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My love bite on your neck

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Vorwort


Ich kann es noch gar nicht fassen ... Ich bin ganz gerührt und freue mich riesig, bin aber auch unendlich traurig.
Nach über zwei Jahren des Schreibens, habe ich sie fertig! Meine wahrhaftige Obsession. Meine Knutschflecken-Geschichte! xD
Ich schreibe es ja wirklich oft, aber dies hier ist, neben
Blutrote Lilie, ohne Zweifel eine meiner absoluten Lieblingsgeschichten. Ich konnte zwischendurch gar nicht an meinen anderen Geschichten weiterschreiben und musste regelrecht hieran weiterarbeiten. Wahrscheinlich liebe ich alle meine Babys, aber die zwei Hauptcharas in dieser Geschichte sind mir unglaublich fest ans Herz gewachsen, weswegen ich auch so traurig bin, dass sie nun ein Ende hat.
Na ja, für euch beginnt sie gerade erst und falls es mir immer noch nicht reicht, oder ich 'Heimweh' nach den Zweien bekomme, kann ich ja wieder in die Tasten hauen. Stoff geht mir bei ihnen nie aus, habe ich das Gefühl ;-)
Zudem hat sie hat mich auch zu anderen Storys inspiriert. Beinahe so wie meine Barkeeper-Reihe. Ein Ableger von ihr ist zum Beispiel
Christmas Star. Beim Schreiben von Love Bite kam mir die Idee zu ihr.
Eigentlich sollte
My love bite on your neck ebenfalls nur eine kleine Kurzgeschichte werden. Vielleicht drei, vier Kapitel. Wenn es hoch kommt sogar fünf. Aber ich hatte mich getäuscht. Es wurden weitaus mehr Kapitel, als ich jemals für eine Story zusammenbekommen habe. Ich konnte gar nicht aufhören zu schreiben und mir kamen so viele Ideen. Ich war von ihr besessen! xD (Bin es immer noch *gg*)
Ich hoffe, dass sie an manchen Stellen nicht zu langatmig geworden ist. Teilweise hatte ich jedenfalls das Gefühl, aber vielleicht kam mir das auch nur so vor, weil ich so lange daran geschrieben habe. Besonders zum Ende hin. Ich wusste, wo ich hin wollte, aber auf den Weg dorthin musste noch so viel erzählt werden. ^^"

Bevor es aber endlich losgehen kann, hier noch der Hinweis, dass alle Jungens in der Story frei erfunden sind, und allein mir gehören. Die ganzen Orte und Städte habe ich teilweise recherchiert, aber weil ich das so ungern mache, habe ich mich dabei auf das Nötigste beschränkt, oder erst gar keine genauere Ortsangabe gemacht. Nicht nur in der realen Welt ist mein Orientierungssinn für die Katz :-S

Jetzt aber genug Geschwafel von mir. Viel Spaß bei meinen knutschfleckenübersehten Jungs ;-)
Eure aufgeregte Fara ^^
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Prolog – Umprogrammieren

My love bite on your neck
 


 

Prolog – Umprogrammieren
 

Klack. Die Tür fällt hinter meinem Rücken schwer ins Schloss. Dahinter, im Flur, kann ich meine Mutter leise seufzen, und etwas unverständliches Murmeln hören, dann entfernen sich ihre Schritte.

Ich bin froh, dass sie aufgegeben hat, weiter auf mich einreden zu wollen. Dass sie mir nur eine kurze Verschnaufpause gönnt, ist mir zwar klar, aber dennoch atme ich erleichtert ein, weil ich erstmal Ruhe vor ihren Fragen habe. Sie macht sich eben Sorgen um mich, aber genau das kann ich gerade gar nicht gebrauchen. Vielleicht wäre es besser gewesen, ich wäre erstmal nicht hier her gekommen ...

Gedankenverloren schaue ich aus dem Fenster an der gegenüberliegenden Wand. Ein mir nur allzu bekannter Ausblick: Die Sonne scheint, und der Hügel unweit unseres Ortes, den ich durch die sattgrünen Blätter des Kastanienbaumes vor dem Fenster sehen kann, ist in goldene Farben gehüllt. Es ist Sommer und alles könnte so schön sein, aber hier bin ich nun. Geflohen aus meiner Gegenwart, hinein in eine ungewisse Zukunft und gestrandet in meiner Vergangenheit. Alles, was ich bisher geschafft habe, wurde Markiert und dann hat er auf die Entertaste gedrückt, um alles zu löschen, was zwischen uns war. Zurück auf Null. Ich starre auf ein leeres Dokument.

Meine Augen brennen, als ich den letzten Karton, den ich noch in meinem Auto hatte, auf den Boden neben meinen Schreibtisch stelle. Seufzend falle ich auf meinen alten, klapprigen Bürostuhl und reibe mir über die Augenlider. Es ist nicht so, als müsste ich heulen. Mir brennen nur die Augen wie Feuer. Vielleicht täte es mir mal ganz gut, wenn ich mir ein paar Tränen herausdrücken könnte, aber es geht nicht. Alles in mir ist wie taub ...
 

Langsam wippe ich auf dem Bürostuhl hin und her.

2015.

Was für ein Scheißjahr!

Nichts funktioniert, alles geht in die Brüche. Als ob ein Fluch auf mir lasten würde. Bisher dachte ich, alles Zufall, aber so viele Zufälle gibt es nicht, als dass ich noch daran glauben könnte. Jetzt bin ich endgültig am Boden, und ich weiß noch nicht mal wie es überhaupt so weit kommen konnte. Ich konnte nur dastehen und zuschauen. Als hätte jemand anderes das Zepter meines Lebens übernommen. Das muss sich schleunigst ändern! Aber wie? Ich fühle mich so schwach …
 

Ich wische mir ein letztes Mal über die Augen und schaue auf die ganzen Umzugskartons, die mich in diesem kleinen Zimmer umringen. All die Dinge, die ich aus unserer gemeinsamen Wohnung mit hier her genommen habe. Zurück in mein altes Leben. Mein Leben vor ihm, als hätte es unsere gemeinsame Zeit gar nicht gegeben.

Erst jetzt kommt alles so richtig hoch. Jetzt, wo ich hier sitze und meine Hände nichts mehr zu tun haben, doch weinen kann ich immer noch nicht. Da kann ich noch so oft daran denken, dass es nun endgültig vorbei ist mit uns. Schluss. Feierabend.

Aber wieso so plötzlich? Warum habe ich vorher nichts bemerkt? Warum hat er mich rausgeschmissen, ohne vorher jemals mit mir darüber zu reden?

Hat er es wirklich aus dem Grund getan, den er mir sauer und verletzt ins Gesicht geschrien hat? Ich weiß es nicht. Ich weiß im Moment rein gar nichts mehr. Und je mehr ich überlege, desto weniger weiß ich überhaupt. Dabei schwirren mir von Minute zu Minute nur noch mehr Fragen in meinem Kopf herum, aber ich bin zu müde und zu kaputt, um sie überhaupt zu fassen, oder gar eine Antwort darauf zu suchen. Ich bin so müde und fühle mich so allein ...
 

"Schluss jetzt! Reiß dich zusammen!" Laut hallt meine Stimme durch das kleine Zimmer.

Ich straffe mich und klappe meinen Laptop auf. Das Einzige, was ich noch unter Kontrolle, was ich noch beeinflussen kann. Wenn mir nun auch noch die Liebe versagt bleibt, nachdem zuvor auch der Rest meines Lebens den Bach runter gegangen ist, dann habe ich wenigstens noch mein Hobby, meine Obsession.

Auf dem Bildschirm erscheint der Desktop. Zeit, loszulegen. Abschalten, mich in meine Arbeit stürzen, wenn ich zur Zeit schon keinen bezahlten Job habe.

Meine Hände halten inne. Kein Job, keine Wohnung, keinen Partner. Ich blinzle. Diese Worte hallen so laut in meinem Inneren nach, dass sie mich erneut drohen in die Tiefe zu ziehen. "Ich habe gar nichts mehr", flüstere ich mit schwacher Stimme. 'Fast nichts mehr', sagt eine leise Stimme in mir. 'Du hast noch dein Programm.'

Ich schlucke. Ist das wirklich alles, was mir geblieben ist?

Klar, es ist mir sehr wichtig, aber wohin soll das noch führen? Was fange ich damit an? Was fange ich mit meinem Leben an? Was mache ich solange, bis meine Arbeit Früchte träg? Falls sie das überhaupt jemals tut. Solange meinen Eltern auf der Tasche liegen? Niemals!

Und was ist mit mir? Mit meinem zerschmetterten Herzen? Was fange ich mit meinem gebrochenen Herzen an? 'Umprogrammieren!', ruft mir die Stimme in meinem Inneren mir zu. 'Ich programmiere mein Leben um. Das Einzige das ich kann. Programmieren.' So dumm es sich vielleicht anhört, aber diese Idee scheint mir am plausibelsten. Programmieren. Mein Rettungsanker, an dem ich mich sicher festhalten kann. Etwas, das ich beherrsche und steuern kann. Alles, was mir noch geblieben ist.

"Dann mal los", sporne ich mich an und öffne das kleine, schwarze rechteckige Fenster, das mich zuerst noch leer anstarrt, sich jedoch mit einem einfachen Klick mit meinem jetzigen Lebensinhalt füllt. Alles, was ich noch habe ...
 

******
 

Huh! Hört sich erstmal etwas deprimierend an, was? Aber keine Sorge. Das bleibt nicht so ^^

Gleich im ersten Kapitel geht's volle Kanne los. Versprochen. ;-)

Love bite 01 - Pannenservice deluxe

Leider notwendig zu erwähnen: Alle Rechte meiner Texte liegen allein bei mir. Meine Texte, mein Eigentum. Unerlaubte Veröffentlichungen, auch nur auszugsweise, auf anderen Plattformen oder Onlineshops sind verboten, und das mache ich Text-Dieben auch rechtlich begreiflich, falls es sein muss.

Also? Klauen is nicht. Und wie ich kürzlich erfahren habe, haben meine lieben Leser ihre Augen überall und berichten mir jeden dreisten Text-Diebstahl.

Auch ich werde in Zukunft besser aufpassen und genauer hinsehen, was einem auf digitalem Wege angeboten wird.
 

In diesem Sinne wünsche ich euch trotzdem viel Spaß beim Lesen.

Eure Fara
 


 

Love bite 01 - Pannenservice deluxe
 

"Oh verflucht noch eins!" Mir platzt endgültig der Kragen! "Jetzt reicht es!"

Wütend stehe ich auf, rase aus dem Wohnzimmer und klopfe gegen die Zimmertür meiner kleinen Schwester. "Nicole! Mach diese kack Schrottmusik aus!" Vergeblich rüttle ich an der Türklinke, was nur dazu führt, dass die Musik noch lauter gedreht wird. Der Bass wummert mir schmerzhaft in den Ohren. "Mach den Scheiß aus!"

"Nein! Lass mich in Ruhe!", ruft sie mir durch die geschlossene Tür zu. Dann eben anders!

"MAMA! Nicole hat wieder ihr Zimmer abgeschlossen!" Das darf sie eigentlich gar nicht, die kleine Kröte.

Unten auf der Kellertreppe höre ich Schritte. "Jetzt bekommst du Ärger!", schreie ich die Tür an und reibe mir innerlich die Hände aneinander.

"Mensch, Niclas. Dank euch beiden fühle ich mich gleich um zehn Jahre jünger", schnauft meine Mutter, die gerade oben in der Wohnung ankommt. Sie klopft an Nicoles Tür. "Nicole? Liebes? Mach bitte die Musik leiser und mach die Tür auf." Nicole, die 'Liebe' gehorcht sofort und dreht die Musik leiser. Obwohl dieses Katzengejammer die Bezeichnung Musik nicht mal verdient hat. Was für eine Retortenmusik die heutzutage machen. Furchtbar! Wo sind nur die kreischenden E-Gitarren, die tiefen Bässe, die Drumsolos und die markanten Reibeisenstimmen, die so wundervoll einzigartig waren? In Gedanken höre ich meinen Vater. So etwas ähnliches hat er früher auch zu mir gesagt, als ich meine Metallica Platten rauf und runter gespielt habe. Ich werde alt!

"Wenigstens hört sie noch auf dich", brumme ich meine Mutter an.

"Noch. Wenn sie so wird wie du, sehe ich bald alt aus." Na Danke auch!

"Wie gut, dass ich dir soeben zehn Jahre deines Lebens zurückgegeben habe", ziehe ich sie umgehend auf. Meine Mutter lacht und tätschelt meine Wange. Mütter!

Vor uns geht die Zimmertür meiner nervigen, kleinen Schwester auf, die mich mit ihren Blicken zu töten versucht, was aber nicht klappt. Meine allmächtigen Kräfte wehren ihre mickrigen Tötungsversuche ab. "Nimm doch bitte ein bisschen mehr Rücksicht auf deinen Bruder, ja?", versucht meine Mutter auf Nicole einzureden.

"Rücksicht?! Der kreischt mich doch als an!"

"Aber nur, weil du dich benimmst wie ein Kleinkind!", schieße ich zurück.

"Kinder, Kinder! Ihr benehmt euch gerade alle beide wie Kleinkinder." Meine Mutter dreht sich Kopfschüttelnd um, bleibt aber nochmal stehen. "Ach Nicole? Hast du deine Matheaufgaben schon gemacht?"

"Nein", knurrt sie und verdreht ihre Augen. "Die kapier ich nicht."

"Niclas? Hilf ihr bitte. Und danach kommt Essen." Was?!

"Ich?! Warum soll ich der Kackbratze helfen?!"

"Niclas!" Jetzt schaut mich Mama böse an. "Nicht in so einem Ton! Du bist der Ältere, also benimm dich auch so!"

"Ja Mama", murmle ich und starre meine Teenieschwester böse an. Die dreht sich daraufhin schnaufend um und trampelt wieder in ihr Zimmer. Bedeutet das, ich muss da jetzt auch rein?! Die Götter mögen mir beistehen!
 

Es ist das erste Mal überhaupt, dass ich die unheiligen Hallen meiner Schwester betrete. Skeptisch schaue ich mich um, während ich ihr langsam folge. "Schön hast du es hier." Sarkasmus lässt grüßen, denn ich ziehe im selben Atemzug ungläubig eine Augenbraue nach oben. Nicoles Zimmer ist vollgepflastert mit Postern, Zeitungsausschnitten und kleinen Bildchen, die so aussehen, als hätte sie sie selbst ausgedruckt. Wenn das Papa spitz bekommt!

Jedes von diesen kleinen und großen Bildchen zeigt ein und den selben Kerl, oder was auch immer DAS sein soll, denn dieser Kerl ist ein übertrieben geschminkter Bengel in einer Art Light-Bondageoutfit. "Wer, oder besser gesagt, was ist das, wenn ich fragen darf?" Ich zeige auf das große Poster neben mir.

"Darfst du nicht!" Ich richte meinen Blick gen Zimmerdecke. Selbst da glotzt dieser Affe mich mit einer Mischung aus provozierend und aufreizend an. Wäre er nicht geschminkt wie eine grellbunte Straßendirne, könnte er sogar ganz ansehnlich aussehen, könnte ich mir jedenfalls vorstellen. Aber so macht er mir viel eher Angst, als dass er mich mit seinem übertriebenen 'sexy' Aufzug anmachen könnte.

Nicole wirft sich sauer auf ihren kleinen Bürostuhl, der unter ihrer nicht allzu schweren Last quietscht und ächzt. Auf dem Bildschirm ihres PCs läuft ein Video des 'Künstlers'. Mit kniehohen Latexstiefeln stolziert er über die Bühne, leckt sich über die dunkel geschminkten Lippen, und bringt damit das Publikum zum hysterischen Kreischen.

Zur Retortenmusik kommt jetzt also auch noch der passende Retortenschwule. Ich kann zwar jetzt nur von mir sprechen, aber welcher Schwule steht auf so was? Einige wohl schon, wie man im gerade eingeblendeten Publikum erkennen kann. Der Großteil unter ihnen sind allerdings Mädchen. Ungefähr so alt wie Nicole und einige davon nicht weniger nuttig zurechtgemacht wie ihr Idol.

Du liebe Zeit! Wo führt das noch hin? "Zieht das bei euch Mädels? Sich auf Transe zu trimmen, damit ihr jungen Dinger auch ja die Musik der lieben, guten Schwuchtel kauft?"

"Keith Kandyce ist keine Schwuchtel!", muckt mein Schwesterherzchen auf. "Außerdem sagt man so was nicht."

"Keith heißt er? Keith Kandyce?", frage ich sie lachend. "Total schwul, wenn du mich fragst. Außerdem darf ich das sagen. Oder hast du vergessen, dass ich auch eine Schwuchtel bin?"

Angewidert verzieht sie das Gesicht. "Bei dir ist das was anderes. Du bist eklig! Und woher willst du wissen, dass Keith schwul ist?! Du weißt doch gar nichts über ihn!", schreit meine Schwester mich an und springt von ihrem Stuhl auf. "Raus hier, du Nullchecker!"

Mir zuckt abermals eine Augenbraue nach oben. Der Kerl da auf dem Bildschirm rennt mit High Heels und knallroten Lippen herum, und ich bin ekelig? "Schön zu wissen, was du von mir denkst", blaffe ich sie an, grinse jedoch. Teenies!

"HAU AB!"

Abwehrend hebe ich die Hände, kann aber nicht aufhören zu lachen. "Kleine, lass mich dir eins sagen: Wenn 'Keith Kandyce' nicht schwul ist, fresse ich einen Besen plus dazugehöriger Schippe."

"Dann guten Appetit!", brüllt sie und schmeißt mir die Tür vor der Nase zu.

"Dann kommst du mit den Matheaufgaben alleine klar?" Die Musik des Konzertmitschnittes wird wieder auf volle Lautstärke gedreht. "Kleine Giftspritze!", zische ich und trete nur zu gern den Rückzug an.
 

Seufzend setzte ich mich an den Küchentisch. Selbst bis hier dröhnt die Musik. Kopfschüttelnd kommt meine Mutter auf mich zu und schiebt mir einen Teller Salat vor die Nase. "Hast du sie wieder provoziert?"

"Nö." Unschuldig schnabloniere ich ein Salatblatt.

"Niclas!" Mahnend stemmt Mama ihre Hände in die Hüfte.

Ich zucke mit den Schultern. "Könnte sein, dass ich was falsches über ihren imaginären Ehemann gesagt habe."

Meine Mutter atmet theatralisch aus. "Musste das sein? Du weißt doch, dass sie in einer schwierigen Phase ist."

"Mama! Sie ist fünfzehn. Da klebt man sich keine Bildchen von billigen Popstars mit einer ausgewachsenen Make-up Sucht mehr an die Wand."

"Muss ich dich an deine Pubertät erinnern?"

"Weiß nicht was du meinst", murmle ich leise.

"Du warst damals auch ganz schön in einen gewissen Sänger verknallt, wenn ich mich nicht irre. Da warst du auch kaum jünger als deine Schwester gerade."

"Kann nicht sein."

Meine Mutter lacht und setzt sich neben mich. "Mal ein anderes Thema. Hast du schon eine Wohnung in Aussicht?" Auch kein besseres Thema.

"Noch nicht. Dazu bin ich zu knapp bei Kasse. Vielleicht versuche ich es mal bei einer WG, obwohl ich ja lieber was Eigenes hätte."

"Wir können dir was beisteuern. Für den Anfang."

"Quatsch!" Ich winke ab. Es fehlt noch, dass ich mich wieder von meinen Eltern aushalten lasse. Mit Mitte zwanzig! "Ich muss nur endlich einen Käufer für mein Programm finden. Oder eine Firma, die mich zum Weiterentwickeln anstellt." Wieder kein gutes Thema.

"Wann hörst du endlich auf, dich so auf dieses Computerzeugs zu fixieren und suchst dir mal einen ordentlichen Job?" Na? Was habe ich gesagt? Jetzt darf ich mir das wieder anhören.

"Ich versuche es doch", wende ich ein, und meine es auch ernst damit. Im Moment würde ich vorerst überall anfangen zu Arbeiten. Hauptsache, ich habe wieder eine Perspektive im Leben. Auch wenn es nur erstmal eine Kleine ist. "Außerdem ist Programmieren ein richtiger Job. Ich muss nur jemanden finden, der mein Know-how zu schätzen weiß."

"Ach Niclas", seufzt sie. "Das ist doch keine richtige Arbeit."

"Ist es wohl!", rege ich mich auf. Sie versteht es nicht! Genau wie alle anderen. Genau wie mein Ex.

Mama legt ihren Kopf schief und ihre Hand auf meine, die neben dem Teller liegt. "Ich mache mir doch nur Sorgen um dich. Jetzt, wo du dich von Kilian getrennt, und keine Arbeit hast, wer passt denn nun auf dich auf?"

"Ich kann schon ganz gut auf mich alleine aufpassen!", fahre ich sie etwas zu heftig an. Im Grunde hat sie ja recht. Zurzeit geht bei mir einfach alles schief. "Sorry", entschuldige ich mich seufzend bei ihr. "Hör nur bitte auf, Kilian zu erwähnen." Die Erinnerung an unsere Trennung tut noch immer weh. Ist ja auch erst einen Monat her.

"Schon gut. Aber ich finde trotzdem, dass deine Computerspielerei nichts einbringt."

"Das wird sie aber! Es ist wichtig."

"Und für was nochmal?" Jetzt bin ich es, der den Kopf schief legt.

"Das habe ich dir doch schon mal erklärt. Mein Programm ist für viele Dinge einsetzbar. Für medizinische Auswertungen, die es viel präziser auswerten kann, als die bisherigen. Für Analysen und Vorhersagen jeder Art. Ich kann es ruck zuck umschreiben und dann für andere Anwendungsgebiete anwenden. Man kann damit Rechenzeiten verkürzen und ..."

"Kapiere ich alles nicht." Ich schließe die Augen. Immer das Selbe. "Vielleicht kenne ich mich dazu zu wenig in diesem ganzen digitalen Kram aus."

"Wieso fragst du dann immer?" Ich kann es ihr noch so oft erklären, aber verstehen wird sie es niemals.

"Ich muss doch wissen, was mein Sohn so macht. Außerdem wird es langsam schon peinlich, wenn eine meiner Freundinnen mich fragt, was du zur Zeit machst. Sie schauen immer so abwertend, wenn ich sage, dass du am Computer spielst." Oh Gott!

"Mama! Ich spiele nicht! Ich programmiere ein Programm, dass verdammt wichtig sein kann, wenn endlich mal einer auf den Trichter kommt, was ich da alles mit geschaffen habe! Ich arbeite mit komplizierten Quellcodes! Das ist kein spielen sondern erfordert viel Denkfähigkeit!"

"Ja ja! Schon gut." Sie steht auf. "Ich bringe mal lieber das restliche Essen auf den Tisch. Hilft du mir? Die Kartoffeln müssen noch abgeschüttet werden."

Ich knirsche mit den Zähnen. Schlimm genug, dass gerade niemand einen Programmierer sucht, und auch keiner mein Programm will. Aber das noch nicht mal meine Familie hinter mir steht! Selbst Kilian, der gar nichts mit Computern, Handys oder sonstigen elektronischen Kram am Hut hatte, unterstützte mich immer dabei. Er wusste, wie wichtig es für mich war. Na ja. Dachte ich zumindest immer ...

Ich lasse die Gabel in den restlichen Salat fallen. Kilian ist wirklich der Letzte, an den ich denken will!
 

***
 

Erschöpft reibe ich mir über die Augen. Die Uhr zeigt schon weit nach Mitternacht an, aber so kann ich am besten Arbeiten. Draußen ist es ruhig, im Haus auch. Niemand, der mich stört oder ablenkt. Ich öffne die Augen wieder, aber es bringt nichts. Die weiße Schrift auf dem Bildschirm verwischt auf dem schwarzen Hintergrund. Am besten, ich mache für heute Schluss. Kurz noch speichere ich alles ab, mache eine weitere Sicherung, damit die stundenlange Arbeit auch nicht umsonst war, und fahre meinen Laptop herunter. Zeit zum Schlafen!

Im Bad muss eine kurze Katzenwäsche ausreichen. Noch schnell die Zähne geputzt, Schlafanzughose an und ab in die Falle. Kaum schließe ich die Augen, ich bin wirklich verdammt müde und hoffe eigentlich gleich einschlafen zu können, wabert mir ausgerechnet Kilian in den Gedanken herum. "Na vielen Dank auch." Ich drehe mich auf die andere Seite, versuche meine Gedanken in andere Bahnen zu lenken, zum Beispiel, wie ich mein Programm noch verfeinern könnte, überlege, in welchen Einrichtungen ich mich noch alles damit bewerben könnte, aber es hilft nichts. Kilians Gesicht drängelt sich immer wieder in den Vordergrund.

Eigentlich ist das auch nicht verwunderlich, nach so einer plötzlichen Trennung. Ich begreife es immer noch nicht richtig, wie es überhaupt soweit kommen konnte.
 

Wie aus dem Nichts hat er mir gesteckt, dass er mich nicht mehr liebt und ich SEINE Wohnung verlassen soll. Das ich mit im Mietvertrag stand, ließ ich unerwähnt. Viel zu überrumpelt war ich von seiner Ansage. Er hatte sogar schon begonnen, meine Koffer zu packen. Meine Laune veränderte sich von einem ungläubigen Luft anhalten zu einem wütenden Gefühlsausbruch.

Wir zofften uns. Ziemlich heftig und das erste Mal überhaupt in unserer Beziehung, wenn ich so darüber nachdenke. Wir warfen uns hässliche Dinge an den Kopf. Dinge, die wir vielleicht vorher schon mal hätten bereden sollen.

Das Schlimmste waren allerdings seine Blicke, die er mir zuwarf. Da wurde mir klar, dass er mich wirklich nicht mehr liebte. "Warum? Was habe ich getan, dass du mich plötzlich aus deinem Leben wirfst?", fragte ich ihn, nachdem alles gesagt, alles herausgeschrien war, und nur noch eine bedrückende Leere in meiner Brust zurückblieb.

"Ich habe keine Gefühle mehr für dich. Du nervst mich. Ständig hängst du an deinem Laptop und beachtest mich gar nicht mehr."

"Ich dachte, du unterstützt mich? Du hast doch selbst gesagt, es sei wichtig, was ich mache!"

"Ja! Aber nicht den ganzen beschissenen Tag lang!", brauste er auf und verließ die Wohnung. Nicht ohne mir noch zuzurufen, dass ich von hier verschwunden sein sollte, wenn er wieder nach Hause kam.

Deshalb packte ich all meinen restlichen Kram, den ich in aller Eile hatte finden können, und klingelte danach bei meinen Eltern. Sie nahmen mich auf und das bringt mich nun hier her. In mein altes Bett, in mein altes Jugendzimmer und in mein altes Leben, das Leben vor Kilian. Mein neues altes Leben, als hätte es Kilian gar nicht gegeben. Alles ist noch so wie damals.

Hat er sich deshalb von mir getrennt? Weil ich mich im Grunde nicht weiterentwickelt habe, im Gegensatz zu ihm? Drei Jahre, und ich habe nichts weiter vorzuweisen außer einem halbfertigen Programm und einem kleinen Beziehungsbäuchlein.

Ich drehe mich auf den Rücken und starre an meine Zimmerdecke. Der große Kastanienbaum vor dem Fenster wirft dunkle Schatten darauf. Als Kind hatte ich immer Angst vor seinen Schatten, weswegen ich immer die Vorhänge schloss und meine Mutter mir ein kleines Nachtlicht kaufen musste. Es liegen Welten zwischen diesen Leben, und dem, das ich jetzt lebe. Ganze Welten und eine zerbrochene Liebe. Meine erste, große Liebe wohlgemerkt. Und trotzdem fühlt es sich an, als habe sich nichts verändert. Zurück zum Ausgangspunkt. Fangen wir noch einmal von vorne an. Geht das?
 

Irgendwann bin ich doch eingeschlafen und werde, wie fast jeden Morgen seit ich hier bin, von lauter Katzenmusik geweckt. Ziemlich angepisst deswegen, angle ich blind nach meinem Wecker. Viertel nach elf. Hat diese Kröte, die sich Schwester schimpft, schon Schulschluss? Es muss so sein, denn meine Mutter hört sicherlich nicht solches Gejammer! Sie steht eher auf die Bee Gees und ABBA, aber nicht auf geschminkte Latexschwuppen, die laut kreischend versuchen, gegen dumpfes Bassgewummer anzusingen.

Ich krabble aus meinem Bett, schlüpfe in meine Hausschuhe und gehe in die Küche, wobei ich an Nicoles Zimmer vorbei komme, kräftig dagegen klopfe, und ohne auf ihr Gezeter zu achten weiterlaufe. "Morgen."

"Morgen? Es ist bald Mittag!"

"Wurde etwas länger gestern", verteidige ich mich müde und falle auf einen der Küchenstühle. "Ist noch Kaffee da?" Mit müden Augen sehe ich meine Mutter fragend an.

"Hab dir was warmgehalten." Tasse und Thermoskanne werden vor mir abgestellt.

"Danke. Du bist die Beste."

"Das will ich doch hoffen!" Sie setzt sich mir gegenüber und mustert mich. Ich frage, was los ist und sie fängt an ihre Hände zu kneten. "Kilian hat mich heute morgen angerufen."

"Kilian?" Er hat hier angerufen?

"Ja. Weil du nicht an dein Handy gegangen bist." Kein Wunder. Ich habe es seit Tagen ausgeschaltet, weil der Akku leer ist und ich es nicht brauche.

"Was wollte er?!", will ich aufgeregt wissen, was mich ungemein ärgert. Er verdient es nicht, dass ich wegen ihm aufgeregt bin!

"Er fragte, ob er dich in eurem Café treffen kann. Anscheinend hat er noch ein paar CDs und etwas Kleidung von dir gefunden."

"Na toll." Betrübt stelle ich die Tasse ab. "Was hast du gesagt?"

"Das ich es dir ausrichten werde und dann habe ich einfach aufgelegt." Ich fange an zu grinsen. "Also tu was du tun willst. Versetze ihn oder brezel dich ordentlich auf und zeige ihm, dass dein Leben weitergeht, auch ohne ihn. Zeig ihm, was für ein steiler Zahn du bist!"

Ich verziehe das Gesicht. Ein steiler Zahn?! "Mein Leben geht aber nicht weiter", sage ich enttäuscht. "Ich trample als auf der gleichen Stelle herum, wie schon von vor drei Jahren." Und ein steiler Zahn bin ich auch nicht mehr. Eher ein steiler, aufgeblähter Backenzahn.

"Das ändert sich bald. Wirst schon sehen." Mama lächelt mich aufmunternd an. "Ich jedenfalls würde in das Café gehen, meine engsten Klamotten anziehen, und diesem Kilian zeigen, was er sich durch die Lappen hat gehen lassen."

"Meine engsten Klamotten? Da passe ich nicht mehr rein." Es sei denn, ich will Kilian als Leberwurst-Imitat beeindrucken.

"Bist du dir da sicher? Probiere es doch einfach mal." Hm. Vielleicht hat sie ja doch recht. Ein bisschen Egopushing könnte mir gerade nicht schaden. Und dazu muss ich ja auch nicht meine engsten Klamotten anziehen.

"Ich habe eine Jeans, die bringt meinen Hintern ganz gut zur Geltung", grinse ich sie an.

"Na siehst du? Genau das wollte ich von dir höre..."

"AHHHH!!!"

"Was zum ...?" Mama und ich schrecken auf und sehen eine kreischende Nicole an uns vorbei rasen. Sie verschwindet im Wohnzimmer. "Nicole?!" Mama steht auf, ich hinterher.

"Was hat dich den gebissen?", will ich wissen und schaue zu, wie sie vorm Fernseher kniet, die Fernbedienung dabei in der Hand hält und hektisch durchs Programm zappt.

"Keith! Er ist gleich im Fernsehen! Ein Superstar-Spezial!"

"Oh Gott! Drama!" Ich hüpfe wie ein verliebter Teenager neben ihr auf und ab. Mama verpasst mir einen leichten Schlag auf den Hinterkopf. Das zum Thema Egopushing.

"Schön, wieder kleine Kinder im Haus zu haben. Aber dabei dachte ich eigentlich an Enkelkinder."

"Schau mich erst gar nicht an", wehre ich ab. "Daraus wird nichts. Frag mal Nicole, ob sie sich von ihrem schwulen imaginären Lover ein Kind verpassen lässt."

"Niclas!", fahren mich beide an. "Du bist so ein Arsch!", sagt Nicole. Nicht meine Mutter. "AHHH! Da ist er!" Sie drückt sofort auf Aufnahme. Noch mehr Müll, der die Festplatte des Rekorders voll müllt.

Stirnrunzelnd hefte ich meinen Blick auf den Bildschirm, den meine Schwester wie eine Bulldogge ansabbert. Sieht doch ein Blinder, dass der Typ nicht auf Frauen abfährt! Wie er schon dasitzt. Die Beine übereinandergeschlagen, die in einer verdammt knackigen, grauen Jeans stecken. Dazu Halbstiefel mit viel Glitzer und Nieten. Von dem Oberteil mag ich eigentlich gar nicht erst anfangen zu sprechen! Ach was solls? Es ist schwarz, hat einen tiefen V-Ausschnitt und man kann ungeniert seine gut durchtrainierte Brust sehen.

Okay. Ich muss zugeben, der Kerl ist ganz lecker. Wären da nicht die übertrieben geschminkten Augen. Seine Lippen hat er diesmal ausgelassen. Natur sehen sie richtig gut aus. Sanft geschwungen, rosig und, was ich ebenfalls zugeben muss, wirklich zum küssen. "Hm …", schnurre ich. "Jetzt macht mich dein Keith auch irgendwie scharf."

Empört dreht sich Nicole zu mir. "Verschwinde! Hör auf, ihn so anzuglotzen!" Sie richtet sich auf und versucht doch tatsächlich den Bildschirm vor mir abzudecken. Lachend schüttle ich den Kopf.

"Als ob ich ihn übers Fernsehen anmachen könnte. Oder würde. Wie alt ist dieses Früchtchen eigentlich?"

"Zweiundzwanzig!"

"Aha! Viel zu alt für dich und viel zu jung für mich." Ich stehe eher auf ältere Semester, die wissen, wo der Hase langläuft.

"Halt deine Klappe! Ich will das hören und nicht ständig deinem Gelaber zuhören müssen."

"Na gut", gebe ich nach. Hauptsächlich, weil mich dieses Teenagergeschmachte langsam langweilt.

Achselzuckend verlasse ich das Wohnzimmer. Meine Mutter bleibt zurück. Sie passt wohl auf, dass Nicole nicht den Bildschirm ableckt. Ob ein Flachbildschirm besser schmeckt als ein Röhrenbildschirm? Ich erinnere mich noch düster daran, dass unser alter Fernseher immer ganz komisch nach Metall geschmeckt hat. Ich verrate euch aber nicht, mit wem ich damals knutschen geübt habe. Das bleibt mein kleines, schmutziges Geheimnis.*

Ich schließe meine Zimmertür hinter mir. Mal sehen, ob ich noch in meine Skinny-Jeans passe.
 

***
 

Als ich in mein Auto steige, habe ich das Gefühl, kastriert zu werden. Ist die Skinny-Jeans skinny! Aber ich habe sie noch zubekommen und sehe wirklich knatterscharf darin aus. So viel kann ich demnach gar nicht zugenommen haben, während unserer Beziehung. Und wenn ich Kilian damit aus dem Konzept bringen kann, indem ich ihm meinen strammen Knackarsch vorhalte, den er nie wieder berühren darf, hat sich das abquetschen meiner edelsten Teile voll gelohnt, das heißt, wenn die Jeans mir auf dem Weg zum Café nicht platzt.

Doch wie dem auch sei, nicht mal die engste Jeans und der knackigste Arsch bringen mich dazu, dass ich nicht gleich vor Nervosität und innerer Unruhe anfange zu schreien. Meine Hände sind schweißnass und mein Blutdruck geht gleich durch die Decke. Kilian und ich haben uns seit dem Rausschmiss aus der Wohnung nicht mehr gesehen. Noch nicht mal miteinander telefoniert haben wir miteinander. Vier Wochen herrschte komplette Funkstille zwischen uns, und jetzt möchte er mich wieder treffen, um mir meinen restlichen Kram zu übergeben.

Irgendwie glaube ich nicht dran, dass er nur das von mir will. Schließlich hätte er mir die Sachen auch per Post schicken, oder einfach vor meiner Haustür abladen können. Das wäre für ihn viel einfacher und stressfreier gewesen. Demnach muss es da noch einen weiteren Grund geben, und er verwendet meine gefunden Sachen bloß als Vorwand.

Ich hasse es, aber ich mache mir tatsächlich ein winzig kleines bisschen Hoffnung. Vielleicht möchte er ja doch noch mal mit mir über uns reden? Vielleicht denkt er, ich würde einem Gespräch nicht zustimmen, wenn er mich einfach danach gefragt hätte, und hat deshalb nach einem Vorwand gesucht. Und als ihn ein paar meiner CDs in die Finger gefallen sind, hatte er einen.

Das alles werde ich aber niemals in Erfahrung bringen können, wenn ich weiter im meiner Karre sitzen bleibe, und darüber nachgrüble.

Angespannt fahre ich los und bin dank geringem Straßenverkehr schnell am vereinbarten Café angelangt. Ich finde direkt davor einen freien Parkplatz, was einem Wunder gleichkommt. Zumindest Nachmittags, denn normal herrscht dort immer Hochbetrieb. So auch heute.

Ich habe Mühe, Kilian zu entdecken, schaue mich suchend um, bis ich ihn finde. Er sitzt gedankenverloren an einem der hintersten Tische. Neben ihm, auf der kleinen Sitzbank ein Karton, der sicher meine Sachen beherbergt.

Als ich ihn sehe, kommt alles wieder hoch. Meine Arme fühlen sich taub an, und meine Beine werden schwer wie Blei. Doch es hilft nichts. Jetzt, wo ich schon mal hier bin, muss ich mich dem auch stellen.

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch laufe ich auf ihn zu. Soll ich lächeln? Ihn grimmig anstarren oder ihm den Mittelfinger zeigen. Zu jeder der drei Möglichkeiten hätte ich gerade nicht schlecht Lust. Kann man grimmig starren und dabei lächeln?

Ich entscheide mich dazu, möglichst neutral auszusehen. Was auch klappt. Jedenfalls schaut Kilian mich ebenfalls ohne jegliche Regung an, als er mich auf sich zukommen sieht. Einzig seine Augen spiegeln etwas wider. Enttäuschung und Angst. Kann er das bei mir auch sehen? Oder sieht er, wie sehr es mich schmerzt, ihm ausgerechnet hier wieder zu begegnen? "Hy", begrüße ich ihn schlicht und setzte mich ihm gegenüber. "Meine Mutter hat gesagt, dass du hier auf mich wartest." Ich bin froh, dass meine Stimme so ruhig und sicher klingt, obwohl mein Inneres total aufgewühlt ist.

"Ja. ... Beim Aufräumen habe ich noch einiges von dir entdeckt." Ich spähe in den Karton.

Ein Shirt, CDs und Bücher und "Die verschollene Queen LP! Wo hast du die denn gefunden?" Was habe ich die schon gesucht! Wochenlang habe ich jeden Zentimeter unserer Wohnung nach ihr durchforstet, doch sie blieb unauffindbar.

"Sie lag hinter dem Hifi-Regal."

"Du hast ja ordentlich aufgeräumt, wenn du die da gefunden hast", sage ich und greife nach der LP. Es wundert mich, aber plötzlich bin ich vollkommen gelassen. Fast könnte man das Gefühl haben, wir hätten uns nie getrennt. Eine merkwürdige Vertrautheit stellt sich bei mir ein. Seine Nähe fühlt sich so richtig an. Ich vermisse ihn so ...

"Ich ziehe aus der Wohnung aus."

"Was?" Ich schaue auf und vergesse meine Lieblings-LP. "Du ziehst aus?"

"Ja. Die Miete ist für mich alleine zu hoch und außerdem ..." Er bricht ab und atmet tief ein. "Ich habe jemanden kennengelernt. Er hat eine große Eigentumswohnung und ich ziehe zu ihm. Das wollte ich dir noch sagen, bevor du es von jemand anderen Erfährst." In meinen Ohren rauscht es laut, und das Café tanzt vor meinen Augen Ringelreihen.

Ich schlucke hart, kann es kaum begreifen. Das hat gesessen! Er hätte mir auch gleich direkt in die Fresse schlagen können. Das hätte jedenfalls den selben Effekt gehabt.
 

"Vier Wochen", flüstere ich. Kilian senkt den Blick, kann meinem nicht standhalten. "Vier Wochen! Kilian, wir haben uns erst vor vier Wochen getrennt und du ziehst schon bei einem anderen Kerl ein?!" Mir bricht der Boden unter den Füßen weg, da ich jetzt erst die ganze Tragweite seines Geständnisses begreife. Vier Wochen! Vier Wochen ist es her, und er hat schon wieder eine neue Beziehung?!

Das kann nur ein übler Scherz sein! Wenn ich daran denke, was es für ein Zirkus war, bis wir uns auf eine gemeinsame Wohnung einigen konnten! Und jetzt so was!

"Ich weiß. Es kam so plötzlich ...", stottert er und traut sich nicht mich anzuschauen.

"Plötzlich?!", brülle ich wütend. "Weißt du was plötzlich ist?! Wenn man von einer Sekunde auf die Andere von seinem langjährigen Partner vor die Tür gesetzt wird, mit der Begründung, dass man ihn nicht mehr liebt!" Die anderen Gäste im Café schauen uns alle verstohlen an, doch das ist mir scheiß egal. "Ich habe dich geliebt, verdammt nochmal! Und bis vor ein paar Wochen dachte ich noch, dass du mich auch liebst. Wie lange hast du schon keine Gefühle mehr für mich gehabt? Sag's mir!"

"Ich weiß nicht. Es flaute einfach mit der Zeit einfach ab. Bitte sei doch nicht so laut", antwortet er mir mit gesenkter Stimme.

Das wird ja immer besser! Er schämt sich für mich! Aber das ist ja nichts neues. Ja kein Händchenhalten in der Öffentlichkeit! Oh nein! Man könnte ja denken, man sei schwul!

Ich lache hysterisch auf. Extra laut und extra schwul, was sonst gar nicht meine Art ist. "Ich bin dir zu laut? Ja? Ich kann mich noch Zeiten erinnern, da konnte ich dir gar nicht laut genug sein! Oh ja Nic! Lauter! Zeig mir, wie geil dich das macht!" Kilian läuft puterrot an. Mir dagegen ist es total Schnuppe, dass ich mich hier ebenfalls zum Volldeppen mache.

"Niclas! Bitte!" Unsicher fliegt sein Blick durch das Café, ehe er wieder mich anschielt.

"Bitte?!" Meine Faust knallt auf den Tisch. "Weißt du was? Du hast mich ein letztes Mal um was gebeten! Und wage es ja nicht, mich noch einmal anzurufen oder mir mit deinem tollen Lover unter die Augen zu treten!" Ich schüttle fassungslos meinen Kopf. "Nach vier Wochen. ... Was hast du dir dabei gedacht?! Wahrscheinlich gar nichts! Das Denken hat ein ganz anderer Körperteil von dir übernommen, was?"

"Niclas. Bitte, ich ...", fängt er schon wieder an. "Ich wollte dich nicht verletzten! Ehrlich nicht! Aber du hattest nie Zeit für mich." Feindselig guckt er mich an.

"Dann hättest du mal vorher was sagen sollen, anstatt mich vor vollendete Tatsachen zu stellen!"

"Wann denn?! Du hast doch Tag und Nacht vor deinem scheiß Programm gehängt und mich kaum mehr beachtet!" Er schaut mich sauer an, setzt dazu an, weiterzureden, hält aber zu seinem Glück die Klappe.

"Mein scheiß Programm? ... Kilian? Du kannst mich mal!", fauche ich, stehe auf, schnappe meinen restlichen Kram, den Kilian beim Ausräumen UNSERER Wohnung gefunden hat, und stürme aus dem Café. Natürlich nicht ohne ihm noch ein grollendes Arschloch zugezischt zu haben. Den Mittelfinger schenke ich mir. Es ist alles gesagt.
 

Wütend ringe ich nach Fassung. Das war es jetzt endgültig. Kein Zurück mehr. So schnell kann sich also eine scheinbar glückliche Beziehung in Hass verwandeln.

Ich stelle den Karton auf den Beifahrersitz meines Autos, starte den Motor, bleibe aber noch einen Moment in der Parklücke stehen.

Meine Hände, die sich ins Lenkrad gekrallt haben, zittern, und nur mit größter Mühe kann ich die aufsteigenden Tränen unterdrücken. Heulen wäre jetzt vielleicht gar nicht das Verkehrteste, doch nicht jetzt und nicht hier. Zu groß ist meine Angst, Kilian könnte es mitbekommen.

Ich muss erstmal runterfahren, mich beruhigen, bevor ich mich aus der Parklücke schlängeln kann. Einen angefahrenen Wagen kann ich jetzt nicht auch noch gebrauchen. Deshalb atme ich ein paar mal tief ein, schaue in den Rückspiegel, setzte den Blinker und fahre raus. Im Rückspiegel schaue ich nochmal kurz das Café an. Unser Café. Dort haben wir uns vor knapp vier Jahren kennengelernt. Eine gemeinsame Freundin von uns hatte ein Blind Date angeleiert, dem ich mit gemischten Gefühlen zugestimmt hatte. Damals hatte ich in diesem Café gekellnert, weshalb die Wahl des Ortes darauf fiel. Lange arbeitete ich dort allerdings nicht. Das Gehalt war beschissen und die Trinkgelder meist auch. Dennoch sind Kilian und ich auch noch danach oft dort gewesen. Der Erinnerungen wegen. Nie wieder werde ich auch nur einen Fuß in dieses Café hineinsetzten! Nie wieder!
 

Ich fahre aus der Stadt hinaus und gebe ordentlich Gas, als die Landstraße vor mir frei ist, bremse ich dann allerdings wieder scharf ab. Ich brauche frische Luft! Dringend! Zum Glück gibt es einen kleinen Parkplatz auf dem Weg von der Stadt bis zu dem kleinen Vorort, in dem meine Eltern wohnen.

Auf dem halte ich jetzt, kurble das Fenster runter und stelle den Motor aus. "Du Arsch", schluchze ich und lehne mich mit der Stirn gegen das Lenkrad. Die Tränen kommen und schon heule ich wie ein Schlosshund, lasse meiner Wut und meiner Trauer um unsere zerbrochenen Beziehung freien lauf, das erste Mal, seit wir uns getrennt haben.

Erst jetzt sickert es langsam in mein Bewusstsein. Es ist wirklich Schluss! Kilian hat einen Neuen. Keine Chance mehr für eine Aussprache oder einen Neubeginn, wie ich insgeheim immer gehofft habe. Aber was das Schlimmste ist: Sein Leben geht weiter, während ich immer noch auf der Stelle herumtrample. "Hoffentlich wird er unglücklich mit seinem Neuen und sieht, was er an mir hatte!" Ich atme tief durch. Die Vorstellung, Kilian in einigen Wochen heulend und bettelnd vor meiner Tür vorzufinden, bereitet mir hässliche Schadenfreude. Aber ich kenne Kilian. Eher hackt er sich ein Bein ab, als seine Fehler einzugestehen. Dazu ist er zu stolz.
 

Ich lehne mich in meinem Sitz nach hinten und krame mir ein Taschentuch hervor, wische mir die Tränen weg und schniefe laut hinein. Mein Blick fällt dabei auf die Kiste. Unmotiviert krame ich darin herum. Das Shirt fand ich schon immer hässlich. Das hätte er auch behalten oder wegschmeißen können. Die CDs habe ich auch nicht wirklich vermisst. Alles Fehlkäufe von irgendwelchen One-Hit-Wondern. Keinen Schimmer, weshalb ich die überhaupt mal gekauft habe. Eine halbleere Dose Deo, eine angebrochene Schachtel Rasierklingen. Warum hat er das alles nicht einfach weggeschmissen? So, wie er es mit unserer Beziehung gemacht hat? Das einzig Wertvolle im Karton ist die Queen-LP. Meine erste Schallplatte, die ich mir von meinem eigenen Taschengeld gekauft hatte.

Ich muss grinsen, als ich daran denke, wie ich sie bekommen habe. Selbst zu meiner Jugendzeit waren LPs schon veraltet. Aber ich wollte sie. LPs klingen besser. Ich lebe zwar fast nur in der digitalen Welt, doch mp3-Dateien hasse ich wie die Pest. Sie reichen gerade mal dazu, um mir die Zeit beim Joggen zu versüßen. Doch will man richtig Musik hören, dann nur auf einem Plattenspieler.

Ich durchsuche den Karton weiter und finde etwas, dass Kilian besser hätte verbrennen sollen. Meine Liebesbriefe an ihn! Warum tut er mir das an?! Mit zittrigen Händen und einem Kopf voll Watte falte ich einen von ihnen auf. Die Schrift verschwimmt vor meinen Augen, noch ehe ich richtig nachlesen kann, welcher Brief es ist. Natürlich kenne ich sie alle! Auch die bunten Post-It Zettelchen, die ich ihm öfter geschrieben habe. Ich habe sie ihm nachts immer an den Badezimmersiegel gehängt, damit er sie lesen konnte, wenn er früh morgens wach wurde, und ich noch im Koma lag, da ich wieder die halbe Nacht vorm Laptop gesessen habe. Auf diese Weise konnte ich ihm einen liebevollen Morgengruß zuteil kommen lassen, ehe er auf die Arbeit verschwand. "Er hat sie alle aufgehoben", sage ich leise zu mir selbst. Er hat mich so sehr geliebt, dass er sie sogar aufgehoben hat. "Aber warum liebt er mich jetzt nicht mehr." Ich bekomme kaum noch Luft. Ich muss hier raus!
 

Ich greife mir die Briefe, steige aus und renne zum nächstgelegenen Mülleimer. Salzige Tränen tropfen auf meine Hände, während ich die bunten Liebesbriefe und Post-It's zu bunten Papierschnipseln zerreiße. Danach wische ich mir über die Augen und setzte mich auf die schmale Holzbank, die hier am Rande des Parkplatzes steht. Am liebsten würde ich die Briefe noch abfackeln, doch das gefällt der Müllabfuhr sicher weniger. Hinterher steht der gesammte Parkplatz in Flammen.

Ich starre vor mich hin, knibble an meinen Fingern herum und versuche meine Gedanken zu ordnen. Immer wieder schallt es durch meinen Kopf: Ich bin nun wirklich alleine.

Was fange ich jetzt mit meinem Leben an? Soll ich mich gleich wieder in die nächste Beziehung stürzen? Auf die Suche nach jemanden gehen, der mit mir sein Leben teilen möchte? Keine gute Idee, auch wenn sie sich verlockend und tröstend anhört. Wahrscheinlich muss ich mich erst wieder an das Singledasein gewöhnen. Aller Anfang ist schwer, aber vielleicht sollte ich es als Chance sehen, jetzt, wo ein endgültiger Schlussstrich gezogen wurde.

Aber wie dem auch sei, zuerst einmal brauche ich jedoch einen Job, der es mir ermöglicht, endlich eine eigene Wohnung zu finden. Eine WG würde ich nur als Notfalllösung in Erwägung ziehen. Unsere alte Wohnung wäre zwar jetzt wieder frei, doch erstens kann ich da unmöglich noch einmal drinnen wohnen und zweitens kann ich sie mir auch nicht leisten. Kilian hat den größten Teil der Miete bezahlt. Eigentlich hatte er jedes Recht mich rauszuschmeißen. Im Grunde war es seine Wohnung. Schon wieder Kilian! Kilian ist abgehakt! Ein fehlerhafter und funktionsuntüchtiger Quellcode, den ich getrost löschen kann!

Ich versuche mich wieder zusammenzureißen. Es ist vorbei, und ich sollte meine Energie auf andere Dinge konzentrieren, und nicht darauf, weiter über Kilian nachzudenken. Ich muss nach vorne sehen und es ist sowieso am allerwichtigsten, jemanden zu finden, der meine Programmiererfahrung benötigt! Und im besten Fall mich dafür bezahlt, dass ich an meinem Programm weiterarbeiten kann. Es muss mir einfach gelingen! Vielleicht gehe ich doch nach Amerika. Dort stehen die Chancen für mich höher. Jetzt hält mich ja nichts mehr hier. Ob ich Jerome mal eine E-Mail schreiben soll? Vielleicht gilt sein Angebot ja noch, in seiner Firma anzufangen. An ihn habe ich ja gar nicht mehr gedacht! Langsam steigt meine Laune wieder. Wenn mich in Deutschland keiner will, gehe ich eben nach Amerika! Wenn schon ein Neuanfang, dann ein richtiger. Jawohl!
 

Schon viel leichter ums Herz stehe ich auf, will mich schon in mein Auto setzten, um mich wieder mit neuem Elan an meine Bewerbungen zu setzen, als ein qualmender weißer Luxusschlitten auf mich zugerast kommt. Ich kann ihm noch gerade so ausweichen und rette mich auf die Motorhaube meines Autos, da rast die qualmende Karre schon an mir vorbei. Reifen quietschen, und es gibt ein ungesund klingendes rasselndes Geräusch unter der Motorhaube. Die Karre steht. Vom Fahrer ist nichts zu sehen. Du meine Güte!

"Hallo?!" Den ersten Schock über den beinahe zusammenstoßen überwunden, laufe ich besorgt auf das Auto zu und wedle mit den Händen den Qualm vor meinem Gesicht weg. "Hallo? Alles heile da drin?" Ich spähe durch das Seitenfenster. Ein junger Mann sitzt dort, flucht und schnallt sich ab. Ich trete ein paar Schritte zurück, damit er aussteigen kann. "Geht es Ihnen gut?", frage ich noch einmal nach.

"Sieht das so aus?!", fährt mich der Typ an, knallt die Wagentür zu und starrt auf sein Auto, das inzwischen aufgehört hat zu qualmen. Dafür tröpfelt grüne Flüssigkeit unter dem Wagen hervor.

Was blökt der mich so an?! Kann ich was für seine demolierte Karre?! Der soll froh sein, dass ich überhaupt nach ihm sehe. Ich könnte schon über alle Berge sein, oder überfahren unter seiner Karre liegen. "Entschuldigen Sie, dass ich gefragt habe!", grante ich zurück. "Wissen Sie eigentlich, dass Sie mich beinahe plattgemacht hätten, mit diesem qualmenden Schrotthaufen da? Ich konnte gerade noch weg springen."

Der Andere bläst laut Luft aus seinem Mund und greift sich in die Haare. "Tut mir leid. Ich wollte Sie nicht anbrüllen. Und überfahren auch nicht." Wie freundlich! "Ich bin froh, dass Ihnen nichts passiert ist."

"Gut", brumme ich, immer noch leicht eingeschnappt über diesen ungehobelten Typen. "Das habe ich nämlich auch nicht verdient." Besonders heute nicht. Ich habe schon genug auf die Fresse bekommen.

"Stimmt. Haben Sie nicht", erwidert der Fremde, hebt seinen Kopf an und schaut mich jetzt das erste Mal überhaupt richtig an. Jedenfalls denke ich das, denn durch die dunkle Sonnenbrille die er trägt, kann man das nicht genau erkennen. "Ich bin Meilo." Einladend hält er mir seine Hand hin.

"Niclas", stelle ich mich ihm vor und erwidere seinen kräftigen Händedruck. Trotz seines anfangs rüden Verhaltens, macht er nun einen ganz netten Eindruck. Das liegt sehr wahrscheinlich an dem nach Verzeihung heischenden Lächeln, mit dem er mich ansieht. Widerstand zwecklos. Ich komme nicht umhin, diesen Kerl näher zu betrachten.
 

Meilo ist etwas größer und kräftiger als ich, hat dunkelbraunes Haar, das an den Seiten kurz rasiert ist. Dafür hat er einen leichten Bartschatten und ein markantes Kinn. Sein Untergeschoss ist auch nicht von schlechten Eltern. Einzig seine Augen kann ich, wie gesagt, nicht erkennen, was ich irgendwie schade finde. Augen sagen so viel über einen Menschen aus.

"Oh. Tut mir leid. Wie unhöflich", sagt er plötzlich und nimmt sie ab, als habe er meine Gedanken gelesen, und verdammt! Hätte er sie nicht doch auflassen können?! Wie grün seine Augen sind! Leuchtend und voller Wärme. Sie verwirren mich total, und hauen mich für wenige Sekunden richtig aus den Latschen. Mir bleibt sprichwörtlich die Luft weg und ich muss mich zwingen, mich nicht in ihnen zu verlieren.

Sie haben einen dunkleren Rand um die Iris herum und mustern mich neugierig. Ich bekomme eine feine Gänsehaut, die jedoch schnell wieder verfliegt. "Ähm ... Macht nichts", stottere ich und senke den Blick, damit ich nicht weiterhin in seine Augen starre.

In mir kommt das unbestimmte Gefühl hoch, dass ich ihn von irgendwoher kenne. Sicher habe ich ihn schon mal in einem der Clubs gesehen. Ob ich mal was mit ihm hatte? Sicher nicht! An ihn würde ich mich erinnern. Sogar nach der langen Zeit, in der ich vergeben war.

Ich sammle mich wieder und schüttle die Verwirrung und das atemlose Staunen von mir ab. Erstaunlicher weise klappt das sogar recht gut und ich habe mich nach einmal räuspern wieder im Griff. "Brauchst du Hilfe?", frage ich Meilo und wage es, ihn wieder anzuschauen. Diesmal ist die Reaktion meines Körpers nicht so heftig, bis auf das kitzeln in meinem Nacken, das ich nicht ganz deuten kann. Wahrscheinlich ist nur ein Lufthauch daran schuld. "Mit dem Auto meine ich." Mit meinem Kopf deute ich in Richtung seines Wagens.

"Ich rufe schnell den Pannenservice an. Aber danke, dass du so besorgt um mich bist." Er grinst frech, was ihm unglaublich gut steht, und es sieht so aus, als würde er das ziemlich oft machen.

"Das wird nicht möglich sein. Das mit dem Telefonieren", sage ich. "Hier ist ein riesiges Funkloch."

"Was?" Er zieht sein Handy aus der Hosentasche. Die ist ja fast so eng wie meine ... "Ach Scheißdreck!"

"Ich kann dich abschleppen. Mach ich gerne. Hab auch eine große Stange einstecken." Mit großen Augen schaut mich Meilo an, ehe er anfängt herzhaft zu lachen. Ein einnehmendes, volltönendes Lachen. Es gefällt mir, auch wenn mir gerade erst der Grund seines Lachen bewusst wird. "Ich meine doch dein Auto!", gluckse ich nun selbst. "Ich habe eine Abschleppstange dabei."

"Den Spruch merke ich mir!", giggelt er. "Der ist gut!"

"Och Danke, aber es war doch nur ein Versehen." Gleich laufe ich rot an. "Ich habe nicht nachgedacht."

"Schon okay! Ist doch witzig. Kein Grund rot zu werden." Ach Mist wie peinlich! "Aber wenn du mich abschleppen würdest, wäre ich dir echt dankbar."

"Nur damit wir uns richtig verstehen: Du meinst deinen Wagen?", frage ich scherzhaft.

"Ausnahmsweise ja", schmunzelt Meilo. "Vorerst." Huh! Wird das hier etwa ein Flirt?

Ich lächle unbeholfen und deute auf mein Auto. "Dann fahre ich mal meinen Wagen vor."

"Vergiss deine große Stange nicht." Also wirklich! Er ist ja unmöglich! Meilo fängt langsam an mir zu gefallen. Ob ich das gut finden soll, kann ich noch nicht sagen.

"Ha ha!", mache ich deshalb nur und verziehe den Mund. Meilo grinst mich breit an, wobei seine Augen regelrechte Funken sprühen. Ich kann nicht anders, und grinse zurück.

Ja, ich glaube, ich mag ihn.
 

***
 

"Gegenüber von uns ist eine gute Werkstatt. Dort kann ich dich hinfahren."

"Super! Ich wüsste echt nicht, was ich ohne dich gemacht hätte."

"Ach was", winke ich ab und richte mich wieder auf, nachdem ich die Stange an beiden Autos befestigt habe. "Ist doch klar, dass man hilft."

"Das ist nicht immer so. Glaub mir." Er sieht traurig aus, aber ich frage nicht weiter nach.

"So! Auf geht's. Der Weg ist nicht lang. Vergiss aber nicht den Warnblinker anzuschalten."

"Aye aye Kapitän!" So ein Scherzbold.

Ich setzte mich ans Steuer meines Autos und warte, bis Meilo hinter mir auch soweit ist. Langsam rollen wir auf die Landstraße, die zum Glück noch immer wenig befahren ist.

Im gemächlichen Tempo rollen wir dahin, werden hin und wieder von verärgerten Autofahrern überholt, die gar nicht einsehen wollen, dass wir nicht schneller als fünfzig fahren dürfen, und kommen so nach einer halben Stunde bei meinem Nachbarn an. Ich steige aus und klopfe an die Tür seiner Werkstatt. "Ed? Ich habe Arbeit für dich", rufe ich in die kleine Werkstatt hinein.

"Dein Auto?", fragt mich Ed und kommt auf mich zu. In seinem ölverschmierten Blaumann steht er vor mir und wischt sich die Hände an einem schmutzigen Lappen ab. Wie immer sieht er zum Anbeißen aus, und auch wenn er nicht mein Typ ist, hat es schon was, einen ölverschmierten, schwitzenden Kerl vor sich zu haben.

"Nein. Meins", antwortet Meilo, der auf einmal hinter mir steht. "Er ist plötzlich in Rauch aufgegangen."

Ed pfeift anerkennend, als er den Luxusschlitten hinter uns im Hof stehen sieht. "Schieben wir ihn hier rüber. Dann schaue ich ihn mir mal an." Mit vereinten Kräften bringen wir den Wagen dorthin, wo Ed ihn haben will und warten ab, bis er ihn untersucht hat. "Deinen Kühler hat es erwischt", ist seine schnelle Diagnose.

"Scheiße!" Meilo lässt sich gegen die Wand sinken. "Gerd killt mich ... Kannst du das reparieren?" Gerd? Wer ist Gerd?

"Musst du noch weit fahren?", fragt Ed ihn.

"Ja. Ungefähr noch dreihundert Kilometer." Er wohnt also nicht hier? Warum enttäuscht mich das jetzt? Und warum wurmt es mich, dass Meilo nicht sagt, wer dieser Gerd ist?

"Dann brauchst du gleich einen neuen Kühler. Hier ist ein riesen Riss drin. Ich hätte den zwar flicken können, aber das wäre nur eine Notlösung gewesen. Und bei dem Schaden könnte ich auch nicht garantieren, dass er die komplette Fahrt über durchhält."

"Hast du einen da?", frage ich meinen Nachbarn, um mich von meiner irrationalen Neugier abzulenken.

"Nee. Muss ich bestellen. Ich telefoniere gleich mal rum, wenn's recht ist." Meilo nickt.

"So ein Mist. Was mache ich denn jetzt?"

"Musst du denn dringend weg?"

"Na ja. Eigentlich schon. Bis zum Wochenende eigentlich. Aber ich wäre gern früher da."

"Zu diesem Gerd?" Oh no! Warum frage ich das?

"Hm? Ach so Gerd." Meilo, der wieder seine Sonnenbrille auf der Nase hat, setzt sie sich nun auf den Kopf. "Ja, wir arbeiten zusammen." Gerd ist also ein Arbeitskollege. Ich hasse es, aber ich bin erleichtert. Scheiße! Was ist nur mit mir los?

"Dann bist du geschäftlich unterwegs." Meilo nickt. "Wenn Ed den Kühler morgen bekommt, schaffst du es noch", überlege ich. "Mit dem Teil ist man doch sicher schnell unterwegs."

"Wenn man nicht geblitzt wird oder von der Polizei aufgehalten wird", meint er lachend.

