem sarkastischen na, klar doch.

„Na, klar doch“, wiederholt sie laut, doch dann stutzt sie, denn: laut ausgesprochen klingt das plötzlich nicht mehr halb so dumm.

 

 

Sie weiß noch genau, was sie dachte, als sie ihm das erste Mal begegnete: warum müssen immer die Kerle mit dem besten Körperbau solche Vollidioten sein?

Aber dann durchschaute er sofort ihre gefakten Ohnmachtsanfälle und spielte trotzdem mit, ließ sie sich lächerlich fühlen ohne dass er sie vor allen blamierte und da musste sie widerwillig anerkennen, dass er intelligent ist und Humor besitzt.

Außerdem ist er stark und riecht gut.

Sie wusste, sie drohte diesen Attributen zu verfallen, und so hoffte sie aus ganzem Herzen, dass seine Maske eine hässliche Entstellung verbergen sollte. Nicht auszudenken, wenn er sich als der Beau schlechthin entpuppen sollte! Er ist schließlich ein Verbrecher!

Aber je öfter sie mit ihm zu tun hatte - je öfter sie seine Geisel wurde - desto besser lernte sie ihn auch kennen. Und aus „der ist ja gar nicht so" wurde erst ein „er kann ja nett sein, wenn er will" und schließlich ein „Scheibenkleister, der ist ja voll süß, so'n Mist, dass wir auf verschiedenen Seiten stehen." Da war es dann auch gar nicht mehr so schlimm, dass er tatsächlich ein hübsches Gesicht besitzt - wie sie oft genug an ihm bewundern konnte, wenn sie während ihrer Geiselnahme gemeinsam beim Essen saßen.

Zuerst sträubte sie sich noch dagegen, immerhin ist er der Erzfeind der Turtles und Sensei Splinters, aber dann passierte diese Geschichte mit den Fröschen und plötzlich gab es vier Mutanten, die Gutes über Shredder zu berichten wussten.

Zu uns war er immer nett. Klar, ihr seid jetzt unsere Freunde und wenn ihr uns braucht, werden wir euch helfen, aber wir wollen nicht gegen Shredder kämpfen."

Als Dschingis, Rasputin, Attila und Napoleon das sagten, fiel ihr ein regelrechter Steinhaufen vom Herzen. Sie bildete sich da also nichts ein, nur, weil sie von seinem Charme und seinem perfekten Äußeren verzaubert wurde.

Es tut gut, sich endlich selbst etwas eingestehen zu können.

Das macht einen frei!

Ungefähr zu diesem Zeitpunkt begann sie mit ihrer Akte über ihn. Natürlich grenzt das an Besessenheit, aber das sind ihre sexuell angehauchten Träume von ihm auch.

Nur den ersten Schritt zu machen, ihn anzusprechen, ihn um ein Date zu bitten - das traute sie sich dann doch noch nicht. Es fehlte ihr ein Alibi-Grund, um ein privates Gespräch mit ihm zu führen.

Bisher.

 

3. Kapitel

 

Nachdenklich tippt sich April mit dem Ende ihres Stiftes gegen die Lippen und starrt auf das Blatt Papier vor sich, auf das sie in ihrer nur für sie lesbaren Sauklaue alles das niedergeschrieben hat, was Splinter ihr vor einer halben Stunde erzählte.

Als er ging, wirkte er richtiggehend erleichtert.

Ja, das hatte ihm eindeutig jahrelang auf der Seele gelegen.

„Menschen können so gemein sein", murmelt sie, legt den Stift fort, nimmt ihre Tasse und geht dann langsam zum Fenster, um hinaus in die Nacht zu starren.

Sie kann nicht aufhören, darüber nachzudenken.

Böse Zungen behaupteten also damals unentwegt, dass Hamato Yoshi seinen Schüler Oroku Saki nicht nur bevorzugte, sondern auch mit ihm - Shredder war damals noch ein Oberschüler, also minderjährig - sein Bett teilte.

Und trotz wiederholtem Dementi kamen diese Verleumdungen immer wieder auf, bis der oberste Shinobi des Footclans schließlich entschied, dem ein Ende zu bereiten, indem er seine eigene Tochter Hamato Yoshi zur Frau gab.

Diese Ehe kam nie zustande, weil Oroku Saki sich vorher an die Spitze des Footclan putschte.

Und da verstummten diese Gerüchte endlich, aber dafür wurde jetzt behauptet, dass Hamato Yoshi den Shinobi hatte ermorden wollen. Erst nachdem Hamato aus Japan geflohen war, übernahm Shredder für diesen Coup die Verantwortung - was Hamato zumindest in den Kreisen der Welt des ehrenwerten Kampfsports wieder rehabilitierte.

Insoweit versteht sie, dass er jetzt so auf die Reinerhaltung seines Namens fixiert ist, aber sein mangelndes Vertrauen in ihre Freundschaft und auch in ihr Urteilsvermögen hinterlässt bei ihr einen bitteren Nachgeschmack. Und sie kann es nicht leugnen: ein gewisser Restzweifel bleibt.

Die ganze Angelegenheit ist zehn Jahre her - wieso macht er deswegen jetzt so ein Faß auf, wenn doch nichts dahinter steckt?

Sie hat recherchiert, gründlich! - sie kann graben wie ein Maulwurf, auch über Kontinente hinweg, und sie fand nicht einmal eine Spur dieser Gerüchte, vor denen Splinter so große Angst hat.

Fühlt er sich doch irgendwie schuldig?

Oder ist das wieder nur so ein Ehre-Ding, von dem sie als US-Amerikanerin nichts versteht – und als Frau schon mal gar nicht?

Seufzend trinkt sie ihre Tasse leer und geht dann wieder zurück zu ihrem Sekretär, wo sie dann sorgfältig ihre Dokumentenmappe einschließt.

Ich könnte ja einfach Shredder fragen, schießt es ihr durch den Kopf, gefolgt von einem sarkastischen na, klar doch.

„Na, klar doch“, wiederholt sie laut, doch dann stutzt sie, denn: laut ausgesprochen klingt das plötzlich nicht mehr halb so dumm.

 

 

Sie weiß noch genau, was sie dachte, als sie ihm das erste Mal begegnete: warum müssen immer die Kerle mit dem besten Körperbau solche Vollidioten sein?

Aber dann durchschaute er sofort ihre gefakten Ohnmachtsanfälle und spielte trotzdem mit, ließ sie sich lächerlich fühlen ohne dass er sie vor allen blamierte und da musste sie widerwillig anerkennen, dass er intelligent ist und Humor besitzt.

Außerdem ist er stark und riecht gut.

Sie wußte, sie drohte diesen Attributen zu verfallen, und so hoffte sie aus ganzem Herzen, dass seine Maske eine hässliche Entstellung verbergen sollte.

Nicht auszudenken, wenn er sich als der Beau schlechthin entpuppen sollte!

Er ist schließlich ein Verbrecher!

Aber je öfter sie mit ihm zu tun hatte - je öfter sie seine Geisel wurde - desto besser lernte sie ihn auch kennen. Und aus „der ist ja gar nicht so" wurde erst ein „er kann ja nett sein, wenn er will" und schließlich ein „Scheibenkleister, der ist ja voll süß, so'n Mist, dass wir auf verschiedenen Seiten stehen."

Da war es dann auch gar nicht mehr so schlimm, dass er tatsächlich ein hübsches Gesicht besitzt - wie sie oft genug an ihm bewundern konnte, wenn sie während ihrer Geiselnahme gemeinsam beim Essen saßen.

Zuerst sträubte sie sich noch dagegen, immerhin ist er der Erzfeind der Turtles und Sensei Splinters, aber dann passierte diese Geschichte mit den Fröschen und plötzlich gab es vier Mutanten, die Gutes über Shredder zu berichten wussten.

Zu uns war er immer nett. Klar, ihr seid jetzt unsere Freunde und wenn ihr uns braucht, werden wir euch helfen, aber wir wollen nicht gegen Shredder kämpfen."

Als Dschingis, Rasputin, Attila und Napoleon das sagten, fiel ihr ein regelrechter Steinhaufen vom Herzen. Sie bildete sich da also nichts ein, nur, weil sie von seinem Charme und seinem perfekten Äußeren verzaubert wurde.

Es tut gut, sich endlich selbst etwas eingestehen zu können.

Das macht einen frei!

Ungefähr zu diesem Zeitpunkt begann sie mit ihrer Akte über ihn. Natürlich grenzt das an Besessenheit, aber das sind ihre sexuell angehauchten Träume von ihm auch.

Nur den ersten Schritt zu machen, ihn anzusprechen, ihn um ein Date zu bitten - das traute sie sich dann doch noch nicht. Es fehlte ihr ein Alibi-Grund, um ein privates Gespräch mit ihm zu führen.

Bisher.

 

 

4. Kapitel

 

Nach einer guten Nacht – Special Soap Opera Night Marathon auf Channel 6 - begibt sich Krang, das böse, körperlose Gehirn aus der DimensionX, gnadenloser Warlord und Welteneroberer und immer bereit zu neuen Schandtaten, frohgemut und natürlich ohne anzuklopfen, in das Quartier seines Untergebenen/ Mitstreiter/ Sklaven.

„Shredder, aufste... boah! Wie siehst du denn aus? Warst du etwa die ganze Nacht wach?“

„Hah?“ Shredder hebt den Kopf von dem Tablet auf seinen Knien und blinzelt ihn aus blutunterlaufenenen Augen an.

Er lümmelt sich mit untergeschlagenen Beinen in dem Papasansessel, den das Nashorn und das Warzenschwein vor ein paar Wochen angeschleppt haben, trägt nur seinen dunklen Jinbei und vielleicht liegt es am Licht – oh, Krang hofft, dass es nur am Licht liegt - aber er wirkt allgemein etwas blässlich um die Nase.

„Warst du die ganze Nacht wach?“ wiederholt Krang seine Frage.

Wenn er das macht, geht das in Ordnung, er braucht nicht viel Schlaf, aber Shredder hat erst eine schwere Grippe hinter sich und Krang hat seine Sklaven lieber allzeit bereit als krank darniederliegend.

Shredder wirft einen überraschten Blick auf die Wanduhr und zuckt dann nur mit den Schultern.

„Ich war auf X-Zone...“ beginnt er, als würde das alles erklären.

Und zu Krangs großen Bedauern erklärt das wirklich alles.

„Und?“ erkundigt er sich vorsichtig, während er sich ihm langsam nähert. „Wieviele Doppelgänger hast du gefunden?“

„Zehn bisher.“ Shredders Stimme klingt brüchig und er streicht sich müde über die Stirn.

„Zehn“, wiederholt Krang und nimmt das Tablet an sich, um sich selbst ein Bild davon zu machen.

„Huch? Du chattest mit ihnen?“

„Wieso nicht?“ murmelt Shredder erst leise, aber als ihn dann Krangs strenger Blick trifft, lodert heiße Wut in ihm auf. „Sie sind ich! Ich darf mich ja wohl noch mit mir selbst unterhalten, oder?“

Von diesem Ausbruch überrascht, hebt Krang besänftigend die Tentakel.

„Ist ja gut. Kein Grund, gleich so auszuflippen. Herrje, du bist immer so unausgeglichen, wenn du müde bist.“

„Ach, lass mich doch einfach in Ruhe!“ Schnaubend springt Shredder auf und stürmt durch die Tür, die zum angrenzenden Bad führt.

Krang blinzelt ihm zuerst verdutzt hinterher, dann runzelt er, mißtrauisch geworden, die Stirn und scrollt sich dann etwas genauer durch die Seiten auf dem Tablet. Sein herausragender Verstand benötigt nur 3,413 Sekunden, um die Quelle von Shredders mieser Stimmung herauszufinden.

Er zögert, doch dann legt er das Tablet zurück in den Sessel und lenkt seinen Roboterkörper hinüber zur Badtür.

„Shredder?“ vorsichtig, beinahe zaghaft, klopft er mit einem Tentakel gegen das Metall.

Er lauscht, doch von der anderen Seite ist nur Wasserrauschen zu hören. Trotzdem wird er das Gefühl nicht los, dass Shredder gespannt auf jedes seiner Worte wartet.

„Hör zu, Shredder – anstatt dich darüber zu grämen, dass neunzig Prozent deiner Doppelgänger schwul geworden sind, solltest du dich lieber darüber freuen, dass immerhin hundert Prozent von ihnen glücklich in ihren Beziehungen sind. Statistisch gesehen ist es also nur noch eine Frage der Zeit, bis auch du jemanden findest, der dir dein Bett wärmt.“

Nicht, dass es ihn interessieren würde, aber er hat eine Nacht voller Seifenopern hinter sich, da kann er es sich schon einmal erlauben, sentimentale Dinge von sich zu geben.

Von der anderen Seite der Tür antwortet ihm nur Schweigen. Und etwas lauter werdendes Wasserrauschen.

„Hey, dreh die Dusche nicht so sehr auf! Du Verschwender!“ Krang gibt der Tür einen nachdrücklichen Schlag, dann dreht er sich auf dem Absatz herum und verlässt Shredders Quartier. Soll der Kretin doch ruhig weiter in Selbstmitleid baden. Er, Krang, der Herr und Meister dieser rollenden Kampffestung, hat jetzt Besseres zu tun.

Voller Vorfreude reibt er sich die Tentakel.

Es wird Zeit, dass er sich auch mal auf X-Zone umsieht.

 

 

Für Krang ist ein Leichtes, sich in Shredders Account einzuloggen, schließlich ist er der Administrator hier. Aber so dreist, etwas in seinem Namen zu posten, ist er nicht, auf die Anfragen antwortet er jetzt also nicht. Das einzige, was ihn interessiert, sind die Chats, die sein Shredder mit den anderen geführt hat.

Ach, Paralleluniversen sind doch etwas Lustiges, solange sie sich nur im virtuellen Raum überschneiden.

Er hat noch nicht herausgefunden, was genau dafür verantwortlich ist, dass ausgerechnet dieses Technodrome zu einem Knotenpunkt für diese Art von Datenverkehr geworden ist, aber er hat seinen Spaß daran. Vor allem die geposteten Fotos entzücken ihn regelrecht. Bis auf wenige, unwesentliche Details, sehen diese Shredder seinem eigenen so wunderbar ähnlich, und auch ihre Charaktere scheinen sich zu gleichen.

„Mein Schatz hat mir einen Deal angeboten, auf den ich eingehen musste – das Leben von Krang, Beeps und Rock hing davon ab! Und jetzt sind er und Krang beste Freunde und sie scheuchen uns gemeinsam herum. Manchmal weiß ich nicht, ob ich darüber wirklich so froh sein soll. Aber ohne ihn kann ich es mir mein Leben gar nicht mehr vorstellen.“

Als Krang das liest und die dazugehörigen Fotos sieht, muss er unwillkürlich schmunzeln. Shredder und der Rattenkönig? Und der Rattenkönig quasi als seiner, Krangs, Stellvertreter? Ah, dieses Universum gefällt ihm jetzt schon.

„Er hat sich in mein Bett geschlichen. Immer öfter. Und irgendwann ist er über mich hergefallen. Aber das war okay. Ich will ihn gar nicht anders. Er ist nunmal Krang.“

Als Krang sieht, was aus ihm geworden ist, schaudert er unwillkürlich, aber zugleich ist auch sein Interesse geweckt. Er möchte zwar nicht so aussehen wie eine Mischung aus einem Raubsaurier und dem Alien aus dem gleichnamigen Film, aber es scheint tatsächlich eine Möglichkeit zu geben, dass er wieder einen Körper aus Fleisch und Blut erhält.

„Ich war nicht ganz bei mir. Visionen, Schlafmangel, epileptische Anfälle. Sie haben mir geholfen. Haben nicht locker gelassen. Und jetzt werde ich sie nicht mehr los. Ob ich glücklich bin? Na aber hallo!“

Es dauert eine Weile, bis sich Krang wieder an den FBI-Agenten Yuko Lamar erinnern kann, aber gut, warum nicht? Er zuckt mit den Tentakeln. Dieser Shredder lebt also in einer Dreierbeziehung zwischen Yuko und April O'Neil und sie leben alle im Technodrome? Niedlich.

Hm, ob sein Shredder auch diese seherischen Fähigkeiten besitzt? Und wenn, sollte er sie aktivieren?

Es lohnt sich, darüber nachzudenken.

„Wir waren beide einsam. Und als er mir gestand, dass er mich liebt … ich dachte mir: warum nicht? Und jetzt sind wir schon seit zwei Jahren zusammen.“

Shredder und Bebop? Uh.

Krang hat viel Fantasie, aber das ist irgendwie … schräg.

„Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das passieren konnte... aber ich bin froh, dass es ihn gibt.“ Oh, in diesem Universum hat er nicht nur einen Körper, sondern sogar einen menschlichen. Und er sieht umwerfend aus. Und er ist ein russischer Medien-Mogul mit der Ambition, sich ein weltweites Imperium aufzubauen. Nicht schlecht.

„Alte Liebe rostet nicht...“

Urgh, Blargh.

Krang widersteht nur mühsam dem Drang, sich die Augen zuzuhalten.

Shredder und die Ratte?

Ernsthaft jetzt?

Bei diesem Anblick versteht er, wieso sein Shredder so durch den Wind ist.

„Er ließ einfach nicht locker. Ist dein Bruder auch so stur?“

Was? Shredder und sein kleiner Bruder? Er muß dringend überprüfen, ob an dieser Geschichte auch hier etwas dran sein könnte.

„Ich habe ihn letzten Monat wieder zum Menschen gemacht. Dafür hat er eine ganze Woche lang kein Wort mit mir gewechselt. Das war die Hölle. Aber ich bereue nichts! Jetzt gehört er ganz mir. Sollen die Schildkrötenpanzer doch alleine zurechtkommen.“

Die Ratte schon wieder. Aber gut... anerkennend schnalzt Krang mit der Zunge. Dieser Shredder scheint sich durchgesetzt zu haben. Und mit den Kröten hat er sich eindeutig auch nicht verbrüdert.

„Bei mir waren's die Hormone. Und dieser blöde Planet. Aber ich liebe ihn und unsere Kinder mehr als alles andere auf der Welt. Manchmal ist es einfach nur zu perfekt, das macht mir Angst.“

Krang weiß nicht, ob er lachen oder weinen soll. Was hat der Krang dort nur mit seinem Mutagen angestellt, dass aus Shredder dieser spitzohrige, grünäugige Hermaphrodit wurde, der Rocksteady – dem menschlichen, wohlgemerkt – zwei Kinder gebiert?

Und er selbst – amüsiert scrollt er sich durch Fotos und Tweets – läuft dort in einem perfekten Androidenkörper herum, der nicht von einer normalen Frau zu unterscheiden ist und führt ein Finanzimperium, dem unter anderem die größte Rüstungsindustrie der Vereinigten Staaten von Amerika gehört? Er unterhält sogar eine Privatarmee! Wahnsinn.

„Wir standen unter Drogen. Und haben seitdem eine psychische Verbindung. Das ist unheimlich, kann im Kampf aber auch nützlich sein.“

Ein Dreier zwischen Shredder und seinen Mutanten? Und schon wieder eine paranormale Begleiterscheinung?

Mit immer größerem Vergnügen wühlt sich Krang durch diese Chats.

Zehn verschiedene Shredder, alle mit ihrer ganz eigenen Liebesgeschichte und eine davon verrückter als die andere.

Aber – sie sind glücklich.

Und – was Krang wirklich freut – er spielt in ihren Leben immer noch eine tragende Rolle, sogar bei denen, die sich in diese Ratte Splinter verliebt haben.

 

5. Kapitel

 

„Uhem, Chefchen? Was ist los? Haben wir etwas falsch gemacht?“

„Was?“ Unsanft aus seinen Gedanken gerissen, starrt Shredder sie an – wieder! - doch dann wendet er den Kopf beiseite.

„Nein“, murmelt er und fügt dann, etwas lauter und vor allem barsch hinzu: „Hört auf, so herum zu trödeln!“

Mit diesen Worten wirbelt er herum, dass sich sein Mantel theatralisch hinter ihm aufbauscht und der Schnee unter seinen Stiefeln nur so aufstiebt. Doch schon nach ein paar Schritten hält er inne und starrt mit abwesenden Blick in die Ferne.

Rocksteady und Bebop wechseln einen langen Blick. Sie trödeln doch nicht. Sie angeln sich ihr Abendessen und dafür braucht man bekanntlich Geduld. Die Fische in Grönland beißen auch nicht schneller an als die in New Jersey.

Shredder war schon den ganzen Tag über so merkwürdig. Er ist immer unausstehlich, wenn er nicht geschlafen hat, aber heute kommt eine ungewöhnliche Schweigsamkeit hinzu. Und ständig starrt er sie so merkwürdig an. Das wird ihnen langsam unheimlich.

Solange Krang mit seinen kleinen privaten Projekten beschäftigt ist – von denen sie gar nicht wissen wollen, worum es sich da dreht – haben sie nicht viel zu tun und normalerweise können sie diese kostbare Freizeit auch genießen, denn wenn Shredder schlecht gelaunt ist, lässt er sie üblicherweise in Ruhe, weil er genauso wenig Lust auf Streit hat wie sie. Aber heute ist er wirklich nicht er selbst. Irgendetwas scheint ihm auf dem Herzen zu liegen, doch er ist zu stur und stolz, um damit herauszurücken.

„Chefchen?“

Rocksteady als der Mutigere von ihnen, kann es nicht lassen und nähert sich ihm zögernd, stets bereit, beim geringsten Anzeichen von Aggressivität zurück zu springen.

Shredder starrt nur weiterhin in die Dunkelheit der Polarnacht. Er sieht nicht aus, als wolle er ihm antworten. Sie wissen, dass die ununterbrochene Dunkelheit Shredder aufs Gemüt drückt und hoffen nur, dass dies nicht die Vorboten einer depressiven Verstimmung sind.

Rocksteady tritt noch einen Schritt näher und öffnet schon den Mund, um ihn erneut anzusprechen, als Shredder plötzlich von einem heftigen Hustenanfall geschüttelt wird. Das erinnert sie alle – Shredder schmerzhafter als die beiden Mutanten - daran, dass er erst vor kurzem gegen die Grippe kämpfte und sofort vergisst Rocksteady all seine Zögerlichkeit und legt besorgt einen Arm um ihn.

„Du solltest nicht hier draußen in der Kälte sein.“

Dankbar lehnt sich Shredder an ihn.

„Okay“, meint er, als er wieder einigermaßen schmerzfrei atmen kann. Doch anstatt die fünfzig Meter zurück zum Technodrome zu gehen, lehnt er sich nur erschöpft weiter gegen den Nashornmutanten.

„Was würdet ihr sagen“, meint er irgendwann, das Gesicht nur widerwillig aus Rocksteadys weicher Felljacke hebend, „wenn ich euch erzähle, dass es ein Paralleluniversum gibt, in dem wir drei zusammen Sex haben?“

„Was?“ Rocksteady lässt ihn los und weicht instinktiv einen Schritt zurück.

Shredder gibt ein kurzes, bitteres Lachen von sich, das wegen seiner zunehmenden Erschöpfung jedoch schnell erstirbt.

„Ja“, erwidert er und streicht sich mit der behandschuhten Hand über die müden Augen. „Und nicht nur das. In einem seid auch nur ihr zusammen und ich dafür mit meinem Bruder. Oder mit Krang. Oder nur mit einem von euch. Oder mit dem Rattenkönig. Oder mit...“ Er erschaudert sichtlich: „Splinter.“

Rocksteady und Bebop gelingt es, ihren Abscheu nicht laut zu äußern. Sie wechseln wieder einen langen Blick, doch diesmal voller Verwirrung und Besorgnis.

„Sind wir da glücklich?“ fragt Bebop schließlich vorsichtig und schiebt dann noch mit mehr Nachdruck hinzu: „Bist du da glücklich?“

Und als Shredder und Rocksteady ihn daraufhin nur erstaunt anstarren, zuckt Bebop mit den Schultern und verteidigt sich:

„Ich meine: das ist am Ende alles, was zählt, oder?“

 

 

Wie gebannt sitzen Rocksteady und Bebop vor ihrem großen Bildschirm, an dem sie sonst ihre Videospiele zocken. Sie haben sich über ihre Konsole in X-Zone eingeklinkt.

„Dürfen wir auch einen Account erstellen und dann mit unseren Doppelgängern chatten?“ erkundigt sich Bebop vorsichtig.

Shredder, der es sich hinter ihnen auf der alten Couch bequem gemacht hat, öffnet nur sehr widerwillig seine Augen und blinzelt müde Richtung Monitor, der gerade die Standard-X-Zone Startmaske in all ihrer pastellfarbenen Pracht zeigt.

„Natürlich dürft ihr das. Aber vergesst nicht, dass ihr zwar mit allen Kontakt aufnehmen könnt, aber sie nicht untereinander. Sie wissen nichts von den anderen. Macht euch Notizen, nicht, dass ihr im Chat etwas durcheinanderbringt. Und wählt bloß andere Farbvorlagen, davon wird einem ja schlecht.“

Bebop und Rocksteady werfen sich einen kurzen Blick zu und drehen sich dann beinahe synchron zu ihrem Chefchen um. Beide zeigen sie sehr verdutzte Mienen.

„Du hast ihnen doch nicht wirklich gesagt, wer du bist, oder?“ will Rocksteady geradezu geschockt wissen. „Du weißt aber schon, dass du nicht verpflichtest bist, deinen richtigen Namen zu nennen?“

„Ja“, stimmt Bebop ihm zu, „du kannst dich sogar als Frau ausgeben. Oder als Teenager.“

„Ja, warum hast du das nicht gemacht, Chefchen?“

Warum? Shredder schießt ihnen einen bösen Blick zu. Weil er, als er versuchte, sich anzumelden und ihm das Programm sagte, dass dieser Benutzername schon existiert und als er den Account dieses unverschämten Kerls, der es wagte, ihm seinen Kampfnamen zu klauen, genauer unter die Lupe nahm und das Profilfoto sah, zu geschockt war, um noch vernünftig reagieren zu können. Deshalb.

Die erste Version von sich, auf die er da stieß, musste ja ausgerechnet jene sein, die sich mit Rocksteady und Bebop das Bett teilt.

Und bis auf diese gottverdammten Ohrringe gleichen sie sich auch noch wie ein Ei dem anderen! Sie haben sogar dieselbe Frisur – weshalb er auch beschlossen hat, sich die Haare so lang wachsen zu lassen, bis er sie sich zu einem Zopf hochbinden kann. Das macht nur einer seiner Doppelgänger, aber der sieht ihm dank spitzer Ohren und grüner Augen auch nicht mehr wirklich ähnlich.

Rocksteadys und Bebops neugierige Gesichter erinnern ihn daran, dass er ihnen noch eine Antwort schuldig ist.

„Ich wollte eben mehr über sie erfahren“, überlegt er sich schnell eine passende Ausrede. „Und ich weiß, daß ich meinem Ich aus einem Paralleluniversum mehr Privates erzählen würde als irgend einem Unbekannten.“

Aus irgendwelchen Gründen bringt seine Antwort die beiden dazu, zu grinsen.

„Ach, lasst mich doch einfach in Ruhe!“

Mit diesen Worten dreht er sich auf die Seite und ihnen damit den Rücken zu.

Wieder wechseln die Mutanten einen Blick. Das hier ist immerhin ihr Quartier und erst recht ihre Couch. Aber sie verkneifen sich lieber jegliches spitze Kommentar in dieser Richtung. Die ersten vier Wochen, die sie hier in Grönland gestrandet waren, mussten sie sich aus energietechnischen Gründen ein Quartier teilen und auch wenn das jetzt nicht mehr nötig ist, kommt Shredder immer noch oft zu ihnen hinüber. Und als diese dämliche Grippewelle erst sie und dann ihr Chefchen flachlegte, haben sie sich auch umeinander gekümmert.

Wenn Shredder jetzt also auf ihrer Couch vor Erschöpfung einpennt, soll es ihnen Recht sein.

„Ich hoffe, wir drei sind in jedem Universum Freunde“, flüstert Bebop Rocksteady ins Ohr und wirft dabei einen vielsagenden Blick über seine Schulter hinweg zu ihrem Chefchen hinüber.

„Kann ich mir nicht anders vorstellen“, brummt Rocksteady und stupst mit seiner Nase gegen Bebops Wange, was diesen leise kichern lässt. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in jedem Universum auf dieselbe Art miteinander verbunden sind. Sieh mal: Wenn unsere Eltern keinen Sex miteinander gehabt hätten, gäbe es uns doch gar nicht. Jedenfalls nicht so.“

Sie haben sich erfolgreich angemeldet, und als erstes springt er zur Seite ihrer Gegenstücke, die wieder Menschen sind. Vielsagend deutet er auf eines der Fotos.

„Da, siehst du? Die gleichen uns aufs Haar. Also, wenn wir noch Menschen wären. Und das heißt doch: Das Wesentliche muß in unserem Universum und den anderen genau gleich sein. Hey, wir haben sogar alle dieselben Namen.“

„Wow, Nasi“, haucht Bebop bewundernd. „Du bist so schlau.“

Rocksteady grinst geschmeichelt.

„Nah“, wehrt er bescheiden ab, „ich bin nur ein Trekkie, das ist alles.“

 

 

Selbst eine Mütze Schlaf bringt nicht mehr die nötige Erholung. Träge blinzelt Shredder gegen den rostroten Stoffbezug der Couch, während ihm ganz langsam ins Hirn tröpfelt, was ihn da aufgeweckt hat.

Missmutig dreht er sich um und hievt sich langsam in eine sitzende Position.

„Was flüstert ihr da so? Und was machst du hier, Krang?“

Krang, diesmal in seiner Plexiglaskugel, dreht sich zu ihm um und macht eine ungnädige Tentakelgeste.

„Mir gehört das Technodrome, ich bin gewissermaßen euer Vermieter. Da ihr aber keine Miete bezahlt, seid ihr quasi Hausbesetzer und damit habe ich jedes Recht, mich zu jeder Party selbst einzuladen.“

„Party?“

„Eine X-Zone-Party.“

Shredder starrt erst ihn, dann seine Mutanten, die noch immer da sitzen, wo er sie zuletzt gesehen hat, fragend an.

„Muss ich das verstehen?“

Es ist Rocksteady, der ihm antwortet.

„Er hat dich gesucht und ist dann gleich hiergeblieben.“

Shredder schnauft nur, doch das Geräusch geht in einen kurzen Husten über. Wie lästig. Im Moment ist einfach nur alles lästig!

„Plant ihr, wie ihr mich am besten den Eisbären zum Fraß vorwerfen könnt, oder was?“

„Nein", gibt Krang fröhlich zurück. „Wir diskutieren nur, welches Pairing deiner Doppelgänger wir uns für dich wünschen.“

Shredder, der sich schon überlegt hatte, sich zu ihnen auf den Teppich zu gesellen, sinkt schockiert wieder zurück auf die Couch.

„Da gehe ich lieber freiwillig zu den Eisbären.“

„Also, ich wurde schon inspiriert", trällert Krang munter. „Bei mir sprudeln die Ideen nur so, wie ich an einen neuen Körper kommen könnte. Ich denke, ich nehme mal mit diesen Krangs Kontakt auf und lasse mir ihre Forschungsergebnisse geben.“

„Na ja, und Nasi und ich, also wir...“ beginnt Bebop und reibt sich dabei verlegen den Nacken, nur um von seinem Nasi unterbrochen zu werden.

„Können es euch jetzt ja ruhig sagen", Rocksteady legt seinem Kumpel den Arm um die Schultern und grinst bis über beide Ohren. „Wir sind schon eeeewig Sex-Buddies. Also, gelegentlich jedenfalls.“

„Jaaa", ergänzt Bebop, dreht den Kopf etwas und streicht neckisch mit seiner Schweineschnauze gegen Rocksteadys Wange, „und bis wir wieder von euch unsere menschliche Gestalt zurück bekommen, da können wir es uns doch auch schön machen und … na ja, ganz offiziell und fest zusammensein. Oder?“ Er wirft seinem Chefchen einen fragenden Blick zu, aber der blinzelt ihn nur verdutzt an.

„Äh … was fragt ihr mich das?" bringt er schließlich hervor und zuckt dann mit den Schultern. „Ist doch eure Entscheidung.“

Er verbeißt sich die spöttische Bemerkung, dass er ihre tiefe Zuneigung zueinander schon längst mitbekommen hat, immerhin ist er kein ignoranter Idiot!

Aber es ist schon irgendwie niedlich, dass sie wert auf sein Einverständnis legen.

„Nur ...", es tut ihm so leid, das jetzt sagen zu müssen, fühlt sich als ihr Chef aber dazu verpflichtet, „wir haben kein Gegenmittel für eure Mutation, habt ihr das etwa vergessen? Ihr solltet eure Hoffnungen in der Richtung also etwas herunterfahren.“

„Och", lacht Rocksteady nur verschmitzt, „wenn Krang seine anderen Krangs kontaktiert, kann er sie doch auch gleich darum bitten, oder?“

„Das hängt davon ab, wie gut ihr endlich mal euren Putzdienst erledigt", feixt Krang, geradezu unheimlich gut gelaunt. „Wenn es diesmal überall blitzt und blinkt... mal sehen. Vielleicht.“

Die drei grinsen sich so verschwörerisch zu, dass sich Shredder unwillkürlich fragt, worüber sie sich in der Zeitspanne, während er schlief, wohl noch so unterhalten haben. Für seine Paranoia sind solche Gedanken nicht gerade sehr hilfreich.

„Ja, und, Chefchen, was ist denn jetzt nun?“ Penetrant wie immer, kommt Bebop auf ihr eigentliches Hauptthema zurück. „Wenn du die Wahl hättest, mit wem deiner Doppelgänger würdest du gerne tauschen?“

„Mit keinem!“ kommt es wie aus der Pistole geschossen und sehr entschieden zurück. Selbst wenn es da etwas gäbe, ginge das niemanden etwas an!

Bebop nickt, als hätte er mit dieser Antwort gerechnet. „Ja, wir haben dich auch immer nur mit April gesehen. Sie passt am besten zu dir.“

Shredder spürt, wie ihm alles Blut erst aus dem Gesicht weicht, um dann mit aller Macht zurückzuschießen. Ehe er es sich versieht, ist er aufgesprungen und schnauzt sie unbeherrscht an.

Was redet ihr da für einen Scheiß?

Keiner der drei zuckt auch nur mit einer Wimper, und er weiß nicht, wofür er sich jetzt mehr schämen soll: für seine miese Beherrschung oder dafür, dass er so berechenbar geworden ist?

„Aber sie gefällt dir doch, oder?“ bohrt Krang geradezu lauernd nach.

Shredder hört sich selbst nach Luft schnappen und hasst sich dafür.

„Das ist hier nicht das Problem“, versucht er so viel von seiner Würde zu retten, wie noch irgend möglich. „Sie ist die Freundin der Turtles! Meiner Erzfeinde!“

„Na und?“

Und nur, weil er diese lächerliche Unterhaltung so schnell wie möglich beenden und zurück in sein Quartier will, lässt sich Shredder zu einer, wie er hofft, alle Fragen beseitigenden Antwort herab. Einer ehrlichen.

„Deshalb ist sie tabu. Ich denke darüber nicht einmal nach! Und dieser ganze Liebesquatsch kann mir sowieso gestohlen bleiben!“

Mit diesen Worten stapft er zur Tür. Erstaunlicherweise lassen ihn die drei ohne Widerworte oder sonstige Kommentare ziehen. Aber er kennt sie. Sie haben Blut geleckt. Die nächsten Tage werden das reinste Spießrutenlaufen.

Vor allem Krang ist gut darin, den Tentakel immer wieder in die offene Wunde zu legen. Und eine offene Wunde ist es fürwahr.

 

 

Als er April die ersten Male traf und als Geisel nahm, fiel sie ihm viel zu oft in Ohnmacht und er nicht auf diese Fake-Anfälle herein. Er wusste sofort: diese Frau hat ihren Ruf als gute Reporterin nicht ihrem ansprechenden Äußeren zu verdanken. Sie ist Stahl, gehüllt in Samt und dazu noch mit einem messerscharfen Verstand gesegnet. Wären da nicht die Turtles, hätte er sie schon vor Jahren zu einem Date eingeladen. Aber so blieb ihm nichts anderes übrig, als jegliche in dieser Richtung aufflammenden Gefühle im Keim zu ersticken. Außerdem fehlt ihm für so etwas sowieso die nötige Freizeit.

Und wenn ihn sein Körper dann doch mal daran erinnert, dass auch in ihm primitive Gelüste schlummern, greift er eben zur Selbsthilfe. Er hat zwei gesunde Hände, verdammt, und eine Menge Fantasie.

Er weiß selbst, dass das das Loch in seinem Herzen nicht stopft, aber er kommt damit zurecht. Meistens jedenfalls.

Manchmal ist er etwas deprimiert, aber daran ist jetzt nur diese dunkle, kalte Polarnacht schuld. Oder – wie es noch vor zwei Monaten der Fall war - die Entfernung von der DimensionX zur Erde. So fern von seinem Heimatplaneten – wer wird da bitteschön nicht schwermütig?

So, und jetzt Schluss mit diesen lächerlichen Gedanken. Entschlossen stellt Shredder seine Zahnbürste zurück und verlässt sein kleines Badezimmer. Er ist todmüde und sein Bett sieht sehr verlockend aus.

 

 

6. Kapitel

 

„Ich geh dann, April." Ihr Kameramann Vernon kann sein Equipment gar nicht schnell genug zusammenpacken. „Und du bist sicher, dass du noch bleiben willst?"

