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Star Trek - Icicle - 07

Operation Christkind
von

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Pläne und Gegenpläne


 

1.
 

Pläne und Gegenpläne
 

STRATEGICAL STARBASE 71

Sternenzeit: 58971.3

Im Orbit über Forlan-Prime
 

„Natürlich sollen Sie keinen Salut mit Quantentorpedos schießen, sobald der Verband der Romulaner, den wir jeden Moment erwarten, hier eintrifft, Captain Dheran. Was denken Sie wohl, wie der romulanische Verbandskommandeur darauf reagieren würde, wenn ihm, gleich nach seinem Eintreffen, mehrere Quantentorpedos um seine spitzen Ohren fliegen?“

Torias Tarun, Admiral der Sternenflotte, und Oberkommandierender im Raumsektor, zu dem das Forlan-System gehörte, schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.

Der auf dem Bildschirm sichtbare, andorianische Captain, der auf der Brücke seines Raumschiffs ICICLE stand, erlaubte sich ein Räuspern, wobei sich seine Antennen deutlich sichtbar nach Innen bogen. „Wie Sie meinen, Sir. Ich hatte angenommen, die Romulaner wären, anlässlich des Allianz-Vertrag-Abschlusses von Dreiundzwanzig-Achtzig, mit den Ehrenbezeigungen der Sternenflotte vertraut gemacht worden.“

Tarun, trotz seiner beinahe 54 Jahre gelegentlich noch immer etwas impulsiv wirkend, lachte unterdrückt.

Mister Dheran, ich bewundere Ihre gelegentlichen Gedankensprünge. Meinen Sie nicht auch, Captain, dass der Stab der Sternenflotte, während der schwierigen Verhandlungen auf Romulus, bessere Dinge zu tun gehabt hätte, als den Praetor und den Romulanischen Flottenstab über unsere militärischen Frechheiten aufzuklären?“

„Frechheiten?“ staunte der Andorianer.

Auch der wachhabende Offizier des beeindruckenden Kommandozentrums der Sternenbasis STRATEGICAL STARBASE 71 runzelte die Stirn. Obwohl Admiral Torias Tarun für Aussagen ähnlicher Art berühmt war, um nicht zu sagen: berüchtigt.

„Allerdings“, legte der Trill nach. „Ich halte es beispielsweise für eine Frechheit, einem an Bord gehenden Admiral mit dem Gedröhne Salut schießender Torpedos die Trommelfelle zu strapazieren, auch dann, wenn ich mit dieser Auffassung die Gefühle verschiedener Offiziere verletzen sollte. Also, Captain Dheran - verzichten Sie bitte darauf, den demnächst eintreffenden Romulanern elf oder mehr Torpedos vor den Bug zu setzen. Das könnte falsch verstanden werden. Darf ich sonst noch etwas für Sie tun?“

Der Captain der U.S.S. ICICLE verneinte, wobei sich seine Antennen unaufhaltsam immer stärker nach Innen bogen.

Tarun gab dem Offizier an der OPS ein Zeichen, die Verbindung zu dem Raumschiff der AKIRA-KLASSE zu beenden und sah sich dann in dem weiten Kommandozentrum der Station um. Die Mitglieder der Stationsbesatzung schwiegen beharrlich, so dass der Trill das leise Summen der Instrumente hören konnte. Die Anwesenden beherrschten sich so mustergültig, dass der Admiral unwillkürlich die Luft anhielt und auf eine Regung in den erstarrt wirkenden Gesichtern wartete.

„Das ist die lauteste Ruhe, die ich je erlebt habe“, sagte der Trill schließlich in das Schweigen um ihn herum. „Die Unerschütterlichen werden wohl schon bald eine neue Anekdote in Umlauf bringen. Der Getupfte und der Salut-Captain, oder so ähnlich.“

Torias Tarun bemerkte zufrieden die überraschten Blicke seiner Untergebenen, als er seinen inoffiziellen Spitznamen vor ihnen aussprach. Schmunzelnd legte er die Hände auf den Rücken und überflog die riesigen, konkaven Bildschirme, die sich entlang der Galerie erstreckten, mit einem schnellen Rundblick.

Der romulanische Verband sollte eigentlich bereits im System sein. Tarun spürte eine leise Unruhe deswegen, denn im Allgemeinen pflegten romulanische Verbandskommandeure nicht durch Unpünktlichkeit aufzufallen.

Die wartenden Raumschiffe des kleinen Verbandes von Sternenflottenraumschiffen, die von der ICICLE angeführt wurden, zeichneten sich auf mehreren der Bildschirme ab.

Ungeduldig blickte Tarun zum Ersten Offizier der Station, dem efrosianischen Commander, No´Leen Ra Taragenar. Der Trill war im Begriff den weißhaarigen Hünen anzusprechen, doch er kam nicht mehr dazu.

Der OPS-Offizier meldete in diesem Moment: „Admiral, einhunderttausend Kilometer von der Station entfernt enttarnen sich soeben zehn Raumschiffe. Drei Kriegsschiffe der VALDORE-KLASSE; die sieben anderen Raumschiffe gehören zur brandneuen FA´ERHIAN-KLASSE, Sir. Wir werden gerufen.“

„Auf den Holoschirm des Kartentisches legen!“, befahl der Trill. Als Tarun näher an den Tisch, im Mittelpunkt des Kommandozentrums, heran trat, aktivierte sich das Hologramm-Aggregat des Tisches. Die Abbildung eines bereits leicht ergrauten Romulaners erschien als dreidimensionale Abbildung vor Tarun. Der romulanische Verbandsleiter machte zwar eine ernste Miene; aber seine Worte bewiesen, dass er sich amüsierte.

„Captain Tovolak, vom Romulanischen Sternenimperium, an Bord der FAL´KEREN, spricht. Wir bedanken uns für die Belehrung, die Sie ihrem Captain erteilt haben. Dennoch, Admiral - lassen Sie Ihren Captain Dheran ruhig seinen Salut schießen. Eine Geste der Achtung sollte nicht bedachtsamer Vorsicht zum Opfer fallen. Wir sind informiert. Eine Energieverschwendung dieser Art entspricht zwar nicht unserer eigenen Denkweise; aber hier und da sind Romulaner, anders als Vulkanier, etwas unlogisch.“

Torias Tarun hörte bei den Worten des Romulaners heraus, dass dessen Verband bereits seit einiger Zeit getarnt im System verbracht haben musste. Nur Selten war er Romulanern im Rang eines Ssiebh begegnet. Dieser Rang wurde mit Captain übersetzt, doch im Grunde entsprach er mehr einem Zwischenrang, zwischen Captain und Commodore. Die Tatsache, dass Tovolak zehn Kriegsschiffe anvertraut worden waren, ließ den Trill überdies vermuten, dass der Romulaner sich auf dem Weg zur Beförderung zum erei´Khrein, also zum vollwertigen Commodore, befand.

Torias Tarun sammelte sich schnell und erwiderte: „Hier spricht Admiral Torias Tarun, Befehlshaber der Fünften Taktischen Flotte und Oberbefehlshaber des Forlan-Sektors. Ich begrüße Sie herzlich in diesem Sternensystem und freue mich auf ein baldiges, persönliches Treffen mit Ihnen. Da ihre zehn Kriegsschiffe, wegen ihrer beeindruckenden Größe, nicht in einen der Innenhangars einfliegen können, bitte ich Sie, in einen Standardorbit um den Planeten Forlan-Prime einzuschwenken. Es steht den Besatzungen Ihrer Schiffe jedoch frei, jederzeit mit Shuttles an Bord zu kommen, oder auf dem Planeten zu landen. Torias Tarun, Ende.“

Der OPS-Offizier schloss den Kanal zum Kartentisch und schaltete auf seine Konsole, während der Admiral für einen Moment auf den verblassenden Bildschirm sah. Mit unbewegter Miene stellte er dann persönlich, vom Kartentisch aus, die Verbindung zur ICICLE her und befahl, kaum dass das Gesicht von Tar´Kyren Dheran erneut, diesmal auf dem Holoschirm, vor ihm sichtbar wurde:

„Ihr spitzohriger Taktischer Offizier wird vermutlich mitgehört haben, oder irre ich mich?“, erkundigte sich Tarun ohne Umschweife, wobei die Miene des Andorianers mehr sagte, als hundert Worte. „Also schießen Sie den verdammten Salut, Captain. Verwenden Sie Ihre schwersten Quantentorpedo-Gefechtsköpfe. Tarun Ende.“

Über das unverschämt zufriedene Gesicht des Andorianers sah Tarun hinweg, bevor er abschaltete. Ohne auf die gleichfalls amüsiert wirkenden Mienen der Besatzung um ihn herum zu achten schritt er eilig zu einem der vier Turbolifts, die sich gleichmäßig an der äußeren Peripherie des Kommandozentrums verteilten.

Der Trill begann erst zu schmunzeln, als er die Kabine des Turbolifts betreten hatte und nach Unten fuhr.

Auf dem Deck angekommen, auf dem das Büro seiner Stellvertreterin lag, verließ er die Liftkabine und murmelte in Gedanken: „Übermütige Halunken. Ich frage mich, wie oft ich als junger Mann über Vorgesetzte gelacht habe. Meine ...!“

„Ziemlich oft, wie man weiß“, wurde er unterbrochen.

Tarun schreckte zusammen und hob den Kopf. Vor ihm, auf dem Gang den Tarun soeben betreten hatte, wartete bereits Commodore Christina Carey auf ihn. Seine apart aussehende Stellvertreterin, mit der ihn eine herzliche Freundschaft verband, seit den finsteren Tagen des Dominion-Krieges.

„Ich hatte angenommen, Sie würden mich in Ihrem Büro erwarten, Christina.“

Die schwarzhaarige, hochgewachsene Frau lächelte schwach. Dabei musterten ihre blau-grauen Augen ihn gleichzeitig forschend. „Dort habe ich es nicht länger ausgehalten. Sie kennen mich ja, Torias. Nach Ihren mysteriösen Andeutungen, heute morgen bei unserem alltäglichen Morgen-Meeting, da dachte ich mir, ich suche Sie in Ihrem Büro auf.“

„Verstehe“, grinste Tarun wissend. „Hummeln im Hintern, nicht wahr?“

Die Irin lachte unterdrückt. „Wissen Sie, Torias, es klingt noch immer etwas seltsam, wenn Sie irdische Redewendungen benutzen. Da unterscheiden Sie sich in keinster Weise von Captain Dheran. Übrigens: Darf ich fragen, wer nun die übermütigen Halunken sind, die Sie erwähnten, als sie den Lift verließen?“

Tarun warf seiner Begleiterin einen bezeichnenden Blick zu, während er den Gang hinunter deutete und ablenkend erwiderte: „Ich hatte den Eindruck, dass Sie mich auf einen Raktajino, in Ihrem Büro, einladen wollten, Christina.“

Die Frau hörte die unausgesprochene Aufforderung, in ihrem Büro unter vier Augen mit ihr reden zu wollen, aus den Worten des Trill heraus. Immerhin dienten sie und Tarun nun bereits seit acht Jahren zusammen, und inzwischen kannte sie eine ganze Menge seiner Marotten. Sich mit Torias Tarun in Bewegung setzend, hakte sie nach: „Was aber nun die Halunken betrifft...“

„Schon gut, ich erzähle es Ihnen ja“, seufzte der Admiral. Er kannte die Hartnäckigkeit der Irin bestens. „Sie haben eben bereits die richtige Person angesprochen.“

Gemeinsam schritten sie den weißen, hell erleuchteten Gang entlang, wobei die beiden Flaggoffiziere hier und da die respektvollen Grüße der Stationsmitglieder erwiderten, die ihnen unterwegs begegneten.

„Das ist typisch Tar´Kyren“, entfuhr es Christina Carey nachdem Tarun in wenigen Sätzen zusammengefasst hatte, was sich vor wenigen Minuten ereignet hatte. Dabei lag ein amüsierter Zug auf ihrem ausdrucksvollen Gesicht. „Wissen Sie, Captain Dheran ist ein sehr traditionsbewusster Mann. Auch wenn es sich um Traditionen handelt, die gar nicht seine eigenen sind. Das war schon so, als ich ihn kennenlernte.“

Mit spöttischem Unterton entgegnete der Admiral: „Das beruhigt mich außerordentlich, Christina. Ich hatte schon befürchtet, Captain Dheran würde es lediglich einen ungeheuren Spaß bereiten, in der Gegend herumzuballern.“

„Wie kommen Sie denn auf diese vollkommen absurde Idee?“, feixte die Irin. Schnell wieder ernst werdend fügte sie hinzu: „Tar´Kyren Dheran ist ein Forscher aus Leidenschaft, doch im Grunde seines Herzens ist er zuallererst ein Krieger. Er gibt sich zwar Mühe, das nicht offen zu zeigen, aber es ist so. Wäre es anders, dann hätten Sie ihn, im Frühling, wohl nicht so vehement für die Fünfte angefordert.“

Sie bogen in den Nebengang ein, der zum Büro der Irin führte, und Tarun gab zu: „Ja, was mir im Dominion-Krieg über ihn, unter dem Kommando seines Freundes, zu Ohren kam, sagte mir, dass Dheran für die Taktischen Flotten wie geschaffen ist.“

Sie erreichten das Büro und Christina Carey gab den Öffnungs-Code ein. Das Schott teilte sich, und die beiden Flaggoffiziere traten ein. Während Tarun sich zwanglos auf die bequeme Couch der Sitzecke setzte, schritt Christina Carey zum Replikator. Dabei fragte sie: „Wie möchten Sie Ihren Raktajino, Admiral? Heiß, wie immer?“

„Ja, danke.“ Der Admiral beobachtete die hochgewachsene Frau, die in zwei Monaten ihren vierundvierzigsten Geburtstag feiern würde. Doch das sah man der Irin nicht an. Ein unvoreingenommener Beobachter hätte sie auf vielleicht einmal gerade Ende Zwanzig bis Anfang Dreißig geschätzt.

Ein Hoch auf die Medizin der Föderation, dachte Tarun und erkundigte sich: „Wie steht es übrigens zwischen Ihnen und Dheran. Mir ist aufgefallen, dass Sie sich besser zu verstehen scheinen, als zu Beginn von Captain Dherans Dienst bei der Fünften.“

Eine leichte Röte überflog die Wangen der Frau, während sie mit zwei Tassen dampfenden Raktajinos zur Sitzgruppe kam. Mit einer fahrigen Bewegung die Tassen auf den Tisch stellend setzte sie sich dem Admiral, schräg gegenüber, auf die Kante eines der beiden Sessel, an den niedrigen Tisch. Es dauerte eine Weile, bis sie zögernd meinte: „Es ist etwas kompliziert, Torias.“

Der Trill wusste darum, wie es um Dheran und Commander Mancharella, seinem Ersten Offizier auf der ICICLE, stand. Auch wenn sich beide sehr professionell verhielten, solange sie im Dienst waren, so hatte Tarun sehr wohl mitbekommen, dass da etwas lief, zwischen den beiden Führungsoffizieren. Gleichzeitig erinnerte er sich an ein Gespräch mit dem Andorianer, das ein paar Monate zurücklag. Dheran hatte angedeutet, dass auch Christina Carey sich zu zwei Personen hingezogen fühlte. Zu Dheran und zu ihm.

Einen Schluck von seinem Raktajino nehmend sagte der Trill schließlich eindringlich zu der Irin: „Wenn ich Ihnen, als Freund, einen Rat geben darf, Christina: Ich denke, Sie wissen was Sie wollen. Tief in ihrem Innern. Also zögern Sie nicht weil sich vielleicht Hindernisse in den Weg stellen. Das passt nicht zu Ihnen.“

Die Irin sah ihren Vorgesetzten offen an und machte eine vage Geste.

Tarun beschloss, nicht weiter in die Frau zu dringen. Stattdessen wechselte er das Thema und erklärte, mit verändertem Tonfall: „Kommen wir zurück zum Dienstlichen. Ich hatte bereits vorige Woche mit Ihnen darüber gesprochen, dass ich die Flotte umstrukturieren möchte. Die Idee dazu kam mir beim Treffen mit Admiral Youngblood, von der Ersten Taktischen Flotte, als wir uns vor drei Wochen auf der Erde getroffen haben. Dean hat seine Erste in Teilverbände von jeweils fünfzig Schiffe gegliedert. Gleichzeitig hat er vier seiner besten Captains in den Rang eines Commodore befördert, von denen jeder einem der fünf Teilverbände vorsteht. Den fünften kommandiert sein Stellvertreter.“

Nun wieder voll konzentriert hob Christina Carey ihre Augenbrauen. „Sie wollen ebenfalls vier Captains der Fünften in den Rang eines Commodore befördern, Torias? An wen haben Sie da gedacht?“

Der Trill nahm einen weiteren Schluck von seinem Raktajino und lehnte sich auf der Couch zurück. „Eher an fünf Captains, denn ich will zweihundert Schiffe in Verbände zu jeweils vierzig Schiffen gliedern. So stark sind auch die Sektorenflotten, und bei seinem letzten Besuch auf dieser Station versicherte mir Konteradmiral Kuehn, der Kommandeur der Sektorenflotte-Bajor, dass er diese Stärke für ideal hält. Nun, da wäre zuerst einmal Captain Linara Enari. Die Bajoranerin diente bereits in diesem Rang, bis sie, wegen einer gewagten Aktion, während des Dominion-Krieges, bei der es auch Tote auf unserer Seite gab, degradiert wurde. Ein Skandal, wenn Sie mich fragen, denn Captain Linara konnte nichts dafür. Aber einige Etappenhengste beim Sternenflottenkommando glauben immer noch, dass man Kriege mit chirurgischer Präzision, ohne Kollateralschäden, führen kann.“

Die Irin nickte. „Ich erinnere mich daran. Zuvor hatte sie, unmittelbar nach dem Überfall auf die Erde, die verantwortlichen Breen schwer verdroschen, wie es heißt.“

Der Trill machte eine zustimmende Geste. „Der Zweite im Bunde wäre Captain Sebastian Frank. Ein erfahrener Captain, der sich ebenfalls im Dominion-Krieg durch unorthodoxe Manöver einen Namen gemacht hat. Dann hatte ich noch an Frank Revers und an Captain Sorek gedacht. Zwei Männer, auf die unbedingt Verlass ist.“

Neugierig fragte Christina Carey, als Tarun keine Anstalten machte, den fünften Namen preiszugeben: „Und wer soll der Letzte im Bunde sein?“

Ein Lächeln lag auf den Lippen des Trill, als er humorig meinte: „Das können Sie sich doch wohl denken, Christina.“

Erkenntnis spiegelte sich in den Augen der Irin, als sie leise sagte: „Tar´Kyren Dheran also. Sind Sie sich da ganz sicher, Admiral?“

Der Admiral wirkte nachdenklich, als er antwortete: „Ich weiß, Christina: Er besitzt nicht ganz das Dienstalter der übrigen Captains, die ich befördern will. Doch allein die Einsätze, die Dheran in den letzten acht Monaten, als Teil der Fünften Taktischen Flotte, durchgeführt hat, bestärken mich in meinem Entschluss. Ich bin sicher, dass der Andorianer diese Aufgabe meistern wird. Denken Sie daran, wie er, gemeinsam mit Captain Frank, vor einigen Monaten, an der Spitze der RED-ALERT-GROUP, Captain Angus McKinney und seine Mannschaft herausgehauen hat, als ein Gorn-Verband über ihn herfiel und ein Verband von Tzenkethi-Schlachtschiffen dazu stieß.“

Christina Carey überlegte einen Moment lang und meinte dann: „Ich zweifle nicht an den Fähigkeiten von Captain Dheran, Sir. Aber ich kenne das Temperament des Andorianers. Es wird fraglos eine persönliche Herausforderung für ihn werden.“

Der Admiral zwinkerte seiner Stellvertreterin beinahe lausbubenhaft zu. „Genau damit rechne ich. Captain Dheran besitzt, meiner Meinung nach, das Zeug zum Flaggoffizier, und es wird ihm verdammt guttun einmal diese Facette der Verantwortung zu spüren zu bekommen. Bisher hat er mir ganz ordentlich eingeheizt. Es wird Zeit, dass er das auch einmal zu spüren bekommt.“

Die Irin grinste unwillkürlich. „Ja, das könnte ihn reifen lassen, Admiral. Allerdings werde ich nicht darauf wetten.“

Sie lachten, und Tarun wies die Frau an: „Dann nehmen Sie eine entsprechende Zuteilung von Raumschiffen für die fünf Genannten vor. Zu Silvester möchte ich, kurz vor Mitternacht, diese Neustrukturierung bekannt geben und die Beförderungen, direkt im gerade angefangenen, neuen Jahr vornehmen. Bis dahin kein Wort darüber, Christina.“

„Verstanden, Admiral.“ Der Schwarzhaarigen lag noch eine Frage auf der Seele, und sie zögerte nicht, sie zu stellen. „Was wird aus den fünfzig Schiffen, die übrig sind. Wem wollen Sie die unterstellen, Torias?“

Das Lächeln des Admirals vertiefte sich. „Die unterstelle ich Ihrem direkten Kommando, Christina. Sie müssen wieder öfter raus. Einen Großteil des Papierkrams kann auch jemand anders für Sie erledigen. Zehn Raumschiffe dieses Verbandes werden ab dann, reihum für die RAG abgestellt. Über die jeweils restlichen vierzig Raumschiffe können Sie verfügen. Da Sie aber auch gleichzeitig überwiegend das Oberkommando über die gesamte Flotte führen sollen, werde ich Sie in den Rang eines Konteradmirals befördern.“

Für einen Moment lang war die Irin sprachlos. Als sie wieder dazu in der Lage war, erwiderte sie: „Ich danke Ihnen für das Vertrauen, das Sie in mich setzen, Torias. Ich freue mich schon jetzt darauf, demnächst wieder öfter auf der Brücke eines Raumschiffs zu stehen. Dabei werde gut achtgeben auf die ENDEAVOUR.“

„Das weiß ich, Christina.“

Der Admiral trank den Rest seines klingonischen Kaffees und seufzte: „Und jetzt werde ich meinen Pflichten als Flottenkommandeur nachkommen, und mich mit dem romulanischen Ssiebh treffen.“

Christina Carey erhob sich gemeinsam mit Tarun. Sie sah sinnend auf das Schott ihres Büros, längst nachdem der Admiral gegangen war, und ein Leuchten erfüllte ihre Augen.
 

* * *
 

Mit einer Verzögerung von fünf Sekunden nach ihrem Abschuss leuchteten, im Abstand von jeweils einem Herzschlag, die Explosionen der Quantentorpedos auf, die von der ICICLE abgefeuert wurden. Elf Mal blähte sich im Weltall, vor und über dem anfliegenden Romulanischen Kriegsschiff-Verband, eine kleine Kunstsonne auf.

Der andorianische Kommandant dieses Raumschiffs der AKIRA-KLASSE, das einige Modifikationen zu den Serienmodellen dieses Raumschiffs-Typs aufwies, stand ein Stück weit vor dem Sessel des Captains und blickte zufrieden auf den Hauptschirm. Die Detonationen waren alle dicht nebeneinander im All erfolgt und demonstrierten nicht nur die Kampfkraft dieses Leichten Angriffsträgers, sondern auch das Können seiner Besatzung.

Als die letzte der elf Explosionen verblasste trat Commander Pasqualina Mancharella neben den Andorianer und meinte, mit einer knappen Geste zum Hauptbildschirm, auf dem sich neben den drei beeindruckenden Kriegsschiffen der VALDORE-KLASSE auch sieben ihrer neuen Angriffskreuzer abzeichneten: „Ich würde gerne einmal einen dieser neuen romulanischen Kreuzer von Innen sehen, Captain. Ihre Kampfkraft soll beachtlich sein.“

Tar´Kyren Dheran wechselte einen schnellen Blick mit seiner XO, und für einen Moment lang spürte er wieder jene unerklärliche Spannung zwischen ihnen, die sich aufgebaut hatte, nachdem er von seinem letzten Einsatz zurückgekehrt war. Von der Besatzung der ICICLE, die zu diesem Zeitpunkt im Reparaturdock der Station gelegen hatte, waren außer ihm selbst nur Lieutenant Rania Sing-Badt und Tal´Inurai Filz, die Kommandeurin des MACO-Kontingents des Schiffes, bei diesem Einsatz dabei gewesen. Einem hoch geheimen Einsatz, unter dem Kommando seines besten Freundes, Valand Kuehn.

Als die Spanierin, die ihr langes, schwarzes Haar heute ausnahmsweise nicht offen trug, schon nicht mehr mit einer Antwort ihres Vorgesetzten rechnete, erwiderte der athletisch gebaute Andorianer: „Einen solchen Kreuzer zu kommandieren wäre bestimmt eine Herausforderung. Der romulanische Verband stellt, zusammen mit den Verbänden der Klingonen und der Andorianer, die wir für morgen erwarten, eine signifikante Verstärkung der Fünften Taktischen Flotte dar.“

Pasqualina Mancharella gewann den Eindruck, als wollte Dheran noch etwas sagen, doch der Andorianer schwieg sich aus und starrte auf den Hauptbildschirm. Nach einem langen Moment ergriff er wieder das Wort.

„Sie haben die Brücke, Commander. Ich bin in meinem Bereitschaftsraum.“

Damit schritt der Andorianer zum hinteren Bereich der Brücke.

Die hochgewachsene Spanierin schickte ihm einen langen Blick hinterher. Seit seiner Rückkehr von dem Einsatz, den zusammen er mit Konteradmiral Valand Kuehn im Gamma-Quadrant durchgeführt hatte, suchte den Bereitschaftsraum ungewohnt oft auf. Etwas schien an ihm zu nagen, doch er wollte nicht mit ihr darüber reden. Natürlich hatte sie davon gehört, dass bei dem Einsatz eine langjährige Freundin des Captains ums Leben gekommen war. Doch das allein schien nicht der Grund für das seltsame Verhalten des Captains zu sein. Noch etwas Anderes beschäftigte ihn, das spürte die Frau instinktiv.

Tar´Kyren Dheran atmete erleichtert auf, als sich das Schott des Bereitschaftsraums hinter ihm geschlossen hatte. Er replizierte sich ein Altair-Wasser und setzte sich hinter seinen Arbeitstisch. Dabei starrte er ins Leere, wobei er nur dann und wann einen Schluck des kühlen Getränks zu sich nahm. Ohne wirklich etwas zu sehen, hämmerten Worte in seinem Kopf – jene Worte, die Alana Kuehn, die Schwester seines Freundes Valand, zu ihm gesagt hatte, bevor sie sich verabschiedeten, nach der Rückkehr aus dem Gamma-Quadrant.

Du warst der Mann, mit dem Alev zusammen sein wollte. Nur du. Sie hat niemals aufgehört, dich zu lieben, Tar´Kyren.

Sie hatten, zu Akademiezeiten, eine intime Beziehung geführt. Er und die Rigelianerin, Alev Scenaris. Diese Beziehung hatte jedoch nur ein Jahr lang gehalten. Nun war sie tot und hatte eine schmerzende Leere in ihm zurückgelassen. Die Arme mit den Ellenbogen auf der Platte des Arbeitstisches abstützend, legte der Andorianer seinen Kopf in die Hände und schloss seine Augen. Nur zu gerne hätte er nach dem Einsatz mit Pasqualina über all das gesprochen. Über Alev, über sein momentanes Gefühlschaos, und darüber, was er über seinen Freund Valand erfahren hatte. Besonders die Tatsache, dass Valand offensichtlich ziemlich eng mit dem Chef des Sternenflottengeheimdienstes, Admiral Frank Damon Sherman, zusammenarbeitete machte ihm Sorgen, und diese Sorgen mit der Frau zu teilen, mit der er momentan eine Beziehung führte, hätte im sicherlich gut getan. Doch Irgendetwas in ihm sperrte sich dagegen, mit Pasqualina darüber zu reden. Oder über Alev, und den Verlust, den er nun bewältigen musste.

Stattdessen hatte er sich, immer öfter in den letzten Wochen, Christina Carey anvertraut. Vor fast einundzwanzig Jahren hatten sie sich kennen und lieben gelernt. Und wenn er in sich hinein horchte, dann spürte Dheran, dass seine tiefen Gefühle, für seine derzeitige direkte Vorgesetzte, niemals erloschen waren, seit dieser Zeit.

Es ist ein verdammtes Chaos, dachte der Andorianer, wütend auf sich selbst, da er eine Entscheidung, die er bereits vor zwei Wochen gefällt hatte, immer noch hinauszögerte. Er nahm sich vor diesen Schwebezustand zu ändern, sobald die ICICLE ihren Dienst beendet hatte, und wieder in Hangarscheibe-2 angedockt hatte. Zunächst würde er ein sehr langes Gespräch mit Christina führen, und abhängig davon ein zweites mit Pasqualina.

Bei diesem Gedanken krampfte sich sein Magen zusammen. Das doutronische Zirpen des Türsummers riss ihn aus seinen finsteren Gedanken. In Annahme, dass es Pasqualina war, die ihn zu sprechen wünschte, straffte er sich und gab er mit seinem Stimmenkommando den Befehl zum Öffnen des Schotts.

„Herein!“

Dheran erkannte, dass es nicht die Spanierin war, die in den Raum trat, sondern Lieutenant-Commander Tal´Inurai Filiz. Die zierliche Andorianerin wartete, bis sich das Schott hinter ihr wieder geschlossen hatte, bevor sie zum Arbeitstisch schritt und mit gedämpfter Stimme sagte: „Ich habe eine Persönliche Nachricht von DEEP SPACE NINE erhalten, Captain. Das Unternehmen Christkind entwickelt sich wie geplant.“

Mit einem Mal sehr aufmerksam erhob sich der Captain langsam und seine Antennen richteten sich dabei auf die MACO, die unschwer an ihrem grünen Uniformpulli als Angehörige dieser Kampfeinheit zu identifizieren war. Erst im letzten Jahr war diese Kampfeinheit, für den Einsatz mit den Taktischen Flotten, erneut ins Leben gerufen worden.

„Haben Sie Commander Sheralan schon diesbezüglich kontaktiert, Miss Filiz?“

Die MACO nickte grimmig. „Über einen gesicherten und codierten Kanal, Sir. Weder der Admiral, noch der Chef der Stationssicherheit, Sub-Commander Enrom Tolaron, werden etwas bemerken, bevor es soweit ist.“

Der andorianische Captain rieb sich lächelnd die Hände. „Ausgezeichnet, Miss Filiz. Sobald wir unseren Dienst beendet, und angedockt haben, werden Sie Kontakt zu Commander Dharas, von der LIGHTSPEED, aufnehmen. Er soll das Geheimkommando unauffällig zum vorbereiteten Quartier bringen. Es wäre zu verdächtig, wenn Sie oder Commander Sheralan das übernehmen würden. Ihre Aktivitäten auf der Station, in den letzten Tagen, sind Sub-Commander Tolaron bestimmt nicht entgangen. Für so etwas hat dieser Romulaner einen besonderen Spürsinn.“

„Ich kümmere mich darum, Captain. Wollen Sie nicht doch Commander Mancharella in unser Unternehmen einweihen, Sir? Sie könnte uns den Rücken frei halten.“

Die Antennen des andorianischen Captains bewegten sich unruhig in alle Richtungen, als er grüblerisch erwiderte: „Nein, Miss Filiz. Ich musste Commander Sheralan versprechen, dass nur Angehörige unserer Spezies an diesem Unternehmen teilnehmen werden. Es war ihr ausdrücklicher Wunsch, Lieutenant-Commander.“

Die Antennen der MACO bogen sich leicht nach Innen. Dann wechselte sie das Thema und erkundigte sich, mit verschwörerischer Miene: „Wird Tolaron nicht hellhörig werden, wenn er erfährt, dass Ihr Vater sich an Bord des Flaggschiffs befindet, das den andorianischen Kampfverband anführen wird, den wir für morgen erwarten. Sicherlich weiß er um die Reputation eines General a.D. Den´Lyran Dheran.“

Dheran lächelte versonnen. „Das glaube ich nicht. Bereits vor Monaten, noch bevor wir, zusammen mit Commander Sheralan, dieses hoch geheime Unternehmen geplant haben, hatte mein Vater bei Admiral Tarun vorgefühlt, wegen einer Besichtigung seiner Station. Sein Erscheinen wird deshalb kaum Verdacht erregen. Man wird annehmen, dass mein Vater seine immer noch hervorragenden Verbindungen zur Andorianischen Garde dazu genutzt, und die Gelegenheit ergriffen hat, seinen Sohn zu besuchen.“

Die Antennen der MACO spreizten sich. „Dann wäre soweit alles klar. Unser Überfall auf den Admiral wird dann am 24. Dezember um exakt 00:01 Uhr erfolgen. Ich hoffe nur, dass Commander Sheralan die Stationssicherheit wirklich genug ablenken kann, damit es nicht zu einem Drama an Bord der Station kommt.“

„Sie hat mir gestern ihre Planung vorgelegt, und ich konnte keine Fehler entdecken, beruhigte Dheran seine Untergebene. „Wir werden Erfolg haben.“

Tal´Inurai Filiz machte ein zuversichtliches Gesicht. Beim Gehen sagte sie heiser: „Das hoffe ich, denn wenn nicht wird es einigen Wirbel geben, auf der Station.“

Tar´Kyren Dheran sah ihr sinnend nach. Dabei dachte er: Den wird es auch so geben, Lieutenant-Commander Filiz. So viel steht jetzt schon fest.
 

* * *
 

Während, knapp zwei Stunden später der Verband, dem die U.S.S. ICICLE angehörte, abgelöst wurde und die Raumschiffe in die jeweiligen Hangarplattformen einflogen um anzudocken, sah Sub-Commander Enrom Tolaron in das ungläubige Gesicht von Christina Carey. Dabei sagte er sanft, aber betont: „Commodore Carey, mir ist klar, wie unglaubwürdig das für Sie klingen muss. Darum komme ich auch erst einmal zu Ihnen. Ich kenne den Admiral mittlerweile gut genug um zu wissen, dass er mich entweder sofort aus seinem Büro werfen würde, wenn ich ihm mit diesem Verdacht komme, oder aber den gesamten Sicherheitsapparat in Gang setzen würde, für den unwahrscheinlichen Fall, dass er doch nicht an meinen Worten zweifeln würde. Der Gedanke an beide Optionen gefällt mir nicht sonderlich. Besonders für den Fall dass ich Recht habe würden wir die Chance verpassen, wirklich alle Verschwörer zu fassen, Commodore.“

Noch immer saß Christina Carey angespannt in einem der beiden Sessel, vor dem Schreibtisch des Chefs der Stationssicherheit, und noch immer bedachte sie ihr Gegenüber mit ihrem Sind-Sie-noch-zu-retten-Blick. Endlich fand sie die Sprache wieder und fragte heiser: „Eine andorianische Verschwörung? Sind Sie noch ganz bei Trost, Sub-Commander?“

„Ich fühle mich gerade hin und her gerissen, ob ich diese Frage lieber mit Ja, oder mit Nein beantworten sollte“, gab der Romulaner ironisch zurück. „Commodore, Sie kennen meinen Werdegang beim Tal´Shiar. Ich bin sicher, dass etwas im Gange ist.“

Christina Carey schüttelte ungläubig den Kopf und sah sich dabei unbewusst im Büro des Romulaners um. Bisher war sie erst einmal hier gewesen, Zu Beginn des Jahres 2380, als Tolaron seinen Dienst an Bord dieser Station angetreten hatte. Seit damals hatte sich nichts in diesem Büro verändert, ein Hinweis auf die nüchtern-sachliche Art des Sicherheitschefs. Dann kam der Irin ein Gedanke, und finster meinte sie: „Vielleicht ist das Ihre Art sich an Captain Dheran dafür zu rächen, was vor ein paar Wochen im Büro des Admirals passiert ist. Möglicherweise verträgt Ihr Ego diese Demütigung nicht?“

Enrom Tolaron reagierte auf diesen Vorwurf anders, als Christina Carey es erwartet hatte. Entspannt lehnte er sich in seinem Sessel zurück und lächelte schwach. Dabei sah er die Frau, aus seinen dunklen Augen offen an. „Ich denke, Sie wissen, dass das nicht meine Herangehensweise wäre, selbst dann, wenn ich tatsächlich noch Groll gegen Captain Dheran hegen sollte. Ihnen gefällt lediglich die Tatsache nicht, dass ich Recht haben könnte.“

Diese ruhig vorgetragenen Worte wirkten nachhaltiger bei Christina Carey, als wenn er sich über ihren Vorwurf beschwert, und ihr gegenüber seine Integrität beteuert hätte. Sie fuhr sich mit einer fahrigen Geste durch das lange, schwarze Haar, wobei sich ihre Gedanken zu jagen begannen. Konnte es wirklich sein, dass Tar´Kyren Dheran, ein Andorianer den sie zu kennen glaubte, sich an einer Verschwörung gegen Admiral Torias Tarun beteiligte. Und mit ihm eine Reihe von andorianischen Männern und Frauen, die ihren Mut im Kampf gegen die Allianz aus fünf Spezies, die sich zum Ziel gesetzt hatten, die Föderation und ihre Verbündeten gnadenlos auszulöschen, wiederholt unter Beweis gestellt hatten?

Bevor Christina Carey zu einem schlüssigen Ergebnis gekommen war, ergriff Enrom Tolaron erneut das Wort, und erklärte eindringlich: „Ich verstehe Ihre Bedenken und Zweifel, Commodore. Doch in meiner Funktion an Bord darf ich nicht meine Augen vor einer möglichen Bedrohung verschließen, nur weil mir der Gedanke daran nicht gefällt, wer dabei möglicherweise involviert sein könnte. Ich will Sie auch nicht bitten, Ihre Bedenken beiseite zu räumen, sondern lediglich darum, dass Sie mir einen gewissen Spielraum einräumen, innerhalb dessen Sie mir freie Hand lassen. Und darum, dass Sie den Admiral vorläufig noch aus diesem Spiel heraushalten. Um mehr bitte ich nicht, Commodore.“

Es passte der Irin nicht, doch die Worte des Romulaners taten ihre Wirkung. Sie nahm das PADD von der polierten, dunklen Platte seines Schreibtisches. Jenes PADD, dass sie wütend auf den Schreibtisch geworfen hatte, als Tolaron ihr zum ersten Mal von seinem Verdacht berichtet hatte. Zahlreiche Namen von Andorianern standen darauf, und ihre Bewegungsprofile der letzten Woche. Dabei stachen besonders die regelmäßigen Treffen von Dheran und Commander Tia´Vareni Sheralan, der Lebensgefährtin von Tarun, ins Auge.

Noch während Commodore Carey vor sich hin grübelte, drangen Tolarons Worte erneut in ihre Gedanken. „Nun, es könnte, rein theoretisch betrachtet, auch eine viel einfachere Erklärung für das Verhalten des Captains und des Commanders geben.“

Der Kopf der Irin ruckte hoch und mit geröteten Wangen und feurigem Blick sah sie den Romulaner an.

Enrom Tolaron, der diese Reaktion sehr genau beobachtet hatte, lächelte verbindlich und sagte dann: „Nein, ich denke, diese Option fällt aus. Captain Dheran schafft es ja nicht einmal, sich zwischen zwei Frauen zu entscheiden. Für eine dritte Liaison wäre da kein Raum, nicht wahr, Commodore?“

Sich Mühe gebend, nicht ihre Beherrschung zu verlieren, erwiderte Christina Carey kalt: „Sie sagen es, Sub-Commander.“

Der Romulaner meinte zustimmend: „Dazu würden auch die übrigen Aktivitäten nicht passen, Commodore. Ich wollte nur sichergehen, dass wir beide die Möglichkeit eines heimlichen Verhältnisses, zwischen Captain Dheran und Commander Sheralan ausschließen.“

„Ich hatte für einen Moment die perfide Raffinesse vergessen, für die Mitglieder des Tal´Shiar berüchtigt sind“, gab die Irin, noch immer erbost, zurück. „Das wird mir sicherlich nicht so schnell nochmal passieren, Mister Tolaron. Nun gut, im Moment werde ich Ihnen den Rücken freihalten, was den Admiral betrifft. Und ich werde Niemandem gegenüber ein Wort über diese Unterhaltung verlieren.“

„Ich danke Ihnen, Commodore.“ Enrom Tolaron wirkte zufrieden. „Ansonsten sollten Sie sich möglichst normal verhalten. Einem Mann, wie Dheran, würde es sicherlich auffallen, wenn Sie plötzlich auf Distanz gingen, oder aber auffällig seine Nähe suchten, wo Sie es zuvor möglicherweise nicht taten.“

Die Frau presste die Lippen aufeinander. Wieder auf das PADD sehend und einige Seiten durchgehend, fragte sie, über den Rand des Gerätes blickend: „Sie denken also, dass das Unternehmen der Andorianer, worin immer es auch immer bestehen mag, am Heiligen Abend abrollen wird, Sub-Commander?“

Der Romulaner wurde übergangslos ernst. „Ja, Commodore. Auffällig ist für mich, dass der Vater von Captain Dheran, immerhin ein erfahrener Flaggoffizier der Andorianischen Kommandotruppen, mit an Bord des Flaggschiffs des Kampfverbandes ist, den die Andorianische Garde für diese Station abgestellt hat. Immerhin dreißig moderne Kriegsschiffe. Damit wäre genau jene Verstärkung vor Ort, die man bräuchte, um eine Sternenbasis wie STRATEGICAL STARBASE 71 im Handstreich zu nehmen. Darüber hinaus wäre, mit Den´Lyran Dheran, ein erfahrener Ex-General hier, der in der Lage wäre, die Funktion von Admiral Tarun zu übernehmen und diesen Komplex zu leiten. General a. D. Dheran hat, während des Dominion-Krieges, Andoria gegen die Jem´Hadar gehalten, und ich zweifele nicht daran, dass er diese Sternenbasis ebenfalls halten könnte, sollte sie in seiner Hand sein, und der Versuch einer Rückeroberung gemacht werden.“

Mit versteinerter Miene hatte Christina Carey den nüchternen Ausführungen des Romulaners gelauscht. Sie fühlte sich noch immer hin und her gerissen, als sie eine Entscheidung traf: „In Ordnung, Sub-Commander. Ermitteln Sie weiter und erstatten Sie mir alle sechs Stunden Bericht. Aber halten Sie sich dabei bedeckt. Wenn etwas durchsickern sollte, dann gibt es ganz bestimmt einen handfesten Skandal. Ganz abgesehen von den diplomatischen Verwicklungen, die sicherlich nachfolgen würden.“

Tolarons Augen verengten sich um eine Spur. Seine grün-braunen Augen funkelten dabei, wie seltene Edelsteine. „Ich werde umsichtig handeln, Commodore. Dabei möchte ich vorschlagen, Commander Pasqualina Mancharella einzuweihen. Sie steht Captain Dheran sehr nahe und sie könnte uns entscheidende Informationen liefern.“

Christina Carey gefiel der Gedanke nicht, ausgerechnet die Spanierin mit ins Vertrauen zu ziehen. Doch vielleicht war sie auch nur, nach ihrer letzten Begegnung mit Commander Mancharella, etwas voreingenommen. Sie beschloss deshalb, Enrom Tolarons Urteil, in dieser Hinsicht, zu vertrauen.