"Natürlich nur dann." Wieder grinsen wir uns an. Meilo wird mir immer sympathischer. "Du kannst bei mir schlafen", schlage ich vor, noch ehe ich mir den Vorschlag lange überlegt habe.

Meilo hebt eine Augenbraue. "Habt ihr kein Hotel hier?"

"Doch. Aber ..." Damit habe ich jetzt nicht gerechnet. "In der Stadt. Ich kann dich hinfahren ..."

"Dich kann man echt leicht auf die Schippe nehmen, was?" Was soll das jetzt wieder? "Falls das für dich klar geht, nehme ich dein Angebot gerne an."

"Schön." Veräppelt der mich auch noch! Püh! "Ich muss dich nur vorwarnen. Ich wohne zur Zeit wieder bei meinen Eltern." Wer träumt nicht davon, das einem heißen Kerl zu sagen, den er gerade abgeschleppt hat und sein Bett zum Schlafen anbietet. ... Habe ich gerade sein, also mein Bett gesagt? Ich meine natürlich ein Bett! Nicht meins!

"Es gibt Schlimmeres."

"Sei dir da mal nicht so sicher", lache ich. "Du kennst meine kleine Schwester noch nicht."

"Mit der komme ich schon klar." Na wenn er meint.

"Also!" Ed kommt wieder zu uns. "Morgen Nachmittag kann ich ihn dir einbauen. Früher leider nicht."

"Da wird mir ja gar nichts anders übrig bleiben, als bei dir zu übernachten", sagt Meilo und stößt sich von der Wand ab.

"Scheint so", antworte ich, und unterdrücke die Freude darüber. Einladend halte ich ihm meinen Arm hin. "Darf ich Sie zu ihrem Nachtquartier geleiten, der Herr?"
 

******
 

* bei mir war es Michael Jackson. :-P
 

Und? Wie hat es euch bis jetzt gefallen?

Wann ich das zweite Kapitel hochladen werde, weiß ich noch nicht. Meinen sonstigen zwei Tages Rhythmus werde ich wahrscheinlich nicht einhalten können. Eigentlich lade ich nur Storys hoch, die ich nochmal komplett durchgelesen habe, doch diesmal habe ich das nicht, was heißt, ich bin noch mitten drin. Wundert euch also nicht, wenns mal etwas länger dauert mit dem nächsten Kapitel.

Hm. Scheint bei mir dieses Jahr das Motto zu sein: Etwas länger dauern >_<
 

Noch eine kleine Notiz am Rande: Ich habe selbst so gut wie keine Ahnung mit Programmieren. Zwar haben wir mal in der Schule ein kleines Spiel selbst programmiert, aber daran erinnere ich mich auch kaum noch. Deswegen schneide ich Nics Arbeit immer nur kurz an und belasse es bei allgemeinen Erklärungen. ^^“

Love bite 02 - Punktlandung

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 02 - Punktlandung (Ohne Adult)

Love bite 02 - Punktlandung (Ohne Adult)
 

"Niclas! Und? Hat Kilian dich angefleht, dass du zu ihm zurückkommst?" Wo ist das nächste Loch zum drin verstecken?

"Ähm. Nein. Erzähle ich dir später. ... Mama? Das ist Meilo."

"Oh." Meine Mutter guckt ganz verdutzt, lächelt dann aber von einem bis zum anderen Ohr. Ich will gar nicht wissen, was sie jetzt wieder denkt.

"Meilo? Das ist meine Mutter Cora."

Meine Mutter lächelt noch breiter und streckt Meilo die Hand hin. "Hallo! Bist du ein Freund von Niclas?" Nun komme ich mir zehn Jahre jünger vor und mich in meine Jugendzeit zurückversetzt. War mir das Verhalten meiner Mutter damals auch so peinlich? Bestimmt!

"Meilos Auto ist kaputt, und ich habe ihn angeboten hier zu übernachten", erkläre ich ihr in groben Zügen, warum ich ihn mit hier her schleppe.

"Ach das passt ja!" Habe ich mich gerade verhört? Sie wird doch nicht ...? "Nicole schläft heute nämlich bei einer Freundin und ich habe viel zu viel zu Abend gekocht!" Und ich dachte schon, sie erzählt ihm jetzt brühwarm, dass ich wieder zu haben bin. Da hat sie nochmal Schwein gehabt, denn sonst hätte ich sie mit einem ihrer Kochtöpfe Mundtod gemacht. Na gut, hätte ich nicht, aber vorgestellt hätte ich es mir. "Setzt euch schon mal. Werner kommt sicher auch gleich." Schon so spät? Ich schaue auf die Küchenuhr. Halb sieben durch! Wo ist die Zeit nur hin?

Meilo dreht sich zu mir und haucht mir ein stummes WOW zu. Sicher meint er damit meine Mutter, die schon in der Küche herumwirbelt und einen vierten Teller anschleppt. "Wo kommst du den her, Meilo?", fragt sie ganz mama-typisch drauf los.

"Aus Berlin."

"Berlin?! Ach wie schön! Da war ich auch mal. Als kleines Mädchen. Wie schön es da war! Aber da stand die Mauer noch, und wir mussten durch Ostdeutschland. Das war total unheimlich." Ich hatte ganz vergessen, wie ausschweifend meine Mutter sein kann. "Und wo willst du hin?"

"Nach Stuttgart." Ein Gutes hat ihr Gerede, muss ich zugeben. So erfahre ich wenigstens etwas mehr über ihn. Nicht, dass ich es unbedingt wollen würde, aber ein kleines bisschen Neugierig bin ich trotzdem.

"Und was treibt dich dort hin?"

"Die Arbeit."

"Was arbeitest du denn?"

"N' Abend!" Mein Vater rettet Meilo vor der Fragenflut meiner neugierigen Mutter. Vorerst. ... Hoffe ich. "Oh. Ein Gast?"

"Ja! Das ist Meilo. Er kommt aus Berlin", klärt Mama ihn auf.

"Schön Sie kennenzulernen. Ich bin Werner." Papa, ganz der Herr im Haus, schüttelt Meilo die Hand.

"Immer noch Meilo", lacht meine neue Bekanntschaft. "Auch schön Sie kennenzulernen." Wie gut erzogen Meilo ist. Beeindruckend. Er ist bestimmt der Liebling aller Schwiegereltern. Meine Eltern fressen ihm jetzt schon aus der Hand.

"Wie war dein Tag?", möchte Mama von meinem alten Herrn wissen und verpasst ihm einen Kuss auf die Wange. Das macht sie immer. Auch nach all den gemeinsamen Jahren noch. Irgendwie niedlich. Vielleicht hätte ich das bei Kilian auch machen sollen ... Ich verpasse mir selbst einen Tritt. Nicht an dieses Arschloch denken!

"Recht angenehm", antwortet mein Vater ihr seufzend. "Wenn man drauf steht, sich einen Einlauf verpassen zu lassen." Und los geht's! Papa klagt seinen Bürostress und Mama bedauert ihn. Das perfekte Paar.

"Hör einfach nicht hin", rate ich Meilo. "Die zwei sind immer so."

"Macht doch nichts. Endlich mal wieder ein ganz normales Familienleben. Das hatte ich schon lange nicht mehr."

"Oh. Verstehst du dich nicht gut mit deinen Eltern?"

"Doch. Nur sehen wir uns nicht oft. Hab eben viel zu tun."

"Ach so." Ich trinke einen Schluck Wasser. Ich traue mich einfach nicht ihn weiter auszufragen. Ich kann das nicht wie meine Mutter. Bei mir wirkt das immer aufdringlich. Bei ihr eher erheiternd neugierig, auf eine erschreckende Art und Weise.

"Und du? Warum wohnst du wieder hier?"

"Das ist nur vorübergehend", winke ich ab. "Bis ich was Neues finde."

"Wo warst du den vorher?", fragt er und schaut mich so merkwürdig an. Ist das richtiges Interesse oder möchte er bloß höflich sein?

"Mein Freund hat mich rausgeschmissen", purzelt es auf einmal aus mir raus, obwohl ich es eigentlich gar nicht will.

"Tut mir leid. Ich wollte dich nicht daran erinnern."

"Schon gut. Ich denke sowieso die ganze Zeit an ihn." Zugegeben. Seit Meilo mich quasi über den Haufen gefahren hat, tauchte Kilian kaum mehr in meinen Gehirnwindungen auf.

"Daher auch die Kiste vorhin." Die ist ihm aufgefallen?

"Ja."

"So was Ähnliches habe ich mir schon gedacht."

"Bist ja ein guter Beobachter", schmunzle ich.

"Hin und wieder ..." Das Abendessen findet seinen Weg auf den Küchentisch. "Und weshalb hat er dich rausgeschmissen. Nur, wenn ich fragen darf."

"Darfst du", seufze ich. Warum auch nicht? Jetzt, wo die Katze schon aus dem Sack ist. "Es hat ihn angepisst, dass ich so viel gearbeitet habe."

"Gearbeitet? An diesem Programm?", fragt mich jetzt meine Mutter, und sieht mich ganz erschrocken an. Dieses Detail habe ich ihr noch nicht verraten.

"Ja."

"Ach Niclas!"

"Mama, bitte! Darüber diskutiere ich jetzt nicht mit dir." Das kann ich jetzt nicht gebrauchen. Einen ihrer klugen Sprüche.

"Was denn für ein Programm?"

"Ein Programm zur schnelleren Datenverarbeitung und zur Errechnung von Vorhersagestatistiken. Ein verbessertes Programm dafür sozusagen, um genau zu sein. Man bekommt nicht mehr so große Abweichungen, wie mit den herkömmlichen Programmen und ... Bin schon ruhig." Ich lächle leicht verschämt. "Es hört sich schnarch-langweilig an, wenn man davon erzählt, aber es steckt viel Arbeit dahinter, bis so ein Programm mal richtig läuft. Aber es ist eben nicht jeder scharf drauf, davon zu hören." Man wird sofort als Nerd abgestempelt. Als Anmache taugt dieses Thema auf jeden Fall nicht. Wie gut, dass ich Meilo nicht anmachen möchte.

"Nicht jede Arbeit muss anderen gefallen. Hauptsache, dir macht es Spaß."

"Tut es. Und es ist mir wirklich wichtig", sage ich leise und fülle meinen Teller. Das Programm ist meine Entdeckung, sozusagen. Ich bin zufällig darauf gestoßen, wollte testen, wie weit ich gehen kann. Und nachdem ich in einem Forum von einem Problem gelesen habe, das ein anderer Programmierer hatte, wollte ich testen, ob ich das nicht lösen könnte. Konnte ich, wie ich verblüfft festgestellt hatte. Und mit meiner Methode war es sogar relativ einfach. Ich war so begeistert davon gewesen, dass ich vielleicht wirklich damit etwas übertrieben habe. Aber dass mich Kilian deshalb gleich absägt? Nein! Das hätte ich nicht für möglich gehalten.
 

Das restliche Abendessen verläuft ziemlich ruhig. Jedenfalls für die Verhältnisse meiner Familie. Liegt es vielleicht daran, weil Nicole nicht da ist? Auffällig ist es schon.

Nach dem Essen haben wir vier uns noch eine Weile nett miteinander unterhalten. So habe ich auch noch das ein und andere Detail über Meilo erfahren. Nichts wirklich Aufregendes, aber immerhin.

Danach haben wir noch schnell mitgeholfen, den Tisch abzuräumen, und nun führe ich Meilo in mein ehemaliges Jugendzimmer, Schrägstrich, mein heutiges Notlösungszimmer. "Ich habe eine Luftmatratze, auf der es sich bequem schlafen lässt. Mama holt sie sicher schon." Zwar haben wir unten im Haus noch ein Gästezimmer, aber das wird so wenig benutzt, dass es zu einem leicht muffigen Raum verkommen ist. Daher lasse ich ihn lieber bei mir pennen.

Ein leises Lachen ertönt und Meilo grinst mich hinreißend an. "Deine Mama bringt die Luftmatratze, damit dein neuer Freund bei dir übernachten kann", witzelt er und lehnt sich an meinen Schreibtisch. "Das weckt Erinnerungen."

"Stimmt", lache ich. "Wie wäre es? Wollen wir eine Pyjamaparty feiern?" Frech grinse ich ihn an.

"Gern. Aber du musst mir einen leihen. Ich schlafe normal nur in Unterwäsche ... Oder nackt."

"Auch nicht schlecht", schieße ich zurück, noch ehe ich es verhindern kann. "Sorry. Das kam jetzt etwas blöd." Ich Trottel!

"Macht nichts. Ich fände eine Unterwäscheparty auch nicht schlecht." Meilos Augen funkeln amüsiert. Macht er mich gerade an? Gegen einen Flirt hätte ich ja wirklich nichts, gerade wegen meiner Trennung. Es putzt das Selbstwertgefühl ungemein, von jemanden seines Kalibers angeflirtet zu werden. Doch sicher nicht, wenn derjenige, der mich so schamlos anflirtet, die Nacht bei einem verbringt. Ich weiß nämlich nicht, ob ich schon so weit gehen möchte, um mit den eventuellen Konsequenzen dieses noch so unschuldigen Flirtes leben zu können, denn vielleicht habt ihr es schon bemerkt. Meilo gefällt mir nämlich, zugegebenermaßen, mehr als gut. Er ist nett, man kann sich ausgesprochen gut mit ihm unterhalten und er sieht wirklich zum Anbeißen aus. Besonders sein Hintern … Uh! Zusammenreißen Niclas! Solcherlei Gedanken kannst du jetzt noch nicht gebrauchen. Wir hatten doch abgemacht, dass du dich erstmal nur um dich kümmerst! Also bleib bei deinem Plan!

"Ich glaube, für eine Party bin ich nicht mehr fit genug. Welcher Art auch immer die Party sein mag", sage ich aus diesem Grund und hoffe, dass war jetzt deutlich genug. Um mich auf andere Gedanken zu bringen, gehe ich zu meinem Kleiderschrank, in dem meine Wechselbettwäsche verstaut ist.

"Liegt das an diesem Kilian?" Volltreffer! Ich halte mitten in der Bewegung inne. "Da lag ich anscheinend richtig."

"Voll und ganz", sage ich mich räuspernd.

"Ich wollte nicht irgendwelche Wunden aufreißen. Mein Mund ist meistens schneller als mein Gehirn. Das bringt mich immer wieder in peinliche Situationen."

Mit der Bettwäsche in der Hand drehe ich mich zu Meilo um. "Du hast keine Wunde aufgerissen. Dazu klafft sie noch viel zu weit und viel zu tief."

Er macht ein betroffenes Gesicht, das ich ihm sogar wirklich abkaufe, und kommt auf mich zu. Fast macht er den Eindruck, er wolle mich in seine Arme ziehen, doch er nimmt mir nur die Bettwäsche ab. "Wenn du reden willst. Ich bin noch bis morgen Nachmittag hier."

"Ach ne!", lache ich und boxe ihn leicht gegen die Schulter, um meine Unsicherheit zu verbergen. Autsch! Die ist aber hart! Der Kerl ist gut trainiert. Das wird mir auch gleich darauf bestätigt, denn er legt die Wäsche einfach auf meinen Schreibtisch, kramt in seinem Koffer herum, bis er Shorts und ein kitschig lilafarbenes Shirt herausholt und sich einfach das, das er gerade am Leib trägt, von sich schält. Mein Entschluss keusch zu bleiben gerät bei dem Anblick für eine winzig kleine Millisekunde leicht ins Schwanken. Einmal tief durchatmen, und das Schwanken ist zum Glück wieder weg.

"Macht es dir was aus, wenn ich vor dir duschen gehe?"

"Nein, nein", erwidere ich kopfschüttelnd. "Geh nur."

"Gut, dann springe ich mal schnell unter die Dusche", spricht's, zwinkert mir zu und verlässt mein kleines Zimmerchen. Dabei weht der Duft seines Aftershaves zu mir rüber.

Wimmernd beiße ich mir auf die Unterlippe und schließe die Augen. Wie gut, dass ich nach ihm duschen gehe, denn ich glaube, nach dem Tag heute, habe dringend eine Abkühlung nötig. Eine lange ausgiebige Abkühlung ...
 

***
 

"Was für ein Schwein! Nachdem er sich erst vor vier Wochen mit dieser mehr als miesen Begründung von dir getrennt hat, schon ein Neuer am Start? Das glaube ich ja nicht!" Meilo macht ein entsetzt-ungläubiges Gesicht. "Ohne dir vorher auch nur ein Wort mit dir geredet zu haben?" Ich nicke bloß, froh darüber, dass Meilo genauso über die Trennung denkt, wie ich.

Ich habe ihm dann doch alles erzählt, was zwischen Kilian und mir vorgefallen ist. Selbst von dem Vorfall heute im Café. Natürlich hatte er recht und es tut gut, mit jemanden darüber zu reden, der das alles mit viel mehr Abstand sieht und nicht so eingebunden in diese Geschichte ist, wie meine Familie oder meine Freunde. Den ganzen Scheiß der letzten Monate von der Seele zu reden, ist richtig befreiend gewesen. "Er hätte dir doch sicher nur sagen brauchen: Hey Schatz! Mach endlich mal den PC aus und komm zu mir ins Bett. Oder nicht?"

"Das habe ich mir auch schon tausendmal durch den Kopf gehen lassen. Ein Wort von ihm, dass er das Gefühl hat, ich vernachlässige ihn, und ich hätte mit ihm mehr Zeit verbracht. Ich dachte, er unterstützt mich bei meinem Projekt. Ich hatte nie das Gefühl, dass er deswegen sauer auf mich war, aber vielleicht hätte ich genauer hinsehen müssen." Die Frage habe ich mir oft gestellt in den letzten Wochen. Hätte ich es bemerken können? Bis jetzt bin ich noch zu keiner Antwort gekommen, und wahrscheinlich werde ich das auch gar nicht mehr. "Kilian wusste, wie viel mir das Programm bedeutet. Aber hätte ich jemals auch nur die leiseste Ahnung davon gehabt, dass das Projekt zwischen mir und ihm steht ... Ich hätte alles getan, damit sich das ändert." Meilo nickt, als wüsste er, wie das ist. "Was ist eigentlich mit dir?", frage ich ihn, um das Thema zu wechseln. Genug über meine vergeigte Beziehung. "Reist du immer so viel durch die Gegend?" Ich liege in meinem Bett auf der Seite, den Kopf mit der Hand abgestützt, damit ich Meilo ansehen kann, der auf der Luftmatratze vor meinem Bett herumlümmelt, und mich ebenfalls ansieht.

Er liegt auf den Bauch, hat das Kinn auf seine Arme gelegt und hört mir aufmerksam zu. Jetzt aber scheint er eher nachzudenken und überlegt, was er auf meine Frage antworten soll. "Ich reise eigentlich schon seit zwei Jahren ununterbrochen durch das Land. Bin mal hier, mal da."

"Das ist sicher nicht leicht", sage ich leise und kann es mir gar nicht richtig vorstellen, ständig wo anders zu sein. "Vermisst du nicht deine Freunde und deine Familie?"

"Total! Wir telefonieren viel und skypen. Was aber alles nicht das Selbe ist." Kann ich verstehen.

"Und wie sieht es aus mit einem Partner? Das muss doch noch viel schwieriger sein." Ich kann es mir einfach nicht verkneifen! Seit er halb nackt vor mir stand, drängt sich mir nur diese eine Frage auf: Hat er jemanden? Das er schwul ist, daran habe ich keine Sekunde gezweifelt.

"Wäre es mit Sicherheit, wenn ich einen Partner hätte." Die Freude darüber, dass er Single ist, hänge ich lieber nicht an die große Glocke. Zudem ärgert sie mich. Ich meine, hallo?! Ich bin frisch getrennt! Zwar ist das jetzt schon vier Wochen her, aber ich werde mich doch nicht gleich ins nächste Abenteuer stürzen. Obwohl gegen einen ONS nichts einzuwenden wäre. ... Eigentlich ... Natürlich nur, wenn es beidseitig ist. Verdammt! Was denke ich da bloß? "Was überlegst du schon wieder?"

"Hm?" Fragend hebe ich eine Augenbraue.

Meilo lächelt eine Spur breiter und hat so einen merkwürdigen Ausdruck in den Augen, den ich im Moment nicht zu deuten weiß. "Ich würde zu gern wissen, was in deinem Kopf vorgeht." Wie soll ich denn das jetzt verstehen?!

Ich schlucke meine steigernde Verwirrung hinunter und blinzle ihn gespielt überheblich an. "Das willst du sicher nicht. Da drin sind nur Codefolgen und Programmstrukturen."

"Och, ich glaube, da drinnen tut sich noch viel, viel mehr", feixt er und dreht sich auf den Rücken. "Mach doch das Licht aus. Wir können uns auch im Dunklen unterhalten." Seine Augen fallen zu. Meilo ist echt ein Hingucker! Ich könnte ihn ewig anschauen ...

"Wie du willst", seufze ich und lösche das Licht mit einem letzten genauen Blick auf ihn. "Der Gast ist schließlich König."

"Sag das nicht noch einmal. Sonst bestimme ich hier ganz andere Schlafstrukturen."

Ich lache auf. "Willst du etwa in mein Bett? Kannst du haben. Gegen einen Tausch hätte ich nichts."

"Wer redet denn vom Tauschen?" Bei dem Klang seiner Stimme jagt es mir heiß und kalt den Rücken hinunter, was in meinem Schoß nicht näher zu erwähnende Folgen hat.

Da das Licht schon aus ist, muss ich mich allein auf seine Stimme konzentrieren, um aus ihr alle nötigen Schlussfolgerungen ziehen zu können. Das war doch jetzt garantiert eine Anmache! ... Oder? "Hat es dir jetzt die Sprache verschlagen?" Belustigung in Meilos Stimme.

"In gewisser Weise ja." Soll ich einfach nachfragen? Ich traue mich nur nicht. Ich war damals, vor meiner Beziehung mit Kilian, beileibe kein Kind der Traurigkeit, aber wenn ich unsicher werde, oder mir nicht sicher bin, ob meine Annäherungsversuche Früchte tragen werden, muss der andere die Initiative ergreifen.

"Du bist jederzeit dazu eingeladen, mit mir dein Lager zu teilen. Wenn du magst", wispert er. "Ob Bett oder Liege, das wäre mir vollkommen egal." Ich schlucke ein paar mal nervös. DAS war eine Anmache, ganz sicher! Mehr noch. Eine Aufforderung! "Ich würde dir gern helfen, Kilian zu vergessen. Oder dir wenigstens zeigen, dass da draußen noch eine Menge andere hübsche Boys sind, die nur auf einen so heißen Kerl wie dich warten."

Mir schießt das Blut in untere Regionen, doch gleichzeitig muss ich anfangen zu lachen. "Boys?! Ich will aber keine Boys!" Ganz bestimmt nicht!

"Nicht? Auch keinen süßen Twink?" Ich höre, wie die Luftmatratze quietschende Geräusche von sich gibt. Ein Schatten taucht vor mir auf, und ich zucke leicht zusammen. Meilo stützt sich mit seinen Armen auf meiner Matratze ab und scheint mich anzuschauen. "Auch nicht für eine Nacht?", fragt er ergänzend.

"Keinen Boy. Keinen Twink. Auch nicht für eine Nacht", wispere ich und spüre, wie das verräterische Kribbeln und Ziehen in meinem Schoß einsetzt.

"Okay. Verstanden. War ja nur eine Frage." Der Schatten neben meinem Bett verschwindet und die Matratze quietscht erneut. Stopp mal!

"Ich finde nicht, dass du ein Boy oder Twink bist", setze ich schnell nach und richte mich halb auf. "Du bist ein richtiger Kerl." Ich beiße mir auf die Zunge. Den letzten Satz hätte ich mir echt schenken können! Wie peinlich!

Nun ist es Meilo, der lacht. Und zwar richtig. Das habe ich verdient. "Ein richtiger Kerl?! Das hat noch nie jemand zu mir gesagt!"

"Oh hör auf zu lachen!" Ich lasse mich wieder aufs Bett fallen und drehe mich auf den Rücken. Mein Gesicht vergrabe ich in den Händen. Zum Glück ist das Licht aus und er sieht nicht, wie meine Birne anfängt zu glühen. "Vergiss es einfach!", bitte ich ihn.

"Vergessen? Das hättest du wohl gerne!" Erneutes Luftmatratzen-Quietschen dann wackelt mein Bett. Was zum ...? "Das war ein Kompliment für mich."

"Wirklich?" Das verstehe ich nun nicht. "Wieso?"

"Weil ich meist nicht wie ein richtiger Kerl rüberkomme. Deshalb." Hä? Aber er ist doch einer.

"Aber du bist du einer! Ich muss das schließlich wissen", bestätige ich ihm nochmal, meine Hände noch immer über meinem Gesicht. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Meilo nicht wie ein ganzer Kerl herübergekommen soll. Mit welchen Blindfischen gibt er sich denn den ganzen Tag über ab?

"Kann sein, aber während meiner Arbeit fällt das niemanden auf." Nach dieser verwirrenden Aussage stehe ich komplett im Wald, denke aber nicht weiter darüber nach, denn ich merke, wie sich Meilo neben mich legt, eigentlich halb auch mich, da auf meinem alten Jugendbett nicht wirklich viel Platz ist. Kinderzimmer eben. Ich sage nur 2 Meter mal 90 Zentimeter.
 

Seine Finger streifen plötzlich über meine Hände, packen sie und ziehen sie sanft aber bestimmt von meinem Gesicht. Ich erkenne seine Umrisse über mir, sowie das wenige Licht von der Straßenlaterne draußen, das sich in seinen Augen widerspiegelt. "Meilo?" Mein Herz schlägt so heftig, dass meine Stimme richtig zittert.

"Schscht. Wenn mich nicht alles täuscht, brauchen wir beide gerade etwas Geborgenheit und Nähe. Wozu also noch lange herumreden?" Was sagt er da?

"Äh … Ich wei..."

"Schhhh", macht er erneut. Diesmal höre auf ihn und schweige, hauptsächlich deswegen, weil mir nichts einfällt, was ich zu ihm sagen könnte.

Der dunkle Umriss Meilos nähert sich mir langsam. Mein Herz schlägt sofort aufgeregt schneller und in meinem Hirn herrscht heilloses Durcheinander. Ich fühle, wie mir Meilos warmer Atem über Hals und Gesicht haucht und meinen Nacken kribbeln lässt, bevor plötzlich seine Lippen behutsam testend über meine streifen, und dann vorsichtig den Druck erhöhen. Weich und warm spüre ich sie, wie sie sich langsam und prüfend gegen meine Lippen bewegen.

Nach der ersten Schrecksekunde fallen mir die Augen zu und ich lasse meine zuvor angehaltene Luft aus der Nase entweichen. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich sie angehalten habe. Auch all die Bedenken, die ich schon den ganzen Nachmittag über in mir trage, sind wie weggeblasen. Ich bin schließlich Single! Was spricht also gegen das hier? Eben. Nichts!
 

Als Meilo merkt, dass ich ihn nicht aufhalten möchte, und den Kuss erwidere, wird er mutiger und der Kuss gieriger. In meinem Bauch stellt sich ein aufgeregtes, heißes Kribbeln ein und seine vollen Lippen auf meinen fühlen sich so gut an, dass ich fast glaube, ewig nicht mehr geküsst worden zu sein, was auch stimmen mag. Jedenfalls nicht auf diese Weise. Nicht so intensiv und begehrlich, als wäre ich alles, was dieser Mann will. Wann haben Kilian und ich uns das letzte Mal so geküsst? Ich weiß es nicht mehr und ich mag mich jetzt auch keinesfalls daran erinnern.

Verlangend hebe ich mein Kinn an und öffne den Mund einen Spalt breit. Meilo nimmt diese stumme Einladung sofort an und schlüpft mit seiner Zunge in mein Reich, womit er mich zum Seufzen bringt, und legt sich nun ganz auf mich. Sein Gewicht drückt mich tief in die Matratze. Abermals löst sich ein leises Seufzen aus meiner Kehle. Seine schwerer Körper auf mir fühlt sich einfach nur fantastisch an!

Ich schlinge meine Arme um ihn. Die Lust in meinem Inneren schlägt immer höhere Flammen, die immer wieder in heißen Wellen über meinen gesamten Körper hinweg jagen und sich in meiner Körpermitte sammeln. Ich bin jetzt schon steinhart und reibe mich hemmungslos an Meilos Schritt, dessen Hose nicht weniger gut ausgefüllt ist.
 

Inzwischen sind unsere anfangs noch recht harmlosen Zungenspiele zu einem gierigen Saugen und zärtlichen Beißen geworden. Immer wieder hallen leise Laute der Lust und unser gelegentliches amüsiertes Kichern durch das kleine Zimmer, während ich die mir schon sehr bekannte Zunge zurück in ihr eigenes Reich schiebe und beginne, das dortige, mir noch fremde Revier, zu erkunden. Meilos Hände haben sich unterdessen auf den Weg unter mein Shirt gemacht, schieben es mir ungeduldig nach oben und verweilen an meinen schon harten Nippeln. Ich keuche auf, als er mit seinen Fingerkuppen über sie reibt, sie zwischen ihnen einklemmt und daran zupft.

Oh Mann! Ich hätte niemals geglaubt, dass ich mal so dabei abgehen würde! Eigentlich fand ich das ständige Herumgelutsche von Kilian dort mehr als gewöhnungsbedürftig und eigentlich bin ich auch gar nicht erregbar an diesen Dingern, die Mutternatur uns Männern aus welchen Gründen auch immer verpasst hat, doch jetzt ist das völlig anders. Meilos Finger müssen eine besondere Begabung haben. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ich mich stöhnend unter ihm winde und bei jedem Zwirbeln, Ziehen und Streicheln kleine bunte Kreise vor meinen geschlossenen Augen sehe. Mal ganz abgesehen von den fast schon schmerzhaften Ziehen und Pochen in meinem Schritt. Und als er sich an meinem Hals entlang nach unten küsst, mir mein Oberteil auf einmal wüst über den Kopf zieht, dabei lacht wie ein kleiner, frecher Junge, bin ich schon fast soweit, mir meine schöne Boxer einzusauen.

"Macht es dir was aus, wenn ich dir was für später schenke? Eine kleine Erinnerung an mich?" Oh Fuck! Ich zerfließe gleich! Wie kann man so süß und gleichzeitig so versaut sein? Denn anders kann ich das, was er mit seiner Hand bei mir weiter südlich anstellt, nicht beschreiben.

"Nein! Mach!" Er lacht dunkel und saugt sich an meinem Hals fest. Der Kerl will mir also einen Knutschfleck verpassen?! Wie kindisch! Er soll bloß nicht damit aufhören!
 

*
 

Ich weiß nicht, wie lange wir noch aufeinander liegen geblieben sind, nach dieser Punktlandung aller Punktlandungen, als er sich aus mir zurückgezogen hatte, aber ich genoss es in vollen Zügen. Es fühlte sich unbeschreiblich gut an, sein Bett wieder mit jemanden zu teilen, so eng mit jemanden verbunden zu sein.

Nach der Trennung war es ein furchtbares Gefühl, einsam und allein einschlafen zu müssen. Ich war es eben gewohnt, jemanden neben mir liegen zu haben, das leise Atmen neben mir, die Wärme eines vertrauten Körpers. Es bedeutet für mich ein Stück weit Geborgenheit und auch Sicherheit, etwas, auf das ich nicht mehr lange verzichten möchte, wie mir in dieser Nacht klar geworden ist. Doch bis es so weit ist, werde ich noch ein bisschen meine Freiheit genießen. Oh ja! Zwangloser Sex hat auch was für sich. Ganz eindeutig.

Zufrieden und befriedigt zog ich zu guter Letzt die Decke über uns, legte meine Wange gegen seine Stirn, schloss die Augen und genoss Meilos Nähe. Ich muss praktisch sofort eingeschlafen sein, denn als ich vorhin wach wurde, und vorsichtig meine Augen öffnete, war es draußen schon hell.
 

Jetzt liege ich noch immer dicht an Meilo geschmiegt in meinem engen Bettchen und traue mich gar nicht, einen weiteren Blick zu riskieren. Irgendwie bin ich nervös.

Ist er auch schon wach? Schaut er mich an? Wie wird die Stimmung zwischen uns sein, wenn wir uns das erste Mal nach unserer gemeinsamen Nacht ansehen?

Ich war vor meiner Beziehung mit Kilian nie wirklich der Typ für schnelle ONS, lernte meine Sexpartner wenigstens ein wenig kennen, bevor ich sie mit zu mir brachte. Doch wenn ich mal Bock auf eine schnelle Nummer hatte, vergnügte ich mich mit den Kerlen immer nur an Orten, an denen man nicht einschlief und über Nacht blieb. Kurzum: Ich habe gar keine große Erfahrung darin, wie man sich verhält, nachdem man mit einem fast Fremden in seinem früheren Jungendbett geschlafen hat.

Ein komisches Gefühl stellt sich bei mir ein. Am besten, ich mache es kurz und schmerzlos.

Tief atme ich ein und räkle mich, lasse aber meine Augenlider noch geschlossen. Ein leises Schmunzeln antwortet mir. Er ist also wach! Fast bin ich schon versucht, ihn anzuschauen, verwerfe die Idee aber wieder, da ein paar Finger über meine Stirn streicheln. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Ein schönes Gefühl, doch auch eins, dass ich nur zu gut kenne. Warum macht mein Herz das? Vielleicht sehnt es sich einfach nur nach dem bekannten Gefühl, geborgen zu sein und geliebt zu werden. Ich kann es ihm nicht verübeln. Ich sehne mich schließlich auch danach.

Weiche Lippen schmusen über meine Nase und dann über meinen Mund. Prompt schlägt mein Herz noch einen Ticken schneller.

Ich sollte etwas dagegen unternehmen! Dringend! Ich kann nur leider nicht. Ich erwidere sogar den Kuss, höre, wie mir ein leises Seufzen entschlüpft, und schiebe mich ihm entgegen.

"Schon so munter am frühen Morgen?", kommt es von einem verschlafen klingenden Meilo. Endlich bekomme ich meine Augen auf und starre in leuchtendes Grün, was im totalen Gegensatz zu dem Klang seiner Stimme steht. Es irritiert mich für einen Moment, so wie gestern auf dem Parkplatz. Doch, genau wie gestern, hält es nicht lange an.

"Das Selbe könnte ich dich fragen", erwidere ich. Schließlich war er es, der vor mir munter drauf los geküsst hat.

"Stimmt wohl." Seine Hand krault durch meine Haare. Das ist schön. Viel zu schön, für meinen Geschmack. "Darf ich wieder zuerst duschen?"

Meilos Frage braucht einige Sekunden, bis sie in meinem Hirn angekommen ist. "Klar. Mach nur."

"Fein!" Er rutscht aus meinen Armen. Höchst perplex schaue ich ihm nach. Sehe dabei zu, wie er aus meinem Bett steigt, sich frische Kleidung aus der Tasche zieht, mir noch mal zuzwinkert und anschließend aus meinem Zimmer verschwindet. Dabei bemerke ich zum ersten Mal bewusst, dass Meilo ein Tattoo hat. Auf der linken Seite seines Oberkörpers. Es zieht sich von seinem Schulterblatt hinab die Seite entlang, und schwingt sich bis vor zu seinem Beckenknochen. Irgendwelche verschnörkelten Linien und Buchstaben. Was genau dort steht, konnte ich in der kurzen Zeit so schnell nicht entziffern. Eigentlich auch egal. Was mich im Moment viel mehr beschäftigt ist, dass ich richtig enttäuscht bin, dass er so schnell abgedampft ist und augenscheinlich allein duschen will, nachdem er mich so dezent wach geküsst hat.
 

Aber ist das nicht gut? Mit ihm zusammen unter dem warmen Wasser zu stehen, würde wahrscheinlich nur noch mehr Vertrautheit unter uns entstehen lassen, ebenso weiteres Geknutsche im Bett. Außerdem duscht man nicht mir einem ONS, oder? Also klappe da unten! Es wird weder gekribbelt noch gezogen! Meine arme Libido ist ja total aus den Fugen geraten! Kaum berührt mich ein Kerl, drehe ich durch! "Das war nur Sex. Einfach nur geiler, schneller Sex", bete ich mir leise vor. Und es klappt! Das Kribbeln und Ziehen stellt sich ein und mein Schwanz tut das, was ein Schwanz zu tun hat, wenn man ihn gerade nicht braucht.

Ich stehe auf, grapsche mir Unterwäsche und was zum Anziehen, und warte, bis Meilo fertig geduscht hat. Dabei wandert mein Blick zu dem Spiegel, der in der Innentür meines Schranks eingelassen ist. Meilo hatte recht. So arg bin ich gar nicht aus dem Leim gegangen. Der leichte Bauchansatz lässt sich schnell wieder in gewohnte Formen bringen. Lächelnd bleiben meine Augen am Hals hängen. Fünf rote Flecken verteilen sich dort und auf meinen Schultern. "Der hat mir wirklich einige Erinnerungen hinterlassen." Ich schüttle den Kopf, fühle mich aber gut dabei. Das gute Gefühl wird stärker. Wenn mich so ein heißer Kerl wie Meilo will, dann werde ich auch wieder jemanden finden, mit dem ich glücklich werden kann. Irgendwann, wenn ich wieder bereit dazu bin. Kilian ist jedenfalls Geschichte! Ich suche mir zuerst einen neuen Job. Einen, in dem ich endlich weiter an meinem Programm arbeiten und forschen kann. Dann habe ich in meiner Freizeit genug Zeit für die Liebe. Jawohl! Ab jetzt nehme ich mein Leben wieder selbst in die Hand. Ich bin Single und mir stehen alle Türen offen. "Danke Meilo." Laut knalle ich die Schranktür zu.

Kann das Leben nicht schön sein?
 

***
 

Der Vormittag verging viel zu schnell. Ich hätte mich noch gern weiter mit Meilo unterhalten, seine heilsame Nähe genossen. Doch leider bekam er gerade einen Anruf von meinem Nachbarn Ed. Seine Karre ist fertig. "Dann werde ich mal meine Sachen holen", verkündet Meilo mit leiser Stimme, steht auf und geht in mein Zimmer, um seine Tasche zu holen.

"Schau nicht so betrübt." Meine Mutter lächelt schmal und sieht mich aufmunternd an. "Frag ihn doch nach seiner Nummer, wenn du ihn jetzt schon so sehr vermisst."

"Ich weiß nicht was du meinst." Verärgert darüber, dass sie mal wieder so genau über meine Gedanken Bescheid weiß, stehe ich auf. "Ich geb's ja zu. Meilo ist nett und wir haben uns miteinander angefreundet, aber das ist rein platonisch."

"Wenn du meinst."

"Ja! Meine ich!" Ich lass meine Mutter in der Küche zurück und gehe in den Flur. Gerade jetzt kann ich ihre besserwisserischen Sprüche gar nicht ab. Ich habe noch genug Probleme mit meiner vorigen Beziehung. Da springe ich jetzt garantiert nicht dem nächsten Kerl in die Arme. Nicht so wie mein Ex.

Der Sex mit Meilo war gut. Sehr gut sogar. Aber das war's auch schon. Er hat mich daran erinnert, dass es noch eine Welt außerhalb einer Beziehung gibt und dafür bin ich ihm dankbar. Nicht mehr und nicht weniger.

"Ich hab alles. Kommst du noch mit runter?"

"Klar. Ich muss mich doch richtig von dir verabschieden." Ich lasse Meilo den Vortritt und warte, bis er aus der Wohnungstür getreten ist, nachdem sich meine Mutter von ihm verabschiedet hat. Jetzt, wo er vor mir die Treppe nach unten geht, und ich seinen breiten Rücken vor mir sehe, fällt mir ein, dass ich ihn ganz vergessen habe zu fragen, was dort auf seinem Rücken tätowiert ist. Am besten, ich frage auch erst gar nicht. Es bringt mir doch sowieso nichts wenn ich es weiß.
 

Wir überqueren die Straße. Ed wartet schon auf uns und steht winkend in seinem Hof. "Hey! Kannst gleich losfahren. Die Karre schnurrt wieder wie ein fetter, PS-reicher Kater."

"Danke! Ohne dich wäre ich aufgeschmissen gewesen." Meilo begutachtet kurz sein Auto und klopft dann meinem Nachbarn auf die Schulter. Danach dreht er sich zu mir. "Und ohne dich würde ich immer noch auf dem Parkplatz hocken und auf Handyempfang warten."

"Kein Ding", winke ich ab. "Ich schleppe gern fremde Männer ab, die am Straßenrand liegen geblieben sind."

"Habe ich mir fast gedacht." Er zwinkert mir zu und geht dann in Eds Werkstatt, um ihn für seine Arbeit zu bezahlen.

Ich hasse die aufsteigende Wehmut in mir. Und ich hasse die leise Stimme, die mir einzuflüstern versucht, ihn nicht einfach so gehen zu lassen. Aber noch mehr hasse ich den Satz meiner Mutter, ihn nach seiner Telefonnummer zu fragen, der sich ganz hinterlistig in mein Hirn gepflanzt hat, und bereits dicke, klebrige Wurzeln gezogen hat, aber das ist mir egal. Oder viel mehr, das hat mir egal zu sein, weil es besser für mich ist. Ich werde ihn ganz sicher nicht nach seiner Nummer fragen, weil es nämlich aus unserem kleinen Abenteuer etwas völlig anderes machen würde. Etwas, worauf ich gerade wirklich keine Lust habe. Mir langt mein Liebeskummer, den mir Kilian beschert hat. Da brauche ich nicht noch einen Kerl, der in der ganzen Welt herumturnt, und dadurch noch nicht mal seine Familie zu Gesicht bekommt. Das gäbe nur eine große Telefonrechnung und sehnsüchtiges Warten auf ein nächstes Treffen. Obwohl ... Im Moment habe ich ja keinen Job und bin nicht festgebunden. Ich könnte also ...
 

Ich trete mir innerlich gegen das Bein. Warum denke ich so einen Unsinn?! Meilo wird in wenigen Minuten Fahren! Für immer! Schluss mit solchen Überlegungen. Ich konzentriere mich jetzt auf mein Programm, werde mich mal wieder nur um mich selbst kümmern und das tun, was für mich am besten ist! Ganz ohne Beziehung, Liebelei oder sonst einen Gefühlskram! Jawohl!

"Danke nochmal."

"Ich habe zu danken", lacht Ed, der zusammen mit Meilo aus seiner Werkstatt gelaufen kommt.

"Dann heißt es jetzt Abschied nehmen, was?" Ich lächle Meilo schmal an und kann nicht verbergen, dass ich trotz allem traurig werde. Wie kann man einen Menschen in dieser kurzen Zeit nur so lieb gewinnen?

"Ja, das heißt es wohl." Wir umarmen uns fest, und ich fange gerade an zu überlegen, warum wir uns so lange in den Armen halten, als Meilo mir noch was ins Ohr flüstert: "Machs gut. Und glaub mir. Jeder Liebeskummer geht mal vorbei. Spätestens dann, wenn du dich neu verliebst. Du bist echt ein guter Fang. Du wirst nicht lange allein bleiben." Der Satz schnürt mir den Hals zu. Fuck! Ich werde doch jetzt nicht heulen?!

Seine Hand legt sich auf meine Wange und schiebt mich ein Stück von ihm weg, doch seine Stirn berührt kurz daraufhin meine. Mein Hals will sich einfach nicht entschnüren. "Machs gut", flüstert er ein weiteres Mal, und dann liegt sein Mund schon auf meinen. Nur ganz kurz, eine flüchtige Berührung, aber es reicht, um mein Herz schneller schlagen zu lassen.

"Danke Meilo", purzelt es über meine Lippen, noch ehe ich es aufhalten kann. Er schmunzelt aber bloß, lässt mich wieder los, stupst mir mit dem Zeigefinger auf die Nase, steigt in sein Auto, startet den Motor, legt den Rückwärtsgang ein, winkt und fährt ohne weitere Worte davon.

Weg ist er. Und ich stehe noch immer auf dem Hof der kleinen Werkstatt meines Nachbars, glotze in die Richtung, in die Meilo eben verschwunden ist, und habe ein Hirn, so leergefegt wie ein Spielzeugregal im Kaufhaus kurz vor Weihnachten, während mein Herz schlägt, als wäre ein Löwe hinter mir her und meine Lippen nach mehr schreien, was sie aber niemals bekommen werden.

Ed stellt sich neben mich und klopft mir auf die Schulter. "Die letzte Nacht war schön?", fragt er mich mit einem beiläufigen Tonfall, was mich wundert, denn normal ist Ed nicht so direkt.

"Sehr schön." Weshalb sollte ich lügen?

"Freut mich für dich. Ehrlich." Noch einmal bekomme ich einen Schlag auf die Schulter, dann lässt mich Ed wieder stehen. Redselig wie eh und je der Gute. Ed beschränkt sich immer nur aufs Nötige. Sehr sympathischer Charakterzug, finde ich.
 

"Niclas? Niclas!" Ich verdrehe die Augen. Die hat mir gerade noch gefehlt! Meine Schwester kommt auf mich zugerannt. "Wer war denn das?!", fragt sie mich, total aus der Puste, und stellt sich neben mich.

"Ein Freund."

"Ein Freund? Den kannte ich ja gar nicht."

"Du kennst eben nicht alle meine Freunde."

"Küsst du alle deine Freunde so?"

"Was geht es dich an?", knurre ich. Warum musste sie ausgerechnet jetzt nach Hause kommen? Allerdings lieber so, als wenn sie schon eher hier aufgeschlagen wäre. Kaum auszudenken, wenn sie Meilo belagert hätte. Ihren Blicken nach zu Urteilen, finde nicht nur ich ihn scharf, und das bestätigt sie mir auch prompt.

"Der sah gut aus. Nicht so gut wie Keith, aber ..."

Ich grunze empört auf. "Meilo sieht tausend Mal besser aus als dieser Transensänger!"

"Glaube ich nicht", sagt Nicole ungewohnt ruhig. "Niemand ist heißer als er."

"Ich kenne genug heiße Typen, die besser aussehen als dein Sänger", blaffe ich sie an. "Und stell dir vor, dazu müssen sie sich noch nicht mal schminken." Nicole zieht einen Schmollmund, was mich plötzlich zum Lachen bringt. Kurzerhand stupse ich ihr auf die Nase, so wie es Meilo vorhin bei mir gemacht hat. Selbst seinen Finger kann ich immer noch spüren ...

"Hey! Was sollte das jetzt?"

"Keine Ahnung! Echt nicht!" Laut lachend setzte ich mich in Bewegung. Nicole zeternd und weitere Fragen quasselnd hinter mir.

"Und wer war der Typ jetzt? Woher kennst du ihn? Hast du ein Foto? Warum war er hier, als ich nicht da war? Niclas! Du verheimlichst mir doch was!" Oh man! Kleine Schwestern nerven!
 

******

Love bite 03 - Mach mir doch kein Knutschfleck

Love bite 03 - Mach mir doch kein Knutschfleck
 

Fast eine Woche ist es her und noch immer sehe ich sie: Die dunklen Flecken, die meinen Hals zieren. Zwar sind sie schon heller geworden, und verblassen sicher bald ganz, aber sie wecken in mir immer noch die Erinnerung an die Nacht mit Meilo.

"Mission erfüllt", sage ich zu mir selbst und fahre mit den Fingerspitzen über die dunklen Male. "Damit geisterst du immer noch in meinem Kopf herum, Meilo." Dieses alberne Lied kommt mir in den Sinn. 'Mach mir doch kein Knutschfleck, denn der Fleck hat nur den einen Zweck, der Knutschfleck bleibt und du bist weg.' Oder so ähnlich.

Der Satz ist ja so wahr! Er ist weg, aber dank der dunklen Male auf meiner Haut ist Meilo immer noch allgegenwärtig. Sie halten die Erinnerung an unsere gemeinsame Nacht lebendig und jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, könnte ich schwören, dass ich sie spüre, diese Flecken auf meiner Haut. Spüre, wie sie pochen und kribbeln, und schon bin ich wieder mitten drin, in unserer gemeinsamen Nacht.

"Als ob er es genau darauf angelegt hat", überlege ich laut und fahre erneut mit dem Zeigefinger über einen der Flecken. Mein Herz schlägt augenblicklich schneller. Die Bilder in meinem Kopf werden immer präsenter, fast greifbar. Ich könnte schwören, dass ich den leichten Druck fühlen kann, den seine Lippen auf meinem Hals ausgeübt hatten … die Feuchtigkeit … die kühle Luft, die anschließend darüber gestrichen ist … die Gänsehaut, die sich dort danach gebildet hat ...

"Schluss jetzt damit!" Ich höre auf, in den Badezimmerspiegel, und somit auf die dunklen Stellen auf meinem Hals zu starren, und drehe den Wasserhahn auf. Etwas kaltes Wasser wird mich ablenken von Knutschflecken und leuchtend grünen Augen. Von wunderschönen, weichen Lippen und zarten Fingern, die über sensible Haut wandern. "Shit!" Ich knalle den Wasserhahn nach unten.

Ich muss auf andere Gedanken kommen! Und was wäre dafür besser geeignet, als mein kleines aber feines Programm? Darauf sollte ich mich konzentrieren und meine gesamte Energie richten, und nicht auf eine längst vergangene Nacht mit einem mir beinahe Unbekannten. Mit einem Unbekannten, der mir einfach nicht aus dem Kopf will. "Daran sind nur die Knutschflecken schuld!" Was auch sonst?
 

***
 

"Wenn ich hier den Wert eingebe und dann hier das Ergebnis kontroll... Oh nein! Nicht schon wieder!" Genervt lehne ich mich in meinem knarrenden Bürostuhl zurück. Kreischende Töne dröhnen zu mir ins Zimmer. Das bedeutet, Mama ist ausgeflogen und das Küken Nicole dreht wieder völlig am Rad. Am Lautstärke-Rad. "Na warte Püppi! Dir gebe ich jetzt mal Retour!", beschließe ich händereibend. Wie praktisch, dass ich gestern meine guten Boxen aufgestellt habe und meinen Plattenspieler schon perfekt austariert habe. "Jetzt bekommst du auch mal was Ordentliches auf die Ohren!"

Mit einem gehässigen Grinsen auf den Lippen schmeiße ich mein gutes Stück an, lege die wiedergefundene Queen-Platte drauf, und suche mir eins meiner Lieblingslieder raus. Nach einem kurzen Knistern schallt Hammer to Fall durch die Boxen und ich drehe voll auf. Woll'n doch mal sehen, wer jetzt wen nervt, denn meine Boxen blasen ihre mickrigen PC-Lautsprecher noch auf der niedrigsten Lautstärke vom Schreibtisch. Es geht doch nichts über analog.

Es dauert wirklich nicht lange, da fliegt meine Tür auf und eine mehr als angepisste Nicole steht im Türrahmen. Lässig liege ich auf meinem Bett, wippe mit den Füßen im Takt mit und grinse noch eine Spur gehässiger. "MACH DIESE SCHEIßE AUS!" Ich schüttle mit dem Kopf. "ICH KANN DRÜBEN GAR NICHTS VERSTEHEN!" Ich sag es doch. Gegen meine Anlage kommen ihre Pups-Boxen nicht an. He he.

"Und ich kann nicht arbeiten, wenn dein Angebeteter schreit wie eine abgestochene Katze", sage ich ruhig, schließe die Augen und pfeife die Melodie mit.

"Ohhhhraaahhh!" Kampfgebrüll hört sich normal anders an, dennoch stürmt mein Schwesterlein kampfeslustig auf meine Anlage zu. Ich springe auf und kann sie gerade so noch aufhalten, bevor sie nach meiner kostbaren Platte zu grapschen kann.

"Wenn die einen Kratzer bekommt, hacke ich mich in deinen PC und formatiere dir die Festplatte!" Das wirkt. Sie hört auf sich gegen mich zu wehren, ist aber rot vor Wut.

"Du bist so ein Arsch!", brüllt sie und dampft davon.

Ich kaue mir auf der Unterlippe herum. War ich etwa zu gemein zu ihr? "Oh Mann!" Ich drehe die Musik leiser. Mama hatte recht. Ich verhalte mich im Moment wirklich wie ein kleiner Junge. Dann eben anders. Schließlich bin ich der Erwachsene hier, altersmäßig gesehen. Und wie heißt es so schön? Der Klügere gibt nach.
 

Ich laufe zu meinen Schreibtisch rüber und hebe den Karton, den ich immer noch ausgeräumt habe, hoch und suche nach meinen Kopfhörern. Ich finde sie auf Anhieb und ziehe sie aus dem Kabelwust, als dabei ein Zettel hervor flattert und vor mir auf den Boden segelt. Neugierig bücke ich mich danach.

Den habe ich ganz bestimmt nicht eingepackt! Zettelkram wandert bei mir gleich in den Mülleimer, es sei denn, es ist was Wichtiges, was in einen Aktenordner gehört. Und für den Rest: Für was gibt es Smartphones? Der perfekte Notizblock.

Ich drehe das kleine Stückchen Papier um und lese neugierig, was dort geschrieben steht. "Das kann nicht sein ...", flüstere ich, merke aber, wie sich meine Mundwinkel nach oben ziehen, obwohl ich das eigentlich gar nicht will. 'Wenn du mal wieder jemanden zum Reden brauchst. Meilo', steht da. Darunter seine Handynummer. "Ich habe seine Handynummer", flüstere ich noch recht ungläubig. Das macht mich plötzlich total kribbelig und aufgeregt. Und das ärgert mich gleichzeitig unheimlich.

Seit Tagen verdränge ich jeden Gedanken an ihn, weil ich mir einfach nicht eingestehen will, dass ich ihn auf eine merkwürdige Art vermisse. Das ich jetzt seine Nummer habe, beruhigt mich irgendwie. Genauso sehr, wie es mich beunruhigt.

Noch keine Ahnung, was ich mit der Telefonnummer anstellen soll, wandert sie erstmal in mein Handy. Sicher ist sicher. Und der Zettel? Mein Blick fällt auf die leere Pinnwand über meinem Schreibtisch. Wieso nicht? Dann ist die auch mal zu was nütze. Wie gesagt, Zettelkram wandert bei mir sonst immer in den Papierkorb. Doch bei diesem Zettel mache ich mal eine Ausnahme. Ihn einfach in den Müll zu schmeißen, dazu kann ich mich nicht überwinden.
 

Mit neuer Energie aufgeladen (das Meilos Zettel an meiner guten Laune schuld ist, will ich mir im Moment nicht eingestehen), schnappe ich mir meine Kopfhörer und laufe auf Nicoles Zimmer zu. "Nicole? Darf ich reinkommen?" Fest klopfe ich an ihre Tür.

"HAU AB, DU PENNER!" Nicht aufregen Niclas! Denk dran: Du bist der Klügere. Und der Ältere. Und natürlich derjenige, der mit reicher Schönheit gesegnet wurde. Hust.

"Ich will dir ein Friedensangebot machen", starte ich einen weiteren Versuch.

"NEIN!" Nein? Wie unhöflich.

Ich gebe trotzdem noch nicht auf. "Ach komm schon! Ich hab was für dich." Ruhe kehrt ein. Damit meine ich, dass sie die Musik auf normale Lautstärke herunter gedreht hat.

"Komm rein. Aber wehe, du verarschst mich!" Würde ich doch niemals tun! Hust. Ich sollte mal zum Arzt.

Ganz langsam öffne ich ihre Tür. Ich will ja nicht Gefahr laufen, mir einer ihrer Schuhe ab zu bekommen, den sie mir vor Wut gen Kopf schleudert. Doch dazu besteht zum Glück kein Anlass, denn sie sitzt mit verschränkten Armen vor ihrem PC und starrt mich grimmig an. Keine Schuhe in Wurfweite.

"Hier." Ich wedle mit den Kopfhörern und stelle mich vor sie. "Die schenke ich dir."

"Was will ich damit? Die sind potthässlich!" Ich knirsche mit den Zähnen. Ganz ruhig!

"Probiere sie wenigstens mal aus. Die waren damals nicht gerade billig und haben einen fetten Sound." Nicole verzieht angewidert den Mund. Bin ich etwa zu alt, um 'fetten Sound' zu sagen? Sieht so aus, und ehrlich gesagt, klang das auch für meine Ohren befremdlich und angsteinflößend. "Teste sie wenigstens mal aus." Ich halte ihr meine Kopfhörer unter die Nase, bis sie unwillig zugreift.

Sie stöpselt meine guten Kopfhörer in ihren PC, zieht dabei eine Miene wie sieben Tage Hagel und Gewitterblitze, und setzt sie sich auf. Volle Pulle aufgedreht bekomme sogar ich vom Passivmithören fast einen Hörsturz und verdrehe die Augen. Wenn sie jetzt taub wird, ist das bestimmt wieder meine Schuld. "Sind ganz okay", fällt schließlich ihr mürrisches Urteil aus, als sie sich die Kopfhörer wieder absetzt.

"Oh welch wundersame und seltene Begebenheit! Ein Lob des Teufels persönlich!" Wenn Blicke töten könnten ... Sagen tut sie nichts dazu. Wahrscheinlich fürchtet sie, ich könnte ihr sonst die Kopfhörer wieder abnehmen. "Viel Spaß damit", wünsche ich ihr, deute eine Verbeugung an, und drehe mich um, bleibe dann jedoch stehen und drehe mich nochmal zurück.

Nicole hat wieder ein Video von diesem geschminkten Heini laufen und für eine Sekunde dachte ich, den Typen zu kennen, der da wie ein eitler Pfau über die Bühne stolziert. Doch der Eindruck verschwindet wieder so schnell, wie er gekommen ist. Klar kenne ich ihn. Nicht so gut wie meine Schwester, aber dank ihr kenne ich seine Stimme gut genug. Ein Erlebnis, auf das ich gerne verzichtet hätte.

Kopfschüttelnd und ohne noch mal nach links oder rechts zu sehen, verlasse ich Nicoles Zimmer des Transen-Grauens und bin froh, als ich wieder vor meinem Bildschirm sitze. Diesmal ohne von lärmenden Popgedudel gestört zu werden. Dafür jedoch, lacht mich nun der kleine Zettel auf meinem Pinnwand frech an, auf dem Meilos Telefonnummer steht. Nebenbei fällt mir auf, was für eine schöne Handschrift er doch hat. Total bekloppt, oder? Aber noch bekloppter ist es, dass dadurch nun meine Konzentration völlig dahin zu sein scheint. Jedenfalls hocke ich vor meinem Laptop, endlich mit seliger Ruhe gesegnet, und bekomme keinen klaren Gedanken zusammen.

"Verdammt noch mal!" Verärgert klappe ich meinen Laptop zu. Irgendwas ist doch immer!
 

***
 

Seit zwei Tagen grüble ich schon vor meinem Handy sitzend herum. Soll ich ihm eine SMS schreiben? Ihm mitteilen, dass ich seine Notiz gefunden habe und ihm meine Nummer geben?

Das Kinn auf die Hand gestützt tippe ich im Gleichtakt auf meine Wange. Soll ich, oder soll ich nicht? Soll ich? … Soll ich nicht? … Soll ich? … Soll ich nicht? …

Himmel und eins! Ich benehme mich wie ein liebeskranker Teenager! Das gibt's doch nicht!

Sauer auf mich und meine Gefühlsschwankungen, die mich schon viel zu lange heimsuchen und von meiner Programmierarbeit abhalten, tippe ich eine SMS ein. *Hallo Meilo. Habe deinen Zettel gefunden. Vielen Dank, Niclas.* Zack und weg damit! Ich schaue zu, wie die SMS versendet wird und dann wird mir schlecht. Was habe ich denn da für einen Müll geschrieben?! Vielen Dank?! Ach komm schon Niclas! Das kannst du doch normal viel besser! Aber dazu ist es jetzt zu spät, fürchte ich. Die SMS ist raus und ... Mein Handy piepst. Er hat mir zurückgeschrieben! Das ging ja schnell.

*Ich habe zu danken. Für deine wirklich nette Gastfreundschaft ;) Schön, dass du dich bei mir gemeldet hast.* Ich lasse die Hand mit dem Handy sinken. Er hat zu danken, und schön, dass ich mich bei ihm gemeldet habe? Meint er das so, wie er es geschrieben hat, oder war das eine Anspielung auf mein Vielen Dank?

Mist! Eigentlich habe ich die SMS doch geschrieben, damit ich mit dem Grübeln aufhöre. Tja, Pech gehabt! Danke Meilo! Vielen Dank!

Ich lasse das Handy erst mal Handy sein, schnappe meine fertigen Bewerbungsunterlagen, die ich nachher noch auf die Post bringen will, und gehe in die Küche, um nachzuschauen, ob von Mamas leckerem Gulasch noch was übrig ist. Jackpot! Schnell einen Teller gefüllt und damit die Mikro gefüttert, lehne ich mich an den Küchenschrank und warte, bis mein Essen erhitzt ist. "Hast du schon wieder Hunger?"

"Du kennst mich doch Mama."

"Wie wahr!", lacht sie und legt ein Bündel frische Blumen auf den Küchentisch. "Wie geht es dir?"

"Mir? Gut. Warum fragst du?"

"Du bist seit Tagen so still und lungerst nur in deinem Zimmer herum. Irgendwas ist da doch im Busch."

"Nö", lüge ich.

"Lüge mich nicht an!" Mütter und ihre geheimen hellseherischen Kräfte! Haben sie die schon immer, oder bekommen sie die erst bei der Geburt ihrer Sprösslinge? "Geht es um Kilian? Denkst du noch immer an ihn?" Gute Frage. Eigentlich denke ich fast gar nicht mehr an ihn. Was ganz sicher an einem gewissen jemand liegt, der mir Kilian aus dem Kopf gevögelt hat.

"Nein", antworte ich ihr daher wahrheitsgemäß. "Kilian ist nicht schuld an meinem stillen Herumlungern, wie du meinst an mir bemerkt zu haben."

"Dann kann es ja nur wegen deinem gutaussehenden Besucher letztens sein. Hat er dir doch den Kopf verdreht?" Ich schlucke den Kommentar runter, der mir gerade auf der Zunge liegt und setzte mich mit meinem Teller voll Gulasch an den Küchentisch. "Ich liebe es, wenn ich recht habe", gluckst sie und setzt sich neben mich.

Ertappt rühre ich im Teller herum. Irgendwie ist mir der Appetit abhanden gekommen. "Es ist nur ... Ach ich weiß nicht! Wir haben uns nur gegenseitig etwas getröstet. Mehr war da nicht!" Eigentlich ist das auch schon wieder gelogen, dank der SMS.

"Und warum denkst du dann noch immer an ihn?" Meine Mutter legt ihre Hand auf meinen Unterarm und zwingt mich damit, das monotone Rühren sein zu lassen. "Wenn du damit weiter machst, wird meinem armen Gulasch noch schlecht."

"Dann wird es ihm eben schlecht", nuschle ich und lasse die Gabel fallen. "Ich habe keine Ahnung, wieso ich noch immer an ihn denken muss. Die Nacht mit ihm war zwar schön, aber vor ihm und Kilian gab es auch schon schöne Nächte mit heißen Jungs. Ich weiß es einfach nicht." Betrübt lasse ich den Kopf hängen, während ungewollt kurze Erinnerungsfetzen der Nacht mit Meilo aufblitzen. Insgeheim weiß ich, dass die Nacht mit ihm nicht nur schön gewesen ist. Doch dies einzugestehen, würde Dinge auslösen, die ich jetzt echt nicht gebrauchen kann.

"Ihr hattet also miteinander Sex?" Beim Wort Sex zucke ich zusammen.

"Mama!"

"Was denn? … Und? Hattet ihr?"

"Ja", gebe ich klein bei.

"Das ist doch gut. Kilian ist somit Geschichte. Oder?" Ist er das wirklich? Schon irgendwie, aber ich kann nicht behaupten, dass ich mich dadurch besser fühle.

"Keine Ahnung", antworte ich daher bloß. "Ich weiß nur, dass ich nichts weiß. Ach, es ist eh egal! Meilo ist weg und reist durch die ganze Weltgeschichte wegen seines Jobs. Ich werde ihn wohl nie wiedersehen." Die Erkenntnis trifft mich hart. Klar, das wusste ich auch schon vorher, doch es auszusprechen ist was ganz anderes, macht es so verdammt real.

"Hast du ihn nicht nach seiner Handynummer gefragt?"

"Nein."

"Das ist ja mal wieder typisch für dich!", blafft sie mich an und lehnt sich mit verschränkten Armen zurück.

"Fahr mich nicht so an! Er hat mir einen Zettel mit seiner Telefonnummer dagelassen. Hab ihn vor Kurzem entdeckt."

"Wenigstens einer der mitdenkt!" Sollte eine Mutter nicht zu ihrem Sohn halten? "Hast du ihn schon angerufen?"

"Nein."

"Warum nicht?!"

"Weil ..." Ja warum eigentlich nicht? "Ich habe ihm eine SMS geschrieben."

"Äsämäs!", spottet sie hämisch und spricht diese hübsche Abkürzung so aus, als hätte sie noch nie etwas davon gehört. "Ihr und euer Textgeschreibe! Das ist so unpersönlich! Ruf ihn an! Rede mit ihm. Höre seine Stimme. Ich wette mit dir, dass du dann klarer siehst und weißt was du willst."

"Und dann?", frage ich sie ein wenig angesäuert. Sie hat gut reden!

"Was und dann?"

"Mama! Meilo reist durch die ganze Weltgeschichte und lebt in Berlin. Wie soll das deiner Meinung nach gehen?" Mal ganz abgesehen davon, dass ich mich unmöglich gleich wieder in irgendeine Liebschaft stürzen möchte. … Eigentlich ...

Sie hebt eine Augenbraue und guckt mich an, als wäre ich wieder ein kleiner Junge, der seine Hausaufgaben nicht kapiert. "Du bist ohne Job, hast keine Wohnung."

"Schön, dass du mir jetzt auch noch das vorhältst!" Also wirklich! Ich fühle mich gleich viel besser.

"Das meine ich doch damit gar nicht! Das soll bedeuten, du könntest dir auch Arbeit in Berlin suchen, oder ..."

"Stopp mal!", würge ich sie ab. "Erstens: Nur weil ich eine schöne Nacht mit Meilo verbracht habe, ziehe ich nicht gleich zu ihm, oder in die Stadt in der er lebt. Und Zweitens: ..."

"Lass mich doch mal ausreden!", unterbricht sie nun mich. "Solange du keine Arbeit hast, kannst du ihn doch mal besuchen. Ihn besser kennenlernen."

Mir rutscht eine Augenbraue nach oben. "Ihn besser kennenlernen?!"

"Was spricht dagegen? Wenn er es auch will, und glaube mir, dass will er, sonst hätte er dir nicht seine Nummer dagelassen, dann ergreife deine Chance." So gerne ich was dagegen sagen würde, mir fällt nichts gegen ihre Argumentation ein. Vielleicht, weil ich es selbst gerne möchte. Die Vorstellung, ihn wiederzusehen, bringt mein Blut zum Kochen und ich könnte schwören, dass die fast verblassten Knutschflecken auf meiner Haut schon wieder zu kribbeln beginnen. Insgeheim habe ich ja schon das Gleiche gedacht.

'Ihn einfach besuchen ...' "Ich weiß nicht. Vielleicht war ich nur eine einmalige Sache für ihn, und er will mich einfach nur warm halten, falls er mal wieder in unsere Gegend kommt. Was weiß ich?" Kost, Logis und Sex gratis, oder sowas in der Art.

Meine Mutter lacht auf und drückt meine Hand. "Ach Niclas. Du denkst immer viel zu viel nach. Lass dir von mir gesagt sein: Das er dir seine Nummer dagelassen hat, ist ein Zeichen. Er will dich ganz sicher nicht bloß 'warm halten'. Er will mit dir in Kontakt bleiben."

Ungläubig schüttle ich leicht den Kopf. So ganz traue ich dem ganzen noch nicht, aber ich lasse es gut sein. Bei meiner Mutter ist sowieso jeder Widerstand zwecklos. "Du weißt auch auf alles eine Antwort, was?", sage ich stattdessen.

"Natürlich! Ich bin deine Mutter! Ich weiß was gut für dich und deine Schwester ist. Und jetzt iss, dass du ja nicht vom Fleisch fällst vor lauter Griesgrämerei!" Oh man! Mütter!
 

Wie befohlen habe ich dann auch brav meinen Teller geleert und bin nun zu Fuß auf dem Weg zum Postamt. Ich muss mich beeilen, denn es schließt in einer halben Stunde. Der Plausch mit meiner Mutter war nicht eingeplant gewesen.

Endlich dort angekommen, stöhne ich genervt auf. Wieso stellen alle immer kurz vor Feierabend fest, dass die Post gleich zumacht?! Das ich mir jetzt an die eigene Nase fassen müsste, verdränge ich geflissentlich, denn wie gesagt, ich hatte schließlich noch ein dringliches Gespräch mit meiner Mutter zu führen!

Genervt stelle ich mich ganz hinten an und warte darauf, dass ich endlich drankomme. Am Besten, ich kaufe noch gleich einen Schwung Briefmarken, damit ich die nächsten Bewerbungen einfach in den Briefkasten werfen kann. Dann bleibt mir das hier in Zukunft erspart.

Nachdem ich endlich dran gekommen bin, meine Briefe abgegeben, und die Briefmarken eingesteckt habe, verlasse ich schnell wieder das immer noch überquellende Postamt, und laufe langsam nach Hause. Da ich nichts besseres zu tun habe, lasse ich mir das Gespräch mit meiner Mutter nochmal durch den Kopf gehen, und überlege, ob ich Meilo wirklich anrufen soll.

Meint sie echt, das würde mir mehr Klarheit verschaffen? Und wenn ja, was mache ich dann? Ihm hinterher reisen, wie sie mir vorgeschlagen hat? Meine Schritte werden langsamer. Und was, wenn es was Ernstes wird und ich nicht mehr gehen kann? Wenn ich bei ihm bleiben möchte?

Ich klatsche mir mental gegen's Hirn. 'Jetzt mach mal halblang!', schimpfe ich mich selbst. 'Falls es überhaupt mal soweit kommen wird, dann kannst du immer noch darüber nachdenken!' Normal mache ich mir keine Gedanken über ungelegte Eier. 'Genauso wenig wie über eigentlich unbedeutende ONS', denke ich bitter. Meine Mutter hatte recht. Ich denke darüber viel zu viel nach. Ich sollte meine Freiheit einfach genießen. Zum ersten Mal seit Jahren bin ich wieder ungebunden. Ganz und gar frei. Kein Job, keine Beziehung. Ich könnte all das machen, was ich schon immer tun wollte. Demnach auch nach Berlin reisen, um mit Meilo ein paar heiße Nächte zu verbringen. Nur so als Beispiel.
 

Aber mal im Ernst: Was hat Meilo nur an sich, dass ich nicht mehr von ihm loskomme? Was hat er mit mir angestellt? Was war so besonders an dieser Na... "AHHHH!!!!" Mein Herz bleibt stehen und ich schrecke aus meiner nachdenklichen Trance auf.

Vor mir stehen drei Mädchen, ungefähr so alt wie meine Schwester, und kreischen sich die Seele aus dem Leib. Dabei recken sie ihre Hälse gen Himmel. Ich folge genervt ihrem Blick, nachdem ich meinen Herzschlag wieder auf Normalrhythmus gebracht habe, weil ich wissen will, was diese Gänse zum Schnattern und Quietschen bringt. Werden wir etwa von Außerirdischen angegriffen?

Ich blinzle wegen den Sonnenstrahlen einige Male und halte mir die Hand über die Augen, damit ich was erkennen kann. Kein Raumschiff einer außerterrestrischen Lebensform das über uns kreist, sonder eine schnöde Werbetafel türmt sich vor mir auf. Zwei Männer sind momentan dabei ein Plakat daran festzupappen und gerade, als das Ergebnis sichtbar wird, überläuft es mich heiß. Ein paar leuchtend grüne Augen starren verrucht auf mich nieder, die mich natürlich wieder an IHN erinnern. Die, mit Sicherheit nachbearbeiteten Augen, strahlen so grün, dass es schon fast unnatürlich wirkt. Sie sind mit schwarzem Eyeliner und dicker Wimperntusche umrandet, was den Effekt nur noch zu verstärken scheint.

Natürlich weiß ich sofort, wer das ist. Dazu muss ich noch nicht mal den Namen lesen, der darunter steht. Keith Kandyce. Nicoles Liebling prangt in Übergröße auf der Werbetafel.

Die drei Mädchen geraten richtig in Ekstase, machen Fotos und brabbeln darüber, wie sie sich das Werbeplakat am besten und unauffälligsten aneignen könnten, um sich anschließen darin einzuwickeln. Pubertierende Kleinkinder!

"Oh mein Gott! Er kommt hier her! Er gibt nächsten Monat ein Überraschungskonzert!", kreischt eines der Mädchen mit ausgestreckter Hand, wobei mir fast die Ohren wegfliegen. Wenn das Nicole spitz bekommt! Noch einmal schaue ich mir diese grünen Augen an, lasse mich dazu hinreißen, erneut an Meilo zu denken, und daran, wie mich seine Augen angesehen, und wie sich seine Küsse angefühlt haben. Wie es war, seine Hände auf mir zu spüren, und vor allem, wie es war, ihn in mir zu spüren, reiße mich dann aber schnell wieder von diesen Gedanken los und laufe nach Hause.

Mal sehen, wie lange es dauert, bis Nicole von Keith Kandyce Überraschungskonzert erfährt.
 

***
 

"MAMA! MAAAMA!"

"OH Gott!" Mama, Papa und ich springen gleichzeitig von der Couch auf und eilen hinaus in den Flur. Was ist denn passiert? Nicole schreit wie am Spieß und stürmt auf uns zu. Blutet sie? Hat sie sich irgendeinen Finger abgesäbelt? Ist ein Irrer ins Haus gestürmt, der sie kidnappen will?!

"Was ist denn?" Mama ist als erste bei ihr und ich überlege schon, wie nochmal die Nummer des Notrufs war. Die 110 oder die 112?

"ER KOMMT! MAMAAAA ER KOMMT!!!"

"Wer kommt?" Notrufnummern ade. Es sei denn, Nicole hyperventiliert gleich.

"Keith Kandyce", kläre ich meine anscheinend nicht mehr ganz so allwissende Mutter auf.

"Woher weißt du das?!", fragt mich mein Schwesterherz und glotzt mich mit ihren Kuhaugen an.

"Hinten am Sportplatz hängt ein riesiges Plakat von ihm."

"AAAAHHHH!!!" Oh Fuck! Jetzt bin ich taub!

"Gott Nicole! Deshalb so ein Aufriss? Weißt du eigentlich, was du uns eben für einen Schrecken eingejagt hast? Wir dachten, es sei sonst was passiert!"

"Mama, Mama! Darf ich da hin? Darf ich? Es ist quasi vor der Haustür!", quengelt meine Schwester ungeachtet meiner erschrockenen Mutter drauf los.

Nun schaltet sich mein Vater ein, und dessen Kommentar dazu kenne ich leider nur zu gut. "Du bist dafür noch zu jung! In deinem Alter gehst du noch auf kein Rockkonzert!" Der selbe Satz wie vor Jahren bei mir, als ich auf ein 'Rockkonzert' wollte. Nicht, dass ich auf ihn gehört hätte. Im Davonschleichen war ich einsame Spitze.

"Aber Papa!" Nicole fängt tatsächlich gleich an zu heulen.

Ich seufze. Auch wenn ich nicht auf Nicoles Seite bin, und ihren tuntigen Sänger nicht leiden kann, muss ich jetzt doch für sie Partei ergreifen. Von Fan-Schwester zu Fan-Schwester sozusagen. "Sie ist vierzehn Papa. Damals war ich auch schon überall unterwegs und habe mich auf Konzerten und in Clubs herumgetrieben."

"Was?!" Ups.

"Ich lebe noch", erwidere ich lapidar und kann mich an einige Episoden in meinem jugendlichen Leben erinnern, in denen ich heimlich aus dem Kellerfenster gestiegen bin. Meist ging es um Jungs oder Clubbesuche. Doch auch das ein oder andere Konzert war darunter, und wenn ich so drüber nachdenke, ich würde meine vierzehnjährige Tochter vielleicht auch nicht alleine dorthin lassen.

"Bitte Papa! Mama! Sag doch auch was dazu!" Nicole gibt nicht auf und übt kleines, kulleräugiges Mangamädchen.

"Ich weiß nicht. Du bist wirklich noch zu jung um alleine auf ein Konzert zu gehen."

"Aber meine Freundinnen gehen bestimmt auch hin!"

"Das ist mir egal!" Drohend hebt mein Vater DEN Finger. Den Zeigefinger, um es genauer zu erklären. Eben der Finger, der keinen Widerspruch duldet und uneingeschränkten Gehorsam verlangt. Wie oft hatte ich den schon bewundern dürfen in meiner Jugend? "Du gehst mir da nicht alleine hin. Verstanden?"

"Ach Mensch!" Nicole ist wieder den Tränen nahe.

"Niclas könnte dich doch begleiten." HÄ?!

Entgeistert kippt mir die Kinnlade runter und ich sowie Nicole schreien gleichzeitig meine Mutter ein "Niemals!" entgegen.

"Dann wird eben Zuhause geblieben, junge Dame!" Papas Wort ist Gesetz und somit unbestreitbar.

"Ihr seid so gemein! Ich hasse euch!" Wumms! Die Tür war zu. Dass das die Türangeln noch aushalten ...

"Ach herrje", bläst meine Mutter.

"War ich als Teen auch so furchtbar?", will ich wissen.

"Ja."

"Kann nicht sein!" Also ehrlich!

"Schatz? Du warst ein verdammt gutaussehender junger Mann, der jedem Knackarsch nachgewackelt ist, den er vor die Glotzerchen bekommen hat! Du warst teilweise sogar noch schlimmer!"

"Also ...! Das stimmt doch gar nicht!" Daran würde ich mich erinnern!

"Und ob das stimmt! Was war ich erleichtert, als ich beim Waschen deiner Lieblingsjeans zwei Kondome gefunden habe. Wenigstens hast du dich geschützt." Wo ist das Loch im Boden, in das man unauffällig verschwinden kann, wenn man es braucht?
 

Nach dem ganzen Trubel habe ich mich erst mal hinter meinen Laptop verkrochen. Arbeit ist immer gut, um auf andere Gedanken zu kommen, weshalb ich mich gerade besonders auf eben diese stürze. Ich will den wirren Bildern in meinem Kopf entkommen. Von grünäugigen Traummännern und geschminkten Transen, sowie meinen frühen Anfängen in Sachen Liebe unter Männern und der Vorstellung, wie meine Mutter die geklauten Kondome (sie zu kaufen, davor hatte ich damals viel zu viel Schiss und es war mir unglaublich peinlich) in meiner Lieblingsjeans gefunden hat. Es gibt schönere Dinge, an die man sich aus seiner Jugendzeit erinnern kann.

Zum Beispiel an Boris. Die kleine geile Sau. Er ist der Erste gewesen, der mir einen geblasen hat. Ich war damals gerade mal fünfzehn gewesen und so aufgeregt, dass ich sofort gekommen bin. Aber es war geil gewesen und die anschließende Revenge ebenso. Ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass sich ein fremder Schwanz so fantastisch in meinem Mund anfühlen konnte. Selige Jugenderinnerungen!

Kurz gerät mein Programm in den Hintergrund, als ich mir als nächstes Pauls runden Hintern in Erinnerung rufe, den ich kurz danach bestaunen durfte. Mit ihm durfte ich so einiges anstellen. Nicht das volle Programm, wenn ihr versteht, aber es war sehr lehrreich gewesen.

Mit entfleucht ein leises Seufzen. Bin ich wirklich so umtriebig gewesen? Im Vergleich zu meinem jetzigen Sexualleben auf jeden Fall. Früher bin ich viel forscher gewesen, obwohl meist ich angesprochen wurde, weil ich dann doch nicht so viel Mut hatte, die Kerle, die ich geil fand, aufzureißen. Trotzdem hatte ich komischerweise niemals Angst, mich könnte einer dumm anmachen, weil ich auf Kerle stehe. Es war eben alles so neu und aufregend gewesen. Ich wollte alles ausprobieren und die Typen, mit denen ich das auch tat, fanden immer ihren Weg zu mir. … Oder in mir ...

Noch tiefer in meine ersten sexuellen Erfahrungen versunken, bekomme ich zuerst gar nicht mit, wie draußen im Flur eine Zimmertür aufschwingt. Erst als ich das verräterische Knarren der Treppenstufen vernehme, schaue ich auf. Ein schneller Blick auf die Uhrzeit. Halb zwölf schon. Wo will denn mein liebes Schwesterlein zu so später Stunde noch hin?
 

Ich klappe meinen Laptop zu, da an Arbeiten jetzt erst recht nicht mehr zu denken ist, und setzte ihr nach. Sie ist zwar eine kleine Nervensäge, aber wenn sie nachts draußen umherstreift, habe ich doch besser ein Auge auf sie. Sicher ist sicher.

Leise folge ich ihr, bis sie das Haus verlässt und die Tür hinter sich schließt. Ich zähle bis zehn und folge ihr. Auf der Straße schaue ich mich kurz um und entdecke sie, wie sie gerade links um eine Ecke verschwindet. Nichts wie nach!

Es dauert nicht lange, da weiß ich, wohin sie geht. Richtung Sportplatz, wo die Werbetafel ihres Angebeteten aufgestellt ist. Soll ich ihr den Spaß gönnen, und sie ihn Ruhe lassen? Andererseits ist sie mitten in der Nacht alleine unterwegs. Was, wenn ihr etwas passiert? Besser, ich dackle ihr weiter nach, halte aber einen gebührenden Abstand zu ihr ein.

An der Werbetafel angekommen, bleibe ich hinter einer Thujahecke stehen und warte ab. Nicole steht ganz verloren da, schaut zu diesem geschminkten Schnösel auf und ... heult! Mein kleines Schwesterchen steht da und heult! Das kann doch nicht angehen. Das hält doch keine Kuhhaut aus! Und eine schwule schon mal gar nicht.

"Nicole?"

Erschrocken dreht sich meine Schwester zu mir um. "Was willst du denn hier?!" Hastig wischt sie sich mit dem Arm über die Augen.

"Dir beim Heulen zugucken", sage ich achselzuckend.

"Arsch!" Beschämt wendet sie sich von mir ab. Gut, das habe ich verdient.

Laut lasse ich meine Atemluft entweichen und stelle mich neben sie. Den Kopf hochgestreckt mustere ich den überdimensionalen Typen in enger Jeans und Glitzertop. "Warum stehst du nur so auf diesen Typen?"

"Das verstehst du nicht", schnieft sie.

"Hm. Vielleicht schon. Ich war auch mal ein Teenager."

"Hör auf mich zu verarschen! Lass mich in Ruhe!" Sie wischt sich abermals mit ihrem Ärmel über die Nase. Lecker. "Wieso darf ich nicht auf das Konzert? Da passiert doch nichts! Da sind doch überall Sicherheitsleute und Polizei."

"Warst du denn schon mal auf einem richtigen Konzert? Auf einem großen, mit über tausend Leuten?" Sie schüttelt den Kopf. "Habe ich mir gedacht."

"Kommt jetzt so eine großer Bruder Ansprache?", giftet sie mich an.

"Nein. Aber weißt du was bei meinem ersten Konzert passiert ist?"

"Was'n?"

"Ich bin umgekippt." Nicole lacht auf. "Hey! Das war nicht witzig!"

"Nur Mädchen fallen in Ohnmacht", gackert sie.

"Ich bin nicht in Ohnmacht gefallen!", verteidige ich mich. "Das lag einfach daran, dass man auf sowas nicht vorbereitet ist. Du bist umgeben von einem Haufen Menschen, stehst dir ewig die Beine in den Bauch, noch bevor das eigentliche Konzert richtig anfängt. Davor hast du natürlich vor Aufregung kaum was gegessen, getrunken auch nicht, denn man will ja nicht während dem Konzert pullern gehen müssen. Dann, wenn das Konzert endlich anfängt, hast du vorher schon mindestens eine Stunde vor der Bühne gestanden. Die Aufregung kommt zurück und du guckst nur nach vorn, reckst den Hals und es wird immer heißer und enger und ... dann hatte ich Sternchen vor den Augen und mir wurde ganz schwummrig. Zum Glück hatte ich zwei Freunde dabei, die mich gestützt haben."

Nicole schaut mich nachdenklich an, dann wieder diesen Keith. "Sicher gehen Wendy und Penelope auch hin."

"Das überzeugt Papa aber nicht."

"Sicher nicht." Mit einem Hündchenblick fixiert sie die Werbetafel. "Ich will ihn aber sehen, verstehst du? Nur einmal." Klar verstehe ich sie. Ich kenne das Gefühl, unbedingt seinen Lieblingsstar sehen zu wollen, mit eigenen Augen und nicht nur im Fernsehen. Jeder war mal jung, und ich glaube, jeder hat so eine Phase schon durchmachen müssen. Und selbst heute ist es noch schön, wenn man zu seiner Lieblingsband auf das Konzert geht, in alten Erinnerungen schwelgt, auch wenn man dabei nicht mehr so aufgedreht ist, wie in eben jenen alten Erinnerungen.

"Soll ich mit?" Ich glaube es nicht, dass ich das gerade frage! Der Moment muss mich mitgerissen haben.

"Du?! Echt?!" Ich zucke mit den Schultern. "Du magst seine Musik doch gar nicht."

"Tue ich auch nicht."

"Du wirst von kreischenden Mädchen umgeben sein."

"Öfter mal was Neues", lache ich und erhalte einen Knuff in die Seite. "Ich versuche auch mein Bestmöglichstes zu tun, um dich nicht in peinliche Situationen zu bringen."

"Und die wären?"

"Babyfotos von dir auf die Bühne schmeißen, zum Beispiel ... AU!"

"Du Arsch! Wehe!" Grinsend wehre ich ihre Schläge ab. "Das machst du nicht! Sag, dass du das nicht tun wirst!"

"Werd ich schon nicht!", lache ich und schubse meine zeternde Schwester ein Stück von mir weg. "So! Und jetzt ab nach Hause. Ich friere mir hier langsam den Arsch ab."

"Als ob du einen hättest!"

"Hey!" Gespielt angesäuert stemme ich meine Hand in die Hüfte und die andere wedelt perfekt übertrieben in der Luft herum. "Also hör mal! Ich habe einen Prachtarsch! Ganz im Gegensatz zu diesem Keith Kandyce!"

"Wie kannst du es wagen?!" Ihr Fuß verfehlt mich nur knapp. Vielleicht sollte ich aufhören ihren Liebsten zu kritisieren, wenn ich lebend aus dem Konzert kommen will.

Was habe ich mir da nur wieder eingebrockt?
 

***
 

Drei Tage später sind die Konzertkarten schließlich da und ich lege den noch verschlossenen Umschlag auf Nicoles Schreibtisch. Auf das Gekreische, wenn sie die Karten in ihre Krallen bekommt, habe ich null Bock. Besser, sie kreischt ihre eigenen vier Wände zusammen, als meine. Deshalb sind die Tickets hier am besten aufgehoben.

Wie immer wenn ich dazu genötigt bin hier einen Fuß hineinzusetzen, in dieses Keith Kandyce wunderglitzer Fanland, schaue ich mich halb fasziniert und halb angeekelt um. Wie kann man nur so besessen von einem Kerl sein, den man niemals näher kommen kann, als für höchstens zwei Sekunden, wenn er unzählige Unterschriften auf klebrige, kleine Mädchenhände verteilt? Mysterien der Teeniewelt! Ja, ich war auch mal jung und verliebt in ein Idol meiner Jungendzeit gewesen. Trotzdem: So schlimm war ich auf keinen Fall! Muss so ein Mädchending sein, von dem ich nichts verstehe.

Eigentlich will ich jetzt erstmal in die Küche tigern und mir einen Eistee genehmigen, doch mein klingelndes Handy vereitelt diesen Plan. Ich hechte in mein Zimmer und hebe ab, ohne auf die Nummer gesehen zu haben. "Ja?"

/Hallo Niclas! Wie schön deine Stimme zu hören./ Das ist doch ...!

"Meilo! Hey!" Oh Mann! Da denkt man einmal nicht an ihn, und dann ruft er einfach so an! Frechheit! Macht er das extra?

/Störe ich? Du hörst dich so gehetzt an./

"Nein, nein, tust du nicht. Ich war nur ... Egal. Du störst nicht." Mit gummiweichen Knien setzte ich mich aufs Bett, das Handy fest in meiner feuchten Hand. Bin ich aufgeregt!

/Schön. Wie geht es dir?/

Keine Ahnung! "Gut. Und dir?"

/Hab ein bisschen Stress, aber das ist eigentlich normal bei mir./

"Oh, gut!" Ich verziehe das Gesicht. Dämliche Antwort.

/Wie man es nimmt/, lacht er, wobei ich mich noch dämlicher fühle. Allerdings habe ich es auch nicht anders verdient, nach diesem geistreichen Gesprächserguss. /Und dein Ex? Konntest du ihn endlich vergessen, oder hast du noch immer Liebeskummer?/

Ja! Aber nicht wegen Kilian! ... Ähm. Und auch nicht wegen dir! Das wüsste ich doch ... oder? "Es geht. Dank dir", sage ich leise und schlucke nervös den wachsenden Klos in meinem Hals runter. Habe ich das eben wirklich gedacht? Das ich Liebeskummer wegen ihm habe? Zu meiner zugeschnürten Kehle gesellt sich nun auch eine zugeschnürte Brust. So ein Mist! Wo kommt das denn nun wieder her?

Meilo lacht leise und in meiner Körpermitte regt sich was. Doppel-Mist! Ein kleines Lachen von ihm, und ich werde hart! Das gibt es doch nicht!

/Dank dir könnte ich auch sagen/, meint er und mir wird heiß. /Weswegen ich eigentlich anrufe .../ Gespannt drücke ich mein Ohr fester gegen das Plastik des Handys. /In drei Wochen bin ich mal wieder bei dir in der Gegend und ich dachte ... Also ich hab mich gefragt .../

Mein Herz schlägt schneller und noch ehe ich es verhindern kann: "Klar kannst du vorbeikommen!" Am anderen Ende der Leitung beginnt es schallend zu lachen. Oh verflucht! Ich vorschneller Idiot!

/Eigentlich wollte ich was anderes fragen./ Shit! Ich Dummkopf! Ich voreiliger Trottel! Ich ... /Darf ich wieder bei dir übernachten?/ Ich plappernder ... Glückspilz!

"Ja ...", flüstere ich ungläubig. "Auf jeden Fall."

/Ich werde aber erst ziemlich spät ankommen. Dafür könnte ich dann aber auch zwei Nächte bleiben./ Kribbelnde Vorfreude treiben mich auf die Beine und ich fange an, wie von sinnen in meinem Zimmer auf und ab zu laufen. Zwei Nächte! Er bleibt ganze zwei Nächte!

"Kein Problem! Wenn du da bist, lass es einfach auf meinem Handy klingeln und ich mach dir auf. Egal wie spät." Klingt das irgendwie so, als ob ich es kaum noch erwarten könnte ihn zu sehen? Ja! Aber scheiß drauf!

/Klasse! Das wäre dann am Freitag den 14. August./ Freitag der 14. August? War da nicht was?

"Das Konzert", flüstere ich und schlage mir gegen die Stirn.

/Was?/

"Ähm ... Um welche Uhrzeit wirst du denn ungefähr da sein? Ich bin nämlich abends noch weg." Ich könnte mir echt in den Arsch treten! Wieso habe ich nur gesagt, dass ich Nicole zu dem dämlichen Konzert begleite?!

/So gegen zwei Uhr Nachts./ Das müsste zu schaffen sein! Dicke!

"Das passt!"

/Wunderbar!/ Du ahnst ja gar nicht wie wunderbar das ist Meilo! /Niclas?/

"Ja?"

/Ich freue mich schon auf dich./ Das Kribbeln in meinem Bauch verstärkt sich und ich halte mich am Rand meiner Schreibtischplatte fest. /Ich musste sehr oft an dich denken./ Ich bekomme keinen Ton heraus. Sein Geständnis raubt mir regelrecht die Luft zum Atmen. Er hat also auch an mich gedacht! /Ich weiß ja, dass du noch an der Beziehung mit Kilian zu knabbern hast, aber ich würde dich gern öfter sehen. Ginge das?/ Ich plumpse auf meinen Bürostuhl. /Niclas? Bist du noch da?/ Wie unsicher sich Meilos Stimme anhört! Er ist ebenfalls nervös. Irgendwie beruhigt mich das. Ich bin scheinbar nicht der Einzige, der sich ständig Gedanken um den Anderen macht.

"Ja, bin noch da", krächze ich. Was sage ich denn jetzt? Er will mich öfter sehen? Aber: "Und deine Arbeit? Bist du nicht die ganze Zeit unterwegs?" Wie will er mich da öfter sehen?

/Nicht mehr lange. Ich habe vor, das zu ändern. Mein Vertrag läuft ende des Jahres aus und ich werde ihn nicht mehr verlängern lassen./

"Du willst dir was anderes suchen?"

/Ja./

"Dann gefällt dir dein Job nicht mehr?"

/Doch ... Nein! Nicht direkt jedenfalls./ Er seufzt leise. /Ganz ehrlich? Ich hasse ihn./ Meilo hört sich gar nicht gut an. Sein Job muss ihn echt stressen. Eigentlich auch kein Wunder, nachdem, was er mir über sein ständiges Umherreisen erzählt hat.

"Das tut mir leid", sage ich schließlich und meine es auch so. "Ich hoffe, du hast schon eine Alternative." Ich weiß nur zu gut, wie es ist, in seinem Traumberuf keine Stelle zu finden.

/Die habe ich!/, sagt er und klingt endlich wieder wie der Meilo, denn ich kennengelernt habe. /Und ich freue mich schon riesig drauf meine Ideen umzusetzen./

"Dann reist du nicht mehr quer durchs Land?"

/Nein! Jedenfalls nicht ständig./ Hört sich gut an. /Sorry Niclas, aber ich muss jetzt Schluss machen./

"Ist gut." Schade. Ich hätte gern noch länger mit ihm telefoniert.

/War schön, wieder deine Stimme zu hören./ Mein Herz gerät kurz ins Stolpern.

"Finde ich auch." Ein kleiner Seufzer entkommt mir. "Telefonieren wir nochmal miteinander?"

/Unbedingt!/

Lachend verabschiede ich mich von ihm, verspreche nicht ganz ernsthaft, vor meinem Handy auf seinen nächsten Anruf zu warten, und lege auf. "Meilo kommt", sage ich zu mir selbst und springe von meinem Bürostuhl auf. "Meilo kommt!!!" Jetzt habe ich auch was, auf das ich mich die nächsten drei Wochen freuen kann. Und nicht nur Nicole kann sich wie ein verliebter Teenager aufführen! Das wird sie schon noch sehen. Wobei "Ich bin doch gar nicht verliebt!" ... Oder?
 

******
 


 

Fara: Nein, Niclas! Gar nicht!

Niclas: Was solln das heißen, hä?

Fara: Nix. *unschuldig in die Luft starre*

Niclas: Dumme K...

Meilo: Lass sie doch und komm lieber zu mir.

Niclas: Meilo! *_*

Fara: Überhaupt nicht verliebt, der Gute. Nein, nein. XD

Love bite 04 - Lauwarmer Schokopudding

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 04 - Lauwarmer Schokopudding (Ohne Adult)

Wahrscheinlich haben die Meisten von euch gestern Abend vor dem Fernseher gesessen und bestürzt die furchtbaren Geschehnisse in München verfolgt.

Ich saß gerade am Laptop, als das TV-Programm unterbrochen wurde. Bestimmt sind auch einige unter euch aus München oder aus der Region, haben Verwandte oder Freunde dort. Meine Gedanken sind bei euch, und ich hoffe, dass es euch allen gut geht.

Ich bin immer ganz schlecht darin, mich zu solchen Horrormeldungen, die seit Wochen gar nicht mehr scheinen aufhören zu wollen, zu äußern. Es ist einfach furchtbar und mir fehlen regelrecht die Worte.
 

Mehr will ich dazu auch gar nicht schreiben, denn ich glaube, wir denken alle ähnlich über diese fürchterliche Tat.
 

Trotzdem wünsche ich euch allen ein schönes, und vor allem ruhiges, Wochenende.

Eure Stephanie
 


 

Love bite 04 - Lauwarmer Schokopudding (Ohne Adult)
 

Echt gruselig.

Richtig twililghtzonemäßig.

Anderseits ist es auch sehr angenehm.

Es ist mal etwas völlig anderes, etwas Neues. Ja, daran könnte ich mich sogar gewöhnen, wenn es eben nicht so crazy wäre.

"Möchtest du noch ein Brötchen? Ich kann noch welche aufbacken?" Ich sag's doch! Völlig crazy!

"Nein danke."

"Wirklich! Das geht ganz schnell."

"Bin satt." Ich lächle meine Schwester dünn an und streichle mir den Bauch, um ihr zu zeigen, dass ich wirklich satt und gemästet bin.

"Okay. Dann räume ich deinen Teller mal weg."

"Danke ..." Zack, mein Teller wandert in die Spülmaschine.

Wie zuvorkommend meine kleine Schwester Nicole doch sein kann. An was das nur liegt? Zufällig hat ihr nettes Verhalten mir gegenüber genau zu dem Zeitpunkt angefangen, an dem die Konzertkarten eingetrudelt sind. Muss ich noch extra erwähnen, dass sie die Dinger wie einen Schatz in ihrem Keith Kandyce vollgestopften Zimmer ausgestellt hat?

"Du Niclas, sag mal ... Wann fahren wir noch mal los zum Konzert?"

"Um achtzehn Uhr", wiederhole ich schon zum millionsten Mal seit den letzten fünf Tagen. Nicole kennt kein anderes Thema mehr.

"Dann sage ich den Mädels besser, dass sie zuerst zu uns kommen sollen. So um fünf, nur um sicher zu gehen."

"Tu das." 'Die Mädels', das sind Nicoles drei besten Freundinnen, die mit uns zum Konzert fahren. Die vier hängen ständig zusammen, kichern, tuscheln, kreischen und beschallen das Haus mit Keith Kandyce Katzenjammermusik. Apropos. Es wundert mich, dass sie noch gar nicht hier sind. Vorgestern war eine von ihnen schon vor dem Frühstück hier und kaum waren sie in Nicoles Zimmer verschwunden, ging es auch schon los. Grauenhaft, sage ich euch!

"Wenn du den Tisch abräumst, haue ich mich vor meinen Laptop." Ich stehe vom Küchentisch auf und schiebe den Stuhl zurecht.

"Klar. Mach nur!", lacht mich meine Schwester an. Mich überlaufen eiskalte Schauer. Auch wenn es mir ganz gut gefällt, ist es doch echt unheimlich, sie so nett zu erleben.
 

In meinem Zimmer atme ich erst mal tief durch. Eine dauerglückliche Schwester ist echt seltsam. Bin ja mal gespannt, ob sie nach dem Konzert weiterhin so nett zu mir ist. Wetten dürfen noch angenommen werden.

Als ich wieder an meinem Schreibtisch sitze und den Laptop hochfahren lasse, habe ich meine kleine Schwester beinahe wieder vergessen, und tüftle gedanklich schon an einer Codefolge. Ich bin voll in meinem Element und will endlich loslegen, da fällt mir mein blinkendes Handy auf. Meine Mundwinkel ziehen sich nach oben. Noch eine Wette gefällig? Ich setze mein gesamtes Vermögen darauf, dass es Meilo ist, der mein Mobiltelefon freudig blinken lässt. Ein kurzer Blick genügt. Wette gewonnen!

*Guten Morgen. Schon wach? ;-)* Ich schaue auf die Eingangsuhrzeit der SMS. Sie ist erst vor fünf Minuten angekommen. Anstatt Meilo eine Antwort SMS zu schreiben, rufe ich ihn ungeduldig zurück. Nach zwei mal klingeln geht er schon ran.

"Bin wach", spreche ich ins Handy und grinse dabei wie ein debiler Schönwetterfrosch.

/Wird ja auch mal Zeit/, lacht Meilo. Hey!

"Was soll denn das jetzt heißen? Ich habe sogar schon fürstlich gefrühstückt."

/Wow! Und das um halb zehn. Hat dich die Vormittagssonne wach geküsst?/

"Ganz schön frech heute, mein Lieber." Ich grinse in mich hinein und lehne mich weiter zurück. Der Stuhl knarrt dabei leise.

/Ich bin niemals frech. Das bildest du dir ein./ Wer das glaubt wird selig. /Hast du Zeit zum Quatschen?/ Ich schiele auf den Bildschirm meines Laptops. Wieso eigentlich nicht? Ich hab ja noch nicht angefangen.

"Habe ich. Aber hast du überhaupt welche?"

/Ja. Einer meiner Termine ist abgesagt worden. Ich habe den ganzen Vormittag frei./ Mein Herz schlägt schneller, als ich das höre. Weil er ständig so viel zu tun hat, haben wir meist nur wenige Minuten zum Telefonieren, außer das eine Mal vorgestern, wo wir uns bis in die frühen Morgenstunden sehr intensiv und lange miteinander unterhalten haben, doch ansonsten blieben uns bis jetzt nur die kurzen Telefonate zwischen seinen Terminen.

Das haben wir in den letzten fünf Tagen zwar oft getan, aber immer, wenn wir ganz vertieft in unser Telefonat waren, mussten wir Schluss machen. Nun ja, und es gab das letzte Mal etwas ganz Besonderes, wobei wir unterbrochen worden sind ... /Wollen wir da weiter machen, wo wir gestern Mittag aufgehört haben?/ Hat er meine Gedanken gelesen?

"Gerne", flüstere ich mit rauer Stimme und stehe auf. "Wo genau sind wir noch mal stehen geblieben?" Ein leises Klicken, und meine Zimmertür ist abgeschlossen. Nicole wollte zwar gleich weg und meine Eltern sind nicht da, doch sicher ist sicher. Ich will ganz bestimmt nicht erwischt werden, wenn ich mit Meilo 'telefoniere'.

/Ich hatte dich gefragt, wo deine Hand ist./ In meinem Schoß beginnt es zu pochen, als ich mich an das gestrige Telefonat mit Meilo zurückerinnere. Zu Anfang war ich zugegebenermaßen leicht erschrocken, als sich unser Gespräch in diese eindeutige Richtung entwickelt hatte. Erschrocken, aber auch mächtig aufgeregt. So etwas habe ich bis Dato noch nie gemacht. Jedenfalls nicht am Telefon.

'Warum nicht?', dachte ich mir und harrte der aufregenden Dinge, die da auf mich zukommen würden. Doch alles was auf mich zukam, war ein abrupter Abbruch unseres Telefonats, weil Meilo anscheinend einen Termin verschwitzt hatte und eilig auflegen musste.

/Und? Wo hast du sie?/, holt mich Meilo ins Hier und Jetzt zurück.

"Bis jetzt noch am Schlüssel meiner Zimmertür", gluckse ich und beeile mich, zum Bett zu kommen.

/Ist der Schlüssel in deiner Hand auch schön hart?/ Ich bleibe stehen und halte die Luft an. Keinen Schimmer, ob ich jetzt lachen oder darauf antworten soll. So wie er diesen Satz eben gehaucht hat, würde ich gerne was ganz anderes machen. Nämlich durch mein Handy kriechen, und mit den Telefonsignalen zu ihm schweben. /Nic? … Noch da, oder bist du zu sehr mit deinem Schlüssel beschäftigt? Soll ich lieber auflegen?/ Er lacht!

"Du Vollpfosten!", mekere ich ihn an, grinse jedoch selbst dabei.

/War doch bloß eine Frage./

"Sehr witzig, mein Lieber", brumme ich und werfe mich aufs Bett. "Können wir jetzt weiter machen?"

Meilo kichert noch immer. /Huh! Telefonsex unter Druck? Du schaffst mich, Sweety./ Ich muss mir auf die Zunge beißen. Seit vorgestern nennt er mich so. Sweety. Manchmal auch Sweetheart. Fragt mich bitte nicht, ob mir das gefallen soll, oder nicht. Ich bin hin- und hergerissen. Genau wie meine Gefühle, die jedes Mal total verrückt spielen, wenn ich auch nur an Meilo denke. /Nic? Wo hast du deine Hand?/

Ich schlucke und schaue an mir hinab. Meine Hand ruht brav auf dem Bauch. Die Finger haben sich in mein Shirt geklammert. "Wo hättest du sie denn gerne?", stelle ich die Gegenfrage.

/Am liebsten auf mir, aber das wird schwierig, glaube ich./ Mein Herz zerschlägt beinahe die Rippen, die es krampfhaft versuchen im Zaum zu halten.

"Glaube ich auch", krächze ich und löse die Finger aus meinem Shirt. "Wenn ich jetzt bei dir wäre, würde ich meine Hand unter dein Shirt schieben und deine warme Haut streicheln." Mit geschlossenen Augen stelle ich mir genau das vor und schlüpfe in Ermangelung an Meilos Körper unter mein Oberteil.

/Das geht leider nicht Sweety./ Blubb! Geplatzt ist meine Fantasie. Zurück bleibt bloß ein armer Tropf, der sich selbst befummelt.

"Wieso?" Muss er doch weg? Hat er nicht gesagt, er hätte keinen Termin heute Vormittag?

/Weil ich schon nackt bin/, wispert er verrucht in mein Ohr, und ich schwöre, ich kann plötzlich seinen heißen Atem an meinem Nacken spüren.

Mir entkommt ein leises Keuchen gefolgt von einem ungeduldigen "Warte kurz." Meine Finger sind ganz feucht, als ich den Lautsprecher des Handys anschalte und mich eilig ausziehe. "Ich bin auch nackt", schnaufe ich schließlich.

/Och schade./ Hä?! /Ich wollte das doch machen./ Ich verdrehe die Augen und lasse mich neben das Handy auf das Kopfkissen fallen.

"Das kannst du machen, wenn du bei mir bist." Hoffentlich vergeht die Zeit bis dahin ganz schnell!

/Da werde ich ganz andere Sachen mit dir anstellen, Sweety./ Gott! Warum sagt er das jetzt? Ich halte es so schon kaum aus, bis zu unserem Treffen.

"Ich wünschte, du wärst jetzt hier", gestehe ich ihm leise, was mir noch nicht mal etwas ausmacht. Dank unseren Telefonaten habe ich das Gefühl, Meilo schon viel länger und besser zu kennen, als ich es eigentlich tue. Ich will ihn so oft es geht sehen, und ich weiß auch, dass er das Selbe möchte. Er hält mich nicht einfach nur 'warm', damit er Ablenkung hat, wenn er mal wieder in der Gegend ist. Das verraten mir die unzähligen Telefonate, die wir in den wenigen Tagen schon miteinander geführt haben. Man fragt denjenigen, den man bloß für das Eine will, keine privaten Dinge. Das tut man nur, wenn man an dem anderen interessiert ist. Und verdammt! Es macht mich jede Sekunde glücklicher, dass Interesse für mich hat!

/Du ahnst gar nicht, wie gerne ich das jetzt wäre/, wispert Meilos Stimme aus den Lautsprechern. Oh doch mein Lieber. Ich ahne es. Viel zu gut … Mir geht es doch genauso.
 

*
 

Die Wogen meines Höhepunktes klingen schnell ab. Es ist eben doch was anderes, wenn man dabei alleine ist. Alles kann die Fantasie eben nicht ersetzen. Ich rolle mich auf den Bauch, weil ich nicht länger auf meiner besudelten Decke liegen möchte, und höre Meilos lautes Schnaufen. /Noch ... da?/, fragt er mich abgehackt.

"Ja ... Ich brauche nur etwas Luft." Meilo lacht, ich ebenfalls, doch meine gute Laune hält nicht lange an. "Oh Mann!"

/Was denn?/

"Nach dem Höhepunkt, kommt der Fall." Meilo sagt nichts, ich höre ihn noch nicht mal mehr atmen. "Bist du noch da?", frage diesmal ich und angle nach dem Handy.

/Ja/, murmelt er. Es raschelt leise. Anscheinend deckt er sich zu. Gute Idee. Es wird langsam kühl. /Fühlt sich wirklich scheiße an, so allein im Bett, nachdem .../

"Ja", unterbreche ich ihn und ziehe die Bettdecke bis zum Kinn hoch. Meine Laune sinkt noch tiefer. Ich vermisse Meilos Nähe. Das wird mir mit jedem Tag bewusster.

/Kuscheln nach dem Sex wird echt unterschätzt./ Amen!

"Das holen wir nach."

/Aber so was von!/, verspricht er mir.
 

Wir reden noch ein paar Minuten miteinander, bis sich Meilo entschuldigt, er wolle duschen. Ich bin ihm nicht böse. Mir ist es ebenfalls unangenehm, in meiner klebrigen Bettdecke zu liegen. /Ich rufe dich nachher noch mal an./

"Gerne. Bis dann."

/Tschau. Und danke für das anregende Telefonat./

"Ich habe ebenfalls zu danken", grinse ich und lege das Handy weg, nachdem Meilo aufgelegt hat. Sein Lachen hallt in mir nach. "Oh Shit", flüstere ich und starre an meine Zimmerdecke. "Shit, shit, shit." Ich reibe mir über den Bauch. Darin tut sich was. Und dieses etwas fühlt sich verdammt nach diesem etwas an, dass daran schuld ist, dass ich Meilo so sehr vermisse. "Was hast du bloß mit mir angestellt, Meilo?" Und vor allem: Wie hast du das so schnell hinbekommen?
 

***
 

Frisch geduscht haue ich mich mit einer eiskalten Dose Cola vor die Glotze. Ans Programmieren ist heute nicht mehr zu denken. Meilo kreist durch meinen Kopf, wie ein Schwarm laut schreiender Krähen um ihre Nester. Hierzu muss ich erklären, ich mag Krähen. Ich mag mich nur noch nicht richtig an das Wort mit den fünf Buchstaben gewöhnen, dass diese Krähen mir zuschreien. Und es fängt nicht mit K an, sondern mit dem darauffolgenden Buchstaben. Dieses Wort, das schon seit unserem ersten längeren Telefonat in meinem Verstand aufleuchtet, in meiner Brust dicke Wurzeln geschlagen, und in meinem Bauch kitzelnde Blüten gebildet hat. Langsam kann ich es nicht mehr verleugnen, obwohl das mein Verstand nur zu gerne würde.

Ich mag Meilo viel mehr, als es für eine kurze Bekanntschaft üblich sein sollte. Ich glaube, ich fange tatsächlich an, mich in ihn zu verlieben, was verrückt ist, wenn man bedenkt, dass wir uns noch gar nicht lange kennen und erst einmal begegnet sind.

Ich schlucke hastig die Cola in meinem Mund runter, wovon ich leise aufstoßen muss. Geht das überhaupt? Nicht das Aufstoßen, ich meine, geht es, dass ich mich wirklich wieder so schnell in jemanden verlieben kann? Vor allem so schnell nach meiner zerbrochenen Beziehung mit Kilian?

So sehr ich es immer wieder durchgehe, es regelrecht zerdenke, ich muss nur an Meilos Lächeln denken, an seine grünen Augen, und ich weiß, dass ich mein Herz schon längst an ihn verloren habe. Es fühlt sich einfach alles danach an. Das Ziehen in meinen Eingeweiden, die Sehnsucht nach dem nächsten Telefonat mit ihm, seine Stimme zu hören, mal ganz abgesehen von der Unruhe in mir, bis endlich der Tag herangerückt ist, an dem wir uns wiedersehen. Ich will bei ihm sein ...

Seufzend plumpse ich gegen die Rückenlehne des Sofas und starre auf den Bildschirm vor mir, obwohl ich von dem Programm gar nichts mitbekomme.

Wenigstens muss ich wegen meiner so verdammt schnell neu entflammten Gefühle keine Gewissensbisse haben. Woher auch? Kilian hat schließlich zuerst einen neuen Kerl angeschleppt. Also, wieso habe ich dann dieses leicht ungute Gefühl in mir? 'Weil du Meilo bis jetzt nur ein mal getroffen hast', meldet sich die kleine Stimme der Vernunft in mir. Ja, wahrscheinlich liegt es daran. Und auch die Tatsache, dass wir uns am Telefon gut verstehen, mehr als gut, ändert nichts daran. Ein totales Gefühlschaos! Vielleicht lichtet sich das Chaos ja, wenn wir uns wiedersehen. Eventuell sehe ich dann endlich klarer.

Wie dem auch sei, das Kribbeln in meinen Bauch, das ich bekomme, wenn ich an Meilo denke, ist gewichtiger, als all die Bedenken. Und das ist alles was zählt, wenngleich ein Knackpunkt noch bleibt: Bin ich schon bereit, mich wieder auf jemanden einzulassen? Mal ganz abgesehen davon, dass ich nicht weiß, wie Meilo dazu stehen würde, wenn er von meinen Gefühlen erfährt. 'Auf neuen Liebeskummer habe ich echt keinen Bock mehr.' Definitiv nicht. Ich sollte den Ball vielleicht erst mal flach halten und abwarten, was Meilo tun wird, und es einfach auf mich zukommen lassen.

Da ich finde, dass das eine sehr vernünftige Lösung ist, versuche ich mich zu entspannen. Diese Entscheidungen soll der Zukunfts-Niclas treffen.

Ich trinke die Coladose leer und stelle sie vor mir auf den Couchtisch. In der Glotze kommt nichts, was mir auf Anhieb gefällt, deshalb schalte ich ihn aus und das Radio an. Gemütlich lehne ich mich wieder zurück, schwinge die Beine auf die Sitzfläche und höre der Musik zu. Mama stellt immer irgendwelche Oldie-Sender ein, aber der Song, der gerade läuft, ist gar nicht schlecht. Die Fünfziger hatten was. Mein Fuß wippt im Takt des Rhythmus mit. Insgeheim zähle ich die Tage, die ich noch ohne Meilo hinter mich bringen muss. Es sind eindeutig noch viel zu viele.

Ich starre verdrossen gegen die Zimmerdecke und schlucke die aufkeimende Wehmut runter. Solch eine starke Sehnsucht nach einem anderen Menschen habe ich bisher noch nie empfunden! Ich schäme mich fast, es zuzugeben, aber mein Bauch spielt verrückt, ebenso mein Herzlein, das sich so anfühlt, als bestünde es aus flauschiger Watte. Wüsste ich es nicht besser, würde ich sagen, ich brüte irgendeine seltsame Erkältung aus, aber mitnichten. Ich bin Meilo-fiziert. Ein heimtückischer Virus der großen L-Familie, der sich in einem niederlässt und sich in Windeseile vermehrt. 'Jetzt drehe ich wirklich durch.'

Ich seufze, seufze noch ein weiteres Mal und kratze mich am Kinn. Im Radio beginnt eine alte Liebesschnulze. Genau das, was mir zu meinem Kummer noch fehlt! Ich schalte das Radio wieder aus. Natürlich hätte ich auch einen anderen Sender suchen können, aber nach Musik ist mir jetzt auch nicht mehr.

Und jetzt? Kein TV, kein Radio, kein Programmieren. Keine Lust zu irgendwas. 'Ich habe Liebeskummer', flüstert mir eine hinterlistige Stimme ins Hirn. "Das habe ich nicht", rede ich mir ein, doch so sehr man es auch versucht, man kann sich nicht selbst belügen.

Eigentlich dachte ich, das mit den Herzschmerzen wäre endlich vorbei. Kilian war größtenteils aus meinem Kopf und aus meinem Herzen, von kleineren Rückschlägen mal abgesehen, doch jetzt ist beides wieder besetzt. Aber einen Unterschied gibt es zum Glück. Einen entscheidenden. Im Gegensatz zu Kilian, will Meilo mich wenigstens wiedersehen. "Das ist doch schon mal was", murmle ich und stehe schwungvoll auf. In solchen Momenten geht doch nichts über einen Schokopudding!
 

Topf auf den Herd, Milch abmessen und hinein damit, warten bis sie kocht. In der Zwischenzeit das Puddingpulver mit etwas Milch und Zucker anrühren und heimlich davon naschen, obwohl Mama immer sagt, das gibt Bauchschmerzen. Bis jetzt hatte ich noch nie welche, und ich muss es wissen, so oft, wie ich mir in meinem Leben schon Pudding aus dem Tütchen gemacht habe. In Fertiggerichte zubereiten bin ich unschlagbar.

Als die Milch soweit ist, rühre ich die dickflüssige Puddingsoße hinein und lasse alles noch einmal aufkochen, ehe ich alles zum Abkühlen in eine Schüssel gebe. Doch bevor alles abkühlen kann, genehmige ich mir ein kleines Schüsselchen. Warm schmeckt der Pudding immer noch am besten.

Ich schiebe mir Löffel um Löffel in den Mund und denke an nichts Böses, als die Türglocke mir den Hochgenuss versaut. "Öhhhh!" Gönnt mir denn keiner was?

Doch vor der Haustür dann die Überraschung. "Ingo?!" Ich mache große Augen.

"Nic!" Ein breit grinsender Ingo steht vor mir und breitet seine Arme aus.

"Was machst du denn hier?", frage ich ihn erfreut und drücke ihn an mich. "Ich dachte, du bist noch bis nächste Woche unterwegs."

"Bin eher zurückgekommen. Rahmenbruch." Er schaut an sich runter. Sein Fuß ist eingegipst und er stützt sich auf Krücken. "Und meinen Fuß hat es auch erwischt."

"Ach du Scheiße!"

"Halb so schlimm", lacht er. Na da bin ich aber anderer Meinung!

"Komm schon rein und setz dich." Ich dirigiere Ingo ins Wohnzimmer.

Ingo habe ich erst vor zwei Jahren kennengelernt, aber er ist einer meiner engsten Freunde geworden. "Los erzählt! Wie ist das passiert?"

"Mein Bike hat's zerfetzt."

"Shit! Ist dir sonst noch was passiert?"

"Eine Rippenprellung und eine leichte Gehirnerschütterung, sonst nichts. Mein Helm hat das Meiste abbekommen." Ich bekomme einen riesigen Schrecken. "Guck nicht so. Mir geht es gut."

"Du sollst doch aufpassen bei diesen Rennen!" So ein Idiot!

"Du hörst dich an wie Ed. Der hat mich vielleicht zusammengefaltet."

"Richtig so!" Ed, der Mechaniker von gegenüber, ist Ingos Partner. Bei ihm habe ich Ingo auch das erste Mal getroffen. Wir waren uns nicht gleich sympathisch, aber wir merkten schnell, dass wir im Endeffekt auf einer Welle liegen. Im Nachhinein war unser Kennenlernen das Beste, was mir passieren konnte. Als Kilian und ich uns getrennt haben, hielt ich auch Abstand von unseren gemeinsamen Freunden. Tue es immer noch, wohlgemerkt. Ich hatte Angst, dass auch sie mich fallen lassen, und zu Kilian halten. Ein Paar von ihnen haben sich hinterher zwar bei mir gemeldet, aber ich war es leid, mich ihnen erklären zu müssen. Ganz anders bei Ingo.

Da Ingo und Kilian sich noch nie hatten riechen können, war er meine erste Anlaufstelle, um mich auszuheulen. Leider ist Ingo viel unterwegs. Er nimmt an Rallyes teil, die er mit seinem Motorrad bestreitet und ist deshalb oft nicht da.

"Dafür, dass Ed mich so angemotzt hat, betüddelt er mich nach Strich und Faden. Hätte ich das nur eher gewusst …" Ingo grinst dreckig.

"Ich will keine Details hören", sage ich und schüttle den Kopf.

"Keine Sorge. Ed würde mich umbringen." Ja, ja. Der gute, alte, verklemmte Ed. Mich wundert es ja, dass er so offen mit seiner Beziehung umgeht. Früher versteckte er seine Gefühle und sein Selbst. Ich bekam es selbst nur durch Zufall heraus, weil er mich mal versucht hat anzumachen. Zu seiner Verteidigung, er war dabei sturzbetrunken gewesen, sonst hätte er es auch sicher nicht versucht. Doch bevor überhaupt was zwischen uns passieren konnte, hing er schluchzend in meinen Armen und gestand mir, dass er schwul ist. 'Das macht doch nichts', hatte ich versucht, ihn unbeholfen zu trösten. 'Das bin ich doch auch.' Rückblickend gesehen können wir darüber lachen. Damals aber, war es Ed total peinlich gewesen. Ich war der erste Mensch überhaupt, dem er es gebeichtet hat, und dann hat er dabei auch noch geheult wie ein Schlosshund.

Leider hatte ich dann den irrwitzigen Plan, ihn mit einem meiner Bekannten verkuppeln zu wollen. Es lief auch ganz gut, sie wurden sogar ein Paar, doch weil Ed eben damals noch arg verklemmt war, suchte sich mein Bekannter einen anderen Typen zum Vernaschen. Ed bekam es heraus und trennte sich von ihm. Selbstredend habe ich heute keinen Kontakt mehr zu diesem betrügerischen Typen. Doch auch solche Dramen haben manchmal ein Happy End. Das von Ed hieß Ingo, der kurz danach mit seinem defekten Bike in seine Werkstatt gerauscht kam. Irgendwie kommt mir die Geschichte bekannt vor ... Defektes Fortbewegungsmittel, eine heiße Nacht ... Hier scheint es ein Ballungsgebiet für solcherlei Zufälle zu geben.
 

"Seit wann bist du wieder da?", frage ich Ingo schließlich.

"Seit vorgestern. Ich wollte schon früher zu dir, aber Ed hat mich regelrecht ans Bett gefesselt."

"Auch nicht die schlechteste Art, seinen Tag zu verbringen", schmunzle ich.

"Das zwar nicht, aber es war langweilig. Ed hat viel in der Werkstatt zu tun und ich hing die ganze Zeit vom Fernseher. Furchtbar! Da bin ich schon mal Zuhause, und habe gar nichts von meinem Schatz."

"Ja ..." Das bringt mich abermals dazu, an jemanden ganz speziellen zu denken und auch an die Übereinstimmung mit Ed und Ingo. Die beiden sind auch oft voneinander getrennt. Manchmal wochenlang. Wie halten die das bloß aus?

"Nic?" Ich schaue auf zu Ingo und ziehe fragend die Stirn nach oben. "Erzählst du es mir?", fragt Ingo mich mit einem wissenden Grinsen im Gesicht.

Ich verdrehe die Augen. "Was hat Ed dir erzählt?" War ja klar, dass Ed ihm gerade DAS erzählt hat.

"Du hättest vor ein paar Tagen einen heißen Kerl abgeschleppt. Stimmt das?"

"Mehr oder weniger …" Eigentlich sogar im doppelten Sinne.

"Das heißt?"

"Du willst es aber wissen, was?"

"Natürlich!", lacht er und reibt sich die Hände. Eine merkwürdige Geste.

"Na schön", seufze ich und beuge mich vor. Die Ellenbogen auf meine Knie gestützt, beginne ich mit meiner Erzählung. "Er heißt Meilo und kommt aus Berlin."

"Schöner Name, schöne Stadt. Fängt doch schon mal gut an." Wenn er wüsste!

Ich überlege, wo ich anfangen soll. Ganz von vorn? Die Story mit Kilian und unserem letzten Treffen im Café kennt Ingo noch gar nicht. "Alles fing damit an, dass ich mich mit Kilian in unserem Café getroffen habe. Er überreichte mir eine Kiste, mit meinem restlichen Zeug, das er noch in der Wohnung gefunden hatte."

"Aua. War es sehr schlimm?"

Ich lecke mir über die Lippen. "Es ging. Ich war nicht erfreut" bis auf meine wiedergefundene Queen-Platte "aber den Hammer präsentierte er mir gleich danach. Kilian hat einen Neuen und sie ziehen sogar schon zusammen."

"Das gibt's nicht! Was für ein Arschloch!" Ingo guckt mich entsetzt an. Habe ich auch so dämlich dabei ausgesehen, als Kilian mir diese Neuigkeit ins Gesicht geknallt hat? "Diese Bitch! Wie kann er es wagen?"

"Scheiße Ingo. Manchmal bist du so schwul, dass es weh tut", lache ich, weil sein Tonfall sich eben so angehört hat, als würde ich einer Dragqueen gegenüber sitzen, und das heißt was, bei seiner Statur, von seinem Faible für Leder mal ganz abgesehen. Auch wenn es sich nur auf Motorradkleidung beschränkt.

"Ist doch wahr! Das regt mich auf. Dieser Schleimer! Ich wusste schon immer, das er ein hinterhältiges Miststück ist. Hoffentlich hast du ihm ordentlich die Meinung gegeigt." Ich nicke und fühle mich gut dabei, als ich an meine Ansprache zurückdenke. "Gut so! Der hat es nicht anders verdient. Ach was sage ich? Der hat noch viel Schlimmeres verdient." Ingo schafft es auf unheimliche weise, binnen Sekunden von der Obertunte zum aggressiven Bikertypen zu wechseln. Beeindruckend. Immer wieder.

"Und wie ging es weiter? Wie kam es dazu, dass du Meilo aus Berlin getroffen hast?", möchte er, wieder etwas ruhiger, wissen.

"Ich war so down, dass ich meinen Kram geschnappt habe, und in mein Auto gesprungen bin. Ich wollte nur noch weg. Doch als auf dem Weg nach Hause die Wut in mir in Trauer umschlug, musste ich anhalten. Der nächste Parkplatz war mir.

Ich blieb stehen, sah die Kiste durch, die er mir gegeben hatte und fand sämtliche Liebesbriefe, die ich ihm jemals geschrieben habe."

"Shit." Ingo greift über den Tisch und streichelt mir über den Arm.

"Sie landeten postwendend im Raststättenmülleimer." Wir lächeln und an.

"Stolze Leistung. Ich hätte das nicht gekonnt, glaube ich."

"Schreibst du Ed etwa auch Liebesbriefe?"

"Hm ... Nein. Aber versaute SMS'n."

"Das ist nicht das Selbe!" SMS'n! Also ehrlich! Und dann auch noch versaute. Ob ich Meilo vielleicht auch mal … Nein! … Oder?

"Aber so ähnlich", grinst Ingo. "Und sehr anregend, wenn du verstehst?" Wie könnte ich das denn nicht verstehen?

"Trotzdem ist es unromantisch, finde ich. Allerdings … Lass es vielleicht lieber mit richtigen Liebesbriefen. Hat bei mir und Kilian auch nicht geholfen, wie man sieht."

"Daran sind aber weder die Briefe, noch Nachrichten per Handy schuld. Es hatte einfach nicht sollen sein. Ob mit oder ohne Briefe." Wie wahr. "Und wie kamst du von weggeschmissenen Liebesbriefen zu diesem Meilo?" Ah ja. Da war ja noch was.

"Das passierte fast gleichzeitig." Ingo zieht die Stirn kraus. "Ich stand also auf dem Parkplatz, machte mir Gedanken über mich und mein zerbröseltes Leben, nachdem ich meine Vergangenheit in den Mülleimer gefeuert hatte, da schepperte und röhrte es. Und als ich aufsah, kam ein qualmender Wagen auf mich zugerast. Ich konnte gerade so noch ausweichen."

"Is nicht wahr! Und das war Meilo?"

"Ja", antworte ich. "Ich bot ihm an, ihn abzuschleppen*, und dabei sprang für Ed auch noch was raus."

"Und wie", meint Ingo. "Dein heißer Typ hat ihm ein schönes Trinkgeld gegeben."

"Wirklich?" Davon höre ich zum ersten Mal.

"Ihr habt miteinander geschlafen, oder?" Ich schließe für einen Moment die Augen, nicke leicht, und plumpse gegen die Rückenlehne der Couch. Als ich die Augenlider wieder öffne, lächelt Ingo. Sehe ich da so was wie Stolz? "Kaum bin ich weg, sitzt du wieder im Sattel … oder besser ausgedrückt, auf dem heißen Kerl. Respekt. Je schneller du Kilian vergisst, desto besser."

"Sehe ich auch so", bestätige ich ihm. "An Kilian denke ich kaum noch."

"Dann hat sich das 'Abschleppen' ja gelohnt. Nicht nur für Ed." Und wie es sich gelohnt hat! Ich beiße mir auf die Unterlippe und senke den Blick. Das scheint Ingo stutzig zu machen. "Warte mal … Ich kenne diesen Gesichtsausdruck!" Ich traue mich gar nicht mehr aufzuschauen. "Du bist verknallt!" Da haben wir es. Er hat mich durchschaut.

"Sieht man es mir so sehr an?", frage ich ihn und studiere die Tischbeine.

"Für jemanden, der dich kennt, ja." Meine Wangen fangen an zu glühen. Ich kann nicht sagen wieso, aber es ist mir peinlich, dass Ingo es herausgefunden hat, bevor ich ihm auch nur ein Sterbenswörtchen darüber enthüllen konnte. "Mensch, ist doch toll! Das muss dir nicht peinlich sein. Nicht vor mir." Warum wissen in letzter Zeit alle, was ich denke und fühle?

"Muss es nicht?"

"Na was denkst du denn? Ich freue mich für dich! Vergiss Kilian und stürze dich in ein neues Abenteuer!" So kann es auch nur Ingo formulieren. Ein neues Abenteuer. Genau so fühlt es sich auch beinahe an, muss ich zugeben.

Ich wende meinen Blick von den Tischbeinen ab und schaue Ingo wieder direkt an. "Es ist nur … Es kam alles so plötzlich und ich hatte Angst, dass du mich deswegen verurteilst." Jetzt ist es raus. Davor hatte ich wirklich Angst. Kurz nach einer zerbrochenen Beziehung wieder einen neuen Typen anlachen, das kann schon für Kopfschütteln sorgen. Ich schüttle ja selbst den Kopf über mich.

"Hast du sie noch alle?" Eben noch peinlich berührt, schäme ich mich nun richtig. "Ich freue mich für dich! Das habe ich doch gesagt!" Ingo knockt mir mit der Faust gegen das Knie.

"Ey!"

"Das hast du verdient." Hab ich das? "Aber mal ohne Flachs. Seit ihr zusammen, oder was ist das zwischen euch?"

Ich schüttle den Kopf. "Sind wir nicht." Ich höre mich enttäuscht an, was mich ärgert.

"Dann hattet ihr keinen Kontakt mehr, seit …?"

"Doch. Wir telefonieren miteinander. Meilo hat mir seine Nummer gegeben."

"Das ist ein Anfang." Ingo lächelt mich aufmunternd an. Sehe ich danach aus, als habe ich Aufmunterung nötig? Verdammt! So weit ist es also schon mit mir gekommen? "Hat er was anklingen lassen, ob er was Festes sucht?" Ich überlege. Hat er das?

"Nicht so richtig. Er erwähnte nur seinen Ex. Aber das hat nicht so hingehauen, weil er wegen seiner Arbeit viel herumreist. Es ist noch eindeutig zu früh, um zu sagen, ob er überhaupt dazu bereit ist, sich auf mich einzulassen." Oder ob ich es überhaupt bin.

"Und du? Wärst du schon bereit dafür?" Muss er das jetzt fragen?

"Soll ich ehrlich antworten?" Ingo bejaht. "Ich wäre es gern, aber ich bin mir nicht sicher wohin die Reise geht."

"Wohin soll sie schon gehen? Ins Bett natürlich."

"Ha ha. So meinte ich das nicht."

"Wie dann?" Er versteht es nicht. Woher auch? Ingo hat seinen Freund, sein, mehr oder weniger, geregeltes Leben, auch wenn er viel unterwegs ist.

"Siehst du es nicht? Ich lebe wieder bei meinen Eltern. Ich habe keinen Job. Jeder hält mich für verrückt, weil ich an meinem Programm festhalte. Selbst Kilian hat mich deshalb schlussendlich vor die Tür gesetzt …" Ich fahre mir mit der Hand übers Gesicht und spreche leise weiter. "Manchmal weiß ich nicht mehr wer ich überhaupt bin oder was mein Leben noch für ein Sinn hat." Es ist bitter, es zuzugeben. Und es schmerzt. "Ich habe das Gefühl, dass ich überhaupt nicht gebraucht werde. Weder von meinem Ex, meinen Eltern, denen ich auf der Tasche liege, noch vom Arbeitsmarkt. Keiner will mich. Meilo ist der einzige Lichtblick zur Zeit, und ich weiß noch nicht mal, was das mit uns ist, oder wird, oder sonst was ... Ach verdammt! Ich bin ihm doch niemals gut genug!" Ich reibe mir aus Verlegenheit über die Augen. Mein Leben ist wirklich ein einziger Scherbenhaufen! Wer will schon so einen arbeitslosen Versager wie mich? 'Kilian jedenfalls nicht ...'
 

Ich höre, wie Ingo aufsteht und um den Tisch herumhumpelt. "Hey … Nic." Er setzt sich neben mich, legt seinen Arm um meine Schulter und zwingt mich ihn anzusehen. Meine Augen brennen, aber ich verbiete es mir, jetzt auch noch vor ihm anzufangen zu heulen. "Du bist kein Versager. Rede dir das nicht ein. … Hey. Das wird schon."

"Das sagst du so einfach", krächze ich.

"Nein, das weiß ich! Hör auf dir einzureden, dass dich niemand will oder braucht. Wir alle hier brauchen dich. Von wegen Versager! Du bist nur etwas aus der Spur geraten. Das passiert jedem Mal von uns. Sieh mich an. Bevor ich Ed traf, hatte ich quasi kein Zuhause, trieb mich nur in der Gegend herum und saß den lieben langen Tag auf meiner Maschine.

Kopf hoch. Du wirst bald einen Job finden. Wenn nicht als Computerfritze, dann als was anderes. In der Zwischenzeit entwickelst du weiter und dann, eines Tages, wumms! Klopft jemand an deine Tür und will dich als Programmierer. Jetzt aber, kommst du erst mal auf die Füße, schnappst dir diesen unverschämt heißten Typen, den du dir an Land gezogen hast, und zeigst ihm, was für ein geiler Fang du bist." Ich kann gar nicht anders, und fange an zu grinsen. "Na siehste! Es geht doch!", lacht Ingo, zieht mich vollends an sich und drückt mich fest. "Und nun sag schon. Wie geil war es?"

"Was meinst du?", frage ich scheinheilig. Natürlich weiß ich, was er meint.

"Na der Sex! Wenn er dich schon so umgehauen hat, muss er ja wirklich gut gewesen sein." Ich schlucke und spüre, dass ich doch tatsächlich heiße Wangen bekomme. "So gut also? Du Glückskind!" Ingo lacht auf. "Erzähl!"

"Ich erzähle dir nichts davon." Wäre ja noch schöner!

"Biiiitte!"

"Nein!"

"Los!"

"Ingo!"

"Stell dich nicht so an."

Ich puste laut die Atemluft aus meinem Mund. Ich kenne ihn zu gut, um nicht zu wissen, dass er nicht eher Ruhe gibt, bis ich ihm einen Happen Info zugeschmissen habe. "Ich gebe dir einen einzigen Hinweis", sage ich deshalb leise. "Nur einen. Das muss reichen."

"Okay. Aber es muss ein guter Hinweis sein." Ingos Gesicht strahlt wie ein Christbaum. Ein ziemlich versauter Christbaum. Ed und Ingo sind wirklich total verschieden. Wahrscheinlich klappt es deshalb so gut zwischen den beiden.

"Ist es", verspreche ich ihm und beuge mich zu ihm. "Anale Punktlandung."

Ingo zieht die Augenbrauen hoch und seine Mundwinkel wandern langsam nach unten, dann sieht er mich neugierig an. "Echt?", fragt er leise nach.

"Und wie." Mir wird immer noch heiß, wenn ich daran denke.

Und zurück ist das Ingo-Grinsen. "Dein Erster?" Ich nicke. "Na meinen herzlichen Glückwunsch!"

"Äh ... Danke." Ob es dafür auch Glückwunschkarten gibt?**

"Ed bekommt von mir immer einen zum Geburtstag. Kurz nach dem Aufwachen lasse ich ihn meine Finger spüren, bis er ..."

"Stopp!", unterbreche ich ihn. "Wir wollten doch nicht darüber reden. Wegen Ed."

"Stimmt", schmollt Ingo. "Ich wollts ja nur mal erwähnt haben."

"Schön. Und ich muss jetzt jedes Mal an Eds Geburtstag daran denken, wie du es ihm zuvor morgens besorgt hast." Happy Birthday, sage ich nur. Very happy ...

"Was denn? Ich mache Ed jeden Tag glücklich, nicht nur an seinem Geburtstag. Das ist doch nichts Außergewöhnliches."

Ahh! To much information, Ingo! "Mann Ingo, du Spinner", gackere ich und klopfe ihm aufs Bein. Nicht fest. Er trägt ja einen Gips.

"Ich freue mich immer so, wenn du mich beleidigst, nachdem ich dir den Scheiß aus dem Kopf gewaschen habe." Er klopft mir im Gegenzug auf den Rücken und legt seinen Arm um meine Schulter.

"Danke dafür", grinse ich.

"Wozu hat man Nachbarn? Apropos … Hat du nicht was zu Beißen für deinen guten Nachbarn da?" Tsse!

"Wie wäre es mit lauwarmen Schokopudding?"

"Nur, wenn er eine schöne, dicke Haut hat." Uwäägs! Die Puddinghaut kann er gerne haben. Und das nicht nur, weil ich mich gerade viel lieber über eine ganz andere Haut hermachen würde ...
 

******
 

* Ja, ja. Mein Rechtschreibprogramm mal wieder. Aus abzuschleppen macht es doch mal ganz fix abzuschuppen. xD

Als ob Meilo Schuppen hätte. Also wirklich!
 

** falls nicht, mache ich selbst welche xDDDDDD

Love bite 05 - Ein Date unter Herkules

Ihr seid ja schon alle ganz gespannt auf das Konzert, wie ich feststellen durfte. Aaaaber. Bevor Niclas mit seiner Schwester ins Konzert 'darf', gönnen wir ihm noch einen kleinen Ausflug. Sozusagen als Erholung. ;-)

Was den Titel des heutigen Kapitels betrifft, ein Schelm, wer dabei an etwas Versautes denkt! xD
 


 

Love bite 05 - Ein Date unter Herkules
 

Der Anruf kam plötzlich und überraschend. Ich hatte noch nicht mal groß Zeit zum Nachdenken, weil ich mich sofort entscheiden musste. Trotzdem habe ich ja gesagt, bin in meine Karre gestiegen, habe sie für einen mehr als unverschämt hohen Literpreis vollgetankt, und bin losgebraust. Ich konnte einfach nicht anders. Ich musste es tun, denn Meilo hat mich zu sich gerufen.
 

Aufgeregt werfe ich einen Blick auf mein Navi. Nur noch wenige Kilometer. Es ist nicht mehr weit. Bald bin ich da.

Ich bin jetzt schon über zwei Stunden unterwegs, aber die Fahrt kam mir doppelt so lange vor, was nicht nur am mörderischen Verkehr lag. Mein Auto konnte gar nicht so schnell fahren, wie ich es gerne über die Fahrbahn gejagt hätte. Selbst wenn die Autobahn vollkommen leer gewesen wäre, hätte es das unmöglich gekonnt, denn falls doch, müsste es schon dazu imstande sein, sich zum Ziel zu beamen. Und dass das nicht geht, muss ich nicht groß erklären.

Ich bin so aufgeregt! Aufgeregt, nervös, gespannt und angespannt, alles nur wegen Meilos Anruf heute Morgen, aber vor allem freue ich mich. Endlich werden wir uns wiedersehen! Und das noch vor dem 14ten, an dem wir uns eigentlich erst wieder treffen wollten.

Da spielt es auch keine Rolle, dass während der Fahrt in mir die leise Frage aufkam, aus welchem Anlass er mich zu sich eingeladen hat. Was ist das heute? Ist das ein Date, um uns besser kennenzulernen, und weil er mich auch gern wiedersehen möchte und es bis nächste Woche nicht mehr aushält, oder hat Meilo mich nur angerufen, weil er jemanden für sein Bett will und sich gedacht hat, wo er schon mal in der Nähe ist, ruft er mich eben dazu an? Auch wenn ich es nicht will, und eigentlich weiß, dass er mich nicht nur für das Eine will, geistert mir diese Scheiße unaufhörlich in meinem Kopf herum.

Ich weiß, dass ich mir sehr wahrscheinlich unnötig darüber den Kopf zerbreche, aber dennoch kann ich nicht aufhören, mir diese Frage zu stellen. Ich habe Angst, dass letzteres eintreffen könnte, und dass Meilo nicht mehr von mir will, als eine lockere Bettgeschichte, was mir wiederum bloß nochmal verdeutlicht hat, dass ich auf jeden Fall mehr von ihm will. Viel, viel mehr. Vielleicht sogar zu viel, wenn man bedenkt, dass ich gerade erst aus einer Beziehung komme. Jedoch ändert das eben nichts daran, dass ich es will. Umso mehr bereitet es mir Panik, wenn ich an die 'nur Bettgeschichte' denke.

Ich klammere mich ans Lenkrad und atme tief durch. Ich werde Meilos Beweggründe auf keinen Fall herausfinden, wenn ich dem nicht nachgehe, nicht wahr?

Und ganz ehrlich, wenn ich an das Telefonat heute Morgen denke, kann ich sowieso nicht wirklich daran glauben, dass Meilo nur auf das Eine aus ist. Dazu hat er sich viel zu nervös angehört. Man hätte schon taub sein müssen, um nicht mitzubekommen, dass er versucht hat, seine Stimme gleichgültig klingen zu lassen, aber er konnte mir nichts vormachen. Und diese Tatsache macht mich noch immer furchtbar glücklich. Er will mich genau so gern wiedersehen, wie ich ihn. Und das bestimmt nicht nur, weil er jemanden für sein Bett braucht. Daran muss ich nur festhalten.

Als ich wieder an seinen Anruf denke, wird mir ganz warm ums Herz. "Es hat sich was ergeben", sagte er heute Morgen in aller Herrgottsfrühe zu mir. "Ich bin in der Nähe, und dachte ... ähm ... vielleicht hast du Lust vorbei zu kommen? Wir könnten was Essen gehen und ein wenig Zeit miteinander verbringen." Ich konnte nur mit großer Mühe einen Jubelschrei verhindern, sprang allerdings aus meinem Bett und lief unruhig ihm Kreis umher.

Und wie ich Lust darauf hatte! Da machte es mir auch nichts aus, dass Meilo mit 'in der Nähe', die Nordhessische Stadt Kassel gemeint hat.

Deutschlandweit betrachtet ist Kassel quasi ein Katzensprung weit von uns entfernt. Was sind da schon zweieinhalb Stunden Fahrt? Bis auf die grauen Haare, die mir vor lauter Ungeduld während des ganzes Weges gewachsen sind, nicht viel.
 

Hibbelig tippe ich mit meinem rechten Zeigefinger auf meinem Lenkrad herum. Stau. Natürlich. Dabei bin ich schon so nah! Müssen die ausgerechnet gerade jetzt eine Baustelle aufstellen? So kurz vor Kassel?

Apropos. Ich muss auf die andere Fahrspur, damit ich nicht die Ausfahrt verpasse. Ich hasse sowas! Stau, Baustelle, dichter Verkehr, Spurwechsel. Ein Albtraum! Und dann kenne ich mich auch nicht in der Gegend aus. Wie schafft Meilo das nur? Der gondelt doch ständig auf fremden Straßen herum. Ich an seiner Stelle wäre sicher schon durchgedreht. Vielleicht hat er ja deshalb seinen Arbeitsvertrag nicht verlängert. Mich würde es ankotzen, ständig unterwegs sein zu müssen.

Wie auch immer, ich setze den Blinker und hoffe auf gnädige Autofahrer, die mich rauslassen. Ich habe Glück, hebe brav mein Patschehändchen, um mich bei meinem Hintermann zu bedanken, und quetsche mich in die entstandene Lücke. Und wieder stehe ich Stoßstange an Stoßstange. Ein Hoch auf meine Klimaanlage, kann ich da nur sagen. Die Sonne scheint. Ich mag zwar schönes Wetter und vor allem die angenehme Wärme im Sommer, doch wenn man im Stau steht, ist der Sommer nicht allzu schön. Wer sitzt schon gern in einem Backofen aus Leder und Stahl?

Mein tippender Zeigefinger wird immer nervöser. Ich will endlich vorankommen!

Und dann, als hätte jemand vom Straßenverkehrsamt meinen stummen Wunsch vernommen, fährt die Blechlawine vor mir plötzlich los.

Ich gebe Gas und schaffe ganze fünf Meter, bis ich zwar auf der Ausfahrt stehe, doch wieder auf die Bremse treten muss. Bravo! Wenn das in dem Tempo weitergeht, bin ich erst heute Abend an unserem ausgemachten Treffpunkt angekommen. Ich bin jetzt schon spät dran, nur mal so nebenbei bemerkt.

Dämliche Autobahn! Dämliche Baustelle! Dämliche andere Autofahrer! Ich hätte den Zug nehmen sollen …
 

Es dauert eine geschlagene viertel Stunde, bis ich endlich runter von der Ausfahrt bin und wieder stehe. Diesmal vor einer roten Ampel. Na ja, wenigstens mal ein anderes Bild als Nummernschilder und Stoßstangen.

Der Verkehr in der Stadt ist zäh, aber er rollt wenigstens. Schon mal ein Fortschritt. Meilo will mich auf einem Parkplatz in der Wilhelmshöher Allee treffen, und mit mir in ein Restaurant gehen. Er hat das mit dem Essen wörtlich gemeint. Mich freut es total, nicht nur, weil ich schon seit gut einer Stunde richtig Kohldampf schiebe. Ich bin heute Morgen nicht wirklich zum Frühstücken gekommen, wie man sich vielleicht denken kann.

Mein Navi lotst mich sicher von Ampel zu Ampel, bis ich auf die Allee einbiege. Sie sieht ziemlich lang aus. Lang und kerzengerade, und je weiter ich fahre, desto länger kommt sie mir vor. Als dann auch noch Wiesen und Bäume, anstatt Häuser und Beton neben mir aufragen, frage ich mich, ob ich nicht doch irgendwo falsch abgebogen bin, aber mein Navi beruhigt mich. Laut seiner Aussage soll ich gleich links abbiegen. Da bin ich mal gespannt, denn wo zum Teufel hier ein Restaurant, geschweige denn ein Parkplatz sein soll, das bleibt mir vorerst noch ein Rätsel.

Nur noch ein paar hundert Meter, laut der Anzeige auf dem Bildschirm vor mir. Ich bremse schon mal ab und halte die Augen offen. Irgendwo auf der linken Seite muss es sein. Das meint auch die Ilse aus meinem Navi. Gleich soll ich angeblich den Parkplatz erreichen. Und tatsächlich taucht eine kleine Seitenstraße auf. Ich bremse, setze den Blinker und biege ab.

Langsam tuckere ich den Weg entlang, und Überraschung: Der versprochene Parkplatz! Er ist gut besucht, stelle ich fest. Dann mal auf zur Parkplatzsuche. Ich habe Schwein, und muss nicht lange suchen. Vor mir leuchten Rückfahrleuchten auf. Der Parkplatz gehört gleich mir!

Eingeparkt, stecke ich Handy und Geldbeutel ein, dann steige ich endlich aus. Hinter mir knallt die Autotür zu und ich strecke erst einmal meine von der Fahrt verspannten Muskeln, bevor ich mich nach Meilo umschaue. Ob er schon hier ist, oder besser gesagt, ob er noch hier ist? Ich schaue auf die Uhr. Viertel nach elf. Er wollte um halb elf hier sein.

Ich bekomme ein schlechtes Gewissen, weil ich viel zu spät bin und Meilo so lange schon warten muss. Ich habe ihm zwar eine SMS geschrieben, dass ich später komme, aber es nervt mich trotzdem. Wäre der dämliche Verkehr nicht gewesen, und die verdammten allgegenwärtigen Baustellen, wäre ich schon eher hier gewesen. Doch sei es drum, nun bin ich ja da. Hoffentlich ist es Meilo auch noch. Bitte, bitte!

Ich laufe ein paar Meter und halte die Augen offen. Vielleicht sehe ich Meilos Schlitten irgendwo stehen, doch das muss ich gar nicht mehr, denn plötzlich höre ich die mir nur allzu bekannte Stimme. "Nic!" Gegenüber, jenseits der Parkreihe rechts neben mir, steht er und winkt mir mit beiden Armen zu.

Ein heißer Schauer breitet sich von meinem Bauch in meinen gesamten Körper aus, der dann ganz von allein reagiert und losmarschiert. Er ist noch da! "Meilo!" Ich nehme die Beine in die Hand und quetsche mich durch die parkenden Autos hindurch.

"Da bist du ja endlich", lacht er, bevor ich überhaupt bei ihm bin.

In mir kommt wieder das schlechte Gewissen auf. "Tut mir leid!", rufe ich ihm zu. "Unterwegs waren lauter Baustellen und der Verkehr war furchtbar."

"Ach kein Ding", winkt er ab. Das erleichtert mich. Er scheint nicht sauer zu sein. "Hauptsache du bist da."

"Bin ich", antworte ich mit einem ebenso fetten Grinsen im Gesicht, wie Meilo es zur Schau stellt. "Hallo." Endlich stehen wir uns gegenüber. Live und in Farbe.

"Hallo", ahmt Meilo mich nach und zieht mich kurzerhand an sich.

Mit wild schlagenden Herzen erwidere ich seine Umarmung. Meine Nackenhärchen stellen sich auf und meine Haut kribbelt wie wahnsinnig. Ich drücke meine Nase gegen seine Schulter. Ich hatte ganz vergessen, wie gut dieser Kerl duftet! Und wie wundervoll es sich anfühlt, ihn endlich wieder zu spüren. Ich habe ihn wirklich vermisst ...

Wir halten uns ziemlich lange in den Armen, jedenfalls länger, als es bei einer normalen Begrüßungsumarmung von zwei Freunden der Fall sein sollte. Ein eindeutiges Zeichen, dass da mehr zwischen uns ist, als eine einfache Zufallsbekanntschaft, die sich zu einem Quickie trifft.

Als wir uns wieder voneinander lösen, nur ein kleines Stückchen, tauche ich ab in Meilos grüne Augen. Jetzt erst fällt mir richtig auf, wie sehr ich ihn doch eigentlich vermisst habe. Mehr, als mir die ganze Zeit über bewusst gewesen ist.

Es ist verrückt, aber so ist es. Dass ich diesen Kerl, dem ich bis jetzt nur einmal begegnet bin, endlich wiedersehe, bringt mein Herz zum Stolpern und meinen Bauch zum Kribbeln. Meine Mutter hatte heute morgen recht. Ich musste ihm nur nochmal begegnen, um mir meiner Gefühle voll und ganz sicher zu sein.
 

Nach Meilos Anruf war ich so durch den Wind gewesen, dass ich meiner Mutter gleich von seiner Einladung erzählen musste. Insgeheim erhoffte ich mir einen guten Rat von ihr, irgendwas, was mir die Nervosität hätte nehmen können, aber das konnte sie nicht. Sie versuchte mir zwar Mut zu machen, und sagte, dass das Treffen doch perfekt dafür wäre, um mir endlich klar darüber zu werden, wie das mit uns weitergehen soll.

Meinen Einwand, dass Meilo vielleicht gar nicht will, dass das mit uns weitergeht, als bloß bis ins nächste Bett, wollte sie nicht hören. "Fahr hin und werde schlauer. Ich wette mit dir, wenn ihr euch gegenüber steht, dann siehst du einiges klarer." Wie gesagt, sie hatte recht.

Ich sehe klarer und eindeutiger kann die Reaktion meines Körpers auf ihn echt nicht sein. Ich will Meilo nicht mehr gehen lassen, auch wenn mein Kopf immer noch nicht ganz davon überzeugt zu sein scheint. Aber den bekomme ich auch noch dazu. Hundert pro.
 

Ich kann mich an Meilos Augen nicht satt sehen, jedoch muss ich unbedingt etwas anderes begutachten, das mir zuvor schon aufgefallen ist. "Neue Frisur?"

Meilo grinst verlegen. "Ich dachte, ich mach mich ein wenig hübsch für dich." Das dachte er?

"Gefällt mir." Tut es wirklich. Ich kann nicht anders, und muss durch die hochgestylten Haare fahren. "Die Seiten sind auch kürzer, oder?"

"Ja, wurde mal wieder Zeit. Die wachsen immer so schnell."

"Schick." Auch dort muss ich meine Finger drüberfahren lassen. Ich liebe kurz rasierte Haare. So weich ... Ich kann nicht aufhören seine Seiten zu kraulen.

"Bevor das hier jetzt ausartet", kichert Meilo und schnappt sich meine Hände. "Lass uns rüber zum Restaurant laufen. Ich habe einen mordsmäßigen Hunger."

"Geht mir auch so", grinse ich. Obwohl ... Plötzlich ist mein zuvor verspürter Hunger wie weggeblasen. An was das wohl liegt? Oder besser gesagt: An wen das wohl liegt?
 

***
 

"Verrätst du mir jetzt, wozu wir den brauchen?" Skeptisch mustere ich den Rucksack, den Meilo sich vor unserem Aufbruch ins Restaurant aufgeschultert hat. Weder was er damit vor hat, noch was er darin verstaut hat, wollte er mir verraten.

Er hat ihn einfach neben sich auf den Stuhl gestellt, so, als ob er mich damit extra ärgern wollte. "Da ist mein Geld drinnen", meint er lapidar.

"Du musst aber viel Geld haben, wenn du schon einen riesigen Rucksack dafür brauchst." Meilo grinst breit. "Nun sag schon. Was ist da in Wirklichkeit drinnen?"

"Na schön", seufzt er, grinst jedoch noch immer. "Den brauchen wir für nachher."

"Und was tun wir nachher?" Ich fühle mich kurz ganz schrecklich unwohl, weil ich wieder daran denken muss, was mir während der Fahrt durch den Kopf ging. Was ist, wenn er Wechselkleidung in dem Rucksack hat? Wenn er mich hiernach in ein Hotelzimmer schleifen will?

Verflucht noch eins! Ich will keine bloßen Sex-Dates mit Meilo! Nicht nur zumindest. Ich will mehr, ihn kennenlernen, einen schönen Tag mit ihm verbringen, mit ihm reden, lachen, knutschen, aber nicht nur mit ihm vö... "Wandern", sagt er auf einmal und zerschlägt all meine Befürchtungen.

Ich atme erleichtert laut aus, was Meilo allerdings missversteht. "Dumme Idee?", fragt er mich unsicher. "Dann lassen wir es. War nur so eine Überlegung von mir."

Seine erneute Verlegenheit bringt mich zum Lächeln. "Nein. Das ist keine dumme Idee", beruhige ich ihn.

Jetzt ist es an Meilo, erleichtert auszuatmen. "Da bin ich aber froh", meint er. "Ich dachte schon, du fändest die Idee bescheuert oder wärst enttäuscht." Er senkt den Blick und kratzt an dem Ledereinband der Bestellkarte herum.

"Wieso sollte ich enttäuscht sein?"

"Weil ... Ich hatte Angst, du wärst nur gekommen, weil du dachtest, dass wir beide ... Na ja, du weißt schon." Den Kopf noch immer gesenkt, sieht er mich peinlich berührt an.

Nicht zu fassen, aber Meilo hatte die selben Gedanken und Befürchtungen wie ich! Allein das zeigt doch, dass er ebenfalls auf Mehr aus ist. Am liebsten würde ich über den Tisch hechten, und ihm meine Lippen aufdrücken. Nur die anderen Restaurantgäste hindern mich daran.

"Das dachtest du?", frage ich ihn lächelnd. "Echt?" Er nickt. "Willkommen im Club", kichere ich. "Die selbe Befürchtung hatte ich auch."

"Wie jetzt?", fragt er. "Ehrlich?"

"Ehrlich", gestehe ich.

"Oh Mann", gluckst Meilo und lehnt sich zurück. "Vielleicht hätte ich mich heute Morgen am Telefon genauer ausdrücken sollen. Dann wäre uns beiden das erspart geblieben."

"Ja, das hättest du mal besser getan", grinse ich und klappe die Speisekarte zu. Das scheint das Stichwort der Kellnerin zu sein, die umgehend auf uns zugeflitzt kommt. Wir bestellen, sie notiert sich alles fleißig, und rauscht wieder davon. Ich weiß nicht wieso, aber ihr Auftauchen scheint uns irgendwie die Gesprächsthemen genommen zu haben.

Stille. Meilo und ich schweigen, lächeln uns unsicher an und hören bloß das Plappern der Leute um uns herum, sowie das Klimpern ihrer Bestecke. Okay. Das ist, gelinde gesagt, eine verflucht dumme Situation. Sich anzuschweigen ist nicht gut. Ganz und gar nicht.

"Ist nett hier", sage ich aus diesem Grund unbeholfen. "Warst du schon mal hier?" Wenigstens ist mir noch mehr eingefallen, außer, dass das Restaurant nett ist. Hoffentlich fällt mir noch mehr ein, oder Meilo tut irgendwas, dass das Gespräch wieder in Schwung bringt. Mein Hirn ist plötzlich wie leer gefegt. Muss ein Nebeneffekt der Nervosität sein. Oder einer der Erleichterung. Wie auch immer, es nervt mich. Schalt dich wieder ein, da oben!

"Nein", antwortet er mir. "Ich war zwar schon ein paar Mal in Kassel, aber noch nie auf Wilhelmshöhe."

"Und warum hast du mich dann gerade in dieses Restaurant bestellt?" Auf dem Weg hier her habe ich genügend andere nette Restaurants gesehen. Aber nein, er wollte, dass ich fast bis in die Botanik fahre. Er muss sich also was dabei gedacht haben.

"Wegen dem hier", sagt er schlicht und klopft auf den Rucksack. Allem Anschein nach gucke ich ziemlich dämlich aus der Wäsche, denn Meilo fügt erklärend hinzu: "Ich wollte mir dir den Herkules besuchen."

Es dauert ein paar Stirnrunzler und Gedankengänge, bis kapiere, was er meint. "Ach den Herkules! Du meinst diese Statue." Ich weiß zwar nicht viel über Kassel, aber die große nackte Herkules-Statue kenne sogar ich.

"Wen hätte ich denn sonst meinen sollen?", fragt Meilo mich schmunzelnd.

"Ich weiß nicht. Vielleicht hast du ja einen Freund, der diesen wohlklingenden Namen trägt", erwidere ich frech.

"Du glaubst, ich habe einen Freund, der Herkules heißt?"

"Könnte doch sein." Ich zucke unschuldig mit den Schultern, und bin froh, dass unsere Unterhaltung wieder Fahrt aufgenommen hat.

Meilo stürzt die Lippen und blickt nachdenklich drein. "Ich kenne wirklich jemanden, der so heißt." Veräppelt der mich grade? "Einen Hund." Oller Scherzbold!

"Ein Hund zählt nicht", sage ich.

"Nicht?" Ich schüttle den Kopf. "Und der Herkules hier? Zählt der?"

"Hm ... Eher nicht", finde ich. "Ein Herkules aus Kupfer zählt auch nicht."

"Aber ...", überlegt Meilo "dann zählt es doch hoffentlich, dass ich mit dir hier bin?"

Meine Mundwinkel ziehen sich nach oben. "Ich kann jetzt zwar nur für mich sprechen, aber für mich zählt das einiges."

Meilo nippt lächelnd an seinem Getränk. "Mehr wollte ich nicht hören", nuschelt er in sein Glas, wobei mir seine Augen lüstern fixieren.

Mir wird heiß und ich muss mich räuspern. Ein Schluck Wasser täte mir sicher auch ganz gut.
 

Das Essen kommt recht zeitig, was mich verwundert, bei dem riesigen Gästeansturm hier. Wir waren froh, dass wir überhaupt einen Platz bekommen haben, und nicht draußen sitzen müssen. Ich hätte auch keine große Lust dazu gehabt, mein Essen mit einem Schwarm Wespen zu teilen, auch wenn es draußen sehr wahrscheinlich schöner gewesen wäre. Hinterher hätte unser Date im Krankenhaus stattfinden müssen, weil so ein Mistvieh einen von uns noch gestochen hätte.

Apropos Date. Ich muss ihn einfach fragen.

"Sag mal Meilo … Ist das hier jetzt eigentlich … ein Date?" Abwartend und ein kleines bisschen unsicher schaue ich ihn an.

Er war grade im Begriff, sich eine der Tortellini in den Mund zu schieben, hält jedoch inne und sieht mich ebenfalls an. "Da ich dich angerufen, und zum Essen eingeladen habe … Ja, das hier ist ein Date." Heftiges Kribbeln in meinem Bauch. Oh Mann! Ein Date! Wer sagt´s denn? "Es sei denn, du fühlst dich deswegen unwohl, dann …"

"Nein, nein! Das tue ich nicht", unterbreche ich ihn heftig. Vielleicht etwas zu heftig, denn Meilo lacht amüsiert.

"Das freut mich", grinst er und fischt sich die Tortellini von der Gabel.

"Warum sollte es mir auch unangenehm sein. Zum Essen lässt sich doch jeder gerne ausführen", necke ich ihn und zwinkere ihm zu.

"Ich dachte, dir wäre es vielleicht noch zu früh. Wegen Kilian."

"Oh." An den habe ich ja gar nicht mehr gedacht. Das sage ich Meilo auch.

"Dann bist du wirklich über ihn hinweg?" Ich höre sofort aus Meilos Stimme, dass er sich nicht sicher ist, ob er mich das fragen sollte. Das Thema Kilian blieb bei unseren Telefonaten meist tabu. Ich erwähnte es nicht, weil ich schlichtweg nicht mehr an meinen Ex denken musste, und Meilo ließ das Thema Ex sicherlich auch unangetastet, weil er Bedenken hatte, es anzusprechen und damit die Wunde erneut zu öffnen. Doch dafür gab und gibt es keinen Grund. Kilian ist ein Arsch, aber ich werde einen Teufel tun, und mich weiterhin deswegen schlecht zu fühlen. Ich habe ja auch gar keinen Grund mehr dazu. Und das habe ich dem heißen Kerl mir gegenüber zu verdanken.

"Ich schätze schon, dass ich über ihn hinweg bin", gebe ich Meilo zur Antwort. "Ich denke nur noch selten an ihn." Dafür an jemand anderen … Meilo sieht erleichtert aus. Ein wahrer Strom an Glücksgefühlen übermannt mich, als ich das sehe. Seine Reaktion ist mehr wert, als tausend Worte. "Mein Ex kann mich mal!", rufe ich ekstatisch, ernte einige komische Blicke der um uns sitzenden Gäste, was mir allerdings auch am Hintern vorbeigeht, und erhebe mein Glas.

Meilo tut es mir gleich und stößt mit mir an. "Auf dein Singledasein", grinst er und zwinkert diesmal mir zu.

"Auf mein Singledasein", wiederhole ich und grinse ebenfalls.

Single … So schön wie das ist, aber mit einem Typen wie Meilo vor der Nase, der ganz offensichtlich an mir interessiert ist, ist das nicht ganz so verlockend, wie man vermuten könnte. Wenn ich es mir recht überlege, ist sogar das Gegenteil der Fall. Zwar will ich mich immer noch nicht in die nächste Liebschaft stürzen, doch mein Herz hat schon längst entschieden, dass es genau das ist, was ich in Wirklichkeit möchte. Es versucht immer noch krampfhaft meinen Verstand davon zu überzeugen, und seit ich Meilo wieder getroffen habe, schwindet sein Widerstand immer mehr. So auch jetzt. Allerdings gibt es da eine winzige Kleinigkeit, die meinen Verstand noch immer beschäftigt.

Während ich in meinem Essen herumstochere, komme ich nicht umhin, Meilo genaustens zu mustern. Ich weiß ja, dass er gut aussieht, nett und ein lustiger Typ ist, gut im Bett und ein echt hervorragender Küsser ist, aber was weiß ich eigentlich sonst noch von ihm? Nicht viel. Nur das, was er mir am Telefon über sich erzählt hat, und diese Infos sind sehr überschaubar. Das sollte ich schleunigst ändern, findet zumindest mein noch nicht ganz überzeugter Verstand.

Also schön. Wenn ich meinen Verstand nur damit herumbekomme, werde ich Meilo mal ein wenig ausquetschen. "Du wohnst also in Berlin, wenn du nicht in der Weltgeschichte herumgondelst", ergreife ich auch sogleich die Initiative.

"Tue ich."

"Direkt in der Stadt, oder außerhalb?"

"In Mitte."

"Wow. Sicher teuer, oder?"

"Es geht", meint er und spießt gleich drei Nudelteilchen auf, die postwendend in seinem Mund landen. Habe nur ich das Gefühl, der versucht er mir auszuweichen?

"Wohin musst du denn als nächstes fahren?"

"Frankfurt am Main."

"Fährt man lange von hier aus?"

"Nein. So ungefähr, zwei, drei Stunden." Ich nicke und lächle schmal. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Meilo nicht darüber reden möchte.

Erst wurmt es mich, macht mich wieder skeptisch, aber eigentlich ist es auch verständlich, wenn ich genauer darüber nachdenke. Er hat mich zu einem spontanen Date eingeladen, und das, obwohl er so gut wie keine Zeit hat. Da möchte er sicher nicht über seine Arbeit reden. Ich wechsle am besten das Thema, aber über was könnte ich denn mal reden?

"Wie läuft es mir deinem Programm?", fragt er mich allerdings schon, bevor mir was Sinnvolles einfallen möchte. Noch ein Hinweis, dass er nicht über seine Arbeit sprechen will. Er versucht abzulenken. Gönnen wir es ihm.

"Ganz gut", sage ich. "Nur will mich leider immer noch keiner in diesem Bereich." Echt frustrierend.

"Werden Programmierer nicht immer gesucht?"

"Schon, aber irgendwie will es noch nicht so laufen bei mir. Außerdem werde ich oft wegen der von mir verwendeten Programmiersprache belächelt, weil das, was ich mache, mit dieser Sprache angeblich nicht umsetzbar ist. Ist es aber. Und das werde ich allen noch beweisen." Diese Idioten erkennen gar nicht, was da für ein Potenzial dahinter steckt! Noch nicht. "Ich muss einfach Geduld haben und ordentlich die Werbetrommel rühren", seufze ich. In den Fach-Foren bin ich schon einschlägig bekannt. Teilweise auch als dummer Spinner, aber wie gesagt: Ich werde es denen schon noch beweisen.

"Verzeih, wenn ich frage, aber gibt es denn so viele verschiedene Programmiersprachen?"

"Klar. Und jeder Programmierer schwört auf seine." Manche werden sogar richtig zickig, wenn man behauptet, jene oder diese Sprache sei besser. Ich durfte das schon am eigenen Leib erfahren, und halte mich deshalb in Zukunft aus solchen Diskussionen raus. Ich lasse einfach meine Arbeit in diesem Bereich für sich sprechen. Und bald wird man darüber sprechen. Ganz sicher.

"Ah so …"

Ich lache leise. Meilos resignierten Gesichtsausdruck kenne ich. "Ist dir zu hoch, hm?"

"Etwas, ja. Aber ich kenne mich auch nicht so wirklich damit aus. Computer sind für mich nur gut, wenn man sich damit Musik auf seinen Mp3-Player ziehen, und Schuhe kaufen kann." Schuhe? Interessant.

"Verstehe", kichere ich und hebe mir das Thema Schuhe erst einmal auf. "Dann werde ich dich mal nicht mit Einzelheiten langweilen."

"Das kannst du ruhig, aber du musst dich damit abfinden, dass ich kein Wort davon verstehen werde."

"Keine Sorge. Da bist du nicht der Einzige aus meinem Freundeskreis." Inzwischen habe ich mich damit abgefunden, dass niemand von meinen Bekannten und Verwandten meinen Erklärungen lauschen möchte. Es ist eben nicht ihr Ding. "Was hörst du denn gerne für Musik?", frage ich nach, wenn er mir schon eine Vorlage bietet.

"So gut wie alles, eigentlich. Am liebsten Rock. Aber auch House, Musik aus den Achtzigern, aktuelle Musik, was eben so im Radio läuft."

"Wie bei mir", nicke ich. In puncto Musik sind wir uns schon mal ähnlich. Ein nicht unwichtiges Kriterium. Es gibt nichts schlimmeres, als sich über die Musik zu streiten, oder welchen Sender man im Auto hört. Glaubt mir, ich weiß wovon ich spreche. Dazu siehe man nur Beweisstück A an: Meine Schwester. "Und was für Schuhe kaufst du dann, wenn du Musik auf deinen Mp3-Player gezogen hast?" Ich grinse ihn breit an.

"Du willst es aber genau wissen, was?"

"Dazu sind Dates doch da."

Meilo lacht, nickt dann und legt die Gabel weg, um einen Schluck zu trinken. "Hauptsächlich Sneakers", antwortet er mir. "Schuhe eben."

"Hört sich ja interessant an. Was für Farben kaufst du denn so? Rot? Blau? Bunt?" Ich muss mich beherrschen, damit ich nicht anfange zu lachen.

Meilo guckt irritiert, ein Bild für die Götter, sage ich euch, doch dann kapiert er, dass ich ihn nur veräppelt habe, und lacht leise. "Manchmal auch Grüne", feixt er. "So wie die, die ich heute anhabe."

Ich wage einen Blick unter den Tisch. "Grüne Chucks. Sehr fein", lautet mein Urteil. "Ein Mann mit Geschmack."

"Mit einem sehr guten, will ich meinen", grinst er und sieht mich intensiv an.

Nein, gegen seinen Geschmack ist echt nichts zu einzuwenden ...
 

Wir unterhalten uns noch eine Weile lang miteinander. Über dies und jenes, eher belangloses Zeug, aber das macht mir nichts aus. Es ist schön, sich endlich mal von Angesicht zu Angesicht mit Meilo unterhalten zu können, und nicht immer nur am Telefon.

Nach einer Weile schiebt Meilo dann jedoch seinen leeren Teller von sich, und auch ich habe längst aufgegessen. "Noch einen Nachtisch?", fragt er mich.

"Lieber nicht. Sonst darfst du mich zum Herkules hinauftragen." Ich reibe mir über den Bauch. Noch ein Bissen, und ich kann mit Sicherheit nicht mehr aufstehen. "Willst du gleich los, oder können wir noch ein paar Minuten sitzen bleiben?"

"Sitzen bleiben", ächzt Meilo.

"Bist du auch so vollgegessen wie ich?"

"Mindestens. Und das bei der Hitze." Da hat er nicht ganz unrecht. Vielleicht hätten wir weniger essen sollen, aber ich hatte Hunger und es war so lecker.

"Hast du genügend Wasser in deinem Rucksack?"

"Hab ich. Und Obst. Für den Fall, dass wir wieder am Verhungern sind." Meilo schmunzelt während ich gequält mit den Augen rolle.

"Kein Ton von Essen bitte."

"Ich wollte es nur erwähnt haben."

"Beruhigend zu wissen", lache ich und winke die Kellnerin heran.

Meilo übernimmt die Rechnung, er hat mich ja auch eingeladen, aber unangenehm ist es mich schon irgendwie. "Das nächste Mal zahle ich", verspreche ich ihm daher. Er grinst nur, als ob er sagen wollte: Glaubst du ja selbst nicht. Ich lass das mal so stehen.

"Okay. Können wir?" Ich prüfe meinen Gemütszustand und spanne den Bauch an.

"Ich denke ja", entgegne ich schließlich.

"Dann mal los!" Meilo steht auf und schultert voller Tatendrang seinen Rucksack. Irgendwie schon goldig, wie er sich darauf vorbereitet hat, und dass er sich so sehr auf diese Wanderung mit mir freut. Mir geht es nicht anders, auch wenn wir von mir aus auch bis heute Abend hier sitzen, und uns unterhalten könnten, anstatt durch die Hitze zu latschen. Aber Hauptsache, wir sind zusammen.
 

Draußen empfängt uns, wie erwartet, die unbarmherzige Sommerhitze. "Wir suchen uns nachher am besten schattige Wege unter den Bäumen", schlägt Meilo vor und setzt sich eine Sonnenbrille auf.

"Ganz deiner Meinung." Ist das warm! Wir sind keine fünf Meter gelaufen, schon läuft mir der Schweiß an den Schläfen hinab. Ekelig! Und das während unseres ersten Dates. Eigentlich sollte man erst so ins schwitzen geraten, wenn man anschließend zusammen in der Kiste liegt.

Bei dem Gedanken wird mir sofort noch heißer und ich muss zwangsläufig an unsere gemeinsame Nacht denken, wie so oft, doch Meilo dabei in meiner unmittelbaren Nähe zu haben, lässt die Erinnerung noch lebendiger werden.

Ich versuche mich zusammen zu nehmen. Ich kann jetzt unmöglich an Sex mit ihm denken! Das geht doch nicht! Aber einmal in Gang gesetzt, will der Film in meinem Kopf nicht enden. Ich kann ihn nicht anhalten, und das, obwohl mein Verstand sich noch immer so vehement dagegen sträubt, das, was ich für Meilo empfinde, anzuerkennen. Daraus soll einer schlau werden!

Ich versuche die Bilder in meinem Kopf im Zaum zu halten, bis wir an Meilos Auto angekommen sind. Mit ihm wollen wir ein Stück näher an den Wilhelmshöher Park fahren, dort einen Parkplatz suchen, und von da aus loslaufen. Von hier aus zu Fuß loszumarschieren würde zu lange dauern, vor allem, da der Park an sich schon groß genug ist, um sich die Füße platt zu latschen.

"Ich habe vorhin schon mal auf dem Handy nach einer guten Marschroute geschaut", erklärt er und fährt los. "Zuerst könnten wir uns das große Gewächshaus ansehen. Über die Sommermonate ist es zwar geschlossen, aber es ist auch von außen schön. Danach wäre es am gescheitesten, wenn wir rüber zu den staatlichen Museen gehen. Was meinst du?"

"Ähm, ja. Hört sich gut an", stammle ich und kämpfe immer noch gegen die Erinnerungsfetzen an. Ich kann ihm gar nicht in die Augen sehen! Ich studiere meine Sneakers und bekämpfe das aufkommende Pochen in mir, was ganz und gar nicht leicht ist, wenn Meilo so nahe neben mir sitzt.

"Nic? Alles klar bei dir? Du bist krebsrot im Gesicht. Verträgst du die Hitze nicht?" Na klasse! Er hat es gemerkt.

"Geht schon. Das Essen drückt bloß noch im Bauch", versuche ich meinen Zustand zu erklären und lächle schwach.

"Magst du einen Schluck trinken? Dann wird es vielleicht besser." Er ist im Begriff, nach hinten zu greifen, wo er seinen Rucksack deponiert hat.

"Nein lass nur!", halte ich ihn auf, nicht nur, weil er das beim Fahren nicht machen sollte. "Nach ein paar Schritten geht es bestimmt."

"Wie du meinst. Sag Bescheid, wenn du deine Meinung änderst."

"Mach ich", verspreche ich ihm und atme tief ein. Lenke deine Gedanken wo anders hin Nic!

Ich atme ein zweites Mal tief ein, weil das erste Mal erstaunlich gut gegen die Bilderflut in meinem Kopf geholfen hat, und betrachte die vorbeiflitzende Umgebung. Kein Anzeichen mehr, dass wir eben noch in einer Großstadt waren. "Richtig schön hier", sage ich. "So viel Natur, und das so unmittelbar zur Stadt."

"Warte ab, bis wir im Park sind", freut sich Meilo.

"Ich dachte, du warst hier noch nie."

"War ich ja auch noch nicht, aber wenn es auch nur halb so schön wird, wie es auf Maps ausgesehen hat, dann wird es klasse."

"Na wenn es auf Maps schon gut ausgesehen hat, dann muss es ja stimmen", grinse ich. "Ich bin gespannt." Meilo schenkt mir einen amüsierten Seitenblick und setzt den Blinker. Wir biegen auf nächsten Parkplatz ein.

Um hier parken zu dürfen, müssen wir ganze sieben Euro berappen. Skandalös, besonders, weil wir drei Runden fahren, bis wir eine freie Lücke gefunden haben. "Dafür, dass der Park so groß sein soll, haben die hier aber wenige Parkplätze", grante ich, nachdem ich mich aus dem Auto gequetscht habe. "Ist ja nicht so, als gäbe es hier keinen Platz." Wiesen gäbe es zur Genüge.

"Meckere nicht, wir haben doch einen Parkplatz bekommen", feixt Meilo und schultert den Rucksack.

"Ist ja gut. Ich bin schon ruhig."

"So ist es brav." Grüne Augen, die mich frech anfunkeln.

"Ich hatte fast vergessen, wie frech du sein kannst."

"Ich erinnere dich immer wieder gerne daran", lacht Meilo. Sein rechter Arm legt sich über meine Schulter, dann zieht er mich mit sich.

Wieder reagiert mein Körper äußerst heftig auf seine Berührung. Mein Herz schlägt so laut, dass ich es trotz des Verkehrslärm wummern hören kann. Sieh es endlich ein, Hirn. Ich bin unrettbar in Meilo verknallt.
 

Wir laufen über Wiesen, an der Hauptstraße entlang, bis Meilo anhält und mit mir die Straße überquert, was meine Libido wieder runterschraubt. Ich will ja schließlich nicht umgefahren werden.

Ein ganz schöner Verkehr hier. Jedoch sind nicht nur Autos unterwegs. "Hier ist ja der Teufel los", stelle ich fest. Überall Besucher. Wohin man auch sieht.

"Ferien und schönes Wetter", meint Meilo. "Wir können froh sein, dass nicht Wochenende ist." Da hat er sicher recht. Dann wäre hier noch mehr los. Etwas, auf das ich gerne verzichte. "Erst zum Gewächshaus?"

"Klingt gut." Gemütliches Schlendern ist angesagt.

Meilos Arm ist inzwischen wieder von meiner Schulter gerutscht. Zwar gefällt mir der Körperkontakt, doch bei der Hitze fängt man sofort an zu kleben. Wie bereits erwähnt, außerhalb des Bettes ist sowas nicht gerade toll.

"Das ist ganz schön groß", sage ich, als wir direkt vor dem Gewächshaus stehen.

"Es heißt ja auch so", schmunzelt Meilo.

"Wie alt das wohl ist?"

"Errichtet wurde es um 1822."

"Das weißt du?" Ich bin verblüfft.

"Es gibt so eine Erfindung, die heißt Internet. Da kann man sowas nachlesen." Er wedelt mit seinem Handy.

Ich lege den Kopf schief und verpasse ihm einen Knuff in die Seite. Aber dabei fällt mir was ein. "Ich mach ein Foto! Stell dich davor." Ich krame mein Handy raus, dann die Ernüchterung: "Shit! Akku leer!" Ich Dussel hab vergessen, es im Auto an den Zigarettenanzünder zu hängen.

"Komm her. Stell dich neben mich", fordert Meilo mich auf. Knips. Fertig ist das Selfie zu zweit.

"Das musst du mir aber schicken", sage ich schmollend, weil ich selbst so gern Fotos schieße.

"Mach ich."

"Danke." Wenigstens ein kleiner Trost.

"Guck doch nicht so. Oder bist du einer von der Sorte, die ohne Handy nicht können?"

"Das ist es nicht", murmle ich. "Ich mach eben gern Fotos." Das meine Mutter mich schon als einen verkappten Japaner bezeichnet hat, weil ich immer und überall Fotos mache, wenn wir unterwegs sind, auch früher schon mit unserer alten Kamera, erwähne ich lieber nicht. Sie ist da jedoch genauso wie ich. Nur dass sie früher immer von Nicole und mir tausende Fotos geschossen hat.

Meilos Mundwinkel zucken. "Dann übernimm du das doch", meint er schließlich und reicht mir sein Handy.

"Ach was! So dringend muss ich das auch nicht", winke ich ab. Eigentlich würde ich schon gern, aber das ist mir jetzt doch leicht unangenehm.

"Doch, mach ruhig. Ich hab da kein Händchen für." Verführerisch wedelt Meilo mit seinem Handy vor meiner Nase herum.

"Wenn du meinst …", sage ich und nehme es an mich. "Aber wehe du beschwerst dich, wenn hinterher dein Speicher voll ist."

"Falls du das schaffst, bin ich beeindruckt", tönt er. Meilo hat ja keine Ahnung, wie viele Speicherkarten ich schon voll mit Fotos vollgestopft habe. Darin bin ich ein Meister.

Ich lege auch gleich los, ändere vorher noch schnell die Fotoeinstellungen, damit auch die Qualität stimmt, stelle mich auf die Wiese vor dem Gewächshaus und versuche das Gewächshaus per Panoramamodus der Länge nach drauf zu bekommen. Nachdem ich das geschafft habe, präsentiere ich Meilo das Ergebnis. "Wenn du lauter Panoramaaufnahmen machst, ist es auch kein Wunder, wenn mein Speicher schnell voll wird", grinst er.

"Das schaffe ich auch im Normalmodus. Wirst schon sehen", antworte ich und knipse gleich noch eins von Meilo. "Wow. Du strahlst ja richtig." Quer über das Foto ziehen sich goldene Sonnenstrahlen.

"Musst du erst ein Foto schießen, um das zu bemerken?"

"No Comment", lache ich, werfe ihm einen frechen Blick zu und marschiere an ihm vorbei. "Kommst du? Ich will noch mehr Fotos machen!" Ich höre Meilo leise lachen, dann Schritte, die mir folgen und mich kurz danach einholen.

"Bin schon bei dir", raunt er mir ins Ohr und tätschelt dabei für eine winzige Sekunde meinen Hintern.

Ein heißes Pochen jagt durch mich hindurch. "Ich spüre es", krächze ich leise. 'Und wie ich es spüre ...'
 

******

Love bite 06 - Küss mich endlich, verdammt nochmal!

Immer noch kein Konzert weit und breit. *gg* Heute geht es erstmal in Kassel weiter. Und dann, nächste Woche, geht es zum Konzert.

Leider habe ich mich mit dem sechsten Kapitel etwas verspätet. Ich wollte es eigentlich heute Morgen schon hochladen, aber eine Augenentzündung hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich muss mir so eine doofe Salbe ins Auge schmieren. Etwas, das ich zutiefst hasse. Bin den ganzen Tag nur am Fluchen, Jammern und imaginären Augenkratzen. Ich darf ja nicht dran herumrubbeln, auch wenn ich gern würde. *grummel*

Jedenfalls, jetzt, wo sich die Schlieren der Salbe etwas verflüchtigt haben, und ich wieder was sehen kann, gibt es endlich das nächste Kapi für euch.

Viel Spaß dabei!
 


 

Love bite 06 - Küss mich endlich, verdammt nochmal!
 

Langsam tun mir die Füße weh. Was für ein Marsch! Was für eine Hitze! Ich bin versucht Meilo zu fragen, wie lange es wohl noch dauert, aber das habe ich erst vor ein paar Minuten, deshalb verkneife ich es mir. Ich will ja vor ihm nicht wie ein quengelndes Kind rüberkommen, vor allem, weil wir eigentlich noch gar nicht lange unterwegs sind. Wahrscheinlich kommt mir der Weg auch nur so lange vor, weil es bergauf geht, und weil mir mein Shirt vor lauter Schweiß am Rücken klebt.

Wir hält Meilo das bloß aus? Er hat ja noch den Rucksack auf, doch nicht nur das. Er führt uns so zielsicher und voller Enthusiasmus durch den Park, als hätte er in seinem Leben nie was anderes gemacht und als würde ihm die Hitze rein gar nichts ausmachen. Dank ihm, und der ihm verliehenen Weisheit von Maps, haben wir schon einiges zu sehen bekommen.
 

Nach dem Gewächshaus ging es zur nächsten Station: das große Gebäude der staatlichen Museen. Hinein sind wir nicht gegangen, zu wenig Zeit, aber von draußen war das in U-Form gebaute Gebäude auch sehr beeindruckend. Im Schatten der hohen Säulen haben wir die erste Trinkpause eingelegt.

Von dort aus ging es einen Weg entlang zur Halle des Sokrates. So beeindruckend war das Ding nun auch nicht, wenngleich es schon recht idyllisch aussah, so inmitten der Bäume.

Danach posierten wir vor dem Apollotempel, der direkt hinter dem Schlossteich liegt. Der war schon eher mein Fall und ich hätte am liebsten noch mehr Zeit dort verbracht und Fotos geschossen, doch Meilo drängelte. Er wollte unbedingt weiter, damit wir den Beginn der Wasserspiele beobachten konnten. Also marschierten wir weiter. Strammer diesmal, und immer darauf bedacht, sich größtenteils im Schatten aufzuhalten. Das einzige Problem dabei, andere Besucher dachten genauso. Zwar ist das Gelände sehr weitläufig, aber wir begegneten ständig irgendwelchen Leuten. Familien, Rentner- und Reisegruppen und Wanderer aller Art waren praktisch überall unterwegs. Was mich daran genau gestört hat? Das hinderte mich daran, mich etwas mehr an Meilo anzunähern.

Ich hätte gern mal einen Versuch gewagt, und vorsichtig nach seiner Hand gegriffen, aber bei dem Besucherstrom war ich mir unsicher, ob es ihm nicht vielleicht doch unangenehm wäre. Deshalb ließ ich es und ging stattdessen so dicht wie möglich neben ihm her. Irgendwann würde sich schon eine Möglichkeit dazu ergeben, dachte ich.

Unser nächster Halt war am Grabmal des Vergil. Eine Art, wie beschreibt man das am besten? Wie ein oben abgerundetes Hexenhaus aus Steinen. Mich hat das Ding auch nicht sonderlich vom Hocker gerissen. Meilo fand das Teil jedoch wohl richtig beeindruckend, denn er umrundete es ein paar Mal, wobei ich wieder mit Fotos schießen beschäftigt war, ehe er fertig war mit bestaunen, und mich danach wieder weiter scheuchte.

Ich war froh, dass wir größtenteils unter den Bäumen entlang gehen konnten, denn sonst hätte ich bei Meilos Tempo nicht mithalten können. "Bis wohin willst du denn eigentlich so eilig gehen?", fragte ich ihn nach einer Weile pustend, ehe ich mir einige gierige Schlucke aus der Wasserflasche gönnte.

"Wenigstens bis zur Neptungrotte. Von dort können wir zusehen, wie das Wasser die Kaskaden herunterrauscht und dann auf dem Rückweg alle wichtigen Stationen ablaufen." Herunterrauschendes Wasser? Verlockend.

"Und wo ist die Grotte?"

"Unterhalb der großen Kaskaden", gab er zur Antwort und deutete zum Herkules, der ständig so verdammt nah schien, doch der Marsch wurde und wurde nicht kürzer. Jedenfalls kam es mir so vor.

Ich stöhnte geschafft und fragte deshalb: "Meinst du, das ist noch sehr weit?" Ich kam mir so vor wie damals bei unserem Familienurlaub auf Sylt. Wir wollten am Strand spazieren gehen. Nur bis zu dem kleinen Restaurant, das man von dem kleinen Weg aus sehen konnte, auf dem wir standen, doch der Fußmarsch zog sich wie Kaugummi und dauerte mehr als eine Stunde.

Meilo blieb stehen, was meine Füße, die lange Spaziergänge nicht mehr gewöhnt waren, höchst erfreute, und sah sich um. "Da vorn ist die Plutogrotte", stellte er fachmännisch fest. "Nochmal ungefähr den gleichen Weg, wie vom Apollotempel bis hier her."

"Woher weißt du das alles?" Meilo brauchte noch nicht mal auf einen Plan oder sowas zu gucken, um zu wissen, vor welchem Bauwerk wir grade standen.

"Hab mich vorher informiert", meinte er lapidar.

"Ah ja", brummte ich. "Maps." Er nickte mich lächelnd an und trieb mich wieder zur Eile.

Augenrollend folgte ich ihm. Das nannte ich mal ein anstrengendes Date! Versteht mich jetzt bitte nicht falsch. Das soll nicht bedeuten, dass mir der Ausflug nicht gefällt, aber etwas gemütlicher hatte ich mir das Ganze schon vorgestellt.

Ich dackelte also neben ihm her, gab mir Mühe, mit ihm Schritt zu halten, und fing dann trotz des schnellen Tempos an, den Fußmarsch zu genießen. Die Umgebung war einfach zu schön, um sich über klebende Kleidung und schmerzende Füße zu beklagen. Und Meilos Versprechen, dass wir uns auf dem Rückweg Zeit lassen konnten, hob meine Laune noch mehr an. Er wollte eben unbedingt die Wasserspiele sehen und wenn man schon mal hier war, musste man das wohl auch.

An der Plutogrotte machten wir nur einen kurzen Halt. Meilo wollte auf dem Rückweg nochmal vorbei kommen, weil er sich noch die Teufelsbrücke anschauen wollte. Diese befand sich in unmittelbarer Nähe, doch Meilo wollte sie erst besichtigen, wenn das Wasser dort angekommen war. Trotzdem machte ich natürlich auch von ihr Fotos, ehe wir weiterliefen.
 

Als wir, laut Meilos Aussage, der Neptungrotte immer näher kamen, atmete ich erleichtert auf. Ein komisches Surren und Pfeifen lag in der Luft. Auf meine Frage hin, was das sein könnte, erklärte Meilo mir, das käme aus den Hörnern von zwei Statuen, dessen Metallblättchen, die dort im Inneren verborgen sind, durch den Luftzug des Wassers zu vibrieren beginnen. "Die leiten das Wasserspiel ein. Wir sind rechtzeitig", freute Meilo sich.

Wir machten es uns zwischen den ganzen Besucher bequem und stellten uns vor das große Becken. Es war echt die Hölle los! Überall Menschen. Kinder, die plärrend oder quietschend auf den Kaskaden herumkletterten. Das die das dürfen, wunderte ich mich. 'Wenn das Wasser da herunterplätschert, ist das sicher erfrischend', überlegte ich und wurde neidisch. Ich wollte auch im Wasser planschen!

Die Sonne schien gnadenlos auf uns nieder und die Aussicht auf einen kühlenden Wasserfall wurde immer verlockender. "Darf man den ins Wasser?", wollte ich wissen und deutete auf die ganzen Leute, die auf den Kaskaden herumspazierten.

"Sieht so aus." Meilo zuckte mit den Schultern.

"Dann lass uns baden!", kicherte ich scherzeshalber.

Meilo schmunzelte und setzte seinen Rucksack ab. "Trink lieber was. Abkühlung von innen sozusagen." Dankbar nahm ich ihm die Flasche ab. Die Andere war schon längst leer.

Und dann ging das Warten los.

"Wann fängt es denn an?", wollte ich von Meilo wissen, weil ich langsam ungeduldig wurde.

"Es hat doch schon längst angefangen."

"Wo denn?" Ich konnte kein herabstürzendes Wasser erkennen.

Meilo stellte sich plötzlich hinter mich und lehnte sich gegen meinen Rücken. Perplex hielt ich den Atem an, als er meine rechte Hand ergriff und sie hochhob. "Siehst du da oben? Die Fontäne?" Mein Blick flog nach oben. Ich sah sie sofort, aber ich konnte bloß schwach nicken. "Es dauert nicht mehr lange, dann kommt das Wasser über den Fels geflossen."

"Aha", flüsterte ich, auch wenn ich Meilos Erklärungen nicht ganz folgen konnte, weil sich durch seine unmittelbare Nähe die Härchen in meinem Nacken aufgestellt hatten und mein Herzschlag laut in meinen Ohren pulsierte. Trotz der Hitze bekam ich eine heftige Gänsehaut.

Enttäuschung machte sich in mir breit, denn gerade, als ich mich wieder einigermaßen im Griff hatte, und den Versuch starten wollte, meine Finger mit seinen zu verschränken, ließ er mich wieder los. Abgesehen davon, dass mein Plan, mit ihm Händchen zu halten, wieder vereitelt wurde, hätte er mich ruhig noch länger so im Arm halten können, obwohl ich dann sehr wahrscheinlich nichts mehr von den Wasserspielen mitbekommen hätte. Etwas, das ich allerdings mit Freuden verschmerzt hätte.
 

Das ist jetzt keine zwei Minuten her, und noch immer spüre ich den Druck seines Körpers an meinem Rücken, als würde er sich weiterhin an mich lehnen. Alles nur Hirngespinste, denn Meilo steht längst wieder neben mir und wartet, wie alle anderen Zuschauer, gespannt darauf, dass endlich das Wasser kommt.

Ich nehme noch einen Schluck aus der Flasche und versuche meine Gefühlslage wieder runter zu kommen. Ich will ja nicht, dass das Kribbeln in meinem Unterleib noch stärker wird und Dinge auslöst, die sich schwerer als meine Gedanken verbergen lassen.

Das gestaltet sich auf einmal leichter als gedacht, denn plötzlich schwappt oben am Anfang der Kaskaden das Wasser über und lenkt mich gekonnt ab. "Da kommt es!", jubelt Meilo und klopft mir auf die Schulter. Ich nutze die Gelegenheit und lehne mich trotz allem leicht zu ihm rüber.

Gemeinsam beobachten wir das Schauspiel, das, zu meiner Überraschung, mehrere Minuten dauert. In meinem Kopf sah ich wahre Wassermassen auf uns zu rauschen. Schäumende Gischt und lautes Rauschen, aber in der Wirklichkeit ist das ganze Spektakel doch recht zahm, obwohl es doch beeindruckend ist, wenn man bedenkt, wie lange es diese Wasserspiele schon gibt, und wie alt die Anlage schon ist.

Kinder springen aufgeregt herum, tollen im Wasser und schreien vergnügt, als das Wasser Stufe um Stufe nach unten schwappt. Ich schaue ihnen grinsend zu und beneide sie. Ich will auch ins kühle Nass!

"Nic?" Meilo tippt mir auf den Arm.

Ich drehe den Kopf zu ihm herum. "Hm?"

"Foto."

"Hab ich ganz viele gemacht", antworte ich und schwenke sein Handy in meiner Hand. Ich bin doch ständig am Knipsen.

"So meinte ich das nicht", lacht er und dreht sich mit mir zusammen herum. Nun verstehe ich, was er von mir will.

Ich halte das Handy vor unsere Gesichter, suche eine gute Perspektive, damit man auch den Herkules und einen Teil der Kaskaden hinter uns erkennt, und mache ein Foto nach dem Anderen.

Es dauert nicht lange, und unsere kleine Fotosession artet in eine alberne Grimassen schneidende Aktion aus. Mal strecken wir unsere Zungen raus, mal duckt sich Meilo so tief, dass es so aussieht, als wäre er viel kleiner als ich, einmal mit Sonnenbrille, dann wieder ohne oder sie sitzt an einer ganz anderen Stelle, als üblich, was uns nur noch lauter zum Lachen bringt. Der krönende Abschluss bildet jedoch Meilos Zunge, die mir quer über die Wange leckt.

"Ahh!" Lachend kneife ich die Augen zusammen. "Das Foto ist bestimmt nichts geworden", gluckse ich und gucke mir sofort das Ergebnis an. "Scheiße."

"So schlimm?"

"Wie man es nimmt", sage ich, halte Meilo das Handy hin und glotze selbst ganz gebannt auf das Display.

"Das nenne ich mal einen Schnappschuss!", staunt Meilo. "Das könnte man als Werbeplakat für Eiscreme benutzen." Eiswerbung? Könnte wirklich hinkommen, wenn man es genauer betrachtet. Mein vergnügt-verzogenes Gesicht, Meilo, wie er beinahe genüsslich an mir herumleckt, und im Hintergrund die in der Sonne glänzenden Wassertropfen. Denn genau in diesem Moment muss eins der Kinder seine eigene Wasserfontäne produziert haben, die direkt hinter uns empor spritzt. Es ist perfekt!

Bis auf eine Kleinigkeit. "Ich sehe kein Eis", wende ich ein. "Oder siehst du da eins."

"Hmhm. Du bist das Eis. Meine leckere Eiskugel. So unglaublich Sweet." Bumm, bumm. Mein Herz taumelt. Wie kann er sowas nur sagen? Und vor allem jetzt?

"Bin ich das?", frage ich mit rauer Stimme.

Bevor er mir antwortet, nimmt er mir sein Handy ab, steckt es mir in die Hosentasche und stellt sich vor mich. Ich werde verdammt nervös, als seine Arme sich auf meine Schultern legen, direkt neben meinem Hals. Er sucht meinen Blick und ich werde noch unruhiger als sowieso schon. Will er mich jetzt küssen? "Aber sowas von", säuselt er plötzlich, als hätte er meine Gedanken gelesen. Meine Haut prickelt und ich fühle mich mit einem Schlag so leicht, als könnte ich jeden Moment abheben. "Ich könnte den ganzen Tag an dir lecken." Schamesröte schießt mir ins Gesicht. So etwas hat mir noch keiner gesagt!

Langsam kommt er mir näher, mein Herz schlägt immer schneller und meine Knie immer weicher, doch dann: "Oh du Idiot!" Kichernd weiche ich ihm aus. Er hat mir doch tatsächlich über die Nase geleckt!

Meilo bricht in schallendes Gelächter aus. Ich werde losgelassen und stehe wieder alleine da. Meine gute Laune verschwindet schlagartig und ich komme auf dem Boden der Realität an. Er hat mich nicht geküsst.

"Wollen wir hoch gehen? Ich will endlich den Herkules sehen." Meilo steckt seine Wasserflasche neben in den Rucksack und schultert ihn sich wieder auf.

"In Ordnung", sage ich und schlucke hart. "Auf zu Herkules." 'Wenn du mich schon nicht küsst, dann gehen wir uns eben einen riesigen, nackten grünen Mann anschauen.' So eine Enttäuschung.
 

Niedergeschlagen folge ich ihm durch die Schar der Parkbesucher in Richtung Aufstieg. Wieso hat er mich nicht geküsst? Weil so viele Leute um uns herumstanden? Wohl kaum. Dann hätte er eben nicht so sehr mit mir herumgeflirtet während des improvisierten Fotoshootings, und über die Nase geleckt hätte er mir erst recht nicht. Dessen bin ich mir relativ sicher. Also was hat ihn denn sonst davon abgehalten, mir endlich seine wundervollen weichen Lippen aufzudrücken?

Oder hätte ich die Initiative ergreifen sollen? Hat er vielleicht auf einen Wink von mir gewartet, weil er sich unsicher war, ob er mich hier küssen darf?

Was war es denn jetzt nur? Wenn ich das wüsste!

Alles Grübeln bringt nichts. Ich begnüge mich vorerst mit Meilos Rückansicht, und schaue ihm dabei zu, wie er vor mir neben den Kaskaden entlang nach oben steigt. Aber auch sein Knackpo, der sich immer wieder an- und entspannt, kann meine Enttäuschung über die verpatzte Chance nicht schmälern. Ich hätte reagieren sollen. Hätte ihm zeigen müssen, was ich will. Ganz klar. Das nächste Mal, das schwöre ich, gehe ich aufs Ganze! Kein nervöses Warten mehr. Ich werde ihm zuvorkommen, bevor er mir wieder die Nase ablecken kann!

Nachdem ich mir das geschworen habe, geht es mir schon wieder besser. Dich kriege ich, mein Lieber! Das schwöre ich dir!
 

Beschwingt schließe ich zu Meilo auf und erklimme mit ihm die Kaskaden. Das Wasser rauscht neben uns hinab und schafft es, die Luft etwas abzukühlen. Himmlisch! Pech nur, dass ich schon nach einigen Metern wieder anfange zu schwitzen wie Sau. "Scheiße", japse ich, bleibe stehen und stelle mich an die Seite, damit die anderen Irren, die ebenfalls hinauf wollen, an mir vorbeilaufen können. "Wie viele Stufen sind das denn?" Ein Blick nach oben lässt mich innerlich zusammenklappen.

Meilo ist ebenfalls stehen geblieben und sieht mich amüsiert an. Lacht der mich etwa aus? "Weiß nicht. Ich hab nicht mitgezählt."

"Witzig", schnaufe ich und mopse mir die Wasserflasche aus Meilos Rucksack.

"Insgesamt sind es 885 Stufen."

"Wie viel?!" Und da jagt der mich hoch?! "Hättest du mir das nicht mal vorher sagen können?"

"Schon aus der Puste?" Boha! Er lacht!

"Sorry. Kann ja nicht jeder so eine Sportskanone sein wie du", zicke ich ihn an, bereue es aber sofort wieder. "War nicht so gemeint", sage ich reumütig. "Ich bekomme nur schlechte Laune, wenn ich erschöpft bin." Oder nicht in Form und dadurch einen schlechten Eindruck bei meinem heißen Date mache.

"Es sei dir verziehen. Pause?"

"Nein." Ich schüttle entschlossen den Kopf. Diese Genugtuung gönne ich ihm, und vor allem meinem faulen Körper, nicht! "Gehen wir weiter und bezwingen diesen Berg."

"Auf dass uns die Götter gnädig sind", frotzelt Meilo und hält mir seine Hand hin. "Ich ziehe dich." Sofort werde ich von neuer Energie erfasst. Wie könnte ich da widerstehen? Händchenhalten wäre somit so gut wie geschafft. Dann kann es bis zum Kuss ja nicht mehr weit sein.
 

***
 

"Ist die Perspektive nicht arg … unvorteilhaft?"

"Findest du?"

"Schon irgendwie." Ich lege den Kopf schief. "Ich fände es nicht so toll, wenn mich jeder von unten betrachten könnte."

"Hm … Sollen wir das mal testen?"

"Wie?" Ich drehe mich zu Meilo rüber, der links neben mir steht. "Ich soll mich nackt da hoch stellen?"

"Quatsch!", lacht Meilo. "Da kann dich ja jeder sehen. Den Test würden wir nur unter uns machen." Meilos Augen durchbohren mich. Mir wird leicht schwindelig, was nicht an der Höhe liegt, in der wir uns gerade befinden.

"Und wann?", frage ich ihn ungeduldig mit leiser Stimme.

"Heute leider nicht", seufzt er. "Aber vielleicht nächste Woche."

"Na das hoffe ich doch!" Okay, das war jetzt eventuell zu euphorisch, aber scheiß drauf!

Lachend legt Meilo seinen Arm um mich und schaut wieder am Herkules empor, vor dem wir endlich stehen. "Die Kletterpartie hat sich doch gelohnt, oder?"

"Hat sie", nicke ich, mustere einen weiteren Moment Meilos Profil und schaue dann zurück über meine Schulter. "Was für einen Aussicht." Man kann hinab bis zur Wilhelmshöher Allee schauen, die sich wie mit einem Lineal gezogen durch einen Teil von Kassel zieht. "Das war eine tolle Idee von dir, hier her zu kommen."

"Logisch. Schönes Wetter, gute Höhenluft, ein nackter Muskelprotz. Was will Mann mehr?"

"Ich wüsste da schon was", schmunzle ich und lehne mich dichter gegen Meilo.

"Ah ja? Was denn?"

"Ein schönes eiskaltes Wasser." Damit hat der Herr nun aber nicht gerechnet.

Erst guckt er mich leicht perplex an, doch dann zeigt er wieder das alt bewährte Meilo-Lächeln, das ich so sehr an ihm liebe, und setzt sich den Rucksack ab. Ohne ein weiteres Wort reicht er mir eine Flasche.

"Die ist aber nicht eiskalt", beschwere ich mich.

"Sehe ich aus wie eine Kühltruhe?"

"Eher nicht", gebe ich zu. Eigentlich wird mir bei seinem Anblick ziemlich heiß …

"Wenn wir unten sind, gebe ich dir ein eiskaltes Wasser aus. Jetzt musst du dich vorerst mit dem begnügen, das ich habe."

"Na gut. Dann runter mit dem Zeug." Wir grinsen und an, dann trinke ich und übergebe die Flasche wieder an Meilo, der auch noch einen Schluck nimmt, dann machen wir uns wieder auf den Rückweg.

"Hast du genug Fotos gemacht?"

"Schätze schon", antworte ich. "Deinen heißgeliebten Gott Herkules habe ich aus allen Blickwinkeln."

"Halbgott."

"Was?"

"Herkules ist ein Halbgott. Seine Mutter war eine Sterbliche."

"Oh Verzeihung", entrüste ich mich. "Wie konnte ich das denn bloß vergessen?" Kichernd stupse ich Meilo mit dem Arm an. "Hoffentlich ist er jetzt nicht sauer und schleudert seine Blitze auf mich."

"Der mit dem Blitzen war Zeus", klugscheißert Meilo weiter.

"Dich haben sie in der Schule oft verprügelt, oder?"

"Das bringt es eben mit sich, wenn man so schlau ist", gibt sich Meilo arrogant.

Ich schüttle lachend den Kopf. "Eigenlob stinkt."

"Ja? Dann mach doch mal den Schnuppertest."

"Lieber nicht", sage ich. 'Sonst falle ich noch hier und jetzt über dich her.'

"Lieber nicht? Was soll denn das heißen?!" Meilo bleibt stehen. Das Pärchen hinter uns mault und drängelt sich an uns vorbei. Idioten!

"Ich will an nichts riechen, das müffelt." Das klang jetzt irgendwie bescheuert, weshalb ich ihm frech zuzwinkere.

"Müffelt? Ich müffle doch nicht!"

"Na ich weiß nicht ..."

"Boha! Komm her!" Meilo greift nach mir.

"Wah!"

"Riech!"

"Meilo! Nicht!" Doch nicht hier!

"Erst wenn du sagst, dass ich nicht müffle!", lacht er und hält mich in einer Art Schwitzkasten, wobei meine Nase gegen sein Schlüsselbein gedrückt wird.

"Okay, okay", gebe ich japsend nach. "Ich nehms zurück!" Klar müffelt er nicht. Er riecht immer gut. Zum Anbeißen gut!

"Geht doch", meint Meilo zufrieden. "War das so schwer?" Ja, aber aus ganz anderen Gründen. Am liebsten würde ich ihn gar nicht mehr loslassen, sondern ihn neben auf die Wiese schubsen und mich auf ihn werfen. Zurückhaltung, Nic. Sei standhaft! Aber auch nicht zu standhaft, was gewisse Bereiche des Körpers anbelangt ...

Bevor das jedoch passieren kann, lässt Meilo mich wieder los, und wir nehmen den restlichen Abstieg in Angriff.

Man könnte meinen, dass bergab leichter sei als bergauf, allerdings ist selbst bergab zu laufen keine angenehme Sache, wenn man eine längere Strecke zurücklegen muss. Das geht ganz schön in die Knie!

Unten, zurück am Neptunbecken, knete mich mir die Kniescheiben durch, bis der unangenehme Druck verschwindet. "Wollen wir uns einen Moment lang auf die Wiese setzen?", fragt Meilo mich.

"Oh ja!" Von mir aus auch zwei oder drei Momente lang.

Abseits, im Schatten der Bäume, lassen wir uns im Gras nieder. Unwillkürlich muss ich an vorhin denken. Wie leicht es jetzt wäre, Meilo zu überwältigen, und unter mir zu begraben.

"Ist das schön hier", seufzt Meilo, der mit mir gegen einen dicken Baumstamm lehnt. Er kramt in seinem Rucksack herum und zieht eine Styroporverpackung raus. "Obst?" Meilo öffnet den Deckel. Akkurat geschnittene Fruchtstücke kommen zum Vorschein.

"Das hast du aber hübsch gemacht", schmunzle ich.

"Das habe ich vom Hotel fertig machen lassen, bevor ich ausgecheckt habe", verteidigt er sich.

"Gut mitgedacht." Lob muss sein. Ich hab ihn heute schon genug geärgert.

"Das geht runter wie Öl", schnurrt Meilo und legt seinen Arm um mich. "Hier. Bedien dich." Ein Stück Wassermelone soll es sein.
 

Zum wiederholten Male lehne mich dichter gegen Meilo, kuschle mich an ihn, und lasse den Blick in die Ferne Schweifen. Das Rauschen des Wassers, die vielen Leute ... Irgendwie scheint das plötzlich alles so unglaublich weit weg. Nur der warme Körper an meiner Seite fühlt sich real an.

Das Kribbeln und Pochen kehrt zurück. Mein Herz schlägt schneller und meine Haut, die Meilos berührt, glüht regelrecht.

Meilo stellt das Obst zwischen uns ins Gras. Diesmal nutze ich die Chance. Nein, ich küsse ihn nicht. Noch nicht, aber unsere Hände liegen extrem günstig, was heißt, ich schiebe meine in seine. Das hier ist richtiges Händchenhalten. Kein 'ich ziehe dich den Berg hinauf' Händchenhalten.

Ich traue mich gar nicht zu ihm rüber zu sehen, aber ich spüre seinen Blick auf mir ruhen.

Zweifel kommen in mir auf. Will er das nicht? Ist es ihm etwa doch unangenehm? Aber vorhin sah es doch so aus, als ob es ihm nichts ausmachen würde.

Als sich seine Hand allerdings fester um meine schließt, und sein Daumen über meinen Handrücken streichelt, erfasst mich Erleichterung. Ich wage es nun doch ihn anzuschauen und hebe den Kopf. Er sieht mich direkt an. Ich lächle und halte seinem Blick stand. Küss mich endlich! Na los! Aber Meilo macht keine Anstalten, mir auch nur im Entferntesten näher zu kommen.

Gut, dann muss ich das eben auch selbst in die Hand nehmen.

Ich strecke mein Kinn etwas in die Höhe und drehe mich noch ein Stück zu ihm. Sein Lächeln wird breiter und er beißt sich auf die Unterlippe, und ehe ich mich versehe, kommt er mir entgegen. Na wer sagt es denn?!

In mir brodeln sofort die Hormone über und ich habe das Gefühl, die Umgebungstemperatur steigt unmittelbar um das Doppelte an. Wir kommen uns immer näher, unsere Augen versinken in denen des Anderen. Gleich … Es fehlt nicht mehr viel …

"Ehhhh! Mama!!!" Meilo und ich schrecken auseinander. Unsere Köpfe fliegen herum, starren vor uns auf die Wiese, wo ein kleines Mädchen der Länge nach im Gras liegt und laut nach seiner Mama plärrt.

"Oh je", japst Meilo und steht auf.

Ich stehe derweil noch total neben mir und versuche mein Hirn wieder in Schwung zu bringen. Wollten wir uns nicht gerade küssen?

Mit aufkommender Enttäuschung schaue ich Meilo nach, der soeben an dem plärrenden Kind angekommen ist, und in die Hocke geht. Angepisst fixiere ich das Gör und stehe ebenfalls auf. Sicherheitshalber schnappe ich mir Meilos Rucksack, stecke zuvor die Packung mit dem Obst ein, und hänge ihn mir über die rechte Schulter, dann marschiere ich rüber zu den beiden.

Wenn das so weiter geht, bekomme ich nie meinen Kuss! Sicher wachsen mir inzwischen schon graue Haare, so rasant, wie meine Gefühle Achterbahn fahren. Das ist doch nicht zu fassen!

"Mama!!!", hickst das kleine Mädchen und liegt noch immer im Gras.

Meilo versucht sie zum Aufstehen zu bewegen, doch immer, wenn er das Mädchen berührt, und ihr aufhelfen möchte, schreit sie nur noch lauter. "Wo ist denn deine Mama?", fragt er die Kleine, aber die gibt ihm keine Auskunft.

An Meilos Seite, schaue ich mich um. Keine in Panik geratene Mutter, die ihr Töchterlein sucht, weit und breit. "Hast du dir weh getan?" Meilo redet weiter auf die Kleine ein.

"Mama!!!" Keine Reaktion.

"Sie will zu ihrer Mama", stelle ich sehr fachmännisch fest. "Wie heißt denn deine Mama?" Natürlich bekomme ich auch keine Antwort. "Und jetzt?"

"Suchen wir ihre Mama", beantwortet Meilo meine Frage.

"Und wie?"

"Sie wird hier schon irgendwo sein." Was er nicht sagt. "Bleib du hier, ich frage mich mal durch." Was soll ich?

"Meilo, warte mal! Ich …" Zu spät. Entschlossen stampft er davon. "Ich kann doch gar nicht mit Kindern", jammere ich und schaue ihm verdrossen nach.
 

Nun stehe ich da: Meilos schweren Rucksack auf der Schulter, sauer, weil wir uns wegen dem heulenden Kind, dass vor mir im Rasen liegt und den Wasserspielen vor uns bald Konkurrenz macht, immer noch nicht geküsst haben. Ich bin auf der Stelle sofort total überfordert mit der Situation. Was tut man, wenn ein fremdes Kind heulend vor einem liegt und nach seiner Mama schreit?

Seufzend stelle ich den Rucksack ab und gehe in die Knie. "Hör auf zu plärren. Deine Mama ist sicher bald da", brumme ich. Inzwischen winselt und hickst es nur noch. "Ey. Lebst du noch?" Aus Ermangelung an erzieherischen Talent piekse ich der Kleinen in die Seite. Daraufhin quietscht sie und rollt sich auf die Seite. Grinsend wiederhole ich das Spiel, mit dem selben Ergebnis. "Sag bloß, du bist kitzelig", lache ich.

"Bin ich nicht", schmollt sie und zieht die Nase hoch.

"Wenn du meinst", sage ich und setze mich im Schneidersitz neben sie. Knien tut meinen Kniescheiben nach der Belastung des Treppensteigens gar nicht gut. "Wie heißt du?"

"Darf ich dir nicht sagen."

"Sehr vernünftig", finde ich. "Ich bin Niclas." Ihre verheulten, großen Augen mustern mich skeptisch. "Kannst du aufstehen?" Sie schüttelt den Kopf. "Dann hast du dir doch weh getan." Keine Reaktion, was ich mal als ein Ja deute.

Ich begutachte die Kleine. Ihre Knie sind rot, bluten allerdings nicht. Sicher hat sie auch Schrammen an den Händen. Solcherlei Verletzungen hatte ich auch ständig. Ich war ein sehr tollpatschiges Kind. "Das verheilt ganz schnell wieder", versuche ich die Kleine zu beruhigen. Erneut kullern dicke Tränen an ihren Wangen hinab.

Wieder seufze ich, greife in den Rucksack und hole das Obst wieder raus. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie die Kleine mich immer neugieriger Mustert, während ich mich an den verschiedenen Obstsorten gütlich tue. "Was ist das?", fragt sie nach einer Weile.

"Obst."

"Was für Obst?"

"Gesundes." Die Stirn der Kleinen legt sich in Falten.

"Krieg ich auch was?"

Nachdenklich schiebe ich mir eine kleine Erdbeere in den Mund. "Ich weiß nicht", sage ich schmatzend. "Du solltest von Fremden kein Obst annehmen." Bin ich nicht erzieherisch wertvoll?

"Warum?"

"Aus dem selben Grund, aus dem du mir nicht deinen Namen verrätst", sage ich.

"Willst du mir was Böses?"

"Nein." Ich schüttle den Kopf. Man kann förmlich sehen, wie es in ihrem kleinen Köpfchen zu arbeiten beginnt. "Wenn Meilo deine Mama gefunden hat, dann fragen wir sie, ob du was vom Obst essen darfst", schlage ich ihr vor, doch ich hätte ihre Mutter nicht erwähnen sollen, denn keine Sekunde später verzieht die Kleine das Gesicht und beginnt schon wieder nach ihrer Mama zu plärren. Super Niclas! Mit Kindern kannst du echt gut umgehen!

"Hey! Klappe jetzt!" Ich schnipse eine Weintraube in ihre Richtung. "Deine Mama ist bestimmt nicht weit."

Durch die Weintraubenattacke ganz aus dem Konzept gebracht, hört ihr Geplärre tatsächlich wieder auf. Die kleine Traube ist auf dem Saum ihres Röckchens gelandet. Unsicher nimmt sie die Weintraube zwischen Daumen und Zeigefinger. "Ich würde die nicht essen", sage ich.

"Warum?"

"Weil deine Mama noch nicht da ist." Logisch, oder?

Trotz zeigt sich auf dem kleinen Kindergesicht. Ein Happs, und weg ist die Traube. Ich werfe ihr gleich noch eine zu. Nach der dritten Traube, fängt die Kleine meine geworfenen Obststücke gekonnt auf. Als würde man eine Ente füttern. Eine trotzige Ente.

"Lina! Da bist du ja!"

"Mama!" Eine besorgt dreinblickende Frau kommt auf uns zugeilt. Im Schlepptau: Meilo.
 

Ich packe schnell das Obst weg, bevor mich Linas Mutter erschlägt, weil ich ihr Töchterlein mit Lebensmitteln bewerfe, und stehe auf.

Meilo gesellt sich zu mir, während die Kleine in den Armen ihrer Mutter wieder Rotz und Wasser heult. Mädchen sind doch alle gleich. Kein Wunder, dass ich schwul geworden bin.

"Danke schön", japst Linas Mutter zu Meilo. "Sie ist einfach weggerannt."

"Ich wollte zu dem Waschbär", schnieft die Kleine. "Aber der ist um die Kurve in den Wald rein, und dann bin ich gestolpert." Ein Waschbär war also schuld an Linas Sturz. Ich muss mir ein Grinsen verkneifen, weil das Bild in meinem Kopf einfach zu köstlich ist. Von einem Waschbären ausgetrickst. Hätte auch mir passieren können.

Linas Mutter bedankt sich nochmals bei uns, dann trägt sie die Kleine von dannen. "Tschüss Lina", winke ich ihr nach. Und was macht sie? Streckt mir doch tatsächlich die Zunge raus! "Freches Gör!", knurre ich.

"Hast dich wohl gut mit ihr verstanden, während ich weg war, hm?", kichert Meilo.

"Du ahnst ja gar nicht wie gut."

Abermals kichert er und nimmt schließlich den Rucksack an sich. "Wollen wir uns über das restliche Obst hermachen?"

"Geht nicht."

"Wieso?"

"Davon ist nicht mehr viel übrig. Habs an die Kleine verfüttert." Selbst schuld. Er hätte mich eben schon viel früher küssen sollen.
 

***
 

Natürlich ist Meilo nicht eingeschnappt wegen des Obstes. Er fand es sogar recht lustig, dieser Schuft. Schmunzelnd legte er seinen Arm um mich und meinte, das nächste Mal würde er mehr Essen einpacken, jetzt, da er weiß, dass ich so gern streunende Kinder damit füttere. Ein dummer Kommentar lag mir auf den Lippen, aber ich konnte ihn nicht laut aussprechen. Zu sehr war ich damit beschäftigt gewesen, mich darüber zu freuen, dass es ein nächstes Date geben wird. Und ich hoffe ja mal stark, dass er damit nicht nur unser Treffen nächste Woche gemeint hat, denn dafür braucht er sicher kein Obst für einzupacken.
 

Nach diesem kleinen Zwischenfall beschlossen wir, uns auf den Rückweg zu machen. Es gab im Park noch viel mehr Wasserfälle und Fontänen zu sehen. Klar, dass wir uns das nicht entgehen lassen wollten.

In der Nähe der Neptungrotte machten wir einen kurzen Halt an einer Gaststätte, tranken das von Meilo versprochene eiskalte Getränk, dessen stolzer Preis Meilo wieder bezahlen durfte, und gingen so gestärkt weiter.

Kurzzeitig hatte ich Angst, dass wir uns verlaufen, denn Meilo nahm einen abzweigenden Weg nach dem Anderen. Als wir jedoch vor dem Fontänenreservoir standen, wusste ich wieder wo wir waren. Wir umrundeten es halb und machten uns auf den Weg zur Teufelsbrücke, die wir noch unbedingt sehen wollten.

"Wahnsinn", staunte ich und betrachtete das Wasser, dass unter der Brücke wasserfallartig nach unten rauschte. Wie laut das war! Überall Farne und Moos. Wären die vielen Leute nicht gewesen, hätte man sich hin und wieder wie in einem Urwald fühlen können.

Selbstverständlich mussten wir auch die Brücke betreten. Oben war im wahrsten Sinne der Teufel los. Ob daher der Name kam?

Leute drängten sich an dem Geländer und ich war kurz versucht, wieder umzudrehen, und ich hätte das auch getan, hätte Meilo nicht meine Hand geschnappt und mich mit sich gezogen.

Wir ergatterten uns sogar einen Platz am Geländer, was mir dann jedoch gar nicht geheuer war. Ich klammerte mich an Meilo und wagte kaum runter zu schauen. "Foto?"

"Mach du", rief ich ihm zu und gab ihm sein Handy. Mit einer Hand ging das allerdings nicht, und er musste mich loslassen. Mir wurde schwindelig und das Geländer musste zum Festklammern herhalten. Ich schloss die Augen und zwang mich, nicht daran zu denken, wo ich gerade stand. Es half nicht wirklich, und ich war heil froh, als Meilo mich wieder an der Hand weiterzog, runter von der Brücke.

Wir landeten wieder an der Plutogrotte und beobachteten das Spektakel an der Brücke von sicherer Entfernung aus. "Hast du Höhenangst?", wollte Meilo schließlich von mir wissen.

"Nur, wenn ich auf Brücken stehe, die voll mit Menschen sind", antwortete ich.

"Du hast gezittert."

"Mir war kalt", log ich.

"Ah ja", grinste Meilo, der mir nicht zu glauben schien. "Ist dir immer noch kalt?"

"Nö."

"Schade", seufzte er. "Dann rubble ich dich eben nicht warm." Ein frecher Augenaufschlag, und Meilo marschierte weiter.

"Äh … Warte doch!"
 

So ging es mehr oder weniger weiter. Meilo und ich verstanden uns blendend und er hatte immer einen Scherz auf den Lippen, oder gab mit seinem Wissen an.

Wir kamen am Höllenteich vorbei, machten einen Schlenker zum Aquädukt, wo wir wieder vor einem Wasserfall standen, der von einer Art römisch anmutenden Ruine hinabstürzte, liefen an den Peneuskaskaden entlang, an dessen Ende wir wieder auf den Apollotempel stießen.

In dem Becken davor, sprudelte die große Fontäne empor. "Lass uns auf die andere Seite gehen", schlug Meilo vor und zog mich abermals mit sich, bis wir auf der anderen Seite des Beckens standen. Von dort aus hatten wir einen wundervollen Blick bis hinauf zum Herkules. Atemberaubend, sage ich euch. Die Szenerie schrie geradezu nach albernen Selfies. Gedacht, getan.

Mein Ziel, den Speicher von Meilos Handy mit lauter Fotos voll zu bekommen, rückte in erreichbare Nähe.

Nachdem die Fontäne sich ihrem Ende zuneigte, schlenderten wir weiter. "Was hältst du davon, wenn wir einen Bogen laufen, und dann erst Richtung Parkplatz?", fragte Meilo mich.

"Gern. Gibt es da noch etwas zu sehen?"

"Den Lac. Ein großer Teich, in den das Wasser fließt, dass oben am Herkules gestartet ist."

"Dann auf zum Lac", verkündete ich, schnappte mir wie selbstverständlich Meilos Hand und lief mit ihm den Weg weiter entlang.
 

Und da sind wir nun, und stehen vor eben jenen Teich.

"Der sieht groß aus. Wollen wir den echt umrunden?"

"Warum nicht? Oder willst du wieder nach Hause fahren?" Ganz sicher nicht!

"Nein, ich habe Zeit."

"Wunderbar", strahlt Meilo und setzt sich wieder in Bewegung. Allerdings nicht am See entlang, sondern wir laufen erneut einen schönen schattigen Weg entlang. Ausnahmsweise sind wir ganz allein. Jedenfalls sehe ich keinen anderen Parkbesucher weit und breit. Die Vögel zwitschern, ansonsten ist es ruhig. 'Die Gelegenheit', denke ich, und schaue mich um, bis ich ein Fleckchen Erde erblicke, der perfekt ist.

"Warte mal Melio", stoppe ich und zeige zu der Stelle. "Ich will von dort noch ein paar Fotos machen." Notlüge, aber effektiv.

"Noch mehr?"

"Die Speicherkarte ist noch nicht voll", lache ich und verlasse mit ihm im Schlepptau den Weg.

Wir kommen an einer kleinen Anhöhe an, von wo aus man einen tollen Blick zum Museumsgebäude und den See hat. Das Museum liegt höher, während der See in einer Senke vor uns liegt.

Ich stelle mich auf eine Wurzel eines Baumes, um ein Stück höher zu stehen, und knipse ein paar Alibifotos. Meilo steht direkt neben mir. Leider gilt seine Aufmerksamkeit bloß der Umgebung. Eigentlich hatte ich mir erhofft, sobald wir allein und abseits sind, würde er die Initiative ergreifen, doch da habe ich anscheinend falsch gehofft.

Ich senke die Hand, mit der ich das Handy halte, und mustere Meilo. Das bemerkt er natürlich und sieht mich fragend an. "Fertig?" Das hat er mich jetzt nicht wirklich gefragt!

"Langsam aber sicher bin ich das", knurre ich. Meilos Stirnrunzeln bringt mich zum Seufzen.

"Alles okay? Durst?"

"Nein, ich habe keinen Durst!" Meine Geduld droht überzulaufen. Entweder er will nicht, oder er kapiert es wirklich nicht.

"Hunger?" Okay. Das Fass ist soeben übergelaufen.

"Scheiße Meilo!", zische ich. "Küss mich endlich, verdammt nochmal!" In der Sekunde, in der ich diesen Satz ausgesprochen habe, bereue ich ihn auch schon wieder. Shit, wie peinlich! Wie konnte mir denn das nun wieder herausrutschen?

Ich schließe die Augen und suche nach einer Erklärung für meinen Ausbruch, doch plötzlich legen sich zwei Arme um meine Taille. Und gerade, als ich die Augen wieder öffne, um nachzuschauen, was Meilo da tut, keuche ich auch schon überrascht gegen seine Lippen.

'Na endlich!', schießt es mir durch die Gedanken und mit einem Mal sieht auch mein Verstand ein, dass jeder Widerstand, Meilo zu widerstehen, zwecklos ist.
 

Mir fallen abermals die Augen zu. Mein Kopf füllt sich mit zuckersüßer Watte und jede Zelle meines Körpers scheint zu exportieren. Es fühlt sich beinahe so an, als sei dies hier unser erster Kuss, was er ja nicht ist, dennoch habe ich das selbe Flattern in der Brust, und das Rumoren in meinem Bauch, wie damals, als Meilo zu mir ins Bett geklettert kam, und mich das erste Mal geküsst hat. Es ist unbeschreiblich!

Ich fühle mich, als würde ich in Meilos Armen zerfließen und gleichzeitig wie Herkules persönlich. Stark, unbezwingbar und voll des Drangs, mir auf der Stelle die Kleidung vom Leib zu reißen. Meilos am besten gleich mit, bevor wir beide uns ins Gras fallen lassen und das tun, was wir in meinen Träumen jede Nacht miteinander tun. Ich weiß natürlich, dass das hier nicht geht, aber die Vorstellung an sich ist schon mehr als gut.

Ich höre, wie Meilo leise seufzt, und sich danach seine Lippen teilen. Seine Zunge muss erst gar nicht groß bitten, damit ich sie in meine Mundhöhle einlasse.

Ebenfalls seufzend empfange ich sie, umkreise sie mit meiner Zunge und sauge an ihr, bis wir das Spielchen in Meilos Reich fortsetzen.

"Oh Mann", keucht Meilo nach einer Weile, als wir dringend wieder Luft holen müssen. "Wieso haben wir den halben Tag lang hierauf gewartet?"

"Das wüsste ich auch gern", japse ich.

"Das nächste Mal küsse ich dich sofort."

"Ich bitte drum." Und wehe, er wartet wieder so lange damit, mir die Luft aus den Lungen zu saugen.

"Nic? Darf ich wieder ein kleines Andenken auf deiner Haut hinterlassen?"

"Ein Andenken?", kichere ich. Just in diesem Moment macht es bei mir Klick. "Einen Knutschfleck?"

"Vielleicht auch zwei", schmunzelt Meilo und zupft mit dem Zeigefinger den Kragen meines Shirts ein Stück nach unten. Er wartet gar nicht meine Antwort ab, sondern presst gleich seine Lippen unterhalb meines Schlüsselbeins auf die Haut.

Selbstredend habe ich nichts gegen ein paar Knutschflecken. Jetzt nicht mehr ...

"Schon fertig", schmunzelt Meilo, als er mir anscheinend seiner Meinung nach genug Flecken hinterlassen hat.

"Schon?"

"Hmhm", nickt er. "Aber denk dran. Ich zähle sie nächste Woche nach und vergewissere mich, dass da nicht noch mehr hinzugekommen sind."

"Keine Sorge. Ich passe auf, dass meine anderen Lover mir keine Knutschflecken hinterlassen." Eigentlich war das als Scherz gemeint, doch Meilo sieht plötzlich gar nicht mehr so glücklich aus. "Das war ein Scherz!", lache ich deshalb. "Du bist der Einzige, der an meiner Haut herumsaugen darf."

"Wirklich?"

"Wirklich", bestätige ich, wobei mir erst nach und nach klar wird, was das bedeutet.

Aber noch bevor ich darüber nachdenken kann, ob es jetzt gut oder schlecht war, was ich von mir gegeben habe, reibt sich Meilo auch schon wieder an mir und wischt alle Überlegungen beiseite. Das Einzige, dass noch durch meinen Verstand geistert, ist: Was solls? Es ist doch die Wahrheit!

"Wenn das so ist", wispert Meilo "sollen wir jetzt wieder weiter oben weiter machen?"

"Unbedingt!", pflichte ich ihm bei und bin umgehend wieder damit beschäftigt, an Meilos Lippen zu knabbern.

Eins ist klar. So schnell lasse ich ihn nicht mehr gehen. Weder jetzt beim Knutschen, noch aus meinem Leben. Und dass er das auch möchte, das muss er mir noch nicht mal sagen. Dazu langt es zu spüren, wie er mich begehrlich gegen den Baumstamm hinter mir drückt.
 

***
 

Grillen zirpen.

Die Sonne ist schon untergegangen. Nur der etwas hellere Himmel am Horizont lässt erahnen, dass die Sonne vor kurzem noch geschienen hat.

"Es kühlt ab", murmelt Meilo, der neben mir auf der Parkbank sitzt. Er hat seinen Arm um mich gelegt und ich habe meinen Kopf auf seine Schulter gebettet.

"Ja", antworte ich mit einem unschönen Grummeln im Bauch. Ich weiß, was bald kommen wird. Wir werden uns voneinander verabschieden müssen.

"Noch bis die Sonne untergegangen ist. Dann wird es Zeit für mich", hat Meilo vorhin gesagt, als wir am Parkplatz angekommen sind. Wir sind daraufhin noch ein Stück gelaufen, bis wir die Bank entdeckten, und es uns auf ihr gemütlich gemacht haben.

Und nun ist es also soweit. Die Sonne ist untergegangen, Meilo muss los und wir müssen aufbrechen. Ich schließe die Augen und schmiege mich noch dichter an Meilo. Meine Brust schnürt sich zu, wenn ich daran denke. Ich will mich noch nicht von ihm verabschieden!

Das inzwischen auch endlich mein Verstand eingesehen hat, dass jeder Einwand zwecklos ist, und dass ich diesen Mann liebe, macht es mir nur noch schwerer, Meilo wieder gehen zu lassen. Noch schwerer, als damals, nach unserer ersten Nacht auf Edies Hof.

Meilo tupft mir einen Kuss auf den Kopf und dann kommt, was kommen muss: Er steht auf. "Jetzt schon?", frage ich ihn, obwohl ich die Antwort bereits kenne.

"Leider ja." Und trotzdem tut mir die Antwort weh.

Dennoch setze ich ein künstliches Lächeln auf und nicke. "Wir sehen uns ja nächste Woche wieder."

"Eben", lächelt Meilo zurück und umarmt mich. "Und bis es soweit ist, schicke ich dir die Bilder von heute."

"Dafür wird dein ganzes Datenvolumen draufgehen", kichere ich.

"Mein Hotel hat gratis W-Lan."

"Hätte ich das gewusst, hätte ich noch mehr Bilder gemacht."

"Noch mehr? Du warst doch die ganze Zeit über nur am knipsen."

"Nicht die ganze Zeit über", grinse ich und schaue ihn vielsagend an. "Es gab auch Momente, in denen mir die Fotos vollkommen schnuppe waren."

"Ach ja? Welche den?"

"Weißt du das nicht mehr?"

"Nicht so genau."

"Dann frische ich dein Gedächtnis besser mal auf ...", säusle ich ihm zu und hebe meinen Kopf leicht an. Himmel, kann der küssen!
 

Der Weg zurück zum Parkplatz ist für meinen Geschmack viel zu kurz und wir sind schneller an Meilos Auto angekommen, als mir lieb ist. Wenigstens bleibt uns noch die Fahrt zurück zu meinem Wagen, aber auch die dauert nicht lange.

Meilo hat neben mir geparkt, denn der Parkplatz der Gaststädte ist so gut wie leer. Als ich aussteige, und Meilo ebenfalls nochmal aussteigt, lande ich sofort wieder an seiner Brust.

"Mach's gut. Und fahr vorsichtig", flüstert er mir ins Haar.

"Du auch." Meine Umarmung wird fester, während ich den Tag nochmal Review passieren lasse. Und dabei fällt mir ein, dass ich mich noch gar nicht bei ihm dafür bedankt habe. "Danke für den tollen Tag. Er war wirklich schön."

"So schön, dass wir das irgendwann wiederholen sollten?" Höre ich da etwa leichte Unsicherheit aus Meilos Stimme heraus?

"Logisch sollten wir das!", sage ich voller Inbrunst. "Am liebsten gleich morgen wieder, aber das geht leider schlecht."

"Na ja. Das ginge schon."

"Wirklich?" Ich bin auf einmal ganz aufgeregt.

"Das Problem ist nur, du wärst dann die meiste Zeit über allein, weil ich arbeiten bin."

"Oh." Nach einem kurzen Hoffnungsschimmer die Enttäuschung. Natürlich muss er arbeiten. Dazu fährt er ja nach Frankfurt. "Ich hätte eh nicht mit gekonnt", versuche ich uns beide zu trösten. "So lange Fahrten kann ich mir bei meinen finanziellen Verhältnissen im Moment nicht leisten." Traurig blicken wir uns in die Augen. "Wir sehen uns ja in einer Woche wieder. Halb so schlimm." Habe ich das vorhin nicht schon mal gesagt?

"Genau. Und denk an die Fotos."

"Genau", lache ich und werde erneut an Meilos Körper gezogen.

Fest pressen wir uns aneinander. Meilos Hände liegen auf meinem Rücken und streicheln mich dort sanft. Ich könnte ewig so stehen bleiben. "Okay Sweety! Es hilft nichts, ich muss." Nein! Ich mag ihn nicht loslassen! Jetzt noch nicht!

Ich klammere mich noch fester an ihn, als ob das was bringen würde, und höre Meilo leise lachen. Eine seiner Hände rutscht plötzlich tiefer und verpasst meinem Po einen Klaps. "Ups", gluckst er frech.

Nun löse ich mich doch ein Stück von ihm und schaue geradewegs in sein noch immer grinsendes Gesicht. "Nix ups! Da gehst du mir endlich an die Wäsche, und dann müssen wir uns voneinander verabschieden", schimpfe ich halbherzig. "Schäm dich!"

Meilo lacht auf und verpasst mir noch einen Knuff. Mehr! "Warte nur bis nächste Woche. Dann bist du fällig."

"Versprochen?"

"Hoch und heilig."

"Wehe, wenn nicht", zische ich, raube ihm noch einen stürmischen Kuss und setze mich danach schnell in mein Auto, bevor ich ihn gar nicht mehr loslassen kann.
 

******

Love bite 07 - Love bites

Meine Damen und Herren, das Geheimnis wird gelüftet. Ist Meilo das glitzernde Popsternchen Keith, oder nicht? Heute werdet ihr es erfahren. ;D
 


 

Love bite 07 - Love bites
 

Ich kann es nicht fassen! Warum ich?! Wieso nur? Wieso?!

Aber was jammere ich eigentlich? Ich bin ja selbst schuld an der ganzen Misere. Die Suppe habe ich mir freiwillig eingebrockt. Zwar in einem unüberlegten Moment, eine Kurzschlussreaktion quasi, aber trotzdem … Ich fasse es nicht!

Fassungslos und mich im höchsten Maße selbst bemitleidend, schiele ich die vier Mädchen mir gegenüber auf der Couch an, die kichernd und stöhnend ein Jugendmagazin vor sich liegen haben und darin die bunten, schrillen Keith-Bildchen darin ansabbern. Eine von ihnen ist meine Schwester. "Wann fahrt ihr den los?", fragt meine Mutter, die Getränke und kleine Häppchen vor sich herschleppt, und den quietschenden Mädchen zum Fraß vorwirft.

"In gut einer Stunde", antworte ich mürrisch und schnappe mir eins der belegten Brote. Hunger habe ich eigentlich keinen, dazu bin ich viel zu aufgeregt. Natürlich nicht wegen Keith, wie die vier Kichererbsen vor mir, wohlgemerkt. Wäre ja noch schöner.

"Ahh!!! Wir werden Keith sehen! Ich kann es noch gar nicht fassen!" Penelope zappelt wie ein durchgedrehter Schmetterling mit ihren Armen auf und ab.

"Ja! Und stellt euch doch nur mal vor, Keith ist im diesem Moment ganz in unserer Nähe!"

"AHHHH!" Ein trächtiges Kreischen. Ich verziehe das Gesicht und halte mir die Ohren zu. Womit habe ich das nur wieder verdient?

Einzig das Wissen, dass heute Nacht Meilo bei mir sein wird, lässt mich nicht total verzweifeln, oder gleich aus dem nächstbesten Fenster springen, nur um dem hier zu entkommen. Ich freue mich schon so sehr auf ihn! Es kommt mir so vor, als hätte ich Ewigkeiten auf diesen Tag hingefiebert, obwohl es nur neun Tage waren.

Das liegt wohl größtenteils daran, dass ich seit unserem Date in Kassel nur noch an ihn denken kann. Sogar noch mehr, als vor dem Date, und das will was heißen. Zudem habe ich seitdem das sichere Gefühl, dass wir uns inzwischen sehr sehr nahe stehen. Wir telefonieren seitdem noch mehr miteinander, schicken uns ständig SMS und wenn wir das gerade mal nicht tun, erwische ich mich dabei, wie ich die Bilder vom Herkules anstarre, die Meilo mir wie versprochen alle zugeschickt hat.

Gleich noch am selben Abend hatte er dieses Versprechen eingelöst. Es dauerte die halbe Nacht, bis die Fotos alle durch waren, aber das war es wert gewesen.

Und nun starre ich schon wieder auf eins der Bilder, und zwar auf genau das, welches laut Meilo so unglaublich passend für eine Eiswerbung wäre. Wie schön der Tag mit ihm gewesen ist. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen, und den Tag noch einmal mit ihm erleben …
 

Verdammt, wie sehr ich ihn vermisse! Und das Geplapper meiner Schwester und ihrer Freundinnen trägt nicht gerade zu meiner Erheiterung bei.

"Meint ihr, er wird sein neues Lied singen?", höre ich eine von ihnen in die kreischende Mädchenrunde fragen. Keine Ahnung, wie sie nochmal heißt. Mein Kopf ist mit ganz anderen Dingen beschäftigt, als mit der Namensfindung eines kleinen, blondgelockten Mädchens.

"Hoffentlich! Das ist so romantisch!", seufzt meine Schwester hingebungsvoll. Als ob die eine Ahnung von Romanik hätte! Schaff dir erstmal einen Freund an, bevor du über dieses Thema mitreden kannst.

"Oh ja! Und wie es das ist! Habt ihr den Song schon?"

"Klar! Hab's sogar als Liveaufnahme* von Youtube auf meinem Handy!" Wunderwerk der Technik. Heute kann man sich einfach alles auf ein kleines Smartphone laden und immer bei sich tragen. Wo war Youtube, als ich noch ein Teenie war? Aber wer braucht schon Youtube, wenn man Eiswerbebilder auf seinem Handy hat?

"Zeig mal! Kenne ich das?", quietscht eine der Mädchen. Kathrin, glaube ich, heißt das hyperaktive Ding.

"Das ist von vorgestern. Da war er in der Schweiz."

"Zeig her! Das kenne ich ja noch gar nicht!" Die vier ziemlich auffällig geschminkten Mädchen (sie sollten sich definitiv keine Transe als Vorbild in Sachen Make-Up nehmen!) drängen sich um das kleine Display eines Handys. Sie starren da drauf, wie ich, wenn ich das Bild der Eiscremewerbung anstarre. "Wie heißt der Song?"

"My love bite on your neck", sagt eine der Freundinnen meiner Schwester und schon hört man leise Gitarrentöne, die sich fest in mein Hirn hämmern. "Was heißt eigentlich love bite?"

"Knutschfleck", antworte ich leise und lasse den Rest meines angefangenen Brotes, sowie mein Handy sinken. "Das heißt so viel wie: Mein Knutschfleck auf deinem Hals."

"Gott, ist das süß!"

"Warum macht er mir nicht welche?" Kindisches Gekicher, das ich allerdings ausblende.

Wie gebannt höre ich auf den in englisch gesungenen Text, bekomme aber nur Fetzen mit, da mich jedes Wort, das ich verstehe, in helle Aufruhr versetzt. 'Ich hoffe, sie werden dich noch lange daran erinnern … letzte Nacht … so heiß … so intensiv … My love bite on your neck …

Ich erinnere mich seither in jeder einsamen Nacht daran … erinnere mich an jeden einzelnen Biss auf deiner süßen Haut … in dieser Nacht … nur wir beide …'

Ich werde unruhig und bemerke, dass ich unbewusst die Hand auf meinen Hals gelegt habe. Genau an die Stelle, an der mich noch immer Meilos Knutschflecken verzieren, die er mir im Park als Andenken hinterlassen hat.

Dieses Lied trifft meine Gefühle so genau, dass es mir fast schon Angst macht. Sehnsucht wallt in mir auf und ich schaue auf die Uhr. Noch acht Stunden! Dann kann Meilo seine love bites an mir erneuern.

"Das ist ja so schön! Und so anders", säuselt meine Schwester. Ich werde nervös und fühle mich irgendwie ertappt. Als hätte dieser Keith eben vor versammelter Mannschaft meine intimsten Gefühle preisgegeben. Ich fühle mich unwohl, dass die Mädels das gehört haben, was eigentlich totaler Schwachsinn ist, da sie von einen Gefühlen ja gar nicht wissen können.

Ich atme einmal tief durch und verdränge dieses irrationale Unwohlsein aus mir. Nach einem Bissen in mein Brot klappt das auch ganz gut. Der Song ist zu Ende, das Gefühl, ertappt worden sein, ebenfalls.

"Vielleicht macht er ja noch eine poppigere Version daraus", gackert eins der Hühner neben Nicole. Ich beiße genervt in mein Brot. Eine poppigere Version? Ernsthaft? Endlich mal ein Lied von dieser Transe, die mir nicht völlig auf die Eier geht, und die beschweren sich auch noch darüber! Aber was rege ich mich eigentlich auf? Erstens kann es mir egal sein, und zweitens habe ich besseres zu tun, als mich über ein Lied aufzuregen. Ich muss jetzt erst einmal das Konzert hinter mich bringen und dann ist Meilo-Zeit.

Doch bevor ich im Himmel, sprich, in Meilos Arme lande:
 

"Nicht so hastig!" Herr Gott nochmal! Sind die Mädels nicht schon alt genug, um zu wissen, wie man in einen Wagen steigt? Kreischend, lachend, quietschend und teils sogar stöhnend krabbeln die drei auf die Rückbank meines Wagens. Mein Schwesterherz haut sich auf den Beifahrersitz. "Kann's losgehen?!", rufe ich, als ich hinter dem Lenkrad sitze und den Motor starte.

"JAAAA!!!" Warum frage ich auch so blöd? Jetzt bin ich taub. Obwohl ... Taub lässt sich das Konzert sicher besser ertragen.

"Seit ihr auch alle angeschnallt da hinten?", ruft meine Mutter, die neben der Fahrertür steht und ins Auto schielt.

"Ja!!!"

"Fein." Ich winke meiner Mutter zu, die mich mitleidig angrinst (ja, ja. Schmiere es mir noch aufs Brot!) und gebe Gas. Die Meute jubelt noch lauter und zu allem Überfluss schmeißt Nicole eine CD von diesem glitzernden Schnulzenpopheini ein. Ich atme tief ein und reiße mich zusammen, nicht der aufkommenden Versuchung zu erliegen, mich ins Lenkrad zu verbeißen. Das tut immer so im Nacken weh, wenn man lenken muss.
 

Auf dem Parkplatz unweit des großen Konzertgeländes herrscht dichtes Gedränge und ich muss langsam fahren, damit ich niemanden umniete. Überall rennen aufgebrachte Teenager herum. Grell geschminkt, in Glitzerfummeln und Heels. Ich fühle mich unwohl und total fehl am Platz. Hier falle ich auf wie ein unbunter Vogel. Prompt stelle ich mir vor, wie es für meine Schwester sein muss, mit ihrem großen Bruder auf das Konzert ihres Idols zu gehen. Nein wirklich! Ich habe Mitleid mit ihr. "Nicole?"

"Hm?" Sie wirkt aufgeregt. Ihre Hände zittern sogar.

"Dein Handy ist aufgeladen?"

"Ja."

"Gut. Wir treffen uns nach dem Konzert in der Vorhalle am rechten Getränkestand."

Mit kullerrunden, großen Augen schaut sie mich an, während ich mich in eine freie Parklücke zwänge. "Willst du nicht mit?"

"Doch. Aber geht ihr schon mal vor. Passt aber ja auf euch auf! Papa reißt mir den Kopf ab, wenn er erfährt, dass ich nicht die ganze Zeit über wie eine Glucke über euch gewacht habe!"

"Niclas! Oh Danke!"

"Ja, ja. Schon gut. Ab mit euch." Die Bande springt aus dem Wagen und sprintet laut gackernd zum Eingang der großen Konzerthalle. Ich kann mir gerade so ein weiteres 'Passt auf euch auf' verkneifen. Hoffentlich passiert ihnen nichts! Ich hasse es, es zuzugeben, aber ich kann langsam erahnen, was Eltern wohl durchmachen müssen, wenn ihre Kücken flügge in die Welt hinausfliegen. Ich werde alt! Verratet Meilo nichts davon, denn was will er schon mit so einem alten Greis wie mir?
 

Gemächlich schlurfe ich hinter ihnen her, auf die moderne Konzerthalle zu, und fühle mich mit jedem Schritt älter, was diesmal nicht an meinen neu entdeckten Elterngefühlen liegt. Ich gehöre definitiv zu den Ältesten der Konzertbesuchern. Das steht fest. Ein paar wenige Elternteile kann ich ausmachen, doch ansonsten liegt das Durchschnittsalter etwa bei vierzehn, fünfzehn. Na ja, aber wenigstens bin ich nicht der einzige männliche Gast hier. Zwar muss ich nicht lange darüber nachgrübeln, welche sexuelle Richtung die Kerlchen hier haben, nur leider: Alle zu jung für meiner einer!

Moment! Was denke ich da wieder? Hallo Niclas?! Meilo kommt heute zu dir. Du musst dich also erst gar nicht nach Kerlen umschauen. Gegen Meilo kommt hier sowieso keiner an! Hundert pro nicht!

Meine Laune steigt wieder an, und ich bringe es sogar fertig, dem Kerl, der meine Eintrittskarte sehen möchte, fröhlich zuzulächeln. Der verzieht keine Miene, sondern schubst mich an sich vorbei. Sehr nett, du Grobian!

Kreischenden Teens ausweichend, betrete ich die hohe und helle Vorhalle. Aggressives Merchandise lässt grüßen, und das sogar schon vor Konzertbeginn. Die müssen es ja nötig haben. Weiter vorn sehe ich meine Schwester mächtig zuschlagen. Ich schleiche weiter, nicht dass ich ihren gekauften Kram auch noch schleppen darf. Den darf sie mal schön mit an der Garderobe abgeben. Ich schaffe es ungesehen an ihr vorbei und betrete den eigentlichen Konzertsaal. Wir haben Stehplätze, weshalb ich durch die Tür mit der Aufschrift Innensaal gehe, noch einmal meine Karte herzeigen muss, die mir dann auch noch eingerissen wird. Ey, die war teuer, Alter!
 

Lautes Geplapper empfängt mich in der großen, runden, kuppelförmigen Halle. Ich habe Glück, oder viel mehr meine Schwester und ihre Freundinnen, denn wir scheinen noch recht früh zu sein. Es ist noch nicht allzu viel los, und noch werden die Zuschauer ganz vorne eingelassen. Im Hintergrund läuft leise Musik. Erinnerungen werden wach. Genau hier fand vor Jahren ein Metallica Konzert statt. Ich mitten drin. Es war der Hammer gewesen!

Gemächlich schlendere ich weiter nach hinten, bis vor die erste von drei Absperrungen, die die Halle unterteilen, und lehne mich gegen die Konstruktion. Hier lässt es sich gut aushalten. Mit einem Auge auf die Tür warte ich ab, bis meine Schwester samt ihren Freundinnen ebenfalls die Halle betritt, und natürlich bis ganz nach vorn rennt. 'Viel Spaß dabei', denke ich und krame mein Handy hervor. Mal sehen, ob Meilo an sein Handy geht.
 

***
 

Die Lichter werden heruntergedimmt, bis sie komplett aus sind. Nur noch ein paar Spotlights auf der Bühne leuchten in einem warmen, orangenen Licht.

Enttäuscht stecke ich mein Handy weg. Jetzt macht es auch keinen Sinn mehr zu probieren, ob Meilo an sein Handy geht. Bei jedem meiner Versuche hat es mich lediglich gleich zur Mobilbox weitergeleitet, und ich habe in der letzten Stunde vergebens versucht ihn zu erreichen. Pech, doch ich nehme es gelassen. Sicher arbeitet er noch, oder fährt gerade im Auto herum. Noch ist Zeit. Viel, viel Zeit ...
 

Die Vorband hat nicht lange durchgehalten. Die Fans waren unerbittlich. Einige buhten sie sogar aus, obwohl sie gar nicht so schlecht waren, wie ich finde. Irgendeine noch recht junge Rockband. Ihren Namen habe ich mir nicht gemerkt.

Jetzt scheint es jedoch 'endlich' nicht mehr lange zu dauern, und gleich wird der Hauptact die Bühne betreten. Keith Kandyce, der feuchte Traum meiner Schwester, höchstpersönlich.

Lässig lehne ich mich gegen meinen hart umkämpften Platz an der Absperrung und verschränke die Arme vor der Brust. Das Gekreische der Fans ist fast unerträglich und lässt meinen Nervpegel gefährlich hoch ansteigen. Da freut man sich ja schon fast auf die Musik!

Weitere Lichtspots gehen an, Rauchschwaden verhüllen die Bühne, die ersten Töne erklingen. Sie kommen mir bekannt vor. Kein Wunder, nachdem Nicole mich seit Wochen mit dieser Scheiße quält, dürfte mir jedes dieser 'Lieder' bekannt vorkommen. Oder es liegt schlicht daran, dass sich einfach alle Songs dieser Retortenmusik gleich anhören? Auch möglich.

Die Nebelschwaden teilen sich, die ersten Musiker betreten die Bühne. Ah. Der werte Herr holt sich Livemusiker auf die Bühne. Wenigstens etwas. Die Schreie der Fans werden lauter, Mädchen drängen sich vorn gegen die Absperrung. Ich stelle mich auf Zehnspitzen und versuche meine Schwester auszumachen, doch es ist zu dunkel. Es wird ihr schon gut gehen. Hoffentlich ... Zur Not gibt es ja noch die Notfallsanis.

Die Stimme des ehrenwerten Keith Kandyce ertönt. Sie schallt echohaft durch die Halle, doch sehen kann man ihn noch nicht. Die Schreie werden lauter, Hände gehen in die Luft, ich werde ein paar Mal unsanft angerempelt und vor lauter Handydisplays erkennt man nichts mehr von der Bühne. Ich schüttle den Kopf. Solche Handyvideos werden doch nie was. Sound übersteuert, Bildquali scheiße. Dann doch lieber ein, zwei Bilder geknipst und dann das Konzert genießen, um sich später daran richtig erinnern zu können. Videos findet man heutzutage genug im Netz. Die Jugend von heute!

Die Nebelschwaden verziehen sich und Mr. Kandyce himself betritt die Bühne. Mit großen, ausladenden Schritten nähert er sich der Mitte der Bühne. Ein Mikro in der Hand, in das er hineinschmachtet, bis er ganz vor stehen bleibt. Die ersten Ohnmachtsopfer werden über die Absperrung getragen. Das ging ja schnell. Schade um die 80 Kröten Eintritt. Mein Schwersterlein ist nicht dabei. Gut. Ich will ja mein Geld nicht umsonst ausgegeben haben. Besonders, weil ich momentan nicht viel davon habe.

Der erste Song wird runtergesungen, und ich muss zugeben, singen kann er ja. Nur die Art der Musik ist zum Kotzen. Sorry, aber so ist es nun mal. Der zweite Song folgt auf dem Fuße. Der Beat wird einen Ticken schneller und die Fans ticken mit. Neben mir schreit sich eine fast die Seele aus dem Leib, und mir fällt siedend heiß ein, dass ich meine zuvor rausgesuchten Ohropax im Auto liegen lassen habe. Toll! Jetzt bleibt mir nichts anders über, als mein Trommelfell weiter quälen zu lassen, oder ...

Ich stoße mich von der Absperrung ab und will mich an die äußere Wand der Halle begeben, da endet auch der zweite Song. Es wird still. Selbst die Konzertbesucher verstummen und geifern erführchtig der Bühne entgegen. Ach? Auf einmal geht's? Die Schreiqueen neben mir hechelt aufgeregt und zittert wie Espenlaub. Sie will doch nicht umfallen wollen? Bitte nicht auf mich!

"Hallo Leute!", hallt Keiths Stimme durch die Halle. Aufbrausendes Geschrei. "Habt ihr alle Spaß?!" Noch lauteres Geschrei. Pfiffe. Mein Kopf fängt an sich zu drehen. "Ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mich freue, heute Abend bei euch zu sein! In dieser wundervollen Stadt!" Klick. Ich höre die Schreie nicht mehr. Höre die Pfiffe und gebrüllten Liebesbekundungen an Keith Kandyce nicht mehr. Als hätte mir eben jemand die Gehörgänge mit Wachs verschlossen, welches alle anderen Geräusche, außer Keiths Stimme, abschirmt.

Das Gefühl, ich würde mich um die eigene Achse drehen, wird schlimmer. Mein Magen fühlt sich total flau an, während ich wie gebannt auf die Bühne starre. Auf diesen kunterbunten Keith Kandyce, und frage mich: Kann das sein? Spielt mir mein Hirn gerade bloß einen üblen Streich?

Fest presse ich die Augenlider zusammen und öffne sie erst wieder, nachdem ich bis drei gezählt habe. Keine Veränderung. Keith redet, aber ich verstehe die Worte nicht. Höre nur den ganz eigenen Singsang seiner Stimme. Sehe, wie er über die Bühne stolziert, lacht und seinen Fans zuwinkt. Bei diesem Lachen saust eine Gänsehaut über mich hinweg. 'Das kann nicht sein', bete ich mir vor. 'Niemals!'

"Beim nächsten Song will ich, dass ihr alle in die Hände klatscht! Bekommt ihr das hin?!" Hände recken sich in die Luft.

Ich stoße mich jetzt doch von der Absperrung ab, gehe aber nicht auf die Wand rechts neben mir zu, sondern drängle mich, ungeachtet der bösen Blicke und Ellenbogenstupser, zwischen den Fans hindurch auf die Bühne zu, die ich wie hypnotisiert anstarre. Selbst die emporgehobenen Arme all der Fans halten mich davon nicht ab.

Musik erklingt. Die Menge klatscht und wippt im Takt mit. Ich habe Mühe mich nach vorn vorzuarbeiten, doch ich gebe nicht auf. Und ich schaffe es tatsächlich bis fast ganz nach vorn, bis mich die hysterischen Hardcorefans nicht mehr durchlassen und ich deshalb stoppen muss.

Jetzt stehe ich keine fünf Meter von der Bühnenabsperrung entfernt. Ich kann sogar meine Schwester sehen, der ich aber keine Beachtung schenke. Stattdessen starre ich mit wachsendem Entsetzen weiter den Kerl auf der Bühne an, mustere Keith Kandyce' geschminktes Gesicht, oder sollte ich besser sagen, das geschminkte Gesicht von "Meilo?"
 

***
 

Je länger ich ihn anschaue, desto sicherer werde ich mir. Das ist er! Das ist Meilo! Mein Meilo, den ich auf dem Parkplatz abgeschleppt habe. Den ich bei mir hab übernachten lassen. Den ich in mein Bett gelassen habe und am Ende sogar in mein Herz. Der Kerl, mit dem ich den Herkules erklommen habe, mit dem ich täglich telefoniere, dem ich meine Seele ausgeschüttet habe, und wegen dem ich mit meinem Handy ziemlich schmutzige Dinge getan habe.

Dieser Mistkerl!
 

Ich habe keine Ahnung, der wievielte Song das schon ist, seitdem mich diese furchtbare Gewissheit volle Kanone von den Füßen gerissen hat. Es ist mir auch egal, denn ich höre nicht hin. Starre nur auf die Bühne und versuche zu begreifen, was hier eigentlich gerade abläuft, versuche irgendeinen Hinweis zu finden, der mir sagt: Das hier ist nicht Meilo. Das kann er nicht sein. Der Kerl sieht ihm nur ähnlich, oder ist sein böser Zwilling. Doch ich finde keinen Beweis dafür, dass er es nicht ist. Das er es nicht sein kann.

Und zum tausendsten Mal frage ich mich, warum mir das nicht schon vorher aufgefallen ist. Die Antwort ist einfach. All die Bilder, die ich vorher von 'Keith Kandyce' gesehen habe, weichen durch all die Schminke schon sehr von dem Mann dahinter ab, dass man diesen erst auf den zweiten oder dritten Blick erkennt. Sicher sind die Meisten davon auch noch mit einem Computerprogramm nachbearbeitet.

Doch jetzt, wo ich seine unverkennbare Sprechstimme gehört habe, und ihn mir genauer anschaue, erkenne ich die bittere Wirklichkeit. Sein Gang, sein Lächeln, der durchdringende Blick, einfach sein ganzes Gebaren. Er ist es! Das ist Meilo!

Er tänzelt da oben umher, wird von all den Teenagern hier umjubelt und singt einen Song nach dem Anderen, und die Menge schmelzt deswegen dahin. Nur ich, ich stehe wie angewurzelt da und sterbe jedes Mal, wenn er beginnt zu reden und ich die mir nur allzu vertraute Stimme höre, und kann es noch immer nicht so recht begreifen, obwohl es doch so offensichtlich ist.
 

Der Song, den sie eben auf der Bühne gespielt haben, geht zu Ende und in mir kommt schon wieder dieses furchtbare Gefühl auf, dieses bangen auf die Sekunde hin, in dem Meilos Stimme wieder erklingt.

Das Licht erlischt und man kann Meilos Umriss erkennen, der nach einer Wasserflasche greift und etwas trinkt. Dabei denke ich zwangsläufig wieder an unseren Tag in Kassel. Was für ein schöner Tag das gewesen war ... Nein! Nein, das ist unmöglich mein Meilo! Das kann er nicht sein! Niemals!

Das Mikro knistert und wie befürchtet ertönt kurz danach seine Stimme. Meilos Stimme. Eindeutig und ohne jeden Zweifel.

Schauer rinnen über meinen Körper. Das Licht geht wieder an. Bühnen-Meilo redet weiter. Was, kann ich beim besten Willen nicht sagen. Und dann hält er plötzlich mitten im Satz inne und ... sieht er mich etwa?

Die Menge tobt, jubelt ihm weiter zu und er starrt immer noch in meine Richtung. Ich bin unschlüssig. Falls er mich wirklich hier unten sehen kann und erkannt hat, soll ich jetzt etwa lächeln? Ihn böse anfunkeln? Wahrscheinlich bilde ich es mir nur ein, und er sieht mich gar nicht. Doch dann rafft er sich plötzlich zusammen und geht hinter zu dem Kerl, der am Keyboard steht, flüstert ihm was ins Ohr, dieser nickt und dann stellt sich Meilo wieder vorn hin und zupft sich das Mirko aus dem Ständer. Mir wird heiß und kalt zugleich. Wie selbstsicher er sich da oben bewegt ...

"Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr einen ganz besonderen Menschen kennengelernt habt und wisst, das ihr ihn unmöglich jemals wieder gehen lassen könnt? Das Ziehen in den Eingeweiden, die Aufregung, wenn man mit diesem Menschen zusammen ist, oder einfach nur seine Stimme hört? Und obwohl man sich erst seit Kurzem, wisst ihr, dass das zwischen euch etwas Magisches ist.

Ihr müsst ständig an diesen jemand denken, auch wenn ihr gar nicht mit zusammen seid, und fiebert auf den Tag hin, an dem ihr ihn wiederseht." Er dreht sich zum Keyboarder, der die ersten Töne des nächsten Songs erklingen lässt. Mein Herz hämmert aufgeregt gegen die Brust. Das kann doch nicht ... "Genau das ist mir vor nicht allzu langer Zeit passiert. Ich bin jemanden begegnet, der mir nicht mehr aus dem Kopf geht, weswegen ich ein neues Lied geschrieben habe. Einige von euch werden es schon kennen … Das hier ist nur für dich, Sweety."

Ich schließe die Augen.

'Sweety ...' Unter mir bricht regelrecht der Boden weg.
 

Das kann nicht sein Ernst sein! Das hier ist ein schlechter Traum! Ein ganz schlechter! Doch als ich meine Augen wieder öffne und auf die Bühne schaue, ist Meilos Blick starr auf mich gerichtet. Er sieht nervös aus. Ängstlich.

Gut so! Geschieht ihm recht! Doch leider empfinde ich das Selbe wie er. Ängstlich und nervös starre ich zurück, denn ich kenne den Song und kenne den Text, wenn auch nur bruchstückhaft.
 

Die langsame Melodie lässt meine Brust zusammenschnüren und kurioser Weise muss ich daran denken, was Nicoles Freundin vorhin gesagt hat, und wie erleichtert ich bin, dass der Song nicht 'poppig' ist, wie die anderen zuvor.

Dennoch, am liebsten würde ich abhauen. Aber erstens geht das in diesem Gedränge schlecht, und zweitens fesselt mich Meilo viel zu sehr, als dass ich wirklich flüchten möchte. Um mich herum schmachtet die Menge, leuchtet mit ihren Handys der Bühne entgegen und ist dabei ganz still. Sie sind ihm verfallen! Ich schaue kurz hinter mich. Mädchen und Jungs bis hinten zur Wand. Oben auf den Sitzreihen, die sich unter der Kuppel entlangziehen, ist es genauso voll. Kein Platz scheint unbesetzt.

Wie viele Menschen passen in die Halle? Mindestens 10.000, wenn nicht sogar noch mehr. Sie alle hier himmeln Meilo an. Meinen Meilo! Mein Meilo, der gerade einen Liebessong für mich singt und ...

Mir wird schwindelig. Das kann er doch nicht machen! Er kann doch nicht einfach einen Liebessong schreiben, ihn singen, vor all diesen Menschen, und Gott weiß vor wie vielen noch! Einen Liebessong für mich!

Was will er damit bezwecken? Seine Fans beglücken? Mich beeindrucken? Ganz bestimmt erhofft er sich damit nicht, mich in irgendeiner Weise zu erreichen. ... Oder? Das will ich auch gar nicht! ... Oder? Zu viele Oder für meinen Geschmack. Zu viele Fragen, die mir den Kopf stürmen, während Meilo vor seinem Mikro steht, eingehüllt in ein warmes Licht und noch immer für mich singt und mich dabei geradewegs anschaut.

Als der Song zu Ende ist, wird auch der Spott gedimmt, der eben noch auf Meilo gerichtet war. Ich kann erneut nur noch seine Umrisse erkennen, was heißt, er sieht mich wahrscheinlich auch nicht. Ein Ruck geht durch meinen Körper und ich schiebe mich Richtung Ausgang. Ich muss hier raus! Ich brauche frische Luft!
 

***
 

Wie lange ich schlussendlich schon im Vorraum der Konzerthalle stehe, kann ich nicht sagen. Als ich dem Konzertsaal entkommen bin, lief ich blindlings zur nächstbesten Wand, an die ich mich lehnen konnte. Ich habe es tunlichst vermieden, zu einem der Merchandisestände hinüberzuschauen, musterte stattdessen meine Sneakers und schaute meinen Gedanken beim Herumwirbeln zu.

Drinnen geht das Konzert anscheinend langsam dem Ende entgegen. Vor wenigen Minuten hatten die Fans nach einer Zugabe geschrien, die Meilo ihnen auch prompt gewehrt hatte, aber jetzt ertönt kein einziger Musikton mehr. Zugabe Nummer zwei scheint dafür auszufallen. Die Fans schreien sich die Hälse wund, aber es scheint nichts zu nutzen. Ich kann Meilo verstehen. Mir wäre auch nicht nach einer Zugabe, wenn ich kurz davor vor versammelter Mannschaft einen Liebesschwur heruntergedrällert hätte.

'Oh Gott!' Mein Herz trommelt panisch gegen die Rippenbögen und mir wird leicht übel. Ich fasse es noch immer nicht, aber Keith Kandyce, der Kerl, den meine Schwester so abgöttisch verehrt, ist mein Meilo! Mein wundervoll witzig-frecher Meilo. Der Mann, den ich in mein Bett gelassen habe und, was noch wichtiger ist, in mein Herz!

Dieser verdammte Idiot! Warum hat er mir das verschwiegen? Wieso hat er mir in Kassel nichts davon gesagt? Deshalb hat er also kein Wort über seinen Job verloren. Ist es nicht so? Er wollte es vor mir geheim halten. Er hat mich an der Nase herumgeführt, er hat mich angelogen und ...

"Entschuldigung? Sind Sie Niclas?"

"Was?", zische ich sauer und schaue auf. Ein bulliger Kerl steht plötzlich vor mir. Er trägt ein Headset im Ohr und sieht damit sehr wichtig aus. Jedenfalls scheint er sich für sehr wichtig zu halten, so wie er auf mich herabstarrt.

"Ob sie Niclas sind", wiederholt er grollend.

"Warum wollen Sie das wissen." Ich kann auch bedrohlich gucken, wenn ich will. Nur sieht das bei diesen Typen sicher etwas wirkungsvoller aus, als bei mir.

"Sind Sie es, oder nicht?"

Ich atme genervt aus. "Ja. Ich heiße Niclas", knurre ich. "Also was wollen Sie von mir?"

"Ich soll Sie bitten, mir zu folgen." Was soll ich?

"Sicher nicht", grunze ich diesen Typen an und verschränke die Arme vor meiner Brust. Ich bin jetzt nicht in der Stimmung, einfach einem Typen zu folgen, nur weil ich dazu gebeten worden bin.

"Jemand möchte Sie aber gern sehen." Jemand? Soll ich raten, wer dieser jemand ist?

"Wer?", frage ich beißend nach.

"Meilo." Ich zucke zusammen und meine Wut verpufft. Ich bin verblüfft, dass er mir Keith Kandyce' richtigen Namen sagt. Doch wenn ich mich hier so umsehe, ist das wohl besser so. Die Fans trudeln langsam aus der Konzerthalle hinaus. Das heißt, meine Schwester wird auch bald hier sein. Oh Gott! Ich darf gar nicht dran denken!

"Dauert es lange?", frage ich nach.

"Das weiß ich nicht. Ich habe nur den Auftrag Sie zu ihm zu bringen." Hm. Na schön. Bis die ganzen Menschenmassen aus der Halle sind und an der Garderobe auf ihre Sachen waren, dauert es noch eine ganze Weile. In der Zwischenzeit kann der Kerl mich auch zu Meilo bringen, und dann Gnade ihm Gott! Der bekommt was zu hören! Das schwöre ich euch!

"Also schön. Bringen Sie mich zu Meilo." Der massige Typ geht voran.

Ich folge ihm, und komme dir dabei unweigerlich ebenfalls unglaublich wichtig vor, denn er schiebt die gackernden und kichernden Fans beiseite, macht Platz, damit ich durch kann. So fühlt man sich also als Star. Eine Erfahrung, auf die ich gerne verzichtet hätte. Obwohl das sicher ganz anders aussähe, wenn nicht ich, sondern Meilo ... ähm ... Keith Kandyce an meiner Stelle hier langlaufen würde. 'Was für eine Scheiße.' Ich kann es immer noch nicht fassen! Sicher ist das nur ein Traum. Ein ganz böser Traum …
 

Er führt mich an der schon gut besuchten Garderobe vorbei. Ganz hinten am anderen Ende des Vorraums, bleibt der Kerl schließlich stehen, öffnet mit einem Sicherheitsausweis eine große, schwere Doppelflügeltür aus Eisen, durch die er mich zuerst hindurchschiebt und hinter sich wieder schließt. Es piepst. Jetzt kann niemand hier rein, es sei denn, er hat auch eins dieser praktischen Kärtchen.

"Hier entlang." Rechts neben uns tut sich ein schmaler Flur auf. Ein paar Leute, ebenfalls mit Headsets im Ohr, rennen an uns vorbei, stürmen in einen Raum keine zwei Meter vor uns und quasseln leise und geschäftig miteinander. Kaltes Neoröhrenlicht erhellt die ganze Szenerie.

Laufen hier auch die ganzen Bands und Showacts herum, wenn sie hier auftreten? Latsche ich gerade über den Gang in dem auch vor Jahren die Mitglieder von Metallica gelaufen sind? 'Huu! Ich werde gleich selbst zum Fangirly!', denke ich sarkastisch, bloß um mich irgendwie von dieser surrealen Situation abzulenken, in der ich mich befinde.

"Hier wären wir. Warten Sie dort drinnen. Er wird bald bei Ihnen sein." Ich werde in einen Raum geschoben und dort allein gelassen. Allein, in einem kleinen, nicht wirklich einladenden Raum. Ich sag's doch. Vollkommen absurd! Ein Albtraum!
 

Ich seufze und starre gen Zimmerdecke.

Ich komme mir total dämlich vor. Ich stehe hier tatsächlich in Keith Kandyce' Umkleidekabine! Keith Kandyce … Meilo … Keith … Meilo …

Ich ringe kurz nach Luft und fahre mir unruhig übers Gesicht. Meilo ist Keith. Das gibt's doch nicht! Das ist so unfassbar irreal! Das kann nur ein schlechter Scherz sein, oder? Meilo will mich verarschen! Ja genau! Er will mich auf die Probe stellen, oder sowas ähnliches! So muss es sein, denn alles andere wäre einfach ein völliges Desaster!

Unruhig laufe ich in der kleinen Kabine umher. Und was, wenn es wahr ist? Wenn er mich nicht auf die Probe stellen möchte? Was wird dann aus uns? Oder anders ausgedrückt: Hat das mit uns eine Chance? Hat es die überhaupt jemals gegeben? Und nehmen wir mal irrwitziger Weise an, es hätte eine Chance, zu was macht mich das dann? Zu einem Starfucker? Ich bin am Ende die kleine Nutte, die Keith Kandyce zu sich ruft, damit er für die Nacht etwas zum Vernaschen hat?

Pech nur, dass ich weder Keiths kleine, willige Nutte sein will, noch will ich gleich von ihm vernascht werden. Das was ich will, ist Meilo. Mein alter, stinknormaler Meilo, der in meiner Fantasie irgendeinem stinknormalen Job nachgeht, wie jeder andere Normalverdiener in diesem Land.

Ich seufze.

Ja schön! Ich hatte null Ahnung mit was er genau seine Brötchen verdient, und nachgefragt habe ich auch nicht, weil ich dachte, die wenige Zeit zusammen ist zu kostbar, um sie mit Arbeitsgeschwätz zu vergeuden. Ist sie ja auch, aber bei aller Liebe, wenn jemand ein bekannter Sänger ist, erwähnt man das nicht wenigstens mal bei einem Date? So etwas Wichtiges verschweigt man doch nicht!

Was wäre so schwer daran gewesen, zu sagen: "Hey hör mal. Ich trage bei meinem Job Make-Up und Glizterfummel und bin damit recht erfolgreich."?

Ich seufze erneut und tigere weiter in der Umkleide hin und her, in der Hoffnung, dass mich das irgendwie weiter bringt. Vielleicht sollte ich mich mal in Meilos Lage hineinversetzen. Einen Versuch wäre es wert. Eventuell sehe ich dann klarer.
 

Noch einmal durchatmen. Okay.

Also ich bin Meilo und führe ein Doppelleben als Popsänger. Ich habe jemanden kennengelernt, den ich … sagen wir mal, den ich wirklich gern habe und unbedingt wiedersehen möchte. Aus diesem Grund sage ich ihm auch, dass ich ein Alter Ego namens Keith Kandyce habe und … Ich bleibe stehen und puste laut die Luft aus meinen Lungen. Wahrscheinlich wäre das mit der Keith-Sache doch nicht so einfach zu erklären gewesen, aber er hätte es mir dennoch sagen müssen, finde ich. Dann hätte ich ...

Ja was hätte ich dann? Die Flucht ergriffen? Ihn ausgelacht und gedacht, dass er mich veräppelt? Wahrscheinlich letzteres, mit dem Ergebnis, dass er sicherlich geknickt gewesen wäre und wir hätten keinen schönen Tag miteinander verbracht, sondern uns vielleicht sogar noch in den Haaren gelegen.

Und wieder seufze ich und setze mein Hin- und Hergelaufe fort. Dann war es eventuell doch ganz gut gewesen, dass er es mir nicht gesagt hat. Obwohl es nicht richtig gewesen ist, es zu verschweigen. Oder?
 

Verdammt! So komme ich nicht weiter! Ich bin hin- und hergerissen. In meinem Hirn herrscht denkfreie Zone. Wie ich es auch drehe und wende, ich komme nicht weiter. Ich brauche dringend jemanden zum Reden! Das steigt mir langsam echt über den Kopf!

Was würde ich dafür geben, den Meilo, den ich bis vor ein paar Stunden noch geglaubt habe zu kennen, jetzt bei mir zu haben. Nicht den tuntigen Sänger, der meiner Schwester das Höschen ... Oh Gott! Denk doch nicht an sowas, Niclas! Weder an das Höschen meiner Schwester, noch daran, dass sie wahrscheinlich Keith Kandyce' größter Fan unter der Sonne ist. Das kommt ja noch erschwerend dazu, merke ich gerade!

Wie bringe ich ihr das nur bei? Ich bin am Arsch, wenn sie das rausbekommt. Sie killt mich, und danach werden weder Meilo noch ich jemals wieder eine freie Minute füreinander haben, falls wir uns denn überhaupt jemals wiedersehen.

Mir wird schlecht, als ich mir das vorstelle.

Ihn niemals wiedersehen ... Nein! Das wäre das Furchtbarste von allem! So verzwickt, wie das Ganze zwar ist, bleibt es dennoch dabei, dass ich mich in Meilo verliebt habe. Was mich dazu bringt, mich zu fragen, was ich jetzt tun soll. Ich weiß es nicht. Ich weiß es echt nicht …
 

Völlig ratlos schaue ich mich in dem Raum um, in den mich der Kerl mit dem Headset zurückgelassen hat. Ablenkung ist angesagt, denn alles Grübeln bringt mir sowieso nichts, solange der Grund des Grübelns nicht hier ist, und dann hoffentlich eine saugute Erklärung für mich parat hat.

Ohne Zweifel befinde ich mich in einer Umkleide. Hier hat sich mein lieber, netter Meilo also in die tuntige Version seines sonst so liebenswerten Ichs verwandelt. Kaum vorstellbar, aber so muss es sein, denn überall sehe ich deutliche Anzeichen dafür.

Der Raum ist nicht sonderlich groß, reicht aber dicke für eine Person. Ein großer Spiegel, der fast die gesamte Wand einnimmt, zu meiner Linken, auf dem unzählige Schminkutensilien stehen. Mir wird kurz wieder schwindelig, als ich das Zeug sehe, doch ich reiße mich zusammen. Der Spiegel wird stilecht von dicken Glühbirnen umrandet.

Vor mir steht eine Garderobe voll Kleidung. Bühnenoutfits, wenn ich mich nicht irre. Teilweise ganz schön merkwürdiges Zeug. Ich sage nur light-Bondage gepaart mit Glam Rock der besonders kitschigen Art. Direkt neben der Garderobe gibt es einen kleinen Durchgang. Die Tür ist einen Spalt geöffnet, wodurch ich ein Waschbecken erkennen kann. Wohl ein Badezimmer.

Mitten im Raum, also direkt rechts neben mir, steht eine Couch inklusive Tisch. Eine Ablage hinter mir, neben der Eingangstür. Dort entdecke ich eine Sporttasche. Eine mir sehr bekannte Sporttasche, wie ich nervös erkenne. Ich kann nicht anders, und gehe darauf zu. Vorsichtig spähe ich hinein.

Wechselklamotten, ein Geldbeutel und zu guter Letzt: Ein Handy. Es blinkt. Sicher meine Anrufe. Ich unterdrücke den Drang nachzusehen, ob es so ist. Wahrscheinlich rufen ihn sowieso tausende Leute am Tag an. Andererseits …

Ich drücke die kleine Taste unter dem Display. Es schaltet sich an und ich erkenne sofort, dass es PIN-Code geschützt ist. Aber das ist eigentlich total nebensächlich. Viel wichtiger ist der Bildschirmhintergrund, der angezeigt wird. Das Eiscremewerbebild! Unser Eiscremewerbebild!

Meilo hat es sich tatsächlich als Hintergrund eingestellt! Genau wie ich.
 

Ich warte, bis das Display wieder schwarz ist und taumle dann zwei Schritte zurück. Mein Herz klopf so schnell und schmerzhaft fest gegen die Brust, dass mir erneut schwindelig wird. Mit unsicheren Schritten laufe ich zur Couch und lasse mich auf das Polster fallen.

Das ist zu viel für mich! Zu viel Aufregung, zu viel Zeug, das in meinem Kopf herumwirbelt. Eine leise Stimme in meinem Hinterkopf flüstert mir zu, dass das was zu bedeuten hat. Das Meilo dieses Bild aus dem selben Grund wie ich als Cover eingestellt hat, aber darüber mag ich jetzt nicht nachdenken. Noch nicht. Nicht, bevor alles geklärt ist.

Es surrt laut in meinem Kopf und ich starre auf den Tisch vor mir. Am liebsten würde ich wieder gehen, aber meine Beine wollen nicht gehorchen.

Nach ein, zwei Minuten des Starrens, fallen mir fünf Wasserflaschen auf, die neben auf dem Tisch stehen. Sieht verlockend aus. Mein Mund ist trocken wie Stroh. Ich beuge mich vor und mopse mir einfach eine. Soll Keith Kandyce mich doch dafür verklagen, oder sich bei Meilo beschweren. Von ihm würde ich auf jeden Fall eine Flasche Wasser bekommen. Selbst in einer Gaststätte mit gesalzenen Preisen ...

Wieder stürmt alles auf mich ein. Angefangen bei unserer ersten Begegnung, bis hin zum heutigen Abend, als ich ihn auf der Bühne hab stehen sehen. So surreal ...

Nachdenklich zupfe ich an dem kleinen abstehenden Teil des Plastikverschlusses herum.

Was tue ich nur, wenn er gleich hier rein kommt? Wenn sich die Tür vor mir öffnet und er den kleinen Raum betritt? Wie soll ich reagieren?

Ich weiß es beim besten Willen nicht. Ich weiß, was ich nachher getan hätte, wenn Meilo zu mir gekommen wäre. Aber jetzt? Das ändert alles, und doch ändert sich auch nichts, weil ich mir trotz allem sicher bin, dass ich Meilo will. Es ist verwirrend. Und ich dachte, es wäre vorher schon kompliziert genug gewesen. Wie man sich doch täuschen kann.

Die Option, ihn in Berlin einfach mal für ein paar Tage oder gar Wochen zu besuchen, ganz zwanglos, klingt für mich inzwischen wie das Einfachste der Welt. Nie wieder beschwere ich mich über die Vorschläge meiner Mutter! Vielleicht sollte ich sie schnell mal anrufen und sie ein weiteres Mal nach Rat bitten? Hallo Mama. Erinnerst du dich noch an Meilo? Der Kerl, der mir das Hirn rausgef... liebt hat? Der mich nach Kassel eingeladen, und mir damit endgültig klar gemacht hat, dass ich ihn liebe? Weißt du was? Meilo ist Nicoles Lieblingspopstar. Soll ich es demnächst am Essenstisch mal erwähnen? "Nicole grillt mich ..."

"Nic? Du bist schon hier?" Ich zucke zusammen. Meilo! Direkt hinter mir! Wie kommt der denn da hin? "Sorry. Hab ich dich erschreckt?"

"Wie bist du ...? Ich meine ... so schnell und leise ..." Ich deute perplex auf die Tür vor mir.

"Ich war im Bad. Duschen", erklärt er und zeigt hinter sich. Duschen? Wieso habe ich nichts gehört? "Hätte ich gewusst, dass Bruce dich schon gefunden, und zu mir gebracht hat, hätte ich dich nicht warten lassen. … Hast du lange gewartet?" Ich schlucke hart, schüttle dann schwach den Kopf. "Dann ist ja gut." Meilo lächelt mich verkrampft an. "Ähm ... Darf ich?" Er deutet neben mir auf die Couch. Abermals nicke ich. Warum auch nicht? Ist ja seine Umkleide. Keith Kandyce' Umkleide … Scheiße!
 

"Hallo erst mal", beginnt er und streift sich sichtlich nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Erst jetzt, nachdem ich mich vor dem Schock seines plötzlichen Erscheinens einigermaßen erholt habe, wird mir so richtig bewusst, dass er wirklich hier ist. Und damit meine ich nicht den Sänger Keith Kandyce, sondern meinen stinknormalen Meilo. Der Meilo, der mir diese verfluchten Knutschflecken verpasst hat. Der Meilo, der mein Herz dazu bringt, wie verrückt in einem schnellen Rhythmus gegen meine Rippenbögen zu trommeln, nachdem er es mir so mir nichts, dir nichts gestohlen hat.

"Hallo", antworte ich ebenso angespannt. Die Wut in mir ist verpufft. Keinen Schimmer, wohin sie sich plötzlich verzogen hat. Dafür werde ich wieder total nervös. Ich versuche ruhig zu bleiben und dabei klammere ich mich an die Wasserflasche, als würde es um mein Leben gehen. Doch nicht ich bin ihm eine Erklärung schuldig, sondern er mir, weshalb ich nicht lange um den heißen Brei rede. "Soll ich dich erst fragen, oder erklärst du es mir von selbst?" Was er mir erklären soll, brauche ich ihm ganz bestimmt nicht näher zu umschreiben.

"Das musst du nicht. Deshalb habe ich dich ja herbringen lassen." Herbringen lassen? Der gnädige Herr hat seine Lakaien ausgesandt, um mich in sein Gemach verschleppen zu lassen. Wenn die Situation mich nicht so dermaßen überfordern würde, würde ich jetzt anfangen zu lachen, so absurd ist das Ganze. "Hätte ich gewusst, dass du heute Abend hier bist, hätte ich es dir schon vorher gesagt." Und da ist sie wieder, die Wut.

"Was hättest du mir schon vorher gesagt? Das du mit hochhackigen Boots und einer Tonne Schminke im Gesicht vor tausenden Teenagern über die Bühne stöckelst?", frage ich ihn und lasse ihn dabei hören, wie wütend ich bin. "Das hättest du mir wirklich schon eher erzählen sollen. Oben am Herkules zum Beispiel. Da wäre doch der perfekte Zeitpunkt für gewesen." Und danach hätte ich mich kopfüber in die Tiefe stürzen können. … Ja, ja schon gut. Das war jetzt leicht übertrieben. Aber ich weiß wirklich nicht, wie ich mit dem ganzen Zeug umgehen soll.

"Du bist sauer auf mich", sagt Meilo leise und nickt dabei, als wolle er seine Worte selbst bestätigen. "Dazu hast du auch allen Grund." Er leckt sich nervös über die Lippen und starrt auf einen unsichtbaren Punkt vor sich.

Von der sicheren Ausstrahlung, die er auf der Bühne hatte, ist nichts mehr zu sehen. Er wirkt unsicher und so gar nicht wie ein berühmter Popstar. Die Wut in mir legt sich wieder. Nochmal: Das hier ist Meilo. Und es geht ihm schlecht. Wie kann ich dabei wütend bleiben? "Ja, es macht mich sauer", antworte ich. "Ich bin wütend darüber, dass du mir nichts davon erzählt hast, aber ..."

"Aber?" Hoffnungsvoll sieht er mich an.

Ich muss selbst kurz überlegen, denn das Aber war eigentlich gar nicht geplant gewesen. "Aber wir haben gerade mal drei Tage miteinander verbracht", rede ich schließlich weiter. "Eigentlich noch weniger. Ich bin nicht begeistert davon, dass du mir nichts von deinem ... Job ... erzählt hast. Und so gerne ich es auch wäre, ich bin nicht wirklich sauer auf dich. Nicht sehr zumindest." Es gibt Dinge, die erzählt man sich nicht beim ersten Date, um sich selbst vielleicht besser dastehen zu lassen, oder sein Gegenüber nicht gleich zu verschrecken. Dass man ein berühmter Popstar ist, der unzählige Teenies zum kreischen und flennen bringt, gehört genau zu diesen Dingen, nehme ich an.
 

Meilo atmet tief ein und sieht endlich wieder selbstsicherer aus. "Ich wollte es dir sagen", schwört er mir. "Heute oder morgen. Glaubst du mit das?" Ich zucke mit den Schultern. Wie bereits erwähnt. Wir kennen uns eigentlich noch nicht richtig. Umso verrückter ist es, dass ich tief in meinem Inneren das genaue Gegenteil fühle, denn wenn dem nicht so wäre, hätte ich mich auch gar nicht so schnell in ihn verlieben können.

Scheiße! Es ist wirklich total verrückt! Einfach alles, was mir seit unserem Kennenlernen passiert ist. Sogar die Fahrt nach Kassel. Hätte ich das jemals für Kilian getan, so kurz nach unserem Kennenlernen? Bestimmt nicht. Aber für ihn habe ich es getan. Ohne lange darüber nachzudenken, bin ich in mein Auto gesprungen und losgerast.

"Bitte Nic", redet Meilo weiter. "Du musst es mir glauben. Ich hätte es dir gesagt. Von Angesicht zu Angesicht. Ich wollte es dir nicht am Telefon sagen und letzte Woche kam es mir einfach nicht über die Lippen. Ich wusste nicht, wie ich dir das erklären sollte." Das kann ich inzwischen verstehen. Mir an seiner Stelle wäre es wahrscheinlich auch so gegangen.

Doch da gibt es noch was, das mir auf der Seele brennt. "Wolltest du mir auch dein kleines Liedchen vorspielen?", frage ich ihn. Wieder klinge ich eingeschnappter als ich es in Wirklichkeit bin. Aber ich kann nicht anders. Dieser Song hat mich echt aus der Bahn geworfen.

"Ja", haucht er leise und sieht mir in die Augen. "Das wollte ich. Aber vorher ..." Er beugt sich zu mir. "... vorher wollte ich dir sagen, dass ich dich lie..."

"Hör auf!", unterbreche ich ihn panisch und stehe auf. "Nicht jetzt! Nicht so!" Mein Herz rast. In meinem Kopf brummt es wie in einem Bienenstock. Der kann mir doch nicht ausgerechnet jetzt eine Liebeserklärung um die Ohren hauen! Nicht nachdem, was heute Abend passiert ist. Ich meine … Ich … Ich kann nicht ... "Ich muss hier raus", japse ich hastig, stolpere um den Tisch herum und eile auf die Tür zu. Das ist jetzt eindeutig zu viel für mich!
 

"Niclas!" Ich stürme in den Flur und rausche auf die Ausgangstür zu. "Niclas! Warte doch!" Schnelle Schritte hinter mir. Ich komme am Ausgang an aber Überraschung, ich kann nicht raus, denn niemand hat mir zuvor eins dieser Kärtchen gegeben, mit der man die Tür öffnen kann.

Meilo holt mich deshalb schnell ein, packt mich an der Schulter und wirbelt mich herum. An die Wand gedrückt stehe ich ihm gegenüber. Ziemlich nahe gegenüber. Mein Körper reagiert sofort auf seine unmittelbare Nähe. Herzrasen, Gänsehaut, Kribbeln im Bauch. "Es tut mir leid! Ich wollte nicht, dass du es so erfährst! Bitte glaube mir!", redet Meilo auf mich ein. Dabei macht er ein verzweifeltes Gesicht. Ihn so zu sehen, bereitet mir Stiche in der Brust.

"Meilo, ich ..."

"Nein! Ich will, dass du es weißt! Hörst du? Ich will, dass du weißt, dass ich dich liebmmm…!" Panisch über das, was er da im Begriff war, mir ein zweites Mal sagen zu wollen, machte ich kurzen Prozess. Wie verhindert Mann, dass Mann redet? Genau! Mann küsst ihn.

So stehen wir hier. Im Flur des Backstage Bereiches der Konzerthalle in eine Ecke gedrückt und küssen uns.

Meilos Schreck über meine Attacke ist schnell verflogen. Gierig umtanzen sich unsere Zungen, und in mir platzt endgültig der Knoten, der sich seit der Erkenntnis, wer Meilo ist, in mir gebildet hat.

Das Gefühl in mir ist stärker als die Wut und Verwirrung deswegen. Es ist mir im Endeffekt total egal, dass Meilo eine zweite Identität als Popsänger hat. Ebenso gut könnte er als Geheimagent für die russische Regierung arbeiten. Ich liebe diesen Kerl einfach! Ich habe keine Ahnung, wie er es geschafft hat, sich so schnell in mein Herz zu schleichen, nachdem Kilian es mir, zerfetzt und in Einzelteilen, in einen Karton gepackt, und zurückgegeben hat. Doch alles was zählt ist, dass er es geschafft hat. Dass er hier ist, bei mir, und das Selbe fühlt, auch wenn ich nicht zugelassen habe, dass er es sagt. Dazu ist es noch zu früh. Ja, betitelt mich als Dummkopf, aber so empfinde ich eben. Es auszusprechen, ist definitiv noch zu früh und es ist vor allem der falsche Ort dafür.
 

"Umkleide", keucht Meilo schließlich in meinen Mund und zerrt mich mit sich. Keine Sekunde lassen wir uns dabei los. Küssen uns weiterhin wie zwei liebeskranke Teenager und stolpern zurück in die Umkleide. Keine Ahnung, ob uns jemand dabei beobachtet hat.

Mit einem lauten Knall schlägt die Tür hinter uns zu und wir landen nach wenigen Schritten auf der Couch. Meilo plumpst dabei auf mich, drückt mich schwer in die Sitzfläche, und verschwendet keine Zeit. Mit seinen Händen fährt er unter mein Oberteil. Ich bekomme sofort eine Gänsehaut, die sich über mein Rückgrat schlängelt und in meinem Schoß einschlägt wie eine Bombe. Ich werde in einem Bruchteil von einer Sekunde so hart, wie schon lange nicht mehr. All mein Blut rauscht hinab in meinen Unterleib, und das so schnell, das mir ganz schwindelig wird.

"Meilo! Ich will di..."

"Meilo? Bist du fertig?" Erschrocken zucken unsere Köpfe Richtung Kabinentür. Jemand steht davor und klopf an.

"Äh ... Ja! Gleich!"

"Ist gut. Ich warte am Hintereingang im Taxi."

"Okay! … Scheiße!", zischt Meilo und seufzt genervt.

Meine Laune sinkt, denn gleich danach rutscht er von mir runter, eilt rüber zur Ablage und packt die Sporttasche. "Meilo?"

"Ja?" Als könne er kein Wässerchen trüben schaut er mich fragend an. Ich hebe meine Augenbrauen und verschränke die Arme vor der Brust. Seufzend dreht er sich ganz zu mir herum. "Sorry. Das war mein Manager. Ich muss ins Hotel." Jetzt? Wo wir doch eigentlich vorgehabt haben, uns endlich wieder näher zu kommen? Sein Manager ruft, und er rennt? Ist das immer so? Ich werde ihn niemals für mich alleine haben, oder?

Das Hochgefühl und die Gewissheit, die ich noch vor wenigen Minuten hatte, dass es mir egal ist, dass Meilo dieser tuckige Popsänger ist, und dass ich ihn dennoch liebe, ist plötzlich verschwunden und macht Platz für die bittere Realität. "So läuft das also?", frage ich ihn traurig.

"Was meinst du?"

"Nichts. Schon gut." Ich stehe auf und schreite auf die Tür zu. Diesmal ist Meilo schneller und versperrt mir den weg. "Lass mich durch!"

"Nein! Erst wenn du mir sagst, was du hast!"

Ich straffe mich und stelle mich der unumstößlichen Wahrheit. "Ist das nicht offensichtlich?!", grante ich ihn an. Meilo schluckt bloß und guckt mich weiter mit seinem Hundeblick an. "Dein Job!", kläre ich ihn auf. "Das kann doch nichts werden zwischen uns, wenn wir kaum Zeit füreinander haben!" Es ist bitter, aber so ist es nun mal. Wie will daraus jemals etwas Ernstes werden können?

Kurz sieht Meilo mich erschrocken an, doch dann zeichnet sich Entschlossenheit in seinem Gesicht ab. "Hör mir jetzt mal zu!" Er umfasst mein Gesicht. "Diese Figur, Keith Kandyce, die werde ich nicht mehr lange sein. Mein Vertrag läuft aus. Das habe ich dir doch schon erzählt. Nur, solange ich noch an diesen Vertrag gebunden bin, darf ich nicht gegen ihn verstoßen. Verstehst du?"

Wieder habe ich keine Ahnung, was er meint. "Gegen ihn verstoßen? Weil du nicht pünktlich aus der Umkleide kommst?"

"Nein", sagt er leise. "Ich darf keine Beziehung mit jemanden eingehen." Mir klappt der Unterkiefer nach unten. So was schreiben die in ihre Verträge?

"Aber du hast doch gesagt, du wärst in der Vergangenheit mit jemanden zusammen gewesen?"

"Ja. Das wusste aber nur mein Manager. Er hat es geduldet, was meine Plattenfirma allerdings nicht wissen durfte. Aber aus diesem Grund lief es nicht lange gut zwischen uns, und es ging ziemlich schnell in die Brüche. Mein Manager meinte, ich solle ganz drauf verzichten. Es wäre besser für mich und für meinen Erfolg. Ich will einfach nicht, dass er das mit uns mitbekommt und wieder darauf herumreitet, oder es diesmal gar der Plattenfirma steckt."

"Tolle Idee!", schnaube ich. "Und der Song?" Sehr unauffällig war der ja nicht gerade.

"Was soll damit sein? Es ist doch bloß ein Song." Grinsend zwinkert Meilo mir zu. "Wir reden nachher weiter. Ja? Wenn ich zu dir komme. Dann erkläre ich dir alles ganz in Ruhe und ich beantworte all deine Fragen." Hört sich vernünftig an, aber ...

"Das geht nicht", flüstere ich. "Meine Schwester ... Wenn sie dich sieht, dann ..." Den Rest lasse ich unausgesprochen. In seinen Augen kann ich erkennen, dass er versteht, was ich damit sagen will.

Abrupt lässt er mich los und schnappt sich Zettel und Stift aus seiner Tasche. "Hier ... Das ist die Adresse von meinem Hotel, meine Zimmernummer und der Name, unter dem ich dort wohne. Sag, du bringst die Blumen für André und sollst sie persönlich bei ihm abgeben." Es ratscht leise, als Meilo den Zettel vom Block reißt und ihn mir entgegenhält.

Sprachlos schaue ich erst Meilo, dann den Zettel, dann wieder Meilo an. "Ist das dein Ernst?", frage ich ihn schließlich.

"Mein Vollster", grinst er und küsst mich stürmisch. "Ich warte auf dich und kann es kaum erwarten, endlich mit dir alleine zu sein." Bepackt mit der Sporttasche rauscht er aus der Umkleide und lässt mich alleine und ratlos zurück.
 

Nachdem ich meine Gedanken einigermaßen wieder sortiert habe, lese ich, immer noch leicht verdattert, den Zettel in meiner Hand. "Hotel Zur Sonne, Ammenweg 42b, Zimmernummer 127, André Sotterbach zu Großfels. ... Das kann doch unmöglich sein Ernst sein!" Wenn ich es nicht selbst gerade erleben würde, ich würde es nicht glauben. "Wo bin ich denn da bloß hineingeraten?"
 

***
 

Den Zettel gut in meiner Hosentasche verstaut, laufe ich im Vorraum des Konzertsaales auf und ab, nachdem jemand so gütig gewesen ist, und mich aus dem Backstage Bereich gelassen hat. Meine Schwester und ihre Freundinnen sind noch immer nicht aufgetaucht. Wann kommen die denn endlich? Ich will zu Meilo!

"Das war ja so geil!"

"Und wie! Hach! Ich liebe Keith!"

"Schade nur, dass er bloß eine Zugabe gegeben hat."

"Und? Leute, wir haben ihn live gesehen!!!" Lautes Quietschen. Rosa-glitzernde Herzchen schweben durch die Luft. Da sind sie ja!

"Auf Mädels! Ab nach Hause!" Hektisch treibe ich die Meute vor mir her zum Ausgang. Ohhh! Lauft schneller ihr lahmen Dinger! Wo ist ein Cowboy wenn man ihn braucht?

Ich scheuche die kreischende Mädchenschar über den Parkplatz auf mein Auto zu und verfrachte sie sicher darin. "War das Konzert gut?", frage ich sie und starte den Motor. Nicht, dass es mich interessieren würde, aber ich brauche Ablenkung.

"Gut? Es war der Wahnsinn!", kreischt meine Schwester und zappelt wie eine Irre auf dem Beifahrersitz herum. "Keith ist ja so heiß!" Erneut kreischen die jungen Dinger laut auf. Ich bin zwar der selben Meinung wie sie, doch warum so kreischen? Wenn, dann hätte doch ich jeden Grund dazu, denn ich sitze hier eingepfercht in einem Auto voll Fangirlies, obwohl ich doch zu Meilo will.

Hm … Macht mich das im Grunde nicht auch zu einem, heftig schluck, zu einem Fangirl?! Ich mag gar nicht genauer darüber nachdenken. Es ist alles so verrückt. Einfach unfassbar!

"Niclas? Legst du die CD ein, die ich am Merch-Stand gekauft habe?" Mein Schwesterlein wedelt mit besagter CD direkt vor meinem Gesicht herum.

"Leg sie selbst ein", brumme ich und verscheuche ihre Hand. "Ich muss aufpassen, dass ich keinen eurer Fangemeinde überrolle." Wieder kreischen sie auf und freuen sich wie Bolle, als die CD beginnt zu spielen.

Ich atme tief durch und mahne mich zur Ruhe. Es hat bald ein Ende! Als ich jedoch Meilos Stimme höre, kann es mir gar nicht mehr schnell genug gehen. Scheiß auf die runden Dinger, auf denen die Höchstgeschwindigkeit drauf gemalt ist!

Die Mädels bekommen gar nicht mit, wie ich im halsbrecherischen Tempo die Landstraße entlang düse. Sie sind ganz vertieft in den Song, der durch meine Lautsprecher schallt. Wenn die wüssten ... 'Meine Schwester bringt mich wirklich um, wenn sie das spitz kriegt!'
 

******
 


 

* KREISCH! Mein Rechtschreibprogramm schlägt mir doch tatsächlich Nacktaufnahme vor. *lach mich schlapp!*
 

Hehehe. Und? Überrascht? Sicher nicht, was? XD

Love bite 08 - Scheiß drauf!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 08 - Scheiß drauf! (Ohne Adult)

Da die große, bzw. mittelgroße Bombe nun geplatzt ist, will ich schnell noch ein paar Worte loswerden. Und zwar zu Meilos Vertrag und dieser ominösen Klausel, dass er keine feste Beziehung haben darf.

Ich will damit keineswegs irgendeiner Plattenfirma unterstellen, dass sie sowas tatsächlich in ihre Verträge nehmen, oder irgendwas anderes tun, das in dieser Geschichte noch erwähnt wird. Das ist allein meiner Geschichte dienlich. Verbucht es unter dichterische Freiheit. ;D
 


 

Love bite 08 - Scheiß drauf! (Ohne Adult)
 

Langsam atme ich aus, dann wieder tief ein. Das Hotel vor mir jagt mir Angst ein. Es ist riesig und ich habe das Gefühl, als würde es drohend auf mich nieder blicken. Ich schlucke hart.

Der Eingang des großen Gebäudes ist überdacht. Hohe Säulen rechts und links. Davor zwei massige, bepflanzte Amphoren. Ein roter Teppich reicht von der Eingangstür bis zum Ende des überdachten Teils. Der krönende Abschluss allerdings ist ein Portier, der davor steht, und jeden Vorbeigehenden freundlich grüßt und sich dabei leicht vorbeugt.

Richtig noble Hütte, in die sich Meilo einquartiert hat. Oder wahrscheinlicher, einquartiert hat lassen.
 

Skeptisch schaue ich an mir runter. Zerlatschte Sneakers, eine verwaschene Jeans und ein zwar neues, aber keineswegs feines Shirt. Eben Kleidung, die man im Alltag so trägt, oder auf einem Keith Kandyce Konzert. So komme ich da nie rein!

Ich lege mir einen Plan zurecht, denke nach und denke nach, da spricht mich der Portier plötzlich von selbst an. "Würden Sie bitte weitergehen Sir?" Er hat mich Sir genannt.

"Ähm ... Ich bin hier mit jemanden verabredet", stottere ich mir zurecht.

"Dann warten Sie doch bitte ein paar Meter weiter. Danke." Bitte? Bin ich ihm etwa nicht fein genug, um vor seinem drecks-Hotel zu stehen?

'Ja, bin ich', erinnere ich mich selbst und denke an meine Jeans. "Nein, nein. Sie verstehen nicht", versuche ich es noch einmal. "Ich bin im Hotel mit einem Ihrer Gäste verabredet." Nun ist es raus.

Ich werde genaustens beäugt. "Und mit welchen unserer Gäste wäre das?"

"Ähm ..." Ich krame den Zettel hervor, auf dem mir Meilo alles aufgeschrieben hat. Vor lauter Aufregung habe ich nämlich alles vergessen. "Also ich soll die Blumen für André abliefern."

"Und wo bitte schön sind diese Blumen?" Oh!

"Die ... die ... Ähm ..." Himmel, was ist nur mit mir los? "Die habe ich nicht bei mir weil ... Also nur die Fotos davon. Ja! André möchte sie sich erst aussuchen, und dann soll ich sie liefern." Das Einzige was hier geliefert ist, bin ich, wegen dieser peinlichen Ausrede. "André Sotterbach zu Großfels erwartet mich sicher schon", versuche ich es erneut. "Er hat mir seine Zimmernummer aufgeschrieben." Ich wedle mit dem Zettel.

Der Portier grinst wissend. Es ist ja auch verdammt eindeutig, dass der Name nur ein Pseudonym sein kann. "Da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen", meint er. "Fragen Sie drinnen an der Rezeption nach." Ich darf rein?!

"Danke!" Ich beeile mich, bevor er es sich wieder anders überlegt. Falls der Kerl weiß, welcher Mann sich hinter dem Pseudonym verbirgt, dann hält er mich jetzt bestimmt für einen aufgeregten Fan, oder noch schlimmer: Für einen ziemlich dummen und indiskreten Callboy.
 

"Guten Abend." Kaum im Hotel drinnen, werde ich auch schon angesprochen, während ich mich noch staunend im Foyer umsehe. Was für ein Schuppen! Wusste gar nicht, dass es bei uns in der Nähe solche feinen Hotels gibt. Wozu auch? Kann ich mir eh nicht leisten.

"N'Abend", antworte ich der jungen Frau an der Rezeption und löse meinen Blick von der mit Stuck verzierten hohen Decke, plus dazugehörigem Kronleuchter. "Ich habe einen Termin bei Herrn Sotterbach zu Großfels. Zimmernummer Hundertsiebenundzwanzig."

"Tut mir leid, aber ich kann Sie leider nicht einfach zu einem unserer Gäste schicken." AHH!

"Ich soll die Blumen abliefern", setzte ich erneut an. "Persönlich." Hatte er nicht gesagt, dass ich sie ihm persönlich bringen soll?

"Ach Sie bringen die Blumen für den Herrn?" Ich nicke. "Sie werden schon erwartet. Zehnter Stock. Soll ich Sie anmelden?"

"Ähm ja. Danke." Warum nicht? Die junge Frau lächelt mich an. Auf die selbe Weise, wie eben noch der Portier. Ich komme mir immer mehr wie ein Callboy für reiche Schnösel vor. Ich lasse mir nichts von meinem Unmut anmerken und steige in den Aufzug. Irgendwie stimmt es ja auch, was sie insgeheim von mir denken.

Unruhe erfasst mich. Unruhe und Vorfreude. Gebannt schaue ich auf die schon recht antik aussehende Stockwerkanzeige, die Stockwerk um Stockwerk höher fährt. Im Zehnten hält er an, es piepst und die Tür schiebt sich auf.

Leer liegt der große Hotelflur vor mir. Auch hier zieht sich ein roter Teppich durch den Flur. Große, aus gemaserten, dunklem Holz gefertigte Türen reihen sich links und rechts neben mir auf. Goldene Ziffern prangen auf ihnen. "Hundertsiebenundzwanzig", rufe ich mir Meilos Zimmernummer ins Gedächtnis, und fange an es zu suchen. Kurze Zeit später stehe ich auch schon vor der gesuchten Zimmertür.
 

Wie zu Beginn atme ich einmal tief ein und wieder aus. Dann klopfe ich an, wobei die Tür ganz von selbst aufschwingt. Nanu? "Hallo?"

"Komm rein!" Meilo! Na ja, wer auch sonst?

Ich fange an zu grinsen. "Herr Sotterbach zu Großfels?", rufe ich in das riesige Hotelzimmer, bestehend aus gleich mehreren Räumen, hinein, als ich die Tür hinter mir verschlossen habe. Auch hier hat sich das Hotel nicht lumpen lassen. Alles vom Feinsten. Selbst die Steckdosen. "Ihr Callboy ist da!" Ich höre Meilo lachen, kann aber nicht ausmachen, wo er sich aufhält. "Soll ich mich schon mal für Sie ausziehen?"

"Gern", haucht es plötzlich neben mir. Ich bekomme einen riesigen Schrecken, der sich jedoch sehr schnell wieder legt, denn Meilos Arme schlingen sich um mich.

Unsere Lippen finden sich ganz von selbst. Damit wir uns nicht umständlich verrenken müssen, drehe ich mich zu ihm herum und umarme ihn ebenfalls. "Ich hatte schon Angst ... du kommst nicht", wispert Meilo leise zwischen unseren Küssen.

"Wieso hätte ich nicht ... kommen sollen?"

Er blickt mir tief in die Augen. "Weil du vielleicht doch noch sauer auf mich bist." Ich schüttle den Kopf und lege meine rechte Hand auf seine Wange. "Bist du nicht?"

"Nein. Nicht mehr. Eher ... verblüfft", gestehe ich. "Wer hätte auch mit so etwas rechnen können? Ich als Gigolo für den gnädigen Herrn von Sotterbach."

"Wenn schon von Großfels", gluckst Meilo. "Es ist lächerlich, ich weiß. Aber es ist notwendig."

"Ich verstehe." Und das tue ich wirklich. Er kann ja schlecht mit seinem richtigen Namen einchecken. Nicht, dass einer seiner Fans ihn herausbekommt. Das Selbe gilt wohl auch für seinen Künstlernamen.

"Möchtest du erstmal was trinken?" Er entschlüpft meinem Griff und läuft in den großen Wohnbereich der Suite.

"Was hast du denn?", frage ich und schaue mich in dem, in Creme und Hellbraun gehaltenen Zimmer um. Die Couch ist riesig! Und der Flachbildschirm gegenüber erst.

"Alles was du willst." Verlockend ...

"Wasser genügt mir. Kennst mich doch."

"Und wie", grinst er. Wir setzten uns auf die Couch. "Und? Konntest du alles sacken lassen?"

"Nicht so wirklich, aber habe ich eine andere Wahl?" Ich schaue Meilo ernst an. Auf dem Weg hier her, habe ich mir nochmal diese verrückte Situation ganz genau durch den Kopf gehen lassen, und mich gefragt, ob es letztendlich irgendwas an meinen Gefühlen zu Meilo ändert. Natürlich tut es das nicht. Selbst, dass er mir nicht gleich von dieser Keith-Sache erzählt hat, kann ich ihm nicht wirklich vorhalten. Wer weiß schon, wie schwer es überhaupt für Meilo ist, jemanden kennenzulernen, geschweige denn, jemanden, der auch tatsächlich nur ihn sieht, und nicht sein Transen Ego? "Ich dachte mir, entweder, ich versuche dich zu vergessen, und nie wieder über dich nachzudenken, oder ich gebe meiner inneren Stimme nach, und ich versuche damit klarzukommen", sage ich zu ihm.

"Du bist hier bei mir, was heißt, du willst es versuchen?" Meilo sieht mich nervös an. Ich weiß, es ist gemein, aber seine Unsicherheit bringt mich leicht zum lächeln.

"Auch wenn es rational betrachtet völliger Irrsinn ist, selbst unter normalen Umständen ... Ja. Ich will es unbedingt versuchen." Es wird still. Meilos Blick wird unergründlich, dann nimmt er mir plötzlich vorsichtig das Glas aus der Hand. "Wenn das so ist", beginnt er und rutscht mir rittlings auf den Schoß "dann lassen wir das erstmal mit dem Reden und tun das, was mir schon seit Wochen den Schlaf raubt." Mir wird umgehend heiß und mein Puls schnellt in die Höhe. Soll ich raten, was er damit meint?
 

Ich schließe die Augen, als wir uns wieder zu küssen beginnen, lehne mich entspannt zurück, und lege meine Hände auf seinen Rücken. Meilo trägt bloß einen Bademantel. Was er darunter hat, oder was nicht, dass gilt es doch gleich mal herauszufinden.

An dem weichen Flanellgürtel wandere ich nach vorn, bis ich am Knoten angelangt bin und ihn öffne. Das alles mache ich blind und mit wenig Handlungsspielraum, denn Meilo drängt sich dich an mich und reibt sich dabei verlangend an mir. Den Knoten endlich geöffnet, schiebe ich die beiden Bademantelhälften auseinander. Der feste Bauch darunter ist noch leicht feucht und wie erwartet gänzlich unbekleidet. Weiter unten allerdings, stellt sich ein fieser Gummibund meinen Fingern in den Weg. "Runter", wispere ich und zupfe an dem Gummiband. Meilo keucht erschrocken auf. Das hört sich ja richtig sexy an. Nochmal!

"Lass das", knurrt er dunkel.

"Gefällt dir das nicht?" Er schüttelt den Kopf. "Schade. Ich finde es sehr unterhaltsam." Meilos grüne Augen funkeln mich gierig an. "Wahnsinn ..."

"Was denn?", fragt er mich.

"Als ich dein Alter Ego auf dem Plakat am Sportplatz gesehen habe, dachte ich, nie im Leben kann ein Mensch solch intensiv grüne Augen haben. Die müssen nachbearbeitet worden sein, aber deine Augen sind wirklich so grün."

"Du hast mich auf einem Plakat gesehen?" Das bringt ihn zum Schmunzeln.

"Ja. Du warst mindestens fünf Meter groß."

"Wow."

"Fast so groß wie das hier ..." Ich reibe mit dem Handballen über seinen Schritt. Meilos grüne Augen flattern, begleitet von einem leisen Stöhnen, zu.

"Ich bin schon so lange so verdammt scharf auf dich", keucht er. "In Kassel bin ich fast durchgedreht, weil ich dich am liebsten ins nächste Gebüsch gezogen hätte. Und als ich dich vorhin im Publikum gesehen habe ... Scheiße Niclas! Ich wollte dich sofort!" Hnnn ... Das höre ich doch gerne, besonders, weil ich im Park auch an nichts anderes hatte denken können.

Ich sauge Meilos Unterlippe ein, doch er schubst mich sanft von sich. "Und dann warst du verschwunden", flüstert er und sieht mich wieder an. Beinahe anklagend. "Mir ist fast das Herz stehen geblieben. Ich dachte, ich sehe dich nie wieder."

Ich bekomme ein schlechtes Gewissen. "Das hatte nichts mit dir zu tu... Doch! Natürlich hatte es was mit dir zu tun, aber ich musste an die frische Luft. Verstehst du?"

"Ja, kann ich." Erleichtert lächle ich ihn an. "Dafür war der Rest meines Konzertes die reinste Katastrophe! Hoffentlich hat es niemand gemerkt."

"Bestimmt nicht. Meine Schwester und ihre Freundinnen waren ganz begeistert. Bis auf die fehlende, zweite Zugabe ..." Meilo verzieht das Gesicht. "Das hat sie schon nicht umgebracht."

"Gut zu wissen." Sanft streichelt seine Hand über meinen Hals. Natürlich an genau der Stelle, an der er mir die Knutschflecken verpasst hat. Das fühlt sich gut an ... "Ich habe Bruce ein Foto von dir gezeigt und ihn nach dir suchen lassen", erzählt er weiter. "Und als ich dich in meiner Kabine sitzen sah, war ich total erleichtert. Er hatte dich gefunden und du bist nicht abgehauen."

"Bruce? Du meinst diesen bulligen Typen?"

"Ja", grinst er. "War er nett zu dir?"

"Wie man es nimmt ..."

"Oh sorry!", lacht Meilo und tupft mir einen Kuss auf den Hals.

"Machst du mir wieder welche?"

"Was?"

"Love bites", wispere ich mit einem heißen Prickeln im Bauch. "Machst du mir wieder welche? Die Alten sind schon ein wenig verblasst." Meilo sieht mich unergründlich an, nickt dann und presst seine Lippen auf meinen Hals. Leise seufzend strecke ich ihn durch. "Your love bites on my neck ..."
 

***
 

Meine Augen fallen fast zu. Trotzdem mag ich jetzt auf keinen Fall einschlafen. Zu wundervoll ist der Moment, das Gefühl der unmittelbaren Nähe, die uns so kurz nach unserem gemeinsamen Höhenflug miteinander verbindet.

Meilos Finger kraulen gemächlich durch mein Haar. Seine andere Hand hat meine umfasst, und unsere Finger sind miteinander verflochten. Dabei summt er leise irgendeine Melodie, keine Ahnung welche genau das ist. Das sanfte Vibrieren seiner Brust, auf der ich meinen Kopf gelegt habe, sowie die leisen Töne machen mich noch schläfriger. Es ist einfach zu gemütlich.

Wir liegen in dem großen Hotelbett seiner Luxussuite, die Lichter sind zwar aus, dennoch ist es ausreichend hell im Zimmer, um alles erkennen zu können. Den unzähligen Lampen und Reklametafeln der Stadt sei Dank. Wenn man die Augen etwas zusammenkneift, sehen sie aus wie Sterne. 'Als würden wir über ihnen schweben.' Was denke ich da schon wieder? Über mich selbst lachend, drehe ich den Kopf und drücke meine Nase gegen Meilos warme Haut. Er seufzt leise und der Windhauch kitzelt meinen Nacken. "Bist du auch so müde wie ich?", fragt er mich brummend.

"Mindestens."

"Kein Wunder." Er lacht leise, wobei ich mit einstimme. "Du hast ganz schön geackert." Und schon ist die Müdigkeit in mir wie weggeblasen.

Empört über diesen Spruch hebe ich den Kopf. "Geackert?! Bin ich ein Pferd oder was?!"

"Hn ... Nö. Obwohl du geschnaubt hast wie eins, als ich dir mit ..."

"Hey!"

"Was denn?"

"Mach dich noch über mich lustig!"

"Mache ich doch gar nicht."

Ich drehe mich auf den Bauch, damit ich mir den Kopf nicht die ganze Zeit über verrenken muss, und packe Meilos Kinn, der frech vor sich hin grinst. "Wer ist denn daran schuld, dass ich so 'ackern' musste?", frage ich ihn.

"Wir beide?", fragt er scheinheilig und lässt eine Augenbraue nach oben flippen.

"Ähm ... Ja, na gut! Wir beide! Das ist trotzdem kein Grund das Wort ackern zu benutzen."

"Ich wusste ja gar nicht, dass du so empfindsam bist."

"Ich geb dir empfindsam!" Ich beuge mich vor und beiße in Meilos Hals. Der windet sich lachend unter mir.

"Warte! Halt! Ahhahaa! Nicht noch mehr! Das muss ich doch morgen sonst alles abdecken!" Ich lasse von ihm ab.

"Du musst das abdecken?" Mein Blick wandert von Meilos Gesicht zu den dunklen Mahlen, die ich ihm an der selben Stelle verpasst habe, wie er mir all die male zuvor.

"Natürlich. Knutschflecken machen sich nicht so gut bei einem Pressetermin. Und sie werfen eine Menge Fragen auf, die ich auf keinen Fall beantworten möchte." Seine Hand streift über die linke Seite meines Gesichtes. An meinem gefleckten Hals bleibt sie liegen. "Ich hätte es auch gern anders", seufzt er leise und küsst meine Stirn.

"Nein, ich verstehe schon." Klar kann er die nicht zur Schau stellen. Selbst bei einem stinknormalen Job wäre das nicht allzu ratsam. Warum aber macht mich das so traurig? 'Weil sie alle wissen sollen, dass Meilo und ich ...' Ich zwinge mich den Satz nicht zu Ende zu denken. Für solcherlei Gedankenspielchen gibt es doch gar keinen Grund! Wir sind ja schließlich nicht zusammen …
 

Ich lege mich wieder auf mein bequemes Meilo-Kopfkissen nieder und starre auf die Lichter der Stadt, jenseits des großen Fensters vor mir. "Bald hat das zum Glück ein Ende", murmelt Meilo und macht wieder weiter damit, mir durch die Haare zu kraulen.

"Wie lange läuft dein Vertrag noch?"

"Bis Ende des Jahres." Stimmt. Das hatte er schon mal erwähnt. "Noch viereinhalb Monate."

"Hast du bis dahin noch viel zu tun?"

"Bis jetzt stehen noch elf Konzerte an. Dazu noch ... ich glaube drei Überraschungskonzerte. Dann noch Interviewtermine, weitere Veröffentlichungen mit Bonusmaterial, und so weiter. Meine Plattenfirma will noch ein paar Euros mit mir verdienen, seit sie wissen, dass ich mich von ihnen verabschieden werde."

"Schweine!"

Meilo kichert leise. "Ich hab ja auch was davon. Ein kleiner Puffer für später ist auch nicht zu verachten."

"Hast du nicht gesagt, du hättest was Neues?" Das hat er mich doch erst erzählt.

"Das schon, aber wer weiß schon wie das ankommt? Es wird total anders sein, als das, was ich jetzt mache. Weniger Glimmer, mehr Musik. Keith Kandyce wird mit Ablauf des Vertrages sterben."

Jetzt muss ich mich doch wieder zu ihm drehen. "Keine Schminke und Heels mehr?"

"Nie mehr." Das beruhigt mich. Meilo pur ist eindeutig viel besser. Obwohl ich einen wirklich puren Meilo gern nur für mich beanspruchen würde ... Lasst mir doch meine Träume!

"Warum hast du überhaupt damit angefangen?", frage ich ihn, um auf seine derzeitige Bühnen-Präsenz zurück zu kommen.

Meilo knabbert auf seiner Unterlippe herum und mustert mich. Gott, ist das heiß! Darf ich mitknabbern? "Als ich angefangen habe, damals noch ohne Plattenvertrag, war das mein Standartoutfit."

"Du verarschst mich?" Ich dachte, das wäre auf dem Mist der Plattenfirma gewachsen.

Er schüttelt den Kopf. "Tue ich nicht. In dieser Phase meines Lebens habe ich das gern getragen und mich auch gern aufwendig zurechtgemacht."

"Und das tust du jetzt nicht mehr?"

"Nein", antwortet er ohne zu zögern. "Keith Kandyce war von Beginn an mein Alter Ego. Die Seite in mir, die das eben ausleben wollte und die später auch meine Plattenfirma wollte. Aber diese Kunstfigur hat sich plötzlich auf mein normales Leben viel mehr ausgewirkt, als ich beabsichtigt hatte."

"Inwiefern?"

"Na ja. Wenn du morgens um halb vier allein in ein unpersönliches Hotelzimmer hineinstolperst, mit verlaufener Schminke im Gesicht und Absätzen bis in den Himmel, dann kommt man irgendwann ins Grübeln, ob das wirklich der Weg ist, den man im Leben einschlagen will."

"Das muss schwer sein", flüstere ich. "Sich ständig zu verstellen und auf Knopfdruck funktionieren zu müssen." Ich stelle mir das echt furchtbar vor. Ganz zu schweigen von den ganzen aufdringlichen Fans. Nur nicht an Nicole denken, Niclas!

"Es geht. Schlimmer aber ist, dass ich meine eigenen Songs nicht so singen darf, wie ich möchte. Wenn überhaupt."

"Nicht? Ich dachte, das sei die Aufgabe eines Sängers."

"Nicht, wenn du in eine ganz bestimmte Sparte gezwängt wirst und eine ganz bestimmte Hörergruppe ansprechen sollst. Als Mensch entwickelt man sich weiter. Ebenfalls als Musiker. Aber das darf ich nicht, weil ja sonst eventuell meine Fans abspringen würden." Wie fies ist das denn?!

"Und der Song?" Ich kreise mit dem Zeigefinger auf den dunklen Flecken auf Meilos Hals herum, zeige ihm somit, was für einen Song ich meine. "Ich kenne mich zwar nicht so gut mit den Songs von Keith aus, aber er hört sich nicht so an, als wäre er ein typischer Song von ihm. Nicht so … poppig", wenn ich den Sprachgebrauch der Mädels zitieren darf.

Meilo grinst mich an. Seine Lippen sind noch ganz dunkel und voll. Als würden sie mich geradezu anbetteln … "Es ist ja auch kein Keith-Song. Ich habe ihn für dich geschrieben. Nach unserer ersten Nacht. Weil du mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen bist." Ich mache große Augen. "Ich habe vor ein paar Tagen unserem Keyboarder die Noten gegeben und eins führte zum Anderen. Ich wollte ihn unbedingt einmal live singen. Na ja. Und heute noch einmal." Er zwinkert mir zu und in meinem Bauch geht ein Feuerwerk los. "Gerd war sauer, aber das war mir egal. Und die Rechte des Songs gehören immer noch mir. Also eher gesagt, dir. Oder uns ... Na ja, du weißt schon, was ich meine." Nein, weiß ich nicht, aber ich frage lieber nicht nach. Noch nicht. Ich nicke einfach und tue so, als wüsste ich Bescheid.
 

Aber das bringt mich unweigerlich auf eine andere Frage, die mir, zugegebener maßen, schon seit vorhin im Backstagebereich auf der Seele brennt. "Sagtest du nicht, deine Plattenfirma sähe es nicht gern, wenn du was Ernstes mit jemanden eingehen würdest?" Dass das mit uns beginnt ernst zu werden, darüber möchte ich jetzt auch nicht näher nachdenken. Aber ich will das geklärt haben, bevor ich mich in etwas verrenne, das Meilo in Schwierigkeiten bringen könnte. Denn das möchte ich auf gar keinen Fall.

"Ja."

"Dein Song deutet aber so was in der Richtung an. Außerdem hast du gesagt, dir wäre jemand begegnet, der dich zu dem Song inspiriert hat. Also ich finde, wenn da keiner die richtigen Schlussfolgerungen zieht, dann ist er ganz schön blind."

"Was willst du damit sagen?", fragt er mich grinsend. Oh, oh.

"Nichts! Ich will nur nicht, dass du Ärger bekommst." Mehr oder weniger ...

"Darum mach dir mal keine Sorgen", gluckst er und stupst mir mit dem Zeigefinger auf die Nase. "Alles nur ein PR-Gag." Jetzt bin ich doch leicht verstimmt.

"So? Ich bin für dich bloß ein PR-Gag?" Ich schnappe mir seinen Finger und halte ihn fest.

"Gefällt dir das etwa nicht?" Ups. Erwischt. "Willst du gern mehr sein?" Doppelt erwischt.

"Und du? Willst du, dass ich mehr für dich bin?" Ich werde nervös. Darüber wollte ich doch noch gar nicht mit ihm reden!

"Da fragst du noch?", fragt er mich leise und setzt sich auf. Ich rutsche dabei seitlich von ihm hinunter und werde hinterrücks von Meilo in die Kissen gedrückt. Nun liegt er halb auf mir und blickt zu mir hinab. "Du bist schon viel mehr für mich", wispert er. "Viel, viel mehr ..."

Schwer ruht seine Hand auf meiner Brust. "Das ist verrückt." Ich bereue den Satz, kaum dass ich ihn ausgesprochen habe, doch es stimmt. Seitdem ich die Briefe und Post-Its von mir an Kilian in den Mülleimer der Raststädte geschmissen habe, wird es immer verrückter.

"Mag sein", meint Meilo. "Aber wozu lange herumreden, wenn man sich sicher ist, wohin die Reise geht?" Seine Hand wandert nach oben, streichelt meine Brust und legt sich auf meinen mit Flecken verzierten Hals. "Es war Schicksal, dass mein Auto gerade dann kaputt gegangen ist, als dieser Parkplatz vor mir auftauchte, auf dem auch noch ausgerechnet du gestanden, und mir geholfen hast. Als hättest du nur auf mich gewartet." Und wieder erwacht mein Bauch kribbelnd zum Leben. Wie macht der Kerl das nur?

"Aber das hätte doch jeder gemacht", murmle ich ein klitzekleines bisschen peinlich berührt.

"Das meine ich damit nicht. Auch wenn es wirklich nett von dir gewesen ist, mich abzuschleppen", grinst er. "Wegen dir habe ich endgültig die Entscheidung getroffen, meinen Vertrag nicht mehr zu verlängern."

Ungläubig schaue ich in Meilos Gesicht. "Wegen mir? Nur wegen den paar Stunden, die wir miteinander verbracht haben?" Und wieder bereue ich es, die Klappe aufgemacht zu haben.

"Nur?", fragt er mich und verengt die Augen.

"So meinte ich das doch gar nicht!" Oh Shit!

Meilo setzt sich auf. Mir wird sofort unendlich kalt, was nicht daran liegt, weil mir die Decke dabei weggezogen wird. "Ich muss mal ins Bad." Weg ist er.
 

Ich starre ihm mit offenen Mund nach, ehe ich mich aus meiner Schockstarre löse, mir die Decke um den Körper wickle, und ihm nachlaufe. Zu spät. Er ist schon im Bad verschwunden und hat die Tür geschlossen. "Meilo? Meilo, bitte mach auf!" Keine Reaktion. "Das war dumm formuliert! Ich bin bloß überrascht davon, dass du so eine schwerwiegende Entscheidung getroffen hast, obwohl wir uns noch gar nicht richtig kannten!" Und schon wieder denke ich im Geheimen, dass wir uns eigentlich noch immer nicht kennen. "Meilo?" Ich horche ins Bad hinein. Die Toilettenspülung geht. Oh.

Beschämt trete ich einen Schritt von der Tür weg. Als sie aufgeht, traue ich mich kaum Meilo anzusehen. Da quatsche ich ihn ausgerechnet voll, während er auf der Toilette hockt! "Sorry."

"Mir tut es leid. Du hast ja recht." Hä? "Es war wahrscheinlich dumm von mir, mich wegen einer Nacht in eine unbekannte Zukunft zu stürzen, aber ich dachte, wenn das mit dir und mir auch nur einen Hauch von einer Chance haben könnte, dann nur, wenn ich Keith Kandyce begrabe." Schon wieder stehe ich sprachlos da.

Er dachte schon damals über ihn und mich nach? Und allein die Chance darauf, dass wir beide vielleicht irgendwann zusammen kommen, brachte ihn dazu, sein Leben neu zu planen? "Es tut mir so leid. Ich hätte niemals für möglich gehalten, dass du das alles wegen dir und mir ... also ... Es tut mir leid." Ich seufze und kratze mich verlegen an der Stirn.

"Hör auf, dich ständig zu entschuldigen", schmunzelt Meilo. "Es gibt auch nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest. Es war meine Entscheidung. Das ich dich getroffen habe, war nur der letzte Anstoß dafür."

"Die erste Entschuldigung war fürs Zutexten durch die Toilettentür", verteidige ich mich kleinlaut, weil ich wieder nicht weiß, was ich darauf erwidern soll.

"Kein Ding, aber wenn du das öfter machst, dann lass ich demnächst die Badezimmertür offen."

Ich ziehe die Nase kraus. "Idiot!"

Meilo lacht und zieht mich an sich. Erst jetzt fällt mir auf, dass er noch immer nackt ist. Ich teile die Decke und lasse ihn drunter schlüpfen. Undenkbar, wenn er mir erfrieren würde!
 

Seine Arme gleiten um meinen Rücken und ich lehne mich mit geschlossenen Augen gegen seinen Oberkörper. Sogar im Stehen ist es total gemütlich, sich an ihn zu schmiegen. Ich könnte sofort einschlafen. "Niclas?"

"Hm?"

"Hattest du nicht auch von Anfang an das Gefühl, dass das mit uns etwas Besonderes ist?"

Ich öffne die Augen wieder, sehe aber nichts, außer Meilos Brust und Hals. Nicht der schlechteste Anblick ... "Irgendwie schon", gestehe ich. "Aber ich hielt das mit uns für einen One Night Stand. Ich wollte nicht darüber nachdenken, weil ich dachte, es bringe sowieso nichts. Du bist am nächsten Morgen weggefahren, und ich hätte niemals daran geglaubt, dass wir uns jemals wiedersehen würden."

"Und trotzdem hast du mir eine SMS geschrieben, als du meine Handynummer gefunden hast." Ich höre ihn lachen. "Und das sogar noch viel früher, als ich erwartet hatte."

"Wieso noch früher?" Bin ich zu vorschnell gewesen?

"Du hast dich erst von deinem Partner getrennt. Ich dachte, du brauchst vielleicht noch ein wenig Zeit, um das zu verarbeiten. Deswegen hatte ich dir die Nummer in dem Karton deponiert. Damit du dich in Ruhe dazu entscheiden konntest, dich bei mir zu melden. Ich wollte sie dir nicht in die Hand drücken, weil du dich dann vielleicht unter Druck gesetzt gefühlt hättest, dich bei mir melden zu müssen. Oder noch schlimmer: Die Nummer überstürzt weggeschmissen hättest."

"Das hätte es ganz sicher nicht", schmunzle ich. "Mal abgesehen davon, die Zeit zum Verarbeiten wäre wahrscheinlich noch viel länger ausgefallen, wenn du nicht plötzlich in meinem Leben aufgetaucht wärst." Ganz bestimmt sogar. "Aber was hat dich so sicher gemacht, dass ich mich irgendwann bei dir melde?" Das wüsste ich zu gerne.

"Ich wusste es eben. Ich hatte das im Gefühl." Er lächelt mich verschmitzt an, was auch mich lächeln lässt.

"Das war ganz schön mutig von dir. Was hättest du gemacht, wenn ich mich nicht bei dir gemeldet hätte? Oder wenn ich die Nummer erst gar nicht gefunden hätte?"

"Dann wäre ich irgendwann wieder zu dir gefahren. Ich weiß ja, wo du wohnst."

"Das hättest du wirklich gemacht? Zu mir gefahren, wenn ich dich nicht angerufen hätte?"

"Natürlich", sagt er in einem völlig überzeugten Tonfall. "Ich hätte bei dir geklingelt, hätte gesagt, dass ich gerade zufällig in der Nähe gewesen bin, und dich besuchen wollte."

"Hättest du?"

"Hmhm. Und dann hätte ich dich gefragt, ob du endlich über deinen miesen Ex hinweg bist, hätte dich dann geschnappt und nie wieder losgelassen."

In meinem Bauch breitet sich ein warmes Gefühl aus und ich bin für einen Moment sprachlos. "Und was hättest du gemacht, wenn ich gesagt hätte: Tut mir leid. Leider zu spät. Ich habe mir schon jemand anderen angelacht?" Ich unterdrücke ein Grinsen. Dass mir das nicht ganz gelingen mag, sehe ich an dem amüsierten Funkeln in Meilos grünen Augen. Seine Hände gleiten hinab an meinen Hintern. "Das hättest du sicher nicht gesagt", raunt er mir zu.

"Wieso nicht? Hätte doch sein können."

"Nein. Kein anderer Kerl wird dich nach mir jemals wieder anrühren." Bitte?!

"Was? Wieso nicht?", frage ich empört nach.

"Weil seit unserer ersten Nach auf deinem Arsch mein Name steht", flüstert Meilo und packt zur Bekräftigung seiner Worte kräftiger zu.

Das warme, flauschige Gefühl in meinem Bauch verstärkt sich um ein Vielfaches. "Echt?", frage ich ihn mir rauer Stimme, trete zurück und lasse die Bettdecke fallen. Umständlich drehe ich meinen Oberkörper nach hinten und versuche meinen Hintern zu begutachten. "Wo denn?"

"Das zeige ich dir im Bett", wispert Meilo hastig und jagt mich zurück auf das riesige Luxushotelbett.

Hoffentlich zeigt er es mir ganz genau und in aller Ruhe ...
 

***
 

"Nicilein? ... Niiihhiiiic?"

"Hmmm ..." Ich presse mein Gesicht fest in das Kissen unter mir. "Will noch schlafen", brummle ich in den weichen Stoff.

"Sicher?" Ich nicke umständlich und bekomme kaum Luft, aber auf keinen Fall drehe ich mein Gesicht auf die Seite! Es ist so schön dunkel, so eingesunken in dem Daunenkissen. "Was machen wir denn da jetzt?" Hinter mir raschelt es und mir wird die Decke vom Rücken gezogen. Ja, mach nur. So bekommst du mich nicht aus dem Bett. Frag meine Mutter. Die hat früher auch nicht davor zurückgeschreckt, mich mit kaltem Wasser zu wecken, wenn ich nicht aufstehen wollte. Gegen Versuche jeglicher Art bin ich vollkommen immun. Trotzdem warte ich ein klitze kleines bisschen neugierig darauf, wie Meilo mich zum Aufstehen bewegen möchte.

Auf meinem Nacken fühle ich zwei Finger. Ruhig kreisen sie in kleinen Bewegungen dort herum. Ja, nicht schlecht. Für den Anfang. Aber so werde ich mein gemütliches Plätzchen ganz sicher nicht aufgeben. Und auch nicht für die weichen Lippen, die kurz danach an der selben Stelle auftauchen. Ehrlich gesagt macht mich das nur noch müder. Das ist ja so entspannend!

Während die Lippen mich weiterhin im Nacken verwöhnen, rutschen die beiden Finger an meiner Wirbelsäule entlang nach unten. Ja, das könnte eventuell was werden. Ich werde urplötzlich ziemlich munter, als ich mir in Gedanken ausmale, wohin die zwei Fingerchen gerade unterwegs sind. Doch als sie an meinem Steißbein kehrt machen, knurre ich enttäuscht auf. Meilo lacht mir in den Nacken. "Nochmal?"

"Ja." Und wieder gehen die zwei Finger auf Talfahrt. Und wieder stoppen sie kurz vor dem Ziel und wandern zurück nach oben. "Meiloho!"

"Was denn?" Ich knirsche mit den Zähnen. Wie heiß sich seine Stimme anhört, wenn er versucht nicht zu lachen!

"Tiefer", fordere ich ihn auf.

"Tiefer?"

"Ja."

"Was denn?", fragt er noch einmal, diesmal mit tieferer Stimme. Ohh dieser ...! Lachend patscht er mir auf den Hintern und rückt von mir ab. "Auf jetzt! Ich muss bald los."

"Nein!" Jetzt bin ich eingeschnappt. Niclas will sofort seine Streicheleinheiten!

"Doch. Ich muss duschen. Und wenn du nicht aufstehen willst, muss ich das eben alleine tun." Die Matratze wackelt, leise Schritte.

Ich reiße die Augen auf, sehe aber nur Schwarz. Ruckartig schäle ich mein Gesicht aus dem Kissen und schaue Meilo hinterher. Seine nackte Kehrseite verschwindet just in diesem Moment im Bad. "Meilo! Warte!" Irgendwie habe ich das Gefühl, ihm ständig ins Bad nachlaufen zu müssen.
 

Dieses Mal hat er nicht abgeschlossen. Deswegen wage ich es, und schlüpfe ebenfalls ins Bad. Die Dusche rauscht und Meilo übt sich darin im sexy Silhouetten machen. Okay, viel Fantasie braucht es dazu nicht, denn die Scheibe ist aus spiegelfreiem, ganz und gar durchsichtigen Glas. Allein die daran hinab rinnenden Wassertropfen verzerren seinen Anblick ein wenig. Aber nicht viel. Es reicht, um ein gewisses Teil von mir dazu zu bringen, sich neugierig dem Schauspiel entgegenzurecken.

Ungeniert schiebe ich die Kabine auf. "Darf ich eintreten?"

"Ich dachte schon, du kommst nie." Meilo schnappt sich mein Handgelenk und zerrt mich unter den heißen Wasserstrahl. "Endlich wach?", kichert er und wischt mir ein paar Haarsträhnen von der Stirn.

"So schnell war ich noch nie aus dem Bett." Wir grinsen uns an, doch nicht lange. Prompt finden unsere Lippen zueinander, und saugen sich an dem Gegenpaar fest. Ihr glaubt nicht, wie lecker dieser Mann schmeckt! Von ihm kann ich gar nicht genug bekommen, weswegen ich ihn auch so ausgiebig wie möglich koste. Wir umarmen uns dabei, und das so eng, dass ich mir sicher bin, dass noch nicht mal der kleinste Wassertropfen zwischen uns passt. Meine Männlichkeit erwacht nun völlig, ebenso wie Meilos, wie ich erfreut bemerke.

Unsere Hände gehen auf Wanderung. Erst noch ohne Ziel, doch dann gleiten sie zwischen uns. Meilo greift sich die kleine Duschgelflasche, öffnet sie, und verteilt ihren duftenden Inhalt auf unseren Bäuchen. Ehe es nach unten im Abfluss verschwinden kann, verteilen wir es auf unserer erhitzten Haut.

"Fass mich auch an", wispert Meilo über das Rauschen der Duschbrause hinweg. Nichts lieber als das, mein Süßer.
 

*
 

Zärtlich küsst Meilo mein Schlüsselbein. "Noch mehr love bites?", kichere ich und hebe mein Gesicht zum Wasserstrahl hinauf. Mir ist heiß!

"Warum nicht?"

"Wenn es zu viele werden, muss ich sie mir nachher auch überschminken." Als Antwort erhalte ich einen weiteren Knutschflecken. Er kann es aber auch nicht lassen, was? Doch irgendwann muss auch mal Schluss damit sein. Hinterher sehe ich aus wie ein rasierter Dalmatiner.

Ich entschlüpfe ihm und seinem saugenden Lippen, und leere Duschgelflasche Nummer zwei in meiner Handfläche aus. Wer diese kleinen Minidinger bloß erfunden hat, die immer in den Hotels herumstehen? Für schlüpfrige Dinge in der Dusche reicht eine Flasche einfach nicht aus.

Ich reibe meine Handflächen kurz gegeneinander, verteile so das Gel und lege sie danach auf Meilos Rücken. Sanft massiere ich seinen Rücken. Schnurrend lehnt sich Meilo gegen meine Hände. Endlich kann ich sein Rückentattoo näher betrachten. Neugierig streichle ich an den dunklen Linien entlang, die sich größtenteils auf seiner linken Seite entlangwinden. Es sind keltische Knoten, die das Wort Stärke in ihren verschlungenen Linien verbergen, wie ich nun erkenne. Das muss verdammt weh getan haben! "Hat dein Tattoo eine tiefere Bedeutung für dich?", frage ich ihn. Aus Jux und Tollerei lässt man sich so ein großes Teil sicher nicht stechen.

"Das ist eine längere Geschichte."

"Erzählst du sie mir?"

"Jetzt?"

"Irgendwann mal."

"Sicher", meint er seufzend. Es interessiert mich brennend, warum Meilo sich gerade für dieses Tattoo entschieden hat. Überhaupt würde ich gern viel mehr von ihm erfahren. Aber alles zu seiner Zeit. Jetzt genießen wir erst einmal das Hier und Jetzt, und vor allem unsere Zweisamkeit.
 

Nachdem wir diese ausgiebig genossen, und unsere Dusche beendet haben, ziehe ich mich schnell an, wobei ich Meilo dabei beobachte, wie er, nur mit einem Handtuch um die Hüften, in seinen unzähligen Koffern wühlt. "Packst du die nicht aus?"

"Wozu? Ich muss sie meistens gleich wieder einpacken. Viel zu aufwendig." Ein Punkt für ihn. Trotzdem: Er fände sicherlich viel schneller was zum Anziehen, wenn er vorher auspacken würde.

Das Kinn auf dem Handballen abgestützt, sitze ich auf dem Bett und schaue ihm weiterhin dabei zu, wie er ein glitzerndes Kleidungsstück nach dem anderen prüft, es beiseite wirft, und das Nächste rausholt, um auch dies genaustens zu begutachten. Manche dieser Dinger würden jeder Hobbytranse das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. "Was machst du mit diesen Klamotten, wenn du nicht mehr Keith Kandyce bist?", frage ich ihn.

"Keinen Dunst." Er zuckt mit den Schultern. "Versteigern und für einen guten Zweck spenden vielleicht, doch da sie mir nicht alle gehören, kann ich das nicht allein entscheiden."

"Nicht?" Er verneint. "Du wirst echt von deiner Plattenfirma eingekleidet?"

"Überrascht dich das?" Er dreht seinen Kopf zu mir und lächelt verkniffen.

"Wenn ich näher darüber nachdenke, nein." Es muss wohl alles stimmig sein an Mr. Keith Kandyce.

Am Ende entscheidet Meilo sich für eine enge schwarze Jeans, ein recht gewöhnungsbedürftiges, silbernes Oberteil und eine Art Blazer in violett. Dazu hat er sich hohe Nietenboots rausgelegt. Der untere Teil gefällt von ihm mir eigentlich ganz gut, das sieht so Kiss-mässig aus, aber oben? "Stehen deine Fans wirklich auf diesen Kram?"

"Tun sie", antwortet er mir und kommt auf mich zu. Ich lege meine Arme um seine Hüfte und bette das Kinn auf seinem Bauch, sodass ich zu ihm aufschauen kann. Er krault mir unterdessen durch das noch feuchte Haar. "Ich würde jetzt auch viel lieber in Jogginghose und Shirt mit dir zusammen auf dem Bett herumflätzen, aber es geht leider nicht."

Ich lasse eine Augenbraue nach oben wandern. "Mit Jogginghose und Shirt?"

"Nicht gut?", grinst er.

"Nein. Ohne wäre mir lieber ..." Meilos Augen leuchten für wenige Millisekunden auf. Dann löst er sich seufzend von mir, haucht mir aber noch einen leidenschaftlichen Kuss auf die Lippen. Mehr davon! Leider läuft er rüber zu einem großen Schreibtisch und setzt sich davor.

Vor ihm auf dem Tisch liegen zwei Alukoffer, die er öffnet. Darin, wie von mir schon erwartet, eine riesige Litanei an Schminkutensilien. In einem der Koffer ist sogar ein Spiegel. Routiniert beginnt er damit, seine Haut abzudecken und sich damit langsam vollends in Keith Kandyce zu verwandeln.

Neugierig wie ich bin, ziehe ich mir einen Stuhl heran und setzte mich neben ihn, wo ich ihn dabei eine Weile lang schweigend beobachte.

Grinsend beäugt Meilo mich im Spiegel. "Willst du auch mal?", fragt er mich schließlich.

"Lieber nicht", winke ich ab. "Für so etwas habe ich mich noch nie interessiert. Schminke war für mich schon immer was für Omas und Mütter."

Meilo lacht leise und tuscht sich die Wimpern. "Nur für Omas und Mütter? Und was ist mit Frauen und Leuten wie mich?"

"Die interessieren mich nicht."

"Ach?" Meilos Hand senkt sich und er dreht den Kopf zu mir. "Ich interessiere dich nicht?" Ups.

"Doch! Natürlich tust du das! Ich meine damit doch so Leute wie dich. Also geschminkte Männer." Kann es sein, dass ich mich hier gerade wieder in die Scheiße rede?

"Das heißt, hättest du mich als Keith Kandyce kennengelernt, hättest du dich nicht für mich interessiert?" Was soll ich darauf denn jetzt sagen?

"Wohl eher nicht", gebe ich zu. "Dazu hätte ich dich erst besser kennenlernen müssen." Ist er jetzt sauer? Ich versuche an seinem Gesicht abzulesen, ob er es ist, kann es aber nicht.

"Ekelst du dich davor? Vor mir?"

Entsetzt schüttle ich den Kopf. "Nein! ... Ich stehe eben nur nicht auf geschminkte Männer." Ich lege meine Hand auf Meilos Bein. "Ist das schlimm?"

Er mustert mich, schüttelt dann aber den Kopf. "Nein. Warum auch?" Ich bin erleichtert! "Ich bin nur vorsichtig, was solche Äußerungen betrifft." Weshalb er das ist, das muss ich ihn erst gar nicht fragen.

"Erzählst du mir davon?"

"Wovon?" Meilo hat wieder damit begonnen, sich die Wimpern zu bepinseln.

"Wie es für dich war. Hast du die Seite in dir erst versteckt? Wie hat deine Familie reagiert, als sie es herausgefunden haben?" Bin ich zu neugierig? Aber da ich nun schon mal gefragt habe, schaue ich Meilo interessiert an.

Die Wimperntusche verschwindet wieder im Koffer. Dafür zieht Meilo nun einen schwarzen Stift heraus. "Das kam alles nach und nach", berichtet er. "Als Kind habe ich immer bei meiner Mutter gesessen, und ihr beim Schminken zugeschaut. So wie du gerade mir zuschaust", gluckst er. Ich ziehe die Nase kraus. "Irgendwann wollte ich es selbst ausprobieren. Als meine Eltern weg waren, tat ich es."

"Wie alt warst du da?"

"Zehn oder elf glaube ich." Schon so früh? "Als ich älter wurde, verstand ich auch langsam, was mit mir los war und dass das kein normaler Zeitvertreib für einen Jungen war. Ebenfalls, dass ich auf Jungs stand, wurde mir schon ziemlich früh bewusst. Na ja, und damit meine Mutter sich nicht wunderte, warum ihr Make-Up immer so schnell leer war, schlich ich bei uns in die kleine Drogerie und mopste mir einige Tiegel und Fläschchen."

"Echt? Du hast gestohlen?"

Meilo verzieht das Gesicht. "Hättest du als Teenager den Mumm dazu gehabt, dir Make-Up zu kaufen?"

"Wohl eher nicht", gebe ich zu und muss unwillkürlich an meine ersten Kondome denken, die ich ja auch hab mitgehen lassen, weil es mir zu peinlich war, sie zu kaufen.

"Ich lebte in einem Dorf nahe der Hauptstadt. Zwar befindet sich mein Elternhaus ziemlich abgelegen, doch uns kannte dort jeder. Meine Eltern haben viele Freunde und Bekannte in der gesamten Umgebung. Es war mir einfach peinlich."

"Und wenn man dich beim Make-Up klauen erwischt hätte?"

Er zuckt mit den Schultern. "Dann hätte ich gesagt, ein älteres Mädchen hätte mich dazu gezwungen." Ich will eigentlich nicht, aber ich muss anfangen zu lachen.

"Oh Mann! Du hattest es faustdick hinter den Ohren, was?"

"Eigentlich nicht", schmunzelt Meilo. "Ich war ein ganz schöner Angstschisser."

"So so ... Und wann hatte sich das geändert?"

"So mit sechzehn ungefähr. In der Schule fing ich an, meine Augen mit Eyeliner aufzuhübschen. Erst ganz dezent, aber es wurde immer mehr. Das bemerkten meine Mitschüler recht schnell und ich durfte mir viel anhören. Mehr als das. Bald schon musste ich mich schminken, weil ich damit die blauen Flecken und manchmal auch eine aufgeplatzte Lippe kaschieren musste."

"Scheiße", hauche ich. Kinder können solche Arschlöcher sein! "Da hatte ich wohl Glück. Als ich mich geoutet habe, hat sich keiner getraut etwas dagegen zu sagen." Ich war auch nie ein Außenseiter. "Meine Freunde nahmen mein Outing ganz locker auf. Meine Familie auch." Obwohl ich bei dem Outing vor meinen Eltern fast gestorben wäre, soviel Angst hatte ich. Dementsprechend katastrophal fiel sie dann auch aus, worauf ich jetzt jedoch nicht eingehen möchte. Meine Mutter findet diese Geschichte immer noch lustig und gibt sie hin und wieder zum Besten. Sehr zu meinem Leidwesen.

"Dann hattest du wirklich großes Glück." Meilos Stimme wird leiser. Ermutigend lege ich meine Hand auf seinen Oberschenkel. Seufzend fährt er fort. "Als ich es nicht mehr aushielt, lernte ich mich zu verteidigen. Danach wurde es besser, aber trotzdem mied man mich." In mir kommt das dringende Bedürfnis auf, Meilo in meine Arme schließen zu müssen. Ich tue es nicht, was allein daran liegt, weil er sich gerade die Lippen knall rot schminkt. "Später ging ich in eine Berliner Schule. Ab da an wurde es besser und ich fand auch ein paar Freunde. Ich trieb mich mit ihnen in Clubs und Schwulenbars herum und bald schon stand ich oben auf der Bühne und gab ein paar Lieber zum Besten. Zuerst war es nur Karaoke, aber plötzlich waren alle ganz begeistert von meiner Stimme und ehe ich mich versah, war Keith Kandyce geboren und ich tingelte unter diesem Namen durch die Clubs. Erst noch einfach so, nur zum Spaß, doch dann fragte mich einer der Barbesitzer, ob ich nicht ein mal pro Woche bei ihm auftreten wollte und bot mir sogar Kohle dafür an. Und plötzlich verdiente ich Geld mit meinem Gesang." Meilo presst die Lippen aufeinander, bewegt sie hin und her, und wirft seinem Spiegelbild einen Kussmund zu. Klappernd fliegt der Lippenstift in einen der Koffer. "Für mich ging damals ein Traum in Erfüllung."

"Verstehe." Sehr gut sogar. Ich weiß, wie es sich anfühlt, einen Traumberuf zu haben, und man sehnlichst darauf wartet, dass der Traum endlich wahr wird. "Warst du damals eigentlich nur in der Szene unterwegs?", frage ich ihn, weil mir bei seiner momentanen Verwandlung in Keith noch was anderes in den Sinn kommt.

"Nicht nur. Aber Hauptsächlich. Je nachdem, wer mich gebucht hat."

"Und wie ist das jetzt?"

"Hm? Was meinst du?" Meilo sieht mich stirnrunzelnd an.

"Als ich das erste Mal die Bilder von dir in Nicoles Zimmer gesehen habe, wusste ich sofort, der Kerl ist stockschwul."

"Danke", lacht er und schenkt mir einen amüsierten Blick.

"Bitte." Ich grinse zurück. "Damit wollte ich aber auf was anderes hinaus."

"Und auf was?"

"Ist Keith Kandys offen schwul?" Diese Frage darf ich mir doch wohl erlauben, oder?

Meilo spielt mit einem dicken Puderpinsel. "Laut Keiths Biografie ist er Bi."

"Echt?" Ich bin überrascht.

"Echt", nickt Meilo und trullert mit dem Pinsel im Puderdöschen herum. "Aber diesbezüglich muss ich Sie darauf hinweisen, dass mein Management Sie vorher darauf aufmerksam gemacht hat, alle Fragen in dieser Richtung sein zu lassen."

"Uh!", schnarre ich. "Entschuldigen Sie, Mr. Kandyce. Ich wollte nicht indiskret sein." Meilo lacht und pudert sich sein hübsches Näschen. "Also ist es der Presse verboten, über deine … ich meine Keiths, sexuelle Orientierung zu reden?"

"Ist es. Ich darf mich dazu auch nicht äußern."

"Ist das nicht schwer? Ich meine, auf sowas stürzt sich doch die Presse."

"Am Anfang war es schon schwer für mich. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Vor allem, da ich mich nicht verstecken wollte. Aber ich lernte schnell, dass es bei dem, was ich tue, schon lange nicht mehr um nicht geht, sondern allein um Keith. Ich spiele eine Rolle. Seit damals, als ich ihn quasi erfunden habe. Diese Rolle hat die Plattenfirma gekauft, und zu dem gemacht, was sie heute ist. Mit mir hat das kaum noch was tun. Ich bin nur derjenige, der diese Rolle am Leben halten muss." Meilo lächelt bitter. "Bis zum Ende des Jahres zumindest noch."

Ich ringe mit mir. Wie hält er das nur aus? "Das hört sich furchtbar an", antworte ich schließlich.

Meilo nickt schwach, strafft sich dann jedoch und macht weiter, sich in Keith zu verwandeln. "Na ja. Ich habe gelernt, mich damit zu arrangieren. Und seit Keith offiziell Bisexuell ist, wird auch über seine sexuelle Orientierung nicht mehr viel spekuliert."

"Ah so", sage ich gedehnt. "Aber du bist nicht …?"

"Was? Nein!" Meilo dreht den Kopf zu mir. "Ich stehe nur auf Männer."

"Auf Männer?" Ich lasse eine Augenbraue nach oben wandern.

Meilo grinst verschmitzt. "Mein Hauptaugenmerk liegt dabei allerdings einzig bei dir."

"Gut zu wissen", lache ich.

Meilo wirft mir noch einen wirklich verdammt sexy Blick zu, dann pudert er sich weiter. Still schaue ich ihm dabei zu, bis er den Pinsel wegpackt und sich nochmal genaustens im Spiegel mustert.
 

"Und? Wie sehe ich aus?", möchte er anschließend von mir wissen.

Ich schaue Meilos Spiegelbild an. "Wie Keith Kandyce", antworte ich und lege meine Arme um seinen Nacken. Den Kopf bette ich auf seiner Schulter und schaue weiterhin in den Spiegel. Würde Nicole uns jetzt so sehen, sie würde ausrasten. Die Versuchung, ein Foto von uns zu machen, und es ihr zu schicken, wallt auf. Aber nur kurz. Sie würde total ausflippen!

"Ich gefalle dir nicht, oder?"

"Das würde ich so nicht sagen." Ich mustere Meilos anderes Ich ausführlich.

"Dein Gestarre verunsichert mich", murmelt er verlegen.

Das bringt mich zum Grinsen. Ich bringe Mr. Superstar in Verlegenheit. "Auf dem Plakat, das bei uns am Sportplatz hängt, du weißt schon, das dein Überraschungskonzert verkündet, da dachte ich: Solche grünen Augen hat doch kein Mensch! Die müssen nachbearbeitet worden sein, oder es sind irgendwelche Kontaktlinsen. Aber du hast wirklich so grüne Augen. Meilogrün."

"Das hast du schon mal gesagt, aber Danke." Er grinst mich an.

"Hätte ich dich als Keith Kandyce kennengelernt, also damals auf dem Parkplatz, dann wäre ich trotz Schminke auf dich Aufmerksam geworden." Dessen werde ich mir immer sicherer.

Meilo dreht sich zu mir. Bevor ich auch nur reagieren kann, hat er mein Gesicht umfasst, und drückt mir seine roten Lippen auf. "Das hast du süß gesagt", schmunzelt er. "Und ich darf dir sagen, dass du ebenfalls meine Aufmerksamkeit gehabt hättest, wenn du mit knallrot geschminkten Lippen vor mir gestanden hättest. Die Farbe steht dir." Bitte?!

Im Spiegel erkenne ich es. Meilos Lippenstift hat abgefärbt. "Wah!" Mr. Kandyce lacht sich schlappt, während ich mir mit einem Kosmetiktuch den Mund abwische. "Hör auf zu lachen!"

"Nöööö!" Der kringelt sich regelrecht. Ist das zu fassen?

"Ist ja mal gut jetzt", schmolle ich und knäule das Kosmetiktuch zusammen.

"Oh Niclas." Meilo, die Kichererbse, beruhigt sich endlich wieder. "Mein süßer, schnuffeliger Niclas."

"Schnuffelig? Sag das nicht nochmal." Langsam wird er übermütig.

"Na schön. Dann eben anders." Will ich wissen, was er jetzt schon wieder ausheckt? "Ich liebe dich." Ich halte die Luft an. Er hat es gesagt!

"Ich dich auch", wispere ich, selbst ganz erschrocken darüber, dass ich es ebenfalls gesagt habe. "Ich liebe dich, Meilo", wiederhole ich, und es ist richtig befreiend, es laut auszusprechen. Mein Magen spielt verrückt, und mein Herz schiebt Überstunden, aber ich habe mich schon lange nicht mehr so gut und so glücklich gefühlt, weil es sich verdammt richtig angefühlt hat, es zu sagen.
 

Ich beuge mich vor, umarme Meilo und küsse ihn. Ungeachtet dessen, dass ich davon schon wieder rote Lippen bekomme und er sich bestimmt gleich wieder nachschminken muss. Es gibt wichtigeres.

Und wie erwartet, als wir uns schwer atmend wieder lösen, bin ich nicht der Einzige, der verschmierte rote Farbe im Gesicht hat. "Dein Lippenstift ist leicht verschmiert", lache ich und wische mit dem Daumen über Meilos rechten Mundwinkel. Das macht es aber nur noch schlimmer.

"Scheiß drauf!", gluckst Meilo, packt mich, und raubt mir erneut den Atem. Die Antwort gefällt mir. Doch nicht nur die ...
 

******

Love bite 09 - Händchenhalten und Plastikwände mit Holzoptik

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 09 - Händchenhalten und Plastikwände mit Holzoptik (Ohne Adult)

Hy Leute!

Tut mir wirklich leid, dass ich das nächste Kapitel erst jetzt hochlade, aber wir rennen wegen Papa schon wieder von einem Krankenhaus ins nächste -__- Und zu allem Überfluss habe ich vorhin einen üblen Geruch an meiner Katze bemerkt. Madam hatte sich letztens eine Kralle rausgezogen und das ist anscheinend auch noch entzündet. Also vom Krankenhaus morgen gleich wieder zum Tierarzt.

Irgendwie ist das nicht unser Jahr -________-
 

Euch trotzdem viel Spaß beim nächsten Kapitel. Ich bin dann mal beim Tierarzt *schnauf*
 


 

Love bite 09 - Händchenhalten und Plastikwände mit Holzoptik (Ohne Adult)
 

"Morgen", rufe ich in die Küche und winke meiner Mutter zu.

"Morgen? Es ist fast fünfzehn Uhr! Wo warst du denn?"

"Weg", antworte ich lapidar und kann nicht aufhören zu grinsen.

"Weg? Die ganze Nacht über?"

"Kann sein." Ich betrete die Küche und mopse mir eine Banane aus dem Obstkorb, der schon seit meiner Kindheit immer neben der Brotmaschine steht, und stets gut gefüllt ist.

"Wie, kann sein? Warst du bis eben weg, oder nicht?"

"Vielleicht, aber vielleicht auch nicht", flöte ich und beiße genussvoll in die gelbe Frucht.

Meine Mutter lehnt sich gegen die Küchenzeile und mustert mich eingehend. "Wie auch immer, du hattest sicher eine Menge Spaß." Hatte ich.

Aber "Woher willst du das wissen?", frage ich sie scheinheilig.

"Weil du die gleichen Klamotten wie gestern trägst. Und die da" sie tippt mir auf den Hals "waren gestern auch noch nicht da." Erwischt.

"Und?", frage ich unschuldig und zucke mit den Schultern. "Ich bin Single und erwachsen."

"Manchmal bezweifle ich das", grinst sie. Ich werfe ihr einen beleidigten Blick zu und vertilge den Rest meines 'Frühstücks'. "War die Nacht schön?"

"Und wie", kaue ich.

"Lass mich raten. Du warst bei Meilo." Erstaunt schlucke ich den Bananenbrei runter. "Ich habe also recht? Das freut mich aber für dich."

"Wie machst du das? Woher nimmst du diese hellseherischen Kräfte?" Mit den Fingern fuchtle ich ihr vorm Gesicht herum, um die unsichtbaren Kräfte zu demonstrieren.

"Berufsgeheimnis", lacht sie und klopft mir auf den Rücken. "Aber so schwer war das auch gar nicht zu erraten." Wenn ich es recht bedenke, stimmt das wahrscheinlich sogar. Wo sollte ich mir die Knutschflecken auch sonst eingefangen haben? Außerdem weiß sie davon, dass Meilo in der Nähe ist. "Werdet ihr euch wiedersehen?"

Ich nicke. "Nachher. Er hat noch einen Termin in der Stadt. Danach treffen wir uns dort." Sein Interviewtermin ist um sechzehn Uhr vorbei. Treffen wollen wir uns vor dem großen Kaufhaus in der Altstadt. Was wir dann machen wollen, weiß ich nicht. Aber es ist auch egal. Hauptsache, wir sind zusammen. Und er hat sein Keith Kandyce Outfit gegen sein Meilo Outfit gewechselt. Er hat es mir jedenfalls versprochen.

"Ist Kilian jetzt endgültig vergessen?"

Wir setzen uns an den Küchentisch. Wie zwei alte Klatschweiber. "Ist er", bestätige ich. "Ich kann es gar nicht fassen, wie schnell das eigentlich ging. Und noch weniger, wie ich mich wieder so schnell verlieben konnte." Mein Blick schweift in die Ferne. Und wie ich verliebt bin.

"Das ist doch ein gutes Zeichen. Trotz deines gebrochenen Herzens, konntest du dich neu verlieben. Vielleicht ist Meilo ja endlich der Richtige für dich." Nichts sagen Niclas. Ja keinen Ton.

Meine Mutter ist ganz versessen darauf, dass ich endlich den Mann meiner Träume finde, und ihn vor den Traualtar schleife. Sie hat sogar schon so ein kleines Schwulenpärchen aus Plastik gekauft. So eins, das oben auf die Torte drauf kommt. Gruselig, oder?

"Noch sind wir nicht verlobt, und werden es auch vorerst nicht sein", grolle ich dann doch, weil meine Mutter mich wieder mit diesem merkwürdigen Blick mustert.

"Was nicht ist, kann ja noch werden." Sie grinst, als wolle sie sagen: Ich weiß etwas, das du nicht weißt. Dabei ist es genau anders herum.
 

Soll ich es ihr sagen? Es wäre bestimmt besser. Dann kann sie mir beiseite stehen, wenn Nicole erfährt, dass ich mit ihrem Lieblingssänger in die Kiste springe. Und mit unter die Dusche ... "Niclas?"

"Hm?" Ich bin wohl etwas abgeschweift.

"Möchtest du noch etwas vom Mittagessen?"

"Nein, danke." Achtung. Gleich kommts.

"Mensch Junge! Du fällst noch vom Fleisch. Du brauchst Proteine! Gerade wenn man eine frische Beziehung hat. Oder willst du, dass du mitten beim Se..."

"STOPP! Noch ein Wort, und ich träufle mir Wachs in die Gehörgänge!" Mütter, die über Sex reden. Das ist noch gruseliger als das kleine schwule Plastikbrautpaar, das sie im Küchenschrank neben ihrem Backzeugs verstaut hat.

Meine Mutter verschränkt die Arme vor der Brust und schnaubt. "Von mir aus. Dennoch kann ein bisschen Tinte aufm Füller nicht schaden." Oh Gott!

Ich donnere mit dem Kopf auf den Tisch, während meine Mutter mir einen Teller Tinte für meinen Füller aufwärmt. Als ob ich das brauchen würde. Ich stehe in der Blüte meines Lebens, bin frisch verliebt, und auch falls mir mal die Tinte ausgehen sollte, Meilo leiht mir bestimmt seine ... Okay! Schluss jetzt! Pfui und aus!

"Lebst du auch noch?"

"Hallo Schwesterherz." Nicole schleicht auf den Kühlschrank zu. Dabei hatte der Tag doch so wundervoll begonnen!

"Willst du die Videos sehen, die ich vom Konzert gemacht habe?" Mit einem Joghurt in der einen, und ihrem Handy in der anderen Hand, setzt sie sich neben mich.

"Bitte Nicole. Das Gedröhne mussten wir uns jetzt schon den ganzen Tag anhören." Hehe. Sag bloß, diesmal ging Nicole meinen Eltern auf die Nüsse? Allerdings kann mich auch diese Vorstellung nicht aufheitern, wenn ich daran denke, ihr das sagen zu müssen, was ich ihr bald sagen muss. Sie bringt mich um! Ob Meilo an meinem Grab weinen wird? Vielleicht singt er mir ja wieder ein Ständchen und meine Schwester kippt daraufhin bewusstlos auf meinen Sarg. Das wäre doch mal eine Gaudi!

"Guck hier! Das war der Anfang." Ein unscharfes, verwackeltes Handyvideo wird mir vors Gesicht gehalten. Nicole fängt an zu quietschen und zappelt auf ihrem Stuhl herum. Jetzt erkenne ich gar nichts mehr vom Video. "Er ist so süß!" Da gebe ich ihr ausnahmsweise mal recht. Obwohl süß es nicht ganz trifft. Eher heiß, sexy und verdammt geil. Besonders, wenn er diesen Hüftschwung, den er da gerade auf der Bühne vollzieht, auf meinem Schoß macht ... "Erde an Niclas. Hallo?" Nicole wedelt mit ihrer Hand vor meinen Augen herum. "Wasn mit dir los?"

"Lass ihn doch Nicole. Niclas hat gerade ganz andere Dinge im Kopf." Danke Mama! Häng doch gleich alles an die große Glocke.

"Ach? Haben diese Dinge was mit den ganzen Knutschflecken zu tun, die du da mit dir spazieren trägst?" Nicole grinst fies.

"Hat es", blaffe ich sie an.

"Uhhh! Wie heißt er denn? Sag bloß, du hast ihn gestern auf dem Konzert kennengelernt." Ich schlucke hart und starre meine Schwester nachdenklich an. Jetzt wäre doch der richtige Zeitpunkt, um es ihr zu sagen. Warum auch nicht? Besser, es gleich hinter mich bringen. "Falls ja, dann habe ich was gut bei dir, denn ohne mich ..."

"Es ist Keith. Die Knutschflecken habe ich von ihm", platzt es aus mir heraus.

Nicole runzelt die Stirn und öffnet den Mund. Erst kommt kein Ton, doch dann: "DU ARSCH! WARUM ÄRGERST DU MICH IMMER?!" Wütend steht sie auf, mit so viel Schwung, dass sie den Stuhl umreißt, und rast aus der Küche. Wumms! Das war wieder ihre Zimmertür.
 

"Niclas! Was sollte das denn eben wieder? Ihr habt euch die ganze Zeit über doch so gut verstanden. Warum musst du sie immer wieder ärgern? Du weißt doch, wie sensibel sie momentan ist", keift meine Mutter mich an.

Sie bückt sich, um den Stuhl aufzuheben. Ich helfe ihr dabei und packe mit an. Mein Herz schlägt so laut, dass es in meinen Ohren dröhnt. Jetzt habe ich es Nicole gesagt, aber sie glaubt mir nicht. "Geh zu ihr und entschuldige dich! Aber pronto!"

"Das kann ich nicht", flüstere ich.

"Und ob du das kannst! Mir reicht es langsam mit eurem Gezanke! Du bist ein erwachsener Mann, also benimm dich auch so!"

"Aber Mama! Du verstehst das nicht!" So sauer habe ich sie ja noch nie erlebt. Ihr Gesicht ist ganz rot.

"Ich verstehe das ganz gut, glaub mir!" Diesmal nicht. Diesmal versagen ihre hellseherischen Fähigkeiten. Aber zu ihrer Verteidigung, DAS konnte niemand voraussehen. "Was auch immer das für ein Kleinkrieg zwischen euch ist, er endet hiermit."

"Hör mir doch mal zu." Ich stehe auf und laufe meiner Mutter nach. Wenn sie wütend ist, läuft sie immer im Eilschritt herum, wischt mit den Händen über die Möbelstücke und räumt ziellos irgendwelchen Kram hin und her, als müsse sie sich Luft machen. "Mama! Bleib doch mal stehen!" Ich schiebe mich vor sie. Sauer funkelt sie mich an. In solchen Momenten komme ich mir wieder wie ein zwölfjähriger Junge vor.

"Ich höre Mister." Sie verschränkt die Arme vor ihrer Brust, wobei einer ihrer Zeigefinger nervös auf und ab tippt.

"Ich kann mich nicht bei ihr entschuldigen, weil ..."

"Weil was? Weil du zu stol..."

"Meilo ist Keith!", unterbreche ich sie, betone jedes einzelne Wort dabei, versuche aber nicht allzu laut zu werden.

Sie verstummt für einen Moment. "Was redest du denn da? So ein Schwachsinn!"

"Das ist kein Schwachsinn. Meilo ist Keith Kandyce. Nicoles Lieblingssänger."

Die Wut weicht aus ihrem Antlitz und wird durch verwirrte Fassungslosigkeit ersetzt. "Du musst dich irren. Das ist doch lächerlich!"

"Das dachte ich zuerst auch, aber es stimmt. Keith Kandyce ist bloß eine Kunstfigur. Meilos Kunstfigur."

Stille. Sie mustert mich für eine Weile, versucht wohl in meinem Gesicht abzulesen, dass ich lüge, findet aber keine Anzeichen dafür. Wie auch? Es ist die Wahrheit.

"Ach du liebes Bisschen", seufzt sie schließlich. "Oi! … Ich muss mich setzen." Ich halte sie fest, bis sie sich auf einen der Küchenstühle gesetzt hat, und lasse mich neben ihr nieder. "Und du bist dir ganz sicher, dass Meilo dieser Sänger ist?"

"Und wie ich das bin."

"Oi." Sie seufzt erneut und schüttelt leicht den Kopf. "Oh je, oh je, oh je." Besser hätte ich es nicht ausdrücken können.

"Was soll ich denn jetzt machen?", frage ich meine Mutter und schaue sie flehend an.

"Wegen was?"

"Ähm ... Wegen Nicole?"

"Erkläre es ihr."

"Aber wie denn? Sie reißt mir den Kopf ab. Kannst du mir dabei nicht helfen?"

Meine Mutter lehnt sich zurück und zupft an der Morgenzeitung herum. "Erstens, warum sollte sie dir den Kopf abreißen? Und zweitens, ich dachte ja eigentlich, du seist erwachsen. Also erkläre es ihr selbst, oder besser noch, tu das zusammen mit Meilo." Ich habe es geahnt!

"Wenn Nicole meinen Meilo in die Finger bekommt, dann war es das mit ihm." Das hätte ich nicht sagen sollen. Mein Mütterchen guckt mich schon wieder ganz böse an. "Bildlich gesprochen", setze ich nach. "Außerdem wird sie mich dann noch mehr hassen, als sowieso schon."

"Das glaube ich nicht."

"Nicht?"

"Nein. Warum auch?"

"Weil ich ihren Liebling an Land gezogen habe, ohne dass ich es wusste." Ist das nicht offensichtlich?

"Ich denke eher, sie wird dich für alle Zeiten lieben, weil du ihren Star nach Hause bringst. Sie wird erst mal daran zu knabbern haben, aber bestimmt arrangiert sie sich damit."

"Toll. Und so lange bin ich ihr Feind Nummer eins."

"Der bist du doch sowieso schon", lacht sie doch tatsächlich und klopft mir aufs Bein. Mütter!
 

***
 

Ich hatte dann doch noch mal einen Versuch gestartet, mit Nicole zu reden, aber sie drehte wie immer die Musik lauter und ignorierte mich. 'Bitte schön!', dachte ich. 'Dann eben nicht.' Zudem hatte ich was besseres zu tun, als mit einer Holztür zu reden. Mich umziehen nämlich, damit ich mich in die Stadt aufmachen konnte.

Und genau da bin ich jetzt.
 

Wie verabredet stehe ich an einem schattigen Plätzchen vor dem großen Einkaufszentrum und warte auf Meilo. Ich bin total aufgeregt. Unser zweites Date. Unser Erstes, seit ich weiß, als was er seine Brötchen verdient, und ich habe keine Ahnung, was da auch mich zukommen wird.

Wird er erkannt werden? Werden Scharen von Menschen hinter ihm herjagen, ihn nach Fotos und Autogrammen anflehen? Mich erschießen, wenn sie spitz bekommen, dass ich mit ihrem Idol im Bett war? Mir wird ganz flau im Magen. Auf was habe ich mich da denn bloß eingelassen?

"Nic!" Meine Mundwinkel ziehen sich nach oben und mein Herzschlag verdoppelt sich. Vergessen sind die Heerscharen von wütenden Mädchen, die mich in Stücke reißen. Da ist er ja!

"Hey!", begrüße ich ihn aufgeregt. Grinsend kommt er auf mich zu. Die Hände locker in einer hellen, kurzen Jeans vergraben, schwarze Sneakers und ein weißes, ärmelloses Hemd, auf dem Madonna abgebildet ist, und auf der Nase eine dunkle Sonnenbrille. Nein. Er sieht nicht im Geringsten aus wie Keith Kandyce, sondern viel besser. Ich bin so froh! "Na endlich!", lache ich und nehme Meilo kurz in den Arm.

"Wartest du schon lange?"

"Nicht wirklich, aber ich war etwas zu früh da. Ich musste Zuhause raus."

"Dicke Luft?"

"Wie man es nimmt", seufze ich. Meilo ist sofort ganz besorgt. "Ich wollte Nicole das mit uns sagen, aber irgendwie ging das daneben."

"Oh." Meilo schiebt sich die Brille auf den Kopf und mustert mich neugierig mit seinen grünen Augen.

"Ich habe es meiner Mutter erzählt. Sie war überrascht aber gefasst."

"Und dein Vater?"

"Der war nicht da, aber ihn kratzt das wenig. Hauptsache, dein Führungszeugnis ist sauber."

Meilo lacht auf und legt seinen Arm um meine Schulter. "Noch ist es das", gluckst er. "Aber vielleicht ändert sich das ja bald."

"So?" Er nickt. "Und weshalb?"

Er beugt sich zu mir runter und flüstert: "Wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses." Hopla! Da bin ich doch sofort dabei!

Unauffällig schmusen seine Lippen über meine, dann legt er seinen Arm um meine Schulter. "Und? Wohin?", will er wissen und sieht mich voller Tatendrang an.

"Wollen wir erstmal einen Kaffee trinken?", schlage ich aus Ermangelung anderer Ideen vor und zeige hinter mich ins Kaufhaus, wo es unzählige kleiner Cafés gibt.

"Gern." Dann also Kaffee trinken.
 

Wir betreten das große Kaufhaus. Hier gibt es neben den ganzen Cafés und Eisdielen alles, was das Herz sonst noch begehrt. Das erste Café, das wir erblicken, gehört uns. Neben einem kitschigen Wasserspiel, das in der Mitte der Einkaufsmeile vor sich hinplätschert, setzten wir uns an einen der kleinen, runden Tische. Eher lustlos blättere ich in der Karte herum. Wie wäre es mit Kuchen zum Kaffee?

Ich bin ganz vertieft in die Betrachtung der angebotenen Kuchensorten (ich habe schon wieder Hunger, und die kleinen Törtchen und Kuchenstücke sehen so lecker aus), dass ich heftig zusammenzucke, als mich plötzlich etwas am Bein berührt. Mit aufgerissenen Augen starre ich Meilo an. Dieser grinst spitzbübisch. "Ups", kichert er. "Du bist aber schreckhaft."

"Und du bist heute ganz schön übermütig", säusle ich ihm zu und genieße seine Wade, die sich immer noch an meiner reibt. Da ich ebenfalls eine kurze Hose trage, ganz ohne störenden Stoff.

"Haben Sie schon gewählt?" Muss der Kellner ausgerechnet jetzt angeschlichen kommen?

"Einen Cappuccino bitte und ein Glas Wasser", bestellt Meilo.

Und ich? Ich habe mich noch gar nicht entschieden. "Einen Milchkaffee und ... äh ... Ein Stück Schokotorte." Mit Schokotorte kann man nichts falsch machen.

"Sehr wohl." Huh, drückt sich der Kellner vornehm aus. Jedenfalls für ein Kaufhauscafé.
 

Während wir auf unsere Bestellung warten, schaue ich mich im Kaufhaus um. Viel ist nicht los. Wer geht bei so einer Hitze aber auch schon Shoppen? Dafür machen die Schwimmbäder sicher Rekordumsätze. Ein paar ältere Leute schauen sich das Wasserspiel an. Darunter auch ein rüstiges Ehepaar, das Händchen hält. "Wie süß", kommentiere ich und nicke zu ihnen rüber. Meilo sieht ebenfalls in ihre Richtung. "Wie lange sie wohl schon zusammen sind?"

"Vielleicht erst seit Kurzem", schmunzelt Meilo. "Bestimmt haben sie sich bei einem Tanzabend kennengelernt, und betrügen gerade ihre jahrelangen Partner."

"So wird es sein." Wir grinsen uns an.

Dann legt er seine linke Hand auf den runden Tisch und hält mir seine offene Handfläche hin. Dabei blickt er mir tief in die Augen. "Oder willst du das hier nicht?", fragt er. Kommentarlos ergreife ich seine Hand. Händchenhaltend in einem Café sitzen. Das wäre mit Kilian nicht möglich gewesen. Jedenfalls nicht außerhalb der Schwulenszene. In dieser Hinsicht war er ganz schön verklemmt und ängstlich.

"Wie war eigentlich dein Termin vorhin?", will ich von Meilo wissen.

"Interessiert dich das wirklich?", fragt er mich.

"Schon." Ich zucke mit den Schultern. "Läuft so was immer gleich ab?"

"Meistens." Meilo nickt. "Und immer ist es sau langweilig."

"Weil sie immer das Gleiche fragen?"

"Ja, das auch. Aber diesmal war es besonders nervig." Ich drücke seine Hand.

"Was wollten sie denn von dir wissen?"

"Hm ... Zeug eben. Keine Ahnung."

Ich runzle die Stirn. Keine Ahnung? Weicht er mich gerade aus? "Du musst doch irgendwas geantwortet haben." Bei einem Interview zu schweigen, wäre ja auch doof. Obwohl es so etwas auch schon gegeben hat. Was da nicht mal was mit einem Fußballspieler? Ach, egal!

"Habe ich ja auch, aber ich war die ganze Zeit über mit den Gedanken wo anders ..." Sein Daumen streichelt über meinen Handrücken. Verstehe.

"Warst du?" Er nickt und ich versinke in seinen grünen Augen ... Die Liebe zu ihm übermannt mich für einen Moment beinahe und alles drängt mich danach, diesen unglaublichen Mann sofort um den Hals zu fallen.. Ich räuspere mich und schaue vor mir auf den Tisch. Schöne Maserung, der Marmor.

"Ihr Cappuccino und Ihr Milchkaffee. Bitte sehr. Der Kuchen und das Wasser kommen sofort."

"Danke." Der Kellner mal wieder. Er stellt uns zwei Tassen vor die Nase und eilt wieder von Dannen.

Unsere Hände trennen sich. Schade. "Ich habe dir eben nicht ganz die Wahrheit gesagt", meint Meilo plötzlich und rührt in seinem Cappuccino herum.

"Was meinst du?" Über was haben wir eben nochmal gesprochen?

"Das interview", erklärt er. "An eine Frage kann ich mich noch recht gut erinnern."

"Ja? An welche?" Ich puste in meinen Kaffee. Ist der heiß! Hab mir beinahe die Lippe verbrannt.

"Der Reporter hat mich auf dein Lied angesprochen." Ich höre auf zu pusten und muss dabei ziemlich dämlich aussehen, mit den gespitzten Lippen und meinen weit aufgerissenen Augen, mit denen ich Meilo angucke, denn er beginnt zu kichern, als er mich anschaut.

"Was hat er dich denn genau gefragt?", möchte ich unbedingt von ihm wissen und stelle die Tasse ab, ohne einen Schluck daraus getrunken zu haben.

"Er wollte wissen, wer die Glückliche ist, die mir den Kopf verdreht hat." Da ich nicht weiß, ob ich jetzt lachen oder den Kopf schütteln soll, tue ich einfach beides.

"Und was hast du geantwortet?"

"Nichts."

"Nichts?"

"Was hätte ich schon darauf erwidern sollen?"

"Du hättest lügen können!" Ich bereue diesen Satz sofort. "Also ... wegen deinem Vertrag. Nicht, dass du noch eine Strafe zahlen musst", murmle ich. Eigentlich macht es mich insgeheim total glücklich, dass er nicht gelogen, sondern einfach geschwiegen hat. Trotzdem will ich nicht, dass er deswegen Ärger von seiner Plattenfirma bekommt.

"Hätte ich vielleicht, aber ich wollte nicht."

"Und jetzt? Die werden sich doch denken können, dass da etwas Wahres dran ist."

"Wahrscheinlich", meint er seelenruhig und hebt die Tasse zum Mund. Das er so relaxt dabei bleiben kann! Entweder es macht ihm nichts aus, dass er deswegen Ärger bekommen könnte, oder ...

"Macht deine Plattenfirma schon Stress?"

Meilo stürzt die Lippen und leckt sich den Milchschaum aus den Mundwinkeln. Das lenkt mich jetzt aber extremst ab! "Bis jetzt noch nicht", sagt er leise und zieht sein Handy aus der Tasche. "Aber nach diesem Konzertbericht, werden sie mich bestimmt sprechen wollen."

"Was für ein Konzertbericht?" Meilo reicht mir sein Handy. Irgendein Onlinemagazin. Ein großes Bild von der gestrigen Show ist zu sehen und darunter "Ach du Scheiße!" 'Keith Kandyce vergeben? Wer ist sein Sweetheart?' "Verdammt!"

"Sweatheart ist auch nicht schlecht, aber Sweety gefällt mir trotzdem besser", lacht er und angelt sich sein Handy zurück.

"Wie kannst du da noch Scherze machen?", fahre ich ihn an.

"Sich darüber aufzuregen bringt auch nichts."

"Und deine Plattenfirma?", zische ich ihm leise zu. Hoffentlich bekommt niemand unser Gespräch mit. "Die flippen doch sicher aus!"

"Mach dir keine Sorgen. Die werden das dementieren und gut ist. Bald werden es alle als PR-Gag halten und sich dem neusten Promiklatsch zuwenden. So geht das doch immer." Ich schlucke mein Unbehagen runter.

"Wenn du meinst."

"Meine ich. Und jetzt lass uns über ein anderes Thema unterhalten, ja?" Ich nicke und trinke endlich meinen Milchkaffee. Meilo nimmt das ja wirklich total gelassen hin. Bleibt die Frage, warum mir das nicht aus dem Kopf geht.
 

***
 

"Zieh sie doch wenigstens mal über."

"Aber warum denn?"

"Weil sie dir sicher steht."

"Und? Ich brauche aber keine neue Hose."

"Man muss ja nicht erst eine Hose brauchen, um sich eine Neue zu kaufen. ... Los! Anziehen!" Meilo ist unerbittlich. Er sieht mich auffordernd an und hält mir die helle Jeans hin.

"Also gut!", gebe ich nach. "Aber nur die eine!" Grimmig schnappe ich sie mir und eile zur Kabine.

"Wenn du schon gehst, dann nimm die hier auch noch mit!" Was?

"NEIN!"

"Ach komm schon!" Bevor Meilo mir das nächste Teil aufs Auge drücken kann, bin ich in der Kabine verschwunden und ziehe den Vorhang hinter mir zu. Ich bin in der Modehölle gelandet!

"Nic? In welcher Kabine bist du?" Als ob ich dir das sagen würde, du Klamotten-Terrorist! "Nihiic? Bist du hier?" Ein spitzer Schrei folgt. "Oh ... Pardon! Hab nichts gesehen."

"Mensch!" Ich reiße den Vorhang beiseite und stecke den Kopf in den Gang. "Ich bin hier." Schelmisch grinsend kommt Meilo auf mich zu.

"Wusste ich doch."

"Und warum schielst du in fremde Umkleiden?"

"Ich wollte mal eine nackte Frau sehen."

"WAS?!"

Meilo fängt laut an zu lachen. "Reg dich ab! Ich hab dich nur veräppelt."

"Und der Schrei?"

"Das bin ich gewesen." So ein hinterhältiger Kerl! "Du glaubst doch nicht ernsthaft, ich gucke einfach auf gut Glück in irgendwelche Umkleidekabinen rein."

"Weiß mans?" Meilo legt den Kopf schief und drängelt sich an mir vorbei. "Was wird das?", frage ich ihn.

"Ich will dir beim Umziehen helfen."

"Das kann ich aber schon ganz alleine."

"Echt?" Ich nicke wie ein kleiner Junge, der gleich vor Stolz platzt. Schau her Mami, was ich kann! "Dann zeig doch mal."

"Hm, ich weiß nicht. Mama hat mir verboten vor fremden Männern die Hose runter zu lassen."

"Na gut, aber dann zeige ich dir auch nicht wie schnell ich meine Hose runter lassen kann." Seine linke Hand wandert zu dem Knopf seiner Jeans. "Siehst du? Weiter komme ich nicht." Hitze steigt in mir auf.

"In Ordnung. Aber verrate nichts meiner Mama."

"Niemals", gluckst Meilo und schiebt mich gegen die Kabinenwand. "Runter mit dem Ding."

Ich kichere leise. "Was, wenn uns jemand erwischt?"

"Wenn wir schön leise sind, passiert schon nichts."

"Oh. Sprichst du aus Erfahrung?"

"Leider nein. Aber in einer Umkleide wollte ich es schon immer mal machen."

"Ach ja? Woher kommt dieser Wunsch denn?"

"Einer meiner Freunde ist so mit seinem jetzigen Partner zusammengekommen."

"Na die Story musst du mir mal erzählen." Hört sich ja spannend an.

"Lieber demonstriere ich sie dir", keucht er und zieht sich sein Shirt über den Kopf. Uhyeah! Ein Anblick für die Götter!
 

*
 

Heftig atmend und mit weichen Knien bleiben wir an die Wand gelehnt stehen. Na ja, eigentlich lehnt Meilo gegen mich, aber ist ja auch Wurst.

"Meinst du ... jemand hat was mitbekommen?", keucht mein Liebster.

Ich schiele zum Vorhang. "Denke ... nicht." Falls einer der Verkäufer bemerkt hätte, was wir hier tun, stände jetzt mit Sicherheit schon ein Ordnungshüter neben uns.

"Ich guck mal nach." Meilo taumelt zurück und späht durch den Vorhang. "Keiner da", grinst er. "Verflucht, siehst du geil aus."

Ich ziehe die Augenbrauen zusammen und drehe den Kopf zum Spiegel. "Du aber auch", kommentiere ich Meilos Anblick, der aus dieser Perspektive halb hinter mir steht, die Hose noch immer in seinen Kniekehlen.

"Und wohin damit?" Er deutet auf das Kondom.

"Ich hab noch Taschentücher einstecken." Glaube ich zumindest. Die Sauerei an der wunderhübschen Holzoptikplastikwand muss ja auch noch beseitigt werden.

Beim Anziehen lassen wir uns Zeit. Wer soll uns jetzt noch erwischen? Wenn jemand fragt, na das hier ist doch eine Umkleidekabine, und dazu gemacht, sich umzuziehen, oder nicht?

Immer wieder treffen sich unsere Blicke, dann grinsen wir und küssen uns. Mein Bauch kribbelt wie verrückt. Mann, bin ich verliebt! Ich wiederhole mich, oder? Aber scheiß drauf! Ich bin sowas von verliebt!

"Hast du Taschentücher?", fragt Meilo mich, als wir Arm in Arm auf dem kleinen Hocker sitzen, ich rittlings auf ihm.

"Hab noch nicht geschaut", gebe ich zu und krame gleich mal in meinen Hosentaschen. Und tatsächlich finde ich noch ein Paar. Benutzt zwar, aber das macht ja nichts. Während Meilo das Verhüterlie verstaut, wische ich die verräterischen Flecken auf der Wand weg. Von wegen, ich bräuchte Tinte für meinen Füller! Über einen niedrigen Tintenstand kann ich mich weiß Gott nicht beschweren. Aber ich werde mich hüten, und meiner Mutter hiervon erzählen.

Fertig damit, legen sich sofort zwei Arme von hinten um mich. "Ich könnte schon wieder", schnurrt Meilo mir ins Ohr und schmust durch meine Haare.

"Unterstehe dich! Ich habe keine Taschentücher mehr." Hinter mir brummt es beleidigt. "Nachher", verspreche ich ihm. "Im Hotel haben wir mehr Zeit. Außerdem ist es dort auch viel bequemer und wir müssen nicht leise sein."

"Überredet." Wieder ein langer, tiefer Kuss, und dann gleite ich aus seinen Armen.

Wir wollen die Umkleide gerade verlassen, da fällt mir was ein. "Und die da?" Ich zeige auf die Hosen, die ich doch so dringend anprobieren sollte.

"Willst du die kaufen?"

"Nein."

"Dann lass sie liegen", sagt Meilo und geht an mir vorbei. Moment mal!

"Du wolltest doch, dass ich die anprobiere."

Mit hochgezogenen Mundwinkeln dreht sich Meilo wieder zu mir um. "Rate mal warum ..." Dieser gerissene Popsänger! Der wollte mich nur in die Kabine bekommen!

Ich packe mir meinen hinterhältigen Umkleidekabinenverführer und lege meine Arme um seinen Nacken. "Das nächste Mal, wenn du mich vernaschen willst, dann sag es mir doch ganz einfach", wispere ich ihm mit verruchter Stimme zu.

"Ich werde es mir merken." Und schon versinken wir wieder in einen verlangenden Kuss.

"Ich gehe das schnell anprobieren."

"Warte! Ich komme mit ..."

Ich reiße die Augen auf. Die eine Stimme kenne ich doch! Ich schaue über Meilos Schulter und erstarre. Kilian! "Du musst nicht mitkommen", höre ich ihn zu jemanden sagen.

Dieser jemand blickt ganz enttäuscht drein. "Schade", meint er, läuft Kilian aber weiterhin nach. Ich versteife mich. Die beiden kommen direkt auf uns zu!

"Was ist denn?", fragt Meilo mich und streichelt über mein Kinn. "Nic?" Ich blinzle, bringe aber kein Wort heraus. Stattdessen sind meine Augen weiter auf Kilian gerichtet, der mich noch nicht entdeckt hat, und schnurstracks auf eine der Kabinen zuläuft.

Dann, plötzlich, zucken seine Augen für nur einen winzig kleinen Moment zu uns rüber, doch dieser Moment reicht, um ihn zur Salzsäule erstarren zu lassen. "Niclas!"

Jetzt dreht sich auch Meilo um und mustert meinen Exfreund. "Wer ist das? Ein Freund?"

Ich schüttle leicht den Kopf. "Eher nicht", antworte ich, mit wiedergefundener Sprache. "Das ist Kilian."

Meilos Haltung verändert sich schlagartig. Er zieht mich fest an sich und richtet sich zu seiner vollen Größe auf. "Das ist er?", fragt er laut mit einem abfälligen Tonfall.

"Kilian? Wie wäre es hier mit? Schau doch ... mal. ... Hallo." Der andere Typ bleibt hinter Kilian stehen und guckt erst ihn, dann uns verdutzt an. Als er Meilo erblickt, blinzelt er einige Male und lächelt vielsagend, ehe er sich räuspert, schuldbewusst zu Kilian starrt und seine Hand auf dessen Rücken legt.

"Ist er das?", frage ich meinen Ex. "Dein Neuer?"

Kilians Kiefermuskeln arbeiten. Er ist nervös und ich kenne ihn zu gut, als dass er dies vor mir verbergen könnte. "Ja", sagt er schließlich, das aber so leise, dass ich es gerade so verstehen kann.

Mein Blick wandert von Kilian zu seinem Neuen, bei dem er schon eingezogen ist, und mit dem er sich so schnell von mir hat hinwegtrösten lassen. Eine Durchschnittstucke. Durch und durch. Blondes Haar, eine leicht schiefe Nase und verwaschen blaue Augen. Das Einzige, das an ihm hervorsticht, ist seine Größe. Er ist größer als Kilian, aber auch ziemlich schlaksig. Diesem Kerl würde ich keine Sekunde hinterher schauen, falls er mir auf der Straße begegnen würde, und obwohl ich Meilo direkt an meiner Seite habe, seinen schützenden Arm um mich fühle, frage ich mich insgeheim, warum er. Warum hat sich Kilian nach nur vier Wochen Trennung für dieses Durchschnittchen entschieden und mir damit so viele Schmerzen bereitet? Was soll an ihm so besonders sein, dass er nach der kurzen Zeit bei ihm einzieht? Nun, es muss höchstwahrscheinlich an seinem Charakter liegen.
 

"Und du? Wie ich sehe hast du auch nicht lange um mich getrauert", zickt Kilian mich an.

Böse schaue ich wieder zu ihm rüber. Oh, wenn Blicke töten könnten, würde Kilian jetzt in tausend Stücke explodieren. "Warum auch?", schieße ich zurück. "Du hast mich abserviert und ich bin dir sogar dankbar dafür." Ich schmiege mich dichter an Meilo, der mir einen Kuss auf den Kopf tupft und mich beruhigend streichelt. Das tut mir unsagbar gut.

Kilians Augen weiten sich, dann heften sie sich auf Meilo. Ja, guck nur! Das ist mein Kerl! Stolz erfüllt mich. Mein Kerl. Mein Meilo.

Und mit einem mal fühle ich es. Nämlich ... nichts! Ich schaue Kilian an und fühle nichts. Der absolute Beweis, dass ich über ihn hinweg bin. Für mich gibt es nur noch den wundervollen Mann in meinen Armen.

"Ich sehe, wie dankbar du bist", sagt Kilian und schaut wieder mich an. "Das freut mich für dich." Von wegen! Ich sehe es ihm an, jede Gefühlsregung, jedes missgünstige zucken in seinen Augenwinkeln. Wie gesagt, er kann mir nichts vormachen, und ich wette, er weiß, dass er mir gleichgültig geworden ist. Und das wurmt ihn, warum auch immer, schließlich hat er mich verlassen und diesen ... diesen Lulatsch da an seiner Seite an Land gezogen.

"Und mich erst", erwidere ich zufrieden grinsend und nehme Meilos Hand. "Viel Spaß noch beim Shoppen." Den hat Kilian bestimmt nicht, denn er findet Shoppen noch viel grausiger als ich, im Gegensatz zu seiner neuen Perle, der den Anschein macht, als würde er jeden Tag nur mit Einkaufen verbringen.

Ohne weiter auf meinen Ex und seinem Durchschnittsfreund zu achten, laufe ich mit Meilo im Schlepptau an ihnen vorbei. Meine Schritte sind langsam, selbstbewusst, ja fast schlendernd, und ich fühle mich fantastisch dabei!
 

Als wir aus dem Modegeschäft hinaus sind, schiebt sich Meilo vor mich und zwingt mich zum Stehenbleiben. "Alles gut bei dir?"

"Ja. Alles bestens."

"Sicher?" Er sieht mich besorgt an. Ich verliebe mich immer mehr in ihn.

Ich lächle ihn an und nicke. "Sehr sicher. Ich habe mich noch niemals besser gefühlt." Und das stimmt. "Diese Begegnung gerade hat mir nur noch mal gezeigt, dass er mir inzwischen völlig egal ist."

"Ehrlich? Du sahst so erschrocken aus."

"Natürlich war ich das. Wer begegnet schon gern seinem Ex, nachdem man mit seinem Neuen eine heiße Nummer in der Umkleide geschoben hat?" Auf Meilos Gesicht schleicht sich ein freches Grinsen. "Komm! Lass uns weiter gehen." Ich laufe an Meilo vorbei, der sich sofort an meine Seite gesellt. "Wollen wir nach oben? Da gibt es einen guten Griechen."

"Hm ... Wenn du willst. Aber ich esse nicht so gern Knoblauch."

"Da gibt es auch Gerichte ohne Knoblauch", lache ich. "Also?"

"Gut. Probieren wir es."

Gemütlich schlendern wir an den Läden vorbei, auf die Rolltreppe zu. Innerlich mache ich einen Harken an meine Vergangenheit mit Kilian. Aus und vorbei. Endgültig. Ich fühle mich so befreit und leicht, dass es mich beinahe erschreckt. Ich habe Meilo bei mir, bin so verliebt, wie schon seit langer Zeit nicht mehr, und bin gespannt, was die Zukunft mir noch bringen mag. Einen guten Job, viel Zeit mit Meilo verbringen (wenn er endlich aus seinem Plattenvertrag raus ist) und vielleicht ein Leben in einer neuen Stadt. Die ganze Welt liegt offen vor mir und ich kann tun was ich will.

Nur eine Sache, die schwebt noch unbeantwortet in meinem Hinterkopf herum. Sind Meilo und ich ein Paar? Haben wir so etwas wie eine Beziehung? Es fühlt sich so an, aber darüber gesprochen haben wir ja noch nicht.

Doch auch das wird sich noch weisen. Da bin ich mir vollkommen sicher.

Oben angekommen, suchen wir uns diesmal ein abgeschiedenes Plätzchen in dem kleinen griechischen Restaurant. Es ist viel mehr ein Imbiss, größenmäßig gesehen, aber wir wollen mal nicht kleinlich werden.

Ich studiere gemeinsam mit Meilo die Karte, zeige ihm, dass man auch etwas ohne Knoblauch bestellen kann, und suche mir auch was Leckeres aus, ehe ich die Bestellung an den Kellner weitergebe. Aus Rücksicht auf Meilo ebenfalls nichts mit Knoblauch. "Warum hast du eigentlich so eine Abneigung gegen Knoblauch?", will ich von ihm wissen.

"Ich hatte mal eine üble Lebensmittelvergiftung. Von einem Döner, der ordentlich Knoblauch intus hatte. Seitdem dreht sich mir bei Knoblauch der Magen um."

"Autsch." Das erklärt natürlich seine Abneigung nach der scharfen Knolle.

"Ich musste sogar ins Krankenhaus und war nur am Kotzen und ... Na ja. Du kannst es dir sicher denken." Oh ja, das kann ich. Und ich bin dankbar, dass Meilo mir die unschönen Details erspart. "Du, sag mal ... Hast du bemerkt, wie mich der Stecher von deinem Ex angegafft hat?" Von Lebensmittelvergiftung zu dem Stecher meines Ex. Passender Übergang, das muss ich zugeben.

"Habe ich", antworte ich und trinke an meinem Wasser. "Und ich fand es lustig."

Meilo grinst mich an. "Mit dem wird er bestimmt noch seine Freunde haben."

"Das fürchte ich auch." Ist es gemein, dass ich Kilian das gönne? Das er mir jetzt egal ist, muss ja noch lange nicht bedeuten, dass ich ihm nicht wenigstens ein einziges Mal gönne, dass er das Selbe durchmachen muss wie ich. Obwohl ... "Aber dass er dich angeflirtet hat, heißt ja nicht, dass er Kilian gleich betrügt, oder es jemals wird."

"Stimmt. Aber was geht es uns an?" Meilo zuckt mit den Schultern.

"Na ja. Ihr Fremdgehen geht uns ganz sicher nichts an." Eingehend mustere ich meinen Sänger. Meinen viel umherreisenden, begehrten, angehimmelten Sänger ... Er wird doch sicher ständig von willigen Jungs und Mädchen umlagert, wobei die Mädchen mir keinen Kummer bereiten.

Meilo sieht mich ebenfalls neugierig an. Er scheint zu ahnen, auf was ich hinaus möchte. "Bist du jemals fremd gegangen?", fragt er mich nach ein paar Momenten scheu. Genau die Frage, die mir soeben auf der Zunge gebrannt hat.

"Nein. Du?" Er verneint und ich glaube ihm.

"Mein letzter Freund hat mich betrogen", flüstert er und schiebt die Speisekarte hin und her. "So was tut verdammt weh."

"Das tut mir leid." Ich fange seine Hände ein und drücke sie fest. "War das der Freund, von dem du mir erzählt hast?"

"Ja." Meilo seufzt und erzählt, ohne, dass ich ihn darum beten muss, weiter. "Wir kannten uns schon bevor ich berühmt wurde. Zwar sind wir da noch nicht zusammen gewesen, aber wir waren gute Freunde. Mein Leben wurde von heute auf morgen komplett auf den Kopf gestellt und nach dem anfänglichen Höhenflug kam bald der tiefe Fall. Emotional gesehen. Als Außenstehender muss der ganze Ruhm verlockend wirken, die ganzen Fans, die einen anhimmeln, aber es macht einsam und man kommt nie zur Ruhe." Das kann ich mir vorstellen. "Benedikt half mir, war immer da, wenn ich ihn brauchte und wir kamen schließlich zusammen. Doch es hielt noch nicht mal ein halbes Jahr lang."

"Was war passiert?"

"Wir stritten uns immer öfter. Er wurde eifersüchtig auf meine Fans, auf Kollegen mit denen ich zusammenarbeite, und all den Musikern, mit denen ich Kontakt habe. Und dann, eines Abends, kam ich früher von der Aufnahme meiner neuen CD nach Hause und da fand ich ihn. Mit einem anderen Kerl in meinem Bett."

"Scheiße", sage ich kopfschüttelnd. "Was für ein Arschloch! ... Tut mir leid."

Meilo lächelt dünn. "Muss es nicht. Du hast doch recht. Ich hatte ihm nie einen Grund gegeben, eifersüchtig zu sein. Ich war immer bei ihm, wenn es meine Zeit zuließ. Aber er? Er hüpfte mit einem anderen ins Bett. Und dann auch noch ausgerechnet in Meins."

"Scheiße, wie dreist! Hat er dazu auch was gesagt? Ich meine, wenn er doch so eifersüchtig war, warum tat er dann genau das, wovor er bei dir Angst hatte?"

"Er sagte, er hätte die Einsamkeit nicht mehr ausgehalten." Meilo lässt den Kopf hängen. "Dabei habe ich doch alles versucht, damit wir beide zusammen sein konnten. Ich schickte ihm für jedes meiner Konzerte Karten zu, und er Besuchte sie auch immer, wenn es sein Job zuließ. Wir telefonierten ständig, simsten uns, skypten. Aber es hatte nichts gebracht." Ich schaue Meilo traurig an. Dann zieht er seine Hände unter meinen hervor und legt die Speisekarte weg. "Unser Essen", erklärt er.

Wir warten, bis der Kellner uns wieder alleine gelassen hat und beginnen zu essen. Nachdenklich schiebe ich das gegrillte Gemüse auf meinem Teller herum. Eifersucht. Ein wirklich hässliches Gefühl, aber bei einem Job wie Meilos wohl auch nicht unvermeidbar. "Du denkst darüber nach, ob es uns auch so gehen wird", holt er mich aus meinen Gedanken.

"Ja", gebe ich zu. Wozu lügen. "Aber du wirst nicht ewig durch die Lande ziehen."

"Nein. Werde ich nicht."

"Außerdem war ich noch nie der eifersüchtige Typ." War ich wirklich noch nie. "Und die ganzen Jüngelchen, die ich gestern Abend auf deinem Konzert bewundern durfte, sind sowieso keine Konkurrenz für mich", grinse ich und schiebe mir die Gabel in den Mund.

"Da bin ich aber froh, dass du das genau so siehst wie ich." Hört hört! "Dann brauche ich ja keine Angst zu haben, dass das mit uns nicht klappt." Meilo grinst mich an und mein Herz fängt an wild zu schlagen.

"Bedeutet das jetzt also ... das wir ... also wir beide ..."

"Zusammen sind?", unterbricht er mich und lässt das Besteck sinken. Ich nicke, innerlich total angespannt. "Willst du das?"

"Du?"

"Ich habe zuerst gefragt." Mist!

Na gut. Irgendwann müssen wir das ja klarstellen. Warum nicht jetzt, in einem griechischen Kaufhausimbiss? "Ja, das will ich", antworte ich mit fast schon schmerzhaft klopfenden Herzen.

Meilo legt das Besteck nun ganz weg. Irritiert schaue ich ihm dabei zu, wie er aufsteht, um den kleinen Tisch herum geht, und sich neben mich auf die Eckbank setzt. "Ich will auch", wispert er und küsst mich. Ich schmelze dahin, und es ist mir egal, dass uns der ergraute Grieche drüben hinter der Theke dabei beobachten kann.

Meilo und ich sind jetzt ein Paar! Ist das zu fassen?!
 

******

Love bite 10 - Crazy little thing called Love

So! Endlich habe ich es geschafft das nächste Kapitel hochzuladen!

Das nächste Mal bin ich hoffentlich wieder pünktlich. Hab endlich URLAUB! *freu*

Jetzt wünsche ich euch erstmal einen schönen Sonntag und viel Spaß mit Nic und Meilo. Besonders mit Nic, denn der darf heute eine schöne Busfahrt über sich ergehen lassen xD
 


 

Love bite 10 - Crazy little thing called Love
 

Ich mag seine Hand am liebsten gar nicht mehr loslassen. Aber noch viel lieber würde ich mich komplett an ihn hängen, und jedem zeigen: Schaut her! Das hier ist meiner!

So ein Verhalten kenne ich von mir gar nicht. Bei Kilian und mir ist das jedenfalls nicht so gewesen, mal ganz abgesehen davon, dass er es mir erst gar nicht hätte durchgehen lassen, wenn ich mich in aller Öffentlichkeit an gehängt, oder seine Hand gehalten hätte. Doch bei Meilo könnte ich das, das weiß ich. Und ich bin wirklich kurz davor es zu tun. Mich hat es echt heftig erwischt! "Wie wäre es noch mit einem Eis?" Meilo, der langsam mit mir an den vielen kleinen Lädchen vorbeischlendert, lächelt mich an.

"Klar. Warum nicht?" Meine Mutter wäre stolz auf mich. Heute bin ich nur am essen. Und am Knutschen, mal so nebenbei bemerkt. Liebe macht hungrig. Nicht nur auf Lebensmittel ...

Bevor wir also das Kaufhaus verlassen, halten wir noch kurz vor dem kleinen Eisstand, den es in der Nähe des Ein- und Ausganges gibt. Die Schlange ist groß, aber das ist egal. Ich stehe gern neben Meilo. Von mir aus auch stundenlang. "Was möchtest du?" Meilo zückt seinen Geldbeutel.

"Ähm ..." Ich strecke mich, um die Schildchen vor den Eissorten lesen zu können. "Banane, Sahne-Kirsch, Mokka, Stracciatella und Pfefferminze."

Meilo guckt mich an, als würden mir soeben kleine Regenbogen aus den Ohren fliegen. "Sonst noch was?", fragt er. "Sahne, Schokosoße, bunte Streusel?" Bunte Streusel hätten was … Ihr wisst schon. Regenbogen und so.

"Nein. Nur Eis", antworte ich jedoch und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.

"Nur ist gut", murmelt er. "Becher oder Waffel?"

"Becher. Wie will ich sonst die fünf Kugeln sicher durch die Gegend tragen?"

Als wir an der Reihe sind, bestellt Meilo wie gewünscht meine Geschmacksrichtungen und sich selbst ganze zwei Kugeln in der Waffel. "Übertreibe es nicht", kichere ich, als wir das Kaufhaus verlassen. "Nicht, dass dein Bäuchlein drückt."

"Wenn jemand nachher einen Eisbauch hat, dann ja wohl du." Er piekst mir mit der Eishand in den Bauch.

"Tzäh!" Ich schiele ihn schnippisch an, muss dann aber hart schlucken. Gott, ich wünschte, ich wäre die Eiskugel, die sich an seiner flinken Zunge erfreuen darf!

"Was denn?" Er hat anscheinend bemerkt, wie ich ihn angaffe.

"Mach das noch mal."

"Was?"

"Leck noch mal am Eis." Aus Meilos verwirrten Stirnrunzeln wird ein amüsiertes Glucksen.

Er bleibt stehen und tunkt mit der Zungenspitze zwischen Eiskugel und Waffel. Langsam gleitet sie dazwischen, das Eis schmilzt und läuft an der Waffel hinab. Mir rutscht beinahe der Eisbecher aus der Hand und in meiner Hose wird jemand extremst Liebesbedürftig.

Leider ist das ganze Schauspiel schnell wieder vorbei. Meilo leckt schnell das hinab gelaufene Eis weg und legt den Kopf schief. "Ich glaube, wir sollten schnellstmöglich in mein Hotelzimmer."

"Glaube ich auch", krächze ich.

Wir laufen weiter, doch Meilo stoppt nochmal. "Warte kurz! Ich muss noch was loswerden." Was ist denn nun wieder? Mit wenigen, ausladenden Schritten ist er bei dem viereckigen Mülleimer vor dem Kaufhaus angekommen und kramt in seiner Hosentasche herum. Als ich sehe, was er da hineinwirft, fängt meine Birne an zu glühen. Wenigstens ist es im Taschentuch eingewickelt, aber trotzdem ...

"Alles erledigt", schmunzelt er, nachdem er wieder bei mir ist. "Können wir?" Lässig legt er seinen Arm um mich und ich habe Mühe, mein Eis runter zu bekommen, was nicht an der Menge der Kugeln liegt.
 

***
 

Weil ich mit dem Bus in die Stadt gegurkt bin, fahren wir gemeinsam mit Meilos Auto zum Hotel. Unten in dem hoteleigenen Parkhaus steigen wir aus. "Nun, Herr Sotterbach zu Großfels. Darf ich annehmen, dass Sie mich wieder für heute Nacht buchen möchten", säusle ich in Meilos Ohr, während wir auf den Aufzug zulaufen.

"Darum bitte ich sogar", kichert er und zieht mich an sich, nachdem er auf den Aufzugknopf gedrückt hat. "Und dafür werde ich keine Kosten und Mühen scheuen." Zärtlich schmust er über meinen Mund.

"Das hört sich höchst verlockend an ... hmm ..." Dieser Herr von und zu Großfels Sotterbach kann aber auch küssen! Das leise Klingeln des Aufzugs beendet unsere Knutschorgie. Jedoch nicht für lange. Als sich die Aufzugtüren wieder schließen, drückt mich Meilo in die Ecke und presst sich an mich. Sein Körper ist so heiß. Er glüht regelrecht.

"Ich halte es kaum noch aus", keucht er und schiebt seine Hände unter mein Shirt.

"Frag mich mal." Ich bin jetzt schon wieder so spitz, dass mein Schwanz bereits beginnt, sich durch meine Jeans zu bohren. "Hält der Aufzug ... erst unten in der ... Lobby?", frage ich ihn stockend.

"Nein", japst er. "Moment." Er lässt mich los. Hey! "Hab vergessen zu drücken", grinst er verlegen. Jetzt merke ich es auch. Wir fahren noch gar nicht. "Das liegt an dir. Du bringst meinen Kopf dazu, alles zu vergessen, außer dich." Der Aufzug fährt los und Meilo stellt sich wieder ganz dicht vor mich. Seine Hände liegen auf meinen Hüftknochen. Ein Prickeln jagt durch meinen Körper.

"Tue ich das?", frage ich ihn atemlos und starre ihn begehrlich an.

"Hmhm", nickt er schwach, dann fallen wir erneut übereinander her.

Hoffentlich will sonst keiner mit dem Aufzug fahren. Aber wie das Leben so spielt, wird das Scheißding nach kurzer Fahrt langsamer. Notgedrungen lösen wir uns voneinander und richten eilig unsere Kleidung. Ein Anzugtyp steigt ein und drückt ausgerechnet auf das Stockwerk über unserem. Klasse! Jetzt müssen wir warten, bis wir im Hotelzimmer sind. Blöder Spielverderber!

Da der Kerl aber vor uns steht, und uns deshalb nicht sehen kann, schiebe ich meine Hand in Meilos. Ich höre ihn leise seufzen, bekomme davon eine Gänsehaut und muss mir auf die Zunge beißen, um nicht jedes bisschen Anstand in mir über Bord zu werfen, und ihn zum wiederholten Male anzuspringen.

Endlich in unserem Stockwerk angekommen, nehmen wir die Beine in die Hand. "Beeil dich", keuche ich Meilo zu, der nach der Zimmerkarte kramt.

"Mach ich doch." Ungelenkt zieht er die Karte durch den Scanner. Das rote Licht wird grün, es knackt und wir können ins Hotelzimmer.

Arm im Arm stolpern wir hinein. Meilo kickt mit dem Fuß die Tür hinter uns zu. Allein. Endlich!
 

Ich werde Richtung Schlafzimmer dirigiert, Meilos Lippen fest auf meinen. Gegenseitig schälen wir uns aus den Klamotten, die kreuz und quer durch das Hotelzimmer fliegen. Als ich mit den Waden gegen die Bettkante stoße, lasse ich mich einfach fallen und ziehe Meilo auf mich. "Au! Du bist schwer", feixe ich und wühle mit den Fingern durch sein eben noch so fein gestyltes Haar.

"Bin ich das?"

"Hmhm." Ich nicke und beiße mir auf die Unterlippe.

"Soll ich wieder runter?"

"Ähäh." Ich schüttle den Kopf. "Bloß nicht!"

"Hätte ich auch nicht anders erwartet." Seine Lippen senken sich auf meine. Seufzend schließe ich die Augen.

Verlangend reibe ich meinen Körper an seinem, dessen Schwere sich so unvergleichlich gut auf mir anfühlt. Meilos Fingernägel kratzen hauchzart über meine Seiten, meinen Bauch und meine Oberschenkel. Die Gänsehaut, die sie hinterlassen, lässt mich erschaudern. Ich bin bis in die kleinsten Nervenzellen erregt. Wie macht er das nur?

"Ich liebe dich." Leise, gewisperte Worte an mein Ohr. Mein Herz klopft schnell. Und laut. Verflucht laut. ... Stopp mal! Das ist nicht mein Herz!

"Meilo?"

"Hm?"

"Da klopft jemand." Meilo stockt und scheint zu lauschen. "Hörst du?"

Und plötzlich ruft jemand seinen Namen. "Shit!" Sein glühender Körper verschwindet. Allein und fröstelnd bleibe ich auf dem Bett zurück. "Warte hier." Er zieht sich einen Bademantel über und schließt die Schlafzimmertür. Wer kann denn das sein?
 

Sicherheitshalber ziehe ich mir auch etwas über. Die Jeans muss reichen. Ich will eigentlich nicht, aber als Stimmen ertönen, höre ich gespannt zu. "Wo warst du?", fragt eine dunkle, männliche Stimme.

"Weg", antwortetMeilo genervt.

"Weg?"

"Shoppen."

"Und warum hast du dein verdammtes Telefon nicht bei dir?"

"Akku war leer." War er das?

"War Spike bei dir?"

"Nein." Ein Seufzen. "Ich will auch mal für mich sein", zischt Meilo. "Warum bist du hier? Um nachzuprüfen, ob ich brav im Hotelzimmer herumhocke?"

"Du weißt, wieso", brummt der Kerl resigniert. "Warum hast du das gesagt?"

"Was?"

"Was wohl?!" Ich zucke zusammen. Wie es sich anhört, ist mit dem Typen ist nicht gut Kirschen essen.

"Ich habe es gesagt, weil es stimmt. ... Können wir das nicht wann anders besprechen Gerd? Ich wollte gerade duschen."

"Wir klären das jetzt! Ich muss eine Pressemitteilung rausgeben." Oh oh. Soll ich raten, um was es geht? "Also stimmt das, was du gesagt hast?"

"Ja." Ich zucke zusammen. Warum lügt Meilo nicht?

"Himmel-Herr-Gott-nochmal, Meilo!"

"Was regst du dich so auf? Bald ist sowieso alles vorbei."

"Das mag sein, aber du bekommst Schwierigkeiten mit der Plattenfirma! Was soll ich denen sagen? Hä?"

"Das, was du in der Pressemitteilung sagst. Alles nur ein werbewirksamer Publicitytrick." Stille. Wenn ich doch nur was sehen könnte!

"Warum hast du das überhaupt auf der Bühne hinausposaunt? Du weißt doch, dass so etwas gleich große Wellen schlägt."

"Ich musste", sagt Meilo leise. "Er war im Publikum." Mein Bauch fängt an zu kribbeln und mir wird ganz heiß.

"Ach Mensch", seufzt der Typ erneut. "Und ich darf es wieder ausbaden."

"Das bekommst du schon hin."

"Und wie?"

Wieder folgt eine kurze Gesprächspause. Dann spricht Meilo wieder. "Sag, dieser jemand, den ich gemeint habe, sei etwas ganz besonderes für mich. Der mich inspiriert, und der mich zum Songschreiben anregt."

"Das wird sie nicht zufriedenstellen. Erst recht nicht deine Fans."

"Dann bleib bei der Puplicitysache. Sag der Plattenfirma, das wäre auf meinem Mist gewachsen."

"Hoffentlich geht das gut."

"Das wird schon", schließt Meilo und verabschiedet sich von diesem Gerd.
 

"Hast du das eben gehört?", fragt er mich, als er zurück ins Schlafzimmer kommt.

"War schwer, es nicht zu hören", gebe ich zu. "Du hast Ärger am Hals. Und das wegen mir."

"Quatsch! Du konntest nichts dafür. Ich hab das gesagt, und nicht du."

"Ja, aber WEGEN mir." Ich fühle mich wirklich schlecht. "Warum hast du diesem Gerd doch die Wahrheit gesagt?" Er wollte es ihm doch verschweigen.

"Weil er gemerkt hätte, das ich lüge", antwortet Meilo schlicht.

"Und jetzt? Meinst du, er verpfeift dich?"

"Wird er schon nicht."

"Sicher?"

"Sicher. Vor allem, da ich ihm in ein paar Tagen sagen werde, dass das mit uns vorbei ist." Was?

"Du willst mit mir Schluss machen?"

Meilo nickt und mir sackt das Herz in die Hose. "Nur vor Gerd", grinst er. "Ich werde natürlich nicht wirklich mit dir Schluss machen." Uff! Für ein paar Sekunden hatte ich Angst. "Das wird mir Gerd eher glauben, als wenn ich ihn von Anfang an belüge."

"Wenn du das sagst."

"Sage ich", schmunzelt er. "Bis dahin muss ich eben mit seinem Gezeter leben." Armer Meilo.

"Kann ich irgendwas für dich tun?", möchte ich von ihm wissen.

Meilo nickt und öffnet seinen Bademantel. "Kannst du. Hör auf darüber zu reden, und lass uns diese Nacht miteinander genießen." Die Matratze senkt sich, als Meilo zu mir aufs Bett steigt.

"Aber nur, weil du mich so nett darum bittest", flüstere ich und empfange ihn in meinen Armen.
 

***
 

"Wir telefonieren."

"Jeden Tag. Und das mehrmals", wispert Meilo mir ins Ohr, während wir uns fest in den Armen halten.

Mein Herz fühlt sich so schwer an, als würde es mehrere Tonnen wiegen. Ich will Meilo nicht gehen lassen, aber ich muss. "Gute Fahrt", wünsche ich ihm und lasse ihn widerwillig los.

"Danke."

Wir stehen vor seinem Wagen in der Garage des Hotels. Weit und breit ist niemand zu sehen. Wir sind zum Glück alleine, weshalb wir uns diesmal anständig voneinander verabschieden können. Unsere Hände halten sich noch immer fest umschlungen. Keiner mag den anderen loslassen. "Wie lange fährst du?", frage ich ihn, um noch ein bisschen gemeinsame Zeit herauszuschlagen.

"So ca. sechs Stunden."

"So lange?" Augenblicklich mache ich mir Sorgen um ihn. Was, wenn er in einen Unfall gerät? Okay, jetzt denke ich Unsinn, aber es könnte doch passieren, oder? Unfälle passieren täglich, sogar stündlich! "Warum fliegst du nicht?"

"Fliegen?", lacht er. "Das lohnt sich doch gar nicht."

"Und mit dem Zug?"

"Was ist denn plötzlich los mit dir?" Meilo zieht an meinen Händen. "Hey. Mach nicht so ein Gesicht. Lächle doch bitte für mich." Ich schlucke hart und zwinge meine Mundwinkel nach oben. Fuck! Mir geht es echt dreckig! "Das üben wir aber nochmal", schmunzelt Meilo und küsst mich. Ich schließe die Augen, doch leider trennt er sich wieder von mir, noch ehe ich den Kuss richtig genießen kann. "Ich muss jetzt wirklich langsam los."

"Ich weiß." Wieder versuche ich zu lächeln, doch ich weiß, dass es gezwungen aussieht. Meilos Lächeln tut dies ebenfalls.

"Ich rufe sofort an, wenn ich angekommen bin."

"Versprochen?"

"Natürlich." Noch ein Kuss, dann steigt er ein. "Soll ich dich wirklich nicht nach Hause fahren?"

"Lieber nicht", winke ich ab, auch wenn mein Herz mich anbrüllt und mich zwingen will, auf der Stelle in den Wagen zu steigen, und am besten nie wieder auszusteigen. Nicht ohne ihn. "Fahr vorsichtig."

"Immer." Der Motor heult auf. "Ich liebe dich."

"Ich dich auch." Wir schauen uns an, dann rollt der Wagen rückwärts aus der Parklücke. Ich hebe die Hand und winke. Die Hupe hallt durch das gesamte Parkhaus, dann ist Meilos Flitzer um die Ecke verschwunden. "Oh Fuck!" Ich atme tief durch. Ich kann es nicht glauben, dass er schon wieder weg ist.
 

Mit langsamen, schlurfenden Schritten verlasse ich das Parkhaus. Meine Brust fühlt sich an, als habe jemand alles aus ihr herausgeschnitten und durch dreckigen Matsch ersetzt. Gibt es denn so etwas? Nach nur zwei Tagen fehlt er mir jetzt schon so sehr, als wären wir seit unserer Geburt erstmals voneinander getrennt. Wenigstens haben wir noch den gestrigen restlichen Tag und die letzte Nacht nur für uns gehabt. Doch selbst das ist mir noch viel zu wenig! Ich möchte bei ihm sein! Jetzt! Auf der Stelle! Aber da das nicht geht, werde ich mich jetzt in den nächsten Bus Richtung Heimat setzten, mich in mein Zimmer schleichen und vor dem Handy auf seinen Anruf warten. Mann, was bin ich nur für eine Jammergestalt, was?

An der Bushaltestelle lehne ich mich gegen das kleine Wartehäuschen und starre auf einen unsichtbaren Punkt vor mir. Eine Frau mit Kinderwagen steht neben mir. An ihrer linken Hand hat sie ein zweites, schreiendes Bündel hängen, das gerade so laufen kann. Die Gute wirkt etwas genervt. Ich kann es verstehen. Am liebsten würde ich mich neben das plärrende Kleinkind stellen und mitheulen. Ich will meinen Meilo wieder haben! Buwäääähhh!

Glücklicherweise kommt just in diesem Moment der Bus quietschend und zischend angerauscht. Womöglich hätte ich mich wirklich noch neben das Kind gehockt und herumgeschrien.

Da man jeden Tag eine gute Tat vollbringen sollte, helfe ich der Frau noch schnell den Kinderwagen in den hinteren Teil des Busses zu heben, löse erst dann ein Ticket und fläze mich gleich ganz vorn auf den Sitz. Gelangweilt schaue ich aus dem Fenster, während die Stadt an mir vorbeirauscht und wir Haltestelle um Haltestelle abklappern. Der Bus wird immer voller, und so kommt es, wie es kommen muss. Eine vollgepackte Oma mit diesen zweirädrigen Einkaufshilfen in der einen, und eine ganze Ladung Einkaufstüten in der anderen Hand, setzt sich neben mich. Sie keucht und schnauft wie eine Dampflok, wuchtet ihre Taschen vor sich auf den eng begrenzten Boden, und die Rolltasche neben sich in den Flur. Pech nur, dass sie damit den ganzen Verkehr aufhält. Der Busfahrer guckt genervt in den Spiegel, sagt aber nichts. Liegt anscheinend daran, dass die alte Dame den Eindruck macht, als kippe sie gleich vor Erschöpfung vom Sitz.

Der Bus setzt sich wieder in Bewegung und als die nächste Haltestelle in Sicht ist, graut es mir richtig. Sie ist voll mit Schulkindern in jeglichen Alter. Oh nein! Hätte ich doch nur auf den nächsten Bus gewartet!

Lautes Geschrei, hirnloses Gedränge und wild herumwirbelnde Grundschulkinder stürmen den Bus. Sieht aus, als wären die Bälger auf den Weg ins Schwimmbad. Und mitten drin die Einkaufhilfe der Oma. Sie versucht ihren Shopper krampfhaft festzuhalten, damit er im Strom der Hosenscheißer nicht mitgerissen wird. Mein Gute-Tat-Konto braucht etwas Aufstockung, weshalb ich beherzt zugreife, das Teil hochhieve und vor meine Beine wuchte. "Danke", schnauft die Oma.

"Keine Ursache." Ich drehe mich wieder zum Fenster. Bitte zieh mich jetzt in kein Gespräch! Tut sie zum Glück nicht. Sie schnauft einfach weiter und schnäuzt in ihr Taschentuch. Ehhh! Nachher schnell Hände waschen!

Der Lärm im Bus ist ohrenbetäubend. Die Bälger machen so einen Krach, dass ich mir am liebsten die Finger in die Ohren stecken würde. Ich bekomme Kopfschmerzen. Wäre ich doch nur mit Meilo gefahren. Ich trete mir selbst in den Arsch, was ich eigentlich gar nicht muss, denn das übernimmt schon das Balg hinter meinem Sitz. Verärgert gucke ich in die Scheibe vor mir, in der sich das tretende Gör spiegelt. Ein Junge, vielleicht sieben oder acht Jahre alt, macht sich an meinem Sitz zu schaffen und schlägt mit den Fäusten dagegen.

Mir reißt endgültig der Geduldsfaden. "HEY!", brülle ich durch den Bus und drehe mich um. "Mach das noch ein mal und ich binde dich an diesem scheiß verfickten Sitz fest!" Der Junge glotzt mich verschreckt an. Damit hat er nicht gerechnet. Zufrieden mit mir gleite ich zurück auf meinen Platz. Die Oma neben mir grinst verstohlen. Sie wird mir langsam sympathisch.

Irre ich mich, oder ist es nach meiner Ansprache im Bus ein klein wenig ruhiger geworden? Entspannt lehne ich mich gegen das kühle Fenster und schließe die Augen. Noch drei Haltestellen, dann darf ich aussteigen. Hoffentlich steigt die alte Dame vor mir aus, sonst gibt das ein ganz schönes Kuddelmuddel.

"Hast du das schon?"

"Nee! Zeig mal!" Die Mädels in der Sitzreihe nebenan kichern leise. Ihr Gekicher erinnert mich an Nicole. Mit ihr muss ich auch noch reden. Davor graut es mir. Vielleicht lasse ich es auch einfach auf mich zukommen. Spätestens, wenn sie vor Meilo steht, wird bei ihr der Groschen fallen. Na ja, eventuell auch nicht. Meilo sieht ganz anders aus ohne Schminke. Doch ich befürchte, Nicole als Hardcore-Fan wird das dennoch auffallen. "Oh. Das ist ja toll!" Leises Gequieke.

"Soll ich es mal anschalten?"

"Nein! Bloß nicht", kichert die eine ihrer Freundin verschämt leise zu. Teenies!

"Nur ganz kurz."

"Okay ... Aber mach es ganz leise!"

"Ja, ja." Genau. Egal was ihr machen wollt, macht es leise.

Zwischen das Kichern mischt sich immer wieder ein Quieken. Ich komme mir vor wie auf einer Meerschweinchenfarm. Laute Musik ertönt. Total übersteuert. "Schhhhht!", zischt die eine panisch, wieder Gekicher. Die Musik wird leiser, und man kann nun erkennen, um was es sich für Musik handelt. Dahin ist meine Zufriedenheit. Mei... äh Keith Kandyce dröhnt aus den kleinen Handylautsprechern. Was bringt kleine Mädchen auch sonst zum Kichern und Quieken? Ich hätte es mir normalerweise denken können. Habe ich aber nicht, weswegen ich sehnsuchtsvoll aufseufze und Meilo vor meinem inneren Auge auftauchen sehe. Wenn die kleinen Biester nur wüssten! Oh, besser nicht, denn das, was ich in diesem Moment vor mir sehe, darf kein anderer jemals zu Gesicht bekommen. Mein Meilo, wie er vollkommen entblößt auf mich zukommt, sich auf mich legt und mich mit lustverhangenen Augen anschaut ...

Ich zwinge meine Gedanken in eine andere Richtung. Wenn ich jetzt an ihn denke, springe ich noch bei voller Fahrt aus dem Bus, und das will niemand, am wenigsten ich wohlgemerkt.
 

Endlich zuhause, verkrieche ich mich in meinem Zimmer. Meine Mutter ist zum Glück nicht da, meine Schwester auch nicht und mein Vater arbeitet noch. Selige Ruhe.

Ich schalte meinen Laptop und meine Anlage an, an die ich diesmal meinen Mp3-Player hänge. Abschalten ist angesagt, und das kann ich am besten mit Musik und beim Programmieren. Obwohl es mir wie eine Ewigkeit vorkommt, als ich das letzte Mal an meinem Programm weitergearbeitet habe, bin ich schnell wieder drinnen und finde sogar ein klitzekleines Fehlerchen, dass ich das letzte Mal aus Versehen fabriziert habe. Es klappt sogar so gut, dass ich alles andere um mich herum vergesse. Ich bin in meiner Welt.

Leise summe ich die Melodien mit, die im Hintergrund laufen, wippe im Takt mit den Füßen mit, bin aber ansonsten total konzentriert, bis ... Ja bis ich mich beim Singen ertappe. Für den ein oder anderen mag das nichts Ungewöhnliches sein, aber ich singe normalerweise nicht. Schon gar nicht unter der Dusche oder beim Programmieren. Dennoch singe ich leise den Text mit und bemerke, dass meine Finger still stehen.

Ich stocke und nehme die Hände von der Tastatur. Was habe ich denn da geschrieben? Ich singe nicht nur, ich tippe auch noch den Text mit?! "Was soll das denn jetzt?" Verärgert lösche ich die Passage. Ich meine, was hat Crazy little thing called Love in einem Code zu suchen? Womit mal wieder bewiesen wäre, dass ich nicht multitaskingfähig bin. Singen und was anders schreiben klappt nicht.

Ich überlege kurz und speichere meine bereits getane Arbeit ab. Jetzt wieder hineinzufinden würde eh nicht funktionieren. Dafür lenkt mich das Lied zu sehr ab. Dieses kleine Ding namens Liebe, oder besser gesagt, namens Meilo füllt mein Denken. Müsste er nicht schon längst an seinem Zielort angekommen sein? Ich schaue auf die Uhr. Müsste er! Sechs eineinhalb Stunden ist unsere Verabschiedung jetzt her. Warum meldet er sich nicht?

Ich stehe auf und laufe zu meinem Handy. Nichts. Keine SMS, kein Anruf. Ich werde unruhig und wähle seine Nummer. Es klingelt und klingelt, aber niemand geht ran. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch lege ich auf und schreibe ihm eine SMS, dass er mich zurückrufen soll und ob alles mit ihm okay ist.

Um mich abzulenken verlasse ich mein Zimmer und gehe ins Wohnzimmer, von wo aus leise Stimmen kommen. Der Fernseher. Meine Schwester hockt davor und versucht nebenbei ihre Hausaufgaben zu machen. "Klappt das überhaupt, wenn du die ganze Zeit über in die Glotze starrst?", frage ich und setze mich neben sie.

"Was geht's dich an?", keift Nicole mich an.

"Ich frag ja nur." Ist die schlecht gelaunt. Ist sie immer noch sauer auf mich? "Du hör mal ... wegen gestern. Es tut mi..."

"Spar es dir!"

"Aber ..."

"Ich will von dir nie wieder einen Ton über Keith hören! Und jetzt lass mich meine Hausaufgaben machen." Huh. Aber gut, wenn sie es so will. Dann sage ich ihr eben nicht, dass ich mit Keith in die Kiste springe, in ihn unsterblich verliebt bin, und ich auf heißen Kohlen sitzend auf seinen Anruf warte.

Nicole kritzelt ahnungslos in ihrem Aufgabenheft herum, in der Glotze läuft irgendein Anime mit fliegenden, gelben Eichhörnchen* und ich drücke mein Handy wund. Mein Schwesterherz seufzt, nimmt den Tintenkiller in die Hand und löscht das soeben niedergeschriebene. "Bio?" Sie nickt. "Brauchst du Hilfe?"

"Nein." Puh. Wollte ja nur höflich sein. "Ich kapier das nicht!", jammert sie allerdings nach wenigen Minuten und wirft den Killer auf den Tisch.

"Lass mich mal sehen." Sie lässt es zu, dass ich mir ihr Buch vornehme und die aufgeschlagene Seite schnell überfliege. Ich war zwar in Bio nie eine große Leuchte, aber Vererbungslehre bekomme ich gerade so noch hin.

Gierig saugt sie meine Worte auf und ich habe tatsächlich das Gefühl, dass sie versteht, was ich ihr da erkläre. Vielleicht sollte ich mich als Nachhilfelehrer bewerben, wenn das mit meinem Traumjob nichts wird? Lieber nicht. Ich kann Kinder und Teenies nicht ab. Beweisstück A sitzt neben mir, auch wenn ich zugeben muss, momentan ist sie ein recht nettes Exemplar der Teeniespezies. "Alles klar?"

"Denke schon. Danke."

"Wow! Ein Lob vom Diktator persönlich! Welch Ehre."

Nicole wirft mir böse Blicke zu. "Nenn mich nicht so!"

Ich grinse sie an und lasse mich gegen die Rückenlehne des Sofas fallen. Just in diesem Augenblick rappelt mein Telefon. "Meilo?!"

/Hallo Sweety./ Oh Gott sei Dank!

"Ist irgendwas passiert?", frage ich ihn und überhöre den gewöhnungsbedürftigen Kosenamen. Ich muss mich wohl daran gewöhnen.

/Nein. Wieso fragst du?/

"Na weil du jetzt erst anrufst."

Meilo lacht leise. Uhhh! Ich will zu ihm! /Ich musste erst ins Hotel Einchecken. Das wollte ich noch erledigt haben, bevor ich dich anrufe./ Ich Idiot!

"Ach so. Daran habe ich nicht gedacht."

/Du hast dir doch keine Sorgen gemacht, oder?/ Ertappt.

"Vielleicht ...", druckse ich.

/Mensch, bist du niedlich./ Öhm. Was bin ich?

"Red nicht!"

/Das stimmt aber./

"Unmöglich!"

/Doch./

"Nein!"

"Ohhhch! Kannst du nicht wo anders herumschwuchteln?!" Mir knallt die Kinnlade nach unten. Was hat mich meine Schwester da gerade von sich gegeben?!

"Fräulein, noch einmal so ein Schimpfwort, und ich leg dich übers Knie!"

"Mach doch, dann verpetze ich dich bei Mama." Oh, diese kleine ...

/Störe ich?/, höre ich Meilo fragen.

"Nein, tust du nicht. Warte kurz." Ich stehe auf und schnippe mit dem Zeigefinger gegen Nicoles Ohr. Das hat sie verdient. Die brüllt wie am Spieß los und wirft mir ihr Federmäppchen hinterher. Nicht getroffen! "So. Jetzt", seufze ich in den Hörer und schließe meine Zimmertür hinter mir. "T'schuldige. Meine Schwester."

/Habe ich mir schon fast gedacht/, schmunzelt Meilo. /Hast du es ihr gesagt?/

"Nein. Ich wollte, aber noch bevor ich anfangen konnte, maulte sie mich an, ich soll nichts über Keith sagen, also ließ ich ihr ihren Willen."

/Was dir unglaublich gut in den Kram passt./

"Was soll ich tun?" Ich zucke mit den Schultern, was er ja gar nicht sehen kann. "Ich werde es ihr schon noch beibringen. ... Irgendwie." Und irgendwann. In ferner, ferner Zukunft. "Wie war die Fahrt?"

/Ich bin gut durchgekommen, aber jetzt freue ich mich echt auf eine Dusche und was zu Essen./

"Du Armer." Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich hätte mitfahren sollen. Zeit genug hätte ich alle mal. Und meine Bewerbungen rennen mir nicht davon. Die, die mir am wichtigsten sind, laufen sowieso Online. Die Schriftlichen sind nur Beruhigungsfutter fürs Amt, und eine eventuelle Zwischenlösung, bis ich den Job habe, das ich auch wirklich will. "Wie lange bleibst du in der Stadt?"

/Bis Mittwoch Mittag. Dann fahre ich weiter nach Bremen. Da bleibe ich bis zum Wochenende./ Bis zum Wochenende? Das wären dann vier Tage. Soll ich? /Nic?/

"Ähm ja?"

/Dachte schon, die Verbindung wäre unterbrochen worden./

"Nein, hab nur nachgedacht."

/Über was denn?/ Darüber, ob ich mich am Mittwoch ins Auto setzen, und zu dir nach Bremen fahren soll.

"Über gestern und die beiden letzten Nächte", sage ich stattdessen. Von meinen eventuellen Plänen ihn zu besuchen, verrate ich lieber nichts. Hinterher kommt mir was dazwischen. Es reicht, wenn einer von uns deswegen enttäuscht wäre. "Es war so schön mit dir zusammen zu sein."

/Finde ich auch./ Ich schlucke und reibe mir über die Augen. /Ich wäre am liebsten bei dir geblieben./

Die Liebe ist wirklich ein verrücktes, kleines Ding. Erst denkt man, man hat sie sicher in der Tasche, lebt glücklich und zufrieden dahin, bis die kleine Liebesseifenblase zum Platzen gebracht wird, und kaum dass man sich versieht, schwebt man wieder in ihr zum nächsten siebten Himmel und sogar darüber hinaus. Echt verrückt.
 

***
 

"Hast du es ihr immer noch nicht gesagt?" Mama, die neben mir vor dem Sofa steht, blinzelt mich streng an.

"Nein. Es ergab sich noch nicht."

Sie seufzt, schüttelt den Kopf und setzt sich neben mich. "Wann seht ihr euch wieder?"

"Wer? Nicole und ich?"

"Nein", schnarrt sie. "Du und der Papst! ... Meilo und du natürlich."

"Sag das doch gleich." Mütter! "Mittwoch Abend wahrscheinlich", antworte ich voller Vorfreude.

"So früh schon? Kommt er wieder hier her?"

"Nein, ich fahre zu ihm." Das heißt, wenn ich ihm beim nächsten Telefonat irgendwie unauffällig den Namen seines Hotels entlocken kann.

Meine Mutter klopft mir auf den Oberschenkel. Aua. "Sehr gut. Schnapp ihn dir!"

Ich fange an zu grinsen. "Hab ich doch schon längst." Ihre Augen werden groß.

"Nein!"

"Doch!", äffe ich ihren Tonfall nach.

"Seit wann?"

"Seit gestern." Mein Bauch kribbelt immer noch, sobald ich daran denke. "Scheiße Ma. Ich bin total verknallt." Ich atme laut aus und drücke die Fernbedienung in meiner Hand wund.

"Das ist doch gut. Und ich gönne es dir von ganzen Herzen." Sie lächelt mich an. Ob ich ihr von Kilian erzählen soll? Ich beschließe, nein. Kilian ist Geschichte. Er kann mich mal. "Ach! Da fällt mir ein, heute war Post für dich im Briefkasten. Sie liegt auf dem Schuhschrank im Flur. Sieht wichtig aus." Und das sagt sie mir erst jetzt?

"Okay. Danke." Ich stehe auf und schaue mal nach, was da so wichtig aussieht. Ein kleiner Umschlag erwartet mich, und die Absenderadresse kommt mir irgendwie bekannt vor. Habe ich mich dort nicht beworben? Da der Brief unmöglich meine Bewerbungsunterlagen enthalten kann, nehme ich stark an, dass ich zu einem Einstellungsgespräch eingeladen werde. Es ist keiner meiner Traumjobs, eher etwas, um Geld zu verdienen, bis ich hoffentlich eine der Stellen bekomme, die ich mir erträume, aber immerhin.

"Sehr geehrter Herr Ittninger, bla bla bla, deshalb laden wir sie zu einem Vorstellungsgespräch am Mittwoch den 19.8. ... Was?!" Mittwoch?! Den kommenden Mittwoch meinen die?! Tatsache! "Shit!" Ich überfliege die Zeilen, um die Uhrzeit herauszufinden. Natürlich habe ich erst um fünfzehn Uhr diesen beschissenen Termin! "So ein Mist!" Am liebsten würde ich den Wisch zusammenknüllen und in den nächsten Mülleimer werfen, aber das kann ich nicht. Ich kann den Termin auch nicht verschieben oder gar schwänzen. Erstens wirft kein gutes Licht auf mich, und zweitens würde das dem Arbeitsamt so gar nicht gefallen.

Ich frage mich, warum die überhaupt ein Vorstellungsgespräch wollen? Die Stelle, auf die ich mich beworben habe, ist für schnöde Lagerarbeiten in einem Transportunternehmen ausgeschrieben. Was bedeutet, ich muss bloß mit einem Gabelstapler von A nach B fahren. Das bekomme ich im Schlaf hin. Die Dinger bin ich schon gefahren, da hatte ich noch gar keinen Führerschein.

Aber na gut. Aufregen bringt nichts. Außerdem wird die Stelle gut bezahlt, was nicht immer üblich ist. Soweit ich mich erinnern kann, ist die auch Zeitlich begrenzt, was auch nicht zu verachten ist. Dann muss ich mich meinem Schicksal stellen, und eben danach zu Meilo nach Bremen brausen. "So ein Jammer!"
 

***
 

Klack, klack. Mein Koffer ist gepackt und der Zielort im Navi eingespeichert. "Prima!" Ich schaue auf die Uhr. Halb zwei. Bald muss ich los. Ich bin aufgeregt, doch nicht wegen des Vorstellungsgesprächs. Meine Sehnsucht nach Meilo wird von Minute zu Minute stärker. Der Montag war die Hölle, der Dienstag hat mich beinahe um den Verstand gebracht und heute Morgen saß ich die ganze Zeit über auf heißen Kohlen und verfluchte den Uhrzeiger dafür, dass er so kriechend langsam dahinglitt. Ich will endlich los! Wäre das Vorstellungsgespräch nicht, wäre ich schon längst unterwegs. Andererseits kann ich froh sein, dass es heute ist, und nicht morgen.

"Niclas?!" Ach wie schön. Das holde Stimmchen meiner Schwester kräht nach mir.

"Ja?!"

"Ich bin weg! Bin bei Penelope!"

"Ist gut!" Wumms. Die Tür ist zu. Ich habe Nicole immer noch nichts von Meilo erzählt. Schimpft mich einen Feigling, aber ich will keine schreiende und heulende Schwester vor mir haben. Glauben würde sie mir wahrscheinlich sowieso wieder nicht. Also was solls? Irgendwann wird sie es herausfinden. Irgendwann, an einem furchtbar verregneten Septembermorgen ... Mich überläuft es kalt.

Ich schnappe mir meinen Koffer und trage ihn runter ans Auto. Dann kann ich gleich nach dem Vorstellungsgespräch losdüsen. Zu Meilo. Meinem Meilo ... "Nic?" Ich schaue auf. "Tachchen!"

"Hallo Ingo!" Ich winke meinem Nachbarn zu.

Er hockt auf einem Plastikgartenstuhl neben einer großen Maschine, an der Ed gerade herumwerkelt. "Willst du weg?"

"Ja. Habe ein Vorstellungsgespräch."

"Und da nimmst du einen Koffer mit?" Ich schüttle lachend den Kopf und laufe über die Straße. Muss ja nicht jeder in der Nachbarschaft unserem Gespräch folgen.

"Danach fahre ich nach Bremen", erkläre ich ihm.

Ed schaut von seinem Gewerkel auf. "Was willstn da?", fragt er mich und steht auf.

"Meinen Freund besuchen." Mein Bauch kribbelt. Ich habe eben wirklich mein Freund gesagt. Wir gut sich das anfühlt!

"Du hast wieder jemanden?"

"Etwa diesen Meilo?", will Ingo wissen, der ja schon über ihn Bescheid weiß.

"Meilo? Der Typ mit dem geschroteten Kühler?"

"Ja." Ich nicke.

"Wohnt der nich in Berlin?"

"Schon ... Er arbeitet aber gerade in Bremen."

"Ach. Ein Weltenbummler, dein Meilo."

"Genau", pflichte ich Ed bei. Mehr müssen sie nicht über Meilo wissen. Keine Ahnung, ob es ihm recht wäre, wenn ich jedem davon erzähle, dass er sich fast jeden zweiten Abend in eine geschminkte Light-Transe verwandelt.

"Dann meinen herzlichsten Glückwunsch und dir viel Spaß auf deiner 'Reise'", zwinkert Ingo mir zu.

"Vielen Dank. Und du schone dich ordentlich." Ich zeige auf Ingos eingegipsten Fuß, den er locker lässig auf einen leeren Bierkasten abgelegt hat.

"Dafür sorgt mein Hase schon", lacht er, weil Ed anfängt zu brummen. Kosenamen kann er ja gar nicht ab. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit.

Ich verabschiede mich von den beiden und laufe zurück ins Haus, wo ich im Flur stehen bleibe und mir meine guten Schuhe anziehe. In einer halben Stunde muss ich los. Lieber zu früh dort sein, als nachher im Stadtverkehr stecken zu bleiben.

Als ich mich wieder aufrichte, gleitet mein Blick zu Nicoles Zimmer. Jetzt hat sie sogar schon draußen an der Tür eins von Keiths Konterfeis aufgehängt! Lasziv leckt sich mein Süßer über die Lippen und blinzelt mich auffordernd mit seinen stechend grünen Augen an. Trotz der ganzen Schminke, die er auf diesem Poster trägt, muss ich einfach lächeln und gehe auf die Tür zu. Seine Lippen sind knallig pink und er trägt so viel Rouge, damit könnte man ein ganzes Varietétheater ausstatten, aber es ist unverkennbar mein geliebter Meilo, der unter der Tonne Schminke steckt. Mein Meilo … 'Den Nicole anbetet, als sei er Gott höchstpersönlich.' Fuck! "Wie soll ich ihr das bloß erklären?"

Meine Hand hebt sich, und ehe ich mich versehe, liegt sie auch schon auf der Türklinke. Ob ich es wagen, und mich Nicoles Keith-Wahnsinn nochmal stellen soll? Nur um herauszufinden, wie groß dieser Wahnsinn wirklich ist. Als kleine Vorwarnung sozusagen, für den Tag, an dem ich vor ihr die große Beichte ablege.

Leise und vorsichtig betrete ich das Zimmer meiner Schwester. Eigentlich unsinnig, weil sie ja gar nicht zuhause ist. Vielleicht die Macht der Gewohnheit. Als befürchte mein Unterbewusstsein, gleich was gegen den Kopf geschmissen zu bekommen. Drinnen erschlägt mich wieder mal die schiere Bildüberreizung an Wänden und Decke. Sind alle Mädchen in ihrem Alter so schlimm und tapezieren sich die Wände mit ihren Idolen?**

Ich schaue mich weiter um, begutachte jedes noch so kleine Schnipselchen, das Keith zeigt. Nicole ist wirklich verrückt nach ihm. