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Only Love

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Zeit für einen Zeitsprung! Um genau zu sein, den ersten von vielen.
Wir befinden uns nun wieder in der Kakashi Anbu Arc, kurz nachdem Kakashi Kinoe aus der Ne-Einheit herausholt. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Widmen wir uns nun einer Faszination, der sich jeder Yamato-Fan früher oder später hingibt: seinen Haaren! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Zeit für einen Zeitsprung! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Vielleicht hätte ich mal vorweg schicken sollen, dass hier so einige Zeitsprünge vorkommen.
Jetzt kommt nämlich schon wieder einer. ^^°
Und zack! Nun sind wir schon bei dem Teil, bei dem Kakashi und Yamato Narutos Training überwachen.
Ich musste festellen, dass egal wie oft ich Yamato-FFs schreibe, ich immer noch aufpassen muss, wann ich welchen seiner Namen verwende. Aber ich glaube, das ist eines der vielen Dinge, die ich an Yamato liebe. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Uuuhm ... Zeitsprung!
Dieses Mal machen wir wieder einen gewaltigen Sprung nach vorne und befinden uns nun an einer Stelle, die an meiner Vorgänger-FF anknüpft; also sind wir in der Naruto-Zeitrechnung nun in einem Zeitraum zwischen The Last und Narutos Hochzeit. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Auftritt restliches Team Sieben! Nun ja, zumindest 3/4 des restlichen Teams. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und wir sind wieder zurück am Anfang. ;-) Komplett anzeigen

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Tu was! Tu endlich was!

Kakashi war sich nicht wirklich sicher, die Sache komplett durchdacht zu haben. Nein, er konnte tatsächlich nicht von sich behaupten, genau zu wissen, wie es eigentlich weitergehen sollte, nachdem er Yamatos Hand ergriffen hatte. Natürlich hatte der Jüngere dies nicht abgelehnt - das hatte Kakashi in seinen Überlegungen schon miteinbezogen gehabt – aber was er nun weitergehend tun sollte, fiel ihm partout nicht ein. IchaIcha war, so großartig dieses literarische Meisterwerk auch war, an diesem Punkt noch keine große Hilfe.

Yamato seine Hand hinzuhalten, war – und dies gab Kakashi sich selbst gegenüber zweifelsfrei zu – zu gleichen Teilen überstürzt und längst überfällig gewesen. Überfällig war es deshalb, da Yamato vermutlich bereits seit knappen zehn, zwölf … vielleicht auch fünfzehn Jahren auf irgendetwas seitens des Älteren wartete und Kakashi nach langen Jahren des Aufschiebens plötzlich hier auf dem Heimweg von Narutos und Hinatas Hochzeit eine Stimme im Innern hörte, die ihn beinahe nervtötend anschrie: Tu was! Tu endlich was! Wie schwer kann das sein?!

Was dann zu der, Kakashis Empfinden nach, überstürzten Handlung geführt hatte.

Was sollte er denn jetzt nur tun?

Von Yamatos Seite aus erwartete er keine größeren Aktionen, woran Kakashi selbst schuld war. Durch seine ewige Distanziertheit hatte der Andere sich allem Anschein nach damit abgefunden, dass Kakashi unnahbar war und so unternahm Yamato nichts, um den Älteren nicht zu verschrecken. Yamato war schon immer die Sorte Mensch gewesen, die für die Rücksichtnahme auf andere die eigenen Bedürfnisse zurückstellte.

Warum nur fiel ihm selbst Zwischenmenschliches so schwer? Herrje, Sai und selbst Sasuke (Sasuke!) konnten da bessere Lernerfolge verzeichnen als er.

Dennoch, wenn Kakashi in dem Moment, in dem Yamatos Hand sich mit seiner zusammenschloss, eines nicht empfand, dann war es, die Aktion zu bereuen – und schuld daran war Yamatos Lächeln. Kakashi verstand nicht, und würde es wahrscheinlich nie verstehen, wie Yamato sein Herz an ihn verlieren konnte. Ausgerechnet, von allen Menschen dieser Welt, an ihn. Er konnte ihn glücklich machen und er wollte auch, bei allem, was ihm nicht klar war, dies war es umso mehr.

Ersteinmal machte Kakashi allerdings wieder einmal das Gegenteil.

An der Wohnung angekommen, löste Kakashi seine Hand rasch und abrupt von der des Jüngeren und während er die Tür aufschloss, konnte er aus dem Augenwinkel Yamatos enttäuschte Miene ausmachen.

Das war vermutlich unsensibel gewesen.

Schweigend (sie hatten den gesamten restlichen Weg geschwiegen, aber es war ein anderes Schweigen gewesen, eher eine angenehme Stille) betraten beide die Wohnung und Kakashi hätte sich beim Anblick seines zerknirschten Kohais am liebsten selbst geohrfeigt.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte er wohlwissend, dass dies eine dumme Frage war.

Yamatos Gesicht verriet, dass er über eine andere Antwort nachdachte, als die, die er tatsächlich gab: „Ja. Alles in Ordnung.“ Er schaffte es sogar noch, sich ein Lächeln abzuringen.

Kakashi hörte wieder eine Stimme in seinem Innern verzweifelnd schreien.

„Ich...“, begann er und Yamato horchte hoffnungsvoll auf. „Ich … ach, nicht so wichtig.“ Sein Gegenüber sank wieder zerknirscht zusammen.

Was machte er da nur? Kakashi schüttelte über sich selbst den Kopf. Na schön, er war überfordert mit einer solchen zwischenmenschlichen Situation, aber das war er bereits sein ganzes Leben lang und er hatte sich immer aus der Verantwortung gestohlen, war immer feige gewesen und hatte Yamato damit sicher mehr als nur einmal verletzt. Was hatte er zu verlieren? Er hatte Yamato schon beinahe ein paar Mal verloren, worauf wartete er dann noch? Es war ihm zu spät bewusst geworden, dass er Rin geliebt hatte. Es war ihm noch viel später bewusst geworden, dass er Obito geliebt hatte. Worauf, worauf nur, wartete er noch? Yamato war immer die Ausnahme gewesen. Vielleicht war es nun wirklich an der Zeit, eine weitere große Ausnahme zu machen und das alte Muster zu durchbrechen.

Kakashi atmete tief ein und wieder aus, ehe er auf den Anderen zu ging.

„Wenn ich ehrlich bin“, sagte er, „verstehe ich dich nicht.“

Yamato stutzte und blickte ihn verwundert an. „Was?“

„Ich verstehe dich wirklich nicht. Warum wartest du die ganze Zeit auf mich, wenn du sicher längst mit jemand anderem dein Glück hättest finden können.“

Die Miene des Jüngeren wechselte zu entgeistert, womöglich zog er die falschen Schlussfolgerungen aus diesem Satz. „W-was willst du denn damit sagen?“

Kakashi war derweil genau vor Yamato stehen geblieben. „Was findest du nur an mir?“

Auch wenn es kaum möglich geschienen hatte, Yamatos Augen wurden noch größer und Kakashi konnte in ihnen die Hoffnung darauf erkennen, dass dieses Gespräch irgendwie noch eine gute Wende nahm. Ja, er war schuld an dieser Situation. Nie hatte er klare Worte finden können, immer und immer wieder hatte er Yamato hingehalten.

Kakashi atmete einmal tief ein und wieder aus, ehe er beide Hände Yamatos nahm, der daraufhin endgültig die Welt nicht mehr verstand.

„Uhm, äh, was … was?“, stammelte Yamato vor Überforderung und brachte damit Kakashi unwillkürlich zum Lächeln, denn es weckte in ihm die Erinnerungen daran, wie sie an diesen Punkt gelangt waren.

Schnee von gestern

Kakashi starrte gelangweilt auf seinem Futon liegend die heimische Zimmerdecke an. Von seinen fünf freien Tagen waren noch drei weitere übrig. Er war nach wie vor überrascht, dass der Hokage ihn nicht mehr zurecht gewiesen hatte. Sein Anpfiff hatte hauptsächlich dem Missachten des Befehls seine Wunden behandeln zu lassen gegolten; über sein eigenmächtiges Handeln hatte der Sandaime nichts mehr gesagt. Vielleicht weil er da noch bei ihnen gewesen war? Kakashi zuckte mit den Schultern und verzerrte sogleich aufgrund des plötzlichen Schmerzes das Gesicht. Er warf einen kurzen Blick auf die Wunde am Oberarm und seufzte tief. Fünf freie Tage zur Erholung hielt er für übertrieben, aber dieses Mal würde er sich nicht dem Befehl des Hokage widersetzen. Nicht nur, weil dieser ihm im entscheidenden Augenblick zur Hilfe gekommen war, sondern auch, oder besonders, weil der Hokage wirklich, wirklich zornig gucken konnte. Einen sanftmütigen Menschen wie Hiruzen Sarutobi wütend zu machen, hatten noch nicht viele geschafft (und das war ja eigentlich auch nicht seine Absicht gewesen. Wann genau hatte er eigentlich damit angefangen, Befehle zu missachten?). Kakashi wollte nicht darüber nachdenken, was er ohne das Eingreifen des Sandaime gemacht hätte. Gegen Danzou und die voll versammelten Ne hätten sie keine Chance gehabt. Ihn hätte Danzou sicher verschont, aber dafür sonst etwas mit ihm angestellt und er selbst … tja, das wollte er sich wirklich nicht ausmalen. Was er jetzt gerade wohl machte? Die Umgewöhnung vom Leben in der Ne zum Leben in Konoha war sicher nicht ganz so einfach ….

Moment, dachte Kakashi, seit wann mache ich mir Gedanken über andere Menschen? Kakashi hatte nicht viel Zeit sich darüber zu wundern, denn just in diesem Moment klopfte es an seiner Tür. Wer konnte das denn nun sein? Eine Nachricht vom Hokage hielt er für am wahrscheinlichsten, denn Besuch bekam er nur selten und wenn war es meist Gai und für den hatte er jetzt nun wirklich keinen Nerv.

„Ja, einen Augenblick“, sagte er träge, richtete sich ächzend auf und schlurfte zur Tür.

Als er diese öffnete, staunte er nicht schlecht. Mit diesem Besucher hatte er nun gar nicht gerechnet.

„Kinoe?“, fragte er überrascht anstelle einer Begrüßung, als er in die großen dunklen Augen des Jungen vor ihm blickte. „Was machst du hier?“

„E-entschuldigung, Kakashi“, brachte dieser zögerlich hervor, „ich hoffe, ich störe nicht.“

„Nein.“ Kakashi musterte ihn unauffällig. Kinoe wippte ein wenig nervös von einem Fuß auf den anderen und auch sein immer wieder von Kakashi weichender Blick gab seine Nervosität preis. „Woher weißt du überhaupt, wo ich wohne?“

„Uhm ...“ Ertappt wanderten Kinoes Augen nun vollends von seinem Gegenüber weg und suchten scheinbar etwas in der Luft, ehe sie zaghaft wieder auf Kakashi landeten. „Ich habe dich im Dorf gesehen und gesehen, wo du hin gegangen bist.“

Kakashi stutzte. „Du hast mich aber nicht verfolgt, oder?“

„Uhm...“ Seine Augen wiederholten die Wanderung von vorhin. „Nein?“

Nicht so recht wissend, ob ihn das beunruhigen sollte (einerseits fühlte er sich von Kinoe nicht bedroht, andererseits hatte dieser ihn vor zwei Tagen noch umbringen wollen), versuchte Kakashi die schlecht gelogene Antwort zu ignorieren und das merkwürdige Gespräch voranzutreiben.

„Also, was gibt’s?“

„Ich … uhm … ich wollte … wegen-“

Zwei andere Bewohner des Apartmenthauses durchquerten den ankreuzenden Flur und ließen Kinoe erschrocken verstummen. Kakashi entfuhr ein mitleidiger Seufzer. Kinoe wollte ihm offensichtlich etwas sagen, was ihm nicht leichtfiel; da war es doch etwas hartherzig ihn hier im Hausflur abfertigen zu wollen. Plötzlich fühlte Kakashi sich so, als würde er sich selbst von außen beobachten und er konnte selbst nicht glauben, was er sich sagen hörte:

„Möchtest du reinkommen?“

Überrascht sah Kinoe ihn an und nahm freudig das Angebot an. Während er eintrat, wunderte Kakashi sich zeitgleich über sich selbst. Er hatte noch nie, wirklich nie, jemanden freiwillig in seine Wohnung gelassen und der Erste, den er hineinließ, war der Junge, der ihn letztens noch umbringen wollte? Sollte er anfangen, an seinem Verstand zu zweifeln? Oder hatte er eine Kopfverletzung von der ihm die Ärzte nichts gesagt hatten?

„Das ist eine sehr schöne Wohnung.“ Kinoe ließ seinen Blick nur sehr flüchtig durch den Raum schweifen. Es war offensichtlich, dass er nicht wusste, ob es in Ordnung war, sich näher umzusehen - auch wenn Kakashi überhaupt keine persönlichen Gegenstände dort hatte.

„Danke. Sie erfüllt ihren Zweck“, antwortete Kakashi, während er beobachtete, wie Kinoe als weiteren nervösen Tick nun das Kauen auf der Unterlippe zu seinem Portfolio hinzugefügt hatte. Für sich selbst unerklärlich, spürte Kakashi das Verlangen, dem Anderen die Unterhaltung angenehmer zu machen. „Hast du jetzt eine Wohnung?“

„Ja. Der Hokage hat mir eine zuweisen lassen“, erwiderte Kinoe sichtbar erfreut über das Interesse an ihm.

„Das ist schön.“ Während Kakashi lächelte, hörte er eine Stimme in seinem Inneren: Okay, seit wann interessieren dich andere und seit wann ziehst du Gespräche in die Länge statt sie zeitnah zu beenden?

„Warum bist du hergekommen, Kinoe?“

„Oh! Ja ... uhm …“ Er kaute von Neuem auf seiner Lippe herum.

„Was denn?“, hakte Kakashi aufmunternd nach und wunderte sich weiter, warum ihm etwas daran lag, dass der Junge vor ihm sich nicht unwohl fühlte. „Sag einfach, was du sagen willst.“

Kinoe sah ihn mit großen Augen an und atmete schließlich einmal tief ein und aus. Dann wurde sein Blick um einiges trauriger und Kakashi war vollends irritiert, warum ihn selbst das so störte.

„Ich wollte mich entschuldigen“, sagte Kinoe endlich. „Wegen dem was passiert ist.“

Für einen langen Augenblick herrschte Stille zwischen den beiden, bis der Ältere von ihnen sich sagen hörte:

„Ach was, das ist doch schon längst vergessen.“

Das musste eine Kopfverletzung sein!

Verwirrt blinzelte Kinoe ihn an. „Aber ich habe doch … und deine Verletzungen!“

„Schnee von gestern.“ Kakashi zuckte mit den Schultern und biss sich selbst auf die Lippe als der stechende Schmerz seiner Wunde ihn wieder peinigte.