Er schneidet eine Grimasse, die seine ganze Verachtung zum Ausdruck bringt, aber sie nickt nur und winkt ihm dann zum Abschied einmal kurz zu. Dass sich Vernon nicht für fernostasiatische Kulturgüter interessiert, kommt ihr nur gelegen. Er geht ihr heute mehr als sonst auf die Nerven. Während er sich also davonmacht, nimmt sie sich die Zeit, die Besucherströme noch einmal genauer zu mustern.

Sie ist enttäuscht.

Sie steht hier mitten in einer wertvollen Museumsausstellung - Waffen! Asien! Uralte, mystische Schriftrollen! - und von Shredder und seinen Idioten immer noch keine Spur. Das ist ihr vierter Versuch, ihn hervor zu locken und langsam denken die in der Redaktion schon, sie wollte von der Nachrichten- zur Bildungssparte wechseln.

Da war zuerst ihr Bericht über das Meteoritengestein, dann das Interview mit dem Erfinder eines neuen Fusionsreaktors, das Organe züchtende Labor und nun das hier …

alles Themen, die erfahrungsgemäß bei Krang & Co hohes Interesse auslösen. Und für jeden dieser Live-vor-Ort-Berichte hat sie kräftig die Werbetrommel gerührt – wieviel Einladungskarten soll sie denn noch verschicken?

Thanksgiving nähert sich mit Riesenschritten, gefolgt von Halloween und wenn die Zeit für Weihnachten kommt, ist alles aus - dann zählen im Channel 6-Programm nur noch alte, dicke Männer in roten Mänteln, Elfen und Rentiere. Dann kann sie niemanden mehr davon überzeugen, wie wichtig Kultur und Wissenschaft ist.

Das ist langsam wirklich frustrierend. Wütend streicht sie sich eine rotbraune Locke aus der Stirn und seufzt dann einmal tief auf.

Na ja... wenn sie schon mal hier ist, kann sie sich ruhig einmal in aller Ruhe umsehen.

Sie hat ein Faible für Asien. Und für Schwerter - auch wenn sie das bisher gut verheimlichen konnte.

Und so schlendert sie langsam von Ausstellungsstück zu Ausstellungsstück, bahnt sich einen zick-zack-förmigen Weg durch die anderen Bewunderer fernöstlicher Kultur. Sie ist gerade in die kunstvolle Schönheit einer zweihundert Jahre alten Samurairüstung versunken, als irgend jemand sie anrempelt.

Sie hört ein gemurmeltes „sorry" und sieht dem Mann - groß, gut gebaut, Jeans, Parka und Baseballcap - unwillkürlich nach, wie er dem Ausgang zustrebt. Zuerst kommt er ihr nur vage bekannt vor, doch dann erkennt sie seine Stimme wieder und es macht „klick".

Das war doch... Ganz sicher war er das!

Sie folgt ihm schmunzelnd.

Das ist nicht leicht, denn sie verliert ihn schneller aus den Augen, als ihr lieb ist. Es sind einfach zu viele Leute hier! Für einen Moment verliert sie die Hoffnung, aber sie geht einfach in die eingeschlagene Richtung weiter, und das ist ihr Glück.

Sie hört das Husten in der Sekunde, wo sie ihn sieht. Er steht in einem spärlich beleuchteten Gang, der für den Besucherverkehr gesperrt ist - aber seit wann lässt er sich von Verbotsschildern und Absperrungen aufhalten?

Er ist stehengeblieben, stützt dich mit einer Hand an der Wand ab und hat die andere in Brusthöhe in der Jacke verkrallt. Wieder hört sie dieses Husten - bellend, wie eine Robbe. Das klingt verdächtig nach einer Bronchitis.

Alles, was sie sagen wollte, ist plötzlich vergessen. Aus den Tiefen ihrer Handtasche kramt sie eine volle Wasserflasche hervor.

„Hier.“

Mit wenigen Schritten steht sie bei ihm und tippt ihm um Aufmerksamkeit heischend, mit der Flasche an den Oberarm.

Er hustet immer noch, nimmt die Flasche aber dankbar entgegen. Die mangelnde Reaktion nach dem kurzen Blick, den er ihr dabei zuwirft, lässt sie allerdings stark daran zweifeln, dass er sie erkannt hat.

Als er wieder einigermaßen gut atmen kann, nimmt er einen Schluck und diesmal sieht er sie richtig. Und hätte sich fast verschluckt.

„Hallo, Shredder“, grüßt sie ihn mit ihrem schönsten Lächeln und mustert ihn dann besorgt. „Du siehst gar nicht gut aus. Und dein Husten klingt auch schlimm. Du gehörst ins Bett.“

Anstatt einer Antwort, funkelt er sie nur an, reißt ihre Handtasche an sich und beginnt, darin herum zu wühlen. Sie ist so baff, dass sie glatt vergisst, zu protestieren. Und dann drückt er ihr die Tasche auch schon wieder zurück in die Hände, während das Turtlecom in seiner Jackentasche verschwindet.

„Nicht, dass du auf dumme Gedanken kommst“, knurrt er, während ihre Augenbrauen nur belustigt in die Höhe wandern. Und das liegt nicht nur an seinem Basecap, das, wie sie erst jetzt richtig registriert, das Footclan-Logo trägt – genau wie sein Parka. Und am Reißverschluß – baumelt da etwa ein entsprechender Anhänger?

Wieso nur erinnert er sie in diesem Moment eher an eine wandelnde Werbetafel als an das gefährliche Oberhaupt einer kriminellen Vereinigung?

„Und jetzt geh, oder ich muss dich fesseln und in der Besenkammer einsperren.“

Seine Stimme klingt kratzig und er spült schnell noch mit einem Schluck Wasser nach.

Sie holt aus ihrer Manteltasche ein Bonbon hervor und streckt es ihm lächelnd entgegen.

„Hier, bitte. Hilft vielleicht ein bisschen.“

Er starrt sie einen Moment einfach nur an und nimmt es dann zögerlich entgegen. Er sagt sogar „Danke.“

Einen ganzen Herzschlag lang saugt sich ihr Blick einfach nur an seinem Gesicht fest – er sieht so toll aus!

Etwas blass vielleicht, aber selbst die dunklen Schatten unter seinen Augen betonen seine edlen Gesichtszüge nur noch - und dann reißt sie sich zusammen und die ganze Situation an sich.

„Wo ist das Transportmodul? Oder bist du durch ein Portal gekommen? Und wo sind deine Mutanten? Komm, wir sollten nicht so lange hier rumstehen, sonst bemerkt man uns doch noch.“ Ohne groß drüber nachzudenken, packt sie ihn am Arm und zieht ihn mit sich den Gang hinunter. Das ist die Richtung, in die er wollte, nicht wahr?

Entweder ist er zu verdattert oder zu angeschlagen, um sich zu wehren, jedenfalls lässt er sich widerspruchslos mitzerren.

„Beeps und Rock sind Zuhause. Das hier sollte unauffällig ablaufen. Und im Keller steht ein Modul", erzählt er ihr sogar artig.

Die Tür zum Treppenhaus ist natürlich verschlossen, aber das ist für ihn und sein Equipment aus der Dimension X gar kein Problem. Er hält nur ein handtellergroßes Gerät dagegen, schon knackt es im Schließmechanismus und die Tür öffnet sich gehorsam. Sie schlüpft mit ihm hindurch.

Es ist düster hier, weil nur die Notbeleuchtung glimmt. Unwillkürlich rückt sie etwas näher an ihn heran. Sie hält ihn immer noch fest.

Er bleibt stehen, entzieht sich ihr aber nicht.

„Danke für das Wasser. Aber den Rest schaff ich alleine. Du kannst gehen."

Er entzieht sich ihr immer noch nicht.

„Ich bringe dich lieber, nicht, dass du noch umkippst." Wenn sie seine schweren Atemzüge bedenkt, liegt sie mit dieser Befürchtung gar nicht mal so falsch. „Großer Gott, wieso schickt dich Krang in diesem Zustand los?"

„Mir geht's gut", widerspricht er barsch. „Ich brauche keine Hilfe. Und einen Aufpasser schon gar nicht. Also, wieso verschwindest du nicht endlich oder rufst deine Turtles oder so?"

„Ah... Du hast mein Turtlecom?"

„Und das behalte ich auch, bis ich im Modul bin."

Anstatt sie jetzt loszulassen, ist plötzlich er es, der ihre Hand hält und drückt. In ihrer Magengrube beginnt ein leichtes Flattern, das sie tapfer ignoriert.

„Wie gut, dass ich dich dahin begleite." Doch ihre Belustigung weicht einem Stirnrunzeln, als er sie nur verwirrt anstarrt.

„Sonst sehe ich es nie wieder?" gibt sie ihm einen Hinweis, aber als sich seine Miene nicht ändert, kann sie sich nicht beherrschen und legt ihm prüfend ihre freie Hand an die Wange. Vor sich selbst rechtfertigt sie das, daß sein Basecap für eine Berührung an der Stirn im Weg ist. Doch im Grunde ihres Herzens will sie nur fühlen, ob sich seine Haut so gut anfühlt wie sie aussieht.

Zwischen ihnen entsteht ein verlegenes Schweigen, währenddessen sie sich einfach nur anstarren.

April spürt, wie ihr das Blut in die Wangen schießt und sie zieht ihre Hand so schnell zurück, als hätte sie sich an ihm verbrannt.

„Du... du fühlst dich etwas warm an“, rechtfertigt sie sich stotternd.

Er räuspert sich einmal.

„April...“ beginnt er, doch in diesem Moment hallt ein lautes Geräusch durch das Treppenhaus. Irgendwo über ihnen wurde eine Tür geöffnet und ist dann krachend ins Schloss gefallen.

Schritte erklingen.

Jemand kommt die Treppe herunter.

Jetzt lässt Shredder ihre Hand los, dreht sich um und huscht die ersten Stufen hinunter.

April zögert keine Sekunde und folgt ihm auf dem Fuße.

 

7. Kapitel

 

Niemand hat sie bemerkt. Es ist einfach reiner Zufall, dass jemand – mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Museumsangestellter – die Treppe gerade jetzt hinuntergeht und er oder sie verschwindet auch sehr schnell wieder weit über ihnen, aber allein der Versuch, leiser als ein Mäuschen zu sein, scheint Shredder erschöpft zu haben. Auf den letzten Metern sucht er Halt am Geländer und schwankt stark. April ist sofort an seiner Seite und stützt ihn. Keiner von ihnen spricht ein Wort, als sie langsam durch das dunkle Kellergewölbe stolpern.

April muss sich sehr zurückhalten, nicht einfach anzuhalten und ihn zu umarmen. Er ist ihr so nahe. Sie kann ihn riechen – was ist das? Vanille? - und seinen soliden Körper unter dem dicken Parka spüren. Das Flattern in ihrer Magengrube wird stärker.

Sie reicht ihm gerade mal bis zur Schulter und wieder fällt ihr auf, wie groß er doch für einen Japaner ist – einen Meter achtzig, steht in ihrem Dossier (jedenfalls sind das die Angaben aus seinem Pass).

Zuerst versucht er, sich nicht mit dem ganzen Gewicht auf sie zu stützen, aber nach einem weiteren, kraftraubenden Hustenanfall, sinkt er schwerer gegen sie und sie ist froh, regelmäßig ins Fitnesscenter zu gehen. Er entschuldigt sich zwar sofort und richtet sich sogleich wieder etwas auf, aber sie sind beide erleichtert, als das Transportmodul vor ihnen auftaucht.

Obwohl sie es schon gefühlt tausendmal gesehen hat, ist der Anblick, wie diese röhrenförmige Maschine mit dem gefährlich aussehenden Bohrer halb aus dem Fundament ragt, immer wieder respekteinflößend. Das Ding stammt tatsächlich aus einer anderen Dimension.

Sie denkt nicht wirklich darüber nach, was sie da tut, als sie ihm erst beim Einsteigen hilft und sich dann selbst ebenfalls ins Innere quetscht. Sie schließt sogar die Tür hinter ihnen.

Selbst Shredders überraschtes „Hah?“ überhört sie.

Als täte sie das jeden Tag, setzt sie sich hinters Steuer. Während sie das fremde Armaturenbrett vor sich betrachtet, auf der Suche nach dem Startknopf oder etwas ähnlichem, fällt ihr etwas anderes ein.

„Hast du gefunden, was du gesucht hast? Du weißt, dass die Ausstellungsstücke alles nur Kopien sind? Das richtige Zeug liegt im Tresor.“

„Ja“, erwidert er rein automatisch. „Ich habe alles. - April!“ fährt er dann auf und zugleich ihr in den Arm. „Was hast du vor?“

Sie blinzelt einmal, starrt erst auf seine Hand auf ihrem Unterarm, dann auf die blinkenden Anzeigen vor sich – huh? Wie kommt sie denn …?

Sie wollte so ein Ding immer schon mal steuern, aber ist sie wirklich...? - trotzig reckt sie das Kinn etwas höher und sieht ihm fest in die Augen.

„Ich bringe dich nach Hause“, erklärt sie. „In deinem Zustand kannst du das unmöglich selbst machen.“

„Das Modul hat einen Autopiloten“, wendet er ein und versucht – mit wenig Erfolg – sie aus dem Sitz zu schieben.

„Shredder!“ herrscht sie ihn dafür an und schiebt ihn entschlossen nach hinten, zu einem der Sitze dort. „Ich bringe dich nach Hause. Basta. Und jetzt sei lieb und setz dich. Oder -“ fügt sie dann schnippisch hinzu, „du krabbelst auf meinen Schoss. Wie auch immer: ich werde das Ding hier fahren. Das wollte ich schon immer mal.“

Er starrt sie für einen langen Moment finster an, lässt sich dann aber doch – sehr zu ihrer Überraschung und Freude – auf einen der beiden Sitze hinter ihr fallen.

„Wenn du glaubst, ich sag dir, wie man das hier steuert, hast du dich geschnitten“, murrt er dabei.

Sie lächelt nur selbstzufrieden. Wenn er denkt, sie würde das nicht packen, aufgeben und dann frustriert das Modul (und ihn) verlassen, hat er sich geschnitten.

Wie jeder gute US-Bürger kann sie Auto fahren, darüberhinaus hatte sie ein paar Flugstunden mit dem Nachrichtenhelikopter von Channel 6, sie hat auch mal notgedrungen bei einem Fall mit den Turtles einen Schnellzug bedient - sie hat also keine Berührungsängste, was so etwas betrifft.

Und so hat sie den Dreh schnell heraus. Ihr gelingt sogar das Wendemanöver zweihundert Meter unter der Erde so gut, dass der Bordcomputer nicht einmal eine Kurskorrektur machen muss, damit das Modul in demselben Tunnel landet, den es auf dem Weg hierher gegraben hat. Den Rest lässt sie den Autopiloten erledigen.

Während des ganzen Manövers, das immerhin gute zehn Minuten dauerte, hat Shredder außer ein paar anerkennenden Brummtönen nicht viel von sich gegeben. Als sie sich zu ihm umdreht, sieht sie auch, warum: er hängt so erschöpft in seinem Sitz, dass sie ihn am liebsten wieder umarmen würde. Stattdessen wechselt sie vom Pilotensitz auf den neben ihm und reißt ihn mit neugierigen Fragen aus seinem Dämmerzustand. Bestes Thema um das Eis zu brechen, scheint ihr dabei jener Gegenstand zu sein, für den er offensichtlich ins Museum gekommen ist und der nun in einem Beutel liegt.

Und genau diesen Beutel muss sie aufnehmen, wenn sie sich neben ihn setzen will. Natürlich nutzt sie die Gelegenheit, um einen Blick hineinzuwerfen.

Oh, das ist die chinesische Puzzlebox, von der niemand weiß, wie sie sich öffnet und welche Geheimnisse sich in ihr verbergen. Ein Rätsel, wie geschaffen für Krang.

Ihre Neugier kommt bei ihm nicht gut an, jedenfalls funkelt er sie wieder so böse an und nimmt ihr Beutel samt Puzzlebox schnell ab.

„Du hättest unbemerkt abhauen können“, meint sie neugierig, aber von seinem Zorn völlig unbeeindruckt. Im Gegenteil – sie mag dieses Funkeln in seinen Augen. „Du hattest es schon aus dem Tresor geklaut und ins Modul gelegt. Wieso bist du nochmal nach oben gekommen? In den Ausstellungssaal? Das war doch ein völlig unnötiges Risiko."

Die Frage scheint ihn zu überraschen. Wahrscheinlich hat er eher mit der Frage gerechnet, was Krang damit vorhabe.

Vielleicht sagt er ihr deswegen die Wahrheit.

„Erstens war das eine Ausstellung ganz nach meinem Geschmack und zweitens-“, hier zögert er für den Bruchteil einer Sekunde, doch dann lächelt er.

Er lächelt sie tatsächlich an!

Aprils Herz macht einen regelrechten Satz.

„- sehe ich dir gerne beim Arbeiten zu. Als du den Kurator interviewt hast, stand ich keine fünf Meter entfernt.“ Sein Blick rutscht kurz etwas tiefer, bevor er ihr dann wieder ins Gesicht sieht und sein Lächeln wirkt plötzlich vorsichtig. „Du trägst heute nicht deinen Jumpsuit. Das ist ungewohnt. Aber es steht dir."

Sie spürt, wie ihr das Blut in die Wangen steigt. Verlegen streicht sie sich über ihren offenstehenden Wollmantel und die schlichte Tunika darunter.

Wenn sie vor der Kamera steht, repräsentiert sie immer zugleich Channel 6, für sie bedeutet das, sie muss präsentabel aussehen. Ihr gelber Jumpsuit ist eher ein von der Chefetage geduldeter Kompromiss. Diese Tunika hier ist ein Niveau höher – so sollte sie ihrem Chef zufolge öfter vor die Kamera treten.

Und dabei trägt sie doch privat am liebsten ganz normale T-Shirts, Hoodies und Jeans!

„Mein Jumpsuit ist in der Wäsche. Und das Ersatzexemplar ist noch feucht. Mein Trockner ist kaputt.“ Dann fällt ihr ein, was er noch gesagt hat und sofort fühlt sie sich schuldig.

„Ich hab dich gar nicht gesehen. Entschuldige.“

Er gibt nur ein Brummen von sich, das in etwas übergeht, was halb Husten, halb Räuspern ist und meint dann:

„Wenn ich gewusst hätte, dass du mich erkennst, wär ich vorsichtiger gewesen."

Darüber muss sie nur schmunzeln. Wenn er sie nicht angerempelt hätte, wäre er ja unbemerkt geblieben. Sie mustert ihn vorsichtig, plötzlich nicht mehr ganz sicher, ob der Rempler wirklich ein Unfall war. Vielleicht war er unbewusst sauer auf sie, weil sie ihn nicht sofort erkannt hat?

„Tut mir leid für dich“, erklärt er plötzlich, und seinem Tonfall nach scheinen ihm seine nächsten Worte wirklich leid zu tun, „aber wenn wir erstmal im Techndorome sind, bist du unsere Gefangene. Du hättest im Museum bleiben sollen."

Sie übergeht das einfach mal mit einem Lächeln, und als er dann einmal ganz tief Luft holt, als habe er Probleme beim Atmen, kann sie nicht anders, als ihm erst das Basecap abzunehmen, um ihm dann die rechte Hand auf die Stirn zu legen. Dass ihre Hand danach über seine Wange streichelt und noch tiefer, um irgendwo auf seine Brusthöhe liegenzubleiben, ist aber nicht wirklich beabsichtigt. April nimmt sie da trotzdem nicht fort.

„Das ist doch hoffentlich nichts Ernstes?“ erkundigt sie sich besorgt.

„Das ist nichts! Nur der Rest meiner Grippe von letzter Woche.“ Er greift nach ihrer frechen Hand, um sie wegzustoßen, aber stattdessen hält er sie am Ende doch nur fest.

Oh.

Irritiert starrt sie auf ihre ineinander verschränkten Finger, doch nur kurz, dann sieht sie wieder zu ihm auf – nicht, dass es ihm wegen ihres Starrens unangenehm wird und er seine Hand wieder wegzieht. Obwohl – sie mustert seine Miene prüfend – er nicht ein Eindruck macht, als wäre es ihm bewusst, was er hier tut. Ein Teil von ihm scheint schon weg gedämmert zu sein. Auch fallen ihm immer wieder die Augen zu.

Der Autopilot hatte ihr eine Fahrtzeit von knapp zwei Stunden angezeigt, und es spricht ja nichts dagegen, dass sie diese Zeit dösend verbringen können. Zumal er die Ruhe wirklich nötig zu haben scheint.

Also lehnt sie sich einfach nur bequem zurück, spürt dem Gefühl der Wärme seiner Hand, die inzwischen locker in ihrer liegt, nach, lauscht auf seine allmählich leichter werdenden Atemzüge neben sich und lässt sich davon und dem stetigen Brummen des Transportmoduls langsam einlullen.

 

8. Kapitel

 

„Werden sie dich nicht vermissen?" durchbricht Shredders leise Stimme plötzlich die angenehme Stille zwischen ihnen.

April, aufgeschreckt aus ihrem trägen Dämmerzustand, benötigt ein paar Sekunden, um zu verstehen, wen er damit meint. Oh. Er denkt wirklich an alles, nicht wahr?

Lächelnd dreht sie den Kopf in seine Richtung und begegnet leicht verhangenen, braunen Augen.

„Wenn du mir mein Turtlecom gibst, kann ich Irma eine Nachricht schreiben", erwidert sie keck und fügt dann nachdenklich hinzu: „Wenn ich mir eine Woche Urlaub nehme - das sollte erst mal reichen, oder?"

Sie spürt einen leichten Schmerz in ihrer linken Hand, als er sie unwillkürlich fester drückt und wird sich erst dadurch bewußt, dass sie immer noch Händchen halten. Falls es ihm auffällt, scheint er jedenfalls nichts dagegen zu haben, denn er lässt sie nicht los.

„Du bekommst dein Turtlecom nicht wieder." Entschieden schüttelt er den Kopf. „Wer weiß, wen du wirklich informierst."

„Dann schreib die Nachrichten doch selbst", fordert sie ihn amüsiert auf. Und dann kann sie sich ein breites Schmunzeln nicht verkneifen, denn letztendlich reicht er ihr doch ihr Turtlecom zurück. Leider muss sie ihn nun loslassen, denn zum Simsen benötigt sie beide Hände.

„Hast du kein normales Mobiltelefon?" fragt er sie neugierig.

Sie schüttelt den Kopf und zeigt ihm, was sie geschrieben hat und sendet es ab, sobald er es abgenickt hat.

„Wozu?" meint sie dabei und tippt eine nächste Kurznachricht als Rundmail an ihre restlichen Freunde - darunter auch die Turtles. „Das Turtlecom kann das auch alles. Und es gibt weniger Spam. Ich bin privat sowieso lieber offline. Ich hab sogar noch einen Videorekorder."

„Wie oldschool."

„Ja, aber nur, weil meine Lieblingsfilme noch nicht digitalisiert sind."

„Krang hat eine riesige Videothek. Wird dir bestimmt gefallen."

„Solange er nicht nur seine üblichen Seifenopern und Schmonzetten im Programm hat...", gibt sie zu bedenken, während sie ihm das Turtlecom zurück reicht, denn für diese Nachrichten darf er gerne selbst den Senden-Knopf drücken - sie will ja, dass er ihr vertraut.

Er sagt nichts und starrt nur stirnrunzelnd sehr lange auf die wenigen Wörter auf dem kleinen Display.

„Da steckt kein versteckter Code hinter", verspricht sie ihm schmunzelnd. „Das ist meine übliche SMS, wenn ich spontan wegfahre. Das kannst du gerne im Speicher überprüfen."

Er wirft ihr zwar noch einen zweifelnden Blick zu, verzichtet letztendlich aber auf eine Überprüfung und schickt den Text so ab. Dieser Vertrauensbeweis lässt ihr Herz wieder kurz hüpfen, und als er ihr dann tatsächlich das Turtlecom zurückgibt, kann sie sich nur gerade so ein breites Grinsen verkneifen. Doch sie zeigt Würde und steckt es nur mit einem ernsten Nicken in ihre Handtasche zurück. Das wird er nicht bereuen, niemals!

Währenddessen spürt sie seinen ernsten, nachdenklichen Blick auf sich ruhen und versucht, nicht rot zu werden und am Ende doch nicht allzu verlegen zurück zu lächeln. Dieser Blick lässt ihr Herz wieder höher schlagen. Dieser Mann ist so süß! Wenn er doch nur vergessen könnte, daß ihre Freunde seine Erzfeinde sind. Wenn er sich doch nur für sie als April und nicht als Reporterin oder bequeme Geisel interessieren würde!

Und dann erlebt sie eine Überraschung.

„Wenn du nicht auf Schnulzen stehst, welche Filme magst du denn dann?"

„Ich? Oh, Splatterfilme. Die mit besonders viel Blut. Und je absurder die Story, desto besser." Die Begeisterung darüber, dass er wirklich interessiert scheint, bringt sie zum Plappern. „Ich bin nicht blutrünstig oder so, aber ich hab in meinem Beruf so oft mit schrecklichen Nachrichten zu tun", und es ist gar nicht mal so lange her, da durfte sie exklusiv über solche schockierenden Katastrophen berichten, „da kann ich das im Film nicht auch noch ertragen. Eben weil diese Splatterfilme so unrealistisch sind, kann ich mich gut dabei entspannen. Ich weiß...", sie schenkt ihm ein verzagtes Lächeln, „... das klingt irgendwie total irre..."

„Nee, gar nicht", unterbricht er sie und plötzlich hält er wieder ihre Hand und drückt sie aufmunternd. „Ich sehe mir auch gern Splatterfilme an. Wir haben gerade die Saw-Reihe reinbekommen. Beeps und Rock liegen mir schon seit Wochen mit einer Horrorfilm-Nacht in den Ohren..."

Er lässt den Satz bedeutungsvoll ausklingen und sie kann gar nicht anders, als ihn anzustrahlen.

„Ich glaube, es wird mir gefallen, deine Geisel zu sein."

Er lacht auf, doch es wird schnell ein Husten daraus. Zum Glück hat er noch ihre Wasserflasche und sie noch zwei Hustenbonbons.

„Oje", meint sie nur halb im Scherz, als er wieder einigermaßen problemlos durchatmen kann, „wenn das so weitergeht, werde ich dich noch pflegen müssen."

Noch während sie das sagt, wird ihr klar, dass sie gar nichts dagegen einzuwenden hätte.

Er blinzelt sie im ersten Moment verdutzt an und winkt dann verlegen ab.

„So gerne ich dich in einer knappen Schwesterntracht sehen würde - das ist nicht nötig. Das bisschen Husten ist nicht der Rede wert."

Sie ist anderer Meinung, spart sich das Kommentar aber. Stattdessen fällt es ihr mal wieder schwer, nicht dümmlich zu lächeln. Das hier geht über ihre üblichen Neckereien hinaus. Wenn sie sich nicht sehr irrt, flirten sie hier. Und das nicht zu knapp. Vielleicht liegt es daran, dass er kränkelt. Jedenfalls hat sie ihn noch nie so umgänglich erlebt und der Teufel mag sie holen, wenn sie diese kostbaren Momente durch irgendwelche unbedachten Kommentare zerstört. Also lächelt sie nur und reicht ihm ihren letzten Bonbon.

 

 

Er kann es nicht fassen. Passiert das gerade wirklich? Sie flirten miteinander - und dann auch noch so zwanglos als wären sie schon längst ein Paar. Es fühlt sich gut an. Und ihre warme, zarte Hand in seiner fühlt sich erst recht gut an. Er hat bestimmt Fieber, er muss Fieber haben, denn normalerweise ist er doch ein eher zurückhaltender Charakter. Aber bei ihr hat er schon immer mehr von sich preisgegeben, als ihm lieb ist. Das ist dumm, denn sie ist Reporterin und hat ein Näschen für gute Stories, aber sie hat auch etwas Vertrauenseinflößendes an sich. Und in all den Jahren hat sie ihn in einer Hinsicht noch nie enttäuscht: wann auch immer ihm mal ihr gegenüber etwas Persönliches herausgerutscht ist - sie hat es nie ausgeschlachtet. Weder für eine Story noch um ihm damit in irgend einer sonstigen Art und Weise zu schaden. Entweder ist sie wirklich sehr nobel oder - sie hat doch etwas für ihn übrig.

 

 

9. Kapitel

 

Die Zeit vergeht wie im Fluge, wenn man sich gut unterhält. Nahezu anderthalb Stunden führen sie ein Gespräch, das sich nicht nur durch seine Kurzweil, sondern auch durch viele, freundliche Neckereien auszeichnet. Es ist fast wie immer, wenn April Shredders Geisel ist und sie Zeit haben, etwas anderes zu sein als Kidnapper und Gefangene. Diesmal lässt es sich nicht mehr leugnen: sie liegen auf einer Wellenlänge.

Dann passiert es.

Es beginnt ganz plötzlich. Eben schnurrte die Maschine noch wie ein Kätzchen und im nächsten Moment stottert und spuckt sie, als hätte sie sich an irgend etwas verschluckt. Ein Ruckeln geht durch das Transportmodul und im selben Moment blinken ein halbes Dutzend Warnleuchten auf dem Armaturenbrett auf, begleitet von einem durchdringenden Signalton. Shredder reagiert mit einer verblüffenden Geschwindigkeit. Innerhalb einer Sekunde ist er über die Lehne nach vorne geklettert und beginnt hastig, verschiedene Knöpfe und Schalter zu betätigen.

„Was ist denn -" beginnt April, während sie neben ihn klettert, doch in dem Moment steigt das Modul plötzlich in einem steilen Winkel nach oben. April verliert das Gleichgewicht und landet in Shredders Schoß. Sie wird hochrot im Gesicht und entschuldigt sich sofort, kann aber nichts dagegen ändern, eher im Gegenteil wird sie kurzfristig noch enger an ihn gepresst, weil das Modul schon beinahe senkrecht steht. Das ganze dauert nur wenige Sekunden, aber Himmel, er riecht so gut und seine Arme sind so stark! Viel Zeit das zu genießen, hat sie leider nicht. Durch das Modul geht ein starker Ruck, es fühlt sich an, als hätte es irgend etwas durchstoßen, dann fällt es urplötzlich wieder in die Waagerechte zurück und der Motor erstirbt mit einem gequälten Röcheln. Und mit ihm auch der lästige Signalton.

„Alles in Ordnung, April?"

„Ja. Was war das?" Noch während sie das fragt, beginnt das Licht zu flackern und als es sich wieder beruhigt hat, ist es nicht mehr als ein träges Glimmen.

„Produkt einer Mistkarre!" fluchend schlägt Shredder mit der Faust auf das Armaturenbrett, doch dann erinnert er sich wieder an sie und entschuldigt sich zerknirscht.

„Schon gut", beruhigt sie ihn, schließlich kennt sie sein aufbrausendes Temperament. Nur widerwillig rutscht sie von seinem Schoß. Es gibt hier vorne keinen zweiten Sitz, also bleibt sie erst einmal stehen. Fast ohne es selbst zu bemerken, legt sie ihm dabei eine Hand auf die Schulter, während sie gleichzeitig versucht, die verwirrenden Anzeigen zu deuten.

„Diese blöden Module", ächzend lehnt er sich zurück und wirft einen gequälten Blick nach oben. Dann schenkt er April ein schiefes Lächeln. „Keines davon läuft wirklich rund. Ich dachte, wir hätten den Fehler an dem hier gefunden, aber das war wohl ein Irrtum. Tut mir leid."

„Hey", tröstend tätschelt sie seine Schulter. „Du bist Ninja und kein Mechatroniker."

Das bringt ihn zum Lachen - und wieder zum Husten. Behutsam reibt sie ihm in kreisförmigen Bewegungen über den Rücken, auch wenn sie nicht weiß, wieviel er durch seinen dicken Parka davon spürt.

„Oh Mann, das klingt wirklich nicht gut."

Er aber winkt ab und beugt sich geschäftig über die stehengebliebenen Anzeigen.

„Wie es aussieht, ist uns das Ding achthundert Meter vorm Ziel verreckt", stellt er dann grimmig fest.

„Gut, das schaffen wir." April ist zuversichtlich. Sie sind immerhin an der Oberfläche, oder? Es hat sich jedenfalls so angefühlt. Und was sind schon achthundert Meter? Das wird ein netter Spaziergang.

Leider stellt sich das schnell als schwieriger heraus als angenommen, wie sie nach einem Blick nach draußen feststellen.

Es schneit heftig und der Wind ist so stark, dass er die Schneeflocken waagerecht vor sich hertreibt. Außerdem herrschen gefühlt mindestens fünfzig Grad Minus.

Schaudernd ziehen sie die Luke wieder zu.

Dafür sind sie beide nicht warm genug gekleidet.

 

 

 

„Nein." Entschlossen wendet sie sich ihm zu und zupft am hochgestellten Kragen seines Parkas herum. Es ist alles in Ordnung damit, aber sie braucht das Gefühl, etwas zu tun. Sie haben das lange und ausführlich diskutiert und inzwischen wurde es im Transportmodul immer kälter.

„Es sind nur achthundert Meter. Wir werden schon nicht erfrieren." Er öffnet schon den Mund, um zu protestieren, doch sie redet schnell weiter. „Ich weiß, dass ich nicht das passende Schuhwerk dazu anhabe.“ Das hat er schließlich mehr als einmal betont, genau wie das, was sie jetzt sagt: „Und mein Mantel ist nicht dick genug. Handschuhe, Schal und Mütze habe ich auch nicht. Ich weiß. Du bist auch nicht für das Wetter da draußen optimal gekleidet. Aber es sind nur achthundert Meter! Und es schneit schon weniger stark. Wir werden vielleicht etwas durchgefroren sein, aber wir schaffen das.“

„Wir können doch nochmal versuchen, übers Turtlecom mit dem Technodrome Kontakt herzustellen...“ beginnt er, doch sie schneidet ihm mit einer ungeduldigen Geste das Wort ab.

„Das wird auch beim fünften Mal nicht funktionieren.“ Es reicht ihr wirklich. Sie mag es nicht, wenn jemand außer Donatello im Innenleben ihres Turtlecoms herumschraubt. Schon jetzt befürchtet sie, dass das arme Ding nur noch Schrottwert hat. Das alles ist eben einfach Pech – vor allem, dass mit dem Motor auch das Funkgerät ausgefallen ist und Shredder seinen eigenen Kommunikator Zuhause vergessen hat. Sonst ist er nicht so verschusselt, aber sie schiebt es mal auf seinen derzeitigen miesen Gesundheitszustand.

„Wir können nicht warten, bis irgend jemand zu unserer Rettung erscheint“, betont sie nicht zum ersten Male. Sie ist eben eine Frau des Handelns. „Wir sollten uns selbst helfen, bevor es so kalt hier drinnen wird, dass wir uns gar nicht mehr bewegen wollen. Und dein Husten wird weder von dem einen noch von dem anderen besser. Aber wenn wir jetzt losgehen, bist du in maximal einer halben Stunde in der Krankenstation und kannst behandelt werden.“

„Es ist nur ein Husten, verdammt! Davon sterbe ich nicht. Aber dir könnten da draußen Finger und Zehen erfrieren.“

„Deshalb sollten wir losgehen, solange wir noch ausreichend Körperwärme und Energie besitzen“, kontert sie zurück und zieht sich vielsagend die Kapuze ihres Mantels über den Kopf. Sie ist startklar.

Er zögert immer noch, aber sie lässt ihm gar keine Wahl mehr. Entschlossen stößt sie die schwere Eingangsluke auf und klettert todesmutig hinaus.

11. Kapitel

 

Der erste Atemzug ist nicht halb so unangenehm wie erwartet. Die Luft ist klirrend kalt, aber wenigstens trocken. Irgendwann wird das die Auskühlung ihrer Körper beschleunigen, aber sie haben ja nicht vor, stundenlang hier draußen zu bleiben. Das Technodrome - April wagt einen Blick und schirmt ihre Augen mit der Hand vor dem Schneefall ab - ist nur 800 Meter entfernt.

Es wirkt sogar noch viel näher. Eine riesige Kugel, groß wie ein Hochhaus, beeindruckend, geradezu monströs ragt es vor ihnen auf. Ein schwarzer Schatten hinter einem Vorhang aus Schneeflocken. Es ist dunkel, dabei haben sie gerade mal drei Uhr nachmittags - Polarnacht, fällt ihr wieder ein. Die Jahreszeit, in der die Sonne hier nie aufgeht. Und trotzdem ist es nicht völlig dunkel. Es herrscht ein leicht violettes Zwielicht, wie es April noch nie erlebt hat. Es ist fremdartig und faszinierend zugleich.

Der Wind hat etwas nachgelassen, nun peitschen die Schneeflocken nur noch im fünfundvierzig Grad Winkel vom Himmel. Es fühlt sich an wie kleine Eissplitter auf ihrer Haut. Sehr unangenehm. Aber April, deren extremste Erfahrungen mit Kälte und Schnee auf den einen und anderen Skiurlaub in den Rocky Mountains beruhen, verfällt deswegen jetzt nicht in Panik und senkt stattdessen den Kopf nur noch tiefer und versucht, ihr Gesicht so gut es geht mit Kapuze und hochgeschlagenen Kragen zu schützen.

Genau wie Shredder neben ihr. Sein Parka ist dem Wetter hier etwas besser angepasst als ihr Wollmantel, aber der reicht ihr dafür bis über die Knie.

Sie ist froh, dass es heute so ein graues Schmuddelwetter in New York gab und sie sich daher für gefütterte Lederboots ohne Absätze, dafür aber mit Profilsohlen, entschieden hat, denn unter all dem Neuschnee knirscht hartes Eis.

Das zwingt sie dazu, langsam und vorsichtig zu gehen.