„In Ordnung, Sub-Commander. Aber unterschätzen Sie dabei nicht die Loyalität von Commander Mancharella gegenüber Captain Dheran.“

Ein feines Lächeln, das sich jedoch nicht in seinen Augen wiederfand, umspielte die dünnen Lippen des Sub-Commanders. „Danke, Commodore.“

Mit düsterer Miene legte Christina Carey das PADD zurück auf den Schreibtisch des Romulaners und erhob sich aus ihrem Sessel. Nach einer denkbar knappen Verabschiedung von dem Romulaner verließ sie dessen Büro und schritt durch den Gang in Richtung des nächsten Turbolift-Einstiegs. Falls der Chef der Stationssicherheit Recht behalten sollte, und immerhin sah Einiges danach aus, dann standen Ihr, und allen anderen Leuten an Bord dieser Sternenbasis, granatenstarke Feiertage bevor. Und als würde das noch nicht reichen, stand zudem, einen Tag vor Silvester, die Wahl des Chief-Admirals an. Auch Tarun hatte sich aufstellen lassen, und sollte er gewählt werden, dann waren seine Tage als Oberkommandierender der Fünften Taktischen Flotte gezählt. Denn in diesem Fall würde sein Arbeitsbereich zukünftig auf der Erde liegen. Dieser Gedanke stimmte Christina Carey betrübt, denn sie würde den Admiral vermissen. Nicht nur als Freund. Beinahe niedergeschlagen rief sie den Turbolift, als sie ihr Ziel erreicht hatte, und sie glaubte, einen schweren, finsteren Hauch, um sich herum, zu spüren.

Verdachtsmomente


 

2.
 

Verdachtsmomente
 

STRATEGICAL STARBASE 71

Sternenzeit: 58973.8

Im Orbit über Forlan-Prime
 

In Gedanken versunken betrat Commander Pasqualina Mancharella die Kabine des Turbolifts. Sie, sowie der Großteil der Besatzung der ICICLE hatte an den nächsten Tagen Dienstfrei, und sie wollte die Gelegenheit nutzen, Lieutenant-Commander Christian Sinemus wiederzusehen. Gestern hatte er sie kontaktiert, und zu einem zweiten Frühstück in das momentan angesagte Stations-Restaurant LA SINGLA eingeladen.

Sie blickte überrascht auf, als sie in der Liftkabine angesprochen wurde. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie nicht allein hier war. Sie erkannte Sub-Commander Tolaron und sagte abwesend wirkend: „Guten Morgen, Sub-Commander. Entschuldigung, was sagten Sie?“

Enrom Tolaron lächelte verbindlich. „Ich sagte Guten Morgen, Commander. Ich fragte auch, ob Sie einen Moment Zeit haben, für ein Gespräch unter vier Augen.“

„Ich bin auf dem Weg zu einer Verabredung, vielleicht ein anderes Mal.“

Tolarons Miene verzog sich. Im nächsten Moment sagte er betont: „Aufzug: Nothalt. Befugnis: Sonderprotokoll THX-1138.“

Die Kabine des Turbolifts stoppte.

Unwillig und zugleich erstaunt sah Pasqualina Mancharella in Tolarons undurchdringliche Miene. Jegliche Verbindlichkeit fehlte nun. „Was, zur Hölle, soll dass bedeuten, Sub-Commander? Was wollen Sie von mir?“

„Nun, im Grunde will ich gar nicht so viel von Ihnen“, antwortete der Romulaner ausweichend. „Es geht mir mehr um Ihren Captain, Commander Mancharella. Sein Verhaltensmuster, was seine Treffen mit diversen andorianischen Offizieren auf dieser Station betrifft, weicht von seinen normalen Freizeitaktivitäten ab.“

„Ach!“, schnappte die Spanierin, und Zorn loderte in ihren dunkelbraunen Augen. „Steht Captain Dheran etwa unter der permanenten Beobachtung ihrer Sicherheitskräfte?“

„Nein“, antwortete Tolaron wahrheitsgemäß. „Es handelt sich hierbei um eine rein zufällige Entdeckung meinerseits.“

Enrom Tolaron musterte die schwarzhaarige Frau bei seinen Worten aufmerksam. Anhand der kleinen, unbewussten Reaktionen, die jeder Humanoide in gewissen Situationen an den Tag legte, erkannte er, dass Commander Mancharella ihm niemals seine Verschwörungstheorie glauben würde. Darum entschied er, sie an einem anderen, eher verwundbaren, Punkt zu packen, indem er sich räusperte und hinzufügte: „Um ehrlich zu sein, zuerst dachte ich an eine Verschwörung gegen Admiral Tarun, seitens der Andorianer auf dieser Station. Doch mittlerweile erscheint mir die Theorie, dass sich Captain Dheran, aus rein persönlichen Gründen mit Commander Sheralan trifft, plausibler. Seine Treffen mit diversen anderen Andorianern könnte lediglich zum Ziel haben, seine Freizeitaktivitäten mit Commander Sheralan zu decken. Immerhin ist Sheralan mit dem Admiral liiert, und Dheran wird alles daran setzen, sich nicht mit dem Admiral zu überwerfen, wegen einer möglicherweise intimen Affäre mit dessen Lebensgefährtin.“

Die Reaktion der irdischen Frau fiel in etwa so aus, wie es sich Enrom Tolaron erhofft hatte. Sie sah ihn empört an, doch hinter dieser offensichtlichen Empörung entdeckte er einen vagen Zweifel in ihrem Blick.

Bevor Pasqualina Mancharella ihrem Unmut Luft machen konnte, machte Tolaron eine abwehrende Geste und sagte bestimmt: „Wenn Sie sagen wollen, dass mich das Privatleben Ihres Captains nicht das Geringste angeht; da haben Sie zweifellos Recht. Ich habe Sie überhaupt nur deshalb darauf angesprochen, um den ursprünglichen Verdacht, einer andorianischen Verschwörung, endgültig ausschließen zu können. Sie stehen ihm, als seine XO, zwangsläufig nah. Da hören Sie so Einiges, Commander Mancharella, und es lag nahe für mich, zuerst mit Ihnen zu sprechen, meinen Sie nicht auch? Würden Sie mir bestätigen können, dass ich mich in Captain Dheran irre, so wäre das beruhigend für mich.“

Der erwartete Widerspruch von Seiten der Frau blieb aus, und Tolaron dachte zufrieden daran, was er einmal von Torias Tarun aufgeschnappt hatte. Der Trill hatte einmal behauptet, dass nichts gefährlicher sei, als die Rache einer zurückgewiesenen Frau. Aber selbst wenn Tarun damit übertrieben hatte, in einem war sich der Romulaner sicher. Noch niemals war es einem Mann gelungen, eine Frau zu stoppen, die in einer persönlichen Mission unterwegs war. Und auf eine solche Mission hatte Tolaron die Spanierin soeben geschickt. Zweifel zu sähen war schon zu der Zeit, als er noch für den Tal´Shiar tätig gewesen war, ein probates Mittel gewesen, um den Feind für sich arbeiten zu lassen. Indes sah er Commander Mancharella nicht als Feind an, sondern, in diesem Fall, viel eher als eine potenzielle Verbündete.

Der Romulaner gab das Kommando die Liftkabine weiterfahren zu lassen, während er beobachten konnte, wie es hinter der Stirn der Frau arbeitete. Als Pasqualina Mancharella ihr Zieldeck erreichte, bedachte sie Tolaron mit einem rätselhaften Blick, bevor sie sich mit einem gemurmelten, Guten Tag, Sub-Commander, entfernte.

Enrom Tolaron gab dem Lift das Kommando, zwei Decks weiter hinauf zu fahren. Dabei stahl sich ein dünnes Lächeln auf sein Gesicht. Er hatte den Keim des Zweifels, an Captain Dherans Treue, Ihr gegenüber, in ihr Herz gepflanzt. Nun konnte er zunächst nichts weiter tun, als abzuwarten, dass seine Saat aufging. Dabei war er sich sicher, schon bald von Commander Mancharella zu hören. Auf die ein oder andere Weise.
 

* * *
 

Als Pasqualina Mancharella, kurze Zeit später, das LA SINGLA betrat, das, wie die meisten anderen Etablissements dieser Sternenbasis, auf einem der drei Promenadendecks lag, entdeckte sie Lieutenant-Commander Christian Sinemus an einem der Tische, auf der Galerie des Restaurants, das sich über insgesamt drei Etagen erstreckte.

Trotz der Größe dieses noch neuen Etablissements sorgte seine verwinkelt angelegte Innenarchitektur dafür, dass man sich an fast jedem Tisch so fühlte, als wäre sonst niemand anwesend. Pflanzen aus den verschiedenen Winkeln von Forlan-Prime, die überall verteilt waren, gaben den Gästen dabei das Gefühl, sich auf einem Planeten unter freiem Himmel aufzuhalten. Die Holodecke des Restaurants, die einen leicht bewölkten Himmel simulierte, tat dabei ein Übriges.

Der Mann, den Pasqualina vor einigen Monaten, während der Sektoren-Meisterschaften im Degenfechten auf dieser Station, kennengelernt hatte, erkannte sie und er winkte ihr mit erfreuter Miene zu.

Die Spanierin erwiderte schwach sein Lächeln und steuerte auf die Stufen zu, die sie auf jene Ebene des Restaurants bringen würde, auf der sich Sinemus aufhielt. Bereits vor dem Aufbruch von Tar´Kyren Dheran zu seinem letzten Einsatz hatten sie sich zu einem Essen getroffen, und seitdem hatten sie sich, im Schnitt, einmal pro Woche zu einem gemeinsamen Essen verabredet. Dabei hatte sie Christian Sinemus etwas besser kennengelernt und festgestellt, dass er ihr sehr sympathisch war. Der Österreicher hatte sich, in den letzten Wochen, als ein geistreicher und angenehmer Gesprächspartner erwiesen, und die XO der ICICLE genoss es, wenn sie Zeit mit ihm verbrachte. Dabei hatte sie es jedoch bislang bewusst vermieden, mit ihm über zu persönliche Details zu sprechen. Wie zum Beispiel ihrem Verhältnis zu Tar´Kyren Dheran.

Als sie den Tisch erreichte, an dem sich Sinemus niedergelassen hatte, erhob sich der Lieutenant-Commander der MACO´s, denen er erst seit wenigen Monaten angehörte, von seinem Sitz. Galant zog er den Stuhl für Pasqualina Mancharella zurück und schob ihn sacht vor, als sie sich darauf niederließ.

Die Spanierin quittierte diese besondere Aufmerksamkeit des Mannes mit einem warmen Lächeln und dankte im dafür. Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck nahm Sinemus wieder am Tisch Platz und sah fragend in das Gesicht der Frau, die es ihm angetan hatte, seit er im Sommer dieses Jahres zum ersten Mal auf STRATEGICAL STARBASE 71 gewesen war. Sie hatten im OPTODROM miteinander getanzt, und das war der Augenblick gewesen, in dem ihn die Ausstrahlung von Commander Mancharella gefangen hatte. Wegen ihr hatte er sich überhaupt zur Fünften Taktischen Flotte versetzen lassen.

Das LA SINGLA gehörte zu jenen Etablissements, in denen die Gäste von Angestellten bedient wurden, und so gaben sie bei einer der Bediensteten ihre Bestellung auf.

Während sie gemeinsam frühstückten fiel Christian Sinemus die ungewohnte Schweigsamkeit des Commanders auf, und so fragte er diplomatisch: „Beschäftigt Sie irgend etwas Besonderes, Pasqualina?“

Die Frau sah zu Sinemus auf. Vor zwei Wochen waren sie dazu übergegangen, sich beim Vornamen anzusprechen, wobei sie es, als die Ranghöhere, gewesen war, die den Vorschlag gemacht hatte. Sie sah in die sanft blickenden, braunen Augen ihres Gegenübers und lächelte entschuldigend. „Tut mir leid, Christian, ich fürchte ich bin heute mit meinen Gedanken ganz woanders. Es gab Probleme auf dem Schiff. Routine, aber entnervend.“

Sie hasste sich dafür, zu dieser Notlüge gegriffen zu haben, aber mit Christian Sinemus über das zu reden, was ihr Enrom Tolaron eben, mehr oder weniger unverblümt, eröffnet hatte, war im Moment keine Option für sie.

Zur Erleichterung der Frau hakte Sinemus nicht weiter nach und nickte lediglich. „Ich verstehe. Manchmal trägt man so etwas länger mit sich herum, als es der Ärger wert ist.“

Beinahe verzweifelt lachte Pasqualina auf. „Damit haben Sie nicht ganz Unrecht. Wissen Sie was: Ich vergesse das Ganze einfach und genieße meinen freien Tag.“

„Eine gute Entscheidung.“

Christian Sinemus warf seiner Frühstückspartnerin einen langen Blick zu, bevor er das Thema wechselte, und unvermittelt fragte: „Was denken Sie, Pasqualina? Wer wird in einer Woche zum Chief-Admiral gewählt werden? Sherman oder Tarun?“

Innerlich dankbar für diesen Themenwechsel gab die Spanierin schnell zurück: „Nach den letzten Aussagen der Admirals des Sternenflottenkommandos liegen beide dichtauf. Das Ergebnis dürfte allemal sehr knapp ausfallen, würde ich sagen. Wegen der Wahl war Tarun eine Woche lang auf der Erde gewesen. Vermutlich hat er sich dort noch einmal mit allen wichtigen Kollegen des Stabes getroffen, bei denen nicht sicher ist, ob sie nun ihn oder Sherman unterstützen. Offen gestanden, ich würde mir wünschen, dass es Tarun wird. Etwas an der Ausstrahlung von Sherman gefällt mir nicht.“

Die Augenbrauen von Sinemus hoben sich fragend. „Kennen Sie Frank Damon Sherman persönlich?“

Pasqualina Mancharella schüttelte den Kopf. „Nein, aber auch bei den Holo-Vid-Übertragungen kann ich spüren, dass der Mann nicht echt ist.“

Christian Sinemus schien diese Antwort nicht ganz zu behagen. Nachdenklich sagte er: „Sie möchte ich, bei einer Kriegsgerichtsverhandlung, nicht als Richter haben. Sie geben dem Mann ja nicht einmal eine Chance.“

Unwillig legte die Spanierin ihre Salatgabel zur Seite. Dabei trat ein gefährliches Funkeln in ihre Augen. „Wie meinen Sie das, Christian? Wollen Sie damit andeuten, ich würde andere Wesen gnadenlos vorverurteilen?“

Normalerweise besaß Sinemus ein feines Gespür dafür, wann Diplomatie notwendig war. Doch in diesem Fall fühlte er sich zu Unrecht angefahren, und so hielt er der Spanierin ruhig entgegen: „Ist das denn nicht der Fall, wenn man sich über eine Person ein Urteil bildet, der man nie, von Angesicht zu Angesicht, gegenüber gestanden hat?“

Pasqualina Mancharellas Wangen röteten sich. Zuerst Enrom Tolaron, und nun dieser Vorwurf von Sinemus. Ihr Appetit war ihr mit einem Mal restlos vergangen. Und auch der Wunsch, sich weiter mit Sinemus zu unterhalten. Abrupt erhob sie sich und warf die Servierte, die sie in ihrer Hand hielt, auf den Tisch. „Sie entschuldigen mich, bitte.“

Damit rauschte sie davon, und Christian Sinemus, der mit keiner so heftigen Reaktion der Frau gerechnet hatte, sah ihr perplex nach. Langsam erhob er sich ebenfalls, wobei er leise murmelte: „Ge, bitte, was war denn das jetzt?“
 

* * *
 

Etwa zu derselben Zeit hielt sich Tar´Kyren Dheran im Quartier von Christina Carey auf und half ihr dabei, den Weihnachtsbaum zu schmücken. Das heißt, er hatte ihr einige Minuten lang dabei geholfen. Nachdem der Andorianer erfolgreich zwei ihrer kostbarsten und schönsten Christbaumkugeln vernichtet hatte, war er nämlich von der Irin dazu abkommandiert worden, sich lieber um die Herstellung der Papiergirlanden zu kümmern.

Beide waren momentan ganz zufrieden damit, sich für den Moment etwas von dem ablenken zu können, was sie, tief in ihrem Inneren, bewegte.

„Au!“, entfuhr es dem Andorianer, als er eine Stecknadel in eine Papiergirlande und einen Daumen gesteckt hatte, und seine Antennen bogen sich nach Innen. „Diese verdammten Stecknadeln gehen nie dahin, wo man sie hin haben will!“

Feststellend überlegte Christina Carey dass Papiergirlanden gar nicht so einfach aufzuhängen waren. Besonders dann nicht, wenn Tar´Kyren Dheran sie aufhängte. Wenn er das eine Ende befestigt hatte, dann schlang sich das andere um seinen Arm und um seinen Hals, so dass er sich nur entwirren konnte, indem er das bereits befestigte Ende wieder löste, aber wenn er es abmachte wickelte es sich um seinen anderen Arm, und schließlich musste er die Girlande in der Mitte zerreißen, um seine Arme wiederzufinden. Ganz zu schweigen von seinen Antennen, die sich nur zu oft unfreiwillig an diesem Spiel beteiligten.

Mittlerweile erinnerte der Weihnachtsbaum immer mehr an einen verwunschenen Zauberwald – und Dherans Papiergirlanden erinnerten immer mehr an Konfetti. Dabei kam die Irin amüsiert zu dem Schluss, dass Tar´Kyren Papiergirlanden wohl nicht leiden konnte, und wahrscheinlich mochten die Papiergirlanden ihn auch nicht besonders.

„Lutschst du schon wieder am Daumen“, fragte Christina Carey nach einer Weile scheinheilig. „Da müssen wir wohl ein Pflaster drauf kleben.“

Dem Andorianer entging nicht eine gewisse Häme in der Stimme der Frau. „Die Nadel ging glatt durch“, verteidigte er sich. „Noch ein Stück und du hättest mich in eine von diesen anachronistischen Schmetterlingsammlungen aufnehmen können, die ich mal in einem Museum, auf der Erde, gesehen habe.“

„Na“, erwiderte die Irin verschmitzt, „Hoffentlich erholst du dich rechtzeitig, damit bis Heiligabend die Girlande an der Wand hängt.“

„Die wird schon am Heiligmorgen fertig sein“, versicherte Dheran grimmig.

„Wenn ich mit dem Weihnachtsbaum fertig bin helfe ich dir“, besänftigte Christina Carey den Andorianer.

„Danke“, gab Dheran ironisch zurück, um gleich darauf erneut auf die Girlanden zu wettern: „Verflixte Dinger. Allein werde ich mit denen nicht fertig.“

„Du nicht!“, stimmte Christina Carey ihm grinsend, und irgendwie auch aus vollem Herzen, zu. „Im Übrigen heißt es nicht Heiligmorgen, denn der gesamte Tag heißt Heiligabend, Tar. Diese Unterhaltung hatten wir schon, wenn ich es recht bedenke.“

„Ja, klar!“, lachte Dheran, der sich nur zu gut an den Flug nach Andoria erinnerte. Vor 21 Jahren, als sie sich zum ersten Mal begegneten. Ebenso spöttisch wie damals deklamierte er: „Heiligabend, morgens früh im Bett.“

„Hör auf, so einen Blödsinn zu reden, Tar“, gab die Irin fauchend zurück. „Was ich dir damals gesagt habe ist eine Tatsache, und wenn du noch so sehr darüber lästerst.“

Christina Carey wusste im Moment nicht zu sagen, was sie eigentlich so schnell wütend gemacht hatte. Aber sie spürte in beinahe demselben Moment wieder den Druck auf sich lasten, den sie seit ihrem Treffen mit Enrom Tolaron nicht losgeworden war. Mit einem Mal war auch der Argwohn wieder da, den Tolaron in Bezug auf Tar´Kyren geschürt hatte.

Auch mit dem Andorianer schien eine Veränderung vor sich gegangen zu sein. Mit veränderter Stimme fragte er: „Was machst du eigentlich, wenn der Getupfte die Wahl zum Chief der Sternenflotte gewinnen sollte? Bleibst du dann auf diesem Posten, oder wechselst du ebenfalls zum Stab der Sternenflotte?“

Verwundert sah Christina Carey zu Tar´Kyren Dheran und erwiderte, mit erstauntem Tonfall: „Was bitte sollte ich denn beim Stab der Sternenflotte? Dahin zu kommen war noch nie meine Absicht, das weißt du.“

„Tarun am Rockzipfel zu hängen war vermutlich auch nie deine Absicht, aber dennoch ist es passiert“, gab der Andorianer gereizt zurück. Dabei beobachtete er genau die Reaktion der Irin, die im Moment nicht wusste, was sie darauf erwidern sollte. Was Dheran dazu veranlasste nachzulegen: „Also, habe ich Recht.“

Endlich fand Christina Carey ihre gewohnte Sicherheit wieder und sagte wütend: „Deine vollkommen absurde Eifersucht auf Tarun nervt, Tar. Da ist nichts und da war auch nie etwas, damit du es weißt.“

„Oh“, machte Dheran ironisch. „Damit ich es weiß? Am besten wird es sein, wenn ich dir zu Weihnachten einen Hund schenke.“

„Wie darf ich denn jetzt diese Bemerkung verstehen?“

Die Antennen des Andorianers bogen sich deutlich nach Innen. „Ich fürchte, du bist im Laufe der letzten Jahre blind geworden, in Bezug auf deine Gefühle für Tarun, und ich habe in einer Geschichtsdatei, als ich noch an der Akademie war, einmal gelesen, dass in früherer Zeit Blinde von sogenannten Blindenhunden geführt wurden.“

„Da war ganz bestimmt auch der ein oder andere blöde Hund mit dabei!“, konterte Christina Carey hitzig, und funkelte den Andorianer herausfordernd an.

Doch Dheran schien die Lust auf diesen Streit schnell zu vergehen. Nach einem Moment sagte er mürrisch: „Es tut mir leid, Christina, aber ich muss noch einmal zur ICICLE. Mein Chefingenieur hat sich in den Kopf gesetzt, die neu eingebauten, lateralen Sensoren unbedingt noch vor Weihnachten neu aufeinander abzustimmen. Und er bat mich, gegen Mittag zu ihm zu kommen und die Fortschritte zu begutachten.“

„Kann das nicht deine XO für dich erledigen“, machte die Irin den halbherzigen Versuch, ihn zum Bleiben zu bewegen. Zu oft bereits hatten sie solche Unterhaltungen, in Bezug auf sie und Tarun geführt, in den letzten Jahren, und ihr war nicht sonderlich daran gelegen, den alten Zwist wieder neu aufzurollen.

„Ich möchte mir gerne selbst ein Bild von Lieutenant-Commander McMahans Arbeit machen“, wich der Andorianer aus.

„Was machst du danach“, erkundigte sich Christina Carey betont unbeteiligt, doch etwas Lauerndes lag dabei in ihrem Blick.

„Der andorianische Kampfverband wird für heute Nachmittag erwartet, und ich würde gerne meinen Vater empfangen, und ihn auf der Station herumführen. Außerdem wird sich der Kommandeur des Verbandes bestimmt anschließen wollen, denke ich mal. Vermutlich landen wir alle, heute Abend, im SEVENTY-FIRST-CLUB.“

„Verstehe“, erwiderte die Irin in Gedanken. „Grüß deinen Vater von mir.“

Dheran beeilte sich, zu gehen. Mit einem schmerzenden Gefühl in der Magengegend sah Christina Carey ihm nach. In Momenten, wie eben, schien ihr Tar, den sie gut zu kennen glaubte, unsagbar fremd. Wieder echoten die Worte Tolarons in ihrem Kopf. Was, wenn der Romulaner Recht hatte, und Tar´Kyren tatsächlich an einer Verschwörung beteiligt war? War vielleicht das überhaupt der wahre Grund gewesen, warum Konteradmiral Valand Kuehn ihn zu einem gemeinsamen Einsatz angefordert hatte? Immerhin galt Kuehn, hinter vorgehaltener Hand, als ein enger Vertrauter von Sherman. War es vielleicht Sherman, der erklärte Feind von Torias Tarun, der hier die Fäden zog? Vielleicht wollte er, auf irgendeine unlautere Art und Weise, den Mitkonkurrenten um den höchsten Posten bei der Sternenflotte, aus dem Feld schlagen? Dieser Gedanke hatte gleichfalls etwas Absurdes, wie Erschreckendes.

Jetzt hat es dieser Romulaner geschafft, dachte die Stellvertretende Kommandeurin der Fünften Taktischen Flotte aufgebracht. Ich fange schon an, so wie er, hinter jeder Gangecke dieser Station Verrat zu wittern.

Mit Verdruss blickte sie zu den vielen zerfetzten Papiergirlanden in ihrem Quartier und sie machte sich mürrisch daran, die Girlanden nochmal selbst ordentlich zu basteln. Dabei hoffte sie inständig, dass Tolaron dieses eine Mal einen schlechten Job gemacht hatte.

Verbündete


 

3.
 

Verbündete
 

Brücke der IKS CR´ENNAM

Sternenzeit: 58974.0

Im Forlan-System
 

Vor weniger als einer Minute, nach irdischer Zeitrechnung war der Verband von zehn der neuesten Klingon-Schlachtkreuzer der VOR´CHA-KLASSE unter Warp gegangen, und hielt direkten Kurs auf den dritten Planeten des Systems, Forlan-Prime. Von oben gesehen glichen die Hauptkörper der Kreuzer einem Delta, dessen Seiten stark nach innen gekrümmt waren. An der Spitze des Deltas verbreiterte es sich wieder etwas, und gabelte sich dann zur Doppelspitze des Bug-Moduls. Am Heck krümmten sich seitlich die Enden der Warpgondel-Pylone nach schräg unten weg.

Im Vergleich zu den älteren Kreuzern der K´TINGA-KLASSE waren die beiden Warpgondeln der zehn Kreuzer dabei, im Verhältnis zur Gesamtmasse, auffallend größer. Was unerlässlich war, denn die Kreuzer der VOR´CHA-KLASSE maßen in der Länge immerhin 482 Meter und in der Breite 342 Meter, bei einer Höhe über Alles von 106 Metern, und sie erreichten, mit Warpfaktor von 9,85 eine weitaus höhere Maximalgeschwindigkeit im Überlicht-Bereich, als die veralteten D7-Kreuzern. Dabei ragte die Hälfte der Gondeln nach hinten, über das leicht geschwungene Heck des Kreuzers, hinaus.

Insgesamt besaßen diese Kreuzer zwar deutlich größere Abmessungen, als ein Schwerer Föderations-Kreuzer der AKIRA-KLASSE, jedoch weniger Masse. Auch die Besatzungsstärke war mit 420 klingonischen Männern und Frauen annähernd identisch.

Anders, als bei früheren Kreuzer-Klassen, lag die Brücke nicht auf dem Bug-Modul, sondern in einem trapezförmigen Schiffssegment, das hinter dem Bug-Modul über dem Hals aufragte, der den vorderen Teil des Deltas bildete.

Gleich geblieben, im Vergleich zu früheren klingonischen Raumschiff-Entwürfen, war hingegen die Tatsache, dass sich das Modul des Hauptmaschinenraums immer noch am Heck befand und den höchsten Aufbau der VOR´CHA-Kreuzer darstellte. Wie eine Pfeilspitze geformt deutete diese Sektion in Flugrichtung dieser Kreuzer.

Als Flaggschiff des Verbandes flog die I.K.S. CR´ENNAM an der Spitze einer perfekten Keilformation. Mit drei Kreuzern zu ihrer rechten Flanke, und sechs Kreuzern zur Linken. Überwiegend grün, durchbrochen von scharf abgegrenzten scharlachroten und goldenen Partien bei der massiven Plattierung, glänzten die metallenen Schiffshüllen im Licht des orange-gelben Hauptreihensterns Forlan.

Auf dem Hauptbildschirm des Flaggschiffs erkannte der Kommandeur des Verbandes, Brigadier Karenn von Ademak aus dem Haus Kran´Talrak, die Raumstation, die der Fünften Taktischen Flotte der Föderation als Hauptquartier und Flottenbasis diente.

Karenn von Ademak war sehr stolz. Stolz auf seine adelige Abstammung – der Namenszusatz Von Ademak zeugte von dem hohen Adelsstand seines Hauses – und stolz auf die Errungenschaften und Eroberungen seines Volkes. Doch eine so gewaltige Sternenbasis, wie STRATEGICAL STARBASE 71 hatte er noch nicht gesehen. Zwar hatte er sich mit den technischen Spezifikationen dieser Basis vertraut gemacht, vor seinem Abflug von Qo´noS, doch es war etwas ganz anderes, diese gewaltige Flottenbasis über dem dritten Planeten des Systems schweben zu sehen. Mit brennendem Blick starrten die dunklen Augen des über 1,90 Meter großen Brigadiers auf den Hauptbildschirm. Etwa ein Dutzend Raumschiffe der hier stationierten Taktischen Flotte operierten momentan in der nahen Umgebung der Station und vermittelte einen noch realeren Eindruck von den Ausdehnungen der Basis.

Langsam erhob sich Karenn von Ademak aus dem Sessel des Kommandanten und er war in diesem Moment froh darüber, dass keiner seiner Offiziere sein Gesicht sah. Anders, als auf Raumschiffen der Sternenflotte, befand sich der Sitz des Kommandierenden Offiziers nicht hinter, sondern vor den erhöht stehenden Konsolen für die Kommunikation und der Taktik. Zwischen diesen beiden Stationen lag, im hinteren Bereich der Brücke, das Schott zum Hauptgang, der durch die gesamte Länge des Kreuzers führte.

Rechts und links des Kommandantensitzes standen klingonische Männer und Frauen an Wandkonsolen, wobei die Konsole für die Steuerung rechts neben dem Hauptbildschirm angeordnet war. Rechts daneben lagen die Kontrollen für die Navigation. Auf der gegenüber liegenden Seite der Brücke gab es die Konsolen für die Energiesteuerung und für die Energieerzeuger und die Emitter der Tarnvorrichtung.

Hoch aufgerichtet, die breiten Schultern leicht zurückgezogen, stand Karenn von Ademak im Kommandozentrum des Kreuzers. Wobei ihm das orange-rote Glühen der Sekundärbeleuchtung und der Bildschirme, in Kombination mit dem bläulich-weißen Licht, dass durch die massiven Deckengitter der Brücke fiel und scharfe Kontraste auf das Gesicht zauberte, dabei fast diabolische Züge verlieh

Mit tiefer, rauchiger Stimme, grollte Karenn von Ademak, ohne sich dabei zum Kommunikationsoffizier umzudrehen, der an der rechten Seitenwand der fächerförmigen Brücke saß: „Öffnen Sie einen Kanal und rufen Sie die Station, Grolat.“

Der angesprochene Untergebene wandte sich um und erwiderte: „Wir werden soeben von der Station aus angerufen, General.“

Der Kopf des Brigadiers ruckte etwas zur Seite. „Auf den Hauptbildschirm!“

Das Abbild der Raumstation und seiner Umgebung wich dem Gesicht eines Admirals der Sternenflotte. Die Flecken, entlang des Halses und der Schläfen, entgingen dem klingonischen General nicht, und er wusste augenblicklich, dass er es mit Torias Tarun höchstpersönlich zu tun hatte. Das Kommandozentrum, in dem sich der Trill aufhielt und von dem Karenn von Ademak einen Ausschnitt auf dem Bildschirm erkennen konnte, schien in ihren Ausdehnungen, im Verhältnis zur Größe dieser Station, angemessen zu sein.

Die blauen Augen des Trill blickten undefinierbar, als er deutlich betont sagte: „Ich begrüße Sie im Forlan-System, Brigadier Karenn von Ademak aus dem Haus Kran´Talrak. Sie, und alle Klingonen, die sich an Bord ihrer Kriegsschiffe befinden.“

Der Trill hatte offensichtlich in Erfahrung gebracht, wie er ihn korrekt anzusprechen hatte. Mit unbewegter Miene erwiderte der Brigadier: „Ich danke Ihnen, Admiral Tarun. Aber es heißt, seit drei Tagen Ihrer Zeitrechnung, nicht mehr Klingonen, sondern Klingons. Und nicht mehr Klingone, sondern Klingon, wenn ein Einzelner meines Volkes gemeint ist. Vor drei Tagen hat der Hohe Rat der Klingons entschieden, die alt-klingonischen Bezeichnungen wieder einzuführen. Ein entsprechendes Manifest, dass Sie in Ihre Datenbanken überspielen können, habe ich Ihnen mitgebracht.“

Der Trill auf dem Bildschirm runzelte die Stirn und deutete eine Verbeugung an. „Darüber reden wir, sobald Sie an Bord der Station sind. Halten Sie sich bereit, dass ihre zehn Kreuzer von einem Lotsen-Raumschiff empfangen werden. Es wird sie zu Ihren Liegeplätzen, in Hangarscheibe-3 geleiten. Die Station wird, Ihnen zu Ehren, einen Salut mit Quantentorpedos schießen, wenn Ihr Verband eine Entfernung von einhunderttausend Kilometern unterschritten hat. Bitte erschrecken Sie also nicht.“

Ein tiefes Grollen entfuhr der Kehle des Brigadegenerals. Dieser Tarun schien nicht zu wissen, dass Klingons niemals erschraken. Vor gar nichts. Das taten nur schwache Individuen, schwacher Spezies, und mit solchen in einen Topf geworfen zu werden fasste Karenn von Ademak als persönliche Beleidigung auf. Vielleicht lag das sogar in der Absicht des Admirals. Nun, man würde sehen.

Eingedenk dessen, was Kanzler Martok ihm eindringlich mit auf den Weg gegeben hatte, verzichtete Karenn von Ademak darauf, augenblicklich Genugtuung vom Admiral, für diese Worte, zu verlangen. Er blickte lediglich finster drein und erwiderte: „Wir sind informiert. Sobald ich mich an Bord der Station befinde, werde ich Sie aufsuchen, Admiral Tarun. Karenn von Ademak, Ende.“

Auf den finsteren Blick des Brigadiers hin schloss Grolat den Kanal. Nur einen Herzschlag später fuhr Karenn von Ademak nach links herum, wo sich sein Erster Offizier, Commander Klaag, aufgebaut hatte.

Den bereits leicht ergrauten Commander mit wildem Blick ansehend donnerte der Brigadier erzürnt: „Erschrecken, hat er gesagt! Als würde sich ein Klingon, noch dazu von edlem Geblüt, so wie ich, vor irgendetwas erschrecken! Am liebsten würde ich diese Station, mitsamt diesem arroganten Admiral darin, in winzige Stücke schießen!“

„Das könnte sofort geschehen, wäre Euer Wunsch Befehl, General!“, schnarrte Commander Klaag ohne zu zögern und sah seinen Vorgesetzten fragend an.

Karenn von Ademak schlug sich mit der Faust gegen die Brust. „Zweifellos, Commander Klaag. Aber das wäre leider nicht im Sinne des Hohen Kanzlers. Kanzler Martok legt hohen Wert auf die Allianz mit der Föderation und den Romulanern, darum werden wir uns, trotz dieser Beleidigung, zurückhalten. Vorläufig zumindest, Commander. Aber denken Sie daran: Es gibt immer ein Später.“

„Natürlich, General.“

Auf dem Bildschirm verfolgte der Brigadier den weiteren Anflug auf die Station. Er wusste, dass die Sternenflotte 11 Salutschüsse für Brigadegenerale schoss. Für Botschafter hingegen wurden 19 Schuss abgefeuert.

Als die zehn Klingon-Kreuzer die von Tarun erwähnten 100.000 Kilometer Abstand unterschritten, leuchteten, in Sekundenabständen, elf kurzlebige Kunstsonnen vor dem Verband auf. Karenn von Ademak, der mitgezählt hatte, ballte seine kräftigen Hände zu Fäusten. Entweder Admiral Tarun wusste nichts davon, dass ihn Kanzler Martok gleichfalls als Sonderbotschafter zur Station geschickt hatte, oder es handelte sich um eine weitere Beleidigung des Trill. Aber das würde er schon noch herausfinden.

Mit einem ganz und gar unirdischen Knurren setzte sich Karenn von Ademak wieder in den Sessel des Kommandanten und starrte wütend auf den Hauptbildschirm. Oh ja, diesem anmaßenden Trill würde er schon beibringen, mit wem er es künftig zu tun bekam.
 

* * *
 

Ganz im Gegensatz zum Kommandeur des klingonischen Kampfverbandes war der andorianische General Vierter Verbandsgröße, Tar´Veron Talev guter Dinge, nachdem sein Kampfverband, bestehend aus 12 Schweren Kreuzern der KIR´LA´RHEN-KLASSE, und 18 Leichten Kreuzern der VA´LO´RAAN-KLASSE, von DEEP SPACE NINE abgelegt hatten. Momentan befanden sie sich, bei hoher Warpgeschwindigkeit, auf dem direkten Kurs zum Forlan-System.

Talevs Rang entsprach dem Rang eines Sternenflotten-Commodore. Er war ebenfalls ranggleich mit einem klingonischen Brigadegeneral. Gelassen, dabei dennoch eine gesunde Selbstsicherheit ausstrahlend, saß der Andorianer im blau bezogenen Kommandanten-Sessel, auf der Brücke der VOR´TALAAN, dem Flaggschiff seines Kampfverbandes. Ein Kriegsschiff von 527 Metern Länge, 446 Metern Spannweite und 142 Metern Höhe, das er bereits seit dem Jahr 2376 befehligte. Diese beeindruckenden Kriegsschiffe waren auf dem aktuellen Stand der Föderationstechnik und verfügten über deutlich mehr Feuerkraft, als ein Raumschiff der SOVEREIGN-KLASSE. Diese Schiffsklasse galt als der legitime Nachfolger der KIR´TA´SHAN-KLASSE, zu der im 22. Jahrhundert die KUMARI gehört hatte, das Raumschiff des legendären Commanders, und späteren Generals, Thy´Lek Shran.

Mit einer Länge von immerhin noch 372 Metern gehörten die 18 Leichten Kreuzer zu einer Schiffsklasse, die einem Raumschiff der INTREPID-KLASSE leicht überlegen war. Ihre Breite betrug 270 Meter und ihre Höhe 67 Meter. Etwa genau so agil, wie die Raumschiffe der INTREPID-KLASSE besaßen diese Leichten Kreuzer ein etwas höheres Offensiv- und Defensiv-Potenzial. Während die KIR´LA´RHEN-KLASSE erst seit etwa 28 Jahren im Dienst war, hatten die ersten Raumschiffe der VA´LO´RAAN-KLASSE bereits zwischen 2320 und 2330, nach und nach, die zu dem Zeitpunkt veralteten Typ-II-Kreuzer der VA´LA´KIAN-KLASSE ersetzt. Dabei hatte diese neue Klasse von Leichten Kreuzern seitdem zahlreiche Upgrades und einige Umbauten erfahren.

Gemäß der Geheiminformation, die er von Captain Tar´Kyren Dheran vor zwei Tagen übermittelt bekam, hatte er, entgegen seiner eigentlichen Order, auf dem Weg zum Hauptquartier der Fünften Taktischen Flotte der Sternenflotte, DEEP SPACE NINE angeflogen und drei weitere Andorianer an Bord seines Flaggschiffs genommen. Außerdem befand sich Dherans Vater an Bord der VOR´TALAAN.

Talevs Familie gehörte demselben Clan an, wie Dherans Familie, allerdings einem jüngeren Nebenzweig dieses Clans. Dennoch war das seit langer Zeit überholte Clan-Denken in Talevs Familie ausgeprägter, als bei vielen anderen andorianischen Familien. So wäre er niemals auf die Idee gekommen, die Bitte von General Den´Lyran Dheran auszuschlagen, als dieser, vor etwa drei Wochen, zum ersten Mal mit ihm Verbindung aufgenommen hatte. Besonders nicht, nachdem er vom Sohn des Generals erfahren hatte, worum es bei dieser Bitte ging. Ganz im Gegenteil, Tar´Veron Talev war sofort Feuer und Flamme gewesen, für die Operation Christkind.

Während des Dominion-Krieges hatte Talev von einigen Risikoeinsätzen des damaligen Commanders, Tar´Kyren Dheran, erfahren. Etwas direkter mitbekommen hatte er, dass dessen Vater, General Den´Lyran Dheran, bei der Verteidigung seiner Heimat Andoria, gegen das Dominion, eine sehr aktive Rolle gespielt hatte.

Talev war zwar Tar´Kyren Dheran nie persönlich begegnet, doch von dem, was er gehört hatte, musste er etwa von demselben Schlag sein, wie sein Vater. Zumindest was seine kämpferischen Qualitäten betraf. Allein schon deswegen war Talev sehr gespannt darauf, den Sohn von General a. D. Dheran bald kennenzulernen.

„General, das führende von drei Navigationsschiffen hat Verbindung aufgenommen. Jedes dieser Navigationsschiffe soll das Geleit über zehn unserer Raumschiffe zu den drei Toren von Hangarscheibe-3 übernehmen“, meldete der OPS-Offizier, zu Talevs Rechten, und die Antennen des Generals spreizten sich leicht. Talev hatte Dheran deshalb in Gedanken mit dem Rang des Generals bezeichnet, weil er sich, obwohl offiziell im Ruhestand, auch weiterhin, wegen seines großen Erfahrungsschatzes, noch im Dienst des Andorianischen Generalstabes befand. Als Sonderoffizier zur besonderen Verwendung, wobei die Definition dessen, was man unter dieser besonderen Verwendung zu verstehen hatte, nicht eindeutig festgelegt war. Im Allgemeinen, so hieß es jedoch, war Dheran vom Andorianischen Oberkommando, als Sonderoffizier, mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet.