Kinoes Augen wanderten sorgenvoll von einer Bandage zur nächsten. „Bist du dir sicher? Hast du denn nicht noch Schmerzen?“

„Die merk ich kaum noch.“ Warum in aller Welt war es ihm so wichtig, ihn davon zu überzeugen, dass das alles gar nicht so schlimm war? Was war mit diesem Jungen, dass er ihm so wichtig war?

„Kann ich dir mit irgendetwas helfen?“, bot Kinoe nun an und Kakashi fragte sich zum tausendsten Mal, wie jemand so Sanftmütiges jemals ein Ne gewesen sein konnte.

„Nein, das ist nicht nötig. Aber vielen Dank.“

„Wenn du doch etwas brauchst, dann sag ruhig Bescheid, ja?“ Kinoe sah ihn so entschlossen an, dass Kakashi unweigerlich lächeln musste.

„Wenn du mit etwas Hilfe brauchst, kannst du mich gerne um Rat fragen.“

Wo war das denn nun hergekommen? Vielleicht hatte er eine Kopfverletzung und verlor den Verstand? Was war mit ihm los? Als sein Angebot bei seinem Gegenüber ein strahlendes Lächeln auslöste, spürte Kakashi bei dessen Anblick wie sich in seinem Innern eine wohlige Wärme ausbreitete.

Irgendetwas war hier los, aber Kakashi war von all dem zu überwältigt und zu angetan, um es zu hinterfragen.

„Danke, Kakashi. Du bist wirklich-“

„Ach was.“ Der Ältere winkte ab. „Wie gesagt, mach dir keinen Kopf um das hier.“

Kinoe lächelte erneut. „Ich möchte dich auch nicht länger stören. Du musst dich sicher noch ausruhen.“

Sah er durch ihn hindurch? War der Junge so feinfühlig, dass er merkte, wenn man ihm etwas vormachte?

„Danke für den Besuch, Kinoe.“ Er öffnete die Tür und der Jüngere ging; immer noch mit einem Lächeln auf seinen Lippen.

Kinoe.

Kakashi ließ sich wieder auf seinem Futon nieder.

Der Name passte nicht wirklich zu ihm. Er war so nichtssagend. Und Danzou hatte ihn ausgesucht. Kakashi verzog beim Gedanken daran das Gesicht.

Kinoe.

Nein.

Er wollte ihn nicht länger bei einem Namen nennen, der in Verbindung stand mit Danzou, den Ne und allem Schlechten was dazu gehörte.

Er brauchte einen Namen, der nicht nur zweckmäßig war. Einen, der das Gegenteil zu dem war, was Danzou und Orochimaru verkörperten.

Kakashi lächelte zufrieden seine Decke an, als ihm eine Erinnerung kam.

 

Tenzou.

10. Februar

Es war eine beißend kalte Februarnacht, als die Mitglieder von Team RO endlich wieder Konoha erreichten. Die Mission hatte länger gedauert als ursprünglich angenommen worden war und sie war weitaus kräftezehrender gewesen als jedes einzelne Teammitglied gedacht hatte. Trotzdem hatte Kakashi sie alle wieder nach Konoha gebracht. Seine Laune war dennoch nicht gerade auf einem Höhepunkt. Tenzou hatte in den Monaten, die er schon in diesem Team war, gelernt, dass sein Kommandeur es nicht mochte, wenn unvorhergesehene Dinge auf Missionen passierten. Sicher, so etwas mochte niemand sehr gerne und Kakashi passte sich stets unglaublich schnell an neue Bedingungen an, aber wenn, wie auf der vergangenen Mission, das Wohl seines Teams in Gefahr geriet, konnte er wirklich, wirklich schlechte Laune haben. Niemand hatte sich jedoch vorstellen können, dass seine Laune im Stande war im nächsten Augenblick noch weiter zu sinken.

„Ich bin froh, dass wir es wenigstens noch vor dem elften geschafft haben“, sagte ein Anbu zu dem Kameraden neben sich, als sie schon wieder im Umkleideraum der Anbu waren. „Morgen Vormittag heiratet nämlich meine Schwester und so kann ich immerhin noch ein paar Stunden bis dahin schlafen.“

„Moment“, stutzte Kakashi, der das Gespräch mit angehört hatte und Tenzou spürte wie die Anspannung des Älteren plötzlich anstieg. „Heute ist der zehnte?“

„Noch ganze 15 Minuten, Taichou“, antwortete ein Anbu verwundert und deutete auf die an der Wand hängende Uhr.

Kakashi blickte auf das Ziffernblatt als würde er dem Kameraden nicht glauben. Tenzou konnte für einen Sekundenbruchteil die Irritation in seinen ungleichen Augen erkennen, ehe sie in Zorn umschlug. Im nächsten Augenblick schlug Kakashi die Tür seines Spindes zu und rauschte aus dem Raum hinaus. Die anderen Anbu sahen sich untereinander fragend an; einige von ihnen zuckten mit den Schultern und kehrten zu ihren eigenen Unterhaltungen zurück. Vielleicht waren sie solch ein Verhalten bereits gewohnt, vielleicht interessierte es sie nicht, vielleicht hielten sie es für besser, ihn in Ruhe zu lassen. Tenzou jedoch sah dem Vorgesetzten einen Moment lang nach, zog dann seinen Mantel wieder an, schnappte sich Kakashis, den dieser auf der Bank nahe seines Spindes abgelegt hatte und lief dem Älteren hinterher.

„Lass ihn besser in Ruhe“, rief ein Kamerad ihm noch nach, aber Tenzou setzte seinen Weg unbeirrt fort. Er hatte in den vergangenen Monaten auch gelernt, dass es zwei Orte gab, die Kakashi in Konoha regelmäßig frequentierte. Der eine war der Friedhof, wo sich die Gräber seiner Kameradin und seines Lehrers befand, der andere war der Gedenkstein, der etwas außerhalb des Dorfes, nahe den Trainingsplätzen, gelegen war. Der junge Shinobi folgte lediglich einem Gefühl, als er die Richtung des Gedenksteins einschlug. Umso erleichterter war er daher, als er am Erinnerungsmal angekommen, Kakashi dort stehen sah.

„Was ist?“, fragte Kakashi und drehte nur leicht den Kopf in Richtung des Kameraden. Sein Unterton verriet, dass er immer noch nicht besserer Laune war.

„Es ist kalt, Sempai“, erwiderte Tenzou lediglich und hielt ihm den Mantel hin.

Kakashi blickte erstaunt auf das Kleidungsstück und dann zu der Person, die es ihm gebracht hatte. Mit einem Mal entspannten sich seine Züge wieder etwas. Kopfschüttelnd nahm er den Mantel entgegen und zog ihn an. „Du bist extra deswegen hergekommen?“

„Ja“, antwortete Tenzou und freute sich innerlich, dass Kakashis Stimmung sich anscheinend wieder hob. „Ich möchte dich auch nicht weiter stören.“

Er setzte schon dazu an, wieder zu gehen, als die Stimme des Älteren ihn zurückhielt.

„Warte. Wenn du willst, kannst du bleiben.“

Verblüfft blinzelte Tenzou ihn an. „Bist du dir sicher?“

„Ja“, sagte er und drehte sich zum Stein zurück. „Obito hätte wahrscheinlich nichts dagegen.“ Kakashi lächelte schwach. „Er hätte dich sicher gemocht.“

Obito war jemand, den Kakashi ihm gegenüber hier und da mal erwähnt hatte und Tenzou wusste von anderen Anbu, dass er derjenige war, von dem Kakashi sein Sharingan erhalten hatte. Manche ließen es so klingen, als hätte Kakashi sich das Auge unrechtmäßig angeeignet, als hätte der junge Uchiha deshalb vielleicht sein Leben lassen müssen. Aber sie erzählten auch, er hätte Rin getötet und Tenzou wusste, dass dies nicht der Wahrheit entsprach. Kakashi war kein schlechter Mensch, im Gegenteil.

Nach und nach hatte Tenzou gemerkt, was für Privilegien Kakashi ihm zuteil werden ließ. Den anderen gegenüber erwähnte er weder Obito noch Rin; mit den anderen fing er auch nie überhaupt irgendein Gespräch an; sie wurden von ihm nicht gefragt, ob sie ihn irgendwohin begleiten wollten und ganz bestimmt nicht, ob sie dabei sein wollten, wenn er Obito und Rin besuchte. Dass Kakashi nun auch noch sagte, dass Obito (jemand, dessen Namen Kakashi immer mit so viel Bewunderung aussprach) ihn sicher gemocht hatte, kam für Tenzou nicht nur unerwartet, es bedeutete ihm auch mehr als er sich je hatte vorstellen können.

Andächtig stellte Tenzou sich neben seinen Vorgesetzten und ließ seinen Blick von diesem auf den Gedenkstein wandern.

„Ich hätte ihn gerne kennen gelernt.“

Spontan

Kakashi wunderte sich schon sehr. Normalerweise redete Tenzou immer über irgendetwas. Und er redete selbst wenn Kakashi ihm nicht mehr als ein „Aha“ oder sonst einen Laut zur Antwort gab. Heute aber herrschte Stille. Normalerweise trödelte Tenzou auch nicht so herum, wenn sie von einer Mission kamen und im Umkleideraum ihre Uniform wechselten. Heute aber war er der Letzte, der noch nicht fertig war. Alle anderen hatten den Raum schon verlassen und selbst Kakashi war schon fertig; sollte ihn das beunruhigen?

Kakashi schloss die Tür seines Spindes und drehte sich zu seinem jüngeren Kameraden um, der immer noch im Schneckentempo agierte.

„Alles in Ordnung, Tenzou?“

Als er keine Reaktion erhielt, bemerkte Kakashi, dass der Andere allem Anschein nach tief in Gedanken versunken war.

„Tenzou, hey!“

Der Jüngere zuckte erschrocken zusammen und drehte sich hastig zu seinem Vorgesetzten um, der ihn kritisch beäugte.

„Entschuldige, Sempai, hast du etwas gesagt?“

Damit hatte Kakashi, auch wenn dies nicht der Ausgang war, den er sich gewünscht hatte, eine Antwort auf seine Frage gefunden: Es sollte ihn beunruhigen.

„Ist irgendwas?“, fragte er den Kameraden und stellte sich selbst zeitgleich eine andere Frage. Wenn wirklich etwas wäre, was sollte er dann tun? Er war nicht gut darin, sich der Probleme anderer Leute anzunehmen. Tatsächlich mied er andere Leute ja so gut es ging und auch wenn bei Tenzou vieles anders war; Kakashi war nicht wohl bei dem Gedanken, dass Tenzou sich mit einem Problem oder einer Sorge an ihn wenden würde. Nicht, weil er ihm nicht hätte helfen wollen, sondern weil er Angst hatte, dabei zu versagen. Natürlich wusste Kakashi, dass das so nicht in Ordnung war, denn Tenzou hatte schon so oft deutlich gemacht, dass der Ältere sich bedingungslos auf ihn verlassen konnte und Kakashi haderte mit sich selbst, weil er immer wieder in seine Gewohnheit zurückfiel, sich von anderen lieber zu distanzieren.

Trotz all dem war Tenzou innerhalb des letzten Jahres zu seinem engsten Vertrauten geworden und Kakashi konnte sich nicht einmal erklären, wie das passiert war. Es war ein merkwürdiges Gefühl von einer beinahe natürlich anmutenden Vertrautheit, die sie beide von Beginn an zwischen sich gespürt hatten. Kakashi war niemand, der anderen einfach so Vertrauen entgegenbrachte, aber ausgerechnet bei Tenzou, dem arg widersprüchlichen Jungen von den Ne, war es der Fall. Es hatte etwas Magisches, wie sie sich mit wenigen Worten verstanden und einander ergänzten, fast so als wäre es eine Art Fügung. Und genau das war es, was Kakashi sowieso die ganze Zeit beunruhigte. Sie waren Ninja, Anbu, und keine vom Leben allzu sehr mit Glück und Freude bedachten noch dazu; so etwas wie Magie und Fügung gab es in ihrer Welt eigentlich nicht. Sie töteten und wurden getötet; oder verloren irgendwann deswegen den Verstand. Und Kakashi wollte sich nicht ausmalen wie es wäre, Tenzou aus dem einen oder dem anderen Grund zu verlieren. Er übte auf ihn eine Wirkung aus, welche Kakashi bislang fremd gewesen war. Tenzou war sein Ruhepol und Hoffnungsschimmer und genau damit haderte Kakashi noch mehr, denn er bedeutete, dass er ihm wichtig geworden war und dies hatte sich für Leute, die ihm etwas bedeuteten noch nie als etwas Gutes herausgestellt. Wie sehr wünschte er sich im Stillen, dass Tenzou eine Ausnahme darstellen könnte.

„Nein, nein“, antwortete der Jüngere mit einem bezaubernden entschuldigenden Lächeln und schüttelte dazu seinen Kopf, sodass seine langen Haare mitschwangen. „Es ist nichts.“

„Wenn etwas wäre, könntest du damit zu mir kommen. Das weißt du, oder?“ Kakashi wusste, dass er besser werden musste. Ein besserer Vorgesetzter, ein besserer Kamerad, ein besserer Mensch. Er war es Obito, Rin und Minato schuldig, die alle bessere Menschen als er gewesen waren und deren Überzeugungen (ausgerechnet) von ihm am Leben erhalten werden mussten.

Tenzou sah ihn für einen flüchtigen Moment erstaunt an, ehe er sanft lächelte.

„Das weiß ich, Sempai.“

„Gut“, erwiderte Kakashi nach einer kurzen Pause, in der er ihn erneut kritisch beäugt hatte. „Dann sehen wir uns am Nachmittag beim Training.“

„Gute Nacht, Sempai.“

Kakashi hob eine Hand zum Abschied und verließ langsam den Raum. Noch während er in den Flur abbog, der zum Ausgang des Anbu-Gebäudes führte, schüttelte er den Kopf über Tenzous Angewohnheit, ihn mit dieser Anrede anzusprechen. Das Kuriose war, dass er es Yugao damals hatte verbieten wollen, aber bei Tenzou machte er mal wieder eine Ausnahme.

Immer diese Ausnahmen.

Kakashi blieb im Flur stehen und wusste bereits, dass er dabei war die nächste Ausnahme zu machen. Er würde sich in die Angelegenheiten eines Anderes einmischen. Auch wenn dieser dies nicht wollte.