Sie bleiben dicht beisammen, schützen sich zumindest so teilweise gegenseitig vor Wind und Schnee. Und als April nach Shredders Hand greift, zögert er keinen Moment und nimmt sie sofort. Ihre Hände sind noch warm, und damit das so bleibt, zieht er ihre Hand mit seiner in seinen langen Jackenärmel. April hat das oft schon bei Vätern und Müttern bei ihren kleinen Kindern gesehen und sie glaubt sich zu erinnern, dass ihre Mom so etwas auch immer gemacht hat. Auf alle Fälle zwingt es sie, noch näher zu rücken.

Sie hat nichts dagegen. Und seine Finger sind schön warm.

Aber da sie sich jetzt wieder so nah sind, hört sie jetzt auch wieder, wie schwer sein Atem ist. Er gibt sich Mühe, aber er kann es nicht verbergen. Nicht vor ihr. Besorgt runzelt sie ihre Stirn und verlangsamt ihren Schritt ein wenig. So wird er gezwungen, auch etwas langsamer zu gehen.

„Alles okay?" will er sofort besorgt wissen.

Sie ist zu ehrlich, um ihn anzulügen.

„Mit mir schon. Aber du keuchst wie eine alte Dampflok. Wir sind nahe genug, wir müssen nicht rennen."

Das können sie sowieso nicht, aber er verbeißt sich jedes spöttische Kommentar - für sie nur ein weiterer Beweis, wie mies es ihm wirklich geht. Aber im Modul wäre es ihm auch nicht besser ergangen.

Shredder lässt sich nicht gerne als alte Dampflok bezeichnen, aber er begnügt sich damit, ihr einen finsteren Seitenblick zuzuwerfen, den sie nicht einmal bemerkt. Das ist vielleicht auch ganz gut so, denn ihm liegt nichts an einem Streit.

Ihre schmale, zarte Hand in seiner fühlt sich viel zu gut an und ist ein guter Preis für etwas verletzten Stolz.

In Gedanken wälzt er schon die Ausreden, mit denen er sie länger als nur ein paar Stunden im Technodrome festhalten kann. Ob sie sich überzeugen lässt, dass es Ewigkeiten dauert, die Transportmodule zu reparieren? Dass Krang nicht gewillt ist, kostbare Energie für ein Portal zu opfern, kann er ihr bestimmt verklickern - so lange Krang da mitspielt. Der wird sowieso im Achteck springen, wenn er mit April im Schlepptau da auftaucht. Aber er wird sich auch schnell wieder beruhigen, wenn er erst einmal die Vorteile einer so guten Geisel eingesehen hat. Nicht, dass Shredder wirklich vorhätte, sie wie eine Geisel zu behandeln...

Gott, was denkt er hier. Über sich selbst entgeistert, schüttelt er den Kopf. Aber das ist ein Fehler, wie ihm der plötzlich aufflammende Schmerz in seinen Schläfen verrät. Als im Anschluss daran auch noch dieses wattige Gefühl in seinem Kopf erwacht, hätte er beinahe laut aufgeseufzt. Verdammt. Hat er sich etwa doch wieder etwas eingefangen?

„Alles in Ordnung?" Sie ist stehengeblieben und mustert ihn prüfend.

Beschämt über seine eigene Schwäche, reißt er sich zusammen.

„Alles bestens." Entschlossen geht er weiter, schneller diesmal und sie passt sich seinem Tempo an. Schließlich halten sie sich immer noch an der Hand.

Plötzlich gerät sie ins Straucheln und klammert sich instinktiv an seinem Arm fest.

„Tut mir leid", entschuldigt sie sich sofort.

Er will sie gerade beruhigen und sich erkundigen, ob es ihr gut geht, da drückt ... nein, kuschelt sie sich fest an seine Seite. Der Blick, den sie ihm von unten her zuwirft, lässt ihm fast den Atem stocken. Schneeflocken liegen in ihrem Haar, den Augenbrauen und auf ihren dichten schwarzen Wimpern. Ihre graublauen Augen schimmern geheimnisvoll.

„Etwas weniger windig, mehr Bäume und das hier wäre ein richtiges Wintermärchen, nicht wahr?" Sie lächelt und kuschelt sich auch weiterhin so an ihn, als sie weitergehen. „Gibt's hier Polarlichter?" fragt sie unvermittelt und schielt kurz nach oben in den Himmel, den man vor lauter Schnee kaum sehen kann. „Natürlich nur, wenn's Wetter besser ist. Ich würde gern mal welche sehen. Hast du schon welche gesehen?"

Er hat tatsächlich schon Polarlichter gesehen und er erzählt ihr gerne davon. Es tut gut, sich mit ihr zu unterhalten. Es lenkt ab. Von der Kälte, vom Schnee, von der Dunkelheit. Und von den Schmerzen.

Ihre Nähe, das Gewicht ihrer einen Hand in seiner und ihrer anderen an seinem Arm - das fühlt sich gut und richtig an. Es schadet sicher nicht, das zu genießen, so lange es andauert.

Und zuerst geht auch alles gut. Sie frieren allmählich, aber das merken sie nicht wirklich, dafür unterhalten sie sich viel zu angeregt.

Es trennen sie nur noch hundert Meter vom Technodrome, ein Katzensprung, und sie freuen sich schon auf die Wärme, da endet Shredders nächster Atemzug in einem Hustenanfall, der gar nicht mehr aufhören will. Seine Knie geben unter ihm nach und er hört noch April entsetzt seinen Namen - seinen richtigen - rufen, aber er ist zu beschäftigt damit, sich die Lunge aus dem Hals zu husten, um sich darüber zu wundern. Und als der Anfall endlich vorbei ist, schmerzt seine Brust und es fühlt sich an, als würde er mit jedem Atemzug pures Eis einatmen. Es ist mühsam und kostet ihn jedes bißchen verbliebene Kraft. Aber dann spürt er es - Aprils warme Hände an seinen kalten Wangen und da ist ihr Gesicht keine zehn Zentimeter von seinem eigenen entfernt, er kann ihren warmen Atem auf seiner Haut fühlen. Sie mustert ihn aus großen, besorgten Augen. Das alles und ihre strenge Stimme ist sein Rettungsanker.

„Hey! Nicht schlappmachen! Wir haben es doch gleich geschafft! Reiß dich zusammen!"

So unbarmherzig und egoistisch ihre Worte auch sein mögen - sie sind genau der richtige Ansporn für ihn. Er gehorcht ihrem Befehlston sofort und quält sich mit ihrer tatkräftigen Unterstützung zurück auf die Füße.

 

10. Kapitel

 

Krang schäumt vor Wut.

„Ihr seid Idioten! Zum Glück funktioniert der Annäherungsalarm, so dass ich Rocksteady und Bebop zu euch schicken konnte! Was zum Teufel hat dich eigentlich geritten, heimlich nach New York zu fahren?“ fährt er Shredder an. Der sitzt blaß und schweratmend auf einem der vier Betten in der Krankenstation und sieht sehr unglücklich aus.

„Hatte ich dir nicht gesagt, du sollst meinen neuen Algorithmus überprüfen? Wer zum Teufel, glaubst du, dass du bist, dass du dich so einfach über meine Befehle hinwegsetzen kannst? Du inkompetenter, närrischer Querulant!“

Shredder greift nur unter seinen Parka, holt sein Diebesgut hervor und reicht es ihm mit einem leisen „Hier, bitte.“

Krang nimmt die Puzzle-Box entgegen, wirft aber nur einen kurzen Blick darauf. Während er sie sicher in einem Fach seines Roboterkörpers verstaut, um sie sich später in aller Ruhe anzusehen, drückt er Shredder mit einem anderen Tentakel auf das Bett und schaltet dann den Scanner darüber ein.

Und während das Gerät also Shredders Körper durchleuchtet, erscheinen die Messergebnisse auf einem Bildschirm an der Wand und werden von Krang mit gerunzelter Stirn analysiert.

„Du bist unmöglich“, zetert er weiter. „Ich habe dir verboten, raus zu gehen! Glaubst du, das war ein Scherz? Jetzt hast du eine schwere Bronchitis. Du kannst froh sein, wenn es nicht zur Lungenentzündung kommt. Und das alles nur weil du dieses Pressehuhn wiedersehen wolltest?“

Bei dieser Bemerkung horcht April, die sich bisher höflich im Hintergrund gehalten hat, überrascht auf. Sie fühlt sich fehl am Platze, wie sie hier so an der Wand steht, drei Meter von Shredder und Krang entfernt, während der Schnee auf ihrer Kleidung schmilzt und sich um ihre Boots herum schon eine kleine Pfütze bildet.

Neben ihr stehen Rocksteady und Bebop, und obwohl sie nicht halb so lange da draußen waren wie sie und Shredder, tropfen sie mindestens genauso sehr. Im Gegensatz zu ihrem Chefchen, scheint Krangs letzte Bemerkung sie aber sehr zu amüsieren.

„Ist doch gar nicht-“ beginnt Shredder mit einem hastigen Blick in ihre Richtung, doch Krang schneidet ihm mit einer ungeduldigen Tentakelgeste das Wort ab.

„Widersprich mir nicht immer! Du bist unmöglich! Ich sollte dich den Eisbären zum Fraß vorwerfen!“ Alles andere als sanft, zerrt er Shredder aus seinem Parka und wirft das nasse Kleidungsstück einfach hinter sich. Rocksteady fängt es wortlos auf.

Als nächstes sind Shredders Schuhe dran. Doch diesmal dreht sich Krang zu ihnen um, bevor er sie ihnen zuwirft.

„Und ihr verschwindet! Seid ihr zu blöd, um das Einfachste zu kapieren? Ihr tropft! Tut was dagegen! Und dann bringst du, Rocksteady, deinem vollidiotischen Chefchen was Warmes zum Anziehen und du, Bebop, machst heiße Schokolade! April! Wie lange willst du noch in deinem Mantel hier rumstehen? So kalt ist es hier nun auch wieder nicht, unsere Heizung funktioniert bestens! Und zieh dir verdammt nochmal endlich diese dreckigen Schuhe aus! Ich putz die Sauerei nicht weg, ist das klar?“

Während die beiden Mutanten schon eilig davonrennen, um seinen Anweisungen zu folgen, gibt Shredder Krangs Roboterkörper einen eher symbolischen als wirkungsvollen Tritt.

„Schrei sie nicht an, Krang.“

„Ich schreie so viel ich will!“ bellt Krang in einer für seine Größe beeindruckenden Lautstärke. „Das hier ist mein Technodrome! Du bist mein Untergebener! Also benimm dich auch endlich mal dementsprechend!“

April indessen ist schon wortlos aus Mantel und Schuhen geschlüpft, zögert einen Moment und legt dann beides neben sich auf den Boden und dann ihre Handtasche noch dazu. Sie fühlt sich etwas nackt, als sie nur auf Socken und in ihrer Tunika und Blue Jeans vor ihnen steht, schließlich kennen die beiden sie wirklich nur in ihrem gelben Jumpsuit, aber das Gefühl vergeht rasch, als sie Shredder wieder husten hört.

Ohne dass sie diesen Befehl ihrem Körper bewusst gegeben hätte, steht sie plötzlich neben seinem Bett und nimmt seine Hand.

„Krang, kannst du ihm nicht irgend etwas geben?“

Das Gehirn aus der DimensionX starrt sie für einen Moment einfach nur völlig perplex an. Diese bestickte Tunika mag schlicht sein, aber sie betont ihre Figur und Krang ertappt sich dabei, wie er - höchst untypisch für ihn - auf ihre Brüste starrt.

Er gibt sich eine mentale Ohrfeige und wendet sich grummelnd ab.

„Ich hol mal was.“

Und während er zum Medizinschrank hinübergeht, regt er sich auch allmählich wieder etwas ab. Das war aber auch ein Schock, als die Kameras ihnen Shredder und April draußen im Schneetreiben zeigten und für ihn selbst noch ein viel größerer, als Rocksteady mit Shredder und Bebop mit April auf den Armen zurückkamen. Während April zwar durchgefroren, aber munter war, sah Shredder wieder so elend aus wie letzte Woche.

„Ich hab keine Lust, deine Krankenschwester zu spielen“, erklärt Krang, während er das richtige Medikament heraussucht und eine Spritze aufzieht. „Wenn du schon meintest, die reizende Miss O'Neill hier anschleppen zu müssen, kann sie dich doch pflegen.“

„Komm gar nicht-“ muckt Shredder hinter ihm wie erwartet auf, doch Aprils muntere Stimme übertönt ihn mühelos:

„Einverstanden!“

 

 

Shredder schweigt verwirrt. Einverstanden? Was soll das heißen? Er würde nie ernsthaft von ihr verlangen, dass sie ihm die Kissen aufschüttelt oder Hühnersuppe ans Bett bringt. Wenn Bebop, Rocksteady und Krang das machen, ist es ihm schon unangenehm genug.

Er wirft ihr einen vorsichtigen Blick zu. Wie sie da sitzt, auf dem Rand der Matratze, ihm so nahe und dabei hält sie immer noch seine Hand und lächelt ihn aufmunternd an... sie ist nicht mehr geschminkt, fällt ihm auf. Der Schnee muss alles abgewaschen haben. Sie ist hübsch – das hat er ihr nie gesagt, oder? Sie braucht das ganze Zeug gar nicht, aber wenn sie vor der Kamera steht, ist es wohl notwendig.

Auch er kann nicht umhin, zu bemerken, wie vorteilhaft diese Tunika ihren Oberkörper umschmeichelt. Für einen kurzen Moment bleibt sein Blick auf ihrem Dekolletee hängen – er kann die Ansätze ihrer Brüste sehen. Ihre Haut ist hell und schimmert seidig und sie riecht nach Orchideen... verschämt wendet er den Blick beiseite, doch das war ein Fehler, denn jetzt sieht er ihre Hand, wie sie seine hält und wird sich dieses Gefühls mit aller Macht bewußt. Sie ist so warm und der Druck ihrer Finger ist so stark, so selbstbewusst, dass er unwillkürlich darüber fantasiert, wie es sich wohl anfühlen mag, wenn diese schlanken Finger sich an einem ganz anderen Körperteil von ihm zu schaffen machen... wenn sie dort zupacken und sie mit ihrem Daumen so darüber streichelt wie jetzt über seinen Handrücken...

Oh Gott... entsetzt über sich selbst holt er einmal tief Luft, und das endet wieder in einem Hustenanfall, aber wenigstens verschwindet dadurch seine beginnende Erregung.

Krampfhaft um Distanz bemüht, zieht er seine Hand aus ihrem Griff und lehnt sich nach hinten in die Kissen. Aber sie scheint ihn nicht entkommen lassen zu wollen, denn sie beugt sich mit besorgter Miene über ihn und dann … plötzlich, spürt er ihre Hand auf seiner Stirn.

„Du bist wirklich etwas warm“, murmelt sie, während ihm der Atem stockt.

Ihm ist wirklich warm! Da, wo ihre Hand ihn berührt, scheint ein kleines Feuer auszubrechen. Und als ihre Hand hinunter zu seiner Wange wandert, zieht sie eine wahre Flammenspur auf seiner Haut hinter sich her. Das Gefühl dringt ihm durch Mark und Bein.

Als sie ihre Hand wieder fortnimmt, hätte er beinahe wehmütig aufgeseufzt.

Ihre Blicke begegnen sich und schon bald glaubt er in diesem schönen Graublau zu ertrinken, und kurz bevor er die Hand heben kann, um sie in diesen hübschen rotbraunen Locken zu verkrallen, um sie dann zu einem Kuss zu sich herunter zu ziehen, kommt Krang mit einer Spritze zurück.

Shredder war noch nie so erleichtert, ihn zu sehen.

 

 

12. Kapitel

 

Bebop und Rocksteady sind wirklich manchmal sehr nützlich, befindet Krang. Nicht nur, dass sie schnell mit je einem warmen Hoodie für Shredder und April herbeieilen, nein, sie wischen auch noch den getauten Schnee fort und entfernen sich auf einen ungeduldigen Wink von Krang sofort wieder – aber nicht, ohne zu verkünden, dass in der Küche heißer Kakao auf ihr „Chefchen“ und die „liebe April“ wartet.

„Würdest du bitte auf dem Bett neben Shredders Platz nehmen?“ fordert Krang ihre freiwillige „Geisel“ auf, nachdem die beiden wieder fort sind und er Shredder seine Medikamente gespritzt hat.

Bebop ist so empfindlich – er verträgt es nicht, zuzusehen, wie jemand eine Spritze bekommt, auch, wenn es wie hier nur eine Druckluftspritze ist, also hat Krang noch etwas mit der Behandlung gewartet.

Er ist ja nicht so.

„Aber ich bin nicht krank, Krang“, protestiert April, leistet seiner Aufforderung, sich hinzulegen, aber schon artig Folge.

Das Alien wirft ihr aus dem Bauchraum seines Roboterkörpers einen strengen Blick zu.

„Würdest du das bitte meinen Computer entscheiden lassen? Das letzte, was ich gebrauchen kann, ist, wenn jemand hier ungebeten Viren und Bakterien miteinschleppt. Darauf steh ich gar nicht.“

Den vielsagenden Blick zu Shredder hinüber hätte er sich sparen können, wenn er ihr schnelles Kopfnicken betrachtet. Froh, dass sie in dieser Ansicht konform gehen, bittet er sie, sich endlich bitte hinzulegen und aktiviert dann den Scanner über ihrem Bett.

„Du bist penetrant, Krang“, hört er Shredder hinter sich leise maulen und grinst nur. Die beiden ahnen es noch nicht, aber Krang beabsichtigt, April möglichst lange hier festzuhalten – und dazu muß er, den vertrackten Umständen sei Dank, nicht einmal lügen.

Und natürlich will er nicht, dass sich hier noch irgend jemand bei irgend wem etwas einfängt. So etwas mag er generell nicht. Wenn es ginge, würde er sein gesamtes Technodrome absolut keimfrei halten. Aber das wäre ja auch wieder ungesund.

Auf jeden Fall ist Krang nicht blind und auch nicht taub – und er besitzt genug Seifenopernerfahrung, um die Anzeichen zu erkennen. Dieses Pressehuhn mag lästig sein, so oft, wie sie ihnen bei seinen Plänen schon in die Quere gekommen ist, und die Tatsache, dass die blöden Panzerrücken ihre Freunde sind, macht die Sache nicht besser, aber … Aber: sie hat eindeutig ein romantisches Interesse an Shredder. Die Art, wie sie ihn ansieht, wie besorgt sie um ihn ist und die Zärtlichkeit, mit der sie ihn berührt …

Es ist doch immer wieder erstaunlich, was sich da so hinter seinem Rücken alles abspielt, wenn die anderen denken, er sähe sie nicht. Ja, diese versteckte Kamera in seinem Nacken, die er schon vor Jahren heimlich in seinen Roboterkörper einbaute, rentiert sich immer wieder aufs Neue.

Schade, dass er ihnen nicht sagen kann, welch ein schönes Paar sie abgeben.

Noch nicht.

Irgendwann wird er es ihnen aufs Butterbrot schmieren, und dann wird er sich an ihrer Verlegenheit weiden.

Krang mag ein gnadenloser Warlord sein, aber wenn es um seine Freunde, um seine Familie geht, besitzt er ein butterweiches Herz – trotz derzeit fehlenden Körpers aus Fleisch und Blut. Da unterscheidet er sich in Nichts von seinen anderen Ichs aus den Parallelwelten – und das erleichtert ihn ungemein. Wenn dies ein solch allumfassender Charakterzug seiner Existenz ist, sieht er auch keinen Grund mehr, sich deswegen zu schämen oder es gar zu unterdrücken. Er sieht es nicht mehr als Schwäche an. Wie ihm der Krang, der jetzt in einem Körper aus Fleisch und Blut, Reißzähnen und Klauen herumläuft, vor ein paar Stunden schrieb: „Die wahre Kraft unserer Spezies liegt in dem Instinkt, die zu beschützen, die wir lieben. Erst, seit ich diesen Instinkt in mir erweckt habe, gelingt es uns, unsere Feinde immer häufiger zu schlagen.

Krang will zwar nicht so enden wie er – diese Form erscheint ihm als viel zu monströs, da bekommt selbst er Alpträume – aber diese Ansicht klingt mehr als einleuchtend. Haben nicht diese schwachen Menschen eine ähnliche Weisheit, die sie „Macht der Liebe nennen?

Krang ist jedenfalls bereit, einen Versuch zu wagen. Denn wenn ihm diese Parallelwelten etwas zeigen, dann, dass Shredder in jeder Lebenslage loyal zu ihm stehen wird. Er wird ihn nicht verlieren, nicht als Mitstreiter und vor allem nicht als Freund. Also kann er sich auch mal von seiner großmütigen Seite zeigen und diese kleine Romanze hier unterstützen.

„Nun, Krang, bin ich gesund?“ reißt ihn Aprils amüsierte Stimme aus den Gedanken. Oder doch zumindest den größten Teil seines Selbst, denn ein kleiner war damit beschäftigt, die Ergebnisse ihres Scans zu analysieren.

„Bis auf einen beginnenden Vitamin D-Mangel, der wohl der Jahreszeit in New York geschuldet ist, sehe ich nichts, was behandlungsbedürftig wäre, Miss O'Neil.“

Er lenkt seinen Roboterkörper zurück zu seinem Medikamentenschrank, um ein Präparat zu holen und sieht dabei über seine versteckte Kamera, wie April das Bett verlässt und sich wieder zu Shredder setzt – neben ihn, weil dieser Idiot auch schon wieder sprungbereit auf der Bettkante hockt.

Krang gibt ein leises „ts“ von sich. Das hier ist eine schöne Krankenstation, mit sehr bequemen Betten, in denen man sich wirklich ausruhen und gut schlafen kann. Warum nur haben es alle so eilig, trotz aller dieser Annehmlichkeiten so schnell wie möglich von hier zu verschwinden?

Aber gut, in diesem Falle ist das vielleicht auch ganz gut so.

Seine Kamera meldet ihm nämlich wieder schmachtende Blicke und Händchenhalten, auch wenn Shredder da etwas unsicher wirkt. Fast wie ein verliebter Pennäler bei seiner ersten großen Liebe.

Niedlich.

Während Krang wieder zu ihnen hinüberstapft, denkt er darüber nach, was ihm der Computer noch über Miss Aprils Körper gemeldet hat. Er will nichts überstürzen, aber er sieht mehr Vorteile darin, wenn etwas geschähe, was die beiden schnell und längerfristig aneinander binden würde. Menschen sind ja manchmal so wankelmütig, so eine kleine zusätzliche Motivation kann da nicht schaden. Einen Versuch ist es jedenfalls wert.

„Hier, bitte", mit diesen Worten und ohne jegliche Gewissensbisse reicht er der Frau ein Glas Wasser, in dem er mehr als eine Tablette mit Vitamin D aufgelöst hat. Etwas Folsäure und Mönchspfeffer kann nämlich bestimmt auch nicht schaden. Zum Glück malträtiert diese Frau ihren Körper nicht mit zusätzlichen Hormonen, wahrscheinlich bräuchte sie diese Unterstützung gar nicht. Und das andere... Es wäre doch gelacht, wenn die beiden sich nicht bald von ganz allein körperlich nahe kommen. Es hält sie ja nichts und niemand davon ab.

Nun, er jedenfalls ganz bestimmt nicht.

Vielleicht sollte er ihnen trotzdem etwas auf die Sprünge helfen, für romantische Stimmung sorgen und so. Ein Abendessen mit Kerzenschein vielleicht? Hm... ja, das klingt doch gut. In Gedanken reibt er sich schon alle vier Tentakel.

Nach außen hin zeigt er jedoch eine sehr grimmige Miene, als er sie zur Tür hinausscheucht, lässt April nicht einmal die Zeit, nach ihrem Mantel, geschweige denn ihrer Handtasche zu greifen. Sogar ihre Schuhe müssen sie stehen lassen, eilen nur in den fellgefütterten Hüttenschuhen davon, die ihnen die Mutanten zusammen mit den Pullovern mitgebracht haben.

Krang wartet, bis ihm die internen Sensoren melden, dass die beiden schon fast in der Küche sind, dann geht er zu April O'Neils großer Handtasche hinüber, hebt sie auf und beginnt, darin ohne Scheu herumzukramen.

Er findet nicht, was er sucht und kann sich ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen.

„Wahrlich April“, murmelt er voll des Lobes, „du bist eine sehr anständige Frau.“

Es ist nicht so, dass er Skrupel gehabt hätte, eine Packung Kondome verschwinden zu lassen, aber er erspart sich eben gerne den Ärger, den das mit sich gebracht hätte.

 

 

13. Kapitel

 

Sie sitzen in der Küche und lassen sich von Rocksteady und Bebop schon die zweite Kanne Kakao aufbrühen. Die beiden sind so rührend besorgt, dass April ihnen fast über den Kopf getätschelt hätte.

Sie fühlt sich einfach wohl hier.

Die Küche ist riesig und gehört eigentlich eher in ein Restaurant oder eine Kantine - was eigentlich einleuchtend ist, denn dies hier ist eine rollende Kampffestung, die bestimmt auf eine Mannschaftsstärke von bis zu 300 Soldaten ausgelegt ist. Natürlich ist die Küche da riesig, groß genug, dass sie alle hier an einem langen Tisch sitzen können. Der angrenzende, noch viel größere Speisesaal wird als Lagerraum genutzt.

Aber trotz der einschüchternden Größe, fühlt sie sich hier gleich wie Zuhause.

Vielleicht liegt das aber auch nur an der Gesellschaft.

April schenkt Rocksteady ein dankbares Lächeln, als er ihr höflich ihren großen Pott zum dritten Mal mit heißem Kakao füllt, und während sie einen vorsichtigen Schluck nimmt, verkriecht sie sich behaglich tiefer in den weißen Fleecehoodie, den sie jetzt über ihrer Tunika trägt. Er gehört Shredder, trägt das Logo des Footclans, ist unglaublich weich und duftet angenehm nach Vanille.

Sie wirft einen heimlichen Blick auf den Mann neben sich. Shredder trägt jetzt auch einen Hoodie, schwarz, mit einem wahnsinnig tollen Drachenmotiv. Es ist das allererste Mal, dass sie ihn in normaler Alltagskleidung sieht und sein Anblick verschlägt ihr fast den Atem.

Trotz seiner Blässe erscheint er ihr immer noch so unglaublich perfekt. Da stimmt einfach alles. Sein Gesicht hat genau das richtige Verhältnis zwischen aristokratisch hohen Wangenknochen, gerader Nase und vollen Lippen ohne dabei feminin zu wirken. Anbetungswürdig. Und diese ausdrucksstarken Mandelaugen erst! Und was ist das mit seinen Haaren – sind diese leichten, dunkelbraunen Wellen echt? Das ist doch nicht hundertprozentig japanisch. Sind in seiner Ahnenreihe vielleicht Europäer zu finden?

Er bemerkt ihren Blick und schenkt ihr über seinen Tassenrand hinweg ein zaghaftes Lächeln.

Plötzlich nähern sich ihnen schwere Schritte und Krang kommt herein marschiert. Bebop und Rocksteady ahnen was folgt und nutzen die Gelegenheit, sich zu verdünnisieren.

In einer seiner Hände hält Krangs Roboterkörper Aprils Handtasche, in der er nun vielsagend herumkramt. Was haben nur heute alle immer mit ihrer Handtasche? Aber dann zieht er triumphierend ihr Turtlecom heraus und ähnelt dabei so sehr Shredder vor einigen Stunden, dass sie sich nur mit Mühe ein Grinsen verbeißen kann.

„Das behalte ich. Wir wollen doch nicht, dass du die Turtles rufst."

Aber April winkt nur ab und meint gelassen: „Okay."

„Und es gibt hier Regeln, an die du dich halten wirst, sonst landest du doch noch gefesselt in einer dunklen Zelle."

„Du meinst die Abstellkammer?" wirft Shredder amüsiert ein.

Ein missbilligender Blick aus violetten Augen trifft ihn.

„Unterbrich mich nicht. Und überhaupt“, anklagend deutet Krang mit einem Tentakel auf ihn, „du hast sie hier angeschleppt, also trägst du für alles, was sie tut, die Verantwortung. Hörst du, Lady?“ wendet er sich im selben Atemzug an April. „Das ist die wichtigste Regel: für jeden Fehler deinerseits, wird er bestraft."

Oh, das ist so fies. Aber da sie ja nicht vorhat, gegen irgend welche Regeln zu verstoßen, nickt sie nur brav, was Krang ein zufriedenes Grummeln entlockt.

„Du darfst dich innerhalb des Quartierbereichs frei bewegen, aber außerhalb, und das schließt vor allem die Kommandozentrale mit ein, muss dich immer einer begleiten. Soweit alles klar?"

„Ja, kein Problem."

„Und bilde dir nicht ein, dass wir ein extra Quartier für dich freiräumen. Du wirst bei Shredder wohnen und dafür sorgen, dass er seinen Hausarrest einhält."

Um ihre Mundwinkel zuckt es verräterisch, doch es gelingt ihr schnell, wieder eine neutrale Miene zu ziehen.

„Auch das ist für mich kein Problem."

Nun mustert Krang sie schon etwas durchdringender.

„Ich weiß nicht, ob dir das bewusst ist, aber du wirst hier nicht nur für ein paar Stunden bleiben. Es wird schon ein paar Tage dauern, bis wir dich wieder zurück bringen können. Das einzige Transportmodul, das halbwegs funktionierte, liegt jetzt da draußen mit einem Motorschaden im Schnee. Und der nächste Flughafen ist noch weiter entfernt als das nächste Dorf. Du sitzt hier mit uns fest. Wofür“, fügt er bitter hinzu, „du dich übrigens bei deinen Schildkrötenfreunden bedanken kannst."

Da er ihr da nichts Neues erzählt und hauptsächlich genau das, was sie insgeheim erhofft hat, lässt sie diese Drohung – so es denn eine sein sollte – absolut kalt. Sie denkt schon einen Schritt weiter.

„Sollte ich noch eine SMS absetzen und meinen Urlaub verlängern?“ überlegt sie laut und fügt dann mit einem erleichterten Seufzer hinzu: „Zum Glück habe ich keine Pflanzen oder Haustiere in meinem Apartment, um die man sich kümmern muss."

Hat sie die Wäsche von der Wäscheleine geholt? Sie lässt ungern ihre Unterwäsche außerhalb ihrer Schrankschubladen herumliegen.

Krang starrt sie einen Moment einfach nur aus großen Augen an.

„Du... Dir macht es wirklich nichts aus, uns Gesellschaft zu leisten?"

April lächelt nur und meint, mit einem Kopfnicken und einem Seitenblick zu Shredder hinüber:„Yoroshiku onegaishimasu."

Dessen Augen weiten sich und er lässt verdutzt seine Tasse sinken.

„Wo hast du das denn gelernt?"

„Ich will irgend wann mal in Japan Urlaub machen, verreise aber nicht gerne in Länder ohne mich wenigstens rudimentär in der Landessprache verständigen zu können", gibt sie nicht ohne einen gewissen Stolz zurück. Sie will ihm nicht erklären, dass ihr Sensei Splinter einiges beigebracht hat, das kann er sich wahrscheinlich sowieso denken. Aber dass sie ihn mit dieser kleinen, höflich-formellen Redewendung beeindruckt hat, lässt ihr das Herz vor Freude in der Brust springen.

Tatsächlich zuckt um seine Lippen ein anerkennendes Lächeln.

„Und da sagt man immer, Amerikaner sind zu arrogant, um Fremdsprachen zu lernen."

„Ja“, kontert sie zurück, „und von Japanern sagt man, dass sie das r nicht aussprechen können."

„Und Amerikaner sind Nieten in Geographie."

„Japaner vertragen keine Milch."

„Ich seh schon“, mischt sich Krang frohgemut ein. Er hat diesen kleinen Schlagabtausch mit zunehmender Belustigung verfolgt und hält es für der Sache dienlicher, wenn er sich jetzt zurückzieht und sie ganz ihren kleinen Neckereien überlässt.

„Ihr kommt klar. Dann kann ich mich ja jetzt um das Knacken dieser Puzzle-Box kümmern."

Mit diesen Worten klopft er vielsagend mit einem Tentakel an jenes Fach, in dem er das Artefakt verstaut hat, winkt April noch einmal mit ihrem Turtlecom zu und verlässt sie, um sich seinem eigenen Projekt zu widmen.

Shredder wartet, bis seine Schritte in der Ferne verklungen sind, dann seufzt er einmal tief durch und wirft ihr einen entschuldigenden Blick zu.

„Tut mir Leid, Krang kann ganz schön nerven. Du musst dir nicht wirklich das Quartier mit mir teilen, wir können dir eins herrichten. Ganz egal, was Krang gesagt hat."

„Ist schon okay. Ich schnarche nicht“, lehnt sie das Angebot betont lässig ab, ihn absichtlich falsch verstehend. „Jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Hab ja keinen, der mir das sagen könnte. Also, vielleicht schnarche ich doch, dann entschuldige ich mich schon mal im Voraus."

Er zögert einen Moment, gibt sich dann jedoch einen Ruck. Denn mal ehrlich – so eine Steilvorlage kann er sich doch nicht entgehen lassen. Er will ihr schon seit Stunden ein Kompliment machen ohne dass es albern rüberkommt.

„Wieso ist so eine tolle Frau wie du immer noch Single?" Seine Stimme erwischt genau die richtige Mischung aus Ernsthaftigkeit und Neckerei. Auf die Art bleibt sein Gesicht gewahrt, ganz egal, was sie jetzt sagt.

Doch um ehrlich zu sein, hätte er mit der Antwort, die sie ihm darauf gibt, in seinen kühnsten Träumen nicht gerechnet.

„Weil du mich einfach nicht um ein Date bittest?" Sie lächelt, aber das Flackern in ihren Augen verrät ihre eigene Unsicherheit. Sie beugt sich damit sehr, sehr weit aus dem Fenster, und sie weiß es ganz genau.

Ihm verschlägt es im ersten Moment den Atem. Er kann es kaum fassen.

Das meint sie ernst, oder?

Er starrt sie lange an, aber bevor es peinlich wird, räuspert er sich.

„Gehst du mit mir aus?“ fragt er sie schließlich mit belegter Stimme. Er zögert, ob er nach ihrer Hand greifen soll und entscheidet sich dann dagegen. Stattdessen umklammert er lieber seine Tasse. „Ich kann dir aber hier nicht viel bieten. Einen guten Film, etwas Wein und selbstgemachtes Sushi. Oh, und vielleicht noch Polarlichter."

„Du darfst nicht raus", erinnert sie ihn sanft.

„Stimmt, hatte ich vergessen. Also nur Film und ein gutes Essen. Das ist nicht viel, aber mehr kann ich dir nicht anbieten."

April strahlt ihn regelrecht an.

„Ich finde, das klingt super."

Dann klammern sie sich beide an ihren Tassen fest und versuchen, sich in die Augen zu sehen, aber immer wieder wendet einer von ihnen den Blick wieder verlegen beiseite. Ihre Unsicherheit ist beinahe greifbar.

„Das...“ räuspert sich Shredder schließlich leise, „... das ist ernst gemeint, nicht wahr? Wir haben ein Date?“

Sie nickt nur einmal, während ihr das Blut in die Wangen steigt und sie leicht rosig färbt. Und das sieht so niedlich aus, dass er sie am liebsten küssen würde.

„Dann... kannst du mich Saki nennen“, bietet er ihr stattdessen an.

„Ohne Suffix?“ Diese kleine Frage zeigt ihm, dass sie sich wirklich ernsthaft mit der japanischen Kultur beschäftigt hat und genau weiß, was sein Angebot bedeutet.

„Gerne, Saki. Danke.“ Sie zögert kurz und wirft ihm unter dichten, schwarzen Wimpern einen seltsam intensiven Blick zu.

„Dann...“, meint sie, während sie sich langsam zu ihm hinüberlehnt, „... darfst du mich jetzt küssen, Saki. Wenn du magst“, fügt sie unsicher hinzu.

Oh, er mag!

Und wie!

 

 

Kurz bevor sich ihre Lippen berühren, schlägt ihr Herz so schnell, dass es ihr in den Ohren dröhnt, so aufgeregt ist sie. Aber kaum ist es soweit, kaum küssen sie sich, da wird alles ganz ruhig. Als würde die Welt mit ihr zusammen den Atem anhalten. Ihr letzter richtiger Kuss ist Ewigkeiten her, sie befürchtete schon, es verlernt zu haben, aber kaum spürt sie seine Lippen, so warm, so sanft, so zärtlich, da kehrt ihre Selbstsicherheit zurück.

Sie liebt ihn.

Sie liebt ihn von ganzem Herzen und hat ihr Leben lang auf diesen Moment gewartet.

Er ist sanft und vorsichtig, doch darunter, das spürt sie genau, lauert pure, heiße Leidenschaft. Er ist temperamentvoll, das hat er oft genug unter Beweis gestellt.

Er ist warm und stark und riecht so wunderbar nach Vanille!

Als dann auch noch seine Zunge sachte gegen ihre Lippen stupst, ist es für sie selbstverständlich, ihr Einlass zu gewähren. Sie rechnet fest damit, dass seine Zunge sofort ihre Mundhöhle erforschen wird - so hat sie das bei ihren anderen Küssen in Erinnerung, und es gefiel ihr nie, weil es so sehr einer Invasion ähnelte, doch sie liebt ihn, sie will es ertragen, sie hat es immer irgendwie ertragen und bisher ist es ihr immer gelungen, die Kerle dahin zu erziehen, wie sie gerne geküsst werden will, auch, wenn das manchmal Wochen dauerte ...

Doch diesmal...