„Kampfverband in drei Gruppen splitten und den Anweisungen der Navigatoren folgen“, erwiderte Talev knapp und betrachtete dabei interessiert die Strategische Sternenbasis der Föderation, die immer gewaltiger vor dem Verband aufwuchs.

Allein der Zentralturm durchmaß an den breitesten Stellen mehr als 1800 Meter. Von der unteren Spitze, bis zur oberen Spitze maß er 7860 Meter. In der Mitte, dort wo sich der Turm und die drei riesigen Hangarscheiben sich berührten, wirkte der Zentralturm eingeschnürt. Dort durchmaß der Turm lediglich 900 Meter. Die drei Hangarscheiben durchmaßen jeweils 4500 Meter und wiesen eine Höhe von 450 Metern auf. Im Zentrum auf der Oberseite der Scheiben erhoben sich die Kuppeln der Arboreten, mit 800 Meter Durchmesser pro Kuppel. Dabei bestanden die 250 Meter hohen Kuppeln selbst aus transparentem Panzer-Duralum, eingefasst in eine stabile Wabenstruktur aus Duranium.

Tar´Veron Talev bemerkte kaum, dass er still dastand und fasziniert die Station auf dem trapezförmigen Hauptbildschirm der Brücke betrachtete. Mit fachkundigem Blick identifizierte der Andorianer die kombinierten, Torpedo-Phaser-Module. Es hieß, dass sie allein ausreichten, um die Station gegen eine ganze Flotte von Raumschiffen zu verteidigen, aber Talev wusste es, als erfahrener Raumstratege, besser. Wie jede Raumstation musste auch diese hier zwangsläufig alle Nachteile einer ortsgebundenen Verteidigung tragen, falls es zu einem Angriff kam. Ohne Raumschiffe, die zusätzlich zur Verteidigung bei der Station weilten, würde die Initiative immer bei einem potenziellen Angreifer liegen. Aus diesem Grund war Talev, trotz aller Faszination für dieses monumentale Verteidigungsbollwerk, froh darüber, der Kommandeur eines hoch mobilen Kriegsschiffverbandes zu sein.

Als sich das Flaggschiff des andorianischen Kampfverbandes bis auf einhundert Kilometer dem Rand der Hangarscheibe, die ihn aufnehmen sollte, angenähert hatte, öffneten sich die drei gewaltigen Panzerpforten der Hangarscheibe, innerhalb von zehn Sekunden. Mittlerweile in drei gleich starke Verbände geteilt, steuerten die andorianischen Kampfschiffe, hintereinander die drei 200 Meter hohen, gähnenden Öffnungen an.

Tar´Veron Talev war nicht der einzige Andorianer auf der Brücke, der beim Einflug ins Innere der Hangarscheibe den Atem anhielt. Majestätisch langsam durchflog der Schwere Kreuzer die Öffnung und glitt in den bläulich beleuchteten Bereich des Inneren der riesigen Hangarscheibe. Neben fünfzig Raumschiffen der Föderation entdeckte Talev einige der beeindruckenden klingonischen Kreuzer, die erst vor einer Stunde hier festgemacht hatten.

„Die Hangarkontrolle übernimmt“, meldete die Pilotin der VOR´TALAAN. „Ich deaktiviere den Antrieb des Schiffes, General. Wir werden per Traktorstrahl zum Liegeplatz gezogen. Achtung: Jetzt.“

Instinktiv hatte Talev damit gerechnet, bei der Erfassung des Kreuzers einen leichten Ruck zu spüren, doch er blieb aus, und einige Offiziere auf der Brücke des andorianischen Raumschiffs wechselten bedeutungsvolle Blicke miteinander.

„Die Hangar-Crew kann etwas“, stellte Tar´Veron Talev nüchtern fest. „Aber das war nicht anders zu erwarten.“

„Sie sagen es, General“, klang die Stimme von Den´Lyran Dheran dicht hinter dem Kommandeur des Verbandes auf. Unmerklich hatte Den´Lyran Dheran die Brücke des Kreuzers betreten und dem Platz des Kommandanten genähert. „Wenn Sie erlauben, dann begleite ich Sie, wenn Sie sich bei Admiral Torias Tarun vorstellen.“

„Natürlich habe ich nichts dagegen“, antwortete Talev. „So, wie ich Tarun einschätze, nach dem was ich über ihn gehört habe, wird er sich ohnehin mit Ihnen unterhalten wollen. Nicht primär wegen Ihres Sohnes, sondern weil der Admiral dafür bekannt ist, dass er sich speziell für alle geführten Schlachten des Dominion-Kriegs interessiert, an denen er nicht persönlich beteiligt war. Um ein gemeinsames Gesprächsthema werden Sie, und Admiral Tarun, also nicht verlegen sein.“

„Wohl eher um zwei oder drei“, gab der General außer Dienst launig zurück. „Zumindest gibt es da ein paar Themen, die mir selbst am Herzen liegen, und die nicht allzu viel mit dem Dominion-Krieg zu tun haben.“

Talev nickte verbindlich und beide Andorianer sahen wieder auf den großen Hauptbildschirm. Die VOR´TALAAN näherte sich unaufhaltsam dem inneren Andock-Bereich, ein Zylinder von 800 Metern im Durchmesser, der quasi die Nabe der Hangarscheibe bildete. Von dort aus reckten sich auf zwischen drei bis fünf Etagen Andock-Pylone in das Innere des Hangarbereich hinein. Dieselben Pylone gab es entlang der Außenwände, zwischen den drei Hangarpforten. Kleine Zubringer-Shuttles und Traktorstrahl-Schlepper schwebten zwischen den Raumschiffen umher und brachten Personen zu ihren Raumschiffen, oder verlegten Raumschiffe von einem Andockbereich zum anderen.

Kaum war das große Kriegsschiff endgültig zum Halten gekommen, liefen bereits die ersten Klarmeldungen von den anderen neunundzwanzig Kreuzern des Verbandes ein.

Bereits vor dem Abflug von DEEP SPACE NINE hatte General Talev entsprechende Befehle erlassen, die festlegten, dass immer nur ein Teil der Besatzungen Landurlaub bekam, und die Station betreten durfte. Die Einzelheiten regelten dabei die einzelnen Raumschiff-Kommandanten, so dass er sich nicht persönlich um diese Routinedinge kümmern musste. Er gab seinem ersten Offizier, einer hageren Andorianerin, ein Zeichen, bevor er sich an seinen Besucher wandte und fragte: „Sind Sie bereit, General?“

Den´Lyran Dheran nickte und in seinen blauen Augen, die einen Stich ins Violette besaßen, funkelte jene Unternehmungslust, die ihn schon in seiner Jugend ausgezeichnet hatte.

Fehler der Vergangenheit


 

4.
 

Fehler der Vergangenheit
 

STRATEGICAL STARBASE 71 - Arboretum-II

Sternenzeit: 58974.1

Im Forlan-System
 

Die hochgewachsene, athletische Romulanerin verließ den Turbolift, als dieser das Arboretum von Hangarscheibe-2, der Strategischen Sternenbasis, erreicht hatte. Vor etwa zehn Minuten war sie mit einem Shuttle der I.R.W. KHAZERAN in einem der kleineren Turmhangars, die für ebensolche Shuttles gedacht waren, gelandet.

Commander Ti´Maran konnte man, ohne zu übertreiben, auch nach menschlichen Gesichtspunkten als ausgesprochen hübsch bezeichnen. Auffallend an ihrem Äußeren waren ihre großen, dunklen Augen, die schon beinahe betazoidisch wirkten. Ihre Haare trug sie nach der klassischen romulanisch-vulkanischen Mode. Auch im Jahr 2381 waren sich beide Völker in dieser Hinsicht immer noch sehr ähnlich.

Ihr Alter entsprach 39 Jahren irdischer Zeitrechnung, doch das sah man der romulanischen Kreuzerkommandantin nicht an. Überhaupt war das Alter von Angehörigen vulkanoider Spezies, da sie sehr langlebig waren, oft nur sehr schwer zu schätzen. Nur der Ausdruck ihrer wachen, intelligenten Augen und ihr gesamtes Auftreten verrieten, dass sie älter war, als sie aussah.

Nachdem sie die Station betreten hatte, war es für sie ein Leichtes gewesen, durch den Computer der Station in Erfahrung zu bringen, wo sich ein bestimmter Offizier des Sternenflottenraumschiffs U.S.S. ICICLE aufhielt.

Commander Namoro Kunanga.

Die Erinnerungen an ihn drohte die Romulanerin, für einen Moment lang, zu übermannen. Im Jahr 2366 war sie Namoro Kunanga, während einer diplomatischen Mission im Unroth-System, zum ersten Mal begegnet. Damals hatte sie ablehnend, um nicht zu sagen kühl, auf Kunangas subtile Annäherungsversuche reagiert. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie nicht geahnt, dass sich ihre Wege später schicksalhaft erneut kreuzen sollten.

Während eines Aufenthaltes auf Sternenbasis-234, im Jahr 2367, traf sie, am Rand der Romulanisch-Neutralen-Zone, Kunanga erneut wieder. Seinerzeit hatte sie sich schließlich von Namoro Kunanga dazu überreden lassen, mit ihm essen zu gehen. Dabei hatte die Romulanerin widerwillig zugeben müssen, dass seine ruhige Art und seine Fähigkeit gut zuhören zu können, sie beeindruckt.

Danach hörte sie jedoch nichts mehr von dem dunkelhäutigen, über zwei Meter großen Terraner.

Als sie gegen Ende des Jahres 2371 an Bord der I.R.W. GENOREX dienst tat, die als Teil einer kombinierten romulanisch/cardassianische Flotte, die vermeintliche Heimatwelt der Gründer im Omarion-Nebel angriff, hatte sie Kunanga fast vergessen. Bei diesem Angriff geriet die Angriffs-Flotte in einen Hinterhalt des Dominion und wurde von einer erdrückenden Übermacht der Jem´Hadar beinahe völlig vernichtet.

Lediglich die GENOREX entging dabei der völligen Vernichtung, allerdings mit schweren Schäden. Auch unter der Brückencrew gab es dabei zahlreiche Verluste, und als ranghöchster überlebender Offizier übernahm sie das Kommando und befahl die Rückkehr zum Wurmloch, um dem Romulanischen Senat vom Verrat durch einen Wechselbalg-Spion zu berichten.

Zunächst flog der romulanische Warbird, zu Beginn des Jahres 2372, ein unbekanntes Sonnensystem an, in dessen Schutz die Crew die wichtigsten Schiffssysteme reparierte. Vor allem die Antriebssysteme wiesen erhebliche Schäden auf. Der Warpantrieb funktionierte zwar noch, aber es war nur eine Frage der Zeit, wann er endgültig versagen würde. Trotzdem wagten die Romulaner den Flug zum Wurmloch.

Einen Lichtmonat vom Wurmloch entfernt traf die GENOREX dabei auf einen Frachter der Jem´Hadar, der von zwei Kampfschiffen flankiert wurde.

Es gelang ihrer Crew, die Dominion-Kampfschiffe, in einem Überraschungsangriff zu vernichten und den Frachter zu entern, um an Ersatzteile für ihren fast vollkommen funktionsunfähig gewordenen Antrieb zu gelangen.

Dabei stieß das Enterkommando der GENOREX auf 14 Gefangene der Föderation, unter ihnen auch, zu Ti´Marans großer Verwunderung, Namoro Kunanga. Sie und der Terraner schlossen, aus der Not heraus, ein Abkommen miteinander und gemeinsam mit den Überlebenden der ODYSSEY gelang der Ausbau von Teilen des Frachterantriebs und deren Modifikation für den Antrieb der GENOREX.

Drei Monate später erreichte die GENOREX, mit versagendem Warp-Antrieb das Wurmloch und konnte in den Alpha-Quadranten zurückkehren. Namoro Kunanga und die restlichen Föderationsangehörigen, wurden auf DEEP SPACE NINE von Ti´Maran verabschiedet und die GENOREX flog, nach einer Instandsetzung der Antriebssysteme, nach Romulus weiter.

Bereits ein Jahr später traf Ti´Maran erneut auf Namoro Kunanga, der sich als Mitarbeiter des Militär-Attachés dorthin hatte versetzen lassen.

Auch während und nach dem Dominion-Krieg verbliebt Kunanga auf Romulus. Dort kamen sie einander schließlich näher und Mitte des Jahres 2376 konnte sie nicht mehr umhin, sich ihre Gefühle für Namoro Kunanga einzugestehen. In der Folgezeit führte sie eine feste Beziehung mit Kunanga, trotz aller Widerstände in ihrer Umgebung.

Während der Shinzon-Krise sympathisierte sie offen mit dem auf Remus aufgewachsenen Renegaten. Kunanga empfand dies als verwerflich, was er ihr wagte offen ins Gesicht zu sagen. Daraufhin kam es schließlich zum Bruch zwischen ihnen, und kurze Zeit später ließ sich der Terraner auf die Erde versetzen.

Seitdem hatte sie lediglich in Erfahrung bringen können, dass er auf einem Raumschiff namens ICICLE diente, und dass dieses Raumschiff, seit dem Frühjahr dieses Jahres, zur 5. Taktischen Flotte, unter dem Kommando von Admiral Tarun, gehörte.

Sehr oft hatte sie, in den letzten zwei Jahren, versucht sich das Wiedersehen mit Namoro vorzustellen. Doch das hatte sie nicht darauf vorbereiten können, wie innerlich aufgewühlt sie sich in diesem Moment fühlte. Sie hatte versucht, sich den Terraner aus dem Kopf zu schlagen. Sie hatte sich gesagt, es wäre ein für allemal vorbei.

Es war nicht vorbei.

Das spürte sie ganz deutlich, in dem Moment, als sie den Mann, keine zwanzig Meter von sich entfernt, am Rand eines künstlichen Teiches entdeckte. Diese Erkenntnis erfüllte sie mit einem Zorn, der unaufhaltsam in ihr aufstieg. Dabei war Ti´Maran nicht so dumm, ihm die alleinige Schuld an ihrer Trennung zu geben. Doch trotzdem spürte sie ihr romulanisches Blut in den Adern brodeln, als sie sich ihm näherte. Dieser Gefühlssturm fand sich jedoch ausschließlich in den dunklen Augen der Romulanerin wieder. Weder ihrem Verhalten, noch ihrer Körpersprache war davon etwas zu entnehmen, als sie ihren Schritt verlangsamte.

„Guten Tag, Commander Namoro Kunanga.“

Ti´Maran glaubte zu erkennen, dass sich die Haltung des über zwei Meter großen, breitschultrigen Mannes, der ihr bisher den Rücken zugewiesen hatte, verspannte. Nach einem kurzen Moment drehte sich der Sternenflottenoffizier zu ihr herum. Er hatte unzweifelhaft ihre Stimme wiedererkannt und dennoch wirkte sein Blick überrascht, als er sie leibhaftig vor sich stehen sah.

„Ti´Maran“, stellte Kunanga mit rauer Stimme fest, wobei sich seine Gesichtszüge langsam entspannten. „Seit wann bist du auf der Station?“

„Es heißt Commander Ti´Maran, Commander Kunanga“, wich die Romulanerin kühl aus. „Wir sollten die Form wahren.“

Die Gesichtszüge de kahlköpfigen Hünen spannten sich wieder leicht an. „Natürlich, Commander. Wenn Sie es wünschen.“

Für einige Augenblicke, in denen sie sich mit Blicken maßen, blieb es still zwischen ihnen. Es war schließlich Kunanga, der sich, um einen neutralen Tonfall bemüht, erkundigte: „Ich vermute, Sie gehören dem romulanischen Kontingent an, dass gestern im Forlan-System eintraf, Commander Ti´Maran.“

Ti´Maran spreizte bestätigend die Finger ihrer rechten Hand. „Das ist korrekt. Ich kommandiere den Schlachtkreuzer KHAZERAN.“

„Hm“, machte Namoro Kunanga. „Kriegsschrei also. Ein martialischer Name.“

Ti´Maran verzog keine Miene, als sie ruhig erwiderte: „Die KHAZERAN ist ein Kriegsschiff. Was haben Sie erwartet, Commander?“

Namoro Kunanga beendete das oberflächliche Geplänkel, indem er das Thema wechselte und mit veränderter Stimmlage sagte: „Ich bin mir sicher, Commander, dass Sie nicht zufällig hierher gekommen sind. Sie haben mich gesucht, und auch gefunden, so wie es aussieht. Also sollten Sie vielleicht zum Kern Ihres Anliegens kommen.“

„Nein, nicht an diesem Ort, Commander. Wenn Sie gestatten, dann würde ich Ihnen gerne mein Schiff zeigen. In meinem Quartier werden wir in privaterem Rahmen miteinander reden können. Und das wird nötig sein, da das, was ich mit Ihnen zu besprechen habe, sowohl etwas Zeit, als auch Ruhe, erfordert.“

Namoro musterte Ti´Maran prüfend. Obwohl er wusste, dass sie ihn niemals in irgendeinen Hinterhalt locken würde. Dazu kannte er sie zu genau. Schließlich nickte er, und gab ebenso ruhig zurück: „Dann lassen Sie uns gehen, Commander. Da die Raumschiffe des romulanischen Verbandes zu groß in ihren Abmessungen sind, als dass sie in einen der Scheibenhangars einfliegen könnten, nehme an, Sie sind mit einem Shuttle hier?“

Ti´Maran bestätigte, während sie sich, an der Seite des Mannes zu einem der acht Turbolifts begab. Schweigend fuhren sie zur Ebene hinunter, auf der es einen breiten Verbindungsgang zum Zentralturm der Station gab.

Kaum fünf Minuten später betraten sie den Hangar, in dem ihr Shuttle stand. Selbstbewusst schritt sie voran, gab am Backbord-Schott den Sicherheits-Code ein, und wartete darauf, dass das Schott, der schnittigen, grün glänzenden, Maschine zur Seite glitt.

Wie ein vollkommen Unbeteiligter beobachtete Namoro Kunanga Ti´Maran dabei, wie sie neben ihm, im Sitz des Piloten Platz nahm, Kontakt zur Hangar-Kontrolle herstellte, und um Abflugerlaubnis ersuchte.

Nur wenig später schoss das kleine Raumfahrzeug aus dem Shuttlehangar und näherte sich dem Planet Forlan-Prime. In einem Orbit von knapp 1000 Kilometern über der planetaren Oberfläche umkreisten die zehn romulanischen Kriegsschiffe die grün-braun gescheckten Kontinente, die sich mit den tiefblauen Weiten der Meere ablösten, von denen sie umgeben wurden.

Für einen kurzen Moment wurde Kunanga von diesem erhabenen Anblick gefangen genommen, bevor er sich wieder auf das konzentrierte, was momentan gegenwärtig war. Und das war Ti´Maran, deren kryptische Andeutungen ihn beschäftigten. Er fragte sich, seit sie an Bord des Shuttles gestiegen waren, was Ti´Maran dazu bewegen mochte, eine ihr vertraute Umgebung aufzusuchen, für das, was sie ihm mitteilen wollte, statt sofort zur Sache zu kommen. Solcherlei Verzögerungstaktik hatte er an Ti´Maran nie beobachten können, als sie noch miteinander liiert gewesen waren. Warum also nun?

Ti´Maran starrte währenddessen unverwandt auf die Kontrollen des Shuttles, nicht gewillt etwas zu sagen, bevor sie wirklich ihr Quartier erreicht hatten.

So fasste sich Kunanga in Geduld und harrte der Dinge, die da auf ihn zukommen sollten. Lediglich ab und zu einen Seitenblick auf Ti´Maran werfend. Sie schien ihm interessanter, als je zuvor, wenn das überhaupt möglich war, und der Afrikaner spürte einen Stich in seiner Herzgegend, bei dem Gedanken daran, sie vor zwei Jahren verloren zu haben.

Ti´Maran flog die Unterseite von einem der sieben brandneuen kleineren Kreuzer an, wobei Kunanga in Gedanken schwach lächelte, denn selbst diese Kampfschiffe waren größer, als alle bekannten Raumschiffstypen der Föderation. Im vorderen Backbordbereich des Haupt-Schiffskörpers, aus dem sich die gewaltigen Schwingen des Raumschiffs zur Seite streckten, öffnete sich das Schott einer hell erleuchtete Schleuse. Sicher im Umgang mit dem Shuttle steuerte die Romulanerin es hinein.

Nachdem sie die Aggregate deaktiviert hatte, bedeutete sie Kunanga wortlos, das Shuttle zu verlassen. Dabei folgte sie ihm dichtauf.

Zu Namoro Kunangas gelinder Überraschung wartete keine bewaffnete Eskorte auf ihn und Ti´Maran. War das ein Zeichen dafür, dass seine frühere Lebensgefährtin ihm noch immer vorbehaltlos vertraute?

Die Romulanerin schien die Gedanken Kunangas zu erraten. Mit einem schwachen Lächeln sagte sie: „Ich kenne Sie lange genug, Commander, um zu wissen, dass ich keine Eskorte benötige, in Ihrer Nähe.“

In Kunanga rumorte es bei diesen unpersönlich betonten Worten, doch er beherrschte sich weiterhin. Sie würden das Quartier von Ti´Maran bald erreicht haben.

Der Afrikaner erinnerte sich, beim Durchschreiten der grün-braun gehaltenen Gänge, an seinen Aufenthalt auf der GENOREX. Damals, als sie sich im Gamma-Quadrant begegnet waren. Auf diesem Raumschiff der D´DERIDEX-KLASSE hatten sich die Quartiere der Führungsoffiziere direkt hinter der Kopfsektion, im oberen Halssegment, befunden. Kunanga vermutete, dass es hier, da es bei dieser neuen Raumschiffsklasse zwei ähnliche Halssegmente gab, ganz ähnlich war.

So dauerte es einige Minuten, bis Ti´Maran und Namoro Kunanga schließlich vor einem Schott ankamen, bei dem die Romulanerin anhielt und erklärte: „Wir sind da.“

Während Ti´Maran ihre Hand auf den Abdruckscanner legte, fragte sich Namoro Kunanga insgeheim, ob es reiner Zufall gewesen war, dass ihnen unterwegs kein einziges Besatzungsmitglied begegnet war, oder ob auf ihren Befehl hin, die Gänge vom Hangar, bis zu ihrem Quartier gesperrt worden waren.

Hinter Ti´Maran betrat Kunanga das Quartier der Romulanerin. Wie nicht anders zu erwarten, war es spartanisch eingerichtet. Der einzige persönliche Gegenstand, den der Afrikaner bei seinem ersten flüchtigen Rundblick sofort identifizierte, war ein kleiner Holo-Projektor, der auf einem Arbeitstisch, im hinteren Bereich des Wohnraums stand. Er hatte, als sie noch miteinander liiert waren, und er, auf Romulus, zusammen mit Ti´Maran ein Quartier, am Rande der Goldmeerklippen, bewohnt hatte, auf dem Schreibtisch ihres gemeinsamen Wohnbereiches gestanden.

Ti´Maran schritt hinter den Arbeitstisch und meinte: „Treten Sie näher, Com...“

„Schluss, mit dieser Scharade!“, fuhr Namoro Kunanga der Romulanerin, wider seiner Natur, in die Parade. Für gewöhnlich galt er als so sanftmütig, wie ein alter Bernhardiner, doch auch seine Sanftmut hatte seine Grenzen. „Ich werde nicht länger so tun, als würden wir uns nicht kennen, und hätten nicht alles miteinander geteilt, was zwei...“

Kunanga war im Begriff gewesen Menschen zu sagen, doch er konnte sich lebhaft vorstellen, wie Ti´Maran darauf reagiert hätte. Darum sagte er, nach einer spürbaren Pause, etwas ruhiger: „Was zwei intelligente Wesen nur miteinander teilen können. Ich werde dich nicht länger Siezen, noch mit deinem militärischen Rang ansprechen. Falls du das hingegen für unabdingbar halten solltest: Bitte, nur zu.“

Etwas überrascht, wegen dieser heftigen Reaktion, brauchte Ti´Maran einen Moment, bis sie erwidern konnte: „Ganz, wie du willst, Namoro. Bedienen wir uns also dieser überholten Vertraulichkeiten. Doch das ändert nichts zwischen uns.“

Sich wieder einigermaßen beruhigend sah Kunanga der Romulanerin in die Augen. „Ich wünschte, du würdest das nicht als so endgültig darstellen, Ti´Maran.“

Kunanga entging nicht das kurze Aufblitzen in Ti´Marans Augen, als sie leicht ihre Augenbrauen hob. „Wenn ich mich recht entsinne, dann warst du es, der sich von mir getrennt hat, Namoro. War es nicht so? Du warst es, der es, wie waren doch gleich deine genauen Worte: unerträglich gefunden hat, was ich tat.“

Dagegen gab es für den Afrikaner kein Argument, denn es war tatsächlich er gewesen, der sich von Ti´Maran trennte, weil sie während der Shinzon-Krise offen mit diesem Renegaten, der die Menschheit hatte auslöschen wollen, sympathisiert hatte. Dabei hatte er gehofft, sie würde ihm diese Entscheidung irgendwie erklären können, so dass er sie verstehen konnte, doch das war nicht geschehen. Ganz im Gegenteil, sie hatte ihm unverblümt gesagt, es wäre eine interne Angelegenheit gewesen, die nichts mit seiner Person zu tun gehabt habe. Doch wie hätte er die geplante Auslöschung seiner Spezies als eine interne Angelegenheit ansehen können? Enttäuscht von Ti´Maran hatte sich Kunanga, im Zuge dieser Entwicklung, von Romulus zur Erde versetzen lassen.

Namoro Kunanga nickte und machte eine fahrige Geste mit einer seiner großen Hände. „Was hattest du denn erwartet? Dass ich es begrüße, wenn du dich offen auf die Seite eines potentiellen Massenmörders stellst, der den Genozid an meinem Volk versucht? Das hast du doch nicht ernsthaft von mir erwartet? Shinzon von Remus hatte vor, die gesamte Bevölkerung der Erde auszulöschen!“

„Du hast mir nie die Gelegenheit gegeben, dir das alles genau zu erklären!“, fuhr die Romulanerin ihr Gegenüber überraschend, laut und hitzig, an. „Du hast mich einfach verlassen, ohne mir die geringste Chance zu geben, dir zu erklären, dass ich von dieser Absicht weder etwas gewusst, noch geahnt habe! Und nicht nur mich hast du dabei verlassen, Commander Namoro Kunanga, sondern...!“

Namoro sah Ti´Maran halb konsterniert, halb überrascht an. Sie hatte noch etwas sagen wollen, das spürte Kunanga, doch sie biss sich auf die Unterlippe, so als würde sie bedauern, was ihr zum Ende hin entfahren war. Der Afrikaner beobachtete Ti´Maran, die sich bemühte ihre Haltung wiederzufinden. Er versuchte, sich zusammenzureimen, was hier wirklich vor sich ging. Dabei rief er sich nochmal ihre Worte ins Gedächtnis und erkundigte sich, um einen neutralen Tonfall bemüht: „Was meinst du mit: Und nicht nur mich?“

Ti´Maran schien einen inneren Kampf mit sich auszufechten. Halb wütend, halb trotzig überlegend sah sie den Afrikaner an. Schließlich traf sie eine Entscheidung. Sie aktivierte stumm den Holo-Projektor und drehte ihn um 180 Grad.

Namoro Kunanga erkannte beinahe augenblicklich dass es sich bei der abgebildeten Person um Ti´Maran handelte. Es musste eine Aufnahme sein, die nach ihrer Trennung gemacht worden war, denn sie trug ihr Haar, über der Stirn, geringfügig kürzer, als zu jener Zeit. Seine Augen weiteten sich beim Anblick des Hologramms ungläubig. Doch nicht wegen Ti´Maran, sondern wegen des Kindes, in ihren Armen. Es konnte kaum älter als zwei irdische Jahre alt sein. Eine unverkennbare Ähnlichkeit zwischen Ti´Maran und dem Kind war zweifellos vorhanden. Obwohl es eine auffallend dunkleren Teint besaß. Es dauerte dennoch einen sehr langen Moment, bis Namoro Kunanga endlich begriff.

Als er, mit einem maßlos überraschten Ausdruck auf dem Gesicht, endlich wieder zu Ti´Maran sah, erkannte er in ihrem Blick, dass seine Vermutung zutraf. Von der Romulanerin zum Hologramm und wieder zurück sehend fragte er schließlich leise: „Das Kind dort, in deinen Armen. Es ist von uns beiden, nicht wahr, Ti´Maran? Aber… Aber wieso hast du nicht über das Konsulat auf Romulus Kontakt zu mir aufgenommen? Ich konnte doch nicht ahnen, dass du...“

„Te´Nival ist meine Tochter! Ich wollte nicht, dass du aus Mitleid zurück kommst, Namoro. Das hätte ich nicht ertragen. Jetzt sollst du lediglich wissen, dass es sie gibt. Meine Tochter wird als Romulanerin aufwachsen. Sie soll nicht ein Teil von deinem Leben werden.“

Wie betäubt nahm Namoro Kunanga die Worte der Romulanerin auf. Er hatte mit Vielem gerechnet, als er dieses Raumschiff betreten hatte, doch nichts hatte ihn auf diese Nachricht vorbereiten. Endlich sah er Ti´Maran wieder an und deutete dabei auf das Hologramm. „Das kannst du nicht ernst meinen. Bitte lass uns in aller Ruhe über all das reden, Ti´Maran. Wenn du mich aus ihrem Leben ausschließt, dann hat das ganz sicher keine guten Auswirkungen, und das weißt du auch. Ich würde sie gerne irgendwann kennenlernen.“

„Nein!“

Dieses eine, kalte Wort der Romulanerin wirkte auf Namoro Kunanga wie eine schallende Ohrfeige.

„Zumindest nicht in der nächsten Zeit, Namoro. Ich hatte gehofft, dass dieses Treffen einfacher für mich sein würde, doch momentan weiß ich gar nichts mehr. Ich spüre gegenwärtig nur diesen heißen Zorn in mir, den ich längst überwunden glaubte. Wenn ich dem in naher Zukunft zustimmen würde, dann könnte ich vermutlich für nichts garantieren.“

Namoro Kunanga spürte das Verlangen in sich aufsteigen, Ti´Maran umzustimmen, doch ihre zu Fäusten geballten Hände und ihre gesamte Haltung sagten ihm, dass das keine gute Idee sein würde. Vielleicht war das sogar gut, denn er selbst musste zunächst einmal mit dieser Nachricht klarkommen. Darum sagte er endlich resignierend: „Vielleicht ist es wirklich besser, wenn wir noch damit warten. Doch darüber sprechen müssen wir irgendwann, und ich hoffe aufrichtig, dass wir das wirklich tun werden. Ohne blinden Hass.“

Ti´Maran fühlte sich innerlich hin und her gerissen. Fast wäre es ihr lieber gewesen, wenn Namoro weniger verständnisvoll reagiert hätte. Im Moment hätte sie sich am liebsten auf ihn gestürzt und wild auf ihn eingeschlagen. Der Moment verging und kühl erklärte sie: „Es ist wohl das Beste, wenn ich dich zur Station zurückbringe.“

Ungewohnt hastig erwiderte Namoro Kunanga: „Hast du noch mehr Holo-Bilder von deiner Tochter? Zumindest die könntest du mir doch zeigen. Bitte, Ti´Maran.“

Ti´Maran wollte zunächst auch das unterbinden, doch etwas in den seltsam feucht schimmernden Augen des Mannes, den sie einmal heiß und innig, mit aller Leidenschaft zu der sie fähig war, geliebt hatte, hielt sie davon ab. Sie schluckte trocken und antwortete mit kratziger Stimme: „Ja, da sind noch zwei weitere Hologramme.“

Die romulanische Frau nahm eine weitere Einstellung an dem Projektor vor, und in kurzem Abstand entstanden hintereinander zwei weitere Hologramme des kleinen Mädchens.

Der Hüne hatte Mühe seine Haltung zu wahren, beim Anblick seiner Tochter, von der er bislang nichts geahnt hatte. Tief durchatmend bekam er seine Ergriffenheit wieder unter Kontrolle und sagte leise: „Sie ist wunderschön, Ti´Maran. Was bedeutet ihr Name?“

Die Augenlider der Romulanerin verengten sich etwas. „Te´Nival ist der Name einer alt-romulanischen Heldin. Der Name bedeutet: Die den Sieg in ihrem Herzen trägt.“

Namoro Kunanga nickte anerkennend, schwieg jedoch. In seinem Innern tobte momentan ein emotionaler Vulkan, und nur sehr langsam begannen sich seine durcheinander wirbelnden Gedanken allmählich wieder zu ordnen.

Für einige Augenblicke sahen sie sich abwartend an, bevor sich Ti´Maran abrupt von ihrem Platz erhob und bestimmt, jetzt wieder mit jenem kühlen Unterton, der den Afrikaner deprimierte, sagte: „Es wird das Beste sein, wenn ich dich jetzt wieder zur Station bringe.“

„Ja, das wird es wohl“, gab Kunanga zurück, wobei ihm die Niedergeschlagenheit deutlich ins Gesicht geschrieben stand. Mit einer solchen extremen Entwicklung der Dinge hätte er noch vor wenigen Stunden, nicht im Entferntesten gerechnet, und er fragte sich, währen sie sich auf den Rückweg zum Shuttle-Hangar des Kreuzers machten, wie er zukünftig einen halbwegs vernünftigen Ausweg aus dieser total verfahrenen Situation finden konnte. Einen Ausweg, der ein kleines Mädchen namens Te´Nival nicht vollkommen aus seinem zukünftigen Leben ausschließen würde.

Vorbereitungen


 

5.
 

Vorbereitungen
 

STRATEGICAL STARBASE 71

Sternenzeit: 58974.2

Im Forlan-System
 

Etwa zu derselben Zeit verließen drei andorianische Wesen das Flaggschiff des andorianischen Kampfverbandes und wurden von Commander Tan´Loran Dharas in Empfang genommen. Der hagere Erste Offizier der LIGHTSPEED führte die Gruppe unauffällig, durch weniger frequentierte Nebengänge der Station, zu einem der etwas abseits gelegenen Turbolifts. In der Kabine des Turbolifts nahm sich Dharas die Zeit, die vier angehörigen seiner Spezies eingehend zu mustern.

Das Geheimkommando, wie Tar´Kyren Dheran es, ihm gegenüber, genannt hatte, bestand aus einem Andorianer, der etwa sechzig irdische Jahre alt war, einer Andorianerin, in etwa demselben Alter, und einer noch sehr jungen Andorianerin, die kaum älter sein konnte, als vier irdische Jahre. Unverkennbar war ihre noch helle, grünblaue Hautfarbe.

Dharas lächelte bei dem Gedanken daran, dass Torias Tarun in diesem Moment durch den Besuch von General Tar´Veron Talev, in der Begleitung von Captain Tar´Kyren Dherans Vater, daran gehindert wurde, ihnen zufällig auf der Station zu begegnen. Die Wahrscheinlichkeit dafür hätte zwar ohnehin nicht sehr hoch gelegen, aber Commander Sheralan hatte darauf bestanden, nichts dem Zufall zu überlassen.

Tia´Vareni Sheralan selbst würde, laut Plan, in diesem Moment Commodore Carey in ihrem Büro binden, damit auch sie ihnen nicht in die Quere kommen konnte. Der Plan war wasserdicht, wie manche Menschen so gerne zu sagen pflegten.

Die Andorianerin hatte auf der U.S.S. ARIES gedient, bis das Raumschiff, bei der Schlacht um Qo´noS, vor rund einem Jahr, irreparabel beschädigt worden war. Danach war sie zur Sicherheit des Flaggschiffs ENDEAVOUR gewechselt. Doch es gab Gerüchte, dass Enrom Tolaron zum Jahresende seinen Posten aufgeben, und nach Romulus zurückkehren würde, und dass dann Tia´Vareni Sheralan an seine Stelle treten sollte. Im Zuge dessen hatten Commodore Carey und sie zweifellos im Vorfeld genug zu besprechen, so dass ihre heutige, etwas längere Sitzung bei dem Commodore nicht weiter auffallen würde.

Tan´Loran Dharas gefiel seine Rolle bei dieser streng geheimen Operation. Einerseits hielt er es für geraten, seine Kenntnisse und Fähigkeiten, hin und wieder, ernsthaft unter Beweis zu stellen, und andererseits hatte es ein Unternehmen, wie das bevorstehende, bestimmt seit über einhundert Jahren nicht mehr gegeben, innerhalb der Föderation. Zweifellos gehörte es zur militärischen Königsdisziplin, unbemerkt einige Schlüsselfiguren, die normalerweise nichts auf dieser Station zu suchen hatten, unbemerkt an Bord zu bringen und, falls der Plan funktionierte, obendrein den Kommandeur der Fünften Taktischen Flotte, unter den Augen seines Sicherheitschefs, unbemerkt zu entführen.

Dabei war Commander Dharas weit davon entfernt, die Fähigkeiten eines Sub-Commanders Enrom Tolaron zu unterschätzen. Doch andererseits kannte er die Teilnehmer an der Operation Christkind, und er vertraute auf deren Fähigkeiten noch um Einiges mehr.

Unangefochten, ganz so, wie es Dharas erhofft hatte, erreichten er, und seine drei Begleiter das Quartier, dass einer seiner Mitverschwörer bei Lieutenant Carmelita Morales reserviert hatte – angeblich für einen der hochrangigen andorianischen Offiziere des kürzlich eingetroffenen Kampfverbandes.

Dharas lächelte flüchtig und sagte mit unterdrückter Stimme zu dem männlichen Andorianer: „Ich bin nur froh, dass die Reservierung des Quartiers, bei Lieutenant Lita Morales, keine Probleme bereitet hat.“

Der angesprochene Andorianer sah fragend zum Commander. „Warum? Könnte diese Frau etwas ahnen und Schwierigkeiten heraufbeschwören?“

Dharas lächelte, beinahe versonnen. „Nein, das denke ich nicht. Aber ich habe diese Frau mal, mit einem Entlausungsmittel-Zerstäuber, hinter einem Pakled her rennen sehen. Der hatte es mit den Hygienevorschriften der Station wohl nicht allzu genau genommen. Das war ein Bild, das man nicht so schnell wieder vergisst, und wenn man solchen Menschen um sich hat, dann kann einfach Alles passieren. Selbst das schier Unmögliche.“

Dharas´ zwei erwachsene Begleiter schmunzelten bei der Vorstellung, während das Andorianer-Mädchen keine Reaktion zeigte. Sie hielt ein Stofftier in ihren kleinen Händen und war offensichtlich in ihrer eigenen Welt versunken. In der Welt der Kinder.

Für einen kurzen Moment kam Dharas, beim Anblick des kleinen Mädchens, der schwermütige Gedanke, dass er vielleicht etwas Kostbares verloren hatte – irgendwann, an der Schwelle, zwischen Kindheit und Erwachsensein.

Dieser Gedanke verschwand so schnell, wie er gekommen war, als der Commander seinem Begleiter bedeutete, seine Hand auf den Schwingungstaster zu legen, und dabei gleichzeitig den Öffnungscode eintippte. Als sich das Schott vor ihnen teilte, deutete Dharas ins Innere und sagte: „Im Quartier finden Sie alles, was Sie benötigen werden, in den nächsten sechsunddreißig Stunden. Commander Sheralan wird Sie abholen, wenn es soweit ist – bis dahin hat sie noch sehr viel vorzubereiten. Leider wird es ihr nicht möglich sein, sie vorher zu besuchen, doch ich soll Ihnen ausrichten, dass ihr Herz bei Ihnen ist.“

Dharas und die beiden erwachsenen Andorianer nickten ihm zu, und der Commander lächelte flüchtig, als das Mädchen ihm zum Abschied zuwinkte.

Nachdem sich das Schott wieder geschlossen hatte, und Tan´Loran Dharas sich auf den Rückweg machte, wirkte er nachdenklich. Er hatte sich bisher kaum Gedanken gemacht um Ehe oder Familienplanung. Der Dienst nahm ihn in Anspruch. Doch nun fragte sich Dharas überlegend, ob das nicht vielleicht ein Fehler gewesen war. Doch sehr schnell schüttelte der Andorianer diese Gedanken ab und aktivierte seinen Kommunikator, um an Commander Sheralan die fingierte Meldung abzusetzen, dass ihre Anwesenheit, an Bord der ENDEAVOUR, benötigt wurde.

Tia´Vareni Sheralan würde in demselben Moment wissen, dass das andorianische Geheimkommando nun sicher an Bord der Station war. Dabei fragte sich Dharas, wie das Gespräch, zwischen den beiden andorianischen Generalen und Admiral Torias Tarun wohl verlaufen sein mochte.
 

* * *
 

Admiral Torias Tarun lachte schallend, nachdem Den´Lyran Dheran ihm die Anekdote vom Auffinden und anschließenden Verschwinden des Eisbrandy-Jahrgangs 2373 erzählte hatte. Als er sich wieder beruhigte, meinte er: „Schade, dass ich das nicht miterleben durfte. Ich kann mir lebhaft vorstellen, welche Überraschung das war, General Dheran.“

Vor einer halben Stunde waren General außer Dienst, Den´Lyran Dheran und General Vierter Verbandsgröße, Tar´Veron Talev, von einer Ordonanz in das Büro des Kommandierenden Admirals der Fünften Taktischen Flotte geleitet worden. Dheran Senior hatte dabei dem Admiral ein Päckchen überreicht, und seit einigen Momenten ahnte der Trill, was sich darin befand: Eine hochprozentige Kostbarkeit.

Tar´Kyren Dherans Vater bestätigte die Vermutung des Admirals, indem er bedeutungsvoll auf das Päckchen zeigte und erklärte: „Es wird Sie vielleicht freuen, zu erfahren, dass einige Flaschen dieses Jahrgangs immer noch vorhanden sind.“

Das Gesicht des Trill sprach Bände.