Wann hatte Tenzous merkwürdiges Verhalten heute begonnen? Sie waren zu viert auf einer Mission gewesen, um eine Gruppe von Shinobi zu beseitigen, die einen Angriff auf Konoha planten. Die Verfolgung und der Kampf mit der Gruppe war langwierig gewesen und Tenzou war unglücklicherweise an einen Gegner geraten, der über das Raiton verfügte. Dieser hatte ihm gegenüber somit einen Vorteil, konnte sich aus dem hölzernen Mokutongriff befreien, aber durch das Eingreifen der anderen Anbu trotzdem nicht entkommen. Die beiden Anbu jedoch hatten Tenzou dafür kritisiert.

Nur weil du versuchst auszusehen wie der Shodaime hast du noch lange nicht seine Klasse!“, hatten sie ihm vorgeworfen.

Sie hatten keine Ahnung, woher Tenzou eigentlich die Fähigkeiten des ersten Hokage hatte und wieso er diesem auch ein wenig ähnlich sah, aber ihre Kritik war ungerechtfertigt gewesen. Kakashi hatte sich sehr zusammenreißen müssen, ihnen nicht selbst eine Ladung Elektrizität zu verpassen.

Kakashi machte im Flur kehrt. Es war mitten in der Nacht und sein Körper schrie nach etwas Ruhe, aber genau die würde Kakashi nicht finden, so lange er nicht noch einmal nach Tenzou gesehen hatte.

Als er zurück in den Umkleideraum kam, staunte Kakashi nicht schlecht. Er blieb überrascht stehen und starrte seinen erschrocken dreinblickenden Gegenüber einige Sekunden lang schweigend an.

„Was um alles in der Welt machst du da?“, fragte er schließlich – unentschlossen, ob er beunruhigt oder belustigt sein sollte - und konnte seinen Blick nicht von dem kuriosen Bild, das sich ihm darbot, abwenden.

Tenzou hielt in der einen Hand ein Kunai und in der anderen … ein Büschel von dem, was einst seine langen Haaren gewesen waren. Die übrigen Haare standen in unterschiedlichen Längen zerzaust ab und wirkten an dem ansonsten stets ordentlichen jungen Shinobi unfreiwillig komisch.

„Ich … äh … ich wollte eine neue Frisur haben“, stammelte Tenzou sichtlich peinlich berührt.

„Mitten in der Nacht. Im Halbdunkel. Mit einem Kunai.“

„Es … war eine spontane Idee.“

Kakashi seufzte hörbar. Das war beunruhigend. Tenzou war vieles, aber sicherlich nicht spontan. Die einzigen Male, die Kakashi einfielen, bei denen der Jüngere Spontanität gezeigt hatte, waren als er mit diesem Mädchen vom Iburi-Klan hatte abhauen wollen und als er sich entschieden hatte, Kakashi doch nicht umzubringen (und Kakashi vermutete, dass letzteres doch zumindest ein wenig vorher durchdacht worden war).

„Sieht es sehr schlimm aus?“, fragte Tenzou ängstlich, als ihm bewusst wurde, was er gerade getan hatte – und dass es aller Wahrscheinlichkeit nicht seine beste Idee gewesen war.

„Aber nein“, antwortete Kakashi, „es sieht lediglich so aus, als hätten wilde Tiere an deinem Kopf genagt.“

Hastig legte Tenzou das Kunai und seine abgetrennten Haare beiseite und fühlte mit den Händen an die Haare, die noch übrig waren.

„Ooh“, gab er geknickt von sich und tat damit Kakashi plötzlich leid.

„Was hast du dir nur dabei gedacht?“ Er schüttelte den Kopf. „Ist es wegen dem, was sie dir heute auf der Mission gesagt haben?“

Tenzou ließ noch ein wenig mehr die Schultern hängen. „Ich versuche nicht auszusehen wie der erste Hokage. Das war nie meine Absicht gewesen. Und ich wollte nie den Eindruck erwecken, ihn zu kopieren. Ich kann doch nichts dafür, dass ...“ Er hatte seinen Blick zum Fußboden gesenkt und ließ den Satz unvollendet im Raum stehen.

Kakashi musste den Rest des Satzes nicht hören; er ahnte, was Tenzou sagen wollte, aber ungesagt ließ, weil das Leid, das damit verbunden war, mit Worten nicht zu beschreiben war.

„Mach dir keinen Kopf um das, was andere von dir denken“, sagte Kakashi, ging auf ihn zu und drückte ihn mit einer Hand auf die im Gang zwischen den Spinden stehende Bank hinunter, ehe er seinen Schrank wieder öffnete und darin kramte. „Ich weiß wie die anderen mich nennen – und ich weiß, dass mich das nicht kümmern darf. Rechenschaft bin ich nur mir selbst gegenüber schuldig.“

Tenzou hatte seinen Kopf wieder aufgerichtet und beobachtete nun mit einem bewundernden Blick seinen Vorgesetzten. „Danke, Sempai.“

„Danke mir nicht zu früh“, entgegnete Kakashi und drehte sich mit einer Schere in der Hand zu seinem Kameraden. „Wir müssen das richten“, antwortete er, als der Jüngere ihm einen fragenden Blick zuwarf. „So kannst du nicht raus auf die Straße. Nicht einmal nachts.“

„W-was genau hast du vor?“

„Nur etwas begradigen, was du angerichtet hast.“

Kakashi erntete eine skeptische Mimik seitens des Anderen, sodass er hinzufügte: „Keine Sorge, ich schneide mir meine Haare immer selber.“

Die Skepsis wuchs zu völligem Unglauben aus. „U-und du bist sicher, dass du das kannst? Begradigen, meine ich?“ Tenzous Blick wanderte ungewollt zu Kakashis windschiefer Frisur.

„Danke für das entgegengebrachte Vertrauen.“ Kakashi drehte ruckartig Tenzous Kopf nach vorn, sodass er an dessen Hinterkopf gelangen konnte, und begann seine Arbeit.

Eine Weile war im Raum nur der Klang der schneidenden Schere zu hören, ehe Tenzou sich zaghaft zu Wort meldete. „Es tut mir leid, dass du dir meinetwegen Mühe machen musst.“

Und da war es mal wieder: Das Gefühl, das Kakashi so oft in Tenzous Nähe hatte. Ein Gefühl als würde sein Herz brechen und dann wieder zusammengesetzt werden. Sätze wie dieser verwunderten Kakashi immer wieder, denn sie waren nichts, das man von jemanden erwartete, der in der Ne aufgewachsen war. Selbst die Finsternis der Ne hatte Tenzous Sanftmütigkeit und Gutmütigkeit nichts anhaben können. Er war ein besserer Mensch als Kakashi es je hoffte zu werden.

„Versprich mir im Gegenzug nur, dass du das nächste Mal mit mir redest, bevor du irgendeine spontan Idee verfolgst.“

Tenzou lachte ein wenig. „Das werde ich, Sempai. Das werde ich.“

Vielleicht

Das erste Mal seit Langem wollte Kakashi nicht sterben.

Es hatte schon eine gewisse Ironie, dass er – nun, da er das Gefühl hatte, dem Sterben nah zu sein – es lieber verhindern wollte.

Tenzou und er hatten abtrünnige Shinobi, die mit allerlei gefährlichen Substanzen experimentierten und handelten, bis in die Wüste Sunas verfolgt. Sie hatten die Ninja stellen und erledigen können, aber im Kampf war Kakashi von mit Gift präparierten Senbon getroffen worden. Ein brennender und stechender Schmerz war ihm mit einem Mal durch den Körper gefahren und wie er vor Schmerzen auf die Knie gefallen war, hatte er Tenzous erschrockenen Ausruf hören können. Er war in Windeseile bei ihm gewesen, doch Kakashi hatte schon befürchtet, was dann folgte, denn das Gift hatte sich anders angefühlt, als sämtliche Gifte, mit denen er bis dato Bekanntschaft gemacht hatte.

Und wie erwartet half das Standardgegengift, welches zur Anbu-Ausrüstung gehörte, nicht.

„Wir sind nicht weit von Konoha weg. Halte durch, Sempai!“ Tenzous Stimme hatte schon lange nicht mehr so von Angst ergriffen geklungen. Bereits seit einiger Zeit hatte er eine geradezu stoische Gelassenheit angenommen, die es beinahe vergessen ließ, dass er mal diese unsichere Schüchternheit besessen hatte, die Kakashi zuweilen amüsant gefunden hatte. Tenzou war erwachsener und selbstbewusster geworden in den vergangenen drei Jahren, aber ohne seine positiven Eigenschaften zu verlieren. Dafür bewunderte Kakashi ihn im Stillen und Heimlichen ungemein.

Als Tenzou ihn vom Boden aufgehoben und abgestützt hatte und mit ihm in Richtung Konoha aufgebrochen war, hatte Kakashi noch die Hoffnung besessen, dass sie es wirklich bis Konoha schaffen könnten.

Natürlich war es anders gekommen.

Ein plötzlich aufgekommener Sandsturm hatte sie gezwungen, ihren Weg zu unterbrechen und in einer Höhle Schutz zu suchen.

Tenzou hatte Kakashi auf dem Boden der Höhle niedergelassen, ihre beiden Anbu-Masken entfernt und Kakashi einen Schluck Wasser gegeben.

Es war in diesem Moment, in dem Kakashi das von Angst erfüllte Gesicht des Anderen sah, dass er – obwohl er mit dem Aufkommen des Sandsturms eigentlich schon jegliche Hoffnung aufgegeben hatte – wusste, dass er hier und jetzt nicht sterben durfte. Er wollte und konnte dies Tenzou nicht antun.

„Der Sandsturm ist gleich vorbei, Sempai. Wir schaffen es noch. Wir schaffen es noch.“ So wie Tenzou klang, wusste er um die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage.

„Tenzou ...“, presste Kakashi kraftlos hervor, „wenn ich es nicht-“

„Nein, Sempai“, unterbrach er ihn, „wir werden es rechtzeitig schaffen. Der Sandsturm wird gleich vorbei sein. Dann ist es nicht mehr weit bis Konoha.“

Wenn ich es nicht schaffe“, hatte Kakashi sagen wollen, „dann gib dir nicht die Schuld daran.

Der Satz wäre höchstwahrscheinlich eh umsonst gewesen, denn Kakashi war sich sehr sicher, dass Tenzou sich die Schuld daran geben würde. In dieser Hinsicht waren sie sich zu ähnlich.

Kakashi schaffte ein schwaches Lächeln. „Ist es etwa … neuerdings gestattet, seinen Vorgesetzten einfach zu unterbrechen … Tenzou?“

Und er liebte den Ausdruck, der sich nun auf dem Gesicht des Jüngeren bildete, denn Tenzou zuckte erschrocken zusammen und starrte ihn mit großen, reumütigen Augen an. „Es tut mir leid. Ich wollte nicht-“

Auch wenn es weh tat, Kakashi musste lachen. Und er erhielt wieder einen Ausdruck, den er an dem Anderen liebte. Tenzou schmollte für einen Moment, ehe er den Kopf schüttelte und dazu „Ach, Sempai“ seufzte.

Kakashi wusste schon seit einiger Zeit, dass er Tenzou liebte. Er hatte nicht schlagartig eine große Epiphanie gehabt oder lange darüber nachgegrübelt und war dann zu diesem Ergebnis gekommen. Vielmehr war es ein kurzer Gedanke gewesen, ein beinahe nüchterner Einfall.

War das Liebe? Vielleicht.

Seit Tenzou in sein Team gewechselt hatte, hatte Kakashi gerne mit ihm Zeit verbracht (was ihm schon verdächtig vorgekommen war, denn eigentlich verbrachte er nie gerne Zeit mit irgendjemandem). In der Nähe des Anderen fühlte er sich unbeschwerter, ruhiger, sicherer und lebendiger. Kakashi hatte sich schon gefragt, wie das sein konnte; wie er sich die Nähe eines anderen Menschen wünschen konnte; aber er hatte nie darüber mit sich gerungen. Der Gedanke, was das wahrscheinlich war, kam ihm, als er sich nach einem Training von Tenzou verabschiedet hatte und sich auf dem Nachhauseweg so fühlte, als wäre er nicht vollständig; als würde ihm etwas Lebenswichtiges fehlen, sobald Tenzou nicht mehr in seiner Nähe war.

Kakashi war nicht begeistert von diesem Gedanken. Im Gegenteil. Zum einen, weil er die starke Vermutung hatte, dass Tenzou auch in ihn verliebt war und zum anderen, weil daraus nie etwas werden würde. Dass Tenzou etwas für ihn empfand, hatte er schon länger vermutet. Nicht, dass der Jüngere etwas Auffälliges gesagt oder getan hätte, nein. Es war vielmehr die Art, wie er ihn ansah und wie er mit ihm umging. Tenzou bewunderte ihn offenkundig, aber – und auch hier hatte es keine große Epiphanie gegeben – Kakashi hatte das Gefühl, dass das nicht nur Bewunderung war, die ihm da entgegen gebracht wurde. Er wusste nicht, ob dies für andere auch ersichtlich war. Wenn er Asuma und Kurenai betrachtete, kam es ihm manchmal offensichtlich vor, dass zwischen den beiden eine Anziehung bestand, die sie wohl nicht öffentlich zeigen wollten; aber war es für andere auch bei ihm und Tenzou erkennbar?Und, vor allem, wusste Tenzou, was er für ihn fühlte?

Dass Obito in Rin verliebt gewesen war, war immer zweifelsfrei erkennbar gewesen. Auch dass Rin in ihn selbst verliebt gewesen war, hatte Kakashi erkannt. Er jedoch war sich nie so ganz sicher gewesen, was er für Rin empfunden hatte. Zuerst hatte er jegliches Nachdenken darüber unterbunden, weil es sich nicht mit seiner strengen Regelkonformität vertrug. Dann war Obito gestorben und es hätte an Verrat gegrenzt, darüber nachzudenken. Vielleicht hatte Kakashi Rin geliebt. Mit ihrem Tod hatte das Nachdenken darüber jeglichen Sinn verloren.

Tenzou aber lebte noch und so kam Kakashi nicht umher, sich immer wieder zu fragen, was wohl in dem Jüngeren vorging. Wenn Asuma Kurenai lange ansah und sie dies bemerkte, drehten beide daraufhin ertappt den Kopf weg. Wenn Kakashi bemerkte, dass Tenzou ihn ansah, erwiderte er den Blick und selbst dann sah Tenzou nicht weg. Genauso verhielt es sich anders herum. Vielleicht wusste Tenzou es. Und vielleicht wusste er auch, dass es nie zu etwas kommen würde. Vielleicht hielt er sich auch zurück, weil er spürte, dass Kakashi nicht bereit dafür war. Vielleicht hoffte er auch, dass irgendwann etwas passieren würde und wartete nur auf ihn. Kakashi konnte es nicht sicher sagen, allerdings machte er sich schon Gedanken darum, dass er – egal, was er tun würde - den Jüngeren enttäuschen würde.