Überrascht seufzt sie leise in diesen Kuss hinein...

Keine Invasion. Stattdessen nur eine Zunge, die ihre eigene zärtlich neckt und zum Spielen einlädt. Das ist genau das, was sie liebt. Nicht hastig, nicht brutal und vor allem nichts, woran sie sich fast verschluckt.

Oh verdammt, das ist so gut!

Und er schmeckt lecker - nach Kakao und darunter noch nach etwas anderem, aber das ist ebenfalls süß. Vom Geschmack alleine wird ihr schon ganz schwindlig - oder ist es doch die Luftnot?

Zum Glück ist er da und hält sie fest.

Als sie sich atemlos und wehmütig aus diesem wunderschönen Kuss löst, stellt sie einigermaßen verdutzt fest, dass sie inzwischen auf seinem Schoß sitzt.

Schwer und warm liegt seine rechte Hand in ihrem Kreuz und die andere auf ihrem Hinterkopf und ihre eigenen Hände befinden sich fast analog dazu genauso auf seinem Körper. Sein Haar ist weich und duftet nach dem Schnee, aus dem sie vor einer guten Stunde gekommen sind.

Merkwürdig, was sie alles registriert, während ihr ganzer Körper vor Sehnsucht schier verglüht.

Ihm scheint es nicht sehr viel anders zu ergehen, wenn sie sein gerötetes Gesicht, seine schnelle Atmung und den verklärten Glanz in seinen halb geschlossenen Augen richtig interpretiert.

Und da sie direkt auf seinem Schoß sitzt, spürt sie noch einen ganz anderen körperlichen Beweis, doch viel wichtiger ist dieser hingerissene Ausdruck auf seinem schönen Gesicht. Er sieht sie an, als wäre sie eine Offenbarung.

„Wow", flüstert er dann auch noch ergriffen.

„Wow", bestätigt sie und lässt sich dann gegen ihn sinken, bereit, von seinen starken Armen gehalten zu werden.

 

 

 

 

14. Kapitel

 

Shredder fühlt sich merkwürdig, es fällt ihm schwer, einen geraden Gedanken zu fassen. Er weiß nur nicht, ob das eine Nachwirkung von Krangs Medikament oder von diesem Kuss eben ist. Er weiß nur eines: er braucht etwas Abstand, um das Ganze zu verarbeiten. Eigentlich müsste er darüber gründlich nachdenken, aber das ist jetzt und hier wirklich nicht möglich, also schiebt er diesen emotional aufgewühlten Teil seines Ichs rigoros in den Hintergrund und konzentriert sich auf seine guten Manieren.

Als guter Gastgeber spendiert er April erst einmal einen Rundgang. Zumindest, was den Bereich betrifft, in dem sie sich frei bewegen darf.

Die Küche kennt sie ja schon.

Auf dem Weg zu seinem Quartier kommen sie sowieso an allem vorbei. Zuerst ist da sein Trainingsraum - auch wenn er bezweifelt, dass sie sich für Boxsäcke und Hantelbänke interessiert. Aber sie mustert den Raum sehr interessiert, sieht dann ihn ganz merkwürdig an und lächelt noch merkwürdiger.

„Ich würde dir gerne mal beim Training zusehen", meint sie dann. „Darf ich?"

Diese Frage lässt ihn verlegen erröten. Er vermutet aber, dass sie ihn nur wieder necken will, also wirft er ihr einen herausfordernden Blick zu.

„Dieser Trainingsraum wird grundsätzlich nur in Sportsachen betreten. Herumgefaulenzt und blöd geglotzt wird hier auch nicht. Du musst schon mitmachen, selbst, wenn's nur Seilspringen ist. Also“, fügt er in einem kleinen Anfall von Gemeinheit (entweder das oder er knutscht sie rücksichtslos gegen die nächste Wand) hinzu, „du bräuchtest ein Sportoutfit, am besten kurze Shorts und ein enges Top.“

Sie zuckt mit keiner Wimper.

„Habe ich leider nicht dabei. Aber kann ich mir nicht einfach einen Gi von dir leihen?“

Er ist beeindruckt. Sie kennt sogar den japanischen Fachbegriff. Und auch wenn sie in einem seiner Gis bestimmt ein lustiger Anblick wäre – die sind ihr nämlich alle viel zu groß! – will er sie nicht so leicht vom Haken lassen. Um ehrlich zu sein – er würde sie wirklich mal gerne in einem knappen Sportdress sehen.

„Wir werden dir etwas Passendes schneidern“, erklärt er leichthin und weidet sich an ihrer verdutzten Miene.

„Unsere Technik ist einzigartig“, fährt er nicht ohne einen gewissen Stolz fort. „Es gibt hier Maschinen, davon träumst du nur. Wir haben nicht nur Waffen und sonstiges Kriegsspielzeug, das der Technik der Erde Jahrhunderte voraus ist, sondern auch Geräte, die im Alltag sehr nützlich sind. Und du wirst sowieso einiges brauchen, nicht nur eine Zahnbürste. Und anstatt dafür stundenlang ins nächste Dorf zu fahren, können wir dir all dies mit einem wahren Wunderwerk der Technik beschaffen.“

Sie verbeißt sich ein Grinsen, denn jetzt klingt er fast wie ein Verkäufer. Aber er hat sein Ziel erreicht und sie neugierig gemacht.

„Ich trage gerne deine Hoodies.“ Lächelnd streicht sie über ihr derzeitiges helles Kleidungsstück, Fast hätte sie ihm gesagt, dass der weiche Stoff so schön nach ihm riecht, doch irgendwie klingt das peinlich, also lässt sie es.

„Aber du hast recht“, gibt sie stattdessen nachdenklich zu, „alle deine Kleidungsstücke werden wir nicht passen. Und alle sind auch nicht angemessen, schätze ich mal.“

Zu ihrem großen Unbehagen wird ihr nämlich klar, dass sie daran noch keinen Gedanken verschwendet hat. Mal ganz davon abgesehen, dass sie sich nicht mal als Teenager die Unterwäsche ihrer besten Freundin geborgt hat (nicht einmal, wenn sie noch neu verpackt war) – sie ist unbestreitbar eine Frau und als solche gewissen Problemen ausgesetzt. Sie hat noch drei Wochen Zeit und so lange wird sie vielleicht gar nicht hierbleiben, aber der Gedanke lässt sich jetzt auch nicht mehr abschütteln – sollte sie doch länger hier den Gast spielen, wo zum Teufel bekommt sie hier Tampons her? Oder, ganz schlicht: einen Damenrasierer für ihre Achseln? Sie kann sich ja wohl schlecht an seinem bedienen. Zum Glück epiliert sie sich regelmäßig die Beine. Also wirklich, verdammt nochmal! Sie kann sich doch nicht gehenlassen wie ein Hippie – gerade jetzt, wo sie ihn an der Angel hat, muss sie ihn doch weiter becircen was das Zeug hält.

Und dazu benötigt sie nun einmal die richtigen Utensilien.

Aber vielleicht hält sein Wundermaschinchen ja, was er versprochen hat.

Shredder denkt naturgemäß nicht in ihren Bahnen. Er denkt ganz pragmatisch hauptsächlich an Kleidung, Schuhe, Zahnbürste und Kamm. Außerdem ist er sehr stolz auf diese Maschine und will damit angeben. Immerhin ist es eine der wenigen, die er nicht nur repariert, sondern auch verbessert hat – da gibt ihm sogar Krang recht.

 

 

Oh mein Gott! Diese Maschine ist der Hammer! So etwas will sie auch haben!

Na gut, sie ist so groß wie ein mittlerer Schrank und sieht nicht sehr schön aus, aber - sie ist großartig!

An der einen Seite befindet sich ein großer Trichter, da wirft man das Ausgangsmaterial - also zum Beispiel alte T-Shirts - hinein und nachdem man über das Display in den gespeicherten Katalogen (Downloads aus dem Internet) seinen Wunschgegenstand ausgewählt hat, rattert und zischt die Maschine ein paar Minuten lang und aus einem Fach auf der anderen Seite kommt dann das Gewählte heraus. Man muß nur bedenken, dass das, was herauskommt, aus demselben Material besteht wie das, was man vorher hineingeworfen hat. Und bleibt etwas vom Ausgangsmaterial übrig, speichert die Maschine das fürs nächste Mal.

Sie hat keine Ahnung, wie das funktioniert, Shredder murmelte etwas von 3-D-Drucker und in-Atome-zerlegen, aber sie weiß ja auch nicht genau, wie das mit der Übertragung von Bildern durch die Luft funktioniert und arbeitet trotzdem beim Fernsehen.

Nachdem Shredder ihr die Bedienung erklärt hat, geht er kurz ins angrenzende Bad hinüber, wo er auf sie warten will. Zuerst versteht sie das nicht, aber dann fällt es ihr wie Schuppen von den Augen: es ist ihm bestimmt genauso peinlich ihr dabei zuzusehen, wie sie sich neue Höschen „druckt", wie ihr, wenn er ihr dabei über die Schulter schaut.

Das Display verrät ihr, dass der Speicher für Baumwolle noch voll ist, und so bestellt sie sich erst einmal einen Wochenvorrat schlichter, aber hübscher Slips und dann eine neue Jeans. Da Shredder ihr auch verriet, dass die Maschine viel Energie verbraucht, belässt sie es erst einmal beim Nötigsten. Einen Nassrasierer, Zahnbürste und einen Kamm gönnt sie sich noch und nach einem kurzen Zögern auch ein sexy Sportoutfit, eine Leggins und ein sehr, sehr langes Nachtshirt. Damit sollte sie erst einmal über die Runden kommen. Die Maschine empfiehlt ihr, ihre neuen Kleidungsstücke vor Gebrauch in der daneben stehenden Waschmaschine durchzuwaschen, also macht sie das auch.

Von daher hat sie also nur Zahnbürste, Rasierer und den Kamm bei sich – sicher verwahrt in der Känguruhtasche des Hoodies, als sie schließlich durch dieselbe Tür geht wie Shredder vor zehn Minuten.

Sie hat kaum die Schwelle übertreten, da bleibt sie wie vom Donner gerührt stehen.

„Wow", entfährt es ihr und dann, absolut begeistert noch einmal: „Wow!"

So ein Badezimmer hat sie außerhalb eines Spas noch nie gesehen. Erstens ist es gar kein richtiges Badezimmer, weil es nur über eine Badewanne verfügt. Und die ist riesig - da passen mindestens vier ausgewachsene Menschen hinein. Drei Stufen führen auf ein Podest, in welches dieser Pool eingelassen ist. Dunkles Holz, Kübelpflanzen und Fliesen in Terrakottaoptik verleihen diesem Raum einen Hauch von Urlaub - von Entspannung pur. An den Wänden hängen verschiedene, maritime Dekorationen und der einzige Spiegel hier hat die Form eines Schiffsbullauges.

Das ist der Wahnsinn!

Shredder hört auf, die braunen Blätter von einem Ficus zu zupfen und amüsiert sich eindeutig über ihr beeindrucktes Staunen.

„Beeindruckend, nicht wahr? Tja, das ist der Vorteil, wenn man es sich im Sektor der Kommandoebene bequem macht. Du solltest mal die Mannschaftsquartiere weiter unten sehen. Die reinsten Mauselöcher."

„Das ist fantastisch", stimmt ihm April begeistert zu, während sie langsam zum Podest hinaufsteigt, um einen neugierigen Blick in die Wanne zu werfen.

„Oh, ein Whirlpool", stößt sie überrascht hervor, als sie die Düsen sieht.

Er nickt und hält ihr seine rechte Hand hin, um ihr galant wieder die Stufen herunter zu helfen.

Sie nimmt sie nur zu gerne an und lässt ihn auch danach nicht los.

„Leider müssen wir auch hier sparsam sein", erklärt Shredder bedauernd. „Einmal pro Monat darf jeder von uns es einmal benutzen, öfter nicht. Da ist Krang sehr streng. Aber", beeilt er sich, ihr zu versichern, „sowohl an meins wie auch an Rocksteadys und Bebops Quartier schließen ganz normale Duschbäder an."

„Sind die auch so luxuriös wie das hier?"

Er lächelt etwas schief. „Ich befürchte nicht."

April zögert einen Moment. Sie hält immer noch seine Hand. Sein Griff ist fest und warm und verursacht wieder dieses Kribbeln in ihrer Magengrube.

„Zeigst du mir jetzt dein Quartier?" fragt sie, lächelt, stellt sich auf die Zehenspitzen und haucht ihm einen Kuss auf die Wange.

Er lächelt verlegen. Sie lächelt zurück und schmiegt sich für eine unendlich lange und zugleich viel zu kurze Sekunde mit vollem Körpereinsatz an seine Seite. Er kann ihre weichen Brüste fühlen, wie sie sich gegen seinen Arm drücken und versucht, seine immer stärker werdende Verlegenheit hinter einer ernsten Miene und einem aufgeräumten „na dann mal los" zu verstecken.

Doch insgeheim fragt er sich, was sie bei solchen Aktionen eigentlich von ihm erwartet?

Oh, warum nur gibt es für so etwas kein Handbuch? Er ist so furchtbar ungeübt in solchen Dingen, kann sich nur auf das verlassen, sie so zu behandeln, wie er selbst gerne behandelt werden möchte. So wie bei ihrem Kuss vorhin in der Küche. Und wenn ihn doch das Gefühl überkommt, sie am liebsten gegen die nächstbeste Wand zu knutschen, greifen seine guten Manieren regulierend ein. Irgendwann, das weiß er, wird er genau das machen, sie gegen die Wand knutschen und noch ganz andere Dinge, aber dafür ist es noch bei Weitem zu früh.

Während sie das Bad verlassen und die wenigen Meter den Gang hinunter zu seinem Quartier gehen, wobei sie sich nah bei ihm und immer noch seine Hand hält, mustert er sie aus dem Augenwinkel heraus heimlich.

Sie sieht sehr zufrieden aus, fast schon glücklich, also macht er wohl keine allzu großen Fehler, oder?

 

15. Kapitel

 

Es ist ihr peinlich als erstes danach zu fragen, noch bevor sie sein Quartier richtig in Augenschein nehmen kann, denn das hier ist doch sein Allerheiligstes und es ist einfach unhöflich, damit als erstes heraus zu platzen, aber ihre Blase drückt schon seit dem Schneesturm da draußen und wenn sie jetzt nicht langsam mal etwas dagegen unternimmt, platzt sie. Garantiert.

Was mag er jetzt nur von ihr denken? Seiner Miene nach ist es ihm tatsächlich ein wenig unangenehm, aber aus anderen Gründen. Mit einem entschuldigenden „ich habe nicht geputzt“, deutet er auf eine schmale, unauffällige Tür. Und dann gähnt er plötzlich und lässt sich schwer auf die Matratze seines Futonbettes sinken.

„Ich hoffe, ich schlafe nicht ein“, hört sie ihn murmeln. Laut meint er zu ihr: „Fühl dich wie Zuhause.“

Sie nickt nur, beeilt sich durch die besagte Tür zu treten und schließt sie rein automatisch hinter sich ab. Erst als sie auf der Toilette sitzt, nimmt sie sich die Zeit, sich hier etwas genauer umzusehen. Sie weiß nicht, was er hat – in ihren Augen sieht es sehr sauber aus, in ihrem eigenen Bad fliegen mehr Dinge herum. Wenn er die heruntergefallenen Blütenblätter der riesigen Grünlilie auf dem Badschrank meint, ist das doch nicht der Rede wert.

Er hatte recht: das hier ist nur ein schlichtes Duschbad, wie es sie in jeder Mietwohnung gibt, aber es hat genau die richtigen Ausmaße, ist nicht zu klein, aber auch nicht zu groß. Auch hier herrscht eine maritime Farbgebung, die sich erfrischend vom hellen Weiß des Porzellans abhebt. Über dem Waschtisch hängt ein großer Spiegelschrank – schlichtes, praktisches Design – typisch männlich.

Zwei Minuten später, während die Spülung rauscht und nachdem sie sich die Hände gewaschen hat, sucht sie verlegen nach einer freien Ecke in diesem Spiegelschrank, wo sie ihre wenigen Utensilien verstauen kann. Der Schrank ist erstaunlich leer, den meisten Platz nimmt doch tatsächlich die Hausapotheke ein. Kopfschmerztabletten, Erkältungsmittelchen – nichts, was sie nicht auch bei sich stehen hätte. Irgendwie ist das beruhigend normal.

Alles in allem ist dieses Bad gemütlich, es lädt tatsächlich zum Verweilen ein und die Handtücher sind schön flauschig. Sie mag vor allem das große Flaschenschiff auf dem Wandbord und die goldbezifferte Uhr daneben.

Shredder hat tatsächlich ein Händchen für solche Details. Wenn das mit der Welteroberung nicht klappt, kann er es immer noch als Innendekorateur versuchen.

Sie nimmt sich vor, ihm das zu sagen, als sie schließlich aus dem Bad zurück in sein Quartier tritt. Doch es kommt nicht dazu. Verblüfft muß sie feststellen, dass er tatsächlich eingeschlafen ist. Er hat sich auf dem Bett zusammengerollt und kuschelt mit der Bettdecke. Nichts daran ist der große, böse Ninja, als den er sich gerne darstellt. Jetzt und so wirkt er auf April eher wie ein kleiner Junge im Körper eines Erwachsenen.

Irgendetwas an der Art, wie er so daliegt und sein Gesicht in dieser Decke vergräbt, erinnert sie an diese Geschichte im letzten Jahr, damals in Florida, wo er während seines Kampfes mit den Turtles in diesen mutagenverseuchten Tümpel fiel und binnen Sekunden zu einem Kleinkind schrumpfte. Er war so goldig!

Einfach nur zum Knuddeln, auch wenn sein Benehmen und seine Wortwahl dieselbe blieb. Sie hatte in ihrem Leben noch niemals solche Flüche aus dem Munde eines Kindes gehört, aber er brachte ihr Herz zum Schmelzen. So richtig.

Wenn man sie jemals fragen würde, wann genau sie sich in ihn verliebt hätte, würde sie diesen Moment als jenen beschreiben, wo sie es begriff, dass ihr Herz ihm gehört.

Sie hatte damals vergessen, die Kamera auf ihn zu richten, also hat sie kein einziges Bild von ihm in diesem Zustand und das ist einfach nur bedauerlich.

Aber vielleicht haben sie ja hier im Technodrome Aufnahmen davon und geben ihr die eine oder andere Kopie.

Denn Fotos gibt es, wie sie schnell feststellt, als sie sich zögernd etwas genauer umsieht. So hängen drei gerahmte Fotos an der Wand. Eines ist eine Gruppenaufnahme von Krang, Shredder, Bebop und Rocksteady in der Kommandozentrale, das zweite zeigt Krang mit Partyhütchen und einem Stück Geburtstagskuchen vor sich und das letzte ist eine Aufnahme von Bebop und Rocksteady in voller Kampfmontur vor einem Transportmodul. Es gibt noch andere Fotos: Landschaftsaufnahmen aus der DimensionX im Panoramaformat, aber auch ein Foto vom Schloß in Osaka und eines vom Fujijama. Es gibt Wandschränke, auf denen kleben diese bunten Magnete, wie man sie in den Souvenirläden findet und April ist nicht überrascht, dort quasi alle Städte vertreten zu sehen, in denen die Turtles und sie je auf ihn getroffen sind. Und noch sehr viel andere. Nur mit Mühe kann sie ein amüsiertes Kichern unterdrücken und wirft einen verstohlenen Blick zu dem schlafenden Mann hinüber. Ob er diese Souvenirs bezahlt hat?

Natürlich hängen außer den Fotos auch noch Waffen an der Wand – erstaunlicherweise ein Breitschwert aus dem europäischen Mittelalter und eine antike Armbrust - und in der Nähe des Schreibtisches steht sogar einer dieser japanischen, hölzernen Schwertständer. Sie zählt sechs Katanas unterschiedlicher Länge und es juckt ihr in den Fingern, sie aus ihrer Schutzhülle zu ziehen und genauer zu betrachten, doch sie lässt es lieber und wendet sich stattdessen dem Schreibtisch zu. Doch nur kurz, denn sie mag es auch nicht, wenn jemand ungefragt in ihren Sachen herumwühlt. Außer einem Laptop und ein paar Schriftstücken liegt hier sowieso nichts Interessantes. Da stöbert sie lieber in seiner heutzutage fast antiken Plattensammlung herum und bewundert den altmodischen Plattenspieler auf dem dazugehörigen altmodischen Regal. Die meisten Bands stammen aus Japan, also kennt sie sie nicht, aber es gibt auch einige internationale. Darunter zwei Elvis Presley LPs und fast die gesamte Albensammlung von ABBA und Genesis.

Also, Musikgeschmack hat er.

Sein Quartier hat noch mehr zu bieten, denn da gibt es eine Fläche von fast fünf Quadratmetern, die mit Tatamimatten ausgelegt ist. Dort steht eine dieser hölzernen Puppen, an denen Schlag- uud Tritttechniken geübt werden. Auf ihr kleben, quasi als Motivation, die Konterfeis von Sensei Splinter und allen vier Turtles. Sie sollte das nicht witzig finden, wirklich nicht, aber sie grinst trotzdem so stark, daß es sie in den Kiefermuskeln schmerzt.

Das erinnert sie an ihre Dartscheibe mit dem Foto ihres Bosses darauf, die sie mal in ihrem Büro bei Channel 6 hängen hatte. Bis Vernon sie verpetzte und hätte Irma sie nicht rechtzeitig vorgewarnt und sie das Foto schnell entsorgt, wäre sie damals wohl schneller ihren Job losgeworden als sie „Pizza“ sagen kann.

Sie bewundert noch den schönen, wirklich bequem aussehenden Papasan-Sessel und nähert sich dann vorsichtig wieder dem Bett.

Shredder schläft immer noch tief und fest. Krang muss ihn mit irgend etwas ausgeknockt haben, da war noch etwas anderes in dieser Spritze als Medikamente, anders kann sie sich das nicht erklären.

Sie zögert kurz, doch dann lässt sie sich neben dem niedrigen Bett auf die Knie sinken – sich auf die Matratze zu setzen, wagt sie nicht, denn das könnte er eventuell bemerken. Er schläft so schön, sie will ihn nicht aufwecken. Eine ganze Weile lang starrt sie ihn einfach nur an und mit jeder verstreichenden Sekunde werden die Schmetterlinge in ihrer Magengrube immer munterer und ihr Herz klopft so heftig, als wolle es aus ihrer Brust und ihm direkt in die Hände springen.

Sie spürt und schmeckt immer noch das Echo seiner Berührungen und Küsse auf ihrer Haut, diese Wärme, diese Zärtlichkeit und Leidenschaft tief darunter … Gott, sie will so viel mehr. Sie will ihn spüren, richtig spüren, sie will, dass er das mit ihr macht, wovon sie bisher nur in ihren dunkelsten Träumen zu denken wagte. Sie will, dass er sie auf eine angenehme Art und Weise zum Erschaudern bringt, sie ist bereit, in seinen Armen alles zu vergessen, vor allem sich selbst.

Aber – und bei diesem Gedanken leckt sie sich unwillkürlich über die Lippen, während ihr Blick langsam über seinen Körper wandert – vor allem will sie ihn anfassen. Ihn sehen. Spüren, wie er sich anfühlt. Ihn riechen und schmecken. Sie will wissen, welche Miene er macht, wie gut er seine japanische Fassade halten kann, wenn sie ihre Finger, Lippen und Zunge über seine intimsten Körperstellen wandern lässt. Wenn sie ihn dort küsst, wo sie bisher noch nie einen Mann geküsst hat. (Die ungeschickten Versuche mit ihrem ersten Freund während der High School zählt sie nicht dazu, das meiste war planloses Herumexperimentieren an dunklen Orten und frustrierte sie mehr als später der Betrug ihres anderen Freundes auf dem College.) Sie ist ein gut erzogenes, irisches Mädchen, aber bei Shredder, bei ihrem Saki, will sie ihre gute Erziehung über Bord werfen.

Sie spürt es, ganz tief in ihrem Herzen: er ist es.

Er ist der Richtige.

Ihm kann sie alle Seiten von sich zeigen, auch die dunkelsten, verdorbensten und er wird sie deswegen nicht verurteilen.

Plötzlich wird der Drang, ihn zu berühren, und sei es nur, um einmal kurz durch dieses schöne, dunkle Haar zu streichen, übermächtig, so übermächtig, dass sie vor sich selber zurückschreckt.

16. Kapitel

 

Das Quartier der beiden Mutanten befindet sich schräg gegenüber von Shredders. Entschlossen klopft April an die große, sechseckige Metalltür und lässt ihren Blick dabei irritiert über den Rahmen wandern. Wer baut denn bitteschön solche Türen? Die anderen sind ganz normal, aber diese sechseckige Form ist wohl eine Besonderheit der Wohnquartiere.

Sie muß nicht lange warten, bis die Tür zischend beiseite gleitet.

„Oh. Hi, April", begrüßt Rocksteady sie verdutzt. Doch schnell wird daraus Besorgnis. „Ist etwas passiert? Wo ist Chefchen?"

„Dem geht's gut", versichert sie ihm hastig. „Er schläft süß und selig."

Auch wenn es sehr überraschend kam. In Gedanken daran muß sie verträumt lächeln, doch dann hat sie sich wieder unter Kontrolle. „Wir waren kaum durch die Tür, da ist er quasi schon ins Bett gefallen."

Um Rocksteadys Mundwinkel zuckt ein kleines Grinsen. „Da hat Krang wohl sein Medikament mit einem Schlafmittel gestreckt. Krang ist der Überzeugung, dass ein gesunder Schlaf das Wichtigste ist."

Da muß sie dem Alien Recht geben. Auch wenn eine Vorwarnung nett gewesen wäre. Was wäre geschehen, wenn Shredder es nicht mehr bis in sein Quartier geschafft hätte? Sie hätte ihn wohl kaum tragen können.

Aber andererseits - der Mann ist zäh und stur. Es war bestimmt nicht nur Glück, dass er es bis in sein sicheres Quartier geschafft hat.

„Kann ich ein paar Stunden bei euch unterkommen?" fragt sie Rocksteady. „Es ist gerade mal achtzehn Uhr und ich fühl mich nicht gut dabei, in seinem Quartier herumzulungern, während er schläft. Das ist unhöflich."

Das ist nur ein Teil der Wahrheit. Aber sie müssen ja nicht erfahren, dass der Drang, diesen süßen Kerl im Schlaf überall zu betatschen der eigentliche Grund ist, wieso sie jetzt hier steht.

„Tja... öh", nachdenklich kratzt sich Rocksteady am Horn und wirft dann einen Blick über seine Schulter zurück. April kann sehen, wie sich Bebop im Hintergrund von einer alten Couch erhoben hat und nun langsam zu ihnen heran schlendert. „Wir wollten uns gerade ein paar Snacks aus der Küche holen und dann etwas surfen."

„Kannst ruhig bleiben", grinst da Bebop. „Ich hol das Futter und ihr macht es euch schon mal bequem, okay?" Er tätschelt Rocksteady im Vorbeigehen die Schulter und trabt dann den Gang hinunter.

„Gut. Also, April, wenn's dir nicht ausmacht... Darfst gerne bleiben, aber 's is' etwas unordentlich." Mit deutlich dunkleren Wangen als üblich bedeutet Rocksteady ihr, einzutreten. Und während sie vorsichtig zur Couch hinübergeht - dabei stets den Blick zu Boden gerichtet, um nicht auf irgend etwas Wichtiges zu treten - versucht er hastig, die herumliegenden Kleidungsstücke aufzusammeln. Dann wirft er sie achtlos in einen der Wandschränke, wobei er fast vom Rest des Schrankinhalts begraben wird. April verbeißt sich ein kleines Grinsen.

„Hey, nur keinen Stress. Eure Unordnung stört mich nicht."

Immerhin ist es sauber hier. Sauberer als bei den Turtles, wenn Sensei Splinter mal für ein paar Tage auf Meditations-Kur ist.

Er grinst nur verlegen und räumt die Couch leer, um ihr dann mit einer linkischen Verbeugung einen Sitzplatz anzubieten.

„Wie geht's ihm denn?" will er plötzlich wissen, bückt sich und hält ihr dann eine noch nicht geöffnete Bierflasche entgegen. Sie nimmt sie ohne zu zögern an.

„Bis er zusammenklappte, ganz gut", erwidert sie. „Er hat gar nicht mehr gehustet. Und er ist nicht mehr so warm."

Er fragt nicht, woher sie das weiß und das findet sie sehr taktvoll. Stattdessen nickt er nachdenklich und lässt sich neben sie auf die Couch plumpsen.

„Das Problem mit ihm ist: selbst wenn er eindeutig krank oder verletzt ist, gönnt er sich keine Ruhe. Deshalb hat ihn Krang diesmal wohl so brutal ausgeknockt. Chefchen braucht jemanden, der auf ihn aufpasst. Er selbst macht das nicht." Er seufzt einmal tief auf und dreht seine eigene Bierflasche nachdenklich in seinen Händen hin und her. „Wenn's uns mies geht, ist er so streng mit uns, dass wir auch ja das Bett hüten und so, aber selbst hält er sich nicht an seine eigenen Ratschläge."

Da sie genauso ist, nickt sie nur zustimmend.

„Is' echt gut, dass du jetzt da bist." Rocksteady grinst und zwinkert ihr verschmitzt zu. „Auf dich hört er bestimmt."

Erstaunt sieht sie ihn an. „Wie kommst du darauf?"

„Och", sein Grinsen wächst in die Breite, „nur so 'ne Idee." Noch immer mit diesem merkwürdigen Grinsen holt er eine Fernbedienung hervor und schaltet den Bildschirm drei Meter vor ihnen ein.

„Ich zeig dir mal was."

 

 

„Igitt! Ich fasse es nicht!" April ist entsetzt. „Casey? Sie ist mit Casey zusammen? Was hat die denn geraucht?"

Fassungslos schüttelt sie den Kopf und kippt den letzten Schluck aus ihrer Bierflasche hinunter. Das hat sie jetzt wirklich nötig! Es ist schon ihre zweite und von daher ist sie etwas angeschickert, aber was soll's?

Zehn.

Zehn Paralleluniversen.

Das heißt, es gibt auch zehn Versionen von April O'Neill und dank dieses X-Zone kann sie an deren Leben teil haben. Natürlich je nachdem, wieviele persönliche Details diese Aprils in diesem sozialen Medium öffentlich teilen.

Es genügt jedenfalls, um sie, das Original, verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen zu lassen.

Na gut, es mögen nur zwei offensichtlich an Geschmacksverirrung leiden - Himmelherrgott nochmal! Ausgerechnet Casey Jones?

Wahrscheinlich sind ihre Doppelgänger einmal zu oft mit dem Kopf aufgeschlagen, anders kann sie sich das wirklich nicht erklären.

Sechs andere haben als Status noch „Single" angegeben und eine lebt gleich mit zwei Männern zusammen - wobei es sich bei einem davon um Shredder handelt (und das kann sie wirklich gut verstehen!), während der andere wohl ein FBI-Agent ist. Sie hat sich die Fotos genau angesehen und Name und Gesicht kommen ihr tatsächlich vage vertraut vor, aber richtig einordnen kann sie ihn nicht. Süß ist er immerhin.

Diese April beweist eindeutig Geschmack!

Aber eine Dreierbeziehung?

Das übersteigt Aprils Vorstellungskraft.

Nein, dafür ist sie zu egoistisch. Sie will ihren Shredder - Saki - ganz für sich!

Dann ist da noch diese April, die mit Shredders jüngerem Bruder eine Fernbeziehung führt. Das kann sie noch tolerieren, auch wenn sie an derer Stelle ohne zu zögern zu ihm nach Tokio gezogen wäre. Irgendwann muss man auch bereit sein, etwas für die Liebe zu opfern, findet sie. Außerdem ist Japan verdammt faszinierend, also, sie würde da sofort hinziehen.

Aber ... Casey Jones? Casey Jones? Darüber kommt sie einfach nicht hinweg.

„Hat Sa ... Shredder das gesehen?" Der Gedanke allein ist furchtbar. Sie schämt sich wirklich fremd. „Hoffentlich nicht. Ich meine, er glaubt doch nicht wirklich, dass ich mit Casey...?" Sie schüttelt sich unwillkürlich. „So verzweifelt bin ich in hundert Jahren nicht!"

„Nee", beruhigt Bebop sie grinsend und reicht ihr dann, quasi als Trostsnack, eines seiner Spezial-Hawaii-Sandwiches.

April nimmt es nur zu gerne an. Sie hat selten ein besseres Sandwich gegessen.

„Chefchen war viel zu beschäftigt damit, sich über seine eigenen Doppelgänger aufzuregen. Ich glaube, er hat sich das Profil dieser April ein wenig genauer angesehen, mit der sein Doppelgänger diese Dreierbeziehung hat, mehr aber nicht. Na, sagt jedenfalls seine X-Zone Chronik. Dass all seine anderen Ichs schwul geworden sind, hat ihn so geschockt, dass er schon seit drei Tagen gar nicht mehr in der X-Zone war."

Das kann sie gut verstehen. Sie musste da auch ein paar Mal schlucken, als sie die Fotos auf diesen Shredder-Accounts sah. Und das waren nur die öffentlich einsehbaren. Sie weiß nicht, ob sie es so gut findet, Fotos von Liebsten und Verwandten öffentlich zu posten. Aber das muss jeder selber wissen.

„Und du willst wirklich nicht mit deinen Doppelgängern in Kontakt treten?" fragt Rocksteady sie jetzt schon zum zweitenmal innerhalb der letzten zehn Minuten.

Und wieder lehnt sie ab.

„Später vielleicht. Jetzt noch nicht. Ihr habt mir ja gezeigt, wie man einen Account erstellt."

Sie haben versprochen, ihr ein Tablet zu leihen und sie haben ihr sogar schon eines entsprechend eingerichtet. Sie kennt auch ihre Usernamen bei X-Zone und hat versprochen, ihnen als erstes eine Freundschaftsanfrage zu schicken.

Die beiden sind wirklich niedlich - genau wie ihre Katzenprofilbilder. Dass sie sich beide als Globetrotter Mitte zwanzig ausgeben, findet sie irgendwie passend. Sie behält aber für sich, dass sie weiß, dass sie bei ihrem Alter nicht geschummelt haben.

„Hat das etwas zwischen euch verändert?" will sie neugierig wissen. „Dass ihr wißt, dass es da Welten gibt, in denen ihr beide oder einer von euch mit Shredder zusammen seid?"

Die beiden tauschen einen langen Blick.

„Na ja", beginnt Bebop dann zögernd, und als sie sieht, wie er seinem neben ihm sitzenden Kumpel eine Hand aufs Knie legt, weiß sie schon, was er ihr sagen wird. Und tatsächlich:

„Nicht wirklich. Das ist eigentlich nichts anderes, als wenn du einen Zwilling hättest. Du bist ja nicht dein Zwilling, sondern immer noch du selbst. Seine Träume sind nicht deine. Und trotzdem ... Vielleicht doch? Manchmal zumindest? Einige unserer Doubles sind ein Paar und das hat uns den Mut gegeben, zuzugeben, dass wir schon länger Sex-Buddies sind."

„Gelegentlich", wirft Rocksteady ein.

„Früher", berichtigt ihn Bebop vergnügt. „Jetzt häufiger. Aber nun können wir dazu stehen."

Mit diesen Worten lehnt sich Bebop zu seinem Lover hinüber und streicht sanft mit seiner Schweinenase über dessen Wange. Rocksteady grinst etwas dümmlich, packt ihn an der Taille und zieht ihn eng zu sich heran in eine feste Umarmung.

Als die beiden sich zu küssen beginnen, wendet April taktvoll den Blick ab und ihre Aufmerksamkeit wieder zurück auf den Bildschirm vor ihnen, um sich noch ein bisschen durch die Fotos einer dieser Single-Aprils zu scrollen.

Die Frau hat nichts außer ihrem Job.

Wie traurig.

Aber in diesem Universum sind - laut Bebop und Rocksteady - Splinter und Shredder zusammen. Das erinnert sie unwillkürlich an ihr Gespräch mit Splinter vor einem Monat, an dieses Gerücht und an die Frage, die sie Shredder seitdem stellen will. Vielleicht muss sie das gar nicht. Vielleicht genügt es, wenn sie diese beiden Doppelgänger danach fragt.

So, wie es aussieht, ist dies nämlich eine Welt, in der an den Gerüchten tatsächlich etwas dran war.

 

17. Kapitel

 

Er erwacht aus tiefster Dunkelheit. Er hasst es, wenn das geschieht, denn für seinen Geschmack ist diese Art von Schlaf zu nahe am Tod. Nicht, dass er da auf Erfahrungswerte zurückgreifen könnte, aber er hasst es trotzdem. Krang hat ihn wohl mal wieder mit seinen speziellen Schlafmitteln ausgeknockt. Eigentlich sollte er sich darüber aufregen, doch er fühlt sich immer noch leicht angeschlagen. Ihm fehlt schlichtweg die Energie für so etwas.

Außerdem spürt er, dass April mit ihm im Raum ist. Etwas peinlich berührt und mit der Sorge, wie furchtbar zerzaust er wirken muss, dreht er sich von der Seite auf den Rücken, um sich schließlich in eine annähernd sitzende Position hoch zu stemmen. Als er bemerkt, dass er voll bekleidet eingeschlafen ist, weiß er nicht, ob er sich darüber schämen oder doch lieber froh sein sollte. Man legt sich nicht mit Jeans ins Bett - aber man zeigt sich vor einer Frau auch nicht nur in seiner Unterwäsche.

Außerdem fühlt er sich verschwitzt und riecht bestimmt wie ein nasser Hund.