Tar´Veron Talev, der sich bisher weitgehend zurückgehalten hatte, beugte sich in seinem Sessel etwas vor und warf ein: „Leider war der anschließende Bodenkampf gegen die Jem´Hadar nicht ganz so amüsant. Die Sternenflotte war weitgehend gebunden und ich war seinerzeit froh, dass der Andorianische Botschafter Shras, bei der Gründung der Föderation auf den Militärischen Sonderstatus von Andoria bestanden hat. Ohne unsere kleine, aber schlagkräftige Flotte, und ohne unsere Garde, und die Kommandoeinheiten, hätte es damals sehr böse ausgesehen, für unsere Heimat. Durch sie konnten wir eine Besetzung, wie die von Betazed, verhindern.“

Der Admiral nickte in Gedanken. „Ja, das waren schwere Zeiten, General. Ich hoffe, dass der unselige Krieg gegen die Außenwelten-Allianz bald beendet sein wird, und dass wir danach solche Zeiten nie wieder erleben müssen.“

„Das könnte sich als schwieriger erweisen, als wir bisher dachten, Admiral.“

Torias Tarun sah überrascht zu Den´Lyran Dheran. „Was meinen Sie damit?“

Das Gesicht des Generals außer Dienst wurde eine Spur ernster. „Mehrere Leichte Kreuzer der Andorianischen Garde haben, auf meine Empfehlung hin, in den letzten Monaten verschiedene geheime Aufklärungseinsätze geflogen. Bis an die Grenzen der Föderation. Dabei haben die Scanner dieser Raumschiffe mehrere unerklärliche Phänomene angemessen, die wir uns zunächst nicht erklären konnten. Doch nach dem Studium einiger alter Einsatzberichte der Crew von DEEP SPACE NINE und dem Vergleich verschiedener Scannerprotokolle die diesen Einsatzberichten zugeordnet waren, ist das Oberkommando der Andorianischen Imperialen Garde zu der Erkenntnis gelangt, dass es noch eine weitere Macht gibt, in diesem Krieg. Eine Macht, die sich uns bisher nicht offenbart hat. Aus einem guten Grund, würde ich sagen, denn die Scannerprotokolle stammten von interdimensionalen Transfers. Zwischen unserem Universum und dem berüchtigten Spiegeluniversum.“

Das Gesicht des Trill wirkte versteinert, bei Dherans Worten, doch er wirkte weniger überrascht, als der Andorianer es zuvor vermutet hätte. Nach einem Moment fragte Dheran deshalb: „Sie sind nicht überrascht wegen dieser Erkenntnis, wie mir scheint?“

Tarun verschränkte unbewusst die Finger seine Hände. „Ihr Eindruck trügt nicht, General. Vor etwas mehr als einem halben Jahr war ihr Sohn an zwei Einsätzen beteiligt, die einen Verdacht in diese Richtung in mir wachgerufen haben. Im Sommer kam es im Farrolan-System, nur fünfzig Lichtjahre von hier, zur Havarie eines unserer Forschungsschiffe. Die VALKYRIE, ein Raumschiff der EXCELSIOR-KLASSE war von Admiral Sherman höchst selbst in diesen Sektor beordert worden. Bis heute ist unklar, was der Admiral dort zu finden hoffte. Ich schickte seinerzeit, nach der Rettung der VALKYRIE vor angreifenden Tzenkethi-Kriegsschiffen, die ICICLE hin, um weitere Nachforschungen dort anstellen zu lassen. Dabei fand ein Außenteam eine verborgene Basis mit riesigen Anlagen, von denen der Wissenschaftsoffizier der ICICLE in seinem Bericht behauptet, sie könne zum interdimensionalen Übergang größerer Objekte gedient haben.“

„Sie sprechen von Raumschiffen?“, erkundigte sich Talev.

Tarun nickte in Richtung des Verbandskommandeurs. „Das ist richtig, General Talev. Der besagte Wissenschaftsoffizier ist zwar ein ziemlich schräger Vogel, aber seine fachliche Kompetenz ist unbestritten. Ich vertraue dessen Expertise. Es wäre also nicht undenkbar, dass das Terranische Imperium die Fäden dieses Krieges zieht. Je mehr ich darüber nachdenke, desto wahrscheinlicher wird diese Theorie, und wenn sie sich als wahr entpuppt, dann haben wir es in diesem Konflikt mit einer Macht zu tun, die wesentlich gefährlicher ist, als es die gesamte Außenwelt-Allianz, bestehend aus Gorn, Tzenkethi, Shelliak, Talarianern und Tholians, je sein könnte. Das ist der Hauptgrund dafür, warum ich im letzten Monat auf der Erde war, und beim Oberkommando der Sternenflotte darauf gedrängt habe, dass der ursprüngliche Allianzvertrag für die Taktischen Flotten von Ihrem Volk, den Romulanern und den Klingonen erfüllt wird. Zumindest für diesen Sektor. Darum habe ich auch alle Schiffe der Fünften Taktischen Flotte, die bisher zu Unterstützungsaufgaben abgestellt waren, in das Forlan-System zurück beordert.“

„Rechnen Sie mit einem unmittelbaren Angriff?“, warf Tar´Veron Talev ein.

„Nein, General.“ Tarun lehnte sich etwas entspannter, als bisher, in seinem Sessel zurück. „Ich rechne gegenwärtig noch nicht mit einer groß angelegten Invasion aus dem Spiegeluniversum. Doch ich will vorbereitet sein, und unsere Kräfte konzentriert und aufeinander eingespielt wissen, wenn es soweit ist. Darum strukturiere ich die Fünfte zur Zeit um, und lasse die Flotte, von meiner Stellvertreterin in Teilverbände splitten. Aus diesem Grund werde ich fünf meiner besten Captains in den Rang eines Commodore befördern.“

Der Trill lächelte bei den aufmerksamen Blicken von Den´Lyran Dheran hintergründig und meinte, ihm zugewandt: „Ihr Sohn ist übrigens unter diesen fünf Captains.“

„Das wird Ihr Kommando nicht leichter machen, fürchte ich.“ Den Lyran Dherans Antennen bewegten sich bei diesen Worten schnell zur Seite und richteten sich gleich darauf wieder auf.

Torias Tarun wusste um die Bedeutung dieser Antennenbewegung. Außerdem erkannte er, trotz der humorigen Worte des Andorianers, den Stolz auf seinen Sohn.

„Das ist es jetzt schon nicht“, gab Tarun trocken zurück. Dann veränderte sich der Tonfall des Trills, als er bat: „Bitte sagen Sie ihrem Sohn nichts davon, ich will ihn damit selbst überraschen, wenn es soweit ist.“

Während Dheran eine zustimmende Geste machte, kam Talev wieder auf die militärischen Aspekte des Treffens zu sprechen. „wollen Sie die alliierten Verbände ebenfalls zu einem Teilverband zusammenfassen, oder sollen sie getrennt operieren?“

Der Admiral beugte sich wieder im Sessel vor. „Ich halte es für sinnvoll, den Klingon-Verband autark operieren zu lassen. Er ist sicherlich eingespielt, und das ist ein größerer Vorteil, als ihn in die Hierarchie der Sternenflotte zu pressen. Außerdem gibt es auf diese Weise kein Gerangel wegen der Kommandostruktur. Denn ich glaube nicht, dass ein klingonischer Brigadegeneral, adeliger Abstammung, sich etwas von einem Sternenflotten-Commodore befehlen lässt. Dafür werde ich Ihren Verband mit den Romulanern zusammen spannen. Mal abwarten, wie gut oder schlecht das klappt.“

Tar´Veron Talev wirkte bei diesen Worten wenig begeistert, wie Tarun feststellte. Doch das war nebensächlich. Bei einem Blick auf den Wandchronograph erhob sich der Trill. „Das wäre soweit alles, meine Herren. Wir sehen uns später noch. In einigen Minuten erwarte ich den Befehlshaber des klingonischen Verbandes.“

Die beiden Andorianer verstanden den Wink und erhoben sich ebenfalls. Nachdem sie sich von Torias Tarun verabschiedet, und sein Büro verlassen hatte, schritt der Trill hinter seinen Arbeitstisch und ließ sich schwer in den Arbeitssessel fallen. Dabei murmelte er, zu sich selbst: „Das war der leichtere Teil, fürchte ich.“
 

* * *
 

Pünktlich zur festgelegten Zeit erschien Brigadier Karenn von Ademak aus dem Haus Kran´Talrak, im Büro von Admiral Tarun.

Der Trill sah an dem hochgewachsenen Klingon vorbei zum efrosianischen Commander No´Leen Ra Taragenar, dem XO der Station, und gab dem Weißhaarigen durch eine knappe Geste zu verstehen, sich zurückzuziehen.

Dabei erhob sich Tarun aus seinem Sessel, wobei er feststellte, dass ihn der finster dreinblickende Klingon um gut eine Kopfeslänge überragte. In den Schultern mochte er ebenfalls ein gutes Stück breiter sein.

Karenn von Ademak, in seiner gesamten Haltung den Stolz ausdrückend, der seinem Volk zu eigen war, stapfte, hoch aufgerichtet auf den Arbeitstisch des Admirals zu.

Admiral Tarun wollte bereits seine rechte Hand zur Faust ballen, und sich gegen die Brust schlagen, doch er kam nicht dazu. Denn kaum hatte sich der Klingon vor dem Arbeitstisch des Admirals aufgebaut schlug er mit beiden Fäusten so fest auf die Platte des Arbeitstisches, dass alle Dinge darauf einen kleinen Hüpfer in die Luft machten und klirrend wieder zurück fielen. Im nächsten Augenblick brüllte er Tarun an: „Was fällt Ihnen ein, mich gleich bei meiner Ankunft zweimal tödlich zu beleidigen, Sie Vach´kroltan! Zuerst unterstellen Sie mir, dass ich zur Schreckhaftigkeit neige, und dann lassen Sie nur elf, statt der mir, als Sonderbotschafter, zustehenden neunzehn Salutschüsse feuern! Wären wir nicht Alliierte, Admiral, dann würde ich Ihnen jetzt, mit bloßen Händen, die Bauchdecke durchstoßen, Ihre Wirbelsäule packen, und mal kräftig daran rütteln!“

Nur für einen kurzen Augenblick war Tarun schockiert. Dann fand er zu seiner inneren Gelassenheit zurück. Die Arme vor der Brust verschränkend, statt die typisch klingonische Begrüßung durchführend, wie er es eigentlich vorgehabt hatte, entgegnete er seelenruhig: „Ich freue mich auch darüber, Sie zu begrüßen, Brigadier Karenn von Ademak. Der Salut erklärt sich aus der Tatsache, dass Ihr Status, als Sonderbotschafter, bisher noch nicht bestätigt wurde. Für den verbalen Fauxpas meinerseits bitte ich Sie um Entschuldigung, Brigadier. Es lag nicht in meiner Absicht, Sie, oder das Volk der Klingonen, zu beleidigen.“

„Da haben wir es doch schon wieder!“, grollte der schwarzhaarige Hüne erneut. „Wie ich bereits beim Anflug sagte, ist für mein Volk offiziell wieder der alt-klingonische Begriff Klingons in Umlauf. Und da wagen Sie es, den Unwissenden zu spielen!“

Damit zog der Klingon ein Daten-PADD aus der Innentasche seiner Uniform und warf es wütend auf die Platte des Arbeitstisches. „Das bereits erwähnte Manifest!“

Ein Funkeln lag im Blick des Trills, als das PADD schlitternd an der Tischkante zum halten kam, bevor es hinunter auf den Boden fallen konnte. Nur einen Moment später stützte sich der Trill, mit beiden Händen auf der Tischplatte ab, beugte sich zu dem Klingon vor und brüllte in derselben Lautstärke, wie er zuvor: „Jetzt hören Sie mir mal zu, Brigadier! Das war das erste und das letzte Mal, dass Sie sich in diesem Büro, und in meiner Gegenwart, derart barbarisch aufgeführt haben! Andernfalls lasse ich sie hochkant von der Station werfen, und bei Kanzler Martok einen anderen Verbands-Kommandeur anfordern, damit Sie im Bilde sind! Außerdem weise ich Sie darauf hin, dass Sie ab sofort unter meinem Kommando stehen, und ich werde weder Disziplinlosigkeit, noch Insubordination tolerieren! Und jetzt machen Sie, dass Sie aus meinem Büro verschwinden, oder ich lasse Sie in die Brig werfen, egal welchen Titel Sie bekleiden, Brigadier!“

Der starren Miene des Klingons war nicht zu entnehmen, ob ihn dieser Auftritt des Admirals beeindruckt hatte. Er erwiderte jedoch nichts, sondern wandte sich von dem Trill ab, dessen Gesicht krebsrot geworden war. Mit raumgreifenden Schritten durchquerte er das weite Rund des Kommandozentrums der Strategischen Sternenbasis. Er ignorierte dabei die fassungslosen Blicke der Anwesenden, die den gebrüllten Teil der Unterhaltung mitbekommen hatten, stieg in die Kabine des nächsten Turbolifts und fuhr zu dem Deck hinunter, auf dem das Quartier lag, dass man ihm zugewiesen hatte.

Als Karenn von Ademak die Kabine des Turbolifts verließ und eilig durch die weiten, weißen Gänge der Station schritt, stellte er mit Befriedigung fest, dass ihm die Anwesenden, teils respektvoll, teils aus gesunder Vorsicht, aus dem Weg gingen, sobald er herankam.

Ohne zu zögern betrat er sein Quartier auf dieser Station, als er es erreicht hatte. Er hatte darauf verzichtet sich einzurichten, bevor er zu Tarun gegangen war, und das gedachte Karenn von Ademak nun nachzuholen. Er verteilte seine Habseligkeiten, die er von seinem Flaggschiff mit her gebracht hatte.

Zuletzt förderte er, im Gegensatz zu den anderen Gegenständen, die er im Wohnraum des Quartiers verteilt hatte, beinahe übervorsichtig, einen dreieckigen Gegenstand zutage, der sich als sehr kostbares Klin-Zha Spielfeld entpuppte.

Das Klin-Zha war ein klingonisches Strategiespiel - in seiner Grundkonzeption ähnlich wie Schach. Es gab dabei nicht nur vielerlei Arten von Brettern und Spielsteinen, sondern auch elektronische Spielsets. Dabei kam dem Klin-Zha Kinta, ein Spiel mit lebendigen Spielfiguren - das bei den Jahresspielen Anwendung fand - eine besondere Bedeutung zu. Das Spielen mit lebendigen Figuren zu den Jahresspielen benötigte allerdings ein etwas modifiziertes Regelwerk, da es auf einem dreidimensionalen Spielfeld mit neun Ebenen gespielt wurde, welches die Form einer dreiseitigen Pyramide besaß. Mit insgesamt 285 Spielfeldern, statt der traditionellen 81 Spielfelder für die Offenen Varianten.

Die Farbgebung der Figuren war, seit der Erfindung dieses Spiels, traditionell grün bzw. Gold. Das galt auch für die Uniformen der lebenden Figuren des Klin-Zha Kinta bei den Jahresspielen. Die Spielzüge der Teams beim Klin-Zha Kinta wurden üblicherweise von besonders befähigten Spielern, deren Spielkünste mit dem eines Großmeisters im Schach gleichgesetzt werden konnten, durchgeführt. Klingons, die ein Team bei den Jahresspielen lenken, trugen zumeist den Ehrentitel: Gedankenadmiral.

Das Ziel des Spiels war es, dem Gegner die Flagge wegzunehmen, oder es dem gegnerischen Spieler unmöglich zu machen, einen weiteren erlaubten Zug durchzuführen.

Karenn blickte beinahe andächtig auf das Klin-Zha Brett, aus einem schwarzen Edelholz seiner Heimatwelt Qo´noS. Im Gegensatz zu den Spielfeldern eines Schachbretts waren hier alle Felder in derselben Farbe gehalten. Nur ein feines, goldenes Gitter unterteilte das Brett in neun Dreiecke pro Seite, was in der Summe eben zu einer Anzahl von 81 Spielfeldern für die zweidimensionalen Varianten führt.

Nachdem Karenn von Ademak das Spielfeld auf dem niedrigen Couchtisch der Sitzecke positioniert hatte, holte er die Spielfiguren, gefertigt aus goldenem und grünem Metall, zum Vorschein und baute sie vor sich auf. Jede Seite besaß bei diesem Spiel neun Spielfiguren und eine Flagge. Ein komplettes Set besaß dabei 27 Spielfiguren und 3 Flaggen. Neun in Grün, neun in Gold und neun mit gemischten Farben für das reflektive Spiel, plus 3 Flaggen der entsprechenden Farben.

Karenn begann, nach einer geraumen Weile, während der er die Figuren nur nacheinander angesehen hatte, die kostbaren Spielfiguren auf das Feld zu verteilen, jede Farbe in ihrer eigenen Ecke. Die Flaggen zuerst, danach für jede Farbe einen Blockierer, drei Wächter, zwei Flieger, einen Läufer, einen Lanzenträger, und die wichtigste Spielfigur von allen – den Fechter. Dabei entspannte sich das Gesicht des Klingon für einen kurzen Moment, denn er selbst hatte, vor vielen Jahren, als Fechter, an den Jahresspielen teilgenommen.

Der kurze Moment verging, und Karenn von Ademak sah auf die Aufstellung.

Die Ursprünge und Charakteristika der Figuren stammen beim Klin-Zha, gleichfalls wie beim Schach, eindeutig von den verschiedenen Truppengattungen der Soldaten auf dem Schlachtfeld vergangener Generationen ab, als noch kein Klingon zu den nackten Sternen gereist war. Karenn von Ademak sah, wie viele Klingons seiner Generation, wesentlich mehr im Klin-Zha, als einen aristokratischen Zeitvertreib. Nach seiner Auffassung lehrte Klin-Zha einen Klingon strategisch zu denken. Es war im 24. Jahrhundert nicht mehr, wie in früherer Zeit, auf die oberen Klassen beschränkt. Sogar die Kinder in Häusern die keiner Linie angehören spielen das Spiel gegenwärtig. Es bliebt dabei taktisch und berechnend - und doch voll vom Geist und der Sitte jener Leute, die es erfunden hatten. Wenn es nicht so gewesen wäre, hätte es seinen ehrenvollen Stellenwert in der klingonischen Kultur nicht halten können, da Klingons Triumph und Sieg nur dann schätzten, wenn sie aus persönlichem Mut, aus Ehre und Initiative hervor gingen.

Jedoch glaubten, anders als zu früheren Zeiten, nur noch sehr wenige Klingons an das Komerex-Zha – an das Ewige Spiel. Menschen bezeichneten das Komerex-Zha als Vorhersehung oder auch als Schicksal. Manche nannten es schlicht Kismet.

Er, Karenn von Ademak, gehörte zu diesen Wenigen. Er war fest davon überzeugt, dass das Komerex-Zha den Weg jedes einzelnen Klingon bereits zu seiner Geburt kannte, und dass es lediglich in der Macht des Einzelnen stand, das Spiel anzunehmen, oder sich ihm zu verweigern. Wobei Letzteres das Endergebnis nicht beeinflusste, wie Karenn befand. Denn vor dem, was das Komerex-Zha einem Klingon zugedacht hatte, konnte er nicht fliehen.

Für Karenn von Ademak war es dabei keine Frage, dass dieses Prinzip auch für alle anderen Spezies galt, selbst für den anmaßenden Trill-Admiral. Heute hatte der Admiral eine gewisse Stärke an den Tag gelegt, die ihn etwas überrascht hatte. Doch was war morgen?

Karenn von Ademak hoffte, auf diese Frage schnell eine Antwort zu finden, denn nur einem starken Anführer würde er ehrenvoll folgen können, Befehle des Kanzlers hin oder her. Für ihn, dem Angehörigen eines starken, adeligen Hauses, gab es eine höhere Verpflichtung, als blinder Gehorsam gegenüber dem Hohen Kanzler.

Nachdenklich betrachtete Karenn von Ademak wieder das Klin-Zha Brett. Schließlich griff er zum goldenen Fechter und setzte ihn grollend vor - auf ein benachbartes Feld. Dann lehnte er sich im Sessel zurück, dachte zurück an sein Treffen mit Admiral Torias Tarun, und begann, nach einem kurzen Moment, dröhnend zu lachen.

Ein Admiral wird entführt


 

6.
 

Ein Admiral wird entführt
 

STRATEGICAL STARBASE 71

Sternenzeit: 58978.0

An Bord der USS ICICLE
 

Den gesamten gestrigen Tag hatte Commander Pasqualina Mancharella versucht, Beweise dafür zu finden, dass Sub-Commander Enrom Tolaron Unrecht hatte. Doch gegenwärtig war sie verunsicherter, als am Tag zuvor.

Seit dem seltsamen Zusammentreffen mit Enrom Tolaron hatten sie seine Worte verfolgt. Konnte es denn sein, dass der Romulaner wirklich Recht hatte? Zuerst hatte sie diese Frage mit einem rigorosen Nein beantwortet, doch dessen war sie sich heute längst nicht mehr so sicher, wie noch am gestrigen Tag. Denn tief in ihrem Innern spürte sie es – das ganz langsame Auseinanderdriften von Tar´Kyren und ihr selbst.

Nach der Rückkehr des Captains, vom Einsatz im Gamma-Quadrant hatte es begonnen. Er war als ein Anderer zurückgekehrt, das hatte sie sofort gespürt. Zunächst hatte sie geglaubt, es wäre der Tod einer Freundin gewesen, der ihn verändert hatte. Doch mittlerweile glaubte sie nicht mehr wirklich an diese Theorie. Da war noch etwas Anderes. Etwas viel weniger Greifbares.

Im Laufe der letzten Wochen hatten sie angefangen, sich voreinander zurückzuziehen. Diesen Prozess wollte sie nicht weiter zulassen, und darum war sie nun auf dem Weg zum Quartier des Andorianers. In etwa einer halben Stunde begann, nach gültiger Standard-Zeit der Föderation, der Heilige Abend. Vielleicht war das ein guter Zeitpunkt, um mit dem andorianischen Mann, den sie aufrichtig zu lieben glaubte, Frieden zu schließen, und sich ihm vielleicht wieder ein Stück weit anzunähern.

Dann richteten sich die Gedanken von Commander Mancharella auf ihren Disput mit Christian Sinemus. Sie bedauerte ihr Verhalten ihm gegenüber, und sie würde sich wohl, wenn sie sich das nächste mal trafen, bei ihm entschuldigen müssen, wie es schien.

Die Spanierin war so in Gedanken versunken, dass sie die Stimmen aus einem der Radialgänge erst hörte, als sie bereits nahe herangekommen waren. Die sonore Stimme Dherans war dabei unverkennbar. Warum schlich er zu dieser späten Stunde hier herum, statt in seinem Quartier zu sein?

Eilig, und so lautlos sie konnte, schlich sie zum Quergang zurück, den sie eben passiert hatte und verbarg sich in einer Nische, von der aus einige Jeffries-Röhren abzweigten. Vorsichtig lugte sie dabei um die Ecke, wobei sie sich für einen Moment lang ziemlich lächerlich vorkam.

Sie erhaschte einen kurzen Blick auf Dheran und glaubte, ihr Herz würde aussetzen, als sie in seiner Begleitung Commander Tia´Vareni Sheralan erkannte. Lächelnd plauderte sie mit dem Captain, und aus einem der Wortfetzen, die sie aufschnappte, glaubte sie das Wort Entführung identifizieren zu können. Aber wen wollten die beiden entführen?

Pasqualina Mancharella sagte sich, dass das keinen Sinn ergab. Gleichzeitig aber musste sie an Tolarons Worte denken. Was, wenn der Romulaner sich irrte, und Commander Sheralan sich aus ganz anderen Absichten mit Dheran traf?

Ihre Neugier war geweckt, und sie beschloss, den beiden andorianischen Offizieren zu folgen. Dabei fragte sie sich in Gedanken intensiv, was die Beiden vorhaben mochten, wenn nicht das, was Sub-Commander Enrom Tolaron vermutete.

Auf spitzen Sohlen eilte sie zur Gangecke und lugte vorsichtig herum. Sie kam gerade rechtzeitig, um mitzubekommen, dass sie in der Kabine des Turbolifts verschwanden.

Verflixt, wie soll ich denen folgen?, dachte die Spanierin fieberhaft. Ich weiß ja gar nicht, wo die hin wollen.

Doch dann fielen der XO der ICICLE wieder die Wortfetzen ein, die sie aufgeschnappt hatte. Die beiden würden garantiert niemanden der Besatzung entführen wollen. Also befanden sie sich auf dem Weg zur Andock-Schleuse.

Mit einem verwegenen Lächeln machte sich die Spanierin wieder auf den Weg. Sie wollte die beiden andorianischen Offiziere nicht verlieren.

Einen der anderen Turbolifts nutzend, damit sie den beiden Offizieren, denen sie auf den Fersen war, nicht zufällig in die blauen Arme lief, erreichte sie Deck-10, innerhalb der Primärhülle, und begab sich auf den Weg zur Steuerbordschleuse.

Bevor sie den Gang zur Schleuse erreicht hatte vernahm sie erneut die Stimmen der beiden Andorianer. Die meisten Besatzungsmitglieder hatten heute Dienstfrei, darum war auf dem Schiff auch so gut wie nichts los. Die Beiden wähnten sich offensichtlich allein in diesem Teil des Raumschiffs. Ihre Vermutung stimmte also – beide waren auf dem Weg, die ICICLE zu verlassen. Einmal mehr fragte sich Pasqualina Mancharella, welcher Admiral des Sternenflottenkommandos es wohl gewesen sein mochte, der einen so schrägen Humor besaß, dass er ein Raumschiff mit diesem Namen ausgerechnet einem Andorianer in die Hände gegeben hatte. Das konnte doch kein Zufall sein.

Auf der Station angekommen wandten sich die Andorianer zunächst nach links. Während ihnen die Spanierin folgte, wurde ihr bewusst, dass es schwer werden würde, sie in den Untiefen von STRATEGICAL STARBASE 71 nicht zu verlieren. Außerdem kannte sie sich hier nur sehr wenig aus. Schließlich fiel ihr etwas ein. Sie tippte auf ihren Kommunikator und flüsterte: „Sub-Commander Enrom Tolaron, hier Commander Pasqualina Mancharella, kommen.“

Danach wartete sie ungeduldig, dass sich der Romulaner melden mochte. Sie wusste durch ihn, dass er heute Nacht Dienst hatte, wobei sie weiterhin hinter den beiden Andorianern durch die leeren Gänge dieses Teils der Station schlich.

Es dauerte nicht lange, bis sich Tolaron meldete. „Was gibt es Commander?“

Kurz zögernd, meldete die Spanierin: „Sie müssen die Kommunikatoren von Captain Dheran und Commander Sheralan verfolgen, und mich durch die Station leiten. Beide haben vor einigen Augenblicken die Station betreten. Ich kenne mich auf der Station zu schlecht aus, um ihnen auf Dauer auf der Spur zu bleiben. Ich vermute, dass sie hier irgendetwas vorhaben. Aber nicht das, was Sie im Turbolift erwähnten. Das Wort Entführung fiel nämlich und vielleicht sind wir hier etwas ganz Anderem auf der Spur.“

„Gehen Sie auf Abstand, Commander, ich werde sie über den Kommunikator anweisen“, kam die geraunte Antwort. „Halten Sie mich auf dem Laufenden, was passiert.“

Tolaron war nicht dumm, wie die Spanierin zugeben musste. Der Romulaner wusste, dass momentan in den Gängen dieser Abteilung kaum etwas los war, und so würde eine zu laute Antwort die Aufmerksamkeit der Verfolgten erregen. Darüber hinaus schien er nicht sonderlich verwundert gewesen zu sein, aber vielleicht täuschte das. Wer konnte schon wissen, was sich in Tolarons Tal´Shiar-Gehirn wirklich abspielte.

Der Vorteil ihrer jetzigen Vorgehensweise war der, dass sie Tar´Kyren und Commander Sheralan nun nicht mehr in Sichtweite folgen musste. So ließ sie sich, relativ sicher unbemerkt zu bleiben, von Tolaron durch die Station leiten.

Pasqualina Mancharella benutzte zwei verschiedene Turbolifts und verfolgte einen etwas konfus anmutenden Kurs durch die Gänge der Station. Nur hier und da begegnete sie einem Besatzungsmitglied der Station. Zumeist niederrangige Dienstgrade.

Nach einer Weile kam von Tolaron die Weisung: „Werden sie langsamer Commander Mancharella. Ihr Captain und Miss Sheralan haben angehalten. Beim Quartier seines Vaters.“

Unsicher werdend erkundigte sich die Spanierin bei dem Romulaner: „Könnte das vielleicht doch auf eine rein private Party hinauslaufen, Sub-Commander?“

„Sie meinen, auf eine Entführungsparty?“, erkundigte sich Tolaron spitz.

Pasqualina Mancharella seufzte schwach. „Da habe ich was angefangen. Also schön, Sub-Commander, ich werde warten. Geben Sie Bescheid, wenn sich etwas tut.“

Schneller, als gedacht, meldete sich Tolaron wieder. „Commander, der Captain und Commander Sheralan setzen sich wieder in Bewegung. Ich habe einen Check der Kommunikatoren sämtlicher andorianischer Besatzungsmitglieder der Fünften Taktischen Flotte durchgeführt, und einige dieser Andorianer haben sich ebenfalls an diesem Treffpunkt aufgehalten. Andere versammeln sich in einem Quartier, dass kürzlich angeblich für einen Diplomaten reserviert wurde. Da sich die Gruppe um Dheran auf dem Weg zu Admiral Taruns Quartier befindet, vermute ich, dass er das Ziel der Entführung ist, und dass man ihn zunächst zu besagtem Quartier bringen wird. Ich leite Sie in die Nähe dieses angeblichen Diplomaten-Quartiers. Dort werden bald einige Leute der Stations-Sicherheit zu Ihnen stoßen. Warten Sie dort auf mich, ich unterrichte Commodore Carey von den Vorgängen und mache mich dann mit ihr ebenfalls auf den Weg.“

„Aber das ist doch...“ Pasqualina Mancharella unterbrach sich selbst und grübelte vor sich hin. War das wirklich so weit her geholt? Einen Fluch unterdrückend bestätigte sie und ließ sich von Tolaron erklären, welchen Weg sie einschlagen musste.

Am vorläufigen Ziel ihrer Exkursion durch die Weiten der Station angekommen musste sie nur zwei Minuten warten, bevor ein Trupp der Stationssicherheit – alle mit neuesten Typ-III-Phasergewehren bewaffnet – auf sie zu schritt. Offensichtlich hatte Tolaron darauf verzichtet, die MACO´s der Station zu involvieren und verließ sich dafür lieber auf seine eigenen Leute.

Der Lieutenant an der Spitze der gut zwei Dutzend Bewaffneten trat zu Commander Mancharella und reichte ihr einen Handphaser, der auf Betäubung eingestellt war. „Ein Gruß von Sub-Commander Tolaron.“

„Ganz reizend“, gab die Spanierin ironisch zurück.

Es dauerte nochmal einige Minuten, bis auch Tolaron und Commodore Christina Carey bei ihnen ankamen. Die Irin begab sich an die Seite der Spanierin und sagte: „Ich freue mich, dass Sie so umsichtig waren, den Sub-Commander zu unterrichten, Commander.“

Pasqualina Mancharella nickte abwesend. Vor einigen Wochen war sie mit dem Commodore zusammen gerasselt. Nicht zuletzt wegen Tar´Kyren. Doch die Stellvertretende Kommandeurin der Fünften Taktischen Flotte ließ sich nichts davon anmerken, was die Spanierin ihr in diesem Moment hoch anrechnete. Vielleicht war sie gar nicht so übel, solange nicht ein Tar´Kyren Dheran zwischen ihnen stand, überlegte sie. Dabei sah sie zu Tolaron, der über seinen Kommunikator mit seinem Stellvertreter im Kommandozentrum der Station, in Verbindung stand. Vermutlich wartete er auf das Signal zum losschlagen. Doch was würde danach passieren? Im Kopf der Spanierin begannen sich die Gedanken zu jagen.
 

* * *
 

Eine halbe Stunde zuvor hatte Lieutenant-Commander Sheralan das Quartier von Captain Tar´Kyren, auf der U.S.S. ICICLE, betreten. Sie hatten die letzten Schritte der Entführung von Admiral Tarun besprochen, bevor sie sich danach auf den Weg machten.

Sich unauffällig verhaltend schritten sie, Seite an Seite, durch die nächtlich leeren Gänge der riesigen Raumstation. Ihr erstes Ziel war das Quartier von Dherans Vater. Bei ihm wartete der kleine Kommandotrupp, der den Admiral überfallen sollte.

Im Quartier von Den´Lyran Dheran ergriffen Vater und Sohn ihre Handgelenke und sahen einander für einen langen Moment an, bevor Tar´Kyren zu seinem Vater sagte: „Ich danke dir für deine Unterstützung, in dieser Angelegenheit.“

Danach wandte sich der Captain der ICICLE an Tar´Veron Talev, der in seiner Galauniform neben seinem Vater stand. „Auch Ihnen gilt mein Dank, General. Dafür, dass sie meinen Vater, und vor allen Dingen das Geheimkommando, zur Station gebracht haben.“

„Das war für mich selbstverständlich, Captain Dheran. Ich freue mich, dass Ihr Vater mich zu diesem Unternehmen hinzugezogen hat.“

Nachdem sich auch Tia´Vareni Sheralan bei den beiden Generalen bedankt hatte, sah sie in die Runde und meinte ernst: „Es ist soweit. Holen wir Admiral Torias Tarun aus seinem Quartier und erklären ihm den Ernst der Lage. Captain Dheran, sie übernehmen den Trupp, wie abgesprochen. Den Überbrückungscode für das Quartier des Admirals haben Sie. Ich selbst bringe Ihren Vater und General Talev zum Geheimkommando. Wir sehen uns dann in spätestens einer Viertelstunde.“

Tar´Kyren Dherans Antennen spreizten sich. Er wartete, bis Commander Sheralan mit den beiden Generalen aufgebrochen war, bevor er dem Trupp, bestehend aus drei hochrangigen andorianischen Offizieren, die auf verschiedenen Raumschiffen der Taktischen Flotte stationiert waren, das Zeichen zum Aufbruch gab.

Es dauerte nicht lange, bis der andorianische Kommandotrupp das Quartier des Admirals erreicht hatte. Zwei Andorianer sicherten zu beiden Seiten des Schotts, während sich Tar´Kyren Dheran Zutritt verschaffte.

Zischend glitt das Schott in die Verschalung und der Captain der ICICLE sagte heiser: „Gehen wir hinein.“

Im Vorraum des Quartiers deutete Dheran auf das geöffnete Schott zu Taruns Arbeitsraum. Flüsternd meinte einer von Dherans Begleitern: „Der Admiral hat sich noch nicht zu Bett begeben.“

„Umso besser“, zischte die einzige Frau im Team. „Dann müssen wir ihn nicht wecken. Außerdem geht es so schneller, ihn von hier weg zu bringen.“

Dheran wusste, dass der Admiral mehrere altertümliche, geladene Waffen auf seinem Schreibtisch stehen hatte, so wie auch in seinem Büro. Da er nicht darauf erpicht war, dass es bei diesem Unternehmen am Ende Verletzte gab, schärfte er dem Trupp flüsternd ein, dass sie beim Sturm auf das Arbeitszimmer des Admirals nicht zögerlich sein sollten.

Beidseitig des Eingangs nahmen die vier andorianischen Offiziere Aufstellung. Auf Dherans Kommando hin stürmten sie in den Arbeitsraum des Admirals. Zwei von ihnen packten den Admiral an den Armen und zogen den überraschten Flaggoffizier aus seinem Sessel hoch, so dass er nicht an seine Waffen gelangen konnte. Die Frau im Team sicherte zum Schott hin, während Tar´Kyren Dheran langsam zum Admiral schritt.

„Ich bedauere, dass wir Sie zu dieser späten Stunde so formlos überfallen, Admiral.“

Dheran deutete in die Runde. Dann nahm er den Kommunikator des Admirals und legte ihn auf den Schreibtisch. „Den werden Sie in der nächsten Stunde nicht benötigen. Ich möchte Sie bitten mit uns zu kommen, Sir.“

Mit versteinerter Miene sah der Admiral in die Augen des Andorianers. Dabei machte sich in ihm ein Gefühl von Deja-Vu in breit. Hinter seiner Stirn begann es zu arbeiten und schließlich fragte er mit kratziger Stimme: „Ist… ist das eine Revolte, Captain?“

„Bei der weißen Kreatur der Reinheit, nein. Ihre beiden Schatten haben nur verhindern wollen, dass Sie diese Situation missverstehen und nach ihren Waffen greifen.“

„Ach nein“, entfuhr es dem Admiral grimmig. „Sie haben wirklich gedacht man könnte diese Situation missverstehen?“

„Ich werde Ihnen schon bald erklären, worum es geht, Admiral“, wich Dheran aus. „Jetzt muss ich darauf bestehen, dass Sie mit mir kommen. Dort wo wir hingehen werden sie bereits von Commander Sheralan erwartet.“

„Sie benutzen Sheralan als Geisel gegen mich? Ich schwöre Ihnen, wenn...“

„Nicht jetzt, Admiral“, unterbrach ihn Dheran drängend. „Es geht dem Commander gut, und es wird ihr auch nichts passieren. Aber wir sollten nun wirklich gehen, Admiral.“

Torias Tarun presste die Lippen zusammen und massierte seine Oberarme, als die beiden Andorianer ihn freigaben.

„Das wird Konsequenzen haben!“, zischte der Trill zornig.

Tar´Kyren Dheran nickte zustimmend, wobei er mit unbewegter Miene erwiderte: „Ja, das wird es ganz bestimmt, Sir.“

Dabei beließ es der Captain. Die vier andorianischen Offiziere nahmen den Admiral in die Mitte und verließen mit ihm das Quartier. Sie beeilten sich zu dem Quartier zu gelangen, in dem die übrigen andorianischen Verschwörer bereits auf sie warteten. Vor dem Schott angekommen gab Dheran einem seiner Begleiter einen Wink das Schott zu öffnen. Er selbst begab sich zu Tarun und sagte ernst: „Admiral, bitte halten Sie sich dicht an meiner Seite, sobald wir eingetreten sind.“

Tar´Kyren Dheran wartete mit dem Admiral einen Moment, bevor sie als Letzte in das Quartier eintraten.

Torias Tarun blickte sich um. Zu seinem gelinden Erstaunen waren etwa dreißig uniformierte andorianische Männer und Frauen, rechts und links des Schotts angetreten und bildeten so etwas, wie eine Gasse zum hinteren Bereich des großen Raumes. Tarun war zweimal auf Andoria gewesen und er kannte sich mit der andorianischen Schrift und einigen Symbolen etwas aus. So wusste er, dass die Flagge, die an der Stirnwand drapiert war, Auskunft darüber gab, welcher andorianische Clan darauf benannt wurde. Seine Kenntnisse dieser Sprache reichte jedoch nicht aus, um die Worte darauf zu entziffern. Auch die düster-violette Farbgebung sagte dem Trill nichts.

Langsam schritt der Admiral nach vorn, wobei er das unbestimmte Gefühl nicht los wurde, dass es sich bei den Angetretenen um so etwas, wie eine Ehrenformation handelte. Das Ganze schien Tarun reichlich surreal, und an eine Revolte glaubte er nicht mehr so recht. Doch was passierte dann hier? Er sah sich suchend um doch er konnte Tia´Vareni nicht entdecken, und so zischte er wütend zu Dheran gewandt: „Wo ist der Commander?“

„Bitte haben Sie etwas Geduld, Admiral“, bat der Andorianer an Taruns Seite eindringlich. „Bitte gehen Sie weiter.“

Tarun ergab sich in sein Schicksal. Vor sich erkannte der Trill einen Andorianer und eine Andorianerin in Zivil. Beide schienen deutlich älter zu sein, als Dheran. Der Admiral brannte darauf zu erfahren wer sie waren, und welche Rolle sie bei dieser Aktion spielten.

Am Ende der Angetretenen erkannte Tarun den Vater Dherans und General Talev. Die wildesten Theorien schossen dem Admiral durch den Kopf, bevor Tar´Kyren Dheran mit ihm vor den beiden Zivilisten anhielt und sich, auf Andorianisch an den Mann wandte.

Der Zivilist antwortete in derselben Sprache und als er endete, wandte sich Dheran an den Admiral und sagte beinahe feierlich: „Admiral Torias Tarun. Zu Beginn dieses Jahres haben Sie sich zu etwas bekannt, das jetzt danach verlangt, geklärt zu werden. Commander Tia´Vareni Sheralan ist seit dieser Zeit offiziell Ihre Lebensgefährtin. Sie hat darum, nach alt hergebrachter, andorianischer Clan-Tradition, ihren Vater, Kel´Thoran Sheralan, aus dem Clan der Klen´Theran, und ihre Mutter, Inaris Sheralan, um den elterlichen Segen für diese Verbindung gebeten. Kel´Thoran Sheralan ist dazu bereit, Sie, im Zuge dieser Zeremonie, in den Clan aufzunehmen, dem seine Familie angehört. Das bedeutet für Sie eine große Ehre, Admiral, denn sie wird nur wenigen Außenstehenden zuteil. In dieser Zeremonie erfülle ich, auf Bitten ihrer Lebensgefährtin hin, die Aufgabe eines Mentors. In dieser Funktion muss ich Sie dahingehend warnen, dass, sollten Sie sich dazu entschließen an dieser Zeremonie teilzunehmen, Sie sich auf ein bindendes Versprechen einlassen. Sie würden das wohl als Verlobung bezeichnen, Admiral.“

Dutzende von Gedanken gingen dem Admiral gleichzeitig durch den Kopf, bei den Worten des andorianischen Captains, und es dauerte einige Momente, bis er die Bedeutung des eben Gesagten voll erfasst hatte. Tief durchatmend flüsterte er Dheran zu: „Dann sind Sie also so etwas, wie mein Beschützer.“

Dheran grinste humorlos. „Nein, das verstehen Sie falsch, Admiral. Ich fungiere eher als eine Art Kempe für Commander Sheralan. Das heißt, wenn Sie diese Verbindung eingehen werden und sich ihr gegenüber später unehrenhaft verhalten, dann ist es, nach alter Tradition, meine Pflicht, sie auf Leben und Tod zu befehden. Und diese, mir übertragene, Aufgabe nehme ich ernst, Sir. Tödlich ernst.“

Torias Tarun suchte in den Augen seines Gegenübers nach einem Anflug seines schrägen Humors, für den Dheran berüchtigt war. Doch der Andorianer blickte ihn unverwandt an und etwas ernster meinte der Trill schließlich: „Ich verstehe, Captain. Sagen Sie mir, was ich jetzt tun soll.“

„Sie bekennen sich also zu Commander Sheralan, und zu ihrer Tochter?“

Der Trill nickte.