Kakashi lebte nicht für sein eigenes Glück. Der Sinn seines Lebens bestand darin, seinem Dorf zu dienen, das Andenken seiner verstorbenen Kameraden zu bewahren und sich für die zu opfern, die seines Schutzes bedurften. Ein Anbu liebte nicht, er tötete. Jederzeit würde er für Tenzou sterben, aber er würde ihn nicht umarmen, küssen oder sonst etwas von den anderen Dingen tun, die er sich bereits so oft vorgestellt hatte.

Es ging nicht.

Es war auch zu Tenzous Sicherheit. Menschen, denen Kakashi zu nahe kam, lebten gefährlich – und nicht sehr lange. Außerdem war Kakashi sich sicher, dass Tenzou jemand Besseren verdient hatte. Jemand, der nicht voller Fehler, Wehmut und Reue war. Kurz: Nicht ihn. Er würde es nie verstehen, was der Andere an ihm fand.

Wahrscheinlich würde er es nun auch nie herausfinden. Kakashi fasste sich mit der Hand an die Brust und krallte seine Finger an dieser Stelle in seine Uniform, als ihm plötzlich das Atmen schwerer fiel.

Alarmiert sah Tenzou ihn mit großen Augen hilflos an. „Halte durch, bitte, halte durch. Du darfst nicht sterben!“ Tenzou packte ihn sichtlich verzweifelt an den Schultern. „Stirb nicht! Bitte, Kakashi, stirb nicht!“

Vielleicht, dachte Kakashi, als er den Anderen ansah, vielleicht hatte er einen Fehler gemacht. Vielleicht hatte er in all seinen Überlegungen einen Denkfehler gehabt. Vielleicht war er einfach nur feige. Vielleicht hätte er Tenzou einfach mal küssen sollen. Vielleicht hätte er ihm wenigstens sagen sollen, was er für ihn empfand. Vielleicht wäre alles gut gegangen. Tenzou war anders, eine Ausnahme, etwas Besonderes. Und er hatte es verdient, geliebt zu werden.

Mit sichtlicher Mühe hob Kakashi seine andere Hand und legte sie auf Tenzous Arm. Tenzou blickte zu der Hand und zu dem Älteren zurück. Sein Gesichtsausdruck verriet Kakashi, dass er die kleine Geste als das Größere verstand, das sie sein sollte. Kakashi schaffte ein weiteres, diesmal weitaus sanfteres Lächeln, ehe er das Bewusstsein verlor.

Vielleicht irgendwann

„Der Kleine wacht auf“, hörte Kakashi eine Männerstimme sagen.

„Wird auch Zeit. Ich will weiter“, äußerte eine nicht erfreut klingende Frauenstimme.

„Du tust so als hätte er sich absichtlich vergiften lassen.“

„Wer weiß? Bei dem, was man so hört ...“

„Na na, Sarutobi hat doch gesagt, es wäre in letzter Zeit besser mit ihm geworden.“

Mühselig öffnete Kakashi sein rechtes Auge, blinzelte ein paar Mal und sah nacheinander zu den beiden, die rechts und links von seinem Bett standen.

„Hättet ihr die Güte, woanders weiter zu diskutieren?“, fragte Kakashi gequält und erntete dafür ein Grinsen seitens Jiraiya und ein genervtes Schmollen seitens Tsunade.

„An deiner Stelle wäre ich mal besser nicht so vorlaut, Kakashi. Du hattest Glück, dass Tsunade gerade zufällig auf Stippvisite in der Heimat ist. Wäre sie nicht gewesen, könntest du dich jetzt nicht mehr beschweren.“ Jiraiya richtete seinen Blick von ihm hin zu der Sannin, die ihre Arme vor der Brust verschränkte und mit abwartendem Blick zu Kakashi sah.

„Ich warte auf ein 'Danke, dass du mir das Leben gerettet hast.' Hast du eigentlich eine Ahnung, wie knapp das Ganze war? Ich musste dich von Shizune wiederbeleben lassen.“

„Sollte mein Dank dann nicht Shizune gelten?“ Kakashi bereute den Satz, sobald er seine Lippen verlassen hatte.

„Wer glaubst du eigentlich hat währenddessen das Gift aus deinem Körper gezogen??!!“

Ah, ja, Tsunade durfte man nicht ärgern.

„Natürlich. Danke.“

„Tsunade,“ warf Jiraiya amüsiert ein, „als Ärztin gehört es sich doch nicht im Krankenhaus herumzubrüllen.“

„Tsk.“ Sie schmollte wieder. „Na und? Der da ist wach und der Andere schläft wie ein Stein.“

Der Andere?

Plötzlich lief es Kakashi eiskalt den Rücken hinunter. Er blickte so erschrocken drein, dass die beiden Sannin es bemerkten. Zu Tsunades Unmut richtete Kakashi sich auch noch plötzlich auf.

„Wo ist Tenzou?“

„Der Junge, der dich hergebracht hat?“, fragte Jiraiya.

„Ja! Was ist mit ihm? Ist er in Ordnung?“

Der weißhaarige Sannin tauschte einen verwunderten Blick mit seiner Kameradin aus, ehe er zufrieden lächelte.

„Du machst dir Sorgen um ihn?“

Kakashi würde es erst später bemerken und zu schätzen wissen, dass Jiraiya sich schon immer um seine Entwicklung Gedanken gemacht hatte – jetzt im Moment war er zu sehr damit beschäftigt, besorgt um Tenzou zu sein.

„Reg dich ab“, warf Tsunade ein, machte einen Schritt zur Seite und gab ihm so den Blick auf das Nachbarbett und den sich darin befindenden Patienten frei. „Er ist vollkommen erschöpft zusammengebrochen, nachdem er dich abgeliefert hatte. Er braucht etwas Ruhe, aber ansonsten ist er in Ordnung.“

„Schätze du schuldest noch jemandem deinen Dank“, sagte Jiraiya, als Kakashi sich zurück in sein Kissen gleiten ließ.

Der Jüngste der drei Anwesenden atmete einmal hörbar aus und drehte seinen Kopf zu dem tief und fest schlafendem Jungen im anderen Bett. „Ja, das schätze ich auch.“

„Sarutobi sagte uns auch, dass er ...“, fuhr Jiraiya mit plötzlicher Bedrückung in der Stimme fort. „Dass er derjenige ist, der ...“

Kakashis Blick wanderte zu Jiraiya, der offensichtlich nicht aussprechen wollte, was ihm durch den Kopf ging. Orochimaru. Verrat. Leid. Tod. Tsunades Mimik sagte etwas Ähnliches, aber ihr Blick besaß noch eine Nuance: einen Hauch von Bitterkeit über die Entehrung ihres Vorfahren.

Und Kakashi wollte sie dafür nicht verurteilen, denn sie kannten Tenzou nicht, aber nichtsdestotrotz spürte er das Bedürfnis, ihn zu verteidigen.

„Sein Name ist Tenzou. Er gehört zu meinem Team“, sagte er mit fester Stimme in die aufgekommene Stille hinein und erntete erneut verwunderte Blicke.

Dann lachte Jiraiya. „Deine Eltern und Minato wären gerade bestimmt furchtbar stolz auf dich.“

Die Erwähnung dieser drei war Kakashi sichtlich unangenehm, aber er kam nicht dazu, darüber weiter nachzudenken, denn Tsunade kündigte ihren Abgang an.

„Ich muss weiter. Pass in Zukunft besser auf dich auf.“

„Hey“, empörte Jiraiya sich, „bevor du davon rauschst, wollten wir doch noch einen trinken.“

„Ich rausche nicht davon“, zischte sie und … rauschte davon.

„Ich sehe morgen noch mal nach dir“, versprach Jiraiya mit einem Klopfen auf Kakashis Schulter, ehe er ihr hinterherlief.

Kakashi schüttelte kurz den Kopf über das Schauspiel, das sich vor ihm abgespielt hatte, bevor er sehr langsam und sehr vorsichtig, Anstalten machte, aufzustehen. Sein Körper fühlte sich momentan an wie in Säure getauchte Watte. Seine Beine hielten ihn kaum, aber dafür taten sie merklich weh. Wenn Tsunade seine Aktion mitbekommen würde, wäre er hundertprozentig in Schwierigkeiten, aber er konnte die Gewissheit haben, dass sie ihn nicht zweimal am Tag beehren würde.

Er klammerte sich am Infusionsständer fest und schob sich langsam zu Tenzou hin. Tenzou schlief nach wie vor tief und fest und Kakashi beobachtete mit einer Freude, die ihm selbst zugleich unheimlich und wunderschön vorkam, die ruhige Atmung und den beinahe friedlichen Gesichtsausdruck des Jüngeren.

Vielleicht konnten sie es einfach so weiterlaufen lassen wie bisher, bis das, was zwischen ihnen war sich vielleicht einfach auflösen würde. Oder vielleicht würde es ihnen, so wie es war, genügen. Ganz sicher wusste Kakashi eins: Er war feige. Gefühle dieser Art überforderten ihn maßlos und waren gefährlich. Wenn sie sie zu sehr zuließen, konnten sie zu Fehlentscheidungen führen, dazu dass Tenzou sein Leben für ihn opfern würde. Das alles konnte er nicht zulassen. Ihm war klar, dass er sich von Tenzou nicht so einfach distanzieren konnte – wenn es ihm bisher nicht gelungen war, würde es das jetzt erst recht nicht mehr - aber er musste einen Mindestabstand zu ihm wahren. Es war besser so, überzeugte Kakashi sich selbst. Und er tat sein Bestes, um die leise Stimme in seinem Innern zu überhören, die ihm zuflüsterte: Vielleicht irgendwann.

Besser

„Hey!“

Tenzou stoppte abrupt und ließ seine beiden Teammitglieder anhalten, als er die ihm wohlbekannte Stimme eines ihm wohlbekannten Mopses hörte. „Was für ein Glück, dass du gerade hier bist.“ Pakkun landete genau vor seinen Füßen.

„Pakkun, was ist los? Ist etwas mit Kakashi?“

Er hatte nicht mehr viel mit seinem ehemaligen Vorgesetzten geredet, seit dieser damals ein Genin-Team übernommen hatte. Von ihm und besagtem Team hatte Tenzou derweil jedoch einiges gehört. Auch, dass es diese Gruppe mittlerweile nicht mehr gab. Der Junge mit dem Fuchsgeist, Naruto, war mit Jiraiya weggegangen, das Mädchen namens Sakura – Tsunade hatte sie mal erwähnt – trainierte nun bei der Godaime und der letzte Uchiha-Nachkomme Sasuke hatte das Dorf verlassen, um bei Orochimaru zu sein. (Und Tenzou wusste nicht, was er weniger nachvollziehen konnte: das Dorf einfach so verraten oder sich freiwillig zu Orochimaru zu begeben.) Was er nicht genau wusste, aber gerne gewusst hätte, war, was Kakashi nun machte. Einmal, ein paar Monate musste es nun her sein, waren sie sich im Flur des Hokage-Turms begegnet. Tenzou hatte seine Anbu-Maske getragen, aber Kakashi hatte ihn nichtsdestotrotz direkt erkannt. Er war mit einem Mal stehen geblieben, als er ihn bemerkt hatte und Tenzou hatte es ihm gleichgetan.

Ich habe leider keine Zeit zum Reden.“

Eine Mission?“

„Ja.“

„Alleine?“

Ja.“

Es tat Tenzou – auch wenn er es nicht zugeben wollte – ein wenig in der Seele weh, dass dies ihre ganze Konversation gewesen war. Dass Kakashi keine Zeit zum Reden hatte, hatte er auch nicht zum ersten Mal von ihm gehört. Ging er ihm aus dem Weg? Hatte Tenzou irgendetwas getan, um seinen Unmut zu erregen? Schon seit einer gefühlten Ewigkeit grübelte er immer und immer wieder darüber nach, aber es fiel ihm nichts ein.

„Ist wohl nichts so Schlimmes“, antwortete Pakkun hörbar verschwiegen, ehe er seinen Blick kurz über die beiden anderen Anbu schweifen und wieder zu Tenzou zurückkehren ließ, „aber er könnte gerade etwas Hilfe von dir vertragen.“

Dank der Anbu-Maske konnte niemand das fragende Gesicht des jungen Teamführers sehen. Was war los, dass allem Anschein nach Diskretion angebracht war? Und was sollte er tun? Seine Mission war zwar beendet und sie waren nicht mehr weit von Konoha entfernt, aber eigentlich sollte er sein Team bis ins Dorf zurückbegleiten.... Allerdings wenn ein Kamerad Hilfe brauchte und dieser Kamerad auch noch Kakashi war....

„Na schön“, sagte er an die zwei Anderen gewandt, „ihr kehrt ins Dorf zurück und erstattet der Hokage schon einmal Bericht. Ich werde nachkommen, wenn das hier erledigt ist.“

„Sollen wir ihr sagen, dass etwas mit Kakashi Hatake ist?“, fragte eine der Anbu.

„Vielleicht lasst ihr das erst mal unter den Tisch fallen“, wandte Pakkun ein und spürte Tenzous fragenden Blick auf sich.

„Und was sollen wir dann sagen?“

Tenzou seufzte innerlich. Was auch immer Kakashi angestellt hatte, er hatte kein Interesse daran, Tsunade deswegen anzulügen. „Sagt ihr, ich musste noch etwas überprüfen.“ Sollte Kakashi ihr doch erklären, was los war.

Die beiden Anbu nickten und setzten ihren Weg in Richtung Dorf fort.

„Wir müssen hier lang.“ Pakkun sprintete nach Osten hin los und Tenzou nahm sogleich die Verfolgung auf.

„Was ist hier überhaupt los?“, fragte er den Mops, als er ihn eingeholt hatte.

Jemand“, begann Pakkun spöttisch, „hat ein kleines Problem damit, seine eigenen Grenzen zu akzeptieren.“

Na toll, dachte Tenzou, das Ganze wurde ja immer mysteriöser.

„Ich bin froh, dass du hier gerade rumliefst“, fuhr Pakkun fort, „ich denke damit wird Kakashi einverstanden sein.“

Kakashi gab Tenzou immer wieder neue Rätsel auf. Zu ihren letzten gemeinsamen Anbu-Zeiten hatte er geglaubt, ihn mittlerweile sehr gut zu kennen, doch Kakashi hatte sich immer mehr zurückgezogen, war selbst ihm gegenüber wortkarg geworden. Nach der Sache mit Itachi war es noch viel schlimmer geworden.

Ich mache immer noch zu viele Fehler“, hatte Kakashi eines Tages aus dem Nichts zu ihm gesagt.

Was meinst du?“, hatte Tenzou ihn gefragt, doch der Andere war ihm eine Antwort schuldig geblieben. Und einige Zeit später hatte Kakashi seinen Ausstieg aus der Anbu verkündet. Der Hokage hatte gewollt, dass er ein Genin-Team übernahm.