Jetzt ist es ihm wirklich peinlich, denn so, wie sie da mit untergeschlagenen Beinen in seinem Papasansessel sitzt, in einem gelben, fast knielangen Shirt und dazu eine dunkle Leggings, wirkt sie so zart und elegant wie eine Elfe. Sie ist nichts davon, er kennt sie, aber er weiß auch, dass Menschen viele Seiten haben, von denen sie die wirklich persönlichen niemandem zeigen. Jetzt diese Seite an ihr zu sehen, dieses ruhige, entspannte, jenseits allem Kämpferischen ... Dass er das zu sehen bekommt, dass sie ihm das zeigt, erfüllt ihn mit Dankbarkeit und Stolz.

Dass sie ihn im Schlaf beobachtet hat, diesen unangenehmen Gedanken schiebt er lieber ganz weit weg.

„Oh, April", um seine Lippen zuckt ein verlegenes Lächeln. „Du bist hier?"

Sie lächelt zurück, streicht sich eine rotbraune Haarsträhne aus den Augen und lässt sich vorsichtig aus dem Papasansessel gleiten. Barfuß tapst sie zu ihm hinüber. Erst jetzt bemerkt er das Tablet in ihrer Hand und sofort keimt in ihm ein schrecklicher Verdacht.

X-Zone. Sie haben ihr doch bitte nicht die X-Zone gezeigt, oder?

„Hallo, Schlafmütze. Geht's dir besser?"

Er nickt einmal und versucht, sie nicht allzu sehr anzustarren. Trägt sie keinen BH? Ihre Brüste schwingen so hypnotisch und unter dem dünnen Stoff zeichnen sich ihre Brustwarzen ab. Shredder schluckt einmal schwer.

„Hast du die ganze Zeit hier gesessen?" erkundigt er sich im Bemühen, sich nichts anmerken zu lassen.

Sie gibt nur ein bestätigendes Brummen von sich. Inzwischen steht sie neben seinem Futonbett und beugt sich zu ihm hinüber und etwas hinunter, um ihm prüfend eine Hand auf die Stirn zu legen.

Ihm stockt fast der Atem, als ihr T-Shirt dadurch dem Gesetz der Schwerkraft folgt und ihm ein großzügiger Blick in ihren Ausschnitt gewährt wird. Ihre Brüste sind kleiner als er immer glaubte, ganz offensichtlich trägt sie immer einen Push-up-BH, aber verdammt - sie sind wunderschön!

Wieder schluckt er einmal schwer und ruft sich gedanklich zur Ordnung. Nur, weil er seit Ewigkeiten mit keiner Frau mehr zusammen war, bedeutet das nicht, dass er hier herumsabbern darf wie ein alter Lustmolch. Auch wenn das sehr schwer ist, so tief, wie sie ihm jetzt in die Augen sieht.

„Du bist immer noch ziemlich warm."

Er kann sie über das Klopfen seines Herzens fast nicht verstehen. Aber dann steigt ihm ihr Duft in die Nase. Sie riecht frisch geduscht. Nach Wasser, Seife und Kräutershampoo und ihr Atem riecht nach Minz-Zahnpasta. Unwillkürlich dreht er das Gesicht beiseite. April, die ihn gerade küssen wollte, stockt irritiert.

„Was ist los?"

Siedendheiß wird ihm bewusst, wie ablehnend das eben auf sie wirkte.

„Entschuldige. Ich müffel bestimmt furchtbar. Ich brauche dringend eine Dusche."

Er macht Anstalten, das Bett zu verlassen.

„Warte." Ihre Hand auf seiner Schulter hält ihn auf.

„Warte", wiederholt sie etwas leiser, lehnt sich noch weiter vor und gibt ihm einen Kuss direkt auf den Mund. Er entgegnet ihn nur zögernd, darauf bedacht, den Mund geschlossen zu halten und sie nicht seinem stinkenden Atem auszusetzen.

„Es stört mich nicht", murmelt sie gegen seine Lippen und dann schmunzelt sie. „Aber du darfst gerne duschen gehen, wenn du willst."

Lächelnd streichelt sie mit ihren Fingern durch sein verschwitztes Haar, was ihm einen wohligen Schauer über den Rücken laufen lässt.

Er räuspert sich einmal.

„Du bist zu gütig", meint er ironisch, während er an ihr vorbei aus dem Bett steigt. „Mach's dir ruhig gemütlich", erlaubt er ihr dann noch.

Sie zwinkert ihm nur zu, schwingt sich vollends auf sein Bett und macht es sich dort im Schneidersitz bequem.

Als er sich auf der Schwelle zum Bad noch einmal zu ihr umdreht, strahlt sie ihn an und wirft ihm einen Luftkuss zu. Im ersten Moment starrt Shredder sie nur verdattert an, doch er fängt sich schnell und schickt ihr auch einen.

Aprils leises, klares Lachen begleitet ihn bis ins Bad hinein und sorgt für wohliges Herzklopfen.

 

 

Nachdem er geduscht, sich umgezogen und die Zähne geputzt hat, fühlt er sich zwar nicht wirklich wacher oder fitter, dafür aber wesentlich frischer. So kann er April wieder unter die Augen treten. Eigentlich ist er froh darüber, wie unnatürlich ruhig es in seinem Geist durch Krangs Medikamente geworden ist, denn sonst käme er jetzt nur unnötig ins Grübeln. Als allererstes würde er ihren ersten Kuss zu Tode analysieren und dadurch bestimmt alles ruinieren. So hat er gar nicht die Energie dazu.

Da ist ein leichtes Gefühl der Beklemmung in seiner Brust, als er wieder das Zimmer betritt, aber er weiß nicht, ob das an seiner Bronchitis liegt oder an dem Anblick, der sich ihm bietet: April, wie sie seitlich auf seinem Bett liegt, auf den rechten Ellbogen gestützt und mit ihren eleganten Fingern über das Tablet vor sich wischend. Der Ausschnitt ihres Shirts ist schon wieder verrutscht und zeigt sehr offenherzig – aber nicht vulgär - was sie zu bieten hat. Als sie ihn hört, blickt sie sofort auf, schenkt ihm ein strahlendes Lächeln und richtet sich in einer unglaublich fließenden Bewegung in eine sitzende Position auf.

Sie sagt nichts.

Sie strahlt ihn nur an.

Zögernd bleibt Shredder auf halben Wege zum Bett stehen. Ihm wird plötzlich bewusst, dass er sich anschickt, sich mit dieser wunderschönen Frau ein Bett zu teilen. Seine gute Erziehung ist der Ansicht, dass sie sich mal wieder melden und Bedenken von sich geben kann.

„Ich ...", beginnt er daher nervös, „habe nur ein Bett."

Er hat irgendwo in den Tiefen eines Wandschranks noch einen zusammengerollten Futon und könnte auf dem Boden schlafen, wenn sie es verlangt.

Sie hebt die linke Augenbraue, schmunzelt und klopft dann vielsagend neben sich auf die Matratze.

„Ich sehe da kein Problem."

Er zaudert kurz, doch dann zuckt er betont cool mit den Schultern.

„Gut. Wenn es für dich okay ist, ist es auch für mich okay." Er überbrückt die letzten paar Meter und setzt sich dann zu ihr auf sein Bett. Etwas seltsam fühlt sich das schon an. Um seine beginnende Verlegenheit zu überspielen, zeigt er großes Interesse an ihrem Tablet.

„Was hast du denn da?" Und als sie das Display so dreht, dass er auch einen Blick hinein werfen kann, sieht er seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. „Oh, X-Zone. Das hab ich befürchtet. Haben Rock und Beeps dir das gezeigt?"

„Ja, aber ich hab noch keinen Account. Ich weiß nicht, ob ich mit ihnen chatten will. Was ich lesen kann, reicht mir."

„Ja, das ist alles sehr irritierend, wenn man es genau bedenkt."

Sie schneidet eine Grimasse.

„Ich würde niemals was mit Casey anfangen!"

Sie ist einfach nur entzückend in ihrem Abscheu.

Auch, wenn ihn das jetzt überrascht. Casey Jones und April O'Neil? Echt jetzt? Vielleicht hätte er doch weniger egoistisch sein und sich nicht nur mit seinen eigenen, sondern auch mit den Accounts der anderen Aprils auseinandersetzen sollen.

„Na ja, vielleicht sind diese Caseys aus den anderen Universen ja ganz vernünftig."

Was er damit noch sagen will, ist: ich bin auch nicht so wie meine Gegenstücke. Da er seine Mutanten und Aprils Neugier nämlich kennt, glaubt er zu wissen, dass sie, nachdem diese beiden Deppen ihr seine Doppelgänger gezeigt haben, sie selbst bestimmt noch intensiver recherchiert hat.

„Vielleicht sind diese anderen Aprils auch nur dämlich", erwidert sie schnaubend und mit so viel Verachtung in der Stimme, dass er unwillkürlich lachen muss. In diesem Moment erinnert sie ihn so sehr an sich selbst, wie er damals auf seine Doppelgänger reagiert hat, dass er ihr unwillkürlich einen Arm um die Schultern legt und sie an sich drückt.

„Falls es dich tröstet: ich habe nie geglaubt, dass dieser Kindskopf Casey irgend wann mal bei dir landen könnte. Der ist so gar nicht deine Liga."

„Charmeur." Sie legt das Tablet beiseite, kuschelt sich an ihn und sieht dabei unter ihren rotbraunen Locken auf eine Art und Weise zu ihm hoch, dass sein Herz wie wild zu pochen beginnt. Oder liegt das an ihren warmen, weichen Brüsten, die sich da so frech an ihn pressen?

Aber dann rutscht sie noch etwas näher zu ihm heran, bis sich auch ihre Oberschenkel berühren. Als sie jedoch mit ihrer linken Hand beginnt, an seinem Jinbeioberteil herum zu nesteln, fühlt er sich doch verpflichtet, etwas zu unternehmen. Vorsichtig legt er seine Hand auf ihre und hält sie fest.

„Ich bin groggy, tut mir leid. Also, ich sag das nur, falls du was erwartest..."

„Einfach nur kuscheln ist okay", beruhigt sie ihn. Sie liegt mit dem Kopf auf seiner Schulter und kann ganz deutlich das leichte Rasseln in seinem Brustkorb hören. Auch wenn er nicht hustet und einen gesunden Eindruck macht - er ist es noch nicht. Er braucht Ruhe. Also ja, kuscheln ist für die erste gemeinsame Nacht völlig ausreichend.

Ohne sich von ihrem gemütlichen Platz zu bewegen, ertastet sie die Bettdecke neben sich und breitet sie über ihnen beiden aus. Shredder murmelt einen Befehl, woraufhin sich das Licht zu einem schwachen Schein herunterdimmt. Und dann landet seine Hand in ihrem Haar und als er beginnt, darin herum zu kraulen, gibt sie einen tonlosen, zufriedenen Seufzer von sich und schmiegt sich noch enger an ihn.

Er ist warm und solide und selbst mit angeschlagener Gesundheit wie jetzt strahlt er so viel Stärke - mental wie physisch - aus, dass sie sich bei ihm so geborgen fühlt wie in Abrahams Schoß. Es fühlt sich an, als habe sie ihren Platz gefunden - und der ist an seiner Seite.

Eine Zeitlang liegen die einfach nur so beisammen und genießen dieses neue Gefühl der Nähe.

„Ich war das letzte Mal vor sechs Jahren mit einem Mann zusammen", gibt April irgendwann leise murmelnd zu. Sie will, dass er das weiß und versteht, woran es liegt, wenn sie sich irgendwo irgendwann ungeschickt benimmt. „Dachte, er sei meine große Liebe. Aber dann fand ich heraus, dass er mich mit meiner besten Freundin betrog. Ich hab beide zum Teufel gejagt und mir geschworen, nie wieder auf schöne Worte herein zu fallen." Das hat sie noch nie jemanden erzählt. Vielleicht liegt es an der Stimmung und den heimeligen Lichtverhältnissen hier, schließlich sind

Geheimnisse die Kinder der Nacht und wollen vor allem bei Dunkelheit erzählt werden.

„Nur, damit du mich nicht für ein leichtes Mädchen hältst", ergänzt sie betont locker-schelmisch. Und doch meint sie es bitterernst. Sie ist keine Partymaus, nie gewesen.

„Käme mir nie in den Sinn", beruhigt er sie sofort und drückt ihr einen Kuss aufs Haar. Woraufhin sie ihren Kopf hebt und sich zu ihm emporreckt, um einen richtigen Kuss zu ergattern.

Ihre Lippen haben kaum einander berührt, da kommen schon ihre Zungen ins Spiel. Sehr viel Zunge. Und sehr viel Speichel. Jeder von ihnen findet, dass der andere köstlich schmeckt und so kämpfen sie beinahe darum, wer von ihnen seine Zunge dem anderen tiefer in den Rachen schiebt und mehr vom unglaublich süchtig machenden Geschmack des anderen erhascht. Sie trennen sich nur voneinander, weil Shredder einmal kurz hüsteln muss. Schuldbewusst schlingt April ihre Arme um ihn und vergräbt ihren Kopf an seiner Halsbeuge. Sie murmelt eine Entschuldigung, doch er schüttelt nur den Kopf. Eine Minute lang ist nichts zu hören außer ihren Atemzügen - seine etwas lauter als ihre, aber auch sie hat dieser Kuss ziemlich atemlos gemacht.

„Fünf Jahre", flüstert Shredder dann mit vor Verlegenheit und vom vorherigen Husten noch ganz belegter Stimme. Er muss das nicht zugeben, aber sie war ja auch ehrlich zu ihm. „Ich gestehe, ich hatte mir eine Escort-Dame gegönnt. Und mich danach noch schlechter gefühlt. Für Sex ohne ... hm, Liebe bin ich nicht geschaffen. Und irgendwie fehlte mir für etwas Richtiges die Zeit."

Er kann ihr Kopfnicken an seiner Schulter spüren.

„Ich weiß, was du meinst", seufzt sie leise.

Er zögert einen Moment.

„Die Zeit dazu fehlt mir eigentlich immer noch", erklärt er, und das kommt jetzt schroffer heraus als geplant.

Zum Glück kann man April nicht so schnell beleidigen.

„Nicht, wenn ich hierbleibe."

Sie spürt, wie er erstarrt.

„Das verlange ich nicht von dir", stößt er dann so heftig hervor, dass dieser Satz in einem Hustenanfall endet.

Oje. Mitleidig verzieht April das Gesicht, richtet sich etwas auf, um ihn nicht unnötig mit ihrem Gewicht zu belasten und reibt sanft mit ihrer Hand über seine Brust. Unter dem Jinbei-Oberteil. Sie hat gar nicht bemerkt, wie sich ihre Hand dort hineingeschlichen hat. Seine Brust fühlt sich warm an und sehr muskulös. Und richtig samtig. Und keine Brustbehaarung. Okay, das hatte sie sich auch genauso vorgestellt, schließlich verbirgt sein Kampfdress nicht allzu viel. Er ist der einzige Mann, den sie kennt, der sich unter den Achseln rasiert – das hat sie schon bei vielen japanischen Kampfsportlern gesehen. Und bei Bodybuildern. Die Frage ist jetzt nur: besitzt er generell keine störende Brustbehaarung oder rasiert er sich nur? Ah, so viele süße kleine Geheimnisse, denen sie hoffentlich auf die Spur kommt.

Doch dann ruft sie sich zur Ordnung. Dass sie aber auch immer so abschweifen muss!

„Das mache ich freiwillig“, erklärt sie, als sein Husten verebbt ist.

Sie könnte jetzt damit aufhören, seine Brust zu massieren, aber sie macht weiter – auch, wenn jetzt ein Streicheln daraus wird. Sie sucht seinen Blick und hält ihn fest. Im Zwielicht wirken seine Augen unendlich schwarz.

„Hör zu“, sanft streicht sie ihm mit ihrer anderen Hand eine Haarsträhne aus der Stirn, „das ist für mich kein Opfer. Ich weiß, dass du Verpflichtungen hier hast. Krang und die beiden Deppen sind deine Familie, das weiß ich nicht erst seit heute. Das ist für jeden offensichtlich, der euch schon mal zusammen erlebt hat. Ich würde nie von dir verlangen, dass du sie im Stich lässt.“

Sie holt einmal tief Luft und setzt sich gerade hin. Das, was sie jetzt sagen will, fällt ihr unheimlich schwer. Aber sie will, dass er es weiß. Weil sie will, dass die Fronten geklärt sind. Und weil sie will, dass das hier eine Zukunft hat. Sie will sich zumindest nicht vorwerfen, nicht wenigstens alles in ihrer Macht stehende getan zu haben.

„Weißt du“, beginnt sie daher, ihre Hand immer noch auf seiner Brust, „ich habe darüber nachgedacht, seit ich weiß, was du mir bedeutest. Und bis heute waren es nur die dummen Träumereien eines einsamen, blöden Pressehuhns...“

„Du bist kein blödes...“ unterbricht er sie sofort, doch sie legt ihm vielsagend den Finger auf die Lippen.

„Pst. Lass mich ausreden, bitte. Das ist mir extrem peinlich und ich will das schnell hinter mich bringen. Später kannst du mir widersprechen, aber jetzt hör zu. Bitte.“ Abermals holt sie tief Luft. Ah, das ist so peinlich! „Okay, also, wie gesagt: ich habe von dir geträumt. Von uns und unserem gemeinsamen Leben. Und natürlich stand dann immer die Frage im Raum – wer zieht zu wem. Also, du siehst“, um ihre Lippen zuckt ein verlegenes Lächeln, „ich habe gründlich darüber nachgedacht, auch als es noch gar nichts gab, worüber man ernsthaft hätte nachdenken können. Das ist teenagermäßig, ich weiß, aber ich bin in der Hinsicht wirklich ein dummes Huhn. Wie auch immer: meine Entscheidung steht schon seit langem: wenn du es ernst meinst und es möchtest, ziehe ich zu dir. Sei es das Technodrome oder Japan oder der Mond. Ich lasse nämlich nichts Wichtiges zurück. Meine Freunde und meine Verwandten – niemand davon ist mir so wichtig, dass ich sie jeden Tag sehen muß. Kontakt kann man auch anders halten. Und mein Job ist mir auch nicht wichtiger als mein Privatleben. Ich kann es ja machen wie eine dieser Aprils und einen Bildband über Grönland schreiben. Oder ich werde richtig in den Social Media aktiv – die Aussichten, sich darüber eine goldene Nase zu verdienen, sollen ja enorm sein. Letztendlich ist es egal. Es ist mir alles egal, so lange ich nur bei dir bleiben darf.“

Sie zögert und fügt dann etwas leiser, beinahe bittend hinzu:

„Sofern du das möchtest.“

Er starrt sie einen Moment lang einfach nur an.

„Ich möchte“, erklärt er dann ernst.

Es gibt noch vieles zu klären, aber er will, dass sie zumindest das schon einmal weiß, bevor er versucht, die Stimme der Vernunft zu spielen. Denn im Grunde seines Herzens ist er das auch: ein hoffnungsloser Träumer. Er weiß aber auch, wie gefährlich es werden kann, wenn man sich davon mitreißen lässt.

Er fühlt sich nicht auf der Höhe, er ist müde und es gibt bessere Momente, um so etwas zu diskutieren, aber sie hat verdient, zu wissen, dass sie bei ihm offene Türen einrennt.

„Grundsätzlich will ich das“, bestätigt er daher. „Auch, wenn es noch etwas früh ist, so etwas zu entscheiden. Nur, weil wir uns zueinander hingezogen fühlen, heißt das nicht, dass wir kompatibel sind. Das wird die Zeit zeigen.“

Immerhin – sie haben noch nicht einmal miteinander geschlafen. Das muß schließlich auch passen. Sie wollen schließlich beide glücklich sein in ihrer Beziehung. Am Ende reicht es vielleicht nur für so eine on/off-Geschichte und dann sollte jeder von ihnen noch ein eigenes Leben haben.

„Reiß nicht alle Brücken hinter dir ein“, kann er es sich nicht verkneifen, sie zu warnen.

„Da spricht der Stratege aus dir.“ Kichernd beugt sie sich zu ihm herab, bis ihre Nasenspitzen nur noch Zentimeter voneinander entfernt sind.

„Saaaaaaki.“ Sein Name wurde noch nie so gehaucht, und ihre Stimme klang noch nie so herausfordernd und so absolut sexy.

„April“, warnt er sie, ein wohliges Schauern tapfer unterdrückend, während seine Hände schon hoch in ihr Haar zucken, um mit ihren Locken zu spielen, „wenn du so weitermachst, kann ich für nichts mehr garantieren. Aber dann würde es schnell gehen und ich bezweifle, daß du dann auch etwas davon hättest. Und unser erstes Mal sollte doch etwas besonderes sein, oder?“

Einen Herzschlag lang starrt sie ihn einfach nur an, dann entfährt ihr ein „Saki, du bist so süß“. Sie gibt ihm einen Kuß auf die Wange und kuschelt sich dann wieder an seine Seite.

„Du solltest sowieso erstmal gesund werden“, murmelt sie in den Stoff seines Jinbeis und lächelt selig mit geschlossenen Augen, als er sie, als stumme Antwort darauf, nur fester an sich drückt.

Kurz bevor sie einschläft, hört sie ihn über sich flüstern – und sie geht jede Wette ein, dass er denkt, sie sei schon im Reich der Träume:

„Ich liebe dich, April.“

 

 

 

18. Kapitel

 

Das Geräusch von Möwen und brechenden Wellen weckt April. Etwas irritiert öffnet sie die Augen. Das letzte, woran sie sich erinnert, ist das Technodrome, aber ganz bestimmt kein Strand. Es dauert eine Weile, bis ihr schlaftrunkenes Hirn begreift, dass es sich wohl um eine Art Wecker handeln muss. Dazu passt auch das heller werdende Licht. Probeweise schließt sie die Augen und tatsächlich könnte sie denken, sie läge an Strand - nur der Geruch nach Meer fehlt. Und vielleicht eine kleine Brise?

Also, das ist doch um Längen besser als ihr nervender Wecker zu Hause! Eine Weile liegt sie einfach nur still da und genießt. Und es gibt viel zu genießen, weitaus mehr als Wellenrauschen und Möwengeschrei. Sie spürt Shredders warmen, soliden Körper hinter sich. Er presst sich eng an sie - oder sie an sich, je nach Betrachtungsweise. Sein linker Arm schlingt sich um ihre Taille, als wolle er sie nie wieder loslassen.

Sie mag das.

Eine Zeitlang liegt sie nur ganz still da, genießt und lässt den Abend vor ihrem inneren Auge Revue passieren. Jetzt ist es ihr peinlich, was sie alles zu ihm gesagt hat, denn normalerweise behält sie solche privaten und lächerlichen Gedanken für sich. Hoffentlich denkt er jetzt nicht von ihr, sie wäre so ein Klammeraffe wie Irma.

Na, fährt es ihr erleichtert durch den Kopf, wenigstens habe ich nicht vom Heiraten geredet.

Und vielleicht hat er es ja schon vergessen. So ganz beieinander war er ja noch nicht. Sie wird auf alle Fälle so tun, als habe sie es vergessen. Es sei denn, er spricht es von sich aus an.

Der Mann hinter ihr beginnt sich plötzlich zu regen. Unwillkürlich hält sie den Atem an. Ihre Finger, die bisher gedankenverloren über seinen Unterarm gestreichelt haben, erstarren.

Sie hört ein verschlafenes „hm" und dann rückt er etwas von ihr ab. Nur, um sich nach einem kurzen Zögern wieder enger an ihre Rückseite zu schmiegen. Ihr entkommt ein mädchenhaftes Kichern. Einerseits, weil sie so erleichtert über seine Reaktion ist und andererseits, weil er wirklich noch halb schlafen muss - sie spürt da nämlich etwas an ihrem verlängerten Rücken, was er sie im wachen Zustand niemals hätte spüren lassen.

Auch das genießt sie eine Zeitlang nur.

Und dann hustet er und sein Griff um ihre Taille wird fast schmerzhaft fest, während sich sein Körper vom Hustenanfall geschüttelt ebenso fest an sie drückt.

Und da ist ein besonders delikates Körperteil, das sich sehr hart und präsent anfühlt. Dafür kann er nichts, und sie genießt auch das, aber trotzdem rutscht sie von ihm ab, sobald der Husten verebbt ist. Sie will nicht, dass es ihm peinlich wird, und das wird es bestimmt, wenn er erst einmal wach genug ist, um das richtig zu registrieren.

Vorsichtig dreht sie sich auf die andere Seite, so dass sie ihm nun ins Gesicht sehen kann. So verschlafen und die Haare ganz zerzaust, sieht er einfach nur niedlich aus. Zuerst blinzelt er sie nur leer an, doch dann sieht sie den Funken der Erkenntnis in seinen braunen Augen aufblitzen.

„Morg'n", nuschelt er undeutlich und wagt ein kleines Lächeln.

„Guten Morgen.", grüßt sie gut gelaunt zurück. Sie zögert, doch dann gibt sie sich einen Ruck und rutscht so nahe an ihn heran, bis sie ihm einen Kuss geben kann. Es wird ein etwas längerer daraus, sanft und zärtlich und er scheint es genauso zu genießen wie sie. Auch wenn sie, dem morgendlichem, pelzigen Geschmack geschuldet, diesmal auf einen Zungenkuss verzichten.

Nachdem sie sich aus diesem süßen Kuss gelöst haben, blicken sie sich tief in die Augen und lächeln sich zärtlich an. Schließlich hebt Shredder die Hand und streichelt ihr sanft mit den Fingern über die Wange.

„Hast du gut geschlafen?" erkundigt er sich dabei.

„Bestens", erwidert sie. „Und du? Wie geht es dir?"

Als ob er ihr die Wahrheit sagen würde! Und tatsächlich murmelt er ein „besser, danke." Trotzdem tadelt sie ihn nicht - sie weiß schließlich, dass sie in solchen Dingen keinen Deut besser ist. Sie wird ihn einfach gut im Auge behalten müssen.

Für einen Augenblick starren sie sich einfach nur an und das Meeresrauschen samt Möwengekreische sind für diese Sekunden die einzigen Geräusche zwischen ihnen. Sie sind das beide nicht gewohnt und das ist alles noch viel zu neu für sie, von daher schleicht sich auch langsam eine gewisse Verlegenheit heran.

„Wenn ich gewusst hätte, dass ich an einem Strand aufwache, hätt' ich mir 'nen Bikini angezogen", scherzt April schließlich betont locker.

Er spart sich die anzügliche Bemerkung, die daraufhin auf seiner Zunge liegt und meint stattdessen nur:

„Oh, da gibt es viele Wahlmöglichkeiten. Du kannst auch in einem Wald mit Vogelgezwitscher aufwachen. Oder Stadtlärm. Oder Regentropfen, die ans Fenster klopfen. Oder einen gluckernden Bergbach."

April verzieht das Gesicht und lacht verlegen, während sie langsam die Beine aus dem Bett schwingt.

„Zuviel Wasser. Entschuldige, ich muss mal kurz ins Bad."

Hastig rafft sie ein paar ihrer neuen Klamotten vom Fußboden, wo sie sie am Abend zuvor mangels besserer Alternative ordentlich gefaltet hingelegt hatte, wirft ihm einen Luftkuß zu und eilt dann zum Bad.

Auf der Schwelle lässt Shredders Stimme sie noch einmal innehalten.

„April? Wegen gestern Nacht: danke. Ich weiß gerne, woran ich bin."

Sie wirft einen Blick über ihre Schulter zurück und lächelt erleichtert.

„Ich auch, Saki. Ich auch."

 

 

Shredder kann sich nicht erinnern, in den letzten Jahren so gut geschlafen zu haben wie in dieser Nacht. Und das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, wie schlecht er wirklich schläft, wenn sich noch jemand außer ihm selbst im Raum befindet. Es benötigt eine gehörige Portion Vertrauen, damit er so ruhig und entspannt neben jemanden schlafen kann. Nicht einmal Krangs Medikamente kommen gegen diesen tief in ihm verwurzelten Argwohn an. Und trotzdem hat er diese Nacht neben April verbracht und geschlafen wie ein Baby.

Diese Frau ist wirklich etwas ganz besonderes. Um seine Lippen zuckt unwillkürlich ein sanftes Lächeln, als er an die Art zurückdenkt, wie sie ihn immer anlächelt. Als wäre er etwas Besonderes.

Dabei ist sie es doch, die ihn langsam aber sicher verzaubert. Und das ist ein gutes Gefühl. Eines, das er jetzt endlich zulassen kann.

Aprils Worte von letzter Nacht haben etwas in ihm ausgelöst. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten gestattet er sich romantische Anwandlungen. Und so liegt er sekundenlang einfach nur da und verliert sich in den süßen Erinnerungen an all diese Kleinigkeiten, die sein Herz dazu bringen, in ihrer Gegenwart schneller zu schlagen. Die Art, wie sie sich die störenden Haarsträhnen zurück hinters Ohr streicht. Das Funkeln in ihren blaugrauen Augen. Die Art, wie selbstverständlich sie seine Hand hält. Wie weich ihre Lippen sind. Ihr Duft nach Orchideen, der selbst nach einer Nacht noch an ihr hängt. Aber vor allem: ihr Lächeln.

Dieses bezaubernde Lächeln.

Shredder seufzt unwillkürlich einmal tief auf.

Dann erinnert er sich daran, wie sie ihre Kleidung vom Fußboden aufhob. Das ist doch unmöglich! Eine regelrechte Zumutung.

Entschlossen springt er auf und eilt zu einem seiner Wandschränke, um wenigstens in der Hälfte davon Platz für ihre Kleidungsstücke zu schaffen.

 

 

April konnte es nicht lassen. Nachdem sie ihre wenigen neuen Habseligkeiten in Shredders freigeräumter Schrankhälfte verstaut hatte, schnorrte sie sich von ihm wieder einen Hoodie. Und jetzt sitzen sie in der Küche, er am Kopf der Tafel, wie es sich für einen Anführer geziemt, und sie selbst rechts von ihm - in einem Footclan-Hoodie!

Die Symbolkraft dahinter amüsiert sie.

Sie weiß nicht, wer sonst auf diesem Stuhl sitzt, denn niemand beschwert sich darüber oder wirft ihr merkwürdige Blicke zu.

Vielleicht sind aber alle einfach noch viel zu verschlafen, es ist immerhin erst kurz nach halb acht.

April kennt solche gemeinsamen Frühstücksrunden sonst nur aus der Redaktion. Mehr oder weniger erzwungene Zusammenkünfte mit Leuten, die man im seltensten Fall mag und üblicherweise höflich toleriert.

Privat frühstückt sie nur selten und wenn, dann macht sie immer noch etwas anderes nebenher. Aber sich einfach nur hinsetzen und speisen, gemeinsam mit anderen an einem Tisch - das hat sie schon seit Jahren nicht mehr getan. Jedenfalls nicht freiwillig.

Aber so, wie das hier gehandhabt wird, macht es richtig Spaß. Vielleicht liegt es an der Ungezwungenheit, wie hier jeder nach und nach in der Küche eintrudelt und sich seine Mahlzeit selbst zusammen stellt, vielleicht aber auch nur an der Gesellschaft.

„Ist das hier üblich? So ein gemeinsames Frühstück?" kommt April nicht umhin zu fragen, während sie belustigt zusieht, wie Rocksteady und Bebop ihre Cornflakes in sich hineinschaufeln. Sie genießt schon ihre zweite Tasse heißen Morgenkakao. Neben ihr löffelt Shredder brav seine Miso-Suppe, die Krang ihm mit einem strengen Blick vor die Nase gestellt hat.

Da April neugierig danach gefragt hat, hatte sie auch eine Schüssel erhalten. Es hat erstaunlich gut geschmeckt. Sie braucht trotzdem ihren süßen Kakao, um den würzigen Geschmack loszuwerden.

„Nicht zwingend, aber es hat sich irgendwie eingebürgert." Shredder schenkt ihr ein strahlendes Lächeln, das jedoch schnell verschwindet, als er dem einzigen körperlosen Gehirn am Tisch einen scharfen Blick zuwirft. „Krang ist es ganz Recht. Auf die Art kann er uns gleich seine Sklavenarbeit für den Tag aufs Auge drücken."

Besagter grinst nur bis über beide nicht vorhandenen Ohren.

„Danke für das Stichwort. Da draußen steht ein Modul, das hierher abgeschleppt werden muß."

Shredder brummt zustimmend.

„Mache ich gleich nach dem Frühstück."

Dafür erntet er von Krang ein scharfes Zischen und einen bitterbösen Blick in Verbindung mit einem ungnädigen Klaps mit dem Tentakel gegen die Schulter.

„Nichts machst du. Von dir war nicht die Rede. Ich meinte deine beiden Hiwis!" Bebop und Rocksteady nicken eifrig.

„Du", vielsagend stupst Krang mit einem anderen Tentakel gegen Shredders Nase und April wird das Gefühl nicht los, dass er sich das, was er jetzt sagt, ganz spontan aus den nicht vorhandenen Fingern saugt, „wirst mir beim Entschlüsseln der Puzzlebox helfen. Und unser reizender Gast wird uns assistieren."

Er wirft April einen herausfordernden Blick zu, ganz so, als erwarte er Widerspruch. Aber April nickt nur, lächelt und meint begeistert:

„Gerne, Krang."

Shredder wirft ihr einen erstaunten Blick zu. „Wirklich? Du musst nicht machen, was Krang dir befiehlt. Du bist Gast hier."

„Ich weiß." Ihr Lächeln vertieft sich und sie legt ihm die linke Hand auf den Unterarm, während sie sich zu ihm hinüberlehnt, um ihm einen kurzen Kuß auf die Wange zu geben.

„Aber ich liebe solche Rätsel."

Als sie ihn vor allen küsst, wird Shredder richtig verlegen.

Aber Rocksteady und Bebop grinsen sich nur verstohlen an und Krang reibt sich glucksend die Tentakel. Ob er das jetzt macht, weil ihn Aprils Antwort so zufriedenstellt oder wegen des Kusses bleibt sein Geheimnis.

19. Kapitel

 

Im Labor ist es frisch, um nicht zu sagen kühl und April ist wirklich froh über diesen kuschelig-warmen Hoodie.

Sie wirft Shredder neben sich einen prüfenden Blick zu. Sie hofft, dass ihm die kühlen Temperaturen nicht schaden, aber erstens trägt auch er ein warmes Sweatshirt und zweitens scheint er die Kühle hier nicht einmal zu bemerken. Außerdem würde Krang ihm doch bestimmt nichts zumuten, das seine Gesundheit beeinträchtigt, oder?

Immerhin hat er seit dem Aufstehen nicht ein einziges Mal gehustet. Und das ganz ohne zusätzliche Medikamente! Sie muß Krang unbedingt mal nach den Wundermittelchen seiner Hausapotheke fragen. Vielleicht hat er ja auch etwas gegen ihre monatlichen Unterleibskrämpfe ... falls sie es über sich bringt, je darüber zu reden.

Gedanklich gibt sie sich einen Tritt - dass sie aber immer auch so abschweifen muss! Aber wer will es ihr auch verübeln? Immerhin steht sie neben ihrer nun-nicht-mehr-so heimlichen Liebe, nachdem sie erst vor wenigen Stunden in seinen Armen erwachen durfte und jetzt arbeiten sie zusammen, als hätten sie nie etwas anderes getan. Das ist neu und aufregend und zugleich so furchtbar normal, dass ihre Gedanken da natürlich auf triviale Abwege geraten. Nur so kann ihre Psyche das alles verarbeiten.

Und diese zylinderförmige Puzzlebox vor ihnen auf dem Tisch ist ihr da ebenfalls eine große Hilfe, denn es war keine Lüge, was sie bezüglich Rätsel zu Krang sagte.

„Das ist chinesisch, oder?" Vorsichtig fährt sie mit dem Zeigefinger über die ausgestanzten Symbole auf einer der sechs Walzen. „Stammen die japanischen Schriftzeichen nicht von den chinesischen ab?"

Leicht pikiert hebt Shredder die linke Augenbraue.

„Das englische Alphabet besteht aus lateinischen Buchstaben. Kannst du Latein?"

Oh, da ist sie wohl unabsichtlich in ein Fettnäpfchen getreten.

Er bemerkt auch, dass er sich ziemlich im Ton vergriffen hat und will sich gerade bei ihr entschuldigen, aber da drückt sie schon lächelnd seinen Oberarm. Sie mochte diese kleinen Reibereien zwischen ihnen schon immer und sie sollen nicht aufhören, nur weil sie dabei sind, ein Paar zu werden.

„Gibt es hier so etwas wie ein Übersetzungsprogramm?" erkundigt sie sich und dann, als sich Shredder ächzend an die Stirn schlägt. „Was?"

„Dass ich nicht selbst darauf gekommen bin!" Kopfschüttelnd tippt er auf dem Bedienfeld am Tischrand herum und sofort tasten Lichtstrahlen die Puzzlebox von allen Seiten ab.

Krang meldet sich aus dem Hintergrund und meint spitz: „Wärst du vielleicht, wenn du April nicht ständig so anhimmeln würdest."

Bevor Shredder daraufhin etwas Passendes erwidern kann, stupst ihm April schon aufmunternd in die Seite.

„Lass dich von ihm nicht ärgern. Der ist doch bloß neidisch. Und überhaupt, Krang", will sie herausfordernd von dem Alien wissen, „wolltest du nicht schon gestern diese Box untersuchen? Wo sind deine Ergebnisse? Sollen wir wieder bei Null anfangen? Oder hast du lieber deine Seifenopern gesehen?"

Krang zieht eine betont unschuldige Miene und tippt weiterhin ungerührt auf seinem Tablet herum.