Die Antennen Dherans spreizten sich etwas. Wieder sprach er einige Sätze auf Andorianisch zu Kel´Thoran Sheralan und der Andorianer trat ein Stück nach vorne.

„Bitte knien Sie sich hin, Admiral“, raunte Dheran dem Admiral zu.

Torias Tarun sah zu seinem Captain und folgte dann der Anweisung.

Zufrieden wandte sich Dheran erneut an Tarun. „Bitte sprechen Sie mir nun die folgenden Worte nach: Tia´Vareni Sheralan y´ner ker´Dharim – y´ner kre tovar Fhalcris.

Der Admiral sprach die Worte nach, wobei er sich darum bemühte, die Aussprache des andorianischen Captains möglichst genau zu kopieren.

Kel´Thoran Sheralan antwortete mit einer ganzen Litanei, von der Torias Tarun nicht das Geringste verstand. Als er endete, übersetzte Dheran: „Commander Sheralans Vater hat ihr Bekenntnis, mit Herz und Seele, zu seiner Tochter, vernommen und bestätigt. Er ist nun bereit für den Segen, mit dem Sie in den Clan aufgenommen werden. Als Ihr Mentor frage ich nochmal: Sind Sie wirklich bereit dazu, Sir?“

Die Antwort des Trill kam ohne zu zögern. „Ja, das bin ich.“

Wieder wechselte Dheran einige Worte mit Kel´Thoran Sheralan. Dieser blickte zu seiner Frau, die nun zu ihm trat. Gemeinsam legten sie ihre Hände auf den Kopf des Admirals und unisono sprachen Sie den elterlichen Segen.

Nachdem sie verstummten, sagte Tar´Kyren Dheran zu Tarun: „Bitte erheben Sie sich nun wieder, um aus Kel´Thoran Sheralans Händen nun das Ushaan-tor zu empfangen. Es steht symbolisch dafür, dass Sie dazu bereit sind, die Ehre und das Leben ihrer Lebensgefährtin, und das Ihrer Tochter, unter Einsatz ihres eigenen Leben, zu beschützen.“

Tarun wusste um die Bedeutung des andorianischen Ushaan-tor. Zunächst nur ein Werkzeug galt es mittlerweile, seit vielen Jahrhunderten, als traditionelle Zweikampfwaffe.

Es war die Mutter seiner Lebensgefährtin, die ihm die Waffe überreichte. Sie war eingewickelt in ein Tuch aus kostbarer Andorianischer Seide.

Nachdem Torias Tarun es an sich genommen hatte, raunte Tar´Kyren Dheran: I´kar zaa´Kren y´ner Ushaan-tor var kro´Tenn, var kre´Toral, var Zhrevec. Das bedeutet: Ich verspreche, das Ushaan-tor mit Achtung, Ehre und Stolz zu bewahren.

Wieder sprach der Admiral die fremdartig klingenden Worte nach, und Dheran lächelte, beinahe zufrieden. Dann sah er bedeutungsvoll zur Seite und Torias Tarun folgte dem Blick des Andorianers unwillkürlich.

Er erkannte Tia´Vareni Sheralan, die in Begleitung von Den´Lyran Dheran nun zu ihm schritt. An ihrer rechten Hand hielt sie ein andorianisches Mädchen von etwa vier irdischen Jahren, und der Trill wusste in demselben Moment, als er sie sah, wer sie war. Bisher hatte er nur Fotos von ihr gesehen. Eines davon stand in seinem Büro, auf seinem gläsernen Arbeitstisch.

Tia´Vareni Sheralan blieb zwei Schritt vor Torias Tarun stehen und kniete sich zu dem Mädchen ab. Sie sagte leise einige andorianische Worte zu dem Kind.

Das andorianische Mädchen lächelte schüchtern. Dann ging es zu Tarun, der sich nun ebenfalls zu dem Mädchen hinab kniete und es legte schließlich ihre Arme um seinen Hals.

So vorsichtig, als habe er Angst, das Mädchen könne zerbrechen, erwiderte der Admiral die Umarmung des kleinen Mädchens und drückte es ganz sacht. Als er schließlich zu Dheran aufsah, lag tiefe Dankbarkeit in den feucht schimmernden Augen des Trills. Schließlich hob er das Mädchen behutsam auf seinen Arm und fragte, mit leiser rauer Stimme: „Du bist also Inira. Du bist ebenso hübsch, wie deine Mutter.“

Das Mädchen lächelte schüchtern und sah sich zu ihrer Mutter um, die nun zu Tarun und ihrer Tochter trat. Dabei sagte sie leise zu Tarun: „Entschuldige die Heimlichkeiten, aber es sollte eine Überraschung für dich sein.“

Tarun merkte kaum, dass Tar´Kyren Dheran ihm das Ushaan-tor aus der Hand nahm, als mit der linken Hand Tia´Vareni umarmte und sagte: „Die Überraschung ist dir wirklich gelungen, mein Blauer Engel. Ich dachte für einen Moment wirklich, dass auf meiner Station eine Revolte stattfindet. Mach das nie wieder, hast du gehört?“

Die Andorianerin lächelte lediglich verschmitzt.

Nach einer Weile ließ der Admiral seine Lebensgefährtin los und er wandte sich, immer noch sichtlich ergriffen, an Captain Dheran. Ich danke Ihnen, Captain. Obwohl ich Ihnen sagen muss, dass ich nicht erfreut darüber bin, dass sich ihre Verschwörungen gegen mich, auf dieser Station, allmählich zu einem Dauerbrenner entwickeln.“

Tar´Kyren Dheran wollte auf die Worte seines Kommandeurs etwas erwidern, doch in diesem Augenblick ereignete sich etwas, das verhinderte, dass er die Worte jemals aussprach.

Morgendämmerung


 

7.
 

Morgendämmerung
 

STRATEGICAL STARBASE 71

Sternenzeit: 58978.1

Deck-127
 

Ganz in der Nähe des Quartiers, zu dem Torias Tarun vor etwa zwanzig Minuten gebracht worden war, schien sich die Zeit zu dehnen. Immer wieder blickte Commodore Christina Carey zu Enrom Tolaron und fragte zum wiederholten Mal: „Was macht Sie so verdammt sicher, dass dem Admiral keine unmittelbare Gefahr droht, Sub-Commander? Vielleicht ist Taruns Leben in Gefahr, während wir hier untätig abwarten!“

Einmal mehr antwortete der Romulaner beruhigend: „Das steht kaum zu befürchten. Die Entführung des Admirals kann nur einen Zweck haben, nämlich von ihm die Kommando-Codes zu erfahren, um diese Station zu übernehmen. Einerseits sind meine Leute bereits dabei, diese Codes zu sperren. Andererseits müssen wir aber den Verschwörern auch eindeutig nachweisen können, an einer Verschwörung beteiligt gewesen zu sein. Und das können wir nicht, wenn wir in die konspirative Versammlung platzen, bevor die Beteiligten dem Admiral wirklich eindeutige Hinweise auf eine Verschwörung geliefert haben, die wir ihnen später auch vorwerfen können, Commodore.“

„Ja, ist ja gut!“, fauchte Christina Carey den Romulaner wütend an und zog sich etwas von ihm zurück. Der Commodore wusste, dass Tolarons Argumente stichhaltig waren, doch das Ganze gefiel ihr deswegen nicht mehr, als zwei Tage zuvor. Sie blickte zu Commander Mancharella und sie ahnte, warum die Spanierin in dieser Situation dabei war. Ein Mann wie Enrom Tolaron setzte nicht alles auf eine Karte, wenn er nicht dazu gezwungen war. Sicherlich hatte er auch sie auf Dheran angesetzt.

Christina Carey versuchte, ihre Emotionen unter Kontrolle zu bringen. Nach einer Weile begab sie sich schließlich zu Pasqualina Mancharella und sprach sie an. „Darf ich fragen, was, oder besser, wer Sie auf die Spur des Captains gebracht hat, Commander?“

Die dunklen Augen von Tar´Kyren Dherans XO musterten die Stellvertretende Kommandeurin eindringlich, und Christina Carey erahnte in diesem Moment, dass auch in ihr ein emotionaler Vulkan tobte. Die Irin überlegte dabei, mit was Tolaron wohl sie geködert haben mochte. Mit der Verschwörungstheorie, oder mit der Theorie, dass Tar fremdging. Dabei kam sie selbst zu dem Schluss, dass im Grunde beides nicht Tar´Kyrens Art war.

Commander Mancharella verkrampfte die Finger ihrer Rechten um den Griff ihres Phasers, als sie nach einer Weile mürrisch antwortete: „Sub-Commander Tolaron sprach mich gestern – nein, mittlerweile wohl eher vorgestern – an. Er deutete zunächst eine Verschwörung der an Bord befindlichen Andorianer an und schwenkte dann zu der Theorie ab, dass Tar´Kyren und Commander Sheralan ein intimes Verhältnis unterhalten würden.“

„Dieser miese, kleine...“, entfuhr es Christina Carey zornig. Sie brachte den Satz jedoch nicht zu Ende. Tief durchatmend erklärte sie beim fragenden Blick der Spanierin: „Bei mir ist Tolaron exakt in der umgekehrten Reihenfolge vorgegangen. Der Mistkerl weiß ganz genau, wie man Leute manipuliert.“

„Ist wohl ein Berufsrisiko“, murmelte Pasqualina Mancharella finster.

Die beiden Frauen schwiegen, bis Enrom Tolaron sich ihnen näherte und erklärte: „Ich würde sagen, der Admiral war jetzt lange genug bei seinen Entführern. Mittlerweile dürften die Andorianer dem Admiral ihre Intentionen erklärt haben.“

Noch einmal einen kurzen Blick mit Commander Mancharella wechselnd gab Christina Carey ihre Zustimmung. „Übernehmen Sie die Führung, Sub-Commander. Aber sehen Sie zu, dass diese Aktion unblutig verläuft.“

Enrom Tolaron sah die Irin vielsagend an, bevor er sich abwandte. Er teilte acht Leute seines Teams dazu ein, die möglichen Fluchtwege, die von dem konspirativen Quartier weg führten, abzuriegeln. An der Spitze der restlichen Männer und Frauen der Stations-Sicherheit machte er sich dann auf den Weg zu dem fraglichen Quartier.

Als sie in den Gang zum fraglichen Quartier einbogen grübelte Pasqualina Mancharella, die sich zusammen mit Christina Carey dicht hinter dem romulanischen Chef der Stations-Sicherheit hielt, zu Tolaron gewandt, laut: „Seltsam. Man sollte meinen, dass es hier Wachposten geben müsste.“

Der Romulaner erwiderte nichts auf die Worte der Spanierin, doch ihre Vorgesetzte macht dafür umso mehr ein sehr nachdenkliches Gesicht. Vor dem Schott des Quartiers, das ihr Ziel war, angekommen, zog Christina Carey die XO der ICICLE am Oberarm mit sich, und postierte sich mit ihr, Tolaron gegenüber, an der rechten Seite des Schotts. „Bleiben Sie dicht bei mir, Commander. Und behalten Sie Sub-Commander Tolaron im Auge, wenn wir gleich da hinein stürmen.“

Auf den fragenden Blick der Spanierin hin hob Christina Carey lediglich vielsagend die Augenbrauen. Dann konzentrierte sie sich wieder und sagte halblaut zu dem Romulaner: „Ich zähle bis Drei. Bei Drei öffne ich das Schott und Sie stürmen zuerst in den Raum, gefolgt von mir selbst und Commander Mancharella. Danach erst werden Ihre Leute nachziehen, ist das soweit klar?“

Enrom Tolaron nickte knapp, und die Irin kümmerte sich um den Öffnungsmechanismus. Sie begann zu zählen, und bei Drei öffnete sich das Schott.

Sub-Commander Enrom Tolaron reagierte augenblicklich. Mit angeschlagener Waffe stürmte er ins Innere des Quartiers, dicht gefolgt von den beiden Frauen. Bereits nach wenigen Schritten hielten sie abrupt an und starrten entgeistert auf die sich ihnen bietende Szene, während sich die Männer und Frauen der Sicherheit, die nach ihnen herein kamen, sich an den Wänden entlang verteilten. Was sie sahen erschien ihnen wenig gefährlich.

Mitten im Raum stand Torias Tarun, zusammen mit Tar´Kyren Dheran. Auf seinem rechten Arm hielt er ein andorianisches Kind, während er den anderen um die Hüfte seiner Freundin, Tia´Vareni Sheralan, gelegt hatte. Für einen Moment sprachlos sah Tarun zu ihnen und seine Gesichtszüge erfuhren eine interessante Wandlung. Als der Blick des Admirals schließlich auf Tolaron hängen blieb entfuhr es ihm entgeistert: „Musste das jetzt sein?“

Enrom Tolaron, dem gleichzeitig klar wurde, dass er sich gründlich verrechnet hatte, was seine Vermutung in Bezug auf die andorianischen Aktivitäten betraf, gab seinen Offizieren von der Sicherheit umgehend den Befehl, diesen Einsatz als beendet anzusehen und sich aus diesem Quartier zurückzuziehen.

Seine Waffe weg steckend erklärte der Romulaner: „Es tut mir aufrichtig leid, Admiral, aber es gab ein paar Verdachtsmomente, die mich vermuten ließen, dass man versuchen könnte, Sie zu entführen, und diese Station im Handstreich zu nehmen.“

„Tarun reichte Inira an seine Lebensgefährtin weiter und schritt auf Tolaron zu. Dheran blieb dabei an der Seite des Admirals. Als sie den Romulaner erreicht hatte, verlangte der Trill drängend: „Das werden Sie mir bitte erklären, Sub-Commander.“

Enrom Tolaron fasste das, was sich von seiner Warte aus, in den letzten Tagen, auf der Station zugetragen hatte in einem knappen Bericht zusammen.

Nachdem der Romulaner geendet hatte blickte der Admiral fassungslos zu Dheran. „Haben Sie das jetzt verstanden, Captain?“

Der Andorianer wirkte so, als würde er sich köstlich amüsieren. „Nein, Admiral. Aber der Plan, den Tolaron mir da zugetraut hat, ist wirklich brillant, das muss man sagen. Sollte ich jemals das Verlangen verspüren, eine Strategische Sternenbasis, wie diese, zu kapern, so werde ich ganz bestimmt darauf zurückgreifen, Sir.“

„Dass Sie Ihren Spaß daran haben, hätte ich mir denken können“, spöttelte Tarun, wobei sein Blick zwischen Tolaron, Christina Carey und Commander Mancharella hin und her schweifte. „Bitte erklären Sie Tolaron und diesen beiden energischen Damen bitte, worum es hier wirklich ging, Captain. Ich selbst möchte mich noch etwas mit meiner neuen Familie bekannt machen.“

Damit wandte sich der Admiral ab und schritt zurück zu Tia´Vareni Sheralan und dem andorianischen Mädchen.

Tar´Kyren Dheran, dessen Mundwinkel beim Anblick von Tolaron und den beiden schwarzhaarigen Frauen verdächtig zuckten, deutete auf das Schott. „Lassen wir den Admiral mit Commander Sheralan, seiner Tochter, den Eltern seiner Freundin und den Zeugen der gerade hier abgelaufenen Aufnahmezeremonie allein.“

Auf dem Gang sah Christina Carey fragend zu Tar´Kyren Dheran. „Von welcher Aufnahmezeremonie hast du eben gesprochen?“

Der Andorianer erklärte in wenigen Sätzen, was sich im Quartier wirklich zugetragen hatte, und die beiden Frauen machten große Augen.

Die Reaktion des Romulaners bestand lediglich aus einem angedeuteten Verziehen der Lippen. Dafür sprach er als Erster. „Sie gestatten, dass ich mich zurückziehe, Commodore. Mein Dienst endet erst in einigen Stunden, und ich habe bereits genug Zeit sinnlos auf diesem Deck vertan. Ich möchte mich auch bei Ihnen nochmal dafür entschuldigen, dass ich für so viel Unruhe gesorgt habe. Und auch bei Ihnen, Commander.“

Als Tolaron eine leichte Verbeugung in Richtung von Pasqualina Mancharella andeutete, schlug sie ihm schon beinahe den Phaser gegen die Brust. „Da haben Sie Ihren Gruß wieder, Sub-Commander! Besten Dank auch!“

Der Romulaner nahm die Waffe an sich, wechselte einen letzten schnellen Blick mit Commodore Carey und entfernte sich dann rasch.

Auffordernd sah Tar´Kyren Dheran die Irin an und meinte: „Du entschuldigst uns beide für ein paar Minuten?“

Christina Carey, die ahnte was hier gerade vorging, nickte nur. Mit raumgreifenden Schritten machte sie sich auf den Weg zu ihrem Quartier. Wobei sie sich sicher war, dass der Andorianer ihr in einigen Minuten dorthin folgen würde. Er würde vermutlich ein paar Dinge mit ihr zu besprechen haben, nach dieser Unterhaltung mit seinem Commander.

Dheran wartete, bis sich Christina Carey außer Hörweite befand, bevor er Pasqualina fragend musterte und sie heiser fragte: „Du dachtest wirklich, dass ich einen solchen Coup planen und durchführen würde?“

Die Frau schluckte trocken, wich aber seinem forschenden Blick nicht aus. „Tolaron war davon überzeugt. Mir gegenüber deutete er dabei aber noch etwas Anderes an. Er erwähnte die Möglichkeit, du und Commander Sheralan...“

Pasqualina Mancharella unterbrach sich selbst beim immer ungläubiger werdenden Blick des Andorianers. Sie konnte beobachten, wie seine Antennen sich unruhig zu bewegen begannen, was kein gutes Zeichen sein konnte.

Seine Worte bestätigten die Vermutung der XO. „Warum bist du nicht sofort zu mir gekommen, als dir Enrom Tolaron diesen ausgemachten Blödsinn aufgetischt hat? Du solltest mittlerweile wissen, dass ich weder das Eine, noch das Andere, jemals tun würde, Pasqualina. Ich habe dir vor Monaten mein Ehrenwort gegeben, dass ich dich niemals hintergehen werde, und dieses Versprechen habe ich gehalten. Vertraust du mir so wenig?“

Die Spanierin blickte den Andorianer inständig an. „Das ist es nicht, Tar´Kyren. Aber du hast dich sehr verändert, in den letzten Wochen. Im Grunde, seit du von diesem Geheimeinsatz in Gamma-Quadrant zurückgekehrt bist. Ich spüre, wie wir uns innerlich voneinander fort bewegen, und ich weiß nicht, wie ich das verhindern kann.“

Mit einer sonderbaren Ruhe, die Pasqualina Mancharella aufmerksam werden ließ, räumte der Andorianer ein: „Du hast Recht, Pasqualina, und dafür gibt es einen Grund.“

Tar´Kyren Dheran schien für einen Moment lang nach den richtigen Worten zu suchen, bevor er fortfuhr: „Du hast mich vor einigen Wochen um eine Entscheidung gebeten. Ich habe sie getroffen. Im Grunde bereits vor zwei Wochen, doch ich habe es vor mir her geschoben, mit dir darüber zu reden. Weil es mir nicht leicht fällt zu sagen, was ich dir sagen muss, denn meine Entscheidung wird dir nicht gefallen.“

Mit starrem Gesicht sah Pasqualina den Andorianer an. Sie wusste, was er ihr mit seinen Worten zu verstehen geben wollte. Doch sie klammerte sich verzweifelt an die trügerische Hoffnung sich zu irren. Dabei begannen ihre Augen, feucht zu schimmern.

Die Antennen des Andorianers krümmten sich stark nach vorn. „Pasqualina, ich hatte niemals die Absicht, dich zu verletzen. Das weißt du. Deshalb sagte ich dir, im Haus deines Vaters, was eventuell passieren kann. Ich habe mich eine Weile gegen das gesperrt, was tief in meinem Herzen ruht, seit nun mehr einundzwanzig Jahren. Aber in den letzten Wochen konnte ich mich nicht länger gegen meine Gefühle für Christina verschließen. Das Tragische daran ist, das meine Gefühle für dich von derselben, reinen Art sind. Doch das, was mich und Christina verbindet, ist auf eine ganz andere Weise allmächtig. Allgegenwärtig. Meine Gefühle sind für euch beide von derselben Intensität – und doch sind sie auch ganz anders. Ich kann dir den Unterschied nicht erklären.“

Wie paralysiert stand die Spanierin da und realisierte, was Tar´Kyren ihr soeben gesagt hatte. Ihre Knie begannen zu zittern, und im ersten Moment verspürte sie eine wilde Wut in sich aufsteigen. Doch dieser Moment verging rasch und zurück blieb ein Gefühl von Leere. Trotzig wischte sie sich mit dem Uniformärmel zwei Tränen ab, die über ihre Wangen rannen und sagte mit kratziger Stimme: „Du hast dich also für Christina entschieden?“

„Ja“, antwortete der Andorianer einfach. Nach einem Moment bat er: „Ich hoffe, dass wir wegen dieser Entscheidung nicht auch die Kameradschaft verlieren, die uns bereits vor dem Morgen in Cadiz verbunden hat. Ich bin mir dabei bewusst, dass es eine Weile brauchen wird, bis wir beide wieder, frei von bitteren Emotionen, als gute Kameraden miteinander umgehen können. Aber ich hoffe, dass dieser Tag kommen wird, Pasqualina.“

Zwei weitere Tränen fort wischend nickte die Spanierin wortlos, bevor sie gepresst erwiderte: „Ja, ich auch. Bitte entschuldige mich.“

Damit wandte sich Pasqualina Mancharella von Tar´Kyren Dheran ab und eilte den Gang entlang, in Richtung des nächsten Turbolifts. Sie rannte schon fast.

Der Andorianer sah ihr wehmütig hinterher. Auch ihn erfüllte eine starke Traurigkeit, denn er hatte Pasqualina die Wahrheit gesagt, in Bezug auf seine Gefühle. Für einen langen Moment stand der Andorianer unschlüssig im Gang, bevor er sich auf den Weg zu Christina Careys Quartier machte. Es gab eine Menge zu besprechen.
 

* * *
 

Über zwei Stunden lang hatten sich Christina Carey und Tar´Kyren Dheran, in ihrem Quartier, ausgesprochen. Zunächst ein Stück von einander getrennt auf dem Sofa der gemütlichen Sitzecke des Wohnraumes sitzend, schmiegte sich die Irin endlich in die Arme des Andorianers. Den Kopf auf seine Brust gelegt, sagte sie leise: „In der letzten Zeit war ich oft eifersüchtig und manchmal sogar richtig wütend auf Commander Mancharella. Doch im Moment tut es mir aufrichtig leid, was sie gerade durchmachen muss. Dass sie leidet wünsche ich ihr wirklich nicht.“

Dheran streichelte gedankenverloren über das glatte, schwarze Haar der Irin und flüsterte nach einem Moment: „Danke, mein Herz. Ich hoffe wirklich, dass nun keine Eiszeit zwischen uns ausbrechen wird. Natürlich ist Pasqualina verletzt, und vermutlich hasst sie mich nun sogar. Doch ich hoffe, dass es nicht so ist, und wir unsere normale Freundschaft retten können.“

Christinas Hand reichte hinauf zu seinem Gesicht. Nachsichtig sagte sie, mit leiser, warmer Stimme: „Das Problem ist nicht, dass sie dich hasst, sondern dass sie dich liebt, Tar.“

Der Andorianer schwieg und für eine Weile blieb es still zwischen ihnen.

Christina Carey gab ein leises Schnurren von sich. Dann hob sie ihren Kopf und sah fragend in die bläulich-violetten Augen des andorianischen Mannes.

Tar´Kyren erwiderte den Blick und in blinder Übereinstimmung fanden ihre Lippen den Weg zueinander. Zuerst ganz sanft, dann leidenschaftlicher werdend, küssten sie einander, sehr ausdauernd. Als sie sich endlich widerstrebend voneinander lösten, flüsterte Christina Carey: „Ich liebe dich, Tar. Unvermindert stark, das ist mir klar, seit du im Herbst im Talarianischen Raum im Einsatz gewesen bist.“

Die Antennen des Andorianers richteten sich auf. „Und ich liebe dich, Christina.“

„Und zwischen mir und Torias läuft wirklich nichts. Ich schätze ihn, als guten Freund, das ist wirklich Alles. Außerdem ist er ja in festen Händen, wie du weißt.“

„Die dich vermutlich erwürgen werden, solltest du jemals intensivere Gefühle für den Admiral hegen“, konterte Dheran trocken und lachte leise.

Die Antwort der Irin bestand in einem weiteren, langen Kuss, bei dem sich ihre Hände auf Wanderschaft begaben. Sie begann nachdrücklich damit, die Verschlüsse von Tar´Kyrens Uniform zu öffnen. Es dauerte nicht lange, bis er dasselbe bei ihr tat.

Halb entblößt hauchte Christina schließlich in das Ohr des Andorianers: „Nicht hier auf der Couch, Tar. Lass uns ins Schlafzimmer gehen.“

Dheran ließ sich nicht lange bitten. Mit einem zielstrebigen Zug auf dem Gesicht stand er von der Couch auf, hob die Frau auf seine kräftigen Arme und trug sie hinüber, zum breiten Bett, wo er sie ganz sanft auf das weiche Lager legte. Danach folgte er Christina, ohne sie aus den Augen zu lassen. Dabei dachte er daran, dass von ihrem letzten intimen Zusammensein, bis zu diesem Moment, viel zu viel Zeit verstrichen war.
 

* * *
 

Als Tar´Kyren Dheran nach etwas mehr als fünf Stunden aus einem wohltuend tiefen Schlaf erwachte, spürte er, dass Christina halb auf seinem Oberkörper lag. Als er seine Augen öffnete und er seinen Kopf bewegte berührten seine Antennen die Finger ihrer rechten Hand. Die Irin wusste seit ihrer Exkursion durch die Höhlen der südlichen Eiswüste Andorias, wie andorianische Männer auf die Stimulation der hinteren Antennenansätze reagierten. Nachdem sie sich das erste Mal an diesem Morgen leidenschaftlich und ungezügelt geliebt hatten, verirrten sich ihre Finger später noch zweimal zu diesen empfindlichen Stellen. Bei einem weiteren Versuch waren sie mittendrin gemeinsam in den verdienten Schlaf gefallen.

Mit geschlossenen Augen horchte der Andorianer in sich hinein. Zu seinem gelinden Erstaunen spürte er zum ersten Mal, seit vielen Wochen keine Anspannung, wie es sonst unmittelbar nach dem Erwachen der Fall gewesen war. Nur Wärme und einen tiefen, inneren Frieden. So war es nach dem ersten Mal mit Christina gewesen, als er gemeinsam mit ihr die Verlorene Eisstadt, Kharon-Dhura, gesucht hatte. Beinahe zum letzten Mal, vor dem heutige Tag. Seine Gedanken begannen, sich um Christina zu drehen, und er spürte deutlich, dass ihre Nähe ein wesentlicher Bestandteil dieses tiefen, inneren Friedens war. Sie hatte ihm gefehlt, seit sie sich von ihm getrennt hatte, vor so vielen Jahren. Doch erst an diesem Morgen wurde ihm, beinahe überwältigend stark, bewusst, wie sehr.

Ein fast schon verloren geglaubtes Glücksgefühl durchströmte Dheran und er atmete befreit durch. Mit Pasqualina war es nicht so gewesen, dass er unglücklich gewesen wäre. Ihre Beziehung war von aufrichtiger und leidenschaftlicher Art gewesen. Ähnlich seiner Beziehung zu Christina, und doch war die Beziehung zu der Irin so ganz anderes.

Als sich seine Brust spürbar hob und wieder senkte erwachte Christina Carey. Verschlafen zwinkerte sie mit den Augenlidern und fragte, noch zwischen Traum und Wirklichkeit gefangen: „Bist du der Weihnachtsmann?“

Ein launiges Lachen war die Antwort und die Frau korrigierte sich: „Nein, das klang eher nach einem Dämon. Einem blauhäutigen Dämon mit Antennen auf dem Kopf.“

Sie beugte sich vor und küsste den Andorianer, der diese Art von Zuwendung mit sichtlichem Behagen in Empfang nahm. Ihren nackten Körper gegen seinen drängend raunte Christina Carey zwischen zwei kurzen, sanften Küssen: „Ich hatte dich so unendlich vermisst, Tar, und ich war eine Närrin, dich jemals gehen gelassen zu haben. Doch im Moment bin ich einfach nur glücklich, weil ich dich endlich wieder zurück habe.“

Tar´Kyren drückte die Frau fest an sich. „Ich fühle dasselbe. Bei der violetten Kreatur der Frivolität, heute morgen war es wie damals auf Andoria. Es hat sich so angefühlt, als hättest du zwar Andoria verlassen, aber Andoria niemals dich, während der gesamten Zeit über, die wir getrennt waren.“

Christina küsste den Andorianer erneut, bevor sie erwiderte: „Du hast Recht, Tar. Es hat sich angefühlt, wie damals, als wir uns gerade erst kennengelernt hatten. Als ich noch ein junger, unerfahrener Lieutenant war, und du Kadett an der Akademie. Ich habe ernst gemeint, was ich vorhin sagte. Ich liebe dich, und ich will mit dir zusammen sein.“

„So, wie auch ich es ernst gemeint habe.“

Der raue Ton in der Stimme Dherans verriet der Irin, wie aufgewühlt er in seinem Innern sein musste, und sie verstand dies nur allzu gut. Hoch zufrieden, weil sie heute keinen Dienst hatte, fragte sie nach geraumer Weile: „Was machen wir heute?“

„Waffeln?“

Christina Carey verpasste Tar´Kyren einen festen Nasenstüber. „An deinem schrägen Humor hat sich leider gar nichts geändert. Du Spaßvogel weißt ganz genau was ich meine.“

Die Antennen des Andorianers bogen sich schnell zur Seite um sich danach sofort wieder aufzurichten. Ein sicheres Zeichen dafür, dass er sich amüsierte. Dann zog er die splitternackte Frau zu sich und küsste sie fordernd, bis sie sich atemlos wieder trennten.

Neckisch hauchte die Irin: „Ja, das wäre schon mal ein sehr guter Anfang.“ Danach gab sie sich ganz dem erneut aufflammenden Liebesspiel hin.

Abenddämmerung


 

8.
 

Abenddämmerung
 

STRATEGICAL STARBASE 71

Sternenzeit: 58980.1

Deck-027 – Holodeck-VII
 

Lieutenant-Commander Christian Sinemus focht sehr gut. Dennoch hatte er seine liebe Not damit, die heftig vorgetragenen Attacken von Pasqualina Mancharella abzuwehren.

Noch vor seinem Dienstbeginn, am Morgen des Tages, hatte sie ihn darum gebeten, mit ihr an diesem Abend zu trainieren. Im Grunde schien es ihm etwas merkwürdig, das Fest der Liebe, mit einem Degen in der Hand einzuläuten. Andererseits war er, nach dem Auftritt der Spanierin am gestrigen Morgen, erleichtert, dass sie den kameradschaftlichen Kontakt mit ihm offensichtlich nicht abreißen lassen wollte. Darum hatte er sofort zugesagt.

Auf dem schwankenden Deck einer Piratenfregatte fochten sie gegeneinander, er als Offizier der Königlich Englischen Kriegsmarine des ausgehenden 18. Jahrhunderts – sie als ruchlose Piratin. Etwas außer Atem sah Pasqualina Mancharella, während einer kleinen Kampfpause, in der sie sich lauernd umkreisten, in die Augen. „Es tut mir leid, dass ich gestern morgen so ungehalten reagiert habe, Christian. Das war unfair Ihnen gegenüber.“

Das waren ihre ersten Worte gewesen, seit sie die Holosuite betreten hatten. Etwas überrascht nickte der in Wien geborene Mann ihr zu. „Passt schon, Pasqualina. Ich hatte den Eindruck, dass es gar nicht unser Gespräch gewesen ist, weshalb Sie so in Fahrt waren.“

Die Frau schluckte und gab unumwunden zu: „Sie haben Recht. Mein Privatleben gerät gerade etwas außer Kontrolle.“

Der gutaussehende MACO grinste ironisch. „Die von Ihnen erwähnten Routine-Probleme auf dem Schiff?“

In den Augen der Spanierin glitzerte es gefährlich auf. Im nächsten Moment machte sie einen Ausfallschritt und die Spitze ihres schweren Raufdegens zielte dabei auf die Brust des Mannes. Da sie mit holografischen Klingen kämpften, und die Sicherheitsprotokolle der Holosuite aktiviert waren, konnte dabei, obwohl sie beide weder einen Körperschutz noch einen Gesichtsschutz trugen, nichts passieren. Die replizierten Klingen verhielten sich dabei, den Vorgaben entsprechend. nicht wie reine Stahlklingen, sondern wie Klingen mit einem von Stahl ummantelten Eisenkern. Das machte sie deutlich biegsamer.

Christian Sinemus lenkte die Klinge seiner Kontrahentin geschickt mit seiner eigenen ab und konterte, aus der Bindung heraus, mit einen Hieb gegen ihre rechte Schulter.

Pasqualina parierte den Hieb, doch ihr Gegenüber nutzte den Angriffsschwung und drängte sie rücklings gegen die äußere Reling des Poopdecks. Die Klingen, dicht an dicht, gegen ihre Körper gepresst, spürte die Spanierin, dass sie in dieser Situation drohte über Bord zu gehen – ein recht unrühmliches Ende als Piratenbraut. Gleichzeitig setzte der Zorn über das, was sich in den frühen Morgenstunden ereignet hatte, ungeahnte Kräfte in ihr frei.

Zur Überraschung des MACO drängte sie ihn ein Stück zurück, wand sich aus der Falle heraus und deckte gleich darauf seinen gesamten Körper mit Hieben und Stichen ein. Sie trieb den Mann, der sein Heil in der mittleren bis weiten Mensur suchte, vor sich her, bis sein Rücken unsanft das Steuer berührte. Irgendwie beschlich den Mann das Gefühl, dass Pasqualina weniger zu fechten gedachte, als viel mehr, lediglich auf Irgendwen einzudreschen – in diesem Fall auf ihn.

Das Steuerrad zwischen sich und die aggressiv attackierende Frau bringend nutzte Sinemus die Gelegenheit zu einer kleinen Erholungspause. Fragend zur Spanierin sehend fragte er: „Ich habe da wohl eine Saite berührt? Noch dazu eine klingende vielleicht?“

Wieder erschien das Glitzern in den Augen der Frau. Doch diesmal reagierte sie vollkommen anders. Christian Sinemus registrierte, dass ihre Haltung vollkommen die Spannung verlor. Mit einem deprimierten Ausdruck auf dem Gesicht ließ sie achtlos den Degen fallen, mit dem sie eben noch so vehement auf ihn eingedrungen war. Etwas ging mit Pasqualina vor und der Mann fragte sich, was es sein mochte, das sie, von einem Moment auf den anderen, so vollkommen hilflos wirken ließ. Er beobachtete das Hervortreten ihrer Kieferknochen, als sie die Zähne zusammenbiss. Tränen glitzerten in ihren Augen.

Beinahe erschrocken ließ auch Sinemus seinen Degen fallen und schritt langsam zu der Spanierin, die ihren Blick von ihm abwendete und die Augen schloss.

Leise und mit besorgtem Tonfall fragte Sinemus: „Welcher Kummer bedrückt Sie?“

Pasqualina versuchte krampfhaft die Haltung zu wahren, doch bei der sanften, irgendwie vertrauenerweckenden Stimme des Mannes, dicht neben ihr, konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten. Sie spürte die Hand des Mannes sacht ihren Arm berühren. Im nächsten Moment gab sie ihrem Verlangen nach, sich an ihn zu lehnen. Dabei bemerkte sie kaum, wie er ganz sacht die Arme um sie legte, während sie haltlos, den Kopf an seine breite Brust gelegt, schluchzte.

Etwas hilflos hielt Christian Sinemus Pasqualina in seinen Armen. Dabei bildete sich ein imaginärer Kloß in seinem Hals. Im Dominion-Krieg hatte er in haarsträubenden Gefechtssituationen bestanden doch diese Situation hier überforderte ihn hoffnungslos. Was er als geradezu lächerlich empfand, denn im Grunde sollte es umgekehrt sein.

Aus dem, was Pasqualina zuvor nur vage angedeutet hatte, formte sich ein ungefähres Bild dessen, was sich zugetragen haben konnte, in den Gedanken des Mannes. Aber es schien ihm müßig, hier Spekulationen anzustellen, darum verwarf er sie umgehend. Tröstend legte er seine rechte Hand auf ihren Kopf und bettete ihn, beinahe beschützend an seinen Körper.

Zur Erleichterung des Mannes beruhigte sich die Spanierin schließlich, bis nur noch ein gelegentliches Schniefen zu hören war. Doch sie schmiegte sich weiterhin an ihn, was ihn unter anderen Umständen innerlich hätte jubeln lassen. Doch der Kummer, der ihn nicht unberührt ließ, verhinderte das Aufkommen von Freude. Pasqualina brauchte in diesem Moment einfach jemanden, der für sie da war. Als Freund und Kamerad – und nicht als liebeskranker Trottel. Die Rolle würde hoffentlich noch früh genug auf ihn zu kommen.

Endlich sagte Pasqualina, mit zittriger Stimme: „Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie im Moment einfach für mich da sind, Christian. Und dass Sie keine Fragen stellen.“

„Kein Problem, Pasqualina“, erwiderte Sinemus mit belegter Stimme. Sich leise räuspernd fügte er hinzu: „Reden Sie einfach dann darüber, wenn Sie dazu bereit sind.“

Sinemus spürte, dass sie nickte. Erst nach geraumer Weile sagte sie leise – jetzt wieder mit sicherer Stimme: „Der Mann, mit dem ich zusammen war, hat sich heute morgen von mir getrennt. Irgendwie hatte ich das zwar kommen sehen, in den letzten Wochen, doch hat trotzdem weh getan. Und das tut es immer noch.“

„Das ist nur zu verständlich.“

Christian Sinemus zögerte einen kurzen Moment. Dann sagte er: „Pasqualina, ich werde nicht so pietätlos sein und mit Ihnen, in dieser Situation flirten. Doch wenn Sie möchten, dann würde ich gerne für Sie da sein. Als Ihr... Kamerad, mit dem Sie über alles, was Sie bedrückt, oder auch erfreut, reden können.“

Pasqualina Mancharella hatte das kurzzeitige Zögern bemerkt, bevor er Kamerad gesagt hatte, und mit einem warmen Klang in der Stimme erklärte sie: „Das Wort Freund ist erlaubt, Christian. Keine Angst, ich verstehe das schon nicht falsch.“

Sie nahm zögernd ihren Kopf von der Schulter des Wieners und sah in seine sanften, braunen Augen, die deutlich heller waren, als die ihren. Für einen langen Moment sah sie ihn nur an, bevor sie leise sagte: „Ich danke Ihnen dafür, dass Sie ein so guter Zuhörer sind.“

„Nein, nicht dafür“, wehrte Sinemus schnell ab. „Das ist doch selbstverständlich.“

Der MACO überlegte einen Moment lang, bevor er mit leicht verändertem Tonfall in der Stimme fragte: „Was werden sie im Anschluss noch unternehmen?“

„Nun, so wie es momentan aussieht nicht sehr viel. Eigentlich...“

„Keiner von uns Beiden sollte am Heiligen Abend allein sein“, hakte Christian Sinemus schnell ein, als sie kurz inne hielt. „Was halten Sie davon, wenn wir den Abend bei mir verbringen. Ich habe einen riesigen Weihnachtsbaum in meinem Quartier aufgestellt. Außerdem könnten Sie in diesem Fall das kleine Präsent, das ich für Sie besorgt habe, unter dem Weihnachtsbaum öffnen.“

Etwas überrascht über diesen Vorschlag dauerte es einen Moment, bis die Spanierin flüchtig lächelnd erwiderte: „Gerne, Christian. Aber Sie beschämen mich, denn ich habe gar nichts für Sie.“

Zögerlich entgegnete Sinemus: „Vielleicht ja doch. Für den Silvesterball habe ich nämlich keine Begleitung, und wenn Sie damit einverstanden wären, mit mir hin zu gehen, dann wäre das so eine Art Weihnachtsgeschenk für mich. Ohne irgendwelche Hintergedanken, oder weitergehende Verpflichtung versteht sich. Sie müssen natürlich ni...“

„Ich werde sehr gerne Ihre Begleitung zum Silvesterball sein“, unterbrach Pasqualina die ausschweifenden Beteuerungen des Mannes. „Ohne Hintergedanken oder weitergehenden Verpflichtungen - versteht sich.“

Freude spiegelte sich in den Augen des über 1,90 Meter großen Mannes. „Dann ist das abgemacht? Beides, meine ich? Sie kommen dann um Punkt zwanzig Uhr zum Abendessen. Deck-21, Quartier C-047.“

Beinahe gegen ihren Willen schmunzelnd bestätigte Pasqualina: „Beides. Wir sehen uns dann um zwanzig Uhr, bei Ihnen. Punkt zwanzig Uhr.“

Damit beendete sie per Stimmenkommando und verließ sie die Holosuite.

Christian sah ihr nach, bis sie die Holosuite verlassen hatte, bevor auch er sich, mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen, in Bewegung setzte. Dabei dachte er: Sie hätten warten können, mit dem Beenden des Programms, Commander, denn ich hätte meinen Zweispitz gerne noch hoch in die Luft geworfen, vor Freude.
 

* * *
 

Pasqualina Mancharella hatte Wort gehalten. Pünktlich um 20:00 Uhr war sie bei Christian Sinemus erschienen. Dabei hatte sie es sich nicht nehmen lassen ihm eine Flasche erlesenen Weins und einen Weihnachtsstern zu überreichen.

Der Lieutenant-Commander seinerseits hatte nicht übertrieben. Er hatte einen Weihnachtsbaum von knapp drei Metern im Wohnraum seines Quartiers stehen, den er mit Kerzen, roten Kugeln und Anhängern aus hellem Holz geschmückt hatte. Auf das traditionelle Lametta hatte er dabei verzichtet.

Nach dem Abendessen, für dass sie sich sehr viel Zeit nahmen, hatten sie es sich bei einem Glas des mitgebrachten Weines auf der breiten Couch gemütlich gemacht.