Tenzou war damals geschockt gewesen. Kakashi war stets da gewesen, so lange er bei den Anbu gewesen war, ja, ohne Kakashi wäre er nie dorthin gekommen. Ohne Kakashi wäre sowieso so viel anders gekommen und nichts davon wollte Tenzou sich ausmalen. Damals, mit Kakashis plötzlichem Weggang, nicht nur aus der Anbu, sondern auch aus seinem Leben, war es ihm bewusst geworden, wie viel der Andere ihm eigentlich bedeutete. Natürlich hatte er schon vorher bemerkt, dass er für Kakashi andere Gefühle hegte als für andere Kameraden. Er konnte nicht behaupten, ganz alleine hinter das Rätsel gekommen zu sein, was diese teils überwältigenden Emotionen eigentlich zu bedeuten hatten (er war schließlich unter Ne aufgewachsen), aber seine Empfindungen waren nicht so sehr abgestumpft, dass er vollkommen ahnungslos gewesen war. So hatte er gewusst, wonach er suchen musste und Konohas Bibliothek hatte zum Glück schon immer eine erstaunliche Anzahl an Lebenshilfe erteilenden Ratgebern besessen. So peinlich berührt er auch gewesen war, als er es ausgeliehen hatte, Tenzou war dem Buch Hintergründe und Fakten zur ersten Liebe bei Heranwachsenden und jungen Erwachsenen auf ewig zu Dank verpflichtet. Dadurch war er sich damals dann sicher: Er hatte sich in Kakashi verliebt. Und dies hatte sich bis zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich nicht geändert. Wahrscheinlich empfand Kakashi nicht das gleiche für ihn, was er für den Anderen empfand. Wahrscheinlich hatte er das auch früher schon nicht. Aber Tenzou hatte immer das Gefühl gehabt, dass da etwas gewesen war. War alles nur Einbildung gewesen? Vielleicht war es das gewesen, aber trotzdem wollte Tenzou keinen Moment davon missen. Nie war er glücklicher gewesen, als in den Jahren, die er an Kakashis Seite hatte verbringen können.

„Wir sind gleich da“, riss Pakkun ihn aus seinen Gedanken. „Da vorne ist unser Problemfall.“

Pakkun und Tenzou landeten vor Kakashi, der erschöpft und kraftlos gegen einen Baum lehnte und nun zu den beiden Neuankömmlingen hinaufblickte.

„Du hast ...“, presste er atemlos und ungläubig hervor, „ihn mitgebracht?“

Tenzou zuckte zusammen. Was sollte das denn heißen? Stand es noch viel schlimmer um ihre Beziehung zueinander, als er angenommen hatte?

„Du hast gesagt, du brauchst Hilfe. Möglichst schnell und diskret, da Tsunade ja nichts mitbekommen darf. Ich hab meine Aufgabe erledigt“, erwiderte Pakkun nonchalant.

„Ja ja... schon gut. Du darfst gehen.“

„Sicher? Kommst du jetzt klar?“

„Tenzou wird sich schon um mich kümmern ... nicht wahr?“

Der Angesprochene verstand die Welt nicht mehr. Eben noch hatte Kakashi bei seinem Erscheinen gewirkt, als hätte er einen Geist gesehen, jetzt warf er ihm sein typisches Lächeln zu.

Wobei - kam es Tenzou plötzlich in den Sinn - wie lange hatte er dieses Lächeln schon nicht mehr gesehen?

„Na gut, dann bin ich weg. Pass auf ihn auf, Kleiner“, sagte der Mops und verschwand.

„Warst du auf einer Mission?“, fragte Kakashi so beiläufig als wäre ihre letzte Begegnung nicht schon Monate her.

„Ja, wir waren bereits auf dem Rückweg.“ Tenzou nahm sich die Anbu-Maske vom Gesicht und ließ seinen Blick umherschweifen. Was in aller Welt hatte Kakashi hier angestellt? Einige der umstehenden Bäume waren zerstört, aber sie sahen nicht so aus wie wenn er sein Raikiri auf sie angewendet hätte. Es wirkte so als fehlten Teile mitten aus den Stämmen und Ästen, doch sie waren nirgends zu entdecken. Die Bruchkanten sahen auch nicht nach geraden Schnitten aus, sondern als hätte man die Stücke gewaltsam herausgedreht. Seine Augen landeten wieder auf Kakashi, der seinem Blick gefolgt war, jedoch nichts sagte, sondern ihn abwartend ansah.

„Was ist mit dir?“, fragte Tenzou endlich, was ihn seit Pakkuns Auftauchen beschäftigte. „Was hast du hier gemacht?“

Kakashi ließ sich Zeit mit seiner Antwort und blickte noch einmal zu den zerstörten Bäumen. „Trainiert“, antwortete er schließlich.

Tenzou seufzte und kreuzte die Arme vor der Brust. Als wäre ihm das nicht klar gewesen! „Was genau hast du gemacht, dass du so fertig aussiehst?“ Er hatte den Älteren schon oft erschöpft erlebt. Kakashi hatte ein chakrafressendes Sharingan und, nun ja, nicht gerade viel Chakra. Aber er konnte sich nicht erinnern, dass es nur vom Sharingangebrauch je so schlimm gewesen war. Vor allem kannte Kakashi doch eigentlich seine Grenzen.... Moment, was hatte Pakkun gesagt? Tsunade durfte nichts mitbekommen?

„Besteht die Möglichkeit, dass du hier an einem verbotenen Jutsu arbeitest?“

„Besteht die Möglichkeit, dass du zu neugierig bist, Tenzou?“, erwiderte Kakashi. „Hilf mir bitte hoch, wir werden wahrscheinlich lange für den Rückweg ins Dorf brauchen.“

Tenzou seufzte erneut und diesmal weitaus tiefer als beim vorigen Mal. „Du wirst Tsunade aber erklären müssen, wieso ich mein Team alleine vorgeschickt habe.“ Er packte Kakashi fest aber behutsam an den Armen und zog ihn vom Boden hoch … nur um festzustellen, dass der Andere alleine nicht stehen blieb. Kakashi lehnte mit seinem beinahe ganzen Gewicht auf ihm und schien dabei auch noch Schmerzen zu haben. „Vielleicht brauchst du einen Arzt“, sagte Tenzou besorgt und sah einen flüchtigen Schimmer von Überraschung in Kakashis sichtbarem Auge – so als hätte er nicht damit gerechnet, dass Tenzou sich Sorgen um ihn machen würde.

„Nein, nein“, beschwichtigte er mit einem leichten Kopfschütteln die Besorgnis des Jüngeren, „die Anstrengung spüre ich jedes Mal. Heute habe ich es nur übertrieben.“

„Womit denn?“ Tenzou legte Kakashis rechten Arm um seine Schulter und seinen eigenen Linken um die Körpermitte des Anderen, sodass sie vorsichtig einen Schritt nach dem anderen machen konnten. „Ich finde, du bist mir eine etwas genauere Antwort schuldig, Sempai.“

Bei der vertrauten doch lange nicht mehr gehörten Anrede musste Kakashi ein wenig lächeln. „Wirklich? Du nennst mich immer noch so?“

„Natürlich, wieso auch nicht?“

Kakashi schwieg einige Augenblicke lang und Tenzou hatte schon befürchtet, die Konversation wäre vorbei, als Kakashi wieder das Wort ergriff: „Ich war in letzter Zeit sehr beschäftigt.“

Rätselhafter konnte er sich wahrscheinlich nicht ausdrücken. Und wie lange war „die letzte Zeit“? Die letzten paar Jahre? Aber Tenzou würde ihm nie Vorwürfe machen. „Du hattest ja schließlich auch ein Genin-Team.“

„Ja“, sagte Kakashi so bitter, dass er Tenzou direkt leid tat. „Ich hatte ein Genin-Team.“

„Entschuldige“, korrigierte der Jüngere hastig und schuldbewusst. „Ich wollte nicht.... Ich weiß, dass sie... dass Sasuke Uchiha ....“

„Ich habe sie nicht beschützen können. Ich mache immer noch so viele Fehler.“

Entsetzt sah Tenzou zu seinem früheren Vorgesetzten. Dieser Satz; da war er wieder. Was auch immer damals Kakashi beschäftigt hatte, war immer noch da und belastete ihn. Vielleicht hätte er damals schon etwas zu ihm sagen sollen; aber was? Was konnte er tun oder sagen, was Kakashi irgendwie eine Hilfe sein konnte? Kakashi hatte auf ihn immer wie ein Fels in der Brandung gewirkt, allerdings wie ein Fels, der einen direkt ins tosende Meer schubste, wenn man ihm zu nahe kam. „Ich glaube nicht, dass du bei Itachi oder Sasuke einen Fehler gemacht hast.“

Tenzou bemerkte wie Kakashis Blick verkniffener wurde. „Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, ich muss einen Weg finden, um besser zu werden.“

„Und deswegen … deswegen arbeitest du jetzt an diesem Jutsu?“

„Es ist eine Technik, die ich nur erlangen kann, weil ich so viele Fehler gemacht habe. Ich hoffe, sie hilft dabei, weitere zu vermeiden.“

Eine Zeitlang setzten sie schweigend ihren Weg fort. Mittlerweile ging bereits die Sonne unter und Konoha kam langsam in Sichtweite.

„Ich war vor allem mit der Wut auf mich selbst beschäftigt“, sagte Kakashi plötzlich in die Stille hinein. „Das hatte nichts mit dir zu tun.“

Tenzou zuckte leichte zusammen und hoffte sogleich, dass der Andere dies nicht bemerkt hatte. All die Jahre, in denen sie nicht miteinander gesprochen hatten, all die Jahre, in denen er sich gefragt hatte, ob er etwas falsch gemacht hatte und nun sprachen sie ganz plötzlich wieder völlig vertraut miteinander und es fühlte sich auch gleich wieder so vertraut an. „Das ist gut zu wissen. Wirklich.“

Aus dem Augenwinkel heraus sah Tenzou wie Kakashis Auge den Boden fixierte. „Tut mir leid.“

Nun auch noch eine Entschuldigung von Kakashi? Konnte dieser Tag noch verrückter werden? Tenzou spürte wie die alten Gefühle für den Anderen wieder hervorkamen. Sie waren nie weg gewesen, nur in den Hintergrund gerückt. Und Tenzou hatte sie vermisst, auch wenn die Hoffnung, seine Wünsche irgendwann erfüllen zu können, verschwindend gering war; sie ließen ihn sich lebendiger und menschlicher fühlen.

„Ist schon in Ordnung, Sempai,“ sagte Tenzou schließlich als sie vor Kakashis Wohnung angekommen waren und er musste lächeln als sein Blick auf Kakashis traf, in dem Moment, in dem dieser wieder aufsah.

„Danke. Tenzou.“

Veränderung

„Wenn ich es dir doch sage!“ Yamato schien verzweifelt.

„Das bildest du dir bestimmt nur ein“, beschwichtigte Kakashi ihn.

„Nein! Der Kyubi versucht wirklich, mich im Schlaf umzubringen!“

„Vielleicht hast du das geträumt?“

„Nein! Wenn ich es nur geträumt hätte, hätte ich keine Beule am Kopf!“

Kakashi hielt einen Finger vor seinen maskierten Mund. „Du weckst Naruto auf.“

Beide Shinobi blickten zu dem blonden Jungen, der seelenruhig und wie ein Stein schlief.

Na ja“, dachte Kakashi, „vermutlich würde momentan nicht einmal eine Explosion in einer Feuerwerksfabrik ihn aufwecken.“ Kakashis Blick ging zurück zu Yamato, der ihm mit verschränkten Armen und schmollender Miene gegenüber saß. Es war wahrscheinlich der vollkommen falsche Moment, um zu bemerken, wie herzallerliebst der Andere mit diesem Gesichtsausdruck aussah. Seit Tsunade ihm Yamato als seinen Ersatz vor die Nase gesetzt hatte, war Kakashi wieder da, wo er schon einmal mit der Beziehung zu Yamato gewesen war. Damals hatte dieser zwar noch Tenzou geheißen (wie Kakashi ihn manchmal bewusst und oft unbewusst immer noch nannte) und sie waren beide noch viel jünger gewesen (in Shinobi-Jahren waren ein paar Jahre eine Ewigkeit), doch ansonsten war vieles so wie es früher gewesen war. Das hieß, früher, bevor die Dunkelheit der Anbu Kakashi beinahe verschlungen hätte.

Kakashi hatte es kaum glauben können, als Tsunade ihn, ausgerechnet ihn, als Ersatzteamführer vorgeschlagen hatte. Einerseits machte es natürlich schon Sinn und Kakashi hätte damit rechnen können, besonders da der Kyubi Naruto immer mehr Probleme machte, andererseits fragte er sich immer mehr, wie es sein konnte, dass ausgerechnet immer wieder Tenzou seinen Weg kreuzte.

Yamato“, korrigierte eine Stimme in seinem Kopf.

Egal, wie er ihn nun nannte, das alte Problem blieb. Kakashi konnte es wirklich nicht fassen, dass er immer noch Gefühle für den Anderen hegte. Wieso, wieso nur, lösten die sich nicht einfach in Luft auf, sodass er seine Ruhe haben konnte und sich nicht mehr mit ihnen beschäftigen musste?

„Ich hoffe, du denkst gerade über eine Lösung nach“, riss Yamato ihn aus seinen Gedanken.

„Huh? Ja ja, natürlich. Wie schaffen wir es, dass du die Wahnvorstellung verlierst, der Kyubi wolle dich töten?“

„Whaaa! Das ist keine Wahnvorstellung!“

Genau wie früher, nein, vielleicht sogar besser. Kakashi bildete sich ein, dass Yamato noch leichter zu ärgern war als früher. Und es machte ihm noch viel mehr Spaß. Früher hatte er es auch schon geschafft, dass Yamato seinen Papierkram übernahm oder auch seine Rechnungen. Er hatte sogar Feiertage erfinden können, die Tenzou ihm abgenommen hatte.

Ah, Tenzou, mir fällt gerade ein, heute ist 'Ehre deinen Vorgesetzten'-Tag, normalerweise laden die Jüngeren da ihre Vorgesetzten zum Essen ein...“

Wirklich? Entschuldigung, Sempai, das habe ich nicht gewusst!“

Kakashi wusste nicht, wieso ihm das so einen Spaß machte. Vielleicht hatte er einfach ein Faible dafür, seine Zuneigung für andere durch Späße auszudrücken (die Fotos, die er damals als Sukea von Team Sieben geschossen hatte, waren wohl Beweis genug dafür).

„Beruhige dich, Tenzou. Wir sagen Naruto morgen, dass er sein Lager um ein paar Meter verschieben soll. Vielleicht haben wir dann alle unsere Ruhe.“

„Yamato.“

Etwas Verspieltes blitzte in Kakashis sichtbaren Auge auf. „Das ist reichlich undankbar von dir, Ya-ma-to. Erst weckst du mich mitten in der Nacht und dann weißt du meine Hilfe nicht zu würdigen.“

Binnen Sekunden errötete der Andere und brach in Schweiß aus. „E-entschuldige, i-ich....“

Kakashi konnte sein Grinsen nicht mehr unterdrücken.