„Ich war tatsächlich mit etwas anderem beschäftigt", gibt er seelenruhig zu.

April und Shredder werfen sich einen belustigten Blick zu, sind aber klug genug, nicht weiter darauf herum zu reiten und vertiefen sich lieber wieder auf das Rätsel, das vor ihnen liegt.

Krang seinerseits beobachtet sie noch ein paar Sekunden lang, bis er sicher sein kann, dass sie nicht mehr zu ihm hinübersehen und widmet sich dann wieder dem Chatroom auf seinem Tablet.

Kay: - Eine Kerze ist romantisch genug. Übertreibung schadet nur.-

Arktisfan: - Ja, und dasselbe gilt für die Mahlzeit. Nichts zu ausgefallenes, aber schön angerichtet.-

Beinahe hätte Krang mit den Augen gerollt. Bei wissenschaftlichen Themen sind diese Chatgespräche mit den Krangs aus den anderen Universen eine wahre Inspiration, aber wenn es um andere Dinge geht, verraten sie ihm nichts, was er nicht auch schon weiß. Sich mit ihnen auszutauschen macht trotzdem Spaß, also macht er weiter.

DaseinzigechteAlien: -Zeig sie uns mal!-

KaosKrang: -Au ja, bitte!-

Vorsichtig hebt Krang sein Tablet etwas an und richtet es heimlich so auf die beiden, dass die eingebaute Kamera sie einfängt. Nur für eine Sekunde, aber die genügt, damit die anderen Krangs ihre Begeisterung in vielen, bunten Emojis zeigen.

In einem untypischen Anfall von Eifersucht (die beiden gehören zu seinem Universum!), beendet er unter einem Vorwand den Chat.

Eine Zeitlang betrachtet er April und Shredder einfach nur sinnend, dann nickt er sich selbst zu, verabschiedet sich mit einem „ich hab noch was zu tun" von den beiden und verlässt das Labor ohne sich noch einmal umzudrehen.

 

 

Verdutzt sieht April Krang nach, bis sich die Tür wieder zischend hinter ihm schließt. Dann schüttelt sie den Kopf und meint an Shredder gewandt:

„Nicht zu fassen. Sind ihm seine Seifenopern wirklich wichtiger als das hier? Nachdem du dir extra für ihn so viel Mühe gegeben hast, diese Puzzlebox zu stehlen, obwohl du so krank warst?"

„Es war nicht extra für ihn...", wehrt er ab, stockt, als ihm bewusst wird, was er da eben gesagt hat und reibt sich dann verlegen den Nacken. „Na ja, ich musste einfach mal raus hier", gibt er zu. „Und da kam mir diese Ausstellung einfach wie gerufen. Wo ich doch schon die anderen guten Gelegenheiten verpasst hatte. Diese Forschungsergebnisse aus diesem Organe züchtenden Labor hätten Krang bestimmt sehr gefallen. Er sucht ja ständig nach Möglichkeiten, um wieder an einen Körper zu kommen..." Er hält inne und schenkt ihr dann ein schiefes Lächeln. „Aber in einem hatte er gestern auch recht: ich wollte dich wiedersehen."

Dann hat er ihre live-Sendungen also wirklich gesehen. Aus irgend einem Grunde bringt diese Erkenntnis ihr Herz heftig zum Klopfen.

„Ich dich auch", gibt sie zu und kann nicht anders, als ihn anzustrahlen. „Bei jeder dieser live-Reportagen hatte ich gehofft, dass du auftauchst."

„Wirklich?"

„Ja."

Für einen Moment starrt er sie einfach nur an.

„Warum?" fragt er dann gespannt. Es ist nicht so, dass er es sich nicht denken könnte, aber er will es so gerne von ihr hören.

Sie tut ihm den Gefallen. Sie macht sogar noch etwas mehr: sie kommt um den Tisch herum, stellt sich direkt neben ihn und legt ihm die rechte Hand auf den Oberarm. Lächelnd blinzelt sie zu ihm auf.

„Aus denselben Gründen wie bei dir", erwidert sie dann erwartungsgemäß. Und dann zögert sie und ihre Mimik zeigt so etwas wie Schuld. „Aber ... nicht nur", gibt sie leise, beinahe verzagt, zu. Das, was sie ihm jetzt sagen will, ist ihr so unangenehm, dass sie es nicht mehr wagt, ihm in die Augen zu sehen. Stattdessen richtet sie ihren Blick auf den Labortisch, als wäre er das Interessanteste weit und breit. „Splinter ist da etwas von einem Gerücht herausgerutscht. Und ich wollte einfach deine Seite hören."

Irritiert runzelt Shredder die Stirn.

„Welches Gerücht? Es gibt viele und die meisten habe ich selber in Umlauf gebracht."

Unwillkürlich lacht sie leise auf und stößt ihm vergnügt mit dem Ellbogen in die Seite.

„Du bist wirklich ein Schuft, nicht wahr?"

„Man tut, was man kann." grinst er selbstzufrieden, zögert kurz und gibt den Ellbogenstoß auf gleiche Weise zurück - nur sehr viel sanfter. „Na, erzähl schon - welches Gerücht meinst du?"

Sie holt einmal tief Luft und schenkt ihm wieder dieses verzagte Lächeln.

„Das, wo es heißt, Hamato Yoshi und du wärt ein Paar."

Für einen Moment blinzelt er sie einfach nur an.

„Das... stammt nicht von mir", erklärt er schließlich gedehnt. „Es ist dann auch ziemlich schnell Gras darüber gewachsen. Soll das heißen, Splinter hat deswegen immer noch ein schlechtes Gewissen?" Nachdenklich reibt er sich das Kinn. „Interessant..."

Ihr gefällt der Ausdruck in seiner Miene nicht, erinnert er sie doch zu sehr an ihre eigene Reaktion. Aber anders als damals gibt es jetzt auch Indizien, die diese absurden Gedanken rechtfertigen.

„Zwei deiner Doppelgänger sind mit Splinter zusammen", spricht sie es schließlich laut aus.

„Und Rocksteady mit Irma", wirft er sofort ein.

„Wirklich?" blinzelt April verdutzt und zuckt dann mit den Schultern. „Na ja, wär auf alle Fälle eine Verbesserung. Ihr derzeitiger Freund ist ein echter Vollidiot." Natürlich ist das keine nette Aussage, aber es ist die Wahrheit. Und nichts, was sie Irma nicht auch schon mal gesagt hat. „Ich frage mich, wo unsere Doppelgänger anders abgebogen sind als wir, um in diesen Partnerschaften zu landen." Mit Schaudern denkt sie an ihre Doppelgängerinnen, die mit Casey Jones zusammen sind.

„Denk nicht drüber nach", aufmunternd legt Shredder ihr einen Arm um die Schultern. „Davon bekommst du nur Kopfschmerzen."

April mag das Gefühl von Shredders Arm um ihre Schultern und lehnt sich daher unwillkürlich in seine Umarmung hinein. Jedenfalls so lange, bis sie sich beide dessen bewusst werden. Sie tauschen einen schnellen, verlegenen Blick und dann nimmt Shredder räuspernd seinen Arm wieder zurück. April, der ihre Anschmiegsamkeit plötzlich auch etwas peinlich ist, weicht einen halben Schritt beiseite und deutet betont auffordernd auf die Puzzlebox vor ihnen auf dem Tisch.

„Richtig. Zerbrechen wir uns lieber den Kopf über das Ding hier. Ist die Übersetzung langsam fertig?"

Sie hat kaum ausgesprochen, da leuchten auf der Tischplatte hellgrüne Zeichen und Buchstaben auf. April ist ganz fasziniert, denn diese Art von Technik kennt sie bisher nur aus Science-Fiction-Filmen. Sie wusste gar nicht, dass das Technodrome so etwas kann. Daher gibt sie auch ein beeindrucktes „wow" von sich, bevor sie sich zusammen mit Shredder neugierig darüber beugt.

Doch schon nach dem ersten genaueren Blick werfen sie sich ratlose Blicke zu. Das dort ist nur die Übersetzung der chinesischen Schriftzeichen ins Englische. Zumindest in die englischen, entsprechenden Silben. April kann damit noch weniger anfangen als Shredder - sie will gar nicht wissen, wieviele mögliche Kombinationen es hier gibt, wahrscheinlich sind es Millionen!

„Und was jetzt?" fragt sie ratlos.

Shredder zuckt mit den Schultern.

„Keine Ahnung. Lassen wir den Computer arbeiten. Soll uns die KI ein paar Kombinationen vorschlagen."

Mit diesen Worten gibt Shredder einen entsprechenden Befehl ins Bedienfeld am Tischrand ein und schon flimmern über die Tischplatte die verschiedensten Kombinationen, schneller als das menschliche Auge sie erfassen kann.

Von einem der anderen vielen Labortische zieht Shredder zwei Stühle heran und rückt ihr einen davon auffordernd zurecht. Es ist  ein Drehstuhl und nachdem sich April hingesetzt hat, schiebt er sie mitsamt Stuhl ganz gentlemanlike an den Tisch. Dann geht er zum Wasserspender in der Ecke und kommt mit zwei gefüllten Bechern zurück.

Lächelnd nimmt sie ihren entgegen, nimmt einen Schluck und lehnt sich dann bequem zurück. Er setzt sich, tut es ihr gleich und für die Dauer einiger Sekunden starren sie einfach nur auf das Artefakt vor ihnen, auf dessen metallischer Oberfläche sich die grünen Anzeigen widerspiegeln.

„Was glaubst du, was wohl da drin steckt?" meint April schließlich versonnen.

Shredder zuckt mit den Schultern.

„Könnte alles mögliche sein. Ursprünglich wurden in so etwas geheime Dokumente versteckt. Aber vielleicht ist uns in den letzten Jahrhunderten schon jemand zuvor gekommen und es ist schon längst nichts mehr drin."

„Und wenn da doch was drin ist... Vielleicht eine uralte Zauberformel?"

„Ich tippe eher auf ein militärisches Dokument wie geheime Truppenbewegungen oder Angriffsziele."

„Vielleicht", scherzt sie, „sind das auch nur die gesammelten Liebesbriefe von Kaiser und Kaiserin?"

Er kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Das ist aber wirklich ein sehr romantischer Gedanke, April."

Sie lächelt vergnügt zurück.

„Na, ich denke, das wäre doch genau nach Krangs Geschmack, oder?"

Er grinst zurück, wird dann aber wieder ernst.

„Eigentlich sollte er das hier machen. Das Knacken solcher Rätsel ist genau sein Ding. Da ist es fast nebensächlich, was da drin ist."

„Das verstehe ich nur zu gut."

„Ja? Ich auch."

Sie grinsen sich verschwörerisch zu. Und dann fällt April etwas auf.

„Du hast meine Frage nicht beantwortet",vorwurfsvoll funkelt sie ihn an.

„Welche Frage?" erwidert er betont unschuldig.

Zuerst mustert sie ihn unter streng zusammengezogenen Augenbrauen, aber dann kommt ihr bei dem Anblick seiner lässig dasitzenden Gestalt eine ganz andere Idee.

„Du weißt, was ich meine", schnurrt sie mit seidenweicher Stimme, während sie mit einer einzigen fließenden Bewegung von ihrem Stuhl direkt auf seinen Schoß wechselt. „Weiche mir nicht aus. Oder soll ich dich zu einer Antwort zwingen?"

Sie legt ihm ihre Arme um den Nacken und sieht ihm dabei tief in die Augen. In seinen Mundwinkeln zuckt es amüsiert, aber er versucht, ernst zu bleiben, während er sie an den Hüften fasst und zurückschnurrt:

„Du willst mich zwingen? Du? Womit denn?"

Sie lächelt nur und nähert ihr Gesicht dem seinen, bis sie nur noch wenige Zentimeter voneinander trennen und jeder den warmen Atem des anderen auf seiner Haut spüren kann.

„Beantworte meine Frage", raunt sie zuckersüß und rutscht neckisch mit ihrem Hinterteil auf seinem Schoß hin und her. „Wenn du willst, dass ich weitermache..."

Er grinst nur diabolisch, legt ihr eine Hand in den Nacken und drückt sie kompromißlos zu einem Kuss zu sich heran. Er ist stark und selbst wenn sie es wollte, könnte sie sich nicht gegen ihn wehren. Als sich ihre Lippen berühren, ist es, als würde ein Feuerwerk in ihrem Magen erwachen.

Aber nein, nein! - kurz bevor sie zu einem Zungenkuss übergehen können, dreht sie ihren Kopf zur Seite und zieht ihn zugleich außer Reichweite zurück. Seine Hand liegt immer noch in ihrem Nacken und obwohl er es könnte, hält er sie nicht zurück. Aber er macht eine sehr enttäuschte Miene.

„Du musst mir nur antworten", lächelt sie schelmisch und ein wenig atemlos und stupst ihn dann neckend mit dem Zeigefinger gegen die Nasenspitze.

Er verdreht zwar die Augen, gibt aber nach.

„Es war nur ein Gerücht und nur grenzdebile Idioten haben es geglaubt."

Sie nickt ihm nur auffordernd zu. Wieder verdreht er die Augen, aber er gibt abermals nach.

„Zu der Zeit war ich Hamatos bester Schüler und in den neidischen Augen der anderen machte mich das auch zu seinem Lieblingsschüler. Dass viel hartes Training und noch mehr Disziplin dahinterstand, sahen sie nicht", erklärt er, während seine Hände langsam von ihren Hüften unter ihr Sweatshirt und die Tunika rutschen, wo sie sachte über ihre warme, samtige Haut streicheln. Sie versucht, sich davon nicht beirren zu lassen und konzentriert sich ganz auf seine Worte. „Hamato hat mich auch nie offenkundig bevorzugt. Im Gegenteil - erst versprach er mir sein Dojo, dann gab er es doch einem anderen. Und schuld daran war nur dieses dumme Gerücht. Er brach sein Versprechen, nur, weil es dieses Gerücht bestätigt hätte. Dabei war er wirklich nur mein Sensei, mehr nicht. Jedenfalls für mich. Was ihn betrifft -", er zuckt die Achseln, „- das weiß ich nicht. Seine Hände waren nie dort, wo sie nichts zu suchen hatten. Aber ob er schmutzige Gedanken hatte, weiß ich natürlich nicht."

„Hm...", macht sie, während ihre Finger unbewusst im selben Rhythmus wie seine über seinen Nacken streicheln. „Und hattest du so etwas? Schmutzige Gedanken?"

„Damals oder jetzt?" grinst er frech zurück.

Sie lehnt sich nur wortlos vor und küsst ihn.

 

 

April fühlt sich in ihre Teenagerzeit zurück versetzt, damals, als sie ihren ersten Freund hatte. Küssen, streicheln, verliebte Worte tauschen. Mehr nicht. Nur das. Und das ist einfach nur wunderschön.

Er küsst immer noch genauso gut wie gestern und seine Hände auf ihrem Bauch und Rücken mögen vorwitzig sein, aber sie sind nicht dreist. Er versucht nicht, unter ihren BH zu gelangen, geschweige denn, am Verschluss herum zu fummeln. Ob er schüchtern oder das ganz einfach nur seine Art ist, kann sie nicht beurteilen, aber ihr gefällt dieses ruhige, besonnene Spielart der Verführung. Außerdem könnte er sie den ganzen Tag lang nur so küssen und halten und es würde ihr genügen. Sie hat sich noch nie so sehr als Frau begehrt und gleichzeitig respektiert gefühlt wie hier und jetzt.

Aber abgesehen von seinen süchtig machenden Küssen und traumhaft zärtlichen Berührungen, fühlt er sich auch gut an unter ihren neugierigen Fingern. Sein schönes, dunkles Haar ist weich wie Seide und seine Haut so warm und seine Muskeln so hart. Dieser Mann hat wirklich kein Gramm Fett zuviel an seinem Körper! Und er riecht und schmeckt so gut!

„Ich liebe dich", seufzt sie gegen seinen Nacken, als sie doch irgendwann diesen traumhaften Kuss unterbrechen müssen, damit Shredder wieder mal tief einatmen kann. Er hustet leicht, doch er hat sie trotzdem gehört und drückt sie mit einem leisen „ich dich auch", fest an sich.

Keine halbe Minute später machen sie da weiter, wo sie eben noch aufgehört haben...

 

20. Kapitel

 

Sie haben das Rätsel gelöst. Na gut, nicht sie, sondern der Computer, aber sie haben die Kombination an der Puzzlebox eingegeben – gemeinsam – um jetzt vor einem weiteren Rätsel zu stehen. Im Inneren des Artefakts befand sich eine Pergamentrolle, bei der es sich auf den ersten Blick um eine Schatzkarte zu handeln scheint. Aber das soll Krang genauer untersuchen und er soll auch darüber entscheiden, ob und wie sie auf Schatzsuche gehen sollen. Denn es ist schon drei Uhr nachmittags, sie haben das Mittagessen verpasst und auch wenn sie sich die Zeit gut zu vertreiben wußten – es wird Zeit, daß Krang jetzt auch mal etwas tut.

Schließlich gehört die Puzzlebox samt Inhalt ihm.

Und ihnen knurrt beiden der Magen. Sie brauchen etwas zum Essen. Warten, Küssen und Schmusen macht hungrig.

Und so machen sie sich auf den Weg zur Kommandozentrale.

Doch sie haben gerade mal die Hälfte des Weges hinter sich gebracht, da fühlt sich April plötzlich gepackt und herumgewirbelt. Sie findet sich mit dem Rücken an der Wand wieder, öffnet den Mund, aber mehr als ein überraschtes „hey?“ kommt nicht heraus, denn da pressen sich schon Shredders Lippen auf ihre und sie ertrinkt in einem leidenschaftlichen Zungenkuß.

Sein großer, starker Körper ist ihr so nahe, daß sie seine Wärme spüren kann. Und mit jedem Atemzug dringt ihr dieser unverwechselbare Vanilleduft in die Nase. Und obwohl sie durch die letzten Stunden genau daran gewöhnt sein sollte, beginnt ihr Herz plötzlich wie wild zu klopfen und ihr wird ganz schwindlig.

Sie spürt seine Hände an ihren Wangen, warm, präsent und sicher, wie sie ihren Kopf für diesen Kuß in Position halten, als befürchte er, sie könnte vor ihm die Flucht ergreifen. Aber selbst, wenn sie das gewollt hätte, wäre das nicht möglich gewesen – so weich, wie ihre Knie inzwischen geworden sind.

Und zu einem guten Teil liegt es auch genau daran, daß sie ihre Arme um seinen Nacken schlingt und sich haltsuchend an ihm festklammert.

Nachdem der erste Schrecken verflogen ist, läßt sie sich behaglich in diesen Kuß hineinfallen und genießt die warmen, aufregenden Gefühle, die das alles in ihr auslöst. Und ihr wird klar: auch wenn das jetzt sehr überraschend kam und sehr stürmisch ist – es ist nur ein Bruchteil jener Leidenschaft, die wirklich in ihm schlummert. Noch hält er sich zurück.

Das ist reizend, richtiggehend süß, aber ein Teil von ihr kann es gar nicht mehr erwarten, bis er auch die letzte Maske fallen lässt. Sie will ihn wild und ungezügelt, ganz pur und unverfälscht, denn dann kann auch sie sich vollständig gehenlassen und sie beide zusammen, das wird, dessen ist sie sich gewiß, einfach nur atemberaubend.

Aber nicht jetzt, nicht hier auf dem Gang, darin stimmen sie überein.

Trotzdem ist sie enttäuscht, als sich Shredder mit einer leisen Entschuldigung wieder zurückzieht.

„Das war jetzt zu stürmisch, entschuldige.“

„Quatsch.“ Hastig hält sie ihn am Kragen seines Sweaters zurück. „Ich mag's stürmisch.“

Mit einem vielsagenden Ruck zieht sie ihn wieder ganz dicht zu sich heran, stellt sich auf die Zehenspitzen und gibt ihm einen Kuß, der seinem an Leidenschaft in nichts nachsteht.

Und um ihm zu beweisen, daß sie es wirklich, wirklich ernst meint, presst sie ihren Körper ganz fest an seinen.

 

 

Irgendwann, irgendwie, trennen sie sich schließlich wieder voneinander. Erhitzt und mit wundgeküssten Lippen zupfen und streichen sie sich gegenseitig ihre leicht derangierte Kleidung zurecht und kämmen sich noch einmal mit den Fingern durchs Haar, bevor sie es wagen, die Kommandozentrale zu betreten.

Gehorsam gleitet das riesige Tor beiseite und - Dunkelheit empfängt sie.

„Was ist denn jetzt schon wieder los? Ist schon wieder 'ne Leitung durchgebrannt?" entfährt es Shredder genervt.

Aus der Dunkelheit kommt ihnen erst ein tadelndes „ts" entgegen und dann etwas, das wie ein unterdrücktes Kichern klingt. Ein Feuerzeug flammt auf und wenig später spendet eine einzelne Kerze etwas Licht. Es dauert ein paar Sekunden, bis die Flamme ihre maximale Größe und Helligkeit erreicht hat, aber dann...

„Was-" beginnen April und Shredder beinahe gleichzeitig und sie stocken auch beide schon nach diesem ersten Wort, zu sehr überrascht sie das, was ihnen ihre Augen hier melden.

„Ihr habt hoffentlich genug Hunger mitgebracht", ertönt Krangs amüsierte Stimme aus den Schatten.

Die Umrisse seines klobigen Roboterkörpers sind gerade noch so zu erkennen. Es ist, als halte er sich absichtlich aus dem wenigen von dem, was die Kerze erhellen kann, so dass der fulminante Anblick eines festlich gedeckten Tisches nicht gestört wird.

„Diese beiden Kretins haben sich sehr viel Mühe gegeben. Enttäuscht sie also nicht."

Es ist klar, wen er damit meint. Breit grinsend treten Rocksteady und Bebop aus den Schatten. Fast hätten April und Shredder sie in der eleganten Livree, die sie tragen nicht erkannt.

„Ich für meinen Teil gehe jetzt, ich habe nämlich besseres zu tun", gibt Krang übertrieben arrogant bekannt, während er sich anschickt, die Kommandozentrale zu verlassen.

Dabei muss er allerdings an ihnen vorbei und nimmt dem wie erstarrt dastehenden Shredder dabei das zusammengerollte Pergament aus der Hand.

„Oh, wie ich sehe, habt ihr mir was mitgebracht. Na dann, werde ich mir das mal ansehen, nicht wahr? Und euch wünsche ich ein schönes Date."

Date? April und Shredder wechseln einen überraschten Blick.

Doch ja, wenn das hier die Rahmenbedingungen für ein Date sein sollen, ergeben der einzelne, hübsch gedeckte Tisch samt Kerze und die beiden herausgeputzten, bis über beide Ohren grinsenden Mutanten einen Sinn.

„Oh mein Gott!" entfährt es April. Peinlich berührt legt sie die Hände an ihre Wangen, die, das spürt sie deutlich, leuchtend rot geworden sind. „Darauf bin ich gar nicht vorbereitet. Wie seh ich denn aus? Ich bin überhaupt nicht passend gekleidet...." verzweifelt streicht sie sich durch die Haare. Dabei sind die noch ihr kleinstes Problem, wenn sie daran denkt, das letzte Mal heute Morgen geduscht zu haben.

„Keine Panik." Lächelnd fängt Shredder ihre wild herumfuchtelnden Hände ein und hält sie fest.

In seinen dunklen Augen tanzen kleine, amüsierte Funken. Oder ist das nur das flackernde Kerzenlicht, das sich in ihnen spiegelt?

„Du siehst toll aus. Und für mich gilt schließlich dasselbe, nicht wahr? Ich hätte auch gerne nochmal hiervor geduscht, wenn ich es gewusst hätte."

Es ist, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Wow. Dieser Mann ist wirklich mit ihr auf einer Wellenlänge. Für einen Moment starrt sie ihn einfach nur hingerissen an, dann wird ihr das bewusst und sie wechselt verlegen das Thema.

„Wir können sie nicht enttäuschen", meint sie flüsternd mit einem vielsagenden Blick zu Rocksteady und Bebop hinüber.

Bevor Shredder etwas dazu sagen kann - aber immerhin kommt er gerade noch dazu, bestätigend zu nicken - macht Rocksteady einen Schritt auf sie zu und will besorgt wissen:

„Was ist los? Warum steht ihr noch da herum und tuschelt? Gefällt es euch nicht?"

„Oh doch", beeilt sich Shredder sofort zu sagen.

„Sehr sogar", meint April im selben Moment. „Es ist nur...", etwas verlegen deutet sie an sich herab, „wir sind überhaupt nicht passend gekleidet. Mir ist das schon ein bißchen peinlich. Ihr habt euch so viel Mühe gegeben und ich stehe nur in Jeans und Hoodie da..."

„Wenn wir euch gesagt hätten, ihr sollt euch festlich kleiden, wär das doch keine Überraschung mehr", grinst Rocksteady nur, wobei er seinen Blick so eindeutig über April wandern lässt, dass seine nächsten Worte niemanden mehr in Erstaunen versetzen:

„Du siehst super aus, April. Immer. Egal, was du trägst."

„Das ist ja wohl mein Text", rügt ihn Shredder halb belustigt, halb verärgert.

„Aber ich war schneller." Frech streckt ihm Rocksteady die Zunge heraus.

Daraufhin hebt Shredder die Hand, als wolle er ihn schlagen und Rocksteady duckt sich und weicht kichernd einen Schritt zurück.

Wie albern. Und so typisch! April kann sich ein kleines Glucksen nicht verkneifen.

Mit einem vernehmlichen Räuspern macht Bebop, der bisher alles nur stumm beobachtet hat, auf sich aufmerksam.

Lautstark rückt er einen der Stühle am Tisch zurück und meint auffordernd:

„Wenn ihr jetzt bitte Platz nehmen wollt..."

 

21. Kapitel

 

April gibt sich Mühe, ihre Tränen der Rührung weg zu blinzeln und flüchtet sich in ein verlegenes Lächeln und in ihre guten Manieren. Und so kommt es, dass sie sich mehr als es nötig wäre bedankt, als Rocksteady ihnen Wein einschenkt und Bebop kurz darauf die Vorspeise – eine einfache Champignonsuppe – serviert. Doch sie spürt das Brennen ihrer Wangen und hofft nur, dass es im sanften Kerzenlicht nicht auffällt, wie rot sie hier wird.

Aber das ganze ist einfach nur zu süß!

Und die beiden ansonsten so plumpen Mutanten bewegen sich so graziös als wären sie die geborenen Kellner eines fünf-Sterne-Restaurants. Sie sind immer zur Stelle, wenn es darum geht, ihnen neu einzuschenken oder wenn es darum geht, zum Hauptgang zu wechseln und halten sich ansonsten so dezent zurück, dass man ihre Anwesenheit glatt vergessen könnte.

An und für sich mag April eigentlich keinen Fisch, aber das liegt nur daran, dass sie bisher noch niemals Rocksteadys und Bebops Forelle blau nach Müllerin Art probiert hat.

Schon nach dem ersten Bissen, der so zart ist, dass er regelrecht auf der Zunge zergeht, ist die voll des Lobes.

„Danke", bedankt sich Rocksteady für sie beide und wehrt dann bescheiden ab. „Aber du solltest mal Shredders Sushis probieren. Dagegen ist unsere Forelle nichts."

„Das werde ich", erwidert April, der das Spiel wenn-ich-gelobt-werde-lenke-ich-die-Aufmerksamkeit-auf-was-anderes-bevor-ich-vor-Verlegenheit-rot-anlaufe nur zu bekannt vorkommt. „Aber jetzt genieße ich das, was ihr gezaubert habt. Dein Sushi versuche ich gerne das nächste Mal", meint sie lächelnd zu Shredder.

Dieser lächelt zurück.

Vielleicht liegt es am Kerzenlicht, aber sie könnte schwören, dass sich seine Wangen leicht gerötet haben. Aha. Kann er etwa mit Lob genauso schlecht umgehen wie seine Mutanten? Oder liegt das nur daran, dass es von ihr kommt?

Wie auch immer - sie findet das ausgesprochen charmant. Und plötzlich erinnert sie sich.

„Sushi, hm? Stand das nicht auf deiner Liste für ein Date? Selbstgemachtes Sushi und ein cooler Horrorstreifen?"

Er schenkt ihr ein verlegenes Lächeln über den Rand seines gefüllten Weinglases hinweg und hält es ihr dann auffordernd entgegen. Sie versteht den Wink. Und nachdem ihre Gläser nicht zum ersten Mal, aber mit einem vernehmlichen „kling" aneinander gestoßen sind und sie jeder einen kleinen Schluck genommen haben, meint er mit einem verschmitzten Augenzwinkern:

„Wenn Krang uns nicht dazwischenfunkt, können wir uns danach Saw ansehen. Oder wäre dir so etwas wie Alien lieber?"

„Hm...“, meint sie nachdenklich, während sie eine Kartoffel auf ihre Gabel spießt. „Mir fällt auf, dass das jetzt alles andere als romantisch klingt..."

„Wir haben auch romantische Lovestories im Angebot. Krang kann uns da bestimmt was empfehlen."

Sie hätte sich beinahe an ihrem Bissen verschluckt, räuspert sich einmal und spült mit einem Schluck Weißwein nach.

„Nein, danke“, wehrt sie dann beinahe hastig ab. „Sich gemeinsam zu gruseln kann auch sehr romantisch sein."

Oh ja, sie wollte sich schon immer mal bei den besonders schauderhaften Szenen in die Arme eines starken Mannes flüchten, das Gesicht an seiner Schulter vergraben und sich an seine breite Brust schmiegen. Nicht, dass sie glaubt, dass es noch irgend einen Film gibt, der sie schocken könnte, aber das muß der Mann ihrer Träume ja nicht wissen.

Eine Zeitlang dreht sich das Tischgespräch tatsächlich um Horrorfilme und das ist nun wirklich kein Thema für ein romantisches Essen, aber das stört weder sie noch ihn. Nach einiger Zeit gewinnt Aprils Neugierde wieder die Oberhand und April kann gar nicht anders als ihn zu fragen, ob er in der DimensionX auch schon einmal auf Gestalten getroffen ist, die einem mörderischen Reptiloiden oder einem sadistischen Gestaltwandler Konkurrenz machen können. Das, was sie von der DimensionX weiß, passt auf eine Postkarte und sie wollte schon immer mehr darüber erfahren.

Da er bisher nie richtig über Krangs Heimat geredet hatte, genauso wenig wie Bebop und Rocksteady oder Krang selbst, ist sie sehr überrascht, als er ihr bereitwillig und sehr ausführlich darüber berichtet. Er hat ein Talent, mit Worten umzugehen und die amüsante, mitreißende Art, wie er ihr kleine Anekdoten über seine Begegnungen mit den Bewohnern dieser fremden Dimension erzählt, lässt sie gebannt an seinen Lippen hängen.

Darüber vergißt sie fast das gute Essen.

Bei einigen seiner Geschichten bleibt ihr fast das Herz stehen, denn auch, wenn er versucht, es herunterzuspielen, gab es da mehr als einen Moment, der ihn fast Kopf und Kragen gekostet hätte. Sie weiß, dass er ein gefährliches Leben führt, aber als sie das hört, wünschte sie sich fast, niemals gefragt zu haben.

Wie gut, dass Bebop, Rocksteady und Krang immer so gut auf ihn aufpassen. Und wie gut, dass das Technodrome jetzt wieder auf der Erde ist.

Irgend etwas von diesen Gedanken muß sich in ihrer Miene widerspiegeln, denn Shredder hält plötzlich inne, wirft ihr einen scharfen Blick zu und deutet dann beinahe anklagend mit dem Finger auf sie.

Dein Job ist auch nicht ungefährlich, vor allem nicht, wenn du mit den Turtles unterwegs bist. Wie oft wurdest du schon von anderen entführt als uns? Erzähl mir nicht, dass es angenehmer ist, sich in der Schußlinie von Baxter Stockman oder Ratking wiederzufinden. Außerdem weiß ich, wie du Motorrad fährst, Darling – dein Fahrstil ist lebensgefährlich.“

Beim „Darling“ leuchten ihre Augen auf, aber über seine restlichen Worte muß sie herzlich lachen.

„Touché“, meint sie und hebt ihr Glas, um mit ihm darauf anzustoßen.

Mit solchen und ähnlichen Gesprächen arbeiten sie sich langsam zum Dessert vor. Die Atmosphäre zwischen ihnen ist locker und entspannt, gespickt mit kleinen, nonverbalen Flirtereien – ein bedeutungsvoller Blick hier, ein zärtliches Lächeln dort und auch wenn dies hier total überraschend kam und sie sich nicht hübsch zurechtmachen konnte, ist es das schönste Date, zu dem April jemals gebeten wurde.

Und wäre sie es nicht schon längst, würde sie spätestens jetzt Shredders Charme verfallen. Und dabei ist er einfach nur er selbst!

 

 

Shredder kann kaum den Blick von ihr abwenden.

Sie ist anbetungswürdig.

Oh, er wußte, daß das passieren würde - er hat schließlich nicht ohne Grund all die Jahre allein den Gedanken daran, ihr nahe kommen zu dürfen, weit von sich geschoben. Aber jetzt ist es passiert, jetzt, wo er es sich gestatten kann, sie zu lieben, da kann er nicht mehr ohne sie sein. Er wird viele dumme Dinge tun, nur, damit sie ihn weiterhin mit demselben Lächeln ansieht wie jetzt.

Er hat so viel Glück, daß sie nicht will, daß er seine Freunde, seine kleine Ersatzfamilie verlässt, denn er würde es tun.

Für sie würde er es tun.

Sofort.

Wenn es ihr genauso geht - und sein Herz sagt ihm, dass dies so ist - wird es ihre Pflicht sein, gegenseitig aufeinander aufzupassen. Diese Vorstellung jagt ihm einen leichten Schauer über den Rücken und lässt die Schmetterlinge in seinem Magen noch aufgeregter flattern.

„Ein Foto?" plötzlich steht Bebop mit einer Polaroidkamera vor ihnen.

April ist sofort Feuer und Flamme und so rücken sie zusammen, er legt ihr einen Arm um die Schultern und dann lächeln sie in den aufflammenden Blitz hinein.

Kurz darauf zieht sich Bebop wieder rücksichtsvoll in die Schatten zurück und sie sehen zu, wie das Foto vor ihnen auf dem Tisch langsam Gestalt annimmt.

„Das ist ein schönes Bild von uns", meint April schließlich anerkennend. „Du hast ein gutes Händchen für Fotos, Bebop."

Aus den Schatten kommt ein gemurmeltes „Danke", und Shredder fühlt sich in einem Anflug von Stolz heraus verpflichtet, ihr zu erklären, dass die Landschaftsaufnahmen in seinem Quartier ebenfalls von Bebop gemacht wurden.

„Er ist so etwas wie unser Hausfotograf geworden", fügt er dann noch mit einem verschwörerischen Augenblinzeln in Richtung des Künstlers hinzu.

April betrachtet lange das Foto und schlägt dann lächelnd vor:

„Wenn ich eine Reportage über Grönland mache, könnte er vielleicht die Fotos schießen. Was meinst du, Beeps?"

Aus den Schatten kommt ein zustimmendes Grunzen.

„Eine Reportage über Grönland?" hakt Shredder neugierig nach.

„Ja, das hat eine meiner Doppelgängerinnen gemacht. Ich halte das für eine gute Idee."

Er hat ihr immer noch einen Arm um die Schultern geschlungen und streichelt nun nachdenklich über ihren Oberarm. Das klingt, als hätte sie schon ganz genaue Pläne für ihr Leben hier bei ihnen im Technodrome.

Die fremden Leben auf X-Zone haben offensichtlich nicht nur Krang inspiriert.

Vielleicht hätte er sich doch nicht nur die Accounts seiner Doppelgänger ansehen sollen...

Aprils leise. gedankenverlorene Stimme holt ihn zurück ins Hier und Jetzt.

„Wenn ich mir das Foto so ansehe, verstehe ich, wieso die Leute so etwas in den sozialen Medien posten. Ich bin so glücklich, ich würde es am liebsten der ganzen Welt mitteilen. Oh", unterbricht sie sich und im Schein der Kerze leuchten ihre Wangen plötzlich tiefrot, „das war jetzt sehr kitschig, nicht wahr? 'tschuldigung."

„Nein", beruhigend drückt er sie an sich und gibt ihr einen kleinen Kuß auf die Schläfe, „ich verstehe dich. Ich würde dieses Foto auch gern dem einen oder anderen unter die Nase reiben."

Sie fragt nicht, wen er damit meint, denn diese Frage erübrigt sich, wenn man ihn so gut kennt wie sie. Sie freut sich nur, dass sie sich in dieser Hinsicht so sehr ähneln.

Zufrieden kuschelt sie sich enger an ihn.

 

 

22. Kapitel

 

„Wahnsinn!" entfährt es April unwillkürlich, sobald sie sieht, was sich hinter der unscheinbaren Tür verbirgt.

Und nur eine Minute später, als ihr Krang zufrieden grinsend etwas reicht, was wie ein selbstgestaltetes Ticket aussieht und sie gelesen hat, was darauf steht, fragt sie sich ernsthaft, ob sie von Gedankenlesern umgeben ist oder ob Krang sie heimlich belauscht hat.

Weiß der Teufel, woher dieses gerissene Alien seine Informationen hat, es ist jedenfalls ziemlich unheimlich. Nicht nur, dass die beiden Mutanten sie nach dem wahrhaft köstlichem Dessert - Tiramisu, sie liebt Tiramisu! - zu diesem kleinen Kinosaal führen, nein, Krang hat ihnen auch noch einen Film herausgesucht, von dem schon die ersten beiden Teile auf ihrer Hitliste stehen.