Nachdem sie miteinander angestoßen, und einen Schluck getrunken hatten, meinte Pasqualina, die sich in ihrer Ecke der Couch zurücklehnte: „Es hat mich etwas überrascht, dass es Grünkohl zum Essen gegeben hat, Christian. Offen gestanden hatte ich Ihnen eher ein mehr opulentes Mal zugetraut.“

Der Wiener lachte leise. „An jedem anderen Tag hätten Sie damit ins Schwarze getroffen, Pasqualina. Doch in meiner Familie ist es, seit mindestens zehn Generationen, wenn nicht noch länger, Tradition, dass es an Heiligabend Grünkohl mit Mett- und Bratwurst gibt. Wobei die eher einfache Mahlzeit auf eine noch ältere Tradition zurückgeht.“

Sie prosteten sich zu und tranken erneut einen Schluck Wein, bevor die Spanierin erwiderte: „Sehr interessant, was Sie alles wissen. Mir war gar nicht bewusst, dass sich um das Weihnachtsfest herum so viele verschiedene Traditionen ranken. Bei mir ist nur das mit dem Baum und dem Mistelzweig hängen geblieben.“

„Oh, mein Gott. Eine Ketzerin vor dem Herrn“, seufzte Sinemus in gespielter Resignation, stellte sein Glas auf den Tisch und schlug die Hände über dem Kopf zusammen.

Pasqualina, die ihn dabei beobachtete, lachte amüsiert. Erst als sie bemerkte, dass ihr Gegenüber sie interessiert ansah, machte sie wieder ein etwas ernsteres Gesicht und erkundigte sich bei ihm: „Was haben Sie?“

„Ich genieße nur, dass Sie wieder lachen können. Vorhin, in der Holosuite, da wirkten sie so verzweifelt und so traurig. Das ist mir sehr nahe gegangen.“

Eine leichte Röte überflog die Wangen der Frau und sichtlich peinlich berührt seufzte sie: „Sie müssen mich für eine ziemliche Heulsuse halten.“

Christian Sinemus hob überrascht seine Augenbrauen. „Weil Sie, in einem schwachen Moment, in dem Sie sich verletzlich gefühlt haben, ihre Gefühle gezeigt haben? Nein, ich zolle Ihnen Respekt dafür, dass Sie das können. Und ich bin sehr glücklich, dass ich Ihnen in diesem Moment zur Seite stehen durfte.“

Der Wiener griff wieder zu seinem Glas, trank den Rest des Weines und schenkte ihnen beiden dann erneut ein.

Sie prosteten sich erneut zu und nach einem Schluck Wein fragte Pasqualina: „Wie haben Sie früher, daheim, Weihnachten gefeiert?“

Sinemus lächelte in der Erinnerung. „Na ja, es gab, wie Sie sich jetzt denken können, eine Menge Grünkohl. Nein, ernsthaft: Am Abend gab es zunächst die Bescherung. Danach aß die Familie - also meine Großeltern, meine Eltern, und ich - gemeinsam zu Abend und im Anschluss haben wir zusammen Weihnachtslieder gesungen. Erst wenn meine Mutter mit dieser Einlage zufrieden war, hat sie ihr großes Buch mit Weihnachtsgeschichten hervor geholt und uns eine lange Weihnachtsgeschichte erzählt. Ich mochte dabei ganz besonders die heiteren Geschichten. Im Gegensatz zu meinen Großeltern, die lieber die etwas besinnlicheren Geschichten bevorzugten.“

Der Mann kehrte aus der Erinnerung ins Jetzt zurück und seine sanften Augen ruhten auf der Spanierin. „Wie war das bei Ihnen?“

Pasqualina Mancharella schüttelte leicht den Kopf. „Weihnachten war nicht so das ganz große Thema bei uns. Wir hatten auch keinen richtigen Weihnachtsbaum, sondern ein gutes Dutzend großer und kleiner Gestecke, die meine Mutter im gesamten Haus verteilte. Natürlich gab es auch Geschenke und wir haben diese Zeit gemeinsam miteinander verbracht. Doch nachdem wir von Salamanca nach Cadiz gezogen waren, sind wir zu Weihnachten eher schwimmen gegangen, als den üblichen Wintersportarten zu frönen. Nachdem meine Mutter, vor etwas mehr als drei Jahren, bei einem Tauchunfall starb, habe ich eigentlich nie wieder richtig Weihnachten gefeiert.“

„Tut mir leid, das mit Ihrer Mutter wusste ich nicht“, murmelte Sinemus. Dann sammelte er sich und fragte: „Würden Sie dennoch mit mir ein Weihnachtslied anstimmen? Kennen Sie überhaupt welche?“

Pasqualina rückte auf der Couch etwas näher zur Mitte. „Natürlich. Es gibt da zwei oder drei Lieder, die in der Nachbarschaft immer zum Besten gegeben wurden.“

„War bei diesen Liedern vielleicht „Stille Nacht“ mit dabei?“

In der Erinnerung stahl sich ein lächeln auf die Lippen der Spanierin. „Ja, von dem Lied kann ich sogar den Text einigermaßen. Aber halten Sie sich gut fest, damit Sie nicht von der Couch fallen. Ich will es mal so formulieren: Wo ich singe, da werde ich hinterher, für gewöhnlich, nie wieder eingeladen.“

Christian Sinemus zwinkerte ihr belustigt zu. „Ich bin hart im Nehmen. Zumindest wenn es nicht gerade um überbordende Emotionen geht, das ertrage ich nicht so gut.“

Pasqualina, die wusste, worauf ihr Gegenüber anspielte, beugte sich leicht vor und legte ihre Hand auf den Unterarm des Mannes. Ihm tief in die Augen sehend sagte sie fast lautlos: „Dafür haben Sie das vorhin aber sehr gut gemacht. Schon allein deshalb werde ich mich jetzt besonders anstrengen, beim Singen. Sie müssen aber den Ton vorgeben und beginnen – ich steige dann mit ein.“

„In Ordnung.“ Sinemus nahm noch schnell einen Schluck von seinem Wein, räusperte sich leicht und begann mit sonorer Stimme. Dabei sah er Pasqualina, die zunächst noch zögerte, auffordernd an, bis sie ebenfalls begann.

Eine seltsam vertraute Stimmung erfasste die Spanierin, nachdem sie die erste Strophe beendet hatten und mit der zweiten begannen. Mit ihrem Glas in der Hand rückte sie nahe an den Mann heran, mit dem zusammen sie, zum ersten Mal seit vielen Jahren, ein Weihnachtslied sang. Von der Stimmung gefangen genommen legte sie ihre freie Hand auf seine und drückte sie sanft. Dabei suchte ihr Blick den seinen.

Nachdem sie das Lied beendet hatte sahen sie sich lange Zeit nur stumm an. Bevor die Situation peinlich werden konnte, meinte Sinemus schließlich heiter: „Na, das war doch gar nicht so fürchterlich, wie Sie befürchtet hatten.“

Die Spanierin lächelte schwach. „Doch, das war es. Aber Sie haben das dafür umso besser gemacht. Ich glaube, Sie singen wirklich gerne, oder irre ich mich?“

Der Wiener nickte begeistert. „Sie irren sich absolut nicht. Zuhause wurde nicht nur zu Weihnachten viel gesungen, sondern auch bei jeder Familienfeier. Und Sie müssen wissen, dass ich eine ziemlich große Familie habe. Besser gesagt, viele Verwandte.“

„Ich beneide Sie fast ein wenig darum.“

Sinemus winkte übertrieben ab. „Tun Sie´s besser nicht. Sie ahnen nicht, was es mitunter an Nerven kosten kann, wenn man als Einzelkind, während dieser Familienfeiern, jedes mal plötzlich ganze Horden an Cousins und Cousinen um sich hat.“

Sie lachten erheitert.

Einen Moment später läuteten leise die Glocken einer antiken Uhr, die auf dem Highboard, an der gegenüberliegenden Wand, stand.

Unbewusst sah Pasqualina Mancharella auf das Zifferblatt und stellte erstaunt fest: „Es ist bereits Mitternacht.“

„Das bedeutet: Christus ist geboren.“

Mit einem leisen Zug von Verwunderung blickte die Spanierin in das Gesicht des Mannes und fragte leise: „Sie sind gläubig?“

Sinemus lächelte sanft. „Weniger, als meine Eltern es gerne sehen würden. Aber ja, es gibt gewisse Dinge, an die ich glaube.“

„Sie sind ein sehr vielschichtiger Mann, Christian.“

Pasqualina horchte ihren eigenen Worten nach. Sie kannte das ungeschriebene Gesetzt der Sternenflotte, welches besagte, dass der im Rang Höhere einem Anderen das Du anbieten durfte, nicht aber umgekehrt. Sie kannte Christian Sinemus im Grunde kaum, doch sie war sich trotzdem sicher, dass er niemals so sprunghaft sein würde, wie Tar´Kyren Dheran. Ebenso würde er niemals unhöflich sein, einer Frau gegenüber, und vermutlich auch gegenüber keiner anderen Person. Vielleicht war es das, was ihn ihr von Beginn an so sympathisch gemacht hatte.

Spontan beugte sich die Spanierin zu Christian Sinemus vor und hauchte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Ich würde mich darüber freuen, wenn wir das unpersönliche Sie beiseite lassen würden. Natürlich nur, wenn Sie wollen.“

Das Gesicht des Mannes begann förmlich zu strahlen. „Sehr gerne, Pasqualina.“

Wieder etwas von Sinemus abrückend sah sie erneut auf die Uhr und meinte leise: „Ich sollte nun gehen, es ist spät geworden.“

Christian Sinemus spürte genau, dass es keinen Sinn haben würde, sie noch zum Bleiben aufzufordern. Darum nickte er nur zustimmend und erklärte: „Ich habe es sehr genossen, gemeinsam mit dir den Heiligen Abend zu verbringen. Vergiss nur dein Geschenk nicht, wenn du gehst.“

Dankbar dafür, dass er sie nicht zurückhielt, schenkte die Spanierin dem Mann ein warmes Lächeln und erwiderte. „Nein, ganz bestimmt nicht.“

Das Buch vom Tisch nehmend schritt sie in der Begleitung des Mannes zum Schott des Quartiers. Ihn zum Abschied nochmal flüchtig auf die andere Wange küssend meinte sie mit einem selbstironischen Grinsen: „Dass ich Leyendas von Gustavo Adolfo Bécquer überhaupt noch nicht kenne, ist ja dabei mal so gar nicht schräg.“

Christian Sinemus schmunzelte vergnügt. „Macht nichts. Dann lernst du ihn in der nächsten Zeit ganz neu kennen. Ich wünschte ich könnte das auch nochmal.“

Er seufzte schwach und öffnete für Pasqualina das Schott. „Ich wünsche dir eine angenehme und friedliche Nacht. Trotz allem Anderen.“

Die Spanierin warf ihr langes Haar zurück und lächelte dankbar „Ich dir auch. Das war ein wundervoller Abend. Meldest du dich bei mir, für unsere nächste Verabredung zum Frühstück, oder zu einem anderen Essen?“

„Och, na ja, mal sehen“, gab Sinemus zurück und seine Miene blieb unbewegt, bis ihn das ernüchterte Gesicht der Frau zum Lachen reizte. „Natürlich melde ich mich bei dir.“

Für einen kurzen Moment blitzte es in den Augen der Spanierin auf. Doch dann sagte sie lediglich: „Ich freue mich darauf.“

„Bis dann“, schickte ihr der Mann hinterher als sie ging und schloss das Schott wieder. Nachdenklich blieb er für einen Moment reglos stehen, bevor ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht erschien und er sich daran machte, den Wein und die Gläser vom Tisch zu räumen. Dabei bildete er sich ein, noch immer ihre samtweichen Lippen auf seinen Wangen spüren zu können und ihm wurde bewusst, dass er sich endgültig und unwiderruflich in Commander Pasqualina Mancharella verliebt hatte.

Götterdämmerung


 

9.
 

Götterdämmerung
 

USS OBERON / NCC-97334

Sternenzeit: 58999.2

Bereitschaftsraum des Kommandierenden Offiziers
 

Konteradmiral Valand Kuehn warf einen letzten, prüfenden Blick auf den Graphen, der das endgültige Wahlergebnis für den Posten des neuen Chiefadmirals, auf dem Anzeigefeld des Deskviewers wiedergab, und schaltete ihn entschlossen aus. Es war knapp geworden – denkbar knapp sogar, aber am Ende hatten seine Anstrengungen Erfolg gehabt.

Der hochgewachsene Mann, der in gut einer Woche seinen vierundvierzigsten Geburtstag begehen würde, lehnte sich in seinem gemütlichen Sessel zurück, während der Bildschirm ins Innere des Arbeitstisches einfuhr. Dabei dachte er mit einem gewissen Zorn auf sich selbst: Ich habe dabei geholfen, einen unerträglich inkompetenten Opportunisten an die Spitze der Sternenflotte zu befördern. Für das höhere Ziel, nicht nur die Föderation, sondern möglicherweise zwei Quadranten dieser Galaxis, vor etwas weitaus Schlimmeren zu beschützen, als das. Wer kennt den Weg der Götter?

Bei diesem letzten Gedanken lachte der Mann, der vor einer halben Stunde seinen Bereitschaftsraum auf dem Flaggschiff der Sektorenflotte-Bajor aufgesucht hatte, lautlos und fuhr sich mit den Fingern der Rechte über seinen gepflegten Schnurr- und Kinnbart. Er hatte seit seiner Jugendzeit schon immer mehr für die alten nordischen Sagen übrig gehabt, als für die christlichen Lehren. Er hielt sie nicht für realer, aber es gefiel ihm sehr viel besser an sie zu glauben, als an etwas, in dessen Namen in Jahrtausenden der irdischen Geschichte, fürchterliche Gräueltaten ausgeübt worden waren. Dabei war der Norweger natürlich nicht so naiv zu meinen, dass jene, die in früherer Zeit diesen alten nordischen Göttern gehuldigt hatten, Chorknaben gewesen waren. Das waren sie nachweislich ganz sicher nicht gewesen.

Die alte Welt endet, und eine neue Welt entsteht. Ragnarök – früher oft fälschlicherweise mit dem Begriff „Götterdämmerung“ übersetzt.

Die Gesichtszüge des Konteradmirals entspannten sich etwas. Er befand, dass der Vergleich im Grunde gar nicht so abwegig war, wie es den Anschein hatte. Immerhin gab es, oft gerade bei den niederen Rängen innerhalb der Sternenflotte, genug Wesen, die auch heute noch der Meinung waren, dass Niemand einem Gott näher stand, als ein Admiral der Sternenflotte, der einen Raum-Kampfverband ins Gefecht führte.

Die grün-grauen Augen des Mannes funkelten ironisch. Denn er selbst war weit davon entfernt, sich, oder irgendeinen anderen Flaggoffizier der Sternenflotte, als Gott anzusehen. Er war jedoch der festen Überzeugung, dass es Admirals gab, die dieser Ansicht widersprochen hätten. Allen voran Frank Damon Sherman – der frisch gewählte neue Oberkommandierende der gesamten Sternenflotte.

Ein schwarzer Tag in den Annalen der Sternenflotte, überlegte Kuehn finster. Doch Admiral Torias Tarun wird genau dort gebraucht, wo er ist. Immerhin - Janeway, Ross und letztlich auch ich selbst werden Sherman sehr genau im Auge behalten und wenn der Moment gekommen ist, dann wird er freiwillig oder auch nicht, schnell in der Versenkung verschwinden, das steht bereits heute fest. Doch gegenwärtig müssen wir uns alle mit diesem Scheißkerl abfinden, ob es uns nun gefällt, oder nicht. Tarun seinerseits hält mich für seinen Verbündeten. Der würde ganz bestimmt ein wenig anders denken, wenn er von meinen Machenschaften wüsste, die ich in der letzten Zeit angestrengt habe.

Normalerweise vertraute Valand Kuehn seine privaten Gedanken seinem Persönlichen Logbuch an. Doch Gedanken, wie diese, waren zu gefährlich um sie in Worte zu fassen. Was das betraf so hatte er sich, in den letzten fünfeinhalb Jahren, eine gewisse Paranoia zu eigen gemacht, die ihn davor bewahren sollte, irgendwann unvorsichtig zu werden.

Valand Kuehn seufzte schwach und blickte auf die beiden einzigen Bilder, die nicht in seiner Glasvitrine standen, sondern hier auf dem Arbeitstisch. Das eine zeigte Sylvie LeClerc, seine Verlobte, und das andere Ahy´Vilara Thren, seine verstorbene Ehefrau. Ahy´Vilara, Sylvie und er hatten gemeinsam auf der ALAMO gedient. Die Andorianerin war bei der Havarie des Raumschiffs, im Herbst des Jahres 2362, ums Leben gekommen.

Bevor er mit Sylvie LeClerc liiert war, seit Spätsommer 2380, hatte neben dem Bild der Andorianerin das Bild einer Bajoranerin gestanden. Das von Linara Enari, gegenwärtig Captain der WINDTALKER und mit Schiff und Besatzung, als Teil der 5. Taktischen Flotte, auf der Raumstation STRATEGICAL STARBASE 71 stationiert. Als er die letzten beiden Male diese Station besucht hatte, war sie irgendwo in den Tiefen des Weltalls unterwegs gewesen, doch der Norweger hoffte, sie morgen dort anzutreffen. Denn es gab etwas, worüber er mit ihr reden musste. Seit über vierundzwanzig Jahren.

Enari und er hatten sich an der Akademie kennengelernt. Sie war in ihrem letzten Jahr gewesen, als er seine Ausbildung dort begonnen hatte. In der Nacht, bevor Enari die Akademie verlassen hatte, um ihr Kommando, an Bord der STIRLING anzutreten, waren sie zusammen gewesen. Nur das eine Mal. Danach hatten sie sich aus den Augen verloren. Besser gesagt, die Bajoranerin hatte jeglichen Kontakt zu ihm abgebrochen.

Doch im Grunde war das nur die halbe Wahrheit, denn seit Ende des Jahres 2376 war er zu ihrem Schatten geworden. Zu einem nahezu unsichtbaren Schatten, fraglos, doch dennoch permanent da. Nur wusste Enari nichts davon. Noch nicht. Doch auch darüber würde er mit der Bajoranerin reden müssen.

Gegen Ende des Jahres 2375 war sie, in den letzten Wochen des Dominion-Kriegs, spurlos und unter mysteriösen Umständen, während einer Landeoperation auf einer cardassianischen Stützpunktwelt, verschwunden. Erst nach einem Jahr war sie überraschend, und nur mit rudimentären Erinnerungen an dieses Jahr ihrer Abwesenheit, wieder aufgetaucht. Und zwar auf der Erde. Das hatte natürlich Fragen aufgeworfen. Besonders bei dem Chef des Geheimdienstes, Admiral Frank Damon Sherman.

Auf sein Geheiß hin hatte ausgerechnet er, ihr früherer Freund an der Akademie, ein verzwicktes Täuschungsmanöver gegen sie gestartet. In dessen Folge hatte er zu ergründen versucht, ob hinter dem Verschwinden der Bajoranerin mehr steckte, als sie, nach ihrer Rückkehr, ausgesagt hatte. Von einem neutralen Standpunkt aus betrachtet hätte man dieses Manöver durchaus als perfide bezeichnen können. Er selbst hatte sich, bis zum Erweisen von Linara Enaris Aufrichtigkeit, im Hintergrund gehalten, so dass sie nie erfahren hatte, wer der Urheber dessen war, weswegen sie damals empört die Sternenflotte verlassen hatte. Doch wenn es nach seinem Willen ging, so würde sich das bald ändern. Allerdings würde er dennoch ein paar wesentliche Details dabei unter den Tisch fallen lassen müssen. Zum Beispiel seine Funktion innerhalb der Sternenflotte, seit Mitte des Jahres 2376.

Es war Admiral Tarun gewesen, der Linara Enari endlich doch für die Sternenflotte wiedergewinnen konnte. Sie hatte beim Admiral durchgesetzt, ihr altes Kommando zurück zu bekommen, und so fungierte sie, seit Sommer des Jahres 2378, wieder als Kommandantin der WINDTALKER, einem, in vielerlei Hinsicht, besonderen Raumschiff der Sternenflotte.

Der Norweger fuhr sich mit der linken Hand durch das dunkelblonde, kurze Haar. Dabei versuchte er auf andere Gedanken zu kommen. Admiral Torias Tarun hatte ihn, vor zwei Tagen, zum Silvesterball auf die Station eingeladen. Dabei hatte der Trill durchblicken lassen, dass der eigentliche Grund ein etwas anderer war. Er gedachte Tar´Kyren Dheran zu befördern, und da Tarun wusste, wie eng sie befreundet waren, hatte er ihn kontaktiert. Wobei sich Kuehn ziemlich sicher war, dass der Admiral auch einige Fragen zu dem hoch geheimen Einsatz hatte, für den er ihm den Andorianer, und zwei von dessen Offizieren überstellt hatte. Nun, er durfte Tarun zwar nicht alles erzählen, aber doch das Wesentliche.

Der Gedanke daran, dass sein bester Freund bald ebenfalls zum erlesenen Kreis der Flaggoffiziere zählen würde, stimmte ihn wieder etwas heiterer.

Während ihrer gemeinsamen Jahre, an Bord der EXODUS, hatte Kuehn den Andorianer auch als hervorragenden Offizier zu schätzen gelernt. Nach Kuehns Ansicht hatte sich Tar´Kyren Dheran den Rang eines Commodore redlich verdient, denn kaum ein anderer Offizier, innerhalb der Sternenflotte hatte, im Laufe der Jahre und der verschiedensten Risikoeinsätze gegen diverse Gegner, mehr für die Föderation riskiert, als er.

Außer ich vielleicht, dachte Kuehn ironisch und schmunzelte dabei unmerklich. Bereits im nächsten Augenblick wurde seine Miene wieder ernst, und er dachte: Nein, es gibt da einen guten Offizier, der noch mehr für die Föderation riskiert hat, als Tar und ich zusammen. Und dieser Offizier heißt Alev Scenaris. Sie hat vor einem Monat ihr Leben für die Föderation gegeben, und ich war es, der die Mission geleitet hat.

In den ersten Tagen, nach dieser Mission, hatte er Sherman die Schuld an Alevs Tod gegeben, einer Kameradin, seit den Tagen an der Akademie. Doch das war ebenso an der Wahrheit vorbei, wie sich selbst die Schuld zu geben. Was umso frustrierender war, als dass dieser kaltschnäuzige Admiral den Erfolg der Mission als seinen eigenen Erfolg ausbeutet hatte. Damit war er, wie zu erwarten gewesen war, seinem Ziel, Chiefadmiral zu werden, einen gewaltigen Schritt näher gerückt. Letztlich war es, nach Kuehns Meinung, sogar der Auslöser für seine Wahl gewesen, und Valand Kuehn verwünschte die Tatsache, dass er dazu gezwungen gewesen war, diesem aufgeblasenen Schnösel dabei auch noch zu helfen.

Er hatte aus der Not eine Tugend gemacht, indem er Sherman seine Loyalität zur Schau gestellt, und für ihn die Kastanien aus dem Feuer geholt hatte. Der Konteradmiral tröstete der Gedanken daran, dass er dem Chiefadmiral, eines nicht allzu fernen Tages, die Quittung dafür präsentieren würde. Mit Zins und Zinseszins.

Das Zirpen seines Kommunikators lenkte ihn ab. Mechanisch aktivierte Valand Kuehn das Gerät auf seiner linken Brust durch ein kurzes Antippen.

„Konteradmiral Kuehn, hier ist Commander Delor“, klang die unverkennbare Stimme des Ersten Offiziers dieses Raumschiffs auf. „Die OBERON befindet sich noch zwei Minuten vom Forlan-System entfernt. Sie wollten in dem Fall benachrichtigt werden.“

Kuehn erhob sich und antwortete dabei: „Danke, Commander. Ich bin sofort bei Ihnen auf der Brücke. Kuehn, Ende.“

Mit federnden Schritten begab sich Valand Kuehn zum Schott seines Bereitschaftsraums, öffnete es und betrat die Brücke des Schweren Kreuzers. Er schritt zu Tamaril Delor und nickt dem Trill zu, bevor er im Sessel des Kommandanten Platz nahm. Auf das sonst übliche Geplänkel mit dem Trill verzichtend kam der Konteradmiral sofort zur Sache, indem er meinte: „Sobald wir die Station erreicht haben, Commander, werde ich die OBERON mit dem vorbereiteten Shuttle verlassen. Sie werden das Kommando über das Schiff übernehmen, es umgehend wieder zur Sternenbasis-375 bringen und es, während meiner Abwesenheit, dem Oberkommando von Commodore LeClerc unterstellen.“

Der Trill setzte sich neben Kuehn auf seinen Platz. „Verstanden, Sir. Haben Sie irgendwelche sonstigen, speziellen Anweisungen für mich?“

Kuehn sah zu Delor und lächelte fein. „Nein, Commander. Es ist ja nicht so, als würde ich für Wochen weg sein. Für ein paar Tage wird die Sektorenflotte-Bajor auch ohne mich auskommen, denke ich. Der Commodore wird die Lage im Griff haben.“

„Natürlich, Sir.“

Tamaril Delor erlaubte sich ein feines Schmunzeln, und auf den fragenden Blick das Konteradmirals hin fügte er so leise hinzu, dass nur er ihn verstehen konnte: „Wie ich hörte, haben Sie und der Commodore sich verlobt, Admiral. Meinen Glückwunsch. Ich hoffe, dass meine Einladung zur Hochzeit, bei der Übertragung, nicht im Subraum verloren gehen wird.“

„Da können Sie aber mächtig stolz sein, auf Ihre Superlauscher“, spöttelte der Norweger. „Vielleicht sollte ich mein Quartier aber auch nur mal wieder nach versteckten Abhöranlagen untersuchen, meinen Sie nicht, Commander?“

Tamaril Delor lachte unterdrückt. „Sie würden keine finden, Sir. Aber wie heißt es so schön: Raumschiffe sind Resonanzkörper.“

Kuehns Augenbrauen hoben sich leicht an. „Ist das ein brandneuer Spruch, oder ein uralter Spruch, Commander?“

Der Trill grinste ungeniert. „Den habe ich kürzlich von unserem neuen Ensign in der Astrometrik aufgeschnappt. Ich kann die junge Dame ja mal fragen.“

Der Norweger grinste schief. „Lassen Sie es gut sein.“

Die beiden Führungsoffiziere wurden abgelenkt, als Lieutenant Junior-Grade T´Farin, von der CON meldete: „Sir, das Schiff geht unter Warp. Die OBERON nähert sich aus einem Vektor plus siebenundzwanzig Grad zur Ekliptik dem Planet Forlan-Prime. Abstand unterschreitet gegenwärtig zwanzig Millionen Kilometer.

Valand Kuehn wandte sich an die Vulkanierin. „Danke, Miss T´Farin. Halten Sie den Kurs und verzögern Sie so, dass wir die Station in zehn Minuten erreichen.“

„Aye, Sir.“

Der Konteradmiral erhob sich und reichte Delor die Hand. „Passen Sie bitte gut auf mein Schiff auf, während ich abwesend bin. Damit meine ich: Keine Dellen, keine Beulen und auch keine Kratzer, Commander.“

Delor nahm die angebotene Hand. „Ich werde gut auf Schiff und Besatzung achten, das verspreche ich Ihnen, Admiral.“

Valand Kuehn ließ lediglich seine Augen antworten, bevor er sich abwandte und eilig zum Turbolift schritt. Als er in der Kabine des Lifts allein war, dachte er an sein Vorhaben, mit Enari zu reden und seufzte leise: „Wenn das bei bajoranischen Frauen mal auch nur immer so gut funktionieren würde.“
 

* * *
 

An Bord der ICICLE stellte Pasqualina Mancharella ganz ähnliche Überlegungen über das Enden und neu Entstehen an, wie Konteradmiral Valand Kuehn. Wenn auch in etwas anderer Hinsicht.

Sie hatte sich ganz von Dheran zurückgezogen, während der letzten sechs Tage. Dabei war sie zu Beginn noch fürchterlich zornig auf den Andorianer gewesen. Mittlerweile hatte sich dieses Gefühl gelegt. Sie hatte Zeit gehabt um über ihre Beziehung mit ihm nachzudenken, und auch darüber, dass er sie tatsächlich gewarnt hatte mit ihm eine Beziehung einzugehen. Bevor sie ihren Kopf durchgesetzt, und mit ihm geschlafen hatte. Sie musste zugeben, dass Tar´Kyren nie ein Geheimnis aus seinen Gefühlen für Christina Carey gemacht hatte. Sie selbst hatte von ihm eine Entscheidung verlangt, und er hatte sich entschieden. Nur nicht so, wie sie es sich erhofft hatte. Das hatte sie zunächst enttäuscht und traurig gemacht. Und gleichfalls ziemlich wütend.

Doch jetzt, nach ein paar Tagen, in denen sie Zeit gehabt hatte, darüber nachzudenken, hatte sich die Wut gelegt. Was zurückgeblieben war, das war die Enttäuschung und die Traurigkeit. Auch wenn sich Christian Sinemus sehr um sie bemüht hatte, in den letzten Tagen.

Bei dem Gedanken an den Lieutenant-Commander überkam Pasqualina ein warmes Gefühl. Er war ihr, in den letzten Tagen, ein prima Kamerad gewesen. Nein, ein prima Freund, verbesserte sich die Spanierin in Gedanken. Sie hatte schnell Vertrauen zu ihm gefasst, innerhalb der letzten Woche, was sie etwas erstaunte. Denn für gewöhnlich dauerte es länger, bis sie sich jemandem gegenüber so sehr öffnete, wie ihm.

Es hatte ihr gut getan, mit Christian über ihre gescheiterte Beziehung mit Tar´Kyren offen sprechen zu können. Einige Dinge, die sie vor einer Woche ziemlich emotional beurteilt hatte, erschienen ihr dadurch heute in einem etwas anderen Licht, und sie war sich nun im Klaren darüber, dass sie mit dem Andorianer reden musste.

Darum hatte sie ihn vor einer halben Stunde kontaktiert, und ihn darum gebeten, sich mit ihr im LA SINGLA zu treffen. Sie hatte sich an einem der Tische nahe des Eingangs niedergelassen, damit er sie nicht suchen musste, wenn er kam. Ein Mix unterschiedlicher Emotionen durchströmte sie, als der Andorianer, pünktlich zur verabredeten Zeit, das Lokal betrat, sich kurz orientierte und dann zielstrebig an ihren Tisch kam. Er lächelte, etwas gezwungen, und setzte sich, ihr gegenüber, an den Tisch.

„Guten Morgen, Tar´Kyren“, sprach die Spanierin ihn an. „Ich freue mich darüber, dass du kommen konntest.“

Die Antennen des Andorianers bogen sich leicht zurück, als er erwiderte: „Kein Problem, Pasqualina. Ich werte es als ein gutes Zeichen, dass du mich nicht mit Sie oder Captain ansprichst.“

Die Frau nickte. „Du hast es einmal ganz richtig gesagt: Der Punkt, an dem wir dorthin hätten zurückkehren können, haben wir längst hinter uns gelassen. Ich möchte auch nicht mit dir reden, um dir Vorwürfe zu machen. Natürlich hat mich deine Entscheidung verletzt, und ich war sehr traurig und enttäuscht. Ich will dabei gar nicht leugnen, dass ich zu Anfang auch furchtbar wütend auf dich war. Auch auf Christina Carey. Aber ich hasse dich nicht, Tar´Kyren, und auch sie nicht. Ich brauche nur etwas Zeit, um damit klarzukommen.“

Ein Anflug von Erleichterung zeigte sich auf dem Gesicht des Andorianers. „Ich freue mich, das zu hören. Denn als ich sagte, dass es mir sehr leid tut, dich verletzt zu haben, da habe ich es genau so gemeint. Ich hoffe inständig, dass wir die Kameradschaft, die uns schon vor dem Abend in Cadiz verband, nicht ebenfalls verloren haben.“

Die Spanierin lächelte schwach. „Momentan ist sie zwar einer gewissen Belastung ausgesetzt, doch ich bin sicher, dass wir sie nicht verlieren. Auch deswegen wollte ich dich sprechen. Um dir zu versichern, dass unser gemeinsamer Dienst nicht unter unserer Trennung leiden wird. Ich werde nicht zulassen, dass mein Privatleben meine dienstlichen Pflichten beeinträchtigt. Oder unsere Zusammenarbeit an Bord der ICICLE.“

Sie wurden von der Bedienung unterbrochen.

Nachdem sich die beiden Führungsoffiziere der ICICLE einen Kaffee bestellt, und ihn kurze Zeit später bekommen hatten, kam Tar´Kyren auf die Worte seiner XO zurück. „Ich hatte sehr gehofft, dass du etwas in dieser Richtung sagen würdest. Denn unser gemeinsamer Dienst an Bord hat bisher hervorragend funktioniert. Bei den Aufgaben, die sicherlich noch auf uns zukommen, werde ich deine volle Loyalität brauchen, Pasqualina.“

„Die hast du.“

Tar´Kyren Dheran sah in die dunklen Augen der Spanierin und seine Antennen bogen sich stärker nach hinten. „Deine Größe beschämt mich. Insbesondere, weil mir nicht egal ist, was du fühlst, und wie es dir geht. All meine Gefühle für dich sind noch da, doch es hat mich beinahe zerrissen, all das für zwei Frauen gleichzeitig zu fühlen. Und im Grunde tut es das immer noch. Ich weiß selbst, wie schizophren das klingen muss.“

Pasqualina, die in diesem Moment unwillkürlich einen Vergleich anstellte, zwischen dem Andorianer und Christian Sinemus, schüttelte vehement den Kopf. „Vielleicht ist das viel normaler, als wir denken.“

Sie ließ offen, was sie damit meinte, und Tar´Kyren Dheran nickte nur zustimmend. Einen Schluck von seinem Kaffee nehmend erklärte er schließlich: „Dann bleiben wir...“

Pasqualina lächelte schmerzlich: „Gute Freunde? Nein, sehr gute Freunde, und Kameraden, die einander bedingungslos vertrauen können.“

Die Antennen des richteten sich auf und spreizten sich leicht. „Ich hätte es nicht besser ausdrücken können.“

Die Miene der Spanierin nahm einen ironischen Zug an. „Egal ob blau oder weiß, oder welche Farbe auch immer, das könnt ihr Kerle doch nie.“

Dheran grinste schief und wechselte dann abrupt das Thema. „Kommst du auch zum Silvesterball? Wie ich hörte, will der Getupfte, um Mitternacht, etwas ganz Besonderes ankündigen. Natürlich macht er wieder einmal ein Geheimnis daraus, was es ist. Alle Captains haben die Order erhalten zu erscheinen, außer denen, die der RED ALERT GROUP zugeteilt sind, an diesem Abend.“

Pasqualina Mancharella drehte ihre Kaffeetasse zwischen den Händen hin und her und nickte schließlich zögernd. „Ja, Lieutenant-Commander Sinemus hat mich gefragt, ob ich ihn zu dem Ball begleite.“

„Sinemus?“, echote Dheran überlegend. „Das ist doch der Mann, der, vor einigen Monaten, die Sektorenmeisterschaft im Degenfechten, hier auf der Station, gewonnen hat.“

„Ja. Er ist mittlerweile bei den MACO´s und er wurde zur Station versetzt, kurz bevor du zu dem Einsatz mit deinem Freund aufgebrochen bist. Wir treffen uns gelegentlich zum Frühstück, in diesem Lokal, seit dieser Zeit.“

„Davon hast du mir nie was erzählt“, entfuhr es dem Andorianer.

Pasqualina bemerkte, dass sich die Antennen ihres Gegenübers nach Innen bogen und sie fragte lauernd, sich dabei etwas vor beugend: „Ach, passt dir das etwa nicht?“

Bevor Dheran etwas darauf erwidern konnte, zirpte sein Kommunikator. Er meldete sich und hörte die unverkennbare Stimme von Commander No´Leen Ra Taragenar sagen: „Captain Dheran, der Admiral bittet Sie, umgehend in sein Büro zu kommen.“

Beinahe erleichtert aktivierte der Andorianer seinen Kommunikator und antwortete: „Ich bin bereits auf dem Weg. Dheran, Ende.“

Als Dheran sich erhob und entschuldigend zu Pasqualina Mancharella blickte, meinte sie mit stechendem Blick: „Vom Admiral persönlich gerettet. Du musst mir bei Gelegenheit mal verraten, wie du verdammte Glückspilz das immer wieder hin bekommst.“

„Du entschuldigst mich“, murmelte der Andorianer und entfernte sich rasch.

Im LA SINGLA blieb Pasqualina Mancharella am Tisch sitzen und blickte dem Captain gedankenverloren nach. Dann nahm sie einen Schluck von ihrem Kaffee und verzog angewidert das Gesicht. „Verdammt, der ist so kalt wie ein andorianischer Eiszapfen.“
 

* * *
 

Die dritte Person, die sich mit einer Form der Götterdämmerung befasste, war Admiral Torias Tarun. Eben erst hatte er, nachdem er das Wahlergebnis erfahren hatte, das Sternenflottenkommando kontaktiert und, wie es sich für einen anständigen Verlierer gehörte, Admiral Frank Damon Sherman zur Wahl gratuliert. Auch wenn er ihm lieber mit der Faust ins Gesicht geschlagen hätte. Zum neuen Jahr würde er eine schmalzige Rede halten, die Tarun jetzt schon ankotzte, und das hatte einen Grund.

Sherman und er hatten in demselben Jahr die Akademie abgeschlossen. Dabei hatte er, knapp vor dem, von Ehrgeiz zerfressenen Sherman als Jahrgangsbester an der Akademie abgeschlossen. Etwas, das Frank Damon Sherman vermutlich heute noch wurmte. Doch das war nur die Spitze des Eisbergs.

Im Jahr 2358 lernte er, zu dieser Zeit bereits Lieutenant-Commander und Zweiter Offizier der SOLOMON, ein Raumschiff der EXCELSIOR-KLASSE, Serina Tennan kennen, eine junge Wissenschaftlerin im Rang eines Junior-Lieutenant. Von der ersten Begegnung an faszinierte sie ihn. In den folgenden Monaten umwarb er die Südländerin, ohne dabei zu ahnen, dass sie mit seinem einstigen Rivalen Sherman liiert ist. Erst nachdem Serina dem Werben des Trill nachgab, und eine leidenschaftliche Nacht mit ihm verbracht hatte, gestand sie ihm, dass sie eigentlich einen Freund hatte, verschwieg ihm aber, wer es war. Sie versprach ihm lediglich, sich von ihrem bisherigen Freund zu trennen.

Bei einer Außenmission, die von ihm geleitet wurde, starb Serina. Obwohl ihn selbst dabei keine Schuld traf machte er sich heftige Vorwürfe.

Bei Serina Tennans Beerdigung war auch Sherman zugegen. Erst hier erfuhr er die gesamten Zusammenhänge. Sherman tobte damals und gab ihm die Schuld am Tod von Serina und er schwor dem Trill, am Grab der Frau die er liebte, dies niemals zu vergessen.

Das allein hätten die beiden Männer möglicherweise noch irgendwann geraderücken können, doch es kam zu einem weiteren tragischen Ereignis mit seiner Beteiligung.

Während der Eroberung des Chin´toka-Systems starb Captain Erika Benteen an Bord ihres Schiffes, welches zu diesem Zeitpunkt, zusammen mit 11 weiteren, unter seinem Kommando stand. Erst Tage später erfuhr er, seinerzeit Commodore und hinter den feindlichen Linien im Einsatz, dass Erika Benteen zu diesem Zeitpunkt mit Frank Damon Sherman verheiratet gewesen war. Vermutlich gab Sherman ihm auch an ihrem Tod die Schuld, was vollkommen absurd war.

Was am Ende blieb: Sherman hasste ihn, weil er ihm die Schuld am Tod von mindestens einer Frau gab, die ihm nahe gestanden hatten. So wie er selbst Sherman hasste, wegen seiner Ränkespiele, die ihn, trotz einer geradezu fahrlässigen Inkompetenz in der Praxis, an die Spitze des Sternenflottenkommandos katapultiert hatte. Einen hervorragenden Intellekt, was das Theoretische betraf, konnte man Sherman hingegen nicht absprechen, und das machte ihn, zusammen mit seinem krankhaften Ehrgeiz, so brandgefährlich. Nicht allein für ihn, sondern möglicherweise für die gesamte Föderation. Zumal Sherman sich selbst als einen Spitzenpraktiker ansah, und sich außerdem von niemandem etwas sagen ließ.

Die Gedanken des Admirals schwenkten zu Konteradmiral Valand Kuehn ab, der im Laufe des Tages auf der Station erwartet wurde. Tarun sah in dem Norweger einen potenziellen Verbündeten, dessen Unterstützung er gut würde gebrauchen können. Der Norweger hatte durchblicken lassen, dass er für mindestens eine Woche auf der Station bleiben würde und in den nächsten Tagen ein Gespräch unter vier Augen mit ihm zu führen gedachte. Vermutlich wegen der Wahl von Sherman.

Torias Tarun schreckte beinahe aus seinen Gedanken auf, als sich das Schott zu seinem Büro öffnete und Captain Sorek, als Erster der fünf von ihm einbestellten Captains, zu ihm herein schritt. Der Admiral erhob sich, hinter seinem Arbeitstisch und deutete auf die Sitzecke. „Nehmen Sie bitte Platz, Captain. Ihre übrigen vier Kameraden, die ich zu dieser Unterredung gebeten habe, müssten auch innerhalb der nächsten beiden Minuten erscheinen.“

Der Halbvulkanier verbeugte sich leicht und nahm Platz. Dass sein Vater Romulaner gewesen war, hatte Sorek, von seiner Mutter, erst im Alter von zehn Jahren erfahren. Gemeinsam mit ihr hatte er auf jenem abgelegenen vulkanischen Kolonialplaneten gelebt, auf dem er zur Welt gekommen war. Für einige Zeit gerieten Soreks Emotionen damals, durch diese unerwartete Eröffnung, durcheinander. Aus diesem inneren Kampf war er am Ende jedoch gestärkt hervorgegangen.

Nach reiflicher Überlegung hatte der junge Sorek damals beschlossen, sein väterliches Erbe nicht zu verleugnen. Er hatte sich, nach und nach, seinen Emotionen geöffnet und gelernt, anders als die meisten reinblütigen Vulkanier, mit ihnen zu leben.