„Ach, Sempai“, sagte Yamato leicht gequält, „du wirst dich auch nie ändern.“

Bitte, hörte Kakashi eine Stimme in seinem Inneren den Jüngeren anflehen, bitte ändere du dich nie.

In so einer lauen Vollmondnacht, in der sie nur zu zweit (nun ja, Naruto war nicht wirklich anwesend), miteinander redeten, war Kakashi sich bewusst, dass dies mal wieder eine dieser Gelegenheiten war, an der er dem Anderen hätte sagen können, was er für ihn empfand. All die Jahre, die vergangen waren und all die Zurückweisung, die Kakashi Yamato hatte spüren lassen und trotzdem hatte Kakashi keinen Zweifel daran, was Yamato für ihn empfand, denn es waren die gleichen Blicke wie damals. Er wartete also immer noch auf ihn. Es wäre ein Leichtes für Kakashi gewesen, sich nach vorne zu beugen und den Anderen einfach zu küssen und allein die Vorstellung daran, wie Yamato dann vermutlich aus allen Wolken fallen würde, löste in Kakashi eine wahre Freude aus.

Vielleicht sollte er es tun. Vielleicht sollte er es einfach tun.

Yamato hatte es sich mehr als verdient und für ihn selbst bedeutete es eine Chance auf Veränderung, auf Fortschritt, auf Glück.

Kakashi stolperte über seinen eigenen Gedanken. Stand ihm das wirklich zu? Hatten Obito und Rin und Minato und Kushina nicht mehr Anrecht darauf besessen? Ihnen war diese Möglichkeit genommen worden. Sollte er nicht besser dafür sorgen, dass andere glücklich wurden? Naruto, Sakura, nun auch Sai und … Sasuke. Um sie musste er sich sich kümmern, nicht um sich selbst. Auch wenn Yamato dabei auf der Strecke blieb.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Yamato besorgt, als er sah, dass Kakashis Miene sich verfinsterte.

„Huh? Ja. Alles in Ordnung.“ Kakashi schenkte ihm sein typisches Lächeln.

Vielleicht, tröstete er sich, vielleicht irgendwann.

Ein Königreich für deine Gedanken

„Urgh.“ Tsunade betrat mit einer Mischung aus Missmut und Ekel ihr ehemaliges Arbeitszimmer. Nun gut, sie hatte in diesem Zimmer Hochprozentiges getrunken und Lotteriescheine ausgefüllt und ja, vielleicht hatte der Raum nicht immer blitzblank ausgesehen, aber … so schlimm konnte es bei ihr nie gewesen sein.

„Verrätst du mir mal, wieso es hier aussieht wie … wie...“

„Wie zu den guten, alten Zeiten der fünften Hokage?“, vollendete Kakashi schmunzelnd den Satz, während er damit beschäftigt war, bestimmte Unterlagen in einem der unzähligen, meterhohen Papierstapel zu suchen.

„Werd nicht frech“, erwiderte sie fauchend. „Ich hatte gedacht, du kommt klar mit dem Job. Wieso hat sich dein Büro innerhalb der letzten drei Wochen in diesen Saustall verwandelt?“

„Na na, so schlimm ist es nicht. Es funktioniert doch alles.“ Triumphierend zog Kakashi die gefundenen Papiere aus dem Stapel und zeigte sie seiner Vorgängerin … ehe der Stapel zusammenkrachte und noch mehr Chaos verursachte. „Oh“, kommentierte Kakashi trocken das Geschehen. „Vielleicht könnten manche Dinge noch verbessert werden.“

Tsunade stemmte unzufrieden ihre Hände in die Hüfte. „Ein Königreich für deine Gedanken. Manchmal wüsste ich wirklich gerne, was eigentlich in dir vorgeht.“

„Ah nein, danke. Ich bin schon Hokage. Ein zusätzliches Königreich wäre mir dann doch zu viel Arbeit.“

„Schön, dass du deinen Humor in diesem Chaos nicht verloren hast.“ Tsunade knackte bedrohlich mit ihren Fingerknochen.

„Nur die Ruhe“, versuchte Kakashi sie zu besänftigen, während er beschwichtigend mit den Händen wedelte. „Es steht momentan nichts Dringendes an, daher habe ich vielleicht die Arbeit ein wenig schleifen lassen. Aber ich versichere dir, alles läuft gut.“ Er ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder.

„Hmm“, Tsunade kreuzte nachdenklich ihre Arme vor der Brust. „Weißt du, was das Seltsame an der Aussage ist?“

„Huh?“, stutzte Kakashi überrascht. „Was?“

„Ich glaube dir. Trotz dieses Anblicks hier.“ Sie ließ ihren Blick über die Unordnung schweifen. „In den vergangenen zwei Jahren hat mich dein Fleiß bei der Arbeit um ehrlich zu sein die ganze Zeit beunruhigt.“

„Was soll das denn heißen?“, entgegnete Kakashi verdutzt.

„Oh, komm schon, ich hatte jahrelang das Vergnügen, deine Missionsberichte zu lesen. Es gab zwar nie etwas zu beanstanden, aber man hat ihnen angesehen, wie lästig dir so etwas ist. Und der gleiche Shinobi stürzt sich als Hokage plötzlich auf den Papierkram? Da muss man doch skeptisch sein.“

„Vielleicht nehme ich meine neue Position einfach sehr ernst?“, konterte Kakashi.

„Und jetzt nicht mehr?“ Tsunade deutete auf den umgefallenen Stapel.

„Erwischt.“

„Also“, fuhr sie geheimnisumwoben fort, „was hat sich in letzter Zeit verändert, dass du wieder dein gewohntes, entspannteres Selbst bist … hmm ...“

Kakashi sah sie abwartend an. Tsunade wollte mit ziemlich großer Sicherheit auf etwas Bestimmtes hinaus. Konnte sie das wirklich ahnen?

„Eventuell hat es ja mit jemandem zu tun, der wieder hier ist und es in den vergangenen zwei Jahren nicht war?“ Sie ahnte es also.

„Ach“, sagte Kakashi, nachdem er so getan hatte, als würde er nachdenken, „du meinst Yamato? Ich bin auf jeden Fall erleichtert, dass er wieder da ist, aber alles andere scheint ein Zufall zu sein.“

Die Miene der fünften Hokage verzog sich wieder. „Nur ein Zufall also?“

Kakashi wollte sie nicht anlügen, doch es war nicht unwahrscheinlich, dass sie hier die falschen Schlüsse zog; besonders da es keine Schlüsse zu ziehen gab.

Natürlich lag es an Yamato. Seit er wieder da war, musste Kakashi sich nicht mehr zwanghaft Ablenkungen suchen und natürlich verbrachten sie Zeit zusammen, sodass die Ablage „Nicht Dringend“ von Kakashi erst einmal keine große Beachtung mehr fand. Dringende und unbedingt notwendige Angelegenheiten erledigte er selbstverständlich sofort, aber alles andere …. Yamato hatte ihn sogar schon darauf angesprochen und freiwillig angeboten, dem Chaos hinterher zu räumen und so gerne Kakashi dies schon angenommen hätte, es gab in Sachen Yamato noch etwas, das ihn beschäftigte. Von der Sache mit den ungeklärten Gefühlen mal abgesehen.

„Du hast Yamato doch durchgecheckt, richtig?“, fragte er Tsunade, die einerseits unzufrieden war, dass ihre Frage übergangen wurde, andererseits neugierig, wohin das Gespräch nun ging.

„Ja. Wieso fragst du?“

„Hast du dabei irgendetwas feststellen können?“

Tsunade hob skeptisch eine Augenbraue. „Nein, er ist gesund.“

„Keine Reste von dem Gift damals oder sonst etwas?“

„Nein, das hat sich abgebaut. Willst du auf etwas Bestimmtes hinaus?“

„Hat er vielleicht etwas erwähnt, was nicht stimmen könnte?“

Kakashi konnte sehen, dass sein Nachhaken Tsunade nicht gerade gefiel. Aber was hatte er sonst für eine Wahl? Yamato selbst sagte ihm nichts, allerdings war Kakashi sich sicher, über irgendetwas gestolpert zu sein.

Etwa eine Woche nach Yamatos Rückkehr hatte Kakashi ihn ganz beiläufig gefragt, ob er wieder Missionen übernehmen will und da hatte er es gesehen: einen Anflug von Unsicherheit in Yamatos Augen.

Ja, natürlich“, hatte der Jüngere geantwortet und seine dezent wackelnde Stimme hatte bestätigt, was Kakashi gesehen hatte.

Yamato hatte ihm erklärt, dass er noch etwas Zeit zum Trainieren bräuchte, ehe er wieder fit wäre, doch – und das hatte Kakashi erst recht stutzig gemacht - er hatte jegliche Hilfe von ihm vehement abgelehnt.

Ich muss alleine trainieren.“

So? Weshalb?“

Weil ich... das ist wichtig, Sempai. Bitte. Lass mich einfach.“

Ist wirklich alles in Ordnung, Tenzou?“

... Ja.“

Das Zögern des Anderen hatte ihn verraten und auch wenn Kakashi ihm selbstverständlich nicht nachspionieren wollte … so hatte er es trotzdem getan. Nur wusste Kakashi nun nicht genau, was er mit dem anfangen sollte, was er gesehen hatte. Er hatte beobachtet, wie Yamato an einem versteckten Fleckchen, fernab der sonstigen eigentlichen Übungsplätze, einen Wutanfall bekommen hatte. Nun gut, es war Yamato, also war es eher ein Frustrationsanfall gewesen.

Wieso geht es nicht? Wieso geht es nicht mehr?“, hatte er ihn immer und immer wieder sagen hören und Kakashi hatte seine Observierung an dieser Stelle abgebrochen, denn ihm war recht schnell ein Gedanke gekommen, was eventuell los war.

Er hatte auf eine andere Antwort Tsunades gehofft. Eine, die seinen Verdacht nicht bestätigen würde.

„Selbst wenn er etwas erwähnt hätte“, fuhr Tsunade fort, „würde das unter meine Schweigepflicht fallen.“

Kakashi lehnte sich siegessicher in seinem Stuhl zurück. „Ich habe mir vor Amtsantritt Shizunes langen und informativen Vortrag über meine Rechte und Pflichten angehört. Ich darf die Schweigepflicht außer Kraft setzen.“

Die Augen seiner Vorgängerin verengten sich zornig. „Nur bei aktiven Shinobi.“

„Oh, dazu gehört er doch.“

„Seit wann wieder?“

„Seit gerade eben.“

Tsunade stemmte wütend ihre Hände in ihre Taille. „Hätte ich gewusst, was für einen Amtsmissbrauch du betreiben würdest, hätte ich meine Wahl noch einmal überdacht.“

„Willst du den Job wiederhaben?“

„Tsk“, fauchte sie. „Na schön. Er hat mir gesagt, dass er Probleme mit seinem Mokuton hat.“

„Probleme?“ Kakashi horchte auf.

„Er kann es wohl nicht mehr anwenden. Körperlich ist er gesund und ein Kekkei Genkai verlernt man nicht, also …“

„Schon gut. Ich verstehe.“ Der amtierende Hokage sank leicht in sich zusammen. „Es ist wohl wahrscheinlich, dass das mit den Ereignissen aus dem letzten Krieg zusammenhängt.“

„Ja, das ist leider mehr als wahrscheinlich. Ich habe ihm gesagt, dass Sakura einige psychologische Therapeuten ausgebildet hat, aber das hat er sogleich abgelehnt. An wen erinnert mich das nur immer?“ Tsunade warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Ich hatte gehofft, er würde wenigstens mit dir reden.“

Kakashi seufzte leise. „Nein, bisher kam da noch nicht viel.“

„Du kennst ihn am besten und ihr seid euch beinahe schrecklich ähnlich. Wenn du irgendeine Idee hast, wie man ihm helfen kann, dann nur raus damit.“

Tatsächlich hatte Kakashi sofort eine Idee. Immer wenn er in seiner neuer Position nicht weiterwusste, fragte er sich: Was würde Minato-sensei tun? Und dieses Mal musste er nicht einmal hypothetische Überlegungen anstellen; Kakashi wusste, was Minato in so einem Fall getan hatte. Es konnte funktionieren, oder schrecklich schief gehen; auf jeden Fall brauchte er das richtige Team für dieses Vorhaben. Als ein paar Tage später ein Auftrag für eine Mission auf seinem Tisch landete, war Kakashi bereit, dem Plan eine Chance zu geben.

Urvertrauen

Yamato tat sein Bestes, um nicht allzu überrumpelt zu wirken.

„Eine Mission?“ Er starrte Kakashi an, der hinter seinem Schreibtisch saß und die anderen tausend Dokumente darauf beiseite geschoben hatte, um der Schriftrolle, die die Mission enthielt, Platz zu machen.

„Wenn du dich nicht bereit dafür fühlst, gebe ich sie jemand anderem. Hoffentlich finde ich so schnell jemand Fähiges...“ Kakashi machte Anstalten, die Rolle wegzuräumen.

„Warte.“ Yamato wollte sich am liebsten selbst ohrfeigen. Was stellte er sich so an? Nun gut, er war seit Ewigkeiten nicht mehr auf einer Mission gewesen und seine letzte Mission war …. Er schüttelte gedanklich den Kopf. Darüber nachzudenken, brachte ihn nicht weiter. Außerdem stimmte etwas mit seiner einzigartigen Fähigkeit nicht. Egal, was er in den letzten zwei Jahren versucht hatte, das Mokuton wollte ihm nicht mehr gehorchen. Er war zu Tsunade gegangen, in der Hoffnung, dass sie etwas finden konnte, etwas, das dies erklären konnte, aber sie hatte nichts finden können. Yamato hatte sämtliche Bücher, die er zum Thema Kekkai Genkai finden konnte durchgearbeitet, doch nirgends stand etwas davon, dass so eine Fähigkeit verloren gehen konnte. Möglicherweise war er ja auch ein Sonderfall, weil es keine angeborene Fähigkeit war, aber Tsunade versicherte ihm, dass seine Gene sich nicht verändert hatten und das Holzversteck noch da sein musste. Jedes Mal, wenn Yamato versuchte, es anzuwenden, überkam ihn ein schauriges Gefühl. Natürlich war es ihm schon in den Sinn gekommen, dass ein Zusammenhang zwischen diesem Problem und den Ereignissen aus dem Krieg bestehen konnte. Gerade wegen seiner einzigartigen Fähigkeit war er ja gefangen genommen worden und gegen seine eigenen Kameraden eingesetzt worden. Die Kameraden, die er eigentlich hatte beschützen wollen.