Der Kinosaal ist eigentlich eher ein Raum mit einer Leinwand und zwanzig Sitzen davor und Shredder ist darüber genauso verblüfft wie sie.

Im Technodrome gibt es viele Räume, zu denen nur Krang ganz allein Zutritt hat, und dies hier ist einer davon, wie ihr Shredder flüsternd mitteilt. April, die Dank einer Reportage, die sie darüber mal gedreht hat, weiß, dass es sogar auf Kriegsschiffen zwecks Freizeitgestaltung der Seeleute so einen Vorführraum gibt, ist erstaunt, so etwas auch auf dem Technodrome vorzufinden. Sie dachte bisher immer, Kino sei eine rein irdische Erfindung. Aber vielleicht hat Krang diesen kleinen Kinosaal auch nachträglich eingebaut? Immerhin - er ist ein TV-Junkie, da liegt so etwas doch schon auf der Hand.

Ah, ihre Gedanken schweifen schon wieder ab!

Aber das ist normal, weil ihre Nerven gerade mit ihren Schmetterlingen um die Wette flattern. Sie fühlt sich wie ein Teenie mit ihrem ersten Freund zu Weihnachten.

Sie sitzen kaum, da finden ihre Finger schon wieder Shredders Hand und drücken sie ganz fest. Er legt ihr einen Arm um die Schultern und sie lehnt sich nur zu gerne an ihn.

Sie liebt es, sich an seinen warmen, starken Körper kuscheln zu können, dann fühlt sie sich immer so sicher und geborgen wie noch niemals zuvor in ihrem Leben. Seine Anwesenheit macht das mit ihr. Das war schon so, als sie immer seine Geisel war. Vielleicht konnte sie seine Drohungen ihr gegenüber deshalb niemals ernst nehmen.

Etwas in ihr wusste schon immer, dass er ihr nie auch nur ein Haar krümmen würde.

„Cube Zero“, hört sie Shredder leise flüstern. Er klingt leicht verstimmt. „Krang hat den bestimmt gewählt, weil er weiß, dass mir die Cube-Reihe Alpträume beschert. Es liegt an den Fallen“, schiebt er erklärend auf Aprils fragendes und aufmunterndes „Aha?“ hinzu. „Das erinnert mich immer an mein Ninja-Training. Wenn in solchen Filmen etwas vorkommt, was ich selbst auch nur auf ähnliche Art und Weise erlebt habe, dreht sich mir der Magen um. Nicht wörtlich, aber … ich entschuldige mich schon mal, wenn ich anfange zu kreischen wie ein Mädchen und mich an dich klammere.“

Sie verbeißt sich ein Kichern. Er und kreischen wie ein Mädchen? Da übertreibt er jetzt aber maßlos.

„Diese Filme sind dazu da, dass man sich gruselt“, erklärt sie nur und gibt ihm und sich dabei einen Freifahrtschein für peinliches Zusammenzucken und Ächzen für die nächsten siebenundneunzig Minuten. Und das besiegelt sie, indem sie ihm einen kleinen Kuss auf die Wange haucht.

Und wie nicht anders zu erwarten, ist das nur der Auftakt für einen längeren, leidenschaftlichen Zungenkuß.

Es ist göttlich.

Zum Glück sitzt sie schon, denn sie bekommt davon ganz weiche Knie.

Kurz bevor sie sich völlig darin verlieren können und der Film daher ohne sie startet, schieben Rocksteady und Bebop einen Servierwagen an ihrer Sitzreihe vorbei.

Sie haben ihre elegante Livree mit der gestreiften Uniform und dem Hütchen eines typischen 50er-Jahre-Snackverkäufers im Kino getauscht.

Das ganze ist so stilecht, dass ihr ein unwillkürliches „ihr seid so süß!" entfährt.

Und dann wird das Ganze noch stilechter - aber weniger süß - denn sie verlangen für das noch warme Popcorn und die eisgekühlte Cola tatsächlich Geld!

Aber weder sie noch Shredder haben etwas dabei.

„Das macht nichts", grinst Bebop breit, „von dir, April, nehmen wir auch einen Kuß."

„Ihr seid unverschämt", knurrt Shredder sofort, verstummt dann jedoch, als April sich erhebt.

Sie drückt erst Bebop und dann Rocksteady je einen Kuß auf die Wange und setzt sich dann wieder. In ihren Augen haben sich die beiden das in Anbetracht ihrer ganzen Mühe hier mehr als verdient.

Bebop und Rocksteadys Grinsen wird nicht nur breiter, sondern auch dümmlicher, als hätten sie damit jetzt nicht wirklich gerechnet.

„Yeah, ooookay...", räuspert sich dann Rocksteady, „aber das war jetzt nur für die Snacks. Für die Getränke wollen wir einen Tag im Monat, an dem wir mal bestimmen, was gemacht wird, okay?"

Erwartungsvoll sehen die beiden ihr Chefchen an. Der verdreht nur die Augen und nickt dann. Auf Aprils leicht erstauntes Blinzeln, erklärt er ihr ins Ohr wispernd:

„Die nerven mich schon seit Ewigkeiten nach so einem, wie sie es nennen, Familientag."

„Darf ich mitmachen?" fragt sie, während sie ihr Popcorn und die Cola von Rocksteady entgegen nimmt.

Der strahlt sie regelrecht an.

„Ja, heißt das, du bist dann noch bei uns? Aber natürlich darfst du dabei sein, April!"

April wird plötzlich bewusst, was ihre Antwort da impliziert hat und beißt sich verlegen auf die Unterlippe. Sie wirft Shredder neben sich einen ratsuchenden Blick zu, doch der lächelt nur und nickt ihr auffordernd zu.

Sie stößt die Luft, von der sie gar nicht wusste, dass sie sie angehalten hatte, mit einem leisen Zischen wieder aus.

„Ja", erwidert sie dann, während sie glücklich beide Arme um ihren Shredder wirft und sich eng an ihn drückt. „Ich habe nicht vor, zu gehen."

Rocksteady und Bebop lachen glücklich und machen sich dann so schnell mit ihrem Wägelchen wieder davon, dass ihre Intention mehr als deutlich ist. Sie wollen das junge Glück nicht weiter stören.

 

 

Viel bekommt April von diesem Film nicht mit.

Der Mann in ihren Armen ist viel interessanter. Ja, genau: er in ihren Armen. Denn genau wie er es ihr prophezeit hat, nehmen ihn gewisse Szenen sehr viel mehr mit als sie. Dann drückt er ihre Hand etwas fester oder vergräbt sein Gesicht in ihrem Haar oder sie spürt ganz einfach, wie seine Umarmung ein klein wenig enger wird.

Zuerst ist sie ein wenig überrascht, doch dann erkennt sie darin einen großen Vertrauensbeweis und kann es manchmal gar nicht mehr erwarten, dass er auf diese Art und Weise Schutz bei ihr sucht.

Ungefähr ab der Mitte des Films interessiert ihn gar nicht mehr, was da auf der Leinwand vor ihnen passiert und wenig später ergeht es ihr genauso, denn dann sind die Küsse und zärtlichen Berührungen, die sie tauschen, viel spannender.

Und bald schon scheint ihr Körper dort, wo seine warmen Finger über ihre bloße Haut streicheln, in Flammen zu stehen und auch dort, wo sie nur über den Stoff fahren - also an ihren Oberschenkeln - breitet sich langsam eine kribbelige Hitze aus, die ihr Bewusstsein ganz vernebelt.

Sie ahnt, wo das enden wird.

Sie hofft, dass es da enden wird.

Sie kann es kaum erwarten.

 

 

23. Kapitel

 

Sie weiß nicht, wie der Film ausging und ihre Erinnerungen daran, wie sie es in sein Quartier geschafft haben, sind verschwommen und fragmentiert, aber sie hofft, dass keiner von ihnen dabei seine Würde verloren hat. Aber sie wettet, Krang und die Mutanten wissen ganz genau, was hinter der verschlossenen Tür zu Shredders Quartier jetzt vor sich geht. Unter normalen Umständen, wenn sie ihren Verstand noch beisammen hätte, wäre ihr das auch peinlich, aber sie ist schon jenseits von Gut und Böse. Ihr Körper wurde in der letzten Stunde genug gequält und will jetzt nur noch eines. Und dasselbe gilt für ihr Herz und für ihre Seele.

Sie hat von diesem Moment monatelang geträumt, sie hat von ihm geträumt, es wird Zeit, dass es endlich geschieht!

Sie erwacht erst aus ihrem Rausch, in den sie seine Küsse, Berührungen, ganz allgemein seine Nähe, katapultiert haben, als er sie sanft aufs Bett drängt, wo er ihr den Hoodie über den Kopf zieht und ihre Tunika aufknöpft. Als er ihr den dünnen Stoff herunterstreift und dann seine Finger am Verschluß ihres BHs herumnesteln, fühlt sie auf einmal ein leichtes Unbehagen in sich aufsteigen.

.„Ich...“, beginnt sie leise, fast verschämt, während ihre rechte Hand unwillkürlich nach vorne zu ihren Körbchen fährt, als wolle sie das Kleidungsstück trotz allem in Position halten. „Das ist ein Push-up... die sind nicht wirklich so groß...“

„Scht...“ macht er nur, während er ihr erst einen, dann den anderen Träger von den Schultern streift. Sie spürt den BH rutschen und hält ihn für eine Sekunde noch fester, doch dann wird ihr bewusst, wie dämlich das ist. Also lässt sie die Hand wieder sinken und wendet den Blick beschämt ab. Sie starrt auf das Laken, während sie spürt, wie er ihr den BH auszieht. Sie spürt, wie ihre Brustwarzen sich sofort aufrichten, als der erste kühle Lufthauch sie trifft und errötet. Aus dem Augenwinkel sieht sie, wie er sich etwas zurücklehnt und wie seine Blicke über ihren Oberkörper wandern.

Sie beißt sich auf die Lippen, wagt aber nichts zu sagen. Dank des Push-ups-Effekts wirken ihre Brüste immer mindestens um zwei Nummern größer und im TV-Geschäft braucht sie das, aber tief in ihrem Inneren fühlt sie sich dabei immer wie eine Betrügerin. Deshalb trägt sie privat oftmals gar keinen BH und heute trägt sie ihn nur, weil sie dumm und eitel ist und ihren Saki beeindrucken möchte.

„Letzte Nacht hast du keinen BH getragen“, hört sie seine beruhigende Stimme. „Und wir kennen uns wirklich lange genug, dass mir deine Push-ups schon längst aufgefallen sind.“

Er hält kurz inne, unsicher, ob er ihr sagen soll, dass für ihn Äußerlichkeiten nur bedingt zählen und dass er sich hauptsächlich in ihren Intellekt, Humor und ihre Begeisterungsfähigkeit verliebt hat, doch das lässt er dann doch lieber bleiben. In dieser Situation würde er sich das ja selbst nicht glauben.

„Sie sind wunderschön“, erklärt er daher nur, seine Hände unter diese zwei perfekten Halbkugeln legend und sie leicht anhebend. Die Haut am Brustansatz zeigt wieder diesen seidenmatten, geradezu überirdisch wirkenden Glanz, wie er ihn schon öfters bemerkt hat. Die Brustwarzen haben sich aufgerichtet und ihre leicht pinke Farbe wird zu den Höfen hin immer dunkler. Unwillkürlich leckt er sich einmal über die Lippen.

Sie sind perfekt. Im Vergleich zum Rest ihres Körpers haben sie genau die richtigen Proportionen. Er steht sowieso nicht auf Monstertitten. Er weiß wirklich nicht, wieso sie sich deswegen so schämt. Nun, er wird ihr schon beibringen, daß es nichts an ihrem Körper gibt, dessen sie sich schämen muß.

Ein ungeduldiges Zuppeln an seinem Sweatshirt holt ihn aus seinem Nirwana der Verzückung. Es ist April, die ihn mit blitzenden Augen und einem kleinen Lächeln erst aus seinem Hoodie und dann aus seinem T-Shirt hilft.

Sie schluckt einmal deutlich, als sie sich all diesen verheißungsvollen Muskeln entgegensieht. Warm und sanft fahren ihre Finger die Konturen seines breiten Brustkorbes und diese beeindruckenden Bauchmuskeln nach.

„Man sollte es nicht glauben“, hört er sie murmeln, „aber dein Kampfshirt verbirgt doch mehr, als man denkt. Du bist ein beeindruckender Mann, weißt du das?“

Nein, das weiß er nicht, und dieses Kompliment ist ihm auch in jenem Moment völlig egal, denn für ihn zählen nur noch Aprils strahlend blaugraue Augen und ihre vollen, küssenswerten Lippen, die die seinen geradezu verschlingen, während sich ihr schöner Körper samt perfekter Brüste eng an seinen schmiegt.

 

 

Oh Gott!

Sie seufzt leise auf, als er seine Lippen um ihre linke Brustwarze schließt und sanft daran zu saugen beginnt und sich dann hinüber zur ihrer anderen Brust küsst, um dieser dieselbe Behandlung angedeihen zu lassen.

In einer erregend feuchten Spur küsst er sich ihren Bauch hinunter, bis er ihren Nabel erreicht, wo er einmal mit der Zungenspitze spielerisch hineintaucht. Wieder seufzt sie wohlig auf und macht unwillkürlich ein Hohlkreuz. Sie spürt kaum, wie er ihr den Slip über die Hüften zieht. Erst, als sie seinen warmen Atem über ihren Unterleib geistern fühlt, wird sie sich dessen bewußt. Er rutscht wieder etwas nach oben, drückt einen Kuß auf ihren Hüftknochen und als sie daraufhin das Becken etwas anhebt, zieht er ihr den Slip vollständig aus.

Vollständig nackt liegt sie vor ihm, aber bevor es ihr peinlich werden kann, küsst er sich über die Innenseite ihrer Oberschenkel. Erst links, dann rechts, dann taucht seine Zunge plötzlich wieder in ihren Nabel, und dort, wo vor kurzem noch seine Lippen waren, streicheln sich jetzt seine Hände über ihre leicht gebräunten Schenkel, zwingen sie sanft nach außen, bis sie mit leicht gespreizten Beinen vor ihm liegt.

Er widmet sich wieder ihren Brüsten, während seine rechte Hand zielsicher zwischen ihre Beine gleitet. Unwillkürlich stöhnt sie auf, während ihre Welt unter seinen zärtlichen und geschickten Berührungen in einem Nebel der Lust versinkt.

 

 

Sie spürt ihn über sich, warm und stark und ein erwartungsvolles Zittern durchfährt ihren gesamten Körper, während er ihr wieder mit seinen typisch himmlischen Küssen den letzten Rest Verstand raubt (davon war sowieso in der letzten halben Stunde nicht mehr viel übrig), aber sie bekommt trotzdem sehr wohl mit, wie er sich zwischen ihren Beinen in Position bringt, doch plötzlich... plötzlich unterbricht er diesen göttlichen Kuß.

Kurz vor dem Ziel zögert er.

Unwillig öffnet sie die Augen, nur um zu sehen, wie er ihr einen Blick zuwirft, der stark an den eines getretenen Hundes erinnert. Um seine Lippen zuckt ein verzagtes Lächeln.

„Ich habe nichts da", meint er dann leise entschuldigend. In seiner Stimme zittert nur mühsam beherrschtes Verlangen.

Dieser Idiot. Dieser süße, rücksichtsvolle Idiot. Sie versteht sofort, was er meint. Und im Gegensatz zu ihm zögert sie keine Sekunde.

„Wir brauchen nichts", erklärt sie entschieden, vergräbt ihre Hände in seinem Haar und zieht ihn daran zu einem gierigen Kuss zu sich herunter. Schließlich hat sich ihre Stimme der Vernunft schon in jenem Moment verabschiedet, als sie sich gegenseitig die Kleidung vom Leibe zerrten.

Sie will ihn spüren, pur und unverfälscht. Auf diesen Moment hat sie monatelang gewartet, davon hat sie genau so und nicht anders geträumt.

Sie ist bereit, für alles, was er ihr gibt und alles, was sie nehmen kann und das versucht sie ihm mit ihrem Kuss, mit ihrem ganzen Körper, mitzuteilen. Und so schlingt sie nur Arme und Beine fest um ihn, als er langsam in sie eindringt.

Sie ist das nicht gewohnt, von daher ziept es anfangs ein wenig, doch schon schnell hat sie ihr Verlangen wieder genauso fest im Griff wie ihn seines und es dauert nicht lange, dann finden ihre Körper in einem gemeinsamen Rhythmus zueinander, so schnell und leicht, als hätten sie nie etwas anderes getan.

 

 

April hört ein Seufzen, so lüstern und frivol, dass es sie beinahe erschreckt. Dann wird ihr bewusst, daß dieses Geräusch aus ihrer eigenen Kehle kommt. Sie hätte sich dafür geschämt, wenn sie dazu noch in der Lage gewesen wäre. Aber die Nachwehen eines der unglaublichsten Höhepunkte, die sie jemals hatte, lassen für solche Gefühle keinen Raum.

Wow. So etwas kennt sie von ihren früheren Beziehungen her gar nicht. Aber sie hatte auch noch nie solch einen Höhepunkt wie eben mit Shredder... Saki... ihrem Saki.

Irgend etwas in ihrem Inneren verrät ihr, dass es immer so zwischen ihnen sein wird, und der Gedanke macht sie unheimlich glücklich. Seufzend schmiegt sie sich an ihn, schlingt ihre Arme wieder fester um ihn und alles in ihr schnurrt regelrecht zufrieden auf, als er sich nur träge in ihre Umarmung und schwer auf sie sinken läßt.

So viel Körperkontakt.

So viel Wärme.

Sie fühlt sich immer noch wie ganz berauscht.

„Ich liebe dich“, flüstert er schweratmend gegen ihre linke Halsseite, drückt einen Kuss auf ihre erhitzte Haut, unter der deutlich spürbar ihre Arteria Carotis pocht und vergräbt dann sein Gesicht in ihrem schweißnassen Haar.

„Ich dich auch“, haucht sie zurück, erstaunt darüber, dass er sich nicht sofort von ihr herunterrollt. Zu ihrer großen Freude scheint er es damit nicht eilig zu haben. Das hat sie bei ihren früheren Beziehungen nämlich immer ganz besonders gehasst.

Aber er scheint genau wie sie das alles so lange wie möglich auskosten zu wollen.

Irgendwann rollt er sich dann doch von ihr herunter und zur Seite, und als er dabei aus ihr herausrutscht, entkommt ihr ein tonloser Seufzer, doch bevor Sehnsucht und Bedauern in ihr aufsteigen können, hat er sie schon fest an sich und in seine Arme gezogen. Zufrieden kuschelt sie sich an ihn.

Sie sind beide nass und klebrig von verschiedenen Körperflüssigkeiten und in der Luft hängt der herbe Geruch von Sex, doch sie fühlt sich nur unendlich wohl.

 

24. Kapitel

 

Es gibt nur einen Grund, wieso sie beide – und diese Übereinstimmung ist beinahe unheimlich – sich entschlossen haben, getrennt zu duschen. Jeder von ihnen braucht diese stillen, ruhigen Momente für sich, um das, was da zwischen ihnen geschehen ist und sich manifestiert hat, zu verdauen.

„Ich könnte es nicht ertragen, wenn du nicht hierbleibst“, meint er zu ihr, als sie die Badezimmertür öffnet, um herauszutreten. Sie trägt nur ihr langes Schlafshirt und hat ein Handtuch wie einen Turban um ihre nassen Haare geschlungen. Sie riecht nach seinem markanten Meeresalgen-Duschgel. Er liebt es, wenn sie sich wie selbstverständlich an seinen Sachen bedient.

Sie bleibt stehen, sieht zu ihm auf schlingt dann ihre Arme um seinen Nacken und zieht ihn zu einem Kuß zu sich herunter.

„Ich könnte es nicht ertragen, wenn du mich wieder wegschickst“, erwidert sie dann leise.

Sie will ihm Platz machen, damit er an ihr vorbei das Badezimmer betreten kann, aber er greift einer Eingebung folgend nach ihrem Handgelenk und zieht sie mit sich zurück ins Bad.

„Bitte bleib.“ Es ist mehr ein Befehl als eine Bitte, dem sie nur allzu gerne folgt.

Er hängt seine frische Jinbeihose über die Handtuchhalterung außerhalb der Dusche und macht dann Anstalten, sich die alte Hose auszuziehen. Sie zögert einen Moment, wägt ab, ob sie sich rücksichtsvoll umdrehen soll und entscheidet sich dann dafür, an den Waschtisch zu treten, wo sie, scheinbar ganz damit beschäftigt, den Föhn aus der Wandhalterung nimmt, ihn in Wahrheit aber über den Spiegel beobachtet.

Sie weiß nicht, ob er sie durchschaut oder ob es ihn überhaupt interessiert – und sie weiß vor allem nicht, ob es sie interessiert. Wenn er nicht will, dass sie ihn mit den Augen vernascht, soll er auch nicht nackt vor ihr herumturnen.

Sie ist sehr enttäuscht, als sich die satinierte Glastür der Dusche hinter ihm schließt. Er schaltet fast zur selben Zeit das Wasser ein wie sie den Föhn.

Damit ihre Gedanken nicht auf schlüpfrige Abwege geraten, konzentriert sie sich ganz darauf, ihre Haare zu trocknen. Der Föhn ist erstaunlich leise, ganz anders als ihr altes Ding Zuhause. Sie kann hören, wie das Wasser auf seinen Körper prasselt und ehe sie es sich versieht, hat sie schon das Bild vor ihrem inneren Auge, wie das kostbare Naß sich seinen Weg über diesen göttlichen Körper bahnt, wie es immer tiefer und tiefer über diese honigfarbene Haut mit diesen unglaublichen Muskeln darunter rinnt, sich in seinem Bauchnabel sammelt, um dann … entschieden schüttelt sie den Kopf.

Sie schaltet den Föhn aus, hängt ihn zurück und kämmt sich dann notdürftig mit den Fingern durch das teilweise noch feuchte Haar. Dabei begegnet sie ihrem Blick im Spiegel. Hatte sie schon immer diesen verträumten Schulmädchenblick? Und ihre Wangen sind schon wieder so rot – wie peinlich! Und seit wann bitteschön ist ihr Schlafshirt so dünn, dass sich darunter ihre Brustwarzen abzeichnen?

Entschlossen greift sie zu Zahnbürste und Zahnpasta, um sich ganz auf ihre Mundhygiene zu konzentrieren.

Und es gelingt ihr. Es gelingt ihr sogar so gut, daß sie gar nicht bemerkt, wie er das Wasser ausstellt und die Dusche verlässt. Sie bemerkt nicht einmal, wie er sich abtrocknet und in seine Hose schlüpft.

Erst als er sich hinter sie stellt und sie seine Körperwärme spürt, schreckt sie auf.

„Was meinst du?“ murmelt er, während er über ihren Kopf hinweg in den Spiegel sieht, wo sich ihre Blicke treffen. Seine Stimme klingt tief und unglaublich sexy. „Lohnt es sich überhaupt, wenn wir uns diese Nacht etwas überziehen? Oder sollten wir gleich lieber nackt schlafen?“

Sie erschaudert, aber daran sind nur zum Teil seine Worte schuld. Die Hauptschuld daran tragen seine Hände, die während seiner letzten beiden Fragen frech ihr langes Nachtshirt hochgeschoben haben. Während seine linke Hand nun sanft über ihre linke Brust und die immer härter werdende Brustwarze streichelt, hat sich seine rechte zwischen ihre Beine geschummelt. Sie macht nichts, sie liegt nur da, aber April muß trotzdem gegen den Drang ankämpfen, die Hüften zu bewegen.

Betont cool putzt sie sich erst die Zähne zu Ende und meint dann, während sie ihre Zahnbürste in ihren Zahnputzbecher legt:

„Das kannst du gerne machen, aber ich schlafe ungerne nackt.“

Es ist nicht so, daß sie nicht für ihn eine Ausnahme machen würde, wenn er sie darum bittet.

Aber er fragt nicht. Seine Lippen verziehen sich nur zu diesem unglaublich sexy Lächeln und dann drückt er sich einmal kurz an ihre Rückseite und das, was sie da spürt, läßt ihr Herz sofort wieder wild pochen.

„Solange ich an alles herankomme, soll es mir Recht sein“, schnurrt er und dann sind seine Hände plötzlich fort und er steht in einem züchtigen dreißig Zentimeter Abstand neben ihr und greift zu seiner eigenen Zahnbürste.

Zuerst ist sie enttäuscht, doch dann verbeißt sie sich selbst ein Grinsen. Neckisch streicht sie über die deutliche Ausbuchtung in seiner Pyjamahose und gibt ihm dann einen Kuß auf die Wange.

„Lass mich nicht allzu lange warten.“

Mit diesen Worten verlässt sie das Bad und sie schwingt dabei ihre Hüften so herausfordernd, daß sie davon fast Seitenstechen bekommt.

 

 

Als er fünf Minuten später das Bad verlässt, erwartet sie ihn schon.

Um ihre Lippen spielt ein wahrhaft sardonisches Lächeln, als sie ihm einen Stoß vor die Brust gibt, der ihn überrascht nach hinten stolpern lässt. Er landet weich auf dem Bett, aber bevor er sich wieder aufrappeln kann, ist sie schon über ihm. Sie sagt kein Wort, aber ihr Lächeln vertieft sich, als einfach in seine Hose greift, um das, was sie in diesem Moment am meisten interessiert, herauszuzerren. Für einen Augenblick starrt sie einfach nur auf ihn herab, beeindruckt und gierig zugleich. Dann lässt sie ihren Blick höher wandern, direkt in sein Gesicht. Ihre Blicke halten einander fest, während sie ihr Shirt etwas anhebt und sich dann genüßlich auf ihn sinken lässt. Durch den Raum weht ein zweistimmiges Stöhnen, das schnell zu einem lustvollen Keuchen wird, als sie einen gemeinsamen Rhythmus finden.

Irgendwann landet ihr Schlafshirt auf dem Fußboden neben dem Bett und seine Pyjamahose gesellt sich bald im Eifer des Gefechts auch dazu.

 

 

Irgendwann, eine wunderschöne, gefühlte Ewigkeit später, entkommt ihr ein wahrer Stoßseufzer.

„Wow.“

„Hm?“ ertönt es träge unter ihr.

Lächelnd beugt sie sich zu ihm herab, vorsichtig, bemüht, unterhalb der Hüfte dort zu bleiben, wo sie gerade ist. Sie will ihn nicht entkommen lassen. Sie stützt sich mit den Ellbogen links und rechts von ihm auf der Matratze ab, während die Spitzen ihrer Brüste wie ein sündiges Versprechen über seinen Brustkorb streichen. Sie fühlen sich schwer an und sind inzwischen hypersensibel.

„Mit dir habe ich den besten Sex meines Lebens.“

Shredder wird rot.

„Nun übertreib mal nicht“, kommt es zurückgemurmelt. Seine Hände auf ihren Hüften verlassen ihren Platz und beginnen, sanft über ihren Rücken zu streicheln. Erst ganz nach oben und dann bis hinunter zu ihrem Po. Er hat schnell herausgefunden, was ihr gefällt.

„Ich übertreibe nicht.“

Sie küsst ihn und schmiegt sich jetzt mit ihrem ganzen Körper auf ihn, und die Wärme, die sie dabei erfüllt, raubt ihr fast den Atem.

„Es ist, als wären wir füreinander gemacht. Klingt kitschig, ich weiß, ist aber die Wahrheit“, murmelt sie und drückt ihre Lippen dann wieder fest auf seine.

Zu ihrer großen Freude dauert es nicht lange und er nimmt die Einladung an. Schon bald sind sie wieder in einem dieser feurigen, so wahnsinnig machenden Zungenküsse gefangen.

Und als er sie dann fest packt und sie beide so dreht, dass sie unter ihm zu liegen kommt und er sie mit einem zielsicheren Hüftstoß seinerseits zurück ins selige Nirwana der Lust katapultiert, kann sie diesmal einen kleinen, begeisterten Schrei nicht mehr unterdrücken.

Und muss gleich darauf herzlich darüber kichern. Um sich im selben Atemzug zu entschuldigen.

„Tut mir leid, mein Schatz, tut mir leid." Sie schlingt die Arme um seinen Nacken und zieht ihn fest zu sich herunter. „Aber...", flüstert sie gegen seine Lippen und ja, sie weiß genau, dass das nur unnötig seinem Ego schmeichelt, aber sie muss es ihm sagen: „Himmel, das ist so...so etwas ist mir noch nie passiert. Dank dir werde ich noch zur Nymphomanin."

Um seine Lippen zuckt ein kleines Grinsen.

„Dagegen gibt es doch überhaupt nichts einzuwenden."

Mit diesen Worten verwickelt er sie in einen unendlich liebevollen Kuss und macht weiter, womit sie vor wenigen Sekunden aufgehört haben.

 

 

Eine Nymphomanin, was?

Als ob er jemals etwas dagegen einzuwenden hätte.

Lächelnd betrachtet Shredder das entspannte Gesicht seines höchstpersönlichen Engels neben sich. Sie schläft, zufrieden und erschöpft gleichermaßen, einen Arm immer noch um seine Taille geschlungen, als wolle sie ihn nie wieder loslassen.

Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, kuschelt er sich enger an sie heran und schläft wenig später mit dem Gedanken ein, wie schön das Leben doch jetzt ist - hier, in diesem Moment.

 

25. Kapitel

 

April fühlt sich wie im siebten Himmel. Es ist traumhaft. Märchenhaft. Fast zu gut, um wahr zu sein. Aber egal wie oft sie sich heimlich in den Unterarm kneift - sie wacht nicht auf. Es muß also echt sein. Er ist echt. 

„Au!" Shredder wirft ihr einen vorwurfsvollen Blick zu und reibt sich über die linke Seite. „Warum zwickst du mich?"

Ertappt hebt sie die Hände.

„Entschuldige. Ich wollte nur sicher gehen, dass du kein Traum bist."

„Und da kneifst du mich?" knurrt er stirnrunzelnd.

„Ja. Sorry. Bei mir hab ich es schon versucht."

Er gibt nur ein nachdenkliches „Hm" von sich und mustert sie scharf. Plötzlich grinst er verschmitzt, reißt sie an sich, kippt sie leicht hintenüber als wären sie in einem kitschigen Film und gibt ihr einen langen, tiefen Kuss.

„Wow", macht sie atemlos und auch ein wenig schwindlig, sobald sie sich wieder in der Senkrechten befindet.

„Nun, mein Darling", schmunzelt er vergnügt, „hälst du das immer noch für einen Traum?"

„Mehr denn je." Tief aufseufzend lehnt sie sich an ihn, bettet ihren Kopf an seine Schulter. Genau so wie sie heute aufgewacht ist. Und die Art, wie er seinen Arm um ihre Taille schlingt ist auch genau so.

Aber während sie das im Bett ausnutzen konnten und sich beim Meeresrauschen des Weckers ausgiebig liebten, geht das hier auf dem Gang natürlich nicht. 

„Falls es dir irgendwie ein Trost ist", murmelt er in ihren rotbraunen Haarschopf, „mir kommt das hier auch wie ein Traum vor. Schöne Dinge machen sonst immer einen großen Bogen um mich."

Das beruhigt sie wirklich.

Für die Dauer einiger wertvoller Sekunden genießt sie nur seine Nähe und lauscht auf seinen gleichmäßigen Atem, der nun keine Anzeichen mehr von Bronchitis zeigt.

Es ist ausgerechnet das Grummeln ihres eigenen Magens, das sie aus ihrem Wohlfühlkokon holt. Einen Moment später knurrt auch sein Magen. Lachend und nur sehr widerwillig lösen sue sich voneinander und gehen Seit' an Seit', Hand in Hand weiter den langen Gang hinunter Richtung Küche.

 

 

Der Geruch von warmen Waffeln und heißem Kakao weht ihnen entgegen, noch bevor sie die Küche betreten haben. Sie werden von zwei breit grinsenden Mutanten begrüßt. Sehr breit grinsenden Mutanten. Zuerst befürchtet April, sie hätten letzte Nacht etwas gehört und jetzt kämen diese unausweichlich blöden, anzüglichen Sprüche, aber dann sieht sie den liebevoll gedeckten Tisch.

Ein Porzellanteller, auf dem sich goldgelbe Waffeln stapeln, daneben ein Honigtopf, eine schön geschwungene Kanne und die passenden Tassen dazu, Teller auf Platzdeckchen und sogar Servietten!

Und mitten zwischen all dem, in einer schlichten, schmalen Vase, streckt sich eine rote Rose dem Deckenlicht entgegen.

Auch Shredder neben ihr blinzelt überrascht.

„Wie hübsch!" ruft April entzückt aus und tritt näher heran, um die schöne rote Blume genauer zu bewundern. „Wo habt ihr denn die Rose her? Wir sind hier doch immer noch in Grönland."

Unwillkürlich streckt sie die rechte Hand aus, um die Blütenblätter zu berühren, doch dann stutzt sie irritiert.

Bebop grinst sie voller Stolz an.

„Täuschend echt, nicht wahr? Ist aber aus Plastik und Seide. Rock bastelt gern."

Überrascht dreht sich April zu dem Nashornmutanten um. Unwillkürlich fällt ihr Blick auf seine grobschlächtigen, vierfingrigen Hände. Und im selben Atemzug schämt sie sich dafür.

„Die hast du gemacht? Beeindruckend!" lobt sie.

„Na ja, nur ein kleines Hobby", wehrt Rocksteady verlegen ab. Er läuft sogar ein kleines bißchen Rot an. Er lächelt sie noch einmal schief an und wechselt dann hastig das Thema.

„Wir haben Waffeln gebacken", erklärt er das Offensichtliche, macht eine kleine Verbeugung und deutet vielsagend auf den Tisch. „Du magst doch Waffeln, oder?"

„Frische Waffeln mit Honig? Ich steh drauf. Woher wisst ihr das?"

Rocksteady und Bebop wechseln einen verschwörerischen Blick.

„Na ja, die Chancen standen gut", Bebop lächelt selbstzufrieden und fordert sie und Shredder mit einer Geste auf, sich an den Tisch zu setzen. „Waffeln mit Honig haben acht deiner Doppelgängerinnen als ihr Lieblingsfrühstück auf X-Zone gepostet "

„X-Zone schon wieder", murmelt Shredder und verdreht die Augen. Er schiebt April gentlemanlike den Stuhl zurecht. Sie bedankt sich mit einem dieser Lächeln, bei dem sein Herz immer besonders heftig klopft und setzt sich.

Gerade als er sich auf seinen eigenen Platz setzt, kommt Krang zur Tür herein.

„Schönen guten Morgen allerseits“, schmettert er, fast unerträglich gut gelaunt. „Und unsere Turteltäubchen sind auch schon da. Wie schön. Hattet ihr zwei eine schöne Nacht?" Dabei grinst er sehr anzüglich.

April und Shredder quittieren das nur mit einem Lächeln. Und während April ihre erste Waffel des Tages in Honig ertränkt, erwidert ihr Liebster auf Krangs unverschämte Frage nur mit einem coolen:

„Ja, danke. Du auch?"

Rocksteady und Bebop neben ihnen grinsen sich über den Tisch hinweg breit zu.

Es gab eine Zeit, da hätte April an dieser Stelle erschrocken den Atem angehalten. Aber das war, bevor sie so häufig entführt wurde und begriff, wie das hier zwischen den Vieren läuft. Von daher verbeißt sie sich nur selbst ein kleines Schmunzeln, als Krang am Tisch stehenbleibt und triumphierend all seine kleinen, spitzen Zähne zeigt.

„Gut, dass du fragst. Anders als ihr habe ich diese Nacht mit etwas Nützlichem verbracht genutzt und eure kleine Pergamentrolle entziffert."

„Hey“, entfährt es da Bebop und er murmelt, mit einem vielsagenden Blick zu Rocksteady, leicht pikiert: „Wir haben unsere Nacht sehr wohl nützlich verbracht.“

Krang wirft ihnen aus seinen violetten Augen einen scharfen Blick zu.

„Seine Zeit in der X-Zone zu verschwenden und im Leben von Doppelgängern herumzuschnüffeln, die nicht einmal eure sind, beurteile ich nicht als nützlich. Dasselbe gilt für eure Sauereien zwischendurch.“

Rocksteadys Ohren stellen sich alarmiert auf, aber es ist Bebop, der erschrocken aufquiekt, doch bevor einer von ihnen sein Entsetzen in Worte kleiden kann, fährt Shredder das körperlose Gehirn schon aufgebracht an:

„Hast du ihnen etwa hinterherspioniert? Schon wieder? Ich habe dir doch befohlen, das sein zu lassen! Wenn du dich langweilst, sieh dir deine Seifenopern an, aber uns laß in Ruhe!“

Krang macht nur eine wegwerfende Geste mit einem Tentakel und grinst noch breiter.

„Selbst schuld. Ich habe euch hundertmal gesagt, wenn ihr nicht wollt, dass man euch sieht, dann klebt etwas über die Kameralinse eurer Computer.“

Oh. April wirft Shredder einen schnellen Blick zu. Deshalb legt er sein Tablet also immer in die Schublade seines Nachttischs.

Die beiden Mutanten starren erst Krang einen Moment lang fassungslos an, dann sich selbst und geben dann beinahe synchron ein fast beleidigtes „pah“ von sich, bevor sie sich wieder ihrem Frühstück widmen. Und in diesem Moment ist sich April nicht sicher, ob sie wirklich darüber so entsetzt sind, dass Krang sie beobachtet hat oder nicht eher darüber, dass er es vor allem hier am Frühstückstisch erwähnt.