Obwohl Sorek sich zumeist ganz wie ein durchschnittlicher Vulkanier verhielt und er nach Außen hin in etwa dieselbe Ruhe zeigte, war er in seinem Kern von deutlich anderer Art. So besaß er einen ausgeprägten Sinn für Humor, den er mitunter offen zeigte, sofern er sich unter Wesen aufhielt, denen er vertraute, oder die er besonders mochte.

Trotz seiner äußeren Gelassenheit war Sorek dennoch im Innern ein leidenschaftlicher Mann, der jedoch diese Leidenschaft sehr gut im Griff hatte. In dieser Hinsicht ähnelte er seinem Kameraden, Tar´Kyren Dheran, weshalb sich beide Männer, bereits nach relativ kurzer Zeit, trotz aller sonstigen Unterschiede, inzwischen sehr gut verstanden.

Wer Sorek sah, der hielt ihn ohne Weiteres für einen reinblütigen Vulkanier, da seine Stirn keinerlei Anzeichen romulanischer Höcker aufwies. Etwas, das Sorek in seinem tiefsten Innern ganz recht war, denn Vertreter anderer Spezies neigten dazu, gegenüber Romulanern ein gewisses Misstrauen an den Tag zu legen.

Sorek blickte, wie Tarun, zum Schott, als es sich erneut öffnete und die übrigen vier Captains eintraten. Dabei fragte sich der Halb-Vulkanier insgeheim, ob sich die vier Captains vorher verabredet, und ihn dabei ausgelassen, hatten. Er erhob sich, als seine Kameraden herangekommen waren, unter ihnen auch Tar´Kyren Dheran und Linara Enari. Auch die Bajoranerin zählte er, seit ihrem gemeinsamen Aufenthalt auf der Erde, im Sommer dieses Jahres, zu seinem Freundeskreis. Er begrüßte sie und Dheran herzlich und reichte danach auch Frank Revers und Sebastian Frank die Hand.

Gemeinsam nahmen sie, auf Geheiß des Admirals, Platz. Auch Sorek setzte sich erneut, wobei ihm erst jetzt auffiel, dass sechs Gläser auf dem Tisch der Sitzgruppe standen. In der Mitte hatte der Admiral eine Flasche mit Saurianischem Brandy hingestellt. Zumindest vermutete Sorek, dass es der Admiral gewesen war.

Tarun griff nach der Flasche und ließ es sich nicht nehmen, jedem der fünf Captains selbst einen Schluck des Brandys einzugießen, wobei er im Plauderton erklärte: „Ich möchte um Mitternacht, während des heutigen Silvesterballs, etwas bekannt geben. Eigentlich hatte ich zuerst vor, sie bis dahin noch im unklaren zu lassen, um Sie dann damit zu überraschen. Doch ich denke, dass es besser ist, Sie Fünf doch vorab zu informieren. Bei dieser Gelegenheit kann ich zudem als Erster mit Ihnen darauf anstoßen.“

„Wollen Sie uns zu Ihrer Hochzeit einladen?“, platzte Linara Enari heraus.

Tarun wechselte einen fragenden Blick mit Tar´Kyren Dheran, doch der Andorianer hob seine Hände und blickte ihn unschuldig an.

Frank Revers schmunzelte in Richtung des Admirals. „Das Gerücht, dass Sie und Commander Sheralan ziemlich fest miteinander liiert sind, ist schon seit einigen Monaten ein alter Hut, Admiral.“

„Für mich eine alte Mütze, Sir“, warf Linara Enari, in Anspielung auf den letzten modischen Schrei, auf Bajor, ein und erntete damit unterdrücktes Gelächter.

Der Admiral musterte Linara Enari mit ironischem Gesichtsausdruck. „Vielen Dank, dass Sie mich, in Bezug auf die aktuellen, bajoranischen Modeentgleisungen, auf den neuesten Stand gebracht haben, Captain Linara.“

Dann blickte der Trill wieder ernst werdend in die Runde und erklärte: „Nein, ich habe Sie hier zusammenkommen lassen, weil ich vorhabe, mit dem Beginn des neuen Jahres, unsere Flotte umzustrukturieren. Und zwar plane ich, Ihnen Fünf jeweils das Kommando über einen Teilverband von vierzig Raumschiffen anzuvertrauen. Die restlichen fünfzig Schiffe unterstelle ich dem direkten Befehl meiner Stellvertreterin, die ich in den Rang eines Konteradmirals zu befördern gedenke.

Der Admiral blickte in die Runde und ließ seine Worte für einen Augenblick wirken, bevor er mit der eigentlichen Bombe herausplatzte: „Sie, meine Dame und meine Herren, werde ich, zusammen mit Christina Carey ebenfalls, in der ersten Stunde des neuen Jahres, befördern. Ich darf Ihnen nun vorab zur Beförderung in den Rang eines Commodore, mit allen daraus entstehenden Pflichten und Privilegien, gratulieren.

Torias Tarun hob langsam sein Glas und stellte dabei zu seinem Vergnügen fest, dass es den Anwesenden zunächst die Sprache verschlagen hatte. Er prostete den fünf zukünftigen Commodores zu und beobachtete sie weiter, über den Rand seines Glases hinweg. Dabei stellte der Trill fest, dass vier von ihnen auffordernd zu Frank Revers sahen.

Frank Revers war zwar nicht der dienstälteste Captain von ihnen, doch er war der dienstälteste Offizier, abgesehen vom Admiral, und mit 52 Jahren nur knapp zwei Jahre jünger als Tarun. Darum übernahm er es, für sich und seine Kameraden zu sprechen.

„Ich spreche sicherlich im Sinn meiner Kameraden, wenn ich sage, dass Sie uns mit dieser Eröffnung alle überrascht haben, Admiral. Sie, und die andern hier Anwesenden kennen mein etwas zwiespältiges Verhältnis zu Flaggoffizieren. Darum bin ich mir auch nicht ganz sicher, ob ich mich über diese Beförderung freuen soll, oder nicht.“

Tarun hatte mit einem ähnlichen Einwand von Seiten dieses Offiziers gerechnet, denn er kannte die Vorgeschichte dieses Mannes. Ziemlich gut sogar. Darum zeigte er sich nicht verärgert über dessen Worte, sondern erwiderte verständnisvoll: „Ich kann mir denken, was sie jetzt umtreiben muss, Captain Revers. Doch ich schlage vor, Sie sehen es als Herausforderung an, all diesen Flaggoffiziers-Armleuchtern mal zu zeigen, wie man es richtig anfängt. Meinen Sie nicht auch?“

Revers sah in die Runde, lächelte schwach, und sagte schließlich, sanft und mit deutlicher Betonung, so wie er es immer tat: „Möglicherweise ist es an der Zeit, Admiral. Aber ich erwarte von Ihnen ein gewisses Vertrauen und dass Sie uns, innerhalb unseres zukünftigen Aufgabenbereichs, freie Hand lassen. Bis zu einem gewissen Grad zumindest.“

Admiral Torias Tarun nickte zustimmend: „Das erachte ich als selbstverständlich, Mister Revers. Sie kennen mich.“

„Dann bin ich bereit, einen Schritt nach vorne zu machen, Sir“, entschied Revers. Also werde ich bald auch einer dieser Armleuchter sein.“

Die übrigen vier Captains der 5. Taktischen Flotte nickten zustimmend und hoben nun ebenfalls ihre Gläser.

Der Admiral schmunzelte offen. „Dann also auf die fünf, bald frischgebackenen, neuen Armleuchter der Flotte.“

Sie prosteten sich zu und leerten ihre Gläser, wobei die Augen der Bajoranerin, die sich normalerweise eher an Frühlingswein hielt, zu tränen begannen. Mit heiserer Stimme krächzte sie, zu Tarun gewandt: „Wollen Sie mich vorher umbringen, Sir? Bei den Propheten, das Zeug schmeckt schlimmer als die eingeschlafenen Füße der Pah-Geister.“

„Ich bin erstaunt, was Sie bereits alles probiert haben, Miss Linara“, konterte der Trill trocken und vier Captains grinsten belustigt. Schnell wieder zum Thema zurück kommend meinte er dann: „Ich möchte Sie darum bitten, das, was ich Ihnen eben eröffnet habe, noch bis um Mitternacht für sich zu behalten. Miss Carey hat in den letzten Tagen bereits eine Unterteilung der Flotte in etwa gleich starke Teilverbände vorgenommen. Die Daten darüber, welche Schiffe und Captains der Fünften Taktischen Flotte zukünftig Ihrem Kommando unterstehen, werden Ihnen noch in dieser Stunde zugehen. Bitte machen Sie sich in den nächsten Tagen mit dieser Aufteilung vertraut. Für den zweiten Januar habe ich fünf Konferenzräume der Station für Sie reserviert, damit Sie Ihren zukünftig unterstellten Kollegen ein paar Worte zu diesem neuen Konzept sagen können. Die entsprechenden Daten, wie ich selbst mir das Konzept vorstelle, bekommen sie vorher.“

Sebastian Frank, der sich bisher, so wie auch Sorek, zurückgehalten hatte, wandte sich nun mit einer Frage an den Trill. „Ich vertraue dem Urteil von Commodore Carey, aber ich würde trotzdem gerne wissen, ob die Aufteilung eine Endgültige sein wird, oder ob nachträglich, in Einzelfällen, Änderungen möglich sein werden?“

Der Admiral musterte den Mann, dem man nachsagte, er wäre ein geistiges Chamäleon mit der Intelligenz eines Hochschulprofessors. Er hatte, nach seinem Abschluss an der Akademie zunächst im JAG der Sternenflotte gedient, wechselte aber, nach der Schlacht von Wolf-359 zur Kommandoebene und trat den Dienst auf einem Raumschiff an.

„Natürlich sind, in Einzelfällen, noch Änderungen möglich. Ich möchte aber, dass solche Änderungen einerseits die Ausnahme bleiben und andererseits zuvor mit Christina Carey abgesprochen werden, da die Teilverbände auch nach den Einsatzmöglichkeiten der einzelnen Raumschiffe von ihr zusammengestellt wurden.“

Der gelernte Anwalt nickte. „Natürlich Sir. Es war nur eine klärende Frage.“

Captain Sorek, dem eine andere Frage auf dem Herzen lag, meldete sich nach dem Deutschen zu Wort. „Was ist mit der Urlaubsplanung für die Besatzungen der einzelnen Raumschiffe, Admiral? Unterliegt die auch weiterhin Ihrer Stellvertreterin, oder zukünftig im Ermessen der einzelnen Kommandeure der Teilverbände?“

„Diese Einteilung werden zukünftig Sie alle selbst treffen“, gab der Trill Auskunft. „Irgendwie müssen Sie sich schon die Beförderung verdienen.“

„Ich ahnte, dass diese Beförderung einen Haken hat“, warf Tar´Kyren Dheran ein, der sich für administrative Aufgaben wenig begeistern konnte.

„Mehr als einen“, scherzte Tarun. „Aber dahinter werden Sie noch früh genug kommen, Mister Dheran.“

Sich an alle Anwesenden wendend erklärte der Trill: „Das wäre im Moment Alles. Ich möchte Captain Dheran im Anschluss bitten noch hier zu bleiben.“

Mit bezeichnenden Blicken in Richtung des Andorianers erhoben sich die übrigen vier Captains und machten sich auf den Weg aus dem Büro.

Torias Tarun wartete, bis sich das Schott hinter ihnen geschlossen hatte, bevor er zu der Brandyflasche griff, und den restlichen Inhalt auf ihre beiden Gläser verteilte. Dabei drehte er schließlich die leere Flasche in seiner Hand und meinte er humorig: „Ich würde sagen, die hat uns ganz gute Dienste geleistet, was Captain.“

„Mehr Ihnen, als mir, würde ich vermuten.“

Die Augenbrauen des Trill hoben sich leicht. „Grollen Sie mir immer noch, wegen dieser alten Geschichte, vom Frühjahr? Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt.“

Der Andorianer grinste, beinahe jungenhaft. „Sie haben Recht, Admiral. Aber das ist bestimmt nicht der Grund, warum ich noch bleiben sollte.“

Der Trill nickte zustimmend. „Richtig erkannt, Mister Dheran. Ich wollte mich bei Ihnen persönlich bedanken, für Ihre Rolle als Mentor, die Sie zum Heiligen Abend übernommen hatten. Ich habe erst nach der Zeremonie, von Tia´Vareni, erfahren, dass das Übernehmen dieser Rolle ein besonderer Vertrauensbeweis an mich gewesen ist.“

Die Antennen des Andorianers spreizten sich leicht. „Das stimmt, Admiral, und ich hätte diese Rolle nicht für Jeden übernommen.“

Die beiden so unterschiedlichen Männer schwiegen für eine Weile und tranken ihre Gläser aus. Als sie die Gläser auf den Tisch stellten, ergriff der Trill wieder das Wort. „Ihr Freund, Valand Kuehn, müsste inzwischen auf der Station angekommen sein. Ich habe ihn zum Silvesterball eingeladen. Ihm gegenüber dürfen Sie übrigens die bevorstehende Beförderung erwähnen. Er kommt nicht offiziell auf die Station, sondern um bei ihrer Beförderung dabei sein zu können.“

Echte Freude spiegelte sich in Tar´Kyren Dherans Augen. Aber auch eine gewisse Entschlossenheit, die Torias Tarun nicht ganz einzuordnen wusste. „Dann würde ich ihn jetzt gerne begrüßen, Admiral.“

Der Trill nickte zustimmend. „Sie können wegtreten, Mister Dheran.“

Als der Andorianer das Büro eilig verließ, sah Tarun ihm sinnend nach. Dabei dachte er an all die Dinge, die er bereits gemeinsam mit Tar´Kyren Dheran erlebt hatte, innerhalb der letzten neun Monate. Insbesondere in diesem Büro. Dabei stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen. Dann richteten sich seine Gedanken wieder auf seinen Widersacher Sherman und das Lächeln gefror zu Eis. Admiral Frank Damon Sherman an der Spitze der Sternenflotte – das konnte ja äußerst heiter werden.

Ein unangenehmes Geständnis


 

10.
 

Ein unangenehmes Geständnis
 

STRATEGICAL STARBASE 71

Sternenzeit: 58999.3

In den Gängen der Raumstation
 

Konteradmiral Valand Kuehn eilte mit langen Schritten durch die hell erleuchteten Gänge der Raumstation. Er war bereits ein paarmal hier gewesen, doch bisher noch nie in diesem Teil der Station. Darum musste er sich an den Gangkreuzungen jedes Mal einen Moment orientieren und auf die Bezeichnungen an den weißen Wänden sehen um sicher seinen Weg zu finden. Geteilt wurden sie, in halber Höhe, durch das dunkle Glas der Warnpaneele, von denen der Konteradmiral hoffte, dass sie nicht ausgerechnet während seines Besuchs in Tätigkeit treten mochten.

Was ich Tar´Kyren zu sagen habe ist bereits Katastrophe genug, grübelte der Konteradmiral düster. Sein Ziel lag in Hangarscheibe-2. Genauer gesagt handelte es sich bei seinem Ziel um die U.S.S. ICICLE. Das Raumschiff, das von seinem Freund kommandiert wurde. Natürlich hätte er sein Ziel bequemer mit dem Turbolift erreicht, doch Valand Kuehn wollte etwas Zeit haben um sich zu sammeln für das Treffen.

Noch etwas anderes trieb den Norweger momentan um. Denn auch mit Linara Enari wollte er, möglichst noch vor dem Jahreswechsel, reden. Allerdings an diesem Abend eher über rein private Dinge, von denen er hoffte, sie endlich, nach mehr als vierundzwanzig Jahren, ein für allemal aufklären zu können. Was es sonst noch mit Enari zu besprechen gab, das hatte Zeit, bis nach Silvester.

Als der Konteradmiral die Zentrumsnabe von Hangarscheibe-2 erreicht hatte und er in den Gang einbog, der ihn zu Andocksektion-7 – Liegeplatz-8 führen würde, ballte er entschlossen seine Hände zu Fäusten. Ein drängendes Gefühl, tief in ihm, wollte ihn von diesem unangenehmen Treffen mit Tar´Kyren abhalten, doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt um zu zaudern. Die Fakten mussten jetzt auf den Tisch.

Als er durch den Andock-Tunnel die Backbordschleuse der ICICLE betrat, wurde er von der Bordwache empfangen. Valand Kuehn bat darum das Schiff betreten zu dürfen und ließ sich dann von einem der Petty-Officers zu Dherans Quartier, auf Deck-3, bringen.

Valand Kuehn dankte, betätigte den Türmelder und trat ein, als sich das Schott des Quartiers vor ihm öffnete.

Der Andorianer blickte seinen Freund etwas überrascht an, als er ihn erkannte. Dann jedoch kam Dheran schnell näher und begrüßte ihn, ohne lange Umschweife, mit den Worten: „Wir müssen reden, Valand. Jetzt!“

Valand Kuehn machte ein verständnisloses Gesicht. „Das trifft sich gut, Tar, denn auch ich will mit dir über...“

Zur Überraschung des Konteradmirals schnitt ihm der Freund, mit düsterer Miene, das Wort ab und wiederholte mit Nachdruck: „Mein Thema hat Vorrang, Valand!“

Die Augenbrauen des Norwegers hoben sich. „Verdammt, Tar, was ist denn los?“

Tar´Kyren Dheran deutete wortlos auf die Sitzecke seines Wohnraums und Valand Kuehn grübelte, während sie beide Platz nahmen, über die verschiedenen Optionen von Unterhaltungen, die nun in Frage kommen mochten.

Die laute und erzürnte Stimme des Freundes riss den Konteradmiral abrupt aus seinen Grübeleien. „Wann wolltest du mir etwas von deiner Tätigkeit für den Geheimdienst der Sternenflotte erzählen, mein Freund? Oder sollte ich da vielleicht eine noch geheimere Organisation ins Spiel bringen? Wie lange wolltest du das noch vor mir geheim halten?“

Tar´Kyren Dheran hatte nur einen vagen Verdacht, seit ihrem gemeinsamen Einsatz im Gamma-Quadrant, aber der ließ ihm, seit der Beisetzung von Alev Scenaris, keine Ruhe mehr. Also hatte er beschlossen, einfach einen Schuss ins Blaue zu riskieren, von dem er instinktiv ahnte, dass es mehr war, als das.

Reglos saß Valand Kuehn im Sessel. All das, was er sich vorgenommen hatte seinem Freund zu erklären, warf ihm der Andorianer nun von sich aus verbal an den Kopf. Der Konteradmiral überlegte fieberhaft, wie er auf diese Vorwürfe reagieren sollte. Er hatte schon mehrmals darüber sinniert, wann der richtige Moment gekommen sein würde, um seinen besten Freund ins Vertrauen zu ziehen und etwas zu offenbaren, wovon bisher, außer drei Admirals und einem Commodore, nur Sylvie LeClerc wusste.

Er hatte diesen Moment um Haaresbreite verpasst, und so hatte er sich diesen Moment auch nicht vorgestellt. Doch er konnte und wollte andererseits nicht länger dieses Geheimnis vor dem Freund verbergen. Darum erklärte er „Ich bin hierher gekommen, um genau darüber mit dir zu sprechen, Tar. Leider hast du den Dingen nun bereits voraus gegriffen.“

Die Miene des Andorianers versteinerte. Er hatte gehofft, dass der Freund seinen Vorwürfen vehement widersprechen würde, doch das war nicht geschehen. In seinem Gesicht arbeitete es, als er, Valand prüfend musterte.

Valand Kuehn legte seine Handflächen gegeneinander und beugte sich angespannt in seinem Sessel vor. „Ich muss etwas weiter ausholen, Tar, und ich bitte dich, als dein Freund, darum, mir bis zum Ende zuzuhören.“

Der Andorianer nickte stumm und Kuehn erklärte: „Es war im Jahr 2376, als Sherman und ich uns kennenlernten. Damals, als ich für einige Tage im Hauptquartier zubrachte, und du das Kommando über die EXODUS geführt hast. Bereits während unserer ersten Unterhaltung gewann ich den Eindruck, dass er mich für seine Zwecke einzuspannen gedachte. Was ich dir nie erzählt habe, Tar, ist, dass ich kurz zuvor ein Gespräch mit Vizeadmiral William Ross geführt hatte. Er warnte mich vor Frank Sherman und schlug andererseits vor, dass ich ihm nachgeben soll, falls er seine Fühler nach mir ausstreckt. Das geschah dann, im Zuge mehrerer Gespräche unter vier Augen mit Sherman, tatsächlich. Sherman wollte mich unbedingt für den Sternenflotten-Geheimdienst gewinnen. Doch nicht für eine seiner regulären Sektionen.“

Valand Kuehn ließ seine Worte für einen Augenblick wirken und sah bittend in das Gesicht des Freundes, bevor er ergänzend fortfuhr: „Mehrmals arbeite ich mit Sherman eng zusammen, und ich gewann das Vertrauen des damaligen Vizeadmirals. Er war von meiner Person und meiner Einstellung zur Föderation sehr überzeugt, und er ist es immer noch. Frank Damon Sherman wollte mich unbedingt für Sektion-31 gewinnen, besonders nachdem Luther Sloan, unter mysteriösen Umständen, ums Leben kam. Er war der Meinung, ich sei hervorragend dazu geeignet, Sloan zu ersetzen, und ich bestärkte ihn in dieser Ansicht. Jedoch wurde ich auf meinem Posten belassen, um meine Position nicht zu verraten. Tar, all das, was ich dir hier und jetzt offenbart habe musst du tief in dir verschließen. Du darfst mit Niemandem darüber reden, und damit meine ich: Mit wirklich Niemandem. Es geht hier um nicht weniger, als das Wohl und Wehe der Föderation, und ich würde es sehr bedauern, wenn Unbeteiligte zu Schaden kämen, weil du mit ihnen darüber geredet hast.“

Zunächst ungläubig starrte Tar´Kyren Dheran seinen Freund einfach nur an. Dann begannen sich seine Antennen unaufhaltsam nach Innen zu biegen. Namenlose Wut, wie sie Valand Kuehn noch nie an seinem Freund beobachtet hatte, spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder. Dann sprang der Andorianer von seinem Sessel auf und deutete anklagend auf ihn, wobei er ihn unbeherrscht anschrie: „Du redest dich damit heraus, das alles für das Wohl und Wehe der Föderation zu tun?! Du verrätst all das, woran ich glaube und willst mir einreden, dass du das zum Wohl der Föderation tust?! Du verdammter Narr arbeitest seit Jahren für Sektion-31 und denkst, dieser Verein würde dich nicht längst korrumpiert haben?! Und du besitzt die Dreistigkeit und drohst mir und meinen Freunden?!“

Valand Kuehn erhob sich ebenfalls. Was er nun sagen würde, das wusste Valand Kuehn, würde sie endgültig entzweien. Trotzdem war es an der Zeit für die ganze Wahrheit. Entschlossen sah er Dheran mit brennenden Augen an und sagte kalt: „Du hast die volle Wahrheit immer noch nicht erkannt, Tar´Kyren. Ich arbeite nicht für Sektion-31 – ich bin Sektion-31. Ich bin es, der seit dem Tod von Direktor Luther Sloan an der Spitze dieser hoch geheimen Sektion des Sternenflottengeheimdienstes steht. Diese Tatsache wird hier, in deinem Quartier begraben, und nie wieder von dir erwähnt werden. Andernfalls währst allein du für die Konsequenzen verantwortlich, die ein Bruch deines Schweigens hätte.“

Die Worte des Konteradmirals brachten Dheran zum Verstummen, und Valand Kuehn erkannte den Moment, in dem der Andorianer innerlich mit ihm brach, in fast unnatürlicher Klarheit. Die bläulich-violetten Augen loderten förmlich in einem inneren Feuer.

Im nächsten Moment richteten sich die Antennen des Andorianers auf Valand Kuehn, wie Dolche, und mit kratziger Stimme herrschte Dheran ihn an: „Raus aus meinem Quartier und runter von meinem Schiff, Freund! Wir zwei sind fertig miteinander!“

Dheran spie das Wort Freund förmlich aus.

Valand Kuehn schluckte. Seine Verlobte hatte ihm diese Reaktion des Freundes prophezeit, und sie hatte Recht behalten. Der Norweger wusste, dass es momentan gar keinen Sinn hatte, zu versuchen Tar´Kyren seine Motive für sein Handeln darzulegen. Dazu würde sich vielleicht noch eine Gelegenheit ergeben, wenn der Andorianer sein Geständnis verdaut hatte. Doch sicher war das keinesfalls.

Deprimiert sah Valand Kuehn nochmal in die Augen des aufgebrachten Captains, bevor er sich abwandte und das Quartier verließ. Er hatte, neun Jahre lang, auf zwei Raumschiffen der AKIRA-KLASSE gedient, darum fand er ohne Hilfe seinen Weg von Bord. Einen herzhaften Fluch zwischen den Zähnen zerquetschend änderte er seine Planung für den Rest dieses Tages. Er musste nun dringend mit Admiral Torias Tarun reden.
 

* * *
 

Torias Tarun sah Valand Kuehn mit ernster Miene an, nachdem der Konteradmiral ihn in Kenntnis gesetzt hatte, dass Tar´Kyren Dheran nun die Wahrheit, in Bezug auf ihn kannte. Beinahe entschuldigend sah Kuehn den Trill an.

Tarun lehnte sich schließlich auf der Couch zurück und seufzte schwach. „Wir wussten, dass Ihr Freund es irgendwann erfahren muss. Sie konnten es nicht länger vor ihm verbergen, und bis zu einem gewissen Grad erleichtert mich das sogar. Auch wenn es verschiedene Dinge, abhängig von Dherans Reaktion, nun auch verkompliziert. Dheran ist nicht der Typ, der an diesem Punkt nun aufhören wird, weitere Überlegungen anzustellen. Fraglos wird er, früher oder später, eine Verbindung zwischen unseren Personen finden. Das Beste wird sein, wenn Sie ihm jetzt den nötigen Freiraum lassen. Christina und ich selbst werden den Andorianer im Auge behalten.“

Niedergeschlagen stimmte Valand Kuehn zu. „Danke, Admiral. Ich fürchte nur, dass Ihnen und Miss Carey noch bevorsteht, was ich gerade hinter mir habe, und mit einem Mann, wie Tar´Kyren Dheran ist nicht zu spaßen.“

Der Trill erinnerte sich an seine Unterhaltung mit Christina Carey, nachdem er Dheran im Sommer zur Erde geschickt hatte. Die Mundwinkel verziehend, seufzte er: „Ich habe meiner Stellvertreterin einmal prophezeit, dass uns Tar´Kyren Dheran die Bude einrennen wird, wenn er die Wahrheit über unser gemeinsames Wissen herausbekommt. Ich denke, damit liege ich richtig. Ich hoffe nur, dass er seinen Zorn dabei auf mich konzentrieren wird, denn Christina und Dheran finden gerade erst wieder zwischenmenschlich zueinander.“

Valand Kuehn legte die Stirn in Falten. „Sie nähert sich doch hoffentlich nicht nur deshalb meinem Freund an, um ihn besser für Sie im Auge behalten zu können?“

Schnell hob Tarun seine Hände und versicherte ernsthaft: „Nein, die Gefühle von Christina für Ihren Freund sind echt. Gerade darum hoffe ich, dass sie unbeschadet aus dieser verdrehten Angelegenheit hervorgehen wird. Es wäre umso bedauerlicher, wenn auch noch das private Glück der Beiden darunter leiden würde. Besonders in diesen Zeiten.“

Der Konteradmiral nickte in Gedanken und fragte dann, das Thema wechselnd: „Wie kommen Sie mit den neuen Verbandskommandeuren der Klingons, Andorianer und der Romulaner zurecht, Admiral. Ich habe mir sagen lassen, dass besonders dieser Karenn von Ademak ein ziemlicher Querulant sein soll.“

„Ein ziemlich arroganter Sack würde es besser beschreiben.“ Tarun berichtete Kuehn, was sich bei der Ankunft des Klingon in diesem Büro ereignet hatte.

Als der Trill endete nickte Valand Kuehn und entgegnete: „Keine schlechte Taktik. Ihnen einen Schrecken einzujagen, um Sie später umso besser für seine eigenen Pläne einspannen zu können, Admiral.“

Torias Taruns Miene wirkte etwas zweifelnd, und schmunzelnd meinte der Konteradmiral: „Ich, an Karenn von Ademaks Stelle, hätte das so gemacht.“

„Und ich dachte immer, Sherman wäre der Ränkeschmied in der Sternenflotte“, spöttelte der Trill.

„Das ist er auch“, beteuerte Kuehn bestimmt. „Dafür werde ich ihm irgendwann auch die Rechnung präsentieren, Sir.“

Der Trill verzog das Gesicht. „Da stellen Sie sich gefälligst Hinten an, Mister Kuehn. Meine Rechte, in dieser Beziehung, dürften nämlich die Älteren sein.“

Der Norweger nickte zustimmend. „Vermutlich. Sagen Sie, Admiral, gibt es eigentlich ein Wesen, dass dieser Kerl noch nicht gegen sich aufgebracht hat?“

Der Trill schüttelte den Kopf. „Das wäre wohl ein gesegnetes Wunder. Während unserer gemeinsamen Zeit an der Akademie, hat es Sherman sogar geschafft, die Katze des Hausmeisters, während einer Gefechtsübung, mit einem Handphaser zu erschießen.“

„Absichtlich?“

Der Admiral schnaubte verächtlich. „Macht das einen Unterschied?“

Valand Kuehn grinste humorlos. „Nein, bei einem Typ, wie Frank Damon Sherman, wohl nicht, und ganz bestimmt nicht für die arme Katze. Aber Sie kennen unseren neuen Chiefadmiral besser. Zum Glück hätte ich jetzt beinahe gesagt, aber im Grunde meines Herzens bedauere ich Sie eher.“

Der Trill erwiderte nichts darauf sondern meinte, mit verändertem Tonfall: „Jedenfalls danke ich Ihnen dafür, dass Sie mich umgehend in Kenntnis gesetzt haben, in Bezug auf Mister Dheran.“

„Und Sie wollen ihn immer noch befördern?“

Der Admiral der 5. Taktischen Flotte sagte mit entschlossenem Gesicht: „Unbedingt, Valand. Dheran mag momentan sauer sein. Doch ich bin weiterhin fest davon überzeugt, dass er in den entscheidenden Momenten dennoch richtig, und in unserem Sinne, reagieren wird. Wollen Sie ihrerseits immer noch an der Beförderungszeremonie teilnehmen?“

Valand Kuehn nickte entschieden. „Ja, Sir. Dass wir momentan über Kreuz sind spielt keine Rolle. Zumindest für mich nicht.

Torias Tarun erhob sich und Kuehn tat es ihm nach. Als sich die beiden Männer die Hand reichten, meinte der Trill aufmunternd: „Ich glaube, dass die Freundschaft zwischen Ihnen und Dheran diese Belastungsprobe überstehen wird.“

In den grau-grünen Augen des Konteradmirals lag ein zweifelnder Ausdruck, doch er nickte zustimmend. Dann wandte er sich ab und verließ eilig Taruns Büro.

Torias Tarun, der dem Norweger sinnend nachsah, murmelte, nachdem er gegangen war: „Ich fürchte nur, dass es eine Weile dauern wird, bis sich Dheran wieder einkriegt.“

Die Begegnung alter Freunde


 

11.
 

Die Begegnung alter Freunde
 

STRATEGICAL STARBASE 71

Sternenzeit: 58999.9

Im Festsaal der Station
 

Konteradmiral Valand Kuehn stand mit Enrom Tolaron, dem scheidenden Chef der Stationssicherheit etwas abseits und ließ seinen Blick über die annähernd zehntausend Anwesenden schweifen. So, wie hier fanden, aber in deutlich kleinerem Rahmen, überall Silvester-Partys auf der Station statt. Immerhin hielten sich in diesem riesigen Hauptquartier der 5. Taktischen Flotte annähernd 100.000 Personen auf. Inklusive des Fliegenden Personals natürlich. Das Crew-Kontingent der Station selbst umfasste dabei etwa 25.000 Personen.

Etwa ein Zehntel der hier anwesenden waren von Tarun, via Federation-Skynet, eingeladen worden, so wie jedes Jahr. Die restlichen Gäste sollten reihum jedes Jahr durchwechseln, damit jeder auf dieser Station mal die Gelegenheit haben würde, an dieser Großveranstaltung teilzunehmen, die auf dieser Station erst zum zweiten Mal stattfand.

Valand Kuehn hatte die Nähe des Romulaners ganz bewusst gesucht, denn er konnte sich, nach allem, was er wusste, ungefähr vorstellen, wer seinen Freund am Ende, in Bezug auf ihn, auf die entscheidende Fährte gesetzt hatte. Sie hatten zuvor verschiedene militärische Ereignisse der letzten Monate erörtert, bevor Kuehn schließlich darauf zu sprechen kam, was ihm auf der Seele lag: „Sub-Commander, ich würde sagen, sie haben meine Bitte etwas zu wenig subtil an den Andorianer weitergegeben. Er sollte zwar erfahren, in welcher Funktion ich tätig bin, aber Dheran hat dann etwas zu intensiv nachgeforscht, für meinen Geschmack.“

Der Romulaner hob nachsichtig seine Augenbrauen. „Aber genau das hatte ich Ihnen doch prophezeit, Admiral. Sie waren es, der darauf drängte, dass ich dennoch mit ihm reden soll – und nicht mehr habe ich getan.“

„Schon gut“, beruhigte Kuehn sein Gegenüber schnell. „Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, Sub-Commander. Nur haben sich die Dinge um mich herum dadurch nochmal um eine Stufe verkompliziert, und das hätte ich gerne noch etwas verzögert.“

„Das glaube ich Ihnen“, nickte Tolaron und trank einen Schluck Kali-fal.

Die Atemweg befreiende Wirkung war selbst für Valand Kuehn, der einen Schritt von Tolaron entfernt stand, noch schwach zu spüren.

Enrom Tolaron nahm den Faden wieder auf. „Im Übrigen danke ich Ihnen für ihre Einflussnahme bei gewissen romulanischen Senatsmitgliedern. Meine Rückkehr nach Romulus wurde höchste Zeit. Es gibt dort ein paar Dinge von höchstem Interesse, um die ich mich besser persönlich kümmere. So gerne ich auch weiterhin meinen Dienst auf dieser Station verrichten würde.“

Tolaron ließ offen, worin diese Dinge bestanden, und Valand Kuehn fragte nicht danach, denn er wusste, dass der Romulaner nicht darüber reden würde. Stattdessen erkundigte er sich leise: „Weiß Torias Tarun davon, dass sie, die gesamte Zeit über, permanent mit dem Tal´Shiar in Verbindung standen?“

Nur ein unmerkliches Weiten seiner Augen zeugte von Tolarons Überraschung, bei den Worten des Konteradmirals. „Sie sind erstaunlich gut informiert, Admiral.“

„Das gehört zum Geschäft, aber das wissen Sie ja“, gab Kuehn ungerührt zurück und deutete dabei zu der Bühne, an der Stirnwand hinüber. „Es ist gleich Mitternacht, Sub-Commander, und Admiral Tarun wird Sie sicherlich formell verabschieden wollen.“

Enrom Tolaron machte eine zustimmende Geste.

Sie erreichten gemeinsam die Bühne, als im Saal bereits die letzten Sekunden herunter gezählt wurden. Bei Null hob Valand Kuehn sein Glas mit Andorianischem Ale, prostete dem Romulaner zu und leerte sein Glas dann in einem Zug.

Der Romulaner tat es ihm mit seinem Glas Kali-fal nach. Er reichte Kuehn sein Glas und begab sich dann zu Admiral Torias Tarun auf die Bühne. Jene fünf Captains, die Tarun zu befördern gedachte, befanden sich ebenfalls dort.

Gespannt beobachtete Valand Kuehn, wie der Admiral, am Ende seiner Rede die Arme hob und um die ungeteilte Aufmerksamkeit der Anwesenden bat.

Die Stimme des Admirals klang klar und sicher auf, durch kaum sichtbare Holomikrofone verstärkt, als er sagte: „Verehrte Anwesende: Ich habe beschlossen, die Fünfte Taktische Flotte umzustrukturieren. Die Details dazu werden den Captains der Raumschiffe schon morgen zu gehen. Ich bitte also besonders die Kommandanten der Raumschiffe, die Crews, innerhalb der nächsten zwei Tage, mit den Einzelheiten vertraut zu machen. Jetzt habe ich zunächst das besondere Vergnügen, im Zuge dieser Umstellungen, meine Stellvertreterin in den Rang eines Konteradmirals, und fünf meiner Captains in den Rang eines Commodore, zu befördern.“

Damit gab er den im Hintergrund wartenden ein Zeichen.

Ein besonderes Raunen ging durch die Menge der Anwesenden, als die fünf Captains, die nun bereits die Uniformen von Flaggoffizieren trugen, zu ihm schritten und nebeneinander hinter Tarun Aufstellung nahmen.

Von der linken Seite näherte sich der Stellvertretende Kommandant der Station, Commander No´Leen Ra Taragenar. In seinen Händen hielt er sechs kleine Kästchen, von denen er nun das Erste an den Admiral übergab.

Admiral Tarun bedeutete Christina Carey vorzutreten. Er nahm die beiden Rangsymbole eines Commodore vom Kragen ihres Uniformpullis, öffnete das Kästchen und entnahm die beiden Rangsymbole eines Konteradmirals. Dem Efrosianer das Kästchen zurückgebend befestigte er die neuen Rangsymbole an der Uniform der Irin.

Mit tragender Stimme sagte Tarun feierlich: „Commodore Christina Carey: Sie haben sich, seit Sie unter meinem direkten Kommando stehen, nicht nur meinen Respekt, sondern gleichfalls meine aufrichtige Anerkennung, erworben. Darüber hinaus auch den Respekt der Ihnen Untergebenen. Dabei haben Sie über weite Strecken mehr persönlichen Einsatz gezeigt, als es der Dienst von Ihnen verlangt hätte. Deshalb ist es mir eine besondere Ehre und auch Freude, Sie hiermit in den Rang eines Konteradmirals zu befördern. Mit allen sich für Sie daraus ergebenden Rechten und Privilegien, Konteradmiral Carey.“

Irgendwer im Saal stimmte ein dreifachen Hipp-Hipp-Hurra an, das von den Gästen dieser Feier begeistert aufgenommen wurde. Der Lärm war beinahe ohrenbetäubend.

Nach der Beförderung seiner Stellvertreterin wiederholte er die Zeremonie für die fünf Captains, wobei ihm nun Christina Carey beim abnehmen der alten Rangsymbole und dem Befestigen der Neuen half. Auch hier hielt Admiral Tarun eine kurze Dankesrede und gratulierte den frisch Beförderten.

Nachdem auch den fünf frischgebackenen Commodores ein dreifach donnerndes Hipp-Hipp-Hurra zuteil geworden war erhob sich begeisterter Applaus, der erst nach geraumer Weile endete.

Zu Valand Kuehns Bedauern führte Christina Carey die fünf Beförderten zur anderen Seite der Bühne hinunter, so dass er seinen Freund Tar´Kyren und auch Linara Enari bald aus den Augen verloren hatte. Er begab sich zu einem der Bartresen, entlang der Wände, stellte die beiden leeren Gläser ab und bahnte sich dann einen Weg zur anderen Seite des Saales, während Tarun inzwischen offiziell Enrom Tolaron verabschiedete und im Anschluss Lieutenant-Commander Sheralan als neuen Chef der Stationssicherheit vorstellte. Dabei hoffte der Konteradmiral, endlich einige Worte mit Enari wechseln zu können.
 

* * *
 

Als sie gemeinsam die Bühne verließen, drängte sich Linara Enari an Tar´Kyren Dherans Seite und fragte unvermittelt: „Was, bei den roten Augen der Pah-Geister, ist eigentlich heute mit dir los, Großer Blauer? Der Admiral befördert dich zum Commodore und du machst ein solches Saure-Gurken-Gesicht, als hätte dir dein bester Freund gestanden, dass er für Sektion-31 arbeitet.

Die Bajoranerin hatte das im Scherz gesagt, doch die Reaktion, die sie nun bei dem Andorianer beobachtete, mit dem sie seit ihrem Besuch auf der Erde, im Sommer des gerade abgelaufenen Jahres, befreundet war, war mehr als erstaunlich. Mit einer Mischung aus Unglauben und Panik sah er sie an, nicht in der Lage etwas zu erwidern.

Schnell wandte sich der Andorianer von ihr ab und wollte sich entfernen, doch die Bajoranerin dachte gar nicht daran, ihn entkommen zu lassen. Mit erstaunlich festem Griff packte sie seinen linken Arm, hakte sich nachdrücklich bei ihm ein und zog ihn mit sich, ohne sich dabei um seinen aufbrandenden Protest zu kümmern.

Erst nachdem sie durch eines der Seitenschotts den Saal verlassen hatten, und Linara Enari den Freund einige Meter den Gang hinunter gezerrt hatte, blieb sie abrupt stehen und funkelte ihn, mit ihren unergründlichen, sphinxhaften Augen an, die mal mehr grau, mal mehr grün und mal mehr blau zu sein schienen. Dabei fauchte sie ihn mit warnendem Tonfall an: „Jetzt wirst du mir keinen Mist mehr erzählen, Tar´Kyren Dheran, sondern nur Fakten. Das, was ich über deinen Freund, Konteradmiral Valand Kuehn, gesagt habe, das war nur so dahin gesagt. Aber das gibt dir nicht das Recht, dir mit mir einen derart schlechten Scherz zu erlauben. Auch ich kenne deinen Freund. Länger als du ihn kennst. Das, was du da eben angedeutet hast, das kann nicht sein, Tar´Kyren.“

Statt auf die Worte der Bajoranerin zu antworten sah Tar´Kyren Dheran sie zunächst nur ungläubig an. „Dann bist du jene Bajoranerin, die Valand das Herz brach? Er hat das mal vor vielen Jahren angedeutet, aber nie einen Namen genannt.“

„Ja, stell dir vor – das war ich. Aber jetzt bist du dran!“

Dheran erinnerte sich an die warnenden Worte des Norwegers, bevor er ihn aus seinem Quartier gejagt hatte. Eingedenk dessen erwiderte er: „Ich kann mit dir nicht darüber reden, Enari. Und du darfst auch nicht weiter nachhaken, in dieser Angelegenheit.“

Widerspruch loderte in den Augen der Bajoranerin. „Ach, das darf ich nicht? Na, das wollen wir doch erst einmal sehen, Freund Tar´Kyren. Ich werde jetzt den Admiral aufspüren und empfindlich auf die Zehen treten – egal ob Tarun mich daraufhin sofort wieder degradiert, oder nicht.“

Damit wollte die Bajoranerin an Dheran vorbei stürmen, doch Tar´Kyren Dheran packte sie am Oberarm und zwang sie zu sich herum. Sie beschwörend ansehend fuhr er die Frau an: „Nein! Das wirst du gefälligst lassen, Enari! Valand hat mir gegenüber eine klare Warnung ausgesprochen, und zwar, dass er Alles und Jeden aus dem Weg räumen wird, der seinen Namen, in Bezug darauf, was ich eben unfreiwillig andeutete, auch nur flüstert! Und eins weiß ich, Enari: Das war keine leere Drohung!“

„Na schön, aber dafür wirst du jetzt reden, Großer Blauer. Ich will wissen, was du von ihm erfahren hast, und zwar restlos Alles.“

Tar´Kyren Dheran musterte die Freundin und beschloss, hin und her gerissen, sich ihr anzuvertrauen. Er berichtete davon, was sich an Bord der ICICLE, zwischen Valand Kuehn und ihm, ereignet hatte.