„Ich nehme die Mission an.“

Kakashi blickte ihn kurz musternd an, dann lächelte er zufrieden. „Sehr schön. Dein Team wird gleich da sein.“

„Ich soll ein Team führen?“, fragte Yamato überrumpelt.

„Nicht irgendein Team.“

Bevor Yamato auch nur irgendwie darauf reagieren konnte, stürmte ein ihm wohlbekannter Blondschopf zur Tür rein. „Es gibt eine Mission?! Ich hoffe, es ist was Gutes, echt jetzt!“

„Schht!“ Eine Faust landete von hinten auf Narutos Kopf. „Was schreist du schon wieder so herum?!“ Sakura überholte ihn, während er sich die gerade erworbene Beule rieb.

„Guten Tag, Yamato-taichou“, sagte Sai, als auch er eintrat. „Wir haben ja schon lange keine gemeinsame Mission mehr gehabt.“

Plötzlich dämmerte Yamato etwas. „Du hast sie vorher schon herbestellt, obwohl du noch gar nicht gewusst hast, ob ich zusage?“, fragte er den immer noch zufrieden lächelnden Mann am Schreibtisch.

„Sagen wir, ich habe gehofft, dass du zusagst.“

Wie machte Kakashi das immer? Oder eher: Wieso machte er letztendlich immer das, was Kakashi wollte? Yamato seufzte innerlich. Er war der festen Überzeugung, dass Kakashi noch nie etwas Anderes als sein Bestes gewollt hatte, daher würde er auch jetzt wieder tun, was in Kakashis Sinn war. Sein Urvertrauen in Kakashi war mehr als nur ein Resultat seiner Gefühle für ihn; egal, wie verrückt und grausam diese Welt manchmal war, Kakashi stellte in ihr die Konstante dar, auf die er sich verlassen konnte.

In der Vergangenheit hatte er sich schon des Öfteren der „Fels in der Brandung“-Metapher bedient, aber in letzter Zeit schien der Fels nicht mehr so unnahbar zu sein, wie er es sonst immer gewesen war. Über Kakashis Reaktion bei seiner Rückkehr (eine Umarmung! Eine Umarmung von Kakashi!) war er noch nicht hinweggekommen, aber sie war für ihn das bisher deutlichste aller Zeichen gewesen, dass er dem Älteren nicht egal war. Und nun vertraute ihm Kakashi abermals sein Team an. Er hätte ihm das Problem mit dem Mokuton sagen sollen. Jedoch … vor Kakashi eine Schwäche zugeben? Yamato hätte sich angesichts der verworrenen Zusammenhänge am liebsten die Haare gerauft. Vor seinen versammelten Schützlingen konnte er erst recht nichts mehr sagen.

Schon gut, beruhigte er sich, du hast noch deine anderen Elemente und Jutsus. Du kannst sie beschützen.

„Die Mission läuft als B-Rang, vielleicht ist sie aber auch eher ein A“, begann Kakashi mit der Erklärung zum Auftrag. „Nahe des Kobayashi-Waldes südlich von Konoha hat jemand ohne Erlaubnis ein Gebäude errichtet. Vermutlich eine Fabrik. Wir wissen nicht für was und wer das war, aber da es heimlich, still und leise geschehen ist, ist es sicher nichts Legales. Ihr findet heraus, was dort vor sich geht und ergreift die nötigen Schritte. Yamato hat die Teamleitung. Irgendwelche Fragen?“

Vielleicht war es Einbildung, aber Yamato dachte, dass Kakashi ihn abwartend ansah.

„Nein, alles klar.“ Yamato blickte zu seinem Team, um zu sehen, ob sie Fragen hatten, aber keiner rührte sich.

„Gut, dann viel Glück. Und passt auf euch auf.“

 

„Du hast ihn also wirklich auf eine Mission geschickt.“ Tsunade stand mal wieder uneingeladen im Arbeitszimmer des Hokage. „Meinst du, es hilft, ihn ins kalte Wasser zu werfen?“

Kakashi blickte von seinen Dokumenten auf. „So kalt ist es nicht. Ich habe nicht umsonst Naruto, Sakura und Sai mitgeschickt. Im besten Fall hilft es, im schlechtesten bekommen wir mehr Klarheit, was los ist.“

„Nun gut, du bist der Hokage, du triffst die Entscheidungen.“ Tsunade zuckte mit den Schultern.

„Wenn du den Posten vermisst, ich hätte da sehr günstig einen fast Ungebrauchten abzugeben.“

„Netter Versuch“. Sie schüttelte amüsiert den Kopf und machte sich auf in Richtung Tür. „Ich geh lieber ein bisschen zocken.“

Der amtierende Hokage seufzte. Er würde jetzt auch lieber etwas Anderes machen. Allerdings konnte er ihnen nicht folgen; er musste einfach seinem Instinkt vertrauen.

 

„Dahinten ist es.“ Sakura nickte Sai zu und sie krabbelten zurück in das Unterholz, in dem Naruto und Yamato auf sie warteten.

„Wie ich es schon aus der Luft gesehen habe, es gibt einen einzigen Eingang vor dem zwei Wachen stehen und kein einziges Fenster“, berichtete Sai.

„Da wir nicht ohne größeren Lärm durch das Metalldach des Gebäudes kommen, bleibt uns wahrscheinlich kein anderer Weg, als die Eingangstür zu nehmen“, bilanzierte Yamato skeptisch. Nur zwei Wachen? Da musste es einen Haken geben.

„Können wir nicht von unten in das Gebäude?“, fragte Naruto. „Du kannst doch mit deinem Holzversteck vielleicht dadurch.“

Mit einem Mal wurde Yamato um einiges blasser.

„Alles in Ordnung, Taichou?“, fragte Sakura besorgt.

„J-ja, es ist nichts. Aber … es geht nicht. Was Naruto vorgeschlagen hat, geht nicht.“

„Wieso ni-“, wollte Naruto nachhaken, doch Yamato unterbrach ihn sogleich.

„Es geht nicht! Es ist nicht … möglich.“

Die drei Jüngeren sahen sich untereinander verwirrt an.

„Wir werden anders vorgehen“, fügte Yamato hinzu und versuchte, so gefasst wie möglich zu sein.

Kakashi hatte ihm vor einiger Zeit erzählt, dass er sich immer zu sehr auf sein Sharingan verlassen hatte und dessen Verlust ihn nun noch immer beschäftigte. In diesem Moment wurde Yamato bewusst, dass er den gleichen Fehler begangen hatte. Er hatte sich zu sehr auf eine einzige Fähigkeit verlassen.

 

Eine plötzliche Explosion im Wald schreckte die Wachen auf. Einer von ihnen lief los, um nachzusehen, was passiert war und rannte direkt in Sakuras Faust, die ihn ausknockte. Die Falle mit der Briefbombe hatte funktioniert. Die zweite Wache blickte angespannt in den Wald und bemerkte nicht wie sich eine schwarze Schlange von hinten langsam an ihn heranschlich und blitzschnell vollständig umwickelte, sodass er nicht einmal mehr schreien konnte.

„Trotz der Explosion ist keine weitere Wache hinausgekommen“, stellte Yamato fest, als sich das Team vor der Eingangstür versammelte. „Das heißt, es gibt nur diese zwei.“ Er sah auf den eingewickelten Wachposten, der auf dem Boden herumrollte und vergebens versuchte, sich zu befreien. Sai hatte ihm immerhin Luftlöcher zum Atmen gelassen; das war für einen ehemaligen Anbu, einen Ne dazu, keine Selbstverständlichkeit.

„Naruto, bist du bereit?“ Yamato und die beiden Anderen stellten sich seitlich an die Türe, während Naruto zwei Schattendoppelgänger erschuf, diese die Tür öffnen ließ und sie als Vorhut vorschickte.

„Es ist alles still! Und dunkel!“, rief einer der Doppelgänger.

„Na schön.“ Yamato signalisierte seinem Team hineinzugehen.

„Ist ja tatsächlich stockfinster hier“, bestätigte Naruto, als die Vier ihre Taschenlampen einschalteten.

„Haben wir doch gesagt“, meckerte einer seiner Doppelgänger.

„Das ist wirklich seltsam.“ Yamato konnte im Schein der Taschenlampe Maschinen, Förderbänder und Container sehen, aber es schien außer ihnen niemand hier zu sein. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass da noch jemand war.

„Ich hatte so sehr gehofft, Konoha würde mich einfach in Ruhe lassen.“ Das plötzliche Ertönen einer männlichen Stimme ließ die vier Ninjas sich in Windeseile Rücken an Rücken zusammenstellen.

„Wer ist da?“, fragte Yamato in die Halle hinein.

Das Licht ging an und Sai erblickte einen Mann auf einer Empore stehen. „Da!“ Sai stutzte kurz, ehe ihm etwas bewusst wurde. „Ich kenne sein Gesicht aus dem Bingo Book. Er wird für die Herstellung illegaler Kriegsmaschinerie gesucht!“

„Das beantwortet dann schon mal einen Teil unserer Fragen“, stellte Yamato trocken fest. „Wofür genau ist diese Fabrik?“

„Ich hatte hier gerade an einem wundervollen neuen Produkt gearbeitet, bevor ihr meine Arbeiter unterbrochen habt“, antwortete der Mann eingeschnappt.

„Arbeiter? Welche Arbeiter?“, hakte Sakura nach.

„Schön, dass du fragst“, fuhr er selbstgefällig fort. „Mir ist die geniale Idee gekommen, dass sich meine Produkte selbst herstellen können. Arbeiter und Produkt sind also eins. Das spart Unsummen an Lohnkosten.“

„Mir gefällt nicht, wonach das klingt.“ Sakura blickte zu ihren Kameraden, die größtenteils ihre Ablehnung teilten.

„Mir auch nicht“, sagte Yamato.

„Häh? Ich versteh nicht, wonach das klingt“, warf Naruto ein.

„Ihr wollt eine Demonstration? Perfekt! Ich konnte mein neuestes Produkt noch nicht am lebenden Objekt testen.“

Mit einem Mal verschloss sich die Tür, als eine meterdicke Stahlwand aus dem Boden hinausschoss, während die Container ihre vordere Klappe öffneten. Im Innern befanden sich fast zwei Dutzend beinahe lebensgroßer mechanischer Aufziehpuppen.

„Was ist denn das für ein Gruselkabinett??“, entfuhr es Naruto.

„Meine Karakuri Ningyo-Linie zeichnet sich dadurch aus, dass sie sowohl als Fabrikarbeiter als auch als Waffe eingesetzt werden können.“ Der Gesuchte erklärte stolz seine Erfindung als befände er sich auf einer Produktpräsentation.

Plötzlich erwachten die Puppen zum Leben, fuhren ein Schwert aus ihrem Arm heraus und griffen sogleich die Doppelgänger an, die dem Überraschungsangriff nichts entgegen zu setzen hatten und verpufften. Keine Sekunde später richteten sie ihre Aufmerksamkeit bereits auf die Shinobi aus Konoha und gingen blitzschnell zum Angriff über. Geistesgegenwärtig zog Sai sein Schwert, wehrte eine der Puppen ab, die ihn angriffen und zerteilte sie so flink wie es nur ein Anbu konnte. Gleichzeitig wich Sakura dem Schlag ihres Gegners aus und wollte ihn mit einer chakrageladenen Faust zertrümmern, doch kurz bevor sie ihn berühren konnte, ließ ihr Chakra nach. Bevor die verdutzte Kunoichi getroffen werden konnte, schmetterte ein konzentrierter Wasserstrahl, den Yamato mit einem Jutsu erschaffen hatte, die Puppe von ihr weg und ließ diese an einer Wand zerschellen.

„Alles in Ordnung??“, rief er ihr zu, während er innerlich fluchte, in so einem kritischen Moment nicht auf seine holzbasierten Jutsus zurückgreifen zu können.

„Mir geht es gut!“, antwortete Sakura. „Aber was....“

Derweil aktivierte Naruto Kuramas Chakra und sämtliche Puppen drehten sich zu ihm um. Da dämmerte es Sakura: „Naruto! Deaktivier sofort den Kyubi-Modus! Die Puppen saugen Chakra auf!“

„Wwas?“, entfuhr es Naruto noch, aber es war bereits zu spät. Die Gegner entzogen ihm sein Chakra und luden sich damit auf.

„Da stimmt was nicht!“ Sai beobachtete wie die Puppen sich mit stakkatoartigen Bewegungen ein wenig von ihnen zurückzogen, im Kreis um sie aufstellten und anfingen zu glühen.

„Was hat das zu bedeuten?!“, schleuderte Yamato dem Kriminellen auf der Empore entgegen.

Dieser jedoch, obwohl er gerade noch so arrogant daher gekommen war, stand nun ganz verdattert auf der Brüstung und schüttelte ungläubig den Kopf. „Eine … eine Fehlfunktion vielleicht? Der Junge muss zu viel Chakra gehabt haben. So viel Chakra können sie nicht verarbeiten!“

„Was soll das heißen?“ Yamato hatte ein wirklich, wirklich mieses Gefühl.

„Dann … dann werden sie wohl explodieren.“

Den anwesenden Mitgliedern von Team Sieben blieb nur ein Bruchteil einer Sekunde, um erschrocken die Augen aufzureißen, ehe Yamato ihnen zurief, dass sie sofort hier heraus mussten.

„Dafür bleibt keine Zeit mehr“, sagte der Verursacher dieser Katastrophe resigniert. „All die Arbeit. Völlig umsonst.“

Jemanden zu beschützen

Yamato schluckte schwer als er in die hilflosen Gesichter seiner Schützlinge blickte. Alles, was er jemals wirklich gewollt hatte, war es, jemanden beschützen zu können. Und er war der festen Überzeugung, dass er überlebt hatte, um mithilfe des Mokutons genau dies zu tun.

Er hatte keines der anderen Kinder beschützen können und egal, wie viel Zeit verging, er würde immer an sie denken. Er hatte Yukimi beschützen können ohne die sicher vieles anders gekommen wäre. Er hatte immer und immer wieder seine Kameraden beschützen können, er hatte Kakashis Team beschützen können, bis zu dem Punkt, an dem alles, was er jemals wirklich gewollt hatte, ins genaue Gegenteil gekehrt worden war. Es war wegen des Mokutons, dass Kabuto ihn gefangen und für die Zetsuarmee benutzt hatte. Es fiel ihm so schon schwer genug, sich zu verzeihen, und zusätzlich malte er es sich in seinen dunkelsten Stunden immer mal wieder aus, was passiert wäre, wenn Kakashi, Naruto, Sakura oder Sai etwas geschehen wäre. Wenn er auch nie eine Familie besessen hatte, an die er sich erinnern konnte, so war er sich sicher, dass es sich mit diesen fünf wie mit einer Familie anfühlte. Kakashi liebte er auf eine andere Weise, das war klar, aber die drei Anderen liebte er auch – Sasuke musste er wohl erst noch lieben lernen – doch worauf es ankam, stand außer Frage: Er wollte die, die er liebte, nicht verlieren, weil er sie nicht beschützen konnte. Am Holzversteck hatte schon immer Blut geklebt, aber er durfte nicht zulassen, dass es ihres war.

„Sie explodieren!“, rief Sakura panisch.

Alles, was er wirklich wollte, war es, die zu beschützen, die er liebte.

Mit einer Bewegung, die ihm vertrauter erschien als alles andere auf der Welt, führte Yamato seine Handflächen zusammen und gigantische Holzbalken schossen aus dem Boden und formten mit kräftigen Wänden eine schützende Kuppel um das Team, während um sie herum die Puppen lautstark detonierten.

 

„Ich glaube, er kommt zu sich.“

Yamato öffnete langsam die Augen und blinzelte ein paar Mal, damit seine verschwommene Sicht wieder klar wurde. Das einzige, was er sehen konnte, war eine weiße Zimmerdecke. War das gerade Sais Stimme gewesen? Wie vom Blitz getroffen erinnerte er sich daran, was zuletzt geschehen war.

„SAKURA! SAKURA!“, schrie derweil Naruto. „Yamato-taichou ist aufgewacht!“

„DAS HIER IST EIN KRANKENHAUS!“, brüllte sie prompt zurück. „SEI GEFÄLLIGST LEISE!“

„Ihr solltet beide mindestens einen Gang zurückschalten.“ Die ermahnende Stimme gehörte eindeutig zu Kakashi. Nur einen Augenblick später blickte Yamato in alle vier Gesichter.

„Muss das übel sein wegen zu hohem Chakraverbrauch im Krankenhaus zu liegen“, witzelte Kakashi anstelle einer Begrüßung.

„Ja, ich wette, Sie können sich das gar nicht vorstellen, was, Kakashi-sensei?“, spottete Sakura und erhielt ein unterstützendes Nicken von Naruto.

„Ist ihm ja noch nie passiert“, fügte der blonde Ninja sarkastisch hinzu.

„Hey, ich bin eine Respektsperson, vergesst das nicht immer“, wehrte sich der Hokage.

Yamato musste unweigerlich lächeln. Es ging ihnen allen gut. Er hatte sie also beschützen können. Sein Herz fühlte sich so leicht an wie lange nicht mehr.

„Wie geht es Ihnen?“, fragte Sakura. „Tut Ihnen etwas weh?“

„Nein, nein, mir geht es gut“, antwortete er, auch wenn er beim Versuch, sich aufzusetzen etwas ächzte. „Was ist passiert?“

„Die riesige Holzkuppel hat uns vor diesen gruseligen Puppen beschützt, aber du bist dann umgekippt“, erklärte Naruto. „Nachdem wir uns befreit hatten, stellten wir fest, dass die ganze Fabrik in die Luft geflogen war.“

„Mitsamt ihres Erbauers“, ergänzte Sai. „Uns wäre es wohl genauso ergangen, wenn Sie nicht gewesen wären, Yamato-taichou.“

Ein leichte Röte bildete sich in Yamatos Gesicht und er räusperte sich verlegen. „Ein Teamführer muss sein Team schließlich beschützen.“ Sein Blick traf den von Kakashi.

„Kümmert ihr euch mal um den schriftlichen Missionsbericht, während ich noch ein paar Worte mit eurem Teamführer wechsele“, sagte Kakashi daraufhin.

„Aber nicht zu lange, er braucht Ruhe“, mahnte Sakura fürsorglich, als sie mit den beiden Jungen das Zimmer verließ.

„Du hast es gewusst, oder?“, fragte Yamato den Älteren, als sie alleine waren. „Du hast gewusst, dass ich das Mokuton nicht anwenden konnte.“

„Na ja“, erwiderte Kakashi, „gewusst würde ich nicht sagen, aber ich hatte eine sehr starke Ahnung.“

„Und du hast mich trotzdem mit deinem Team losgeschickt? Wenn meine Fähigkeit nicht wiedergekommen wäre, dann....“

Der Hokage sah ihn schweigend einen Augenblick lang an und zuckte dann mit den Schultern. „Dass die Mission so eine Wendung nimmt, hatte keiner ahnen können. Wenn ich an deiner Stelle da gewesen wäre, hätte ich auch nichts ausrichten können. Und du weißt doch, dass du mehr bist als nur diese eine Fähigkeit.“ Er lächelte. „Außerdem ist es unser Team.“

Yamato erwiderte das Lächeln kurz, ehe er ein paar Tränen der Rührung bemerkte, die sich in seinen Augen sammelten, und er den Kopf abwandte.

„Ich kann dir nicht einmal böse sein, dass du mir das mit dem Mokuton nicht erzählt hast“, fuhr Kakashi fort. „Ich hätte es gerne von dir gewusst, aber ich weiß auch, dass ich nicht gerade ein leuchtendes Vorbild bin, wenn es um das Mitteilen von Persönlichem geht. Ich hatte nur immer das Gefühl – oder vielleicht auch die Hoffnung – dass du in solchen Dingen besser bist als ich.“

„Es tut mir leid“, sagte Yamato bedrückt.

„Ach“, Kakashi zuckte erneut mit den Schultern. „Dafür musst du dich nicht entschuldigen. Ich wüsste nur gerne darüber Bescheid, was in dir vorgeht. Nicht nur als dein Hokage, der über deine Missionen entscheidet, sondern auch als …“ Als der Satz unvollendet in der Luft hängen blieb, richtete Yamato seinen Blick wieder auf Kakashi, der sich nervös am Hinterkopf kratzte. Wahrscheinlich machte es nicht viel Sinn, auf die Vollendung des Satzes zu hoffen, aber Yamato wusste diesen Halbsatz trotzdem zu würdigen. Er war erneut mehr gewesen, als er je von Kakashi erhofft hatte. Selbst wenn es für immer dabei bliebe, Yamato würde den Anderen trotzdem lieben.

„Du bist mir wichtig. Sehr sogar.“

Yamato tat wirklich sein Bestes, um Kakashi nicht mit großen Augen anzustarren, nachdem der Ältere dies hinzugefügt hatte, doch seine Mühen waren vergeblich und Kakashi wurde sichtlich verlegen.

„Es heißt ja, Naruto sei der Überraschungsninja Nummer eins“, sagte Yamato nach einer Weile wieder gefasster und mit einem amüsierten Kopfschütteln, „aber du machst ihm so langsam Konkurrenz.“

„Wie?“ Kakashi sah ihn verdutzt an.

Er konnte gar nicht anders, dachte Yamato beim Anblick des Anderen. Er würde ihn immer lieben.

„Du mir auch. Sehr sogar.“

Als wäre ich endlich der, der ich sein sollte

Aus diesem Mann sollte mal jemand schlau werden! Yamato wusste langsam nicht mehr, was er mit dieser Achterbahn der Gefühle machen sollte, auf die Kakashi ihn den ganzen Abend schon schickte. Erst nahm er seine Hand, dann ließ er sie wieder los und sagte nichts, dann redete er davon, dass er sein Glück besser mit jemand anderem finden sollte, und nun griff er nach seinen beiden Händen und fragte ihn allen Ernstes, was er eigentlich an ihm fände. Aus diesem Mann sollte mal jemand schlau werden.

„Was findest du an mir?“, wiederholte Kakashi. „Aus welchem Grund wartest du immer noch auf mich?“

Yamato entfuhr ein tiefer Seufzer, nachdem er sich durch Kakashis Überrumpelungsaktionen wieder gefasst hatte. „Man braucht keinen Grund, um jemanden zu lieben“, antwortete er schließlich, ohne zu ahnen, warum Kakashi ihn daraufhin wie vom Donner gerührt ansah. Dies waren genau die Worte gewesen, die Kakashi damals nach der Versiegelung Kaguyas zu Sasuke gesagt hatte. „Daher ist es auch recht schwer zu erklären, wieso ich diese Gefühle für dich habe“, fuhr Yamato fort. „Manchmal glaube ich, ich liebe dich seit wir uns das erste Mal begegnet sind, aber vielleicht liegt das auch daran, dass ich mir gar nicht mehr vorstellen kann, wie es ist, dich nicht zu lieben.“ Yamato lachte verlegen, während er leicht errötete. All dies zu sagen, fiel ihm leichter als er immer angenommen hatte. Vielleicht lag es daran, dass ihr Verhältnis zueinander noch nie so eindeutig gewesen war, wie in diesem Moment. „Du bist der Erste gewesen, der mich als mich anerkannt hat. Nicht als Versuchsobjekt oder namenlosen Anbu oder als jemand anderen als mich selbst. Ich hatte schon immer das Gefühl, dass du mich verstehst, dass du weißt, was ich denke oder fühle, ohne dass ich es groß erklären muss. Ganz davon abgesehen, dass du mich gerettet hast und es dir nicht egal war, was aus mir wurde. Mit dir fühlt sich alles leichter an, als wäre alles leichter zu ertragen und als wäre ich endlich der, der ich sein sollte... du meine Güte, gibt das überhaupt einen Sinn?“

Kakashi antwortete nicht, sondern sah ihn stillschweigend an. Allerdings war da etwas in seinem Blick, das Yamato so vorher noch nie bei ihm gesehen hatte. Was war das? Wie ließ sich dieser Blick nur beschreiben? Als ... Überwältigung? Yamato blieb keine Gelegenheit, länger darüber nachzudenken, denn ohne ein Wort zu verlieren, löste Kakashi seine rechte Hand von Yamatos Hand, zog sich die Maske hinunter, die den unteren Teil seines Gesichtes bedeckte und küsste ihn.

Yamato konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so lange gebraucht hatte, um etwas zu realisieren. Umso froher war, dass der Kuss noch andauerte, als er begonnen hatte zu begreifen, was gerade passierte und er küsste ihn zurück, mit einer Unbändigkeit, die beiden verdeutlichte, wie lange sie gebraucht hatten, um an diesen Punkt zu gelangen.

„Ich vermute mal“, sagte Yamato, als sie sich nach einiger Zeit voneinander lösten und während er so glücklich lächelte, wie Kakashi es noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte, „meine Antwort auf deine Frage hat einen Sinn ergeben.“

Der Ältere räusperte sich und versuchte, wenn auch mit mäßigem Erfolg, seine übliche Nonchalance wiederzufinden. „Ja. Du warst sehr … überzeugend.“

Amüsiert über die Formulierung des Anderen, schüttelte Yamato den Kopf. „Ich hätte nicht gedacht, dass der heutige Abend noch so eine Wendung nimmt.“

„Glaube mir, ich war der Letzte, der mit dieser Wendung gerechnet hat.“ Erneut einmal tief ein- und wieder ausatmend, fuhr Kakashi fort: „Ich bin ein Idiot, wirklich. All die Jahre bin ich davon gelaufen, einfach weil es bequemer war als sich damit-... mit dir auseinanderzusetzen. Ich habe es immer vor mir hergeschoben und gedacht, es würde sich irgendwann sicher von selbst erledigen. Aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich gleichzeitig auch immer gehofft, dass es sich nicht erledigen würde. Das war nicht fair dir gegenüber. Vergib mir bitte meine Dummheit. Ich bin derjenige, der oft keinen Sinn macht.“

„Kakashi ...“, setzte der Jüngere an, doch Kakashi hob eine Hand, um ihm zu signalisieren, dass er noch etwas hinzuzufügen hatte:

„Ich bin so froh, dass du auf mich gewartet hast. Trotz allem.“

Einen kurzen Moment abwartend, schüttelte Yamato schließlich den Kopf. „Glaube mir, ich bin mir immer bewusst gewesen, dass du nicht der einfachste Mensch auf Erden bist. Aber das hat nie etwas geändert. Und das wird es auch nie, egal, was noch kommen wird.“

„Herrje“, sagte Kakashi und seufzte tief, „du hast wirklich jemand Besseren verdient.“ Er lächelte und ergänzte: „Aber jetzt musst du mit mir Vorlieb nehmen.“

Yamato musste lachen und kam auch danach nicht dazu, etwas zu antworten, denn sie küssten sich erneut.

 

„Ich liebe dich, Tenzou.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Tja, Yamato, wie wir wissen, wirst du später Obito kennen lernen, aber leider wird das für dich eine unangenehme Erfahrung werden.
Findet es noch jemand schade, dass das letzte Databook nie bei uns erschienen ist? Ich mag diese Bücher. Sonst wüsste ich ja gar nicht, dass Obito am 10. Februar Geburtstag hat. ;-) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich weiß nicht, ob ich das wirklich dazu schreiben muss, aber ich freue mich im Übrigen immer sehr über Kommentare. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Wird deutlich, was Kakashi da für ein Training betreibt?
Wer nicht gleich darauf kommt, dem sei gesagt: Kamui. ;-) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich liebe Szenen zwischen Kakashi und Tsunade. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Erinnert sich jemand an das PS2-Spiel Tenchu? Da gab es unter den Charakteren diese gruselige Puppe. Die gruselt mich bis heute. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nur noch ein Kapitel übrig. ^_~ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich will wirklich nicht um Kommentare betteln, jedoch muss ich sagen, dass es schon etwas frustrierend ist, wenn man gar keine Rückmeldungen erhält. Ich möchte ja auch wissen, ob vielleicht etwas unverständlich war oder ob jemand vielleicht eine Szene vermisst hat. Hinzu kommt, dass es einfach sehr, sehr motivierend ist, wenn man merkt, dass Leute die Geschichte wirklich lesen und eventuell sogar mitfiebern.
In erster Linie hoffe ich trotz allem, dass euch die Geschichte gefallen hat und bedanke mich fürs Lesen. ^^ Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Charly89
2019-09-14T14:13:57+00:00 14.09.2019 16:13
Love it. *-*

Bin eher zufällig über über 'coming home' gestolpert und habe es geliebt. Und habe mich sehr über die Fortsetzung gefreut.

Hast du super gemacht. Die Story ist nicht zu schnulzig, das mag ich persönlich nämlich überhaupt nicht. Überladene liebesschwüre und Kitsch an jeder Ecke sind oft der Tod einer schönen Liebesgeschichte. Diese Story lebt von den Charakteren und nicht von überzogenen Drumherum.

Ich mag das Paaring generell sehr gerne und deine Umsetzung hat mir bis jetzt am besten gefallen. Top.
Antwort von:  rokugatsu-go
15.09.2019 12:28
Du meine Güte, so viel Lob auf einmal! Vielen Dank!
Ich freue mich besonders, dass du sagst, es sei nicht zu schnulzig; da die Balance zu halten ist nämlich sehr schwierig und ich mag es auch nicht, wenn es in Kitsch abdriftet.
Vielen Dank nochmal! ^__^


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