Shredder jedenfalls wirft Krang einen warnenden Blick zu, den dieser nur ungerührt zur Kenntnis nimmt. Und April – nun ja, sie spürt, wie ihr Herz bei diesem Anblick schneller zu schlagen beginnt. Shredder im Verteidigungsmodus, wenn seine Augen so gefährlich funkeln und dieser ernste Zug um seine Mundwinkel entsteht – das spricht einen dunklen Urinstinkt in ihr an.

Trotzdem ist ihr dieses Thema unangenehm – und daher, bevor Krang vielleicht doch noch eine Bemerkung über ihre und Shredders Nacht fallen lassen kann, lenkt sie die allgemeine Aufmerksamkeit auf das ursprüngliche Thema zurück:

„Und, Krang? Was steht drauf? Auf der Pergamentrolle? Mach es doch nicht immer so spannend."

Hätte Krang eine Brust, würde sie jetzt wohl stolz anschwellen, aber er muß sich mit einem zahnreichen Grinsen begnügen. Und selbstzufrieden zusammengerollten Tentakeln.

„Vereinfacht ausgedrückt“, erklärt er, nicht ohne eine dramatische Kunstpause einzufügen: „Es ist eine Schatzkarte."

Diese Neuigkeit benötigt vielleicht eine Sekunde, um zu sacken, dann ruft Rocksteady auch schon mit begeistert aufleuchtenden Augen aus:

„Gehen wir jetzt auf Schatzsuche, Krangchen?"

„Darf ich mit?" fragt April ohne Krangs Antwort abzuwarten sofort gespannt in die Runde. Sie will nicht ausgeschlossen werden und hält es daher für das Beste, wenn sie ihren Standpunkt so schnell wie möglich klar macht. Sie will dazugehören. Außerdem liebt sie spannende Abenteuer.

„Es könnte gefährlich werden", wendet Shredder vorsichtig ein.

„Du wirst schon auf mich aufpassen", gibt sie einschmeichelnd zurück. Doch der entschlossene Glanz in ihren Augen warnt ihn, so etwas noch einmal zu versuchen. Denn wenn er glaubt, er könne sich hier ohne sie in etwas stürzen, das im besten Falle aufregend und im Schlechtesten wirklich gefährlich werden kann, hat er sich getäuscht. Erstens kann sie sehr gut selbst auf sich aufpassen und zweitens – nun ja, die Erfahrung zeigt, daß Rocksteady und Bebop sich oft selbst genug in Schwierigkeiten bringen, und wer soll dann auf ihn aufpassen, wenn nicht sie?

Krang beobachtet das stumme Augenduell der beiden eine Zeitlang genauso amüsiert wie die begeisterten Mienen der beiden Mutanten, und es tut ihm wirklich sehr, sehr leid, daß er ihnen einen Strich durch die Rechnung machen muß.

„Ich vermiese euch nur ungern eure Begeisterung, aber hättet ihr mich ausreden lassen, wüsstet ihr, dass ihr euch euren beginnenden Ehestreit schenken könnt. Die Karte ist wertlos. Die Minen wurden schon vor Jahrhunderten bis auf den letzten Krümel ausgebeutet."

Ehestreit... verlegen senken April und Shredder die Blicke, doch eine Sekunde später schon finden ihre Blicke und Hände über dem Tisch zueinander und sie lächeln nur.

Die beiden Mutanten allerdings sind schwer enttäuscht.

„Och, wie schade.“

Krang mustert sie nachdenklich. Die beiden brauchen wohl dringend Auslauf. Da muß er sich wohl noch etwas einfallen lassen, sonst kommen sie nur wieder auf dumme Gedanken. Manchmal ist es gar nicht so einfach, zu unterscheiden, welcher ihrer Wesenszüge ihrer menschlichen oder tierischen Seite entspringt. Kindisch und verspielt ist sowohl der eine wie auch der andere Teil.

Nun, sein Blick fällt auf das neueste Mitglied in spe ihrer kleinen Truppe, vielleicht bieten sich ihm hier Möglichkeiten, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

„April, nach dem Frühstück meldest du dich in meinem Büro."

Ein überraschter Blick aus blaugrauen Augen trifft ihn. „Du hast ein Büro?"

„Er meint die Kommandozentrale", erklärt ihr Shredder schmunzelnd.

„Oh. Okay.“ Sie nickt gehorsam.

Zufrieden lenkt Krang seinen Roboterkörper aus der Küche.

April sieht ihm lange nach, aber erst, als das Geräusch seiner schweren Schritte verklungen ist, wagt sie eine vorsichtige Frage.

„Muß ich mir Sorgen machen?"

„Nein.“ Aufmunternd drückt Shredder ihre Hand. „Das ist das Gute an ihm: wenn ihm etwas an dir nicht paßt, sagt er es dir sofort und direkt ins Gesicht, vor allem, wenn andere dabei sind. Es wird also nichts Schlimmes sein. Aber ich komme gerne mit, wenn du dich dann besser fühlst."

Oh ja, und wie sie sich dadurch besser fühlen würde! Aber Krang soll sie nicht für einen Feigling halten. Sie hat auch ihren Stolz.

„Nein danke. Es reicht, wenn du vor der Tür wartest und mich rettest, wenn ich schreie."

„Nur zu gerne. Aber du musst dir wirklich keine Sorgen machen." Shredder führt ihre Hand hoch zu seinem Mund und küßt sich tröstend über jeden ihrer Fingerknöchel. April spürt, wie sie verlegen errötet, aber sie zieht ihre Hand nicht fort.

 

 

26. Kapitel

 

„Ich bin hier. Genau vor der Tür. Schrei, wenn was ist, dann komme ich sofort herein“, flüstert Shredder ihr ins Ohr, kurz bevor er sie nur widerwillig aus seiner Umarmung entlässt. Aber Krang wartet nicht gerne und heute, hier und jetzt, haben sie es noch nicht nötig, das Alien zu verärgern.

April nickt nur, flüstert ein leises „Danke“ und drückt den Rücken durch und strafft die Schultern, bevor sie die Kommandozentrale betritt.

Zu wissen, dass er da ist – immer für sie da sein wird! – verleiht ihr das Gefühl, Bäume ausreißen zu können. Selbstsicheren Schrittes überquert sie die Schwelle.

Krangs Büro befindet sich nicht nur in der Kommandozentrale wie Shredder gesagt hatte, sondern besteht auch noch aus einem schlichten Tisch und einem Stuhl. Vielleicht sollte sie froh sein, dass es wenigstens kein Klappstuhl ist. Krang selbst braucht ja keinen Stuhl, er sitzt sowieso immer sehr bequem im Bauch seines Roboterkörpers.

Er erwartet sie schon. April hat Mühe, eine ernste Miene beizubehalten, als sie langsam nähertritt und sich dann auf den Stuhl sinken lässt.

Krangs durchdringender Blick ist außerdem eine deutliche Warnung. Wenn er dem hier den Eindruck einer Bürostube geben will, dann sollte sie wohl besser mitspielen. Sie will ja schliesslich nicht, dass er sie hochkant hinaus in den Schnee wirft. Zum Glück waren Rocksteady und Bebop so nett, das Alien zu verpetzen - von ihnen weiß sie daher, dass dies hier eine Art „Bewerbungsgespräch" werden soll. Das ist vor allem gut für Shredders Hoodie, den sie heute wieder trägt. Sie neigt nämlich dazu, bei nervöser Anspannung am Saum ihrer Kleidung herumzuzerren.

Aber als Krang plötzlich mit gewichtiger Miene etwas, das aussieht wie eine futuristische Kamera vor ihr auf den Tisch stellt, zucken ihre Finger für einen Sekundenbruchteil doch zum Saum ihres Hoodies.

„Eine Kamera? Willst du das hier etwa aufnehmen?"

Krang wirft ihr nur einen besonders hochnäsigen Blick zu. Den, den er für diese ich-bin-euch-Menschen-ja-so-überlegen-Momente reserviert hat.

„Damit messe ich deine Pupillenreaktion und sehe, ob du lügst."

Darüber ist sie nicht wirklich überrascht.

„Ein gesundes Misstrauen schadet nie, was?" meint sie daher mit leichtem Spott.

Doch er nickt nur bestätigend.

„Du hast es erkannt." Geschäftstüchtig reicht er ihr ein Tablet. „Füll als erstes diesen digitalen Fragebogen aus."

Sie wirft einen Blick auf den Bildschirm, liest die ersten Fragen und kann sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen.

„Oh, ein Standard-Personalbogen?"

„Ausfüllen", befiehlt er kurzangebunden.

„Okay." Gehorsam macht sie sich daran, wo es nötig ist, ihre Kreuzchen zu setzen und an anderer Stelle eine längere Antwort einzutippen. Es ist wirklich ein ganz normales Formular, wie sie auch bei jeder Kontoeröffnung ausfüllen muß. Sie kann sich sogar erinnern, so etwas bei ihrer Bewerbung bei Channel Six auch mal ausgefüllt zu haben. Das kommt ihr jetzt vor wie aus einem völlig anderen Leben.

Nach ungefähr zwei Minuten gibt sie ihm das Tablet wieder zurück.

„Und jetzt?" erkundigt sie sich vorsichtig neugierig – das kann schließlich nicht alles gewesen sein, denn dafür bräuchte er nicht diesen Lügendetektor.

„Jetzt“, erklärt das Alien mit einem zahnreichen Grinsen, „versuchst du mich davon zu überzeugen, dass du wertvoll für mich und unser kleines Team werden kannst. Wenn du hier leben willst, musst du dich nützlich machen. Bei mir wird nicht gefaulenzt. Also, wie hast du dir das hier alles vorgestellt?"

Seit sie weiß, dass das hier ein „Bewerbungsgespräch“ werden soll, hat sie eine Frage dieser Art erwartet und über ihre Antwort gründlich nachgedacht.

„Es gibt da wirklich ein paar Dinge, die ich gerne machen würde", beginnt sie daher.

„Shredder verführen zählt nicht", unterbricht sie Krang sofort.

„Wieso nicht?“ kontert sie herausfordernd zurück. „Ein glücklicher Sklave ist motiviert bei der Arbeit und das kommt doch auch dem Sklaventreiber zugute."

Noch während ihre Worte ihren Mund verlassen, weiß sie, wie frech das rüberkommt – und so ist es ja schließlich auch gemeint – aber so ist das nun mal bei ihr: manchmal redet sie los, ohne erst darüber nachzudenken. Für den Bruchteil einer Zehntelsekunde wünscht sie sich, sie könnte ihre Worte zurücknehmen, aber dann beruhigt sie sich wieder, schließlich ist es ja nicht so, als würde Krang ihr loses Mundwerk nicht schon zur Genüge kennen. Wie ihr seine schnippische Antwort auch sofort beweist:

„Das funktioniert auch in die andere Richtung. Wenn der Haussegen mal schief hängt, leiden wir alle darunter."

Das stimmt. Sie nickt unwillkürlich. Das erlebt sie schließlich beinahe tagtäglich bei ihrem Chef von Channel Six. Wenn der mal wieder Zoff mit seiner Gattin hat, ist er wirklich unausstehlich. Sie selbst hält sich da doch für sehr viel professioneller.

Sie ist sich sicher: auch wenn sie jetzt bald alle unter einem Dach leben, wird sie, sollte sie sich je mit ihrem Saki streiten, das nicht auf dem Rücken der anderen austragen. Und ihre Arbeit – worin auch immer die bestehen wird, wird das auch nicht beeinträchtigen. Das wird sie Krang beweisen. Jetzt aber gibt sie ihm erst einmal Recht.

„Ich habe da ein paar Ideen, wie ich mich nützlich erweisen könnte“, kommt sie auf seine Frage zurück. „Es gibt doch da diese Doppelgängerin von mir auf X-Zone, die macht solche Vlogs im Internet und Naturreportagen über Grönland. So etwas in der Art könnte ich doch auch machen. Bei genügend Abonnenten kann man damit sogar ein ordentliches Sümmchen verdienen. Wenn du magst, drehen wir auch mal ein Filmchen, in dem du die Hauptrolle spielst. Ein Tag im Leben eines Eroberers oder so. Natürlich verraten wir keine Details, also nichts, was die Turtles oder deine anderen Feinde gegen dich verwenden können. Oh, und sonst so... ich kann gerne den Küchendienst übernehmen oder alles, was sonst noch so anfällt. Handwerklich bin ich auch nicht ganz ungeschickt."

Letztendlich liegt es sowieso bei ihm, was davon sie verwirklichen kann. Das wissen sie beide. Und inwieweit ihm und seinen Eroberungsplänen Reportagen über Grönland nützlich sein können, sei mal dahingestellt. Letztendlich geht es wohl doch nur darum, dass sie sich selbst beschäftigt und ihm nicht im Wege herumsteht.

„Nein, das mit dem Küchendienst lassen wir mal lieber“, erklärt Krang glücklicherweise sofort – sie hasst Küchenarbeit. „Das gehört zu Rocksteadys und Bebops Aufgaben. Die wären auch sehr sauer, wenn wir ihnen das wieder wegnehmen. Die lieben es, neue Speisen zu kreieren. Und seit ich ihnen damit freie Hand gegeben habe, halten sie die Küche seltsamerweise auch picobello sauber."

Er hält inne und betrachtet sie nachdenklich. Eine ganze Minute lang sagt er gar nichts und starrt sie einfach nur an. Sie versucht, seinem Blick so gut wie möglich zu entgegnen, kann es jedoch nicht verhindern, dass ihre Aufmerksamkeit das eine oder andere Mal zu der kleinen Kamera auf dem Tisch hinüberrutscht. Irgendwann hält sie es nicht mehr aus.

„Und?" will sie schließlich nervös wissen. „Habe ich bestanden?"

Mahnend hebt Krang einen Tentakel.

„Eines noch: Wenn du in die Situation kommst, dich zwischen Shredder und uns oder den Turtles zu entscheiden - was würdest du wählen?"

Sie zweifelt keinen Augenblick an ihrer Antwort, aber – wird sie Krang von ihrer Aufrichtigkeit überzeugen können?

„Ich hoffe, das passiert nie, aber wenn doch...“ April holt einmal tief Luft und starrt fest in die Kameralinse. „Krang, ich liebe Saki. Und für mich bedeutet das, ich stehe loyal zu ihm, egal, was kommt. Ich werde versuchen, mich so neutral zu verhalten wie die Schweiz, aber wenn mir das trotzdem nicht möglich sein wird, weil die Umstände es nicht zulassen, dann wähle ich Saki. Wenn es gegen die Turtles geht - dann wähle ich Saki. Wenn du ihn vor die Tür setzt – wähle ich Saki und gehe mit ihm."

Abermals starrt Krang sie so durchdringend an. Aber diesmal starrt sie unbeirrt zurück in diese fremdartigen lila Augen.

Schließlich grunzt Krang einmal, greift mit einem Tentakel hinter sich und schiebt ihr dann über den Tisch hinweg einen ihr wohlbekannten Gegenstand zu.

Aber anstatt sofort danach zu greifen, ist nun sie es, die Krang nachdenklich mustert.

„Was soll ich mit meinem Turtlecom?"

„Sieh es als Vertrauensbeweis. Aber“, fügt er mit einem hinterlistigen Lächeln hinzu, „sicherheitshalber habe ich es trotzdem mit meinem Netzwerk verbunden."

Dieser unverbesserliche Kontrollfreak. Und diesmal verbeißt sie sich nicht das belustigte Schmunzeln.

„Wenn du dich dann besser fühlst..."

„Nimm es nicht persönlich."

April schüttelt nur leicht den Kopf. „Das mache ich nicht. Mir ist klar, dass ich mir dein Vertrauen erst verdienen muss.“ Sie ist ja heilfroh, dass sie ohne größere Probleme hier bleiben darf.

„Du darfst hier immer noch nicht unbegleitet durch die Gänge spazieren.“ Krang klingt betont streng. „Wenn ich dieses Verbot aufhebe, dann weißt du, dass ich dir vertraue. Zumindest so weit man einem Menschen trauen kann“, schränkt er schnell ein.

Das hat sie beim ersten Mal nicht gestört und jetzt auch nicht. Alleine würde sie sich hier sowieso verlaufen. Ihr Blick fällt auf das Turtlecom und ihr kommt eine Idee. Warum nicht gleich Nägel mit Köpfen machen und ihm auf diese Art gleich einen ersten beweis für ihre Vertrauenswürdigkeit liefern?

„Was dagegen, wenn ich bei meinem Chef von Channel Six anrufe, um dort zu kündigen?“

 

27. Kapitel

 

In ihrer Wohnung stapeln sich die Kisten. Es ist erstaunlich, wieviel sich in den letzten Jahren angesammelt hat. Das, was sie braucht - hauptsächlich ihre Kleidung und ein paar private Dinge, an denen ihr Herz hängt, sowie wichtige Dokumente - haben ihr ihre Jungs schon heute morgen ins Technodrome geschleppt.

Das Portal funktioniert wieder halbwegs und Krang war gut gelaunt, so dass auch das ein und andere Möbelstück darunter war, wie die Turtles jetzt zu ihrem großen Bedauern feststellen müssen. (Nicht dass sie wüssten, wohin diese Einrichtungsgegenstände verschwunden sind, oh nein, ganz gewiss nicht, sie ist doch nicht lebensmüde!)

Außerdem sind sie enttäuscht und sauer, weil April keine Abschiedsparty gibt.

„Schade, dass deine Couch schon weg ist. Die hätten wir echt gut gebrauchen können." Raphael ist wirklich schwer enttäuscht.

„Tut mir Leid", lügt April ohne jedes schlechte Gewissen.

Sie findet nämlich, dass ihre alte Couch sich sehr gut in ihrem Quartier im Technodrome macht. Sie nutzt es zwar selten und nur, wenn sie ihre Filme schneiden und bearbeiten will, aber Krang bestand nun mal darauf, dass ihr ein eigenes Quartier zusteht. Da es direkt neben Shredders liegt, ließ sie sich schnell dazu überreden. Vor allem, als Rocksteady und Bebop ihr mit Shredders tatkräftiger Unterstützung und ohne Krangs (offizielles) Wissen eine Verbindungstür zwischen den beiden Quartieren eingebaut haben.

Zukünftig betrachtet, könnte daraus mal ein Kinderzimmer werden, aber das sind Gedanken, die sie lieber für sich behält. Im Moment läuft es in ihrem Leben viel zu perfekt, um wahr zu sein. Da will sie lieber nichts riskieren, indem sie weiteren Träumen nachhängt, sonst kommt irgend jemand da oben noch auf die Idee, dass es lustig wäre, ihr das alles wieder weg zu nehmen.

Raphaels brummige Stimme reißt sie wieder aus ihren Gedanken.

„Hast du wenigstens noch deinen Fondue-Topf?"

„Nein, tut mir Leid." Da waren Rocksteady und Bebop schneller. Sie haben sich jede ihrer Küchenmaschinen unter den Nagel gerissen, sogar diese alte Kaffeemühle, die sie mal auf einem Flohmarkt gefunden hat und die sie nur wegen ihres antiken Aussehens kaufte. Sie weiß nicht einmal, ob das Ding überhaupt funktioniert.

Raphael zieht einen Flunsch, schaut noch einmal prüfend in jeden Küchenschrank, ob da nicht doch noch etwas ist, was er gebrauchen könnte und stapft dann wieder unverrichteter Dinge ins Wohnzimmer hinüber, wo Meister Splinter mit dem Durchstöbern ihrer Büchersammlung beschäftigt ist. Es gibt da ein paar Exemplare, von denen sie sich vorstellen könnte, dass sie ihm gefallen, also hat sie sie im Regal stehen lassen.

Sozusagen als Abschiedsgeschenk. Denn so ein kleines bisschen hat sie schon ein schlechtes Gewissen.

„Warum muss es ausgerechnet Alaska sein? Da gibt es doch gar nichts und das ist so weit weg!" Michelangelo wirft ihr einen vorwurfsvollen Blick zu. Das ist heute schon der vierte, wenn sie richtig gezählt hat.

„Es ist eine einmalige Chance. Die musste ich einfach ergreifen", erwidert sie, und das ist schließlich nicht einmal gelogen.

Was Krang wohl sagen würde, wenn er erführe, dass sie gegenüber den Turtles und ihrem Sensei aus dem Technodrome einen lokalen TV-Sender bei Bären und Elchen gemacht hat? Und dann nochmal schnell auf die andere Seite des Kontinents versetzt hat? Er würde sich bestimmt kringeln vor Lachen. So wie Shredder und die Mutanten, als sie ihnen das erzählte.

„So weit weg", ächzt Michelangelo noch einmal. „Was sollen wir nur machen ohne dich? Wer berichtet denn jetzt von unseren Kämpfen gegen den alten Schrottfresser?"

April verzichtet auf eine Antwort und lächelt nur unverbindlich.

„Hast du dein Dossier über den Shredder schon eingepackt?"

Donatellos Stimme hinter ihr lässt sie sich umdrehen. Er steht an ihrem Sekretär und durchsucht neugierig die Schubläden.

„Ja, das ist schon in meiner Tasche", erwidert sie und kann sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen. Eigentlich wollte sie es wegwerfen, aber Shredder und die anderen finden ihren kleinen Spleen bestimmt sehr amüsant und zumindest ihr Liebster hat das Recht, davon zu erfahren. Es wird ihm nur beweisen, wie lange sie wirklich schon verrückt nach ihm ist.

Manchmal sieht er sie nämlich so seltsam an und das erinnert sie doch stark an die bohrenden Blicke, die ihr Krang zuzuwerfen geruht. Bebop und Rocksteady scheinen die einzigen zu sein, die nicht eine Sekunde an ihrer Ernsthaftigkeit zweifeln.

Das sollte sie ärgern, aber merkwürdigerweise versteht sie es sehr gut. Krang fühlt sich wie der Patriarch einer Familie verantwortlich für das Wohl aller im Technodrome – auch, wenn er das nie zugeben würde, und Shredder … nun, ihr Liebster ist ihr da sehr ähnlich, wie sie inzwischen weiß. Das Leben war selten gut zu ihm und kein Glück währte lange genug, um es richtig genießen zu können, da sucht man schnell ein Haar in der Suppe.

Aber das ist gut so, denn so werden sie sich niemals als selbstverständlich betrachten und sich täglich weiterhin umeinander bemühen.

Irma, die neben ihr steht und all die Gläser und Vasen in Papier wickelt, die sie schon immer gerne gehabt hätte und nun sogar geschenkt bekommt, wartet, bis die Turtles außer Sicht- und Hörweite sind und flüstert ihr dann zu:

„Du sagst ihnen nicht die Wahrheit?" Sie klingt überrascht, aber ihre Augen leuchten voller Stolz, dass sie - anders als die Turtles - ins Vertrauen gezogen wurde.

April schüttelt den Kopf und zuckt dann mit den Schultern.

„Ich habe keine Lust auf Diskussionen. Und", sie schneidet eine Grimasse, „sie wollen bestimmt, dass ich für sie spioniere. Von daher finde ich, wenn ich es ihnen in einem halben Jahr oder so sage, ist es immer noch früh genug."

Irma starrt sie einen Augenblick lang verblüfft an und kichert dann leise.

„Dich hat es wirklich voll erwischt."

Daraufhin kann April nur zustimmend nicken.

 

 

Ungefähr eine Stunde später ist der Turtle-Van, der unten an der Straße parkt, vollgepackt bis obenhin und ihre Wohnung ratzekahl leer. Letztendlich waren die Schildkröten und die Ratte nicht wählerisch. Sie nehmen erst einmal alles mit und was sie dann doch nicht gebrauchen können, das werden sie online verkaufen.

April ist es nur Recht.

Sie ist froh, wenn sie endlich einen Schlußstrich unter dieses Apartment und damit ihr früheres Leben, ziehen kann.

„Wir bleiben in Verbindung, ja?“ Irma umarmt sie ein wenig traurig und geht dann die Treppe hinunter, um in den Van zu steigen. Die Turtles haben versprochen, sie nach Hause zu fahren.

Nur Sensei Splinter ist noch da und mustert April nun aus seinen klugen Augen nachdenklich. Dann räuspert er sich einmal und lächelt schwach.

„Es ist wirklich schade, dass du New York verlässt“, meint er leise. „Aber wir müssen uns alle weiterentwickeln und wenn es das ist, was du willst..."

Sie nickt bestätigend. „Ja, Splinter. Das ist genau das, was ich will.“

Wieder mustert er sie auf diese eindringliche Art und Weise und plötzlich fühlt sie sich unangenehm an Krang erinnert.

„Ich rieche ihn an dir“, erklärt er plötzlich und fügt, noch während sie um ihre Fassung ringt, mit einem pfiffigen Schmunzeln hinzu. „Ich habe die feine Nase einer Ratte.“

„Splinter, ich...“ beginnt sie verlegen, während ihr die Röte ins Gesicht kriecht, doch er hebt nur beschwichtigend die Hand.

„Es ist gut, mein Kind. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich verstehe deine Beweggründe, uns nichts zu sagen. Du hast dich entschieden. Und es ist dein Leben. Auch wenn es nicht nett war, uns derart anzuschwindeln.“

„Ihr habt mir keinen Grund gegeben, es nicht zu tun“, gibt sie nicht sehr höflich zurück.

Er denkt kurz darüber nach.

„In der Tat“, gibt er dann zu. Schließlich schenkt er ihr ein strahlendes Lächeln und deutet eine Verbeugung an.

„Ich wünsche dir viel Glück und es würde mich sehr freuen, wenn wir uns wiedersehen könnten. Und vielleicht...“, er zögert kurz und fügt dann hoffnungsvoll hinzu, „... bringst du ihn dann einmal mit.“

Da ist etwas in seiner Miene, nur ganz schwach, kaum zu erkennen, etwas, das sie schon öfter an ihm gesehen hat, wenn er an Shredder denkt. Unwillkürlich kommen ihr wieder diese Gerüchte in den Sinn und sie muss an all diese Paralleluniversen denken, in denen sich Hamato Yoshi nicht zurückgehalten hat.

„Ich werde ihn fragen“, verspricht sie. „Oder besser noch, Ihr fragt ihn selbst, wenn ihr euch das nächste Mal im Kampf gegenüber steht.“

Das ist so seltsam, aber gleichzeitig auch so amüsant, dass sie ein verräterisches Zucken um ihre Mundwinkel nicht zurückhalten kann.

Sie sieht ihm nach, wie er die Treppe hinunterhuscht, dann eilt sie durch ihre Wohnung ans Fenster und beobachtet, wie er in den Van steigt. Sie folgt dem Wagen mit ihren Blicken, bis dieser im Straßenverkehr verschwunden ist.

Noch ein letztes Mal geht sie prüfend durch jedes einzelne Zimmer ihres jetzt leeren Apartments und verlässt es dann mit dem guten Gefühl, diesen Teil ihres Lebens zu einem zufriedenstellenden Abschluss gebracht zu haben.

 

 

Epilog

 

„Du wirst nichts verraten.“ Wütend reißt Shredder Krang die kleine Schatulle aus den neugierigen Tentakeln. Aber er ist ja selbst schuld – wieso lässt er so etwas auch in der Kommandozentrale herumliegen. War ja klar, daß Krang das findet und die richtigen Schlüsse zieht.

„Nein“, erklärt Krang vergnügt, „natürlich nicht, mein Bester.“

„Ich warne dich: einen Pieps und du landest in der Fritteuse!“

„Ich sage nichts“, verspricht Krang ehrlich, aber wenig beeindruckt.

Shredder schenkt ihm noch einen letzten drohenden Blick, bevor er aus der Kommandozentrale eilt.

Krang kichert nur und reibt sich vergnügt die Tentakel, während er seinen Roboterkörper ebenfalls aus der Zentrale lenkt. Doch anders als Shredder schlägt er die Richtung zur Krankenstation ein. Er will die liebe April schließlich nicht länger warten lassen als nötig.

 

 

Fünfzehn Minuten später hat Krang ein kleines Deja vu.

„Du sagst nichts, okay?“

„Natürlich nicht, April.“

„Ich warne dich: wenn du ihm was sagst, verknote ich dir deine Tentakel.“

„Ich sage nichts“, verspricht Krang und verbeißt sich nur mit Mühe ein Lachen, als sie ihm noch einen warnenden Blick zuwirft und dann die Krankenstation verlässt.

Wissen die beiden eigentlich, wie ähnlich sie sich sind?

Vergnügt greift er zu seinem Tablet und loggt sich bei X-Zone ein. Es gibt gute Neuigkeiten, die er seinen Doppelgängern einfach mitteilen muss!

 

 

April weiß, dass etwas im Busch ist. Seit einigen Tagen werfen ihr die beiden Mutanten immer dann, wenn sie glauben, sie bemerke es nicht, so komische Blicke zu. Und ständig dieses Getuschel hinter ihrem Rücken!

Und Saki verbirgt auch etwas vor ihr, das ist ihr als erstes aufgefallen. Es ist nichts, was er tut oder sagt, es ist eigentlich nur so ein Gefühl. Es fühlt sich aber nicht an wie etwas Schlechtes, also spielt sie weiter die Unwissende. Es ist bald Weihnachten, wahrscheinlich hängt es damit zusammen. Manchmal sind Männer eben doch wie kleine Kinder. Und wer ist sie, ihnen ihren Spaß zu verderben?

Außerdem hat sie auch so ihre kleinen Geheimnisse, nicht wahr?

Bei diesem Gedanken schleicht sich unwillkürlich ein Lächeln auf ihre Lippen, doch sie ertappt sich gerade noch rechtzeitig dabei und bemüht sich wieder um eine ernste Miene, wobei sie versucht, der Kamera am Ende des Ganges nicht allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken.

Krang beobachtet sie bestimmt, der alte Spanner!

Inzwischen hat sie sich zwar daran gewöhnt, aber heute nervt es sie. Sie mag es nicht, so unter Druck gesetzt zu werden. Sie weiß, dass sie es Saki sagen muss, und da ihr jetzt Krang im Nacken sitzt, darf sie nicht allzu lange damit warten. Krang hat ihr zwar versprochen zu schweigen, aber bei dem Alien weiß man nie...

Derart in Gedanken verloren, betritt sie die Küche.

Und plötzlich regnet es Blüten.

Rote Rosenblätter, um genau zu sein.

„Was-?" verblüfft bleibt sie stehen.

Rocksteady und Bebop grinsen nur und bewerfen sie weiterhin mit Blütenblättern.

„April."

Sie blinzelt an sich herunter und begegnet ernsten, braunen Mandelaugen.

Er kniet vor ihr! Wann und wie ... sie hat das gar nicht mitbekommen. Er ist wahrlich ein Ninja. Dann bemerkt sie die geöffnete Schmuckschatulle, die er ihr entgegenstreckt. Auf dem Samtkissen liegt ein goldener Ring.

Oh?

Oh!

Das wird ein Antrag, nicht wahr? Er macht ihr tatsächlich einen Antrag? Plötzlich klopft ihr das Herz bis zum Halse und sie spürt, wie ihr das Blut in die Wangen schießt. Himmel, hätte sie das gewusst, dann stünde sie jetzt in einem passenderem Outfit hier als einfach nur alten Jeans und einem Sweater mit Footclan-Logo!

Sie ist so aufgeregt, dass sie fast verpasst, was er ihr sagen will.

„April, mein Herz, mein Liebling, es gibt keine Worte, die ausreichend beschreiben, wie viel du mir bedeutest. Ich möchte den Rest meines Lebens an deiner Seite verbringen. April", er holt einmal tief Luft und sieht erwartungsvoll zu ihr hoch, „willst du mir die Ehre erweisen, mich zu heiraten?"

Seine Worte, so schlicht und ehrlich, treffen sie mitten ins Herz und bringen sogar den kleinen Schalkteufel, der ihr immer im Nacken sitzt, zum Schweigen. Auch wenn ihr darauf jetzt Hunderte flapsige Antworten einfallen - letztendlich gibt es nur eine, die sie wirklich geben kann.

„Ja!" ruft sie daher atemlos. „Ja, ich will!"

Sie strahlt ihn an und er strahlt zurück und während Rocksteady und Bebop in begeisterte Rufe ausbrechen und herumhopsen wie übergroße Kinder, steht Shredder wieder auf, nimmt ihre Hand und streift ihr in zeremoniellem Ernst den Ring an den Finger.

Sie achtet kaum darauf, wie der Ring aussieht (in diesem Moment könnte er auch aus einem Kaugummiautomazen stammen) und fällt ihm einfach nur überglücklich um den Hals.

Er drückt sie mindestens ebenso glücklich an sich und dann besiegeln sie ihre Entscheidung mit einem langen, süßen Kuss.

Es dauert eine Weile, bis sie sich wieder trennen, und selbst dann lehnt sie sich weiterhin an ihn und er lässt seine Hände auf ihrer Taille.

Überglücklich betrachtet sie zum ersten Mal den Ring an ihrem Finger etwas genauer.

Er passt perfekt. Und er ist so schön! Bescheiden und elegant zugleich schmiegt er sich um ihren Finger, ineinander verschlungenes Gold und Silber mit einer Reihe hauchzarter Rubine. Genau ihr Geschmack. Das ist ein Ring, wie sie ihn jeden Tag tragen kann und sie wird das mit all dem Stolz jener zukünftigen Braut tun, die sie jetzt ist.

„Gefällt er dir?" Obwohl ihre Miene für sich spricht, will Shredder es von ihr hören. „Ich war bei einem halben Dutzend Juwelieren, um ihn zu finden."

„Du hast ihn gekauft? So richtig gekauft? Mit Geld?"

„Ja, mein Liebling", bestätigt er schmunzelnd. „Unsere Ehe soll schließlich nicht unter einem schlechten Vorzeichen stehen."

Das ist ja so süß! Dafür hat er sich einen weiteren Kuss verdient!

„Wenn ich nicht schon ja gesagt hätte, würde ich es spätestens jetzt sagen."

Er grinst nur, hält sie wieder ganz fest und nimmt ihr mit dem nächsten Kuss regelrecht den Atem.

Als er sie nach einer gefühlten, wunderschönen Ewigkeit wieder aus diesem Kuss entlässt, ist ihr ganz schwindelig.

Und dabei hat sie doch auch noch eine Überraschung für ihn!

Aber bevor sie richtig darüber nachdenken kann, wie sie das jetzt verpackt, kommt er ihr wieder zuvor.

„Was hälst du von einer Hochzeit im Frühsommer zum Hanami in Osaka?"

Das Kirschblütenfest? Das hat er sich gemerkt? Dabei hat sie doch nur einmal ganz kurz und vor einer Ewigkeit eine kleine bewundernde Bemerkung fallen gelassen. Vor ungefähr zwei Wochen, als sie sich beide aus Neugier durch die Bilder seiner Doppelgänger auf X-Zone gescrollt hatten. Sie hatte sich sofort in das Foto von den blühenden Kirschbäumen vor dem Schloss in Osaka verliebt.

„Im Frühsommer?" wiederholt sie gerührt. Unwillkürlich kommt sie ins Nachrechnen. „Ginge es nicht etwas früher?" sprudelt es dann regelrecht aus ihr heraus. „Sehr viel früher?" Dann bemerkt sie seine fragend hochgezogenen Augenbrauen und weiß, sie hat sich verplappert. Sie gibt sich einen gedanklichen Tritt, tröstet sich damit, dass dies auch keine schlechte Gelegenheit ist, sieht ihm ernst in die Augen und erklärt dann mit dem ihr eigenen, total trockenen Humor:

„Ich will kein Hochzeitsfoto mit sichtbaren Babybauch."

Es bereitet ihr ein diebisches Vergnügen, dabei zuzusehen, wie der Groschen ganz langsam bei ihm fällt. Und sie beobachtet sein Mienenspiel ganz genau. Er enttäuscht sie nicht. Aus Verwirrung wird übergangslos riesige Freude. Selbst als er ihr den Antrag machte, haben seine Augen nicht so gestrahlt!

Vorsichtig legt er ihr die flache Hand auf den Bauch und mustert sie fragend, ganz so, als könne er es noch nicht glauben. Sie kann es ihm nicht verübeln. Exakt so hat sie sich vor einer halben Stunde gefühlt, als sie bei Krang in der Krankenstation saß. Es ist ein einzigartiger Moment, wenn aus Ahnung und Hoffnung absolute Gewißheit wird. Und so nickt sie nur einmal bestätigend, nur, um sich eine Sekunde später in einer bärenstarken Umarmung wiederzufinden.

Rocksteady und Bebop, die natürlich alles mit angehört haben, quietschen begeistert auf, schütten ihre letzten Blütenblätter über ihnen aus und ziehen sich dann rücksichtsvoll etwas zurück, während April und Shredder wieder in einem dieser grenzenlos romantischen Küsse versinken.

Obwohl sie dessen in den letzten sieben Wochen immer wieder Zeuge wurden, kommen Rocksteady und Bebop nicht umhin, sich verstohlen die eine oder andere Träne der Rührung aus den Augen zu wischen.

 

 

Genau wie Krang, der immer noch in der Krankenstation hockt, aber auch von hier alles gut auf einem Bildschirm mitverfolgen kann. Es gibt sogar Ton. Er hat jedes Wort gehört.

Aber nicht nur er.

Seinem gerührten Seufzer antwortet ein zehnstimmiges, ergriffenes Echo aus X-Zone.

Erschrocken schaltet Krang sein Tablet aus. Wie konnte er nur vergessen, dass er noch eingeloggt ist?

Doch der Schreck darüber währt nicht lange. Nur allzu schnell verliert er sich wieder in den Anblick der beiden Verliebten vor sich auf dem Bildschirm. Wozu braucht er schon Seifenopern, wenn das Leben solch romantische Geschichten direkt vor seinen Augen schreibt?

 

 

 

- Happy End - 



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