Das Gesicht der bajoranischen Frau wurde blass. Sich langsam von dem festen Griff ihres Kameraden lösend erwiderte sie endlich: „Aber das kann doch Alles nicht wahr sein. Kann er sich denn wirklich so sehr geändert haben, seit ich ihn das letzte Mal sah?“

In das deprimierte Gesicht der Freundin sehend antwortete Dheran: „Ich kann es auch noch nicht fassen, Enari. Aber das Eine sage ich dir: Mit dem bin ich fertig.“

Ein unstetes Flackern lag in Linara Enaris Blick, bevor sie dem Andorianer versicherte: „Zu deiner Beruhigung: Ich werde mit Valand nicht über das sprechen, was ich von dir erfahren habe. Aber dafür werde ich ihm etwas ganz Anderes um die Ohren hauen. Etwas, das ich ihm wohl viel früher hätte sagen sollen. Vielleicht wäre er dann heute ein Anderer. Aber vielleicht ist es ja noch nicht völlig zu spät.“

Damit stiefelte sie entschlossen wieder in Richtung des Schotts.

Tar´Kyren Dheran sah ihr sinnend nach und blieb für eine Weile unentschlossen im Gang stehen, bevor auch er sich auf den Rückweg zur Feier machte.
 

* * *
 

Konteradmiral Valand Kuehn hatte versucht Linara Enari in der Menge zu finden, doch sie schien wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Erst nach einer ganzen Weile entdeckte er sie und steuerte auf sie zu.

Linara Enari verharrte kurz, als sie ihn näherkommen sah. Dann schritt sie ihm rasch entgegen. Bevor der Norweger etwas sagen konnte, zischte sie eindringlich: „Was immer du mir sagen willst, Valand. Spare es dir – zumindest hier und jetzt. Du kommst mit mir, auf die WINDTALKER. Dort werden wir dann ganz in Ruhe reden.“

Valand Kuehn wollte etwas darauf erwidern, doch Linara Enari kam ihm zuvor und fügte ihren Worten, mit warnendem Unterton hinzu: „Mach bloß keine Zicken, Admiral, sonst werde ich so verdammt ungemütlich, dass man die Pah-Geister, im Vergleich dazu, wegen guten Benehmens, lobend erwähnen wird.“

Der überraschte Mann versuchte es mit Ironie. „Ich freue mich auch, dich wiederzusehen, Enari. Meine Gratulation zur Beförderung.“

Die um einen halben Kopf kleinere Bajoranerin sah den Konteradmiral mit stechendem Seitenblick an und antwortete, nach einem Moment des Zögerns, mit vibrierender Stimme: „Danke.“

Sie schwiegen, bis sie das Quartier von Linara Enari, auf der WINDTALKER erreicht hatte. Valand Kuehn hatte einige interessante Dinge über dieses Schiff gehört, und unter anderen Umständen hätte er die Gelegenheit genutzt, einen Blick in den Haupt-Maschinenraum, und auf die Brücke dieses Raumschiffs, zu werden.

Linara Enari hatte sich wieder etwas gefangen und bot Valand Kuehn mit erzwungener Höflichkeit, etwas zu trinken an.

Der Norweger lehnte dankend ab. Sich kurz im Quartier umsehend fragte er: „Was gibt es so Dringendes zu besprechen, nachdem du, seit deinem Abschied von der Akademie, nichts mehr von dir hören gelassen hast, Enari?“

Die Bajoranerin wählte am Replikator einen Ginseng-Tee. Einen großen Schluck nehmend sah sie Valand über den Rand der großen Tasse hinweg an, bevor sie erwiderte: „Das zu erklären dauert eine Weile. Vielleicht solltest du dich besser hinsetzen, bevor ich zum Kern der Sache komme.“

„Ich stehe lieber“, lehnte Kuehn ab.

„Ganz wie du meinst“, gab Linara Enari kühl zurück und schritt zu einem der Fenster hinüber. Auf die vertraute Umgebung des Hangar-Innenbereichs blickend nahm sie einen weiteren großen Schluck Tee, bevor sie sich zu Valand Kuehn wandte und sagte: „Ich nehme an, dass du dich noch daran erinnerst, was an dem Abend, oder besser gesagt, in der Nacht, passierte, in der wir Abschied voneinander genommen haben. Bevor ich mein erstes Bordkommando angenommen habe?“

Kuehn nickte. „Wie könnte ich das vergessen, Enari. Du warst die erste Frau in meinem Leben. So etwas vergisst man nicht. Darum war die Tatsache, dass du nach unserer gemeinsamen Nacht kein Wort mehr von dir hast hören lassen, besonders bitter.“

Die Augen der Bajoranerin weiteten sich bei seinen Worten, was Kuehn zu der Vermutung veranlasste, dass sie bisher von einer anderen Voraussetzung ausgegangen war. Sie machte wieder einige Schritte in den Raum hinein und umklammerte mit ihren Fingern die Teetasse. „Dann war es also für uns beide das Erste Mal. Das wusste ich bis heute nicht, aber es ändert auch nichts, an dem, was passiert ist.“

Valand lächelte bitter. „Ich wollte, du würdest es nicht ausgerechnet so bezeichnen.“

Abwesend meinte Enari: „Nein… äh, ja. Das heißt doch nein, denn unsere gemeinsame Nacht hatte ich nicht gemeint, mit passiert. Es ist nämlich so: Wenige Wochen, nachdem ich meinen Dienst auf der STIRLING angetreten hatte, merkte ich, dass ich schwanger war. Ich war, nach dir, mit keinem anderen Mann zusammen, Valand. Ich wollte nie derart abhängig sein, darum habe ich damals, für einige Tage, ernsthaft überlegt, ob ich das Kind abtreiben soll. Ich brachte es jedoch nicht übers Herz und so entschied ich mich dafür, es zu bekommen. Meine beste Entscheidung in meinem bisherigen Leben.“

Die Bajoranerin ließ die Worte wirken und blickte abwartend in die Miene ihres Gegenübers, in der sich endlich eine Regung abzeichnete.

Ungläubig sah Valand Kuehn zu Enari und stieß schließlich hervor: „Du hast eine Tochter, und du hieltest es in all den Jahren nicht für nötig, es mir zu sagen?“

„Wir haben eine Tochter“, verbesserte die Bajoranerin bestimmt und machte einen weiteren Schritt auf Kuehn zu. „Und im Übrigen: Ich wollte es dir viel früher sagen. Doch dann warst du im Beta-Quadrant verschollen. Fast fünf Jahre lang. Zu dem Zeitpunkt war Riana in dem Alter, in dem sie begann, nach ihrem Vater zu fragen. Was hätte ich ihr denn sagen sollen, außer, dass du tot bist? Niemand in der Föderation hat damals damit gerechnet, je wieder etwas von der ALAMO und ihrer Besatzung zu hören. Als ich dann schließlich von der Rückkehr der ALAMO erfuhr, und davon, dass du unter den einhundertundzehn Überlebenden bist, da war ich wirklich erleichtert, und auch erfreut darüber. Ich war versucht, dir zu dem Zeitpunkt alles zu erzählen, doch das hätte mein Leben und das von Riana sehr viel komplizierter gemacht. Außerdem: Du warst damals pausenlos in den Tiefen des Alls unterwegs. Darum beschloss ich, dass es besser ist, meine Tochter nicht unnötig zu verwirren, mit der Tatsache, dass du noch lebst.“

„Du wolltest sie nicht verwirren?“, echote Kuehn ungläubig. „Was ist mit ihrem Recht darauf, die Wahrheit zu kennen? Ganz zu schweigen davon, dass du mir dieses Recht ebenfalls verweigert hast. Glaubst du nicht, dass du es uns beiden hättest sagen müssen?“

Normalerweise, ohne das, was sie von Tar´Kyren Dheran erfahren hatte, hätte Linara Enari diese Frage mit einem klaren Ja beantwortet. Doch eingedenk dessen, was sie wusste, konterte sie kühl: „Du willst mir also etwas über Moral erzählen? Ausgerechnet du?“

Valand Kuehn machte einen Schritt auf sie zu. Dabei sagte er sich, dass dieser Zorn, der ihm von Enari bereits die gesamte Zeit über entgegen schlug, einen Grund haben musste. Einen jüngeren Grund, denn für eine alte Geschichte wirkten ihre Reaktionen viel zu leidenschaftlich. Und in der letzten Zeit gab es nur Eins, was sie hätte in Fahrt bringen können, doch er hatte Tar´Kyren gewarnt darüber zu reden. Hatte er der Bajoranerin trotzdem etwas verraten?

Valand wusste um die Freundschaft, zwischen Tar und Enari, die sich nach ihrem Besuch der Akademie, im Sommer des abgelaufenen Jahres, entwickelt hatte. Der Andorianer hatte kürzlich erst mit ihm darüber gesprochen.

Nach einem forschenden Blick in Enaris Augen, traf er eine Entscheidung. „Du hast jedes Recht darauf, zornig auf mich zu sein.“

Der Konteradmiral beobachtete die Reaktion der Bajoranerin, auf seine Worte, und ihm wurde bewusst: Sie weiß es. Darum drängte er eilig: „Enari, ich kann dir hier und jetzt nicht erzählen, warum das, was ich tat, und was ich zukünftig noch tun werde, nötig war und nötig ist. Ich bitte dich jedoch, dem Mann zu vertrauen, den du an der Akademie kennengelernt hast, und nicht den Mann in mir zu sehen, den du glaubst momentan in mir sehen zu müssen. Ich war damals kein schlechter Mensch, und ich bin es auch heute nicht. Das musst du mir einfach glauben, Enari. Es wäre sehr wichtig für mich.“

Valand Kuehn erkannte den Zweifel in den Augen der Frau, die er einst geliebt hatte. Er trat zu ihr wobei sein Blick an Eindringlichkeit zunahm. „Enari, der Krieg, den wir momentan führen hat uns noch nicht sein ganzes Gesicht offenbart. Es gibt da eine weitaus gefährlichere Komponente, als die militärische Macht der Außenwelt-Allianz. Und sie gefährdet die Föderation weitaus länger, als die Meisten ahnen. Darum, Enari, musste ich, nachdem du, fast ein Jahr nach dem Ende des Dominion-Krieges, auf der Erde auftauchtest, genau wissen, dass du es bist, und kein gefährliches Double. Alles was ich ab diesem Zeitpunkt unternahm, soll eine Bedrohung von der Föderation abwenden, die wir seit mehr als einem Jahrhundert nicht mehr ernst genommen haben.“

In den Augen und auf dem Gesicht der Bajoranerin zeichneten sich die Fragen ab, die ihr auf der Seele brannten. Doch Valand kam ihnen zuvor, indem er Enari bei den Schultern nahm und eindringlich erklärte: „Das war bereits mehr, als ich dir sagen darf. Also bitte keine Fragen dazu, und auch keine Nachforschungen auf eigene Faust. Ach ja, und achte bitte etwas auf Tar, der ist mir momentan nicht grün, um es vorsichtig zu formulieren. Ich will nicht, dass er Dummheiten macht.“

Linara Enari erwiderte seinen Blick, wobei sie spürte, dass ihr Zorn auf ihn sich langsam zu legen begann. Er hatte sie darum gebeten ihm zu vertrauen, und so verrückt und krank es ihr gegenwärtig schien – tief in ihrem Innern wollte sie das auch.

Noch während Linara Enari über diesen Irrsinn nachgrübelte, wechselte Valand Kuehn abrupt das Thema und fragte mit sanftem Tonfall: „Du hast sie nach deiner Großmutter genannt, richtig?“

Etwas verwirrt durch den Themenwechsel erwiderte Enari: „Wie…? Ach so, Riana. Ja, das stimmt. Hör zu, Valand: Du wirst dich erst einmal von ihr fernhalten. Zumindest so lange, bis ich ihr von dir erzählt habe. Danach wird es ganz allein bei Riana liegen, ob sie dich kennenlernen will, oder ob sie dir fern bleibt. Ich werde ihr nicht davon abraten, falls dich das beruhigt. Im Gegenteil, ich wäre froh, wenn sie sich dafür entscheiden würde. Doch das wird ihre Entscheidung sein und du wirst keinesfalls den ersten Schritt machen.“

Valand Kuehn nickte, auch wenn ihm nach einer ganz anderen Antwort zumute war. „Wie du wünschst, Enari. Ich werde warten. Aber du versprichst mir, Riana zu sagen, dass ich nichts von ihr gewusst habe.“

Linara Enari nickte stumm und hielt seinen Blick mit ihrem fest. Eindringlich fragte sie: „Valand, kann ich darauf vertrauen, dass du mir eben die Wahrheit gesagt hast? Ich meine, dass dieser perfide Test meiner Loyalität, vor fünf Jahren, wirklich nötig war?“

Der Druck von Kuehns Händen wurde um eine Nuance fester. „Sieh mir einfach in die Augen, und entscheide selbst, Enari. So gut solltest du mich kennen.“

Die Bajoranerin nickte. Dabei spürte sie einen Druck in der Herzgegend. Als würden sich Bänder aus Duranium um ihr Herz legen und es zusammenpressen.

Valand Kuehn merkte, zu seiner gelinden Verwunderung, dass sich ihre Hände auf seine Oberarme legten. Dabei sagte sie leise: „Ja, so gut kenne ich dich. Aber genau darum verstehe ich das, was ich über dich erfahren habe, noch weniger. Warum, Valand?“

Das Gesicht des Norwegers nahm einen entschlossenen Zug an. „Darüber darf ich nicht mit dir reden, Enari. Zu deiner eigenen Sicherheit.“

Kuehn machte eine Pause und ließ die Schultern der Frau los. „Danke, dass du mir, wenn auch spät, von Riana erzählt hast. Was macht sie denn überhaupt?“

Linara Enari nahm ihre Hände von Kuehns Armen und deutete zu einer Vitrine, die auf einer der beiden Kommoden im Raum stand.

Valand folgte de Frau und entdeckte das Bild eines jungen Mädchens, in der Uniform der Sternenflotte, und mit den Abzeichen eines Junior-Lieutenant am Uniformpulli. Der Nasenkamm war deutlich zu erkennen. Die lebhaften Augen des Mädchens lagen farblich zwischen seinen und denen von Enari. Das lange Haar war so dunkel, wie das ihrer Mutter.

Überwältigt von seinen Gefühlen sagte der Konteradmiral schließlich, mit feucht schimmernden Augen: „Sie sieht so lebhaft und so hübsch aus, Enari. In dieser Hinsicht kommt sie, zum Glück, ganz nach dir.“

Linara Enari versetzte Kuehn einen Schlag mit dem Handrücken gegen den Magen, so wie sie es bereits zu Akademietagen gelegentlich getan hatte. „Jetzt hör mal auf. Wenn du aussehen würdest, wie ein klingonischer Targ, dann wärst du nicht ihr Vater.“

„Wie ich sehe, hat sie sich für die Kommandolaufbahn entschieden.“

„Ha!“, machte Linara Enari. „Jetzt rate doch mal, von wem sie das wohl hat?“

„Von dir!“, erwiderte der Norweger prompt. Er blickte in das grimmige Gesicht von Enari und meinte dann: „Na komm, du hast vor mir die Akademie abgeschlossen, und zwar als Brückenoffizier, wenn ich mich da richtig erinnere. Ist doch so.“

Seine Worte zauberten den Anflug eines Schmunzelns auf das Gesicht der Bajoranerin, und sie verbesserte diplomatisch „Von uns beiden, Valand. Ansonsten hat sie so Einiges von dir. Deine innere Ruhe und dein überlegtes Vorgehen in vielen Dingen.“

„Was hat sie von dir?“

„Oh, ganz bestimmt meinen schwarzen Humor. Da macht Riana mir wirklich mächtig Konkurrenz. Ansonsten ist sie ein interessanter Mix von uns beiden, Valand.“

„So, wie sie auf dem Bild guckt, erinnert sie mich etwas an meine Schwester.“ Valand sah lange und in Gedanken versunken auf das Bild, und nach einer Weile drangen die Worte Enaris an seine Ohren.

„Woran denkst du?“

„An ein anderes Leben. An ein Leben, wie es hätte sein können, aber nie war.“ Seine Augen glänzen immer noch feucht, als er seufzte: „Ich hätte sie gerne aufwachsen sehen.“

Linara Enari nickte verstehend. „Aufgewachsen ist sie zweifellos. Auf dem Bild wird das nicht richtig deutlich, aber sie ist noch eine Handbreit höher gewachsen, als ich. Nun ja, bei dem Riesenkerl von Vater wohl kein Wunder.“

Der Norweger seufzte erneut – diesmal ironisch. „Ich habe eine erwachsene Tochter bei der Sternenflotte, die gerade einmal siebzehn Jahre jünger ist, als meine Verlobte. Auf das nächste Gespräch mit Sylvie freue ich mich bereits jetzt schon.“

„Ich erinnere mich daran, dass Tar´Kyren mir mal erzählte, ihr zwei würdet zusammen sein. Diese Französin, die dir bereits, während meines letzten Jahres an der der Akademie, hinterher lief?“

Kuehn verzog die Mundwinkel. „Offensichtlich hat das seinerzeit wirklich jeder mitbekommen, nur ich nicht.“

„Natürlich nicht, du bist ein Mann“, stichelte Enari ironisch. „Es ist dir ernst mit ihr?“

Valand nickte und lächelte dabei in Gedanken. „Ja, das ist es.“

Widerstrebend wandte sich Valand Kuehn schließlich von der Vitrine ab und sah Enari bittend an. „Du musst mir bei Gelegenheit ein Bild von Riana zukommen lassen.“

Zu Kuehns Erstaunen öffnete Enari die Vitrine und reichte ihm das Bild. „Nimm dieses hier, ich habe noch genug, und Bajor ist ja nicht so weit weg von hier.“

Dankbar sah der Mann in die Augen der Bajoranerin und sagte mit belegter Stimme: „Ich weiß im Moment nicht, was ich sagen soll, Enari.“

„Glaubst du etwa ich?“, knurrte Linara Enari gespielt finster.

Ihr Blick wurde wieder stechender, als sie meinte: „Gerade eben noch wollte ich dich noch so kräftig in den Hintern treten, dass du unter die Decke des Quartiers fliegst, und in diesem Moment würde ich dich am liebsten in den Arm nehmen. Aber das würde Sylvie vermutlich überhaupt nicht gefallen.“

„Würde es ganz sicher nicht.“

Im nächsten Moment nahm Linara Enari den Mann in den Arm und erklärte spitz: „Weißt du was? Das ist mir im Moment gerade ziemlich egal.“

Sie drückte ihn kurz und gab ihn wieder frei. „So, und jetzt werde ich dich von Bord begleiten, und wir kehren zurück auf die Feier.“

Valand Kuehn verstaute das Foto vorsichtig in der Innentasche seiner Uniformjacke und nickte zustimmend. „Wirst du mit mir tanzen?“

Im nächsten Moment landete der Handrücken der Bajoranerin erneut in der Magengegend des Mannes. „Ich bin hoch offiziell immer noch sauer auf dich, klar? Denn ich denke gar nicht daran, meinem Freund und Kameraden Tar´Kyren Dheran in den Rücken zu fallen, und dir so schnell zu verzeihen. Alles verstanden?“

Während sie durch die leeren Gänge der WINDTALKER schritten ging Valand Kuehn etwas auf Abstand zu Linara Enari, wobei er endlich antwortete: „Vollkommen verstanden, Commodore Linara. Bitte vergiss nicht, was ich dir vorhin über Sicherheit sagte, denn das meinte ich todernst. Du musst das ganz tief in dir unter Verschluss halten.“

Linara Enari nickte ernst. „Das habe ich verstanden. Übrigens: Dieses Gespräch hat nie stattgefunden, denn Tar´Kyren hat mich ausdrücklich davor gewarnt, das herauszufinden, was du mir dann, mehr oder weniger, freiwillig gestanden hast.“

Valand hob seine Augenbrauen. „Welches Gespräch?“

Die Bajoranerin, links neben Valand Kuehn gehend, sah ihn, beinahe amüsiert, an und zeigte dabei zustimmend, mit dem linken Zeigefinger, auf ihn. Das Band der Kameradschaft verband sie, selbst nach der langen Zeit, die sie sich nicht gesehen hatten, immer noch.

Alarm im Farrolan-System


 

12.
 

Alarm im Farrolan-System
 

STRATEGICAL STARBASE 71

Sternenzeit: 59016.4

Auf dem Weg zu Konfernzraum-1
 

Linara Enari schritt neben Tar´Kyren Dheran durch den Gang, der Strategischen Sternenbasis, der zu Konferenzraum-1 führte. Vor ihnen verschwanden die übrigen, vor einer Woche beförderten, Commodores der 5. Taktischen Flotte um die Gangecke. Die Bajoranerin nutzte diese Gelegenheit, um Dheran am Arm zurückzuhalten.

Der Andorianer sah erstaunt in das Gesicht der Frau und erkundigte sich: „Was ist den los, Enari. Der Admiral...“

„...kann auch mal eine Minute auf uns Warten“, beendete Enari den Satz. „Hör zu, ich kann mir vorstellen, dass du momentan nicht gerade gut von Valand denkst, aber er ist dein Freund, Tar´Kyren.“

„Er war mein Freund!“, stellte Dheran grimmig klar.

Beinahe wütend packte die Bajoranerin den kräftigen andorianischen Mann bei den Schultern und sah ihm eindringlich in die Augen. Zischend raunte sie: „Jetzt hörst du mir mal zu, du andorianischer Dickschädel. Ich kann mir sehr gut vorstellen, was in dir vorgeht. Denkst du vielleicht mir gefällt das, was ich letzte Woche über Valand erfahren habe? Das war ein ziemlicher Hammer, mein Freund. Doch erinnere dich bitte mal daran, dass es ein ebensolcher Hammer war, im Herbst letzten Jahres zu hören, dass du ein Verräter sein sollst und auf den Admiral geschossen hast. Zumindest, bis der Admiral mir und Sorek die Zusammenhänge erläuterte. Damals haben wir an deine Unschuld und an deine Aufrichtigkeit geglaubt. Obwohl die Fakten eindeutig dagegen zu sprechen schienen. Wir hatten unser Vertrauen in dich gesetzt, Tar´Kyren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Valand dir das Wesentliche, in Bezug auf seine Funktion innerhalb der Sternenflotte, verraten hat. Aber ganz bestimmt kennst du nicht alle Zusammenhänge und die tieferen Gründe für sein Verhalten und für seine Entscheidungen. Als deine Freundin bitte ich dich gar nicht darüber hinweg zu sehen – doch wenn ihr zwei tatsächlich die besten Freunde gewesen seid, dann schenke Valand nun einen gewissen Vertrauensvorschuss.“

„Das kann ich im Moment nicht!“

Damit gab sich Linara Enari nicht zufrieden. „Oh doch, das kannst du und das wirst du auch! Nicht gleich heute vielleicht, aber in der nächsten Zeit. Oder ich ziehe dir deine verdammten Antennen lang, klar?“

Tar´Kyren Dheran erwiderte nichts darauf. Wortlos wandte er sich ab, um den Kameraden zu folgen.

Als er wegging verpasste ihm die Bajoranerin einen heftigen Schlag auf das linke Schulterblatt. „Verdammt noch mal, du starrsinniger, andorianischer Heißsporn!“

Dann folgte die aufgebrachte Frau dem Andorianer umgehend, rauschte an ihm vorbei und warf ihm im Vorbeistürmen einen giftigen Blick zu.

Als Dheran und die Bajoranerin kurz darauf hintereinander den Konferenzraum betraten deutete nichts mehr auf ihren Disput auf dem Weg hierher hin. Nur das warnende Glitzern in den Augen der bajoranischen Frau, wenn sie in Dherans Richtung sah, wäre das einzige Indiz dafür gewesen, doch darauf achtete keiner der Anwesenden.

Admiral Torias Tarun wirkte etwas unwirsch, als sich die beiden zuletzt Angekommenen an den Tisch setzten. Außer Tarun, ihnen beiden, und ihren drei Sternenflotten-Kameraden, saßen Christina Carey, ein Romulaner, ein Andorianer und ein Klingon mit ihnen an dem länglichen, dunklen Tisch. Dheran kannte General Talev und von dem Klingon, bei dem es sich nur um Brigadier Karenn von Ademak handeln konnte, hatte er zumindest etwas gehört. Eine unbekannte Größe bildete der Romulaner für ihn.

„Schön, dass Sie zwei es doch noch einrichten konnten“, grollte Tarun in Richtung Linara Enari und Tar´Kyren Dheran. Dann sah der Trill in die Runde und stellte die Anwesenden einander kurz vor, bevor er zum Kern seines Anliegens kam: „Meine Damen und Herren, ich habe Sie zu diesem Treffen gebeten, um die endgültige Einteilung und weiteren Vorgehensweisen mit Ihnen zu besprechen. Zunächst möchte ich meinen fünf Commodores dafür danken, dass Sie keine Veränderungen in der Aufteilung der Sternenflotten-Raumschiffe vorgebracht haben. Das hat uns zusätzlichen Aufwand erspart. Dann möchte ich bekanntgeben, dass die Verbände von Ihnen, General Talev, und von Ihnen, Ssiebh Tovolak, einen eigenen, zusätzlichen Verband bilden werden. Als der im Rang höhere Offizier, wird General Talev das Kommando über den Gesamtverband führen. Bitte besprechen Sie die Einzelheiten dann im Anschluss an dieses Treffen.“

Die beiden Angesprochenen machten zustimmende Gesten und es war Talev, der erwiderte: „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit, mit meinem romulanischen Kollegen.“

Tovolak, der keine Miene verzog, nickte lediglich leicht in Richtung des Andorianers.

„Schön“, freute sich Tarun. „Dann wäre das schon einmal klar. Die Fünf Commodores werden, reihum, innerhalb der nächsten Wochen, mit ihren Verbänden Manöver, im Umkreis des Forlan-Systems durchführen. Legen Sie dabei Ihr besonderes Augenmerk auf das Zusammenspiel der Ihnen unterstellten Captains und achten Sie darauf, wer von Ihnen sich möglicherweise dazu eignet, im Notfall für Sie einzuspringen. Damit dürften Sie genug zu tun haben. Konteradmiral Carey wird Ihnen die Dienstpläne für diese Manöver bis morgen Früh zukommen lassen.“

In den Mienen der fünf Commodores erkannte der Trill Zustimmung. Sich zu Christina Carey wendend fuhr Tarun fort: „Sie, Konteradmiral, werden sich ebenfalls mit dem Ersten Verband vertraut machen.“

„Ja, Admiral.“

Zum Schluss wandte sich Torias Tarun an den Klingon, direkt zu seiner Linken. Karenn von Ademak hatte ihm, gleicht zu Beginn, den Schneid abkaufen wollen, und nun gedachte der Admiral den Spieß umzudrehen. „Brigadier Karenn von Ademak: Ihnen wird die Ehre zuteil, diese Station zu schützen, während die verschiedenen Teilverbände das Zusammenspiel üben. Von daher fliegen Sie, innerhalb der Bahn des vierten Planeten dieses Systems, Nahpatrouille um die Station. Diese Planetenbahn erachten Sie bitte als die äußerste Grenze ihres Patrouillen-Bereiches. Sie unterstehen dabei dem direkten Kommando meiner Stellvertreterin, Konteradmiral Carey.“

Schon bei den ersten Worten des Trills an ihn hatten sich die Augen des Klingon geweitet. Jetzt sprang er erzürnt auf und schlug die Fäuste auf die Tischplatte: „Patrouillendienst für Klingons? Unter dem Kommando einer Frau? Das ist unerhört!“

Tarun lächelte süffisant, bevor er erklärte: „Oh, nein, das ist vielmehr eine zwingende Notwendigkeit, in der Absprache die ich gestern mit Kanzler Martok traf, übrigens in vollem Umfang von ihm bestätigt. In Ihrer zusätzlichen Funktion als Sonderbotschafter, die dabei, auf meine persönliche Anfrage hin, vom Hohen Kanzler bestätigt wurde, ist es, nach unserer beider Ansicht, unerlässlich, dass Sie in Reichweite der Station, oder aber permanent auf der Station bleiben. Falls Sie sich für die letzte Option entscheiden, so ist Kanzler Martok bereit, Sie von Ihrem Kommando zu entbinden, und einen anderen Verbandskommandeur für Ihre zehn Kreuzer hierher zu entsenden. Was also soll ich dem Hohen Kanzler des Klingonischen Reiches übermitteln, Brigadier?“

Die Augen des hochgewachsenen Klingon brannten förmlich, als sich die Blicke aller Anwesenden auf ihn richteten. Grollend antwortete er nach geraumer Weile: „Ich nehme die Ehre des Auftrags an, diese Station, bis zu einem ehrenvollen Tod, zu verteidigen, Admiral.“

Auf jegliche Häme verzichtend, schlug sich Admiral Tarun mit der zur Faust geballten, rechten Hand auf die Brust. „In diesem Fall: Qapla‘. Wie sagte Kahless es so treffend: Es gibt keinen Krieg ohne Kampf. Sie dürften also schneller zu Ruhm und Ehren kommen, als Sie es vielleicht momentan für möglich halten, Brigadier.“

Der Klingon erwiderte den Gruß mit einem langgezogenen Knurren.

Tarun wollte etwas hinzufügen, doch er wurde vom Zirpen seines Kommunikators unterbrochen. Der Trill tippte auf das Gerät. „Hier Tarun, wer stört?“

Die unverkennbare Stimme von Commander No´Leen Ra Taragenar klang überlaut auf: „Admiral, die neu installierten Scanner in den lateralen Sensoren-Phalanxen der Stationsscheiben haben soeben angesprochen. Irgendwo im Bereich des Farrolan-Systems kam es zu einem Strukturriss im Subraumgefüge. Er ähnelt in seinen Energiewerten einigen Störungen, die wir bereits früher angemessen haben. Aber so stark, wie diese, noch nie.“

Torias Tarun brauchte nur einen Augenblick bevor er entschied: „Geben Sie gelben Alarm für die Station und die Flotte, Commander. Tarun, Ende!“

Der Trill deaktivierte den Kommunikator und wandte sich zu Tar´Kyren Dheran. „Commodore Dheran, sie waren im Sommer erst in dem betreffenden Sektor. Sie kennen also die Gegebenheiten vor Ort. Machen Sie Ihr Schiff startklar, und scheuchen Sie einen der Ihnen unterstellten Captains auf, damit Sie Rückendeckung haben.“

Dheran bestätigte und Tarun wandte sich an alle anderen Anwesenden: „Die Übrigen bitte ich, Ihre Gefechts-Stationen aufzusuchen!“

Während die Bestätigung der Anwesenden kam, war Commodore Dheran bereits zum Schott hinaus geeilt.

Unterwegs zum nächsten Turbolift aktivierte der Andorianer seinen Kommunikator und sagte hastig: „Captain Freyt, hier Commodore Dheran: Bringen Sie Crew und Schiff auf Vordermann, wir starten in fünf Minuten in Richtung Farrolan-System.“

Die Antwort erfolgte umgehend. Mit melodischer Stimme antwortete Michelle Katrina Freyt: „Verstanden, Commodore. Die STORMRIDER wird in vier Minuten bereit zum Abflug sein. Freyt, Ende.“

„Verstanden, Captain.“
 

* * *
 

Knapp vier Minuten später stand Tar´Kyren Dheran auf der Brücke der ICICLE und sah zu Pasqualina Mancharella.

Die Spanierin machte einen gelassenen Eindruck, was den Andorianer erleichterte. Nach einem Moment sprach er sie an: „Seltsam, dass es schon wieder im Farrolan-System zu Unregelmäßigkeiten kommt. Du erinnerst dich doch noch daran, dass wir, im letzten Sommer, die VALKYRIE dort herausgehauen haben, als ein Verband der Tzenkethi dort auftauchte, um das Schiff zu verabschieden?“

Die Spanierin grinste humorlos. „Ja, für immer verabschieden. Damals hatte unser Eierkopf vom Dienst doch so eine verrückte Theorie aufgestellt. Zusammen mit dieser putzigen Fearii-Wissenschaftlerin, wenn ich mich nicht irre.“

„Vielleicht war Lieutenant-Commander Harlings Theorie ja doch nicht so verrückt, wie wir gedacht haben“, sinnierte der Andorianer. Tarun hatte damals darauf verzichtet, ein weiteres Kommando hin zu schicken, nachdem der Geheimstützpunkt, den wir fanden, spektakulär explodiert war. Vielleicht gab es von vornherein mehr, als einen.“

„Malen Sie den Teufel nicht an die Wand, Capt… äh, Commodore. An den neuen Rang werde ich mich wohl erst noch gewöhnen müssen.“

„So, wie ich.“

Wie immer, wenn sie im Dienst waren, und nicht unter sich, sprachen sie sich mit Rang und per Sie an. Der Andorianer räusperte sich und fragte etwas dienstlicher: „Wie weit sind wir mit den Startvorbereitungen, Commander?“

Pasqualina Mancharella wandte sich um, zu Farok, der an der Taktischen Konsole stand und nur auf einen Wink gewartet zu haben schien.

Denn kaum hatte die Spanierin ihn angesehen, meldete der Vulkanier: „Die Andockklammern der ICICLE wurden soeben gelöst, Commodore. Captain Freyt, von der STORMRIDER, ruft uns soeben.“

„Auf den Schirm, Mister Farok.“

Das Abbild des bläulich angeleuchteten Innenbereichs von Hangarscheibe-2 verschwand vom Hauptbildschirm, im Frontsektor der Brücke. Dafür entstand das Abbild einer hochgewachsenen Frau, die im November erst ihren vierundvierzigsten Geburtstag gefeiert hatte. Ihr langes, goldblondes Haar hatte sie hinter dem Kopf zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die großen, grün-braunen Augen der Frau drückten Entschlusskraft, und gleichfalls eine gewisse Abenteuerlust aus, als sie knapp meldete: „Die STORMRIDER ist startbereit, Commodore.“

Die Antennen des Andorianers spreizten sich, als er erwiderte: „Wir starten umgehend, Captain. Nach dem Start schließen Sie auf und formieren sich an Steuerbord, in einem Abstand von einem Kilometer an der hinteren Flanke der ICICLE. Also lockere Formation. Unser Ziel liegt im Farrolan-System. Dort gab es, nach der Aussage von Commander Ra Taragenar, einen Strukturriss im Subraumgefüge.“

„Und der Grund dafür?“

„Wissen wir nicht.“ Dheran machte ein ernsteres Gesicht. „Darum fliegen wir hin und werden uns dort einmal ganz genau umsehen. Da ich mit der ICICLE bereits im letzten Sommer dort im Einsatz war, wird mein Schiff direkt in das System einfliegen, sobald wir dort sind. Die STORMRIDER bleibt etwas zurück und deckt diese Aktion.“

Die Kommandantin der STORMRIDER, die sich im Dominion-Krieg einen Namen als kompromisslose Kämpferin gemacht hatte, gab zurück: „Verstanden, Sir.“

„Dheran, Ende.“

Als der Bildschirm wieder den Innenbereich der Hangarscheibe zeigte, wandte sich Dheran an den Piloten der ICICLE, Lieutenant Lou-Thorben Ivarsson. „Mister Ivarsson: Bringen Sie uns raus, sobald sich die Hangartore geöffnet haben. Ein Viertel Impuls.“

Der Pilot des Leichten Trägers grinste offen, weil sein Kommandant einmal mehr auf die Geschwindigkeitsbegrenzung für Raumschiffe in Innenhangars pfiff, und er dadurch die Gelegenheit hatte, die Hangar-Mannschaft, einmal mehr, in Angst und Schrecken zu versetzen. Vergnügt bestätigte Ivarsson, der in derselben kleinen Stadt geboren worden war, wie Valand Kuehn: „Aye, Commodore.“

Als Dheran und seine XO sich gleichzeitig hinsetzten, raunte Pasqualina Mancharella dem Andorianer leise zu: „Schickt sich ein solcher Kavalierstart für einen Flaggoffizier?“

Dheran grinste schief. Ebenso leise erwiderte er: „Und ob, Commander.“

Beide Führungsoffiziere beobachteten auf dem Hauptschirm, wie sich das Raumschiff in Bewegung setzte, kurz nachdem sich die kaum vernehmbaren Geräusche des Antriebs um eine halbe Oktave gesteigert hatten. Rasch schneller werdend bewegte sich das Raumschiff der AKIRA-KLASSE auf die gähnende Öffnung des zentralen Schotts zu, wodurch die ewige Schwärze des Weltalls sichtbar wurde.

Bereits im nächsten Moment schoss die ICICLE ins Weltall hinaus, und Pasqualina Mancharella erinnerte sich daran, wie eine der Warpgondeln kreischend mit dem Panzerschott kollidiert war, als das Schiff das letzte Mal, mit dem Captain an Bord, von der Station aufgebrochen war. Damals hatte sie geglaubt, den Föderationsraum nie wiederzusehen, da sie, so schien es zumindest, mit einigen Offizieren des Schiffes desertiert war. Doch all das hatte zum Plan von Torias Tarun gehört. Einem Plan, in den, von den damals Beteiligten an Bord des Schiffes, nur Tar´Kyren Dheran eingeweiht gewesen war. Tarun hatte ihn, selbst ihr gegenüber, zu striktem Stillschweigen vergattert. Bei diesem Einsatz war sie nur knapp dem Tod entronnen.

Die Spanierin atmete tief durch und konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart. Auf dem Hauptschirm wurde das Raumschiff der RIGEL-KLASSE sichtbar, als Dheran dem Taktischen Offizier den Befehl gab, auf Heckansicht zu schalten.

Die Raumschiffe der RIGEL-KLASSE ähnelten in ihrem Aussehen sehr stark denen der AMBASSADOR-KLASSE. Was kein Wunder war, denn die RIGEL-KLASSE galt als deren Vorläufer. Über fünfhundert Meter lang, und knapp 282 Meter breit, gehörte die STORMRIDER zu den stärkeren Raumschiffen der Föderation. Zwar konnte es die Torpedo-Bewaffnung nicht mit jener der ICICLE aufnehmen, dafür besaß die STORMRIDER stärkere Phaserbänke und war von daher ein ebenso ernst zu nehmender Gegner, wie die ICICLE. Insbesondere deswegen, weil Captain Michelle Freyt das Schiff mit großer Umsicht und Geschick kommandierte.

Sich von dem Anblick losreißend wandte sich Pasqualina Mancharella an Charall, die bolianische Erste Navigatorin der ICICLE. „Ensign Charall Kurs auf das Farrolan-System festlegen. Steuermann: Kurs folgen, sobald er auf Ihre Konsole übertragen wurde.“

Sie hörte zweimal ein Aye, Commander, und nickte Tar´Kyren Dheran zu.

Dheran wandte sich an Farok: „Geben Sie der STORMRIDER Bescheid, auf Warp-9 zu gehen, Lieutenant.“

Als der Vulkanier bestätigt hatte, blickte der Commodore nach vorne und gab den Befehl an den Piloten der ICICLE: „Volles Programm, Mister Ivarsson.“

Kaum eine Minute, nachdem die beiden Raumschiffe von der Station gestartet waren, beschleunigten sie signifikant und verschwanden in einer grell-weißen Leuchterscheinung im Subraum, um mit hoher Überlicht-Geschwindigkeit auf ihr Ziel zuzuhalten.

Keiner der Beteiligten ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass im Farrolan-System ein Feind auf sie lauerte, der weitaus gefährlicher war, als die Außenwelt-Allianz – jener Zusammenschluss von fünf Sternenreichen, die momentan Krieg gegen die Allianz aus Föderation, Klingons und Romulanern Krieg führte. Ein Feind, den bisher weder Romulaner, noch Klingons, noch die Mitgliedswelten der Föderation, auf der Rechnung hatten.
 

ENDE
 



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Sanguisdeci
2017-07-25T10:52:47+00:00 25.07.2017 12:52
Eine sehr entwicklungsreiche Episode mit einem sehr spannenden Ende. Ich bin gespannt, wie sich die ganzen Handlungsstränge weiterentwickeln werden und werde meine Mühe damit haben, mich in Geduld zu fassen. Weiter so :)
Antwort von:  ulimann644
25.07.2017 21:01
Vielen Dank für das Feedback.
Yo - in dieser Episode habe ich sehr viel vorbereiten müssen, damit die nächsten Episoden richtig funktionieren können.

Für das letzte Kapitel wollte ich im Grunde zur Hälfte dieser Episode schon so weit sein, um schon mal einen weiteren Handlungsort mit aufnehmen zu können. Aber am Ende, bei dem was ich hier haben wollte, wäre diese Episode zu lang geworden, wenn ich das auch noch hinten dran gehängt hätte, und was zusammen erzählt werden sollte hätte ich dann eh splitten müssen. So kommt der neue Handlungsort, ein neuer Feind und eine wieder viel mehr Action geladene Handlung dann in der nächsten Episode. Das wird sich dann insgesamt auch runder anfühlen, denke ich.

Was die Ideen und die Ausarbeitung des Gesamtplots anbelangt, da hätte ich sofort nochmal so viel schreiben können. Aber dann kämen andere Projekte ins Hintertreffen, und eins will ich noch in diesem Jahr abschließen, nämlich meine MU-Geschichte BREAKABLE.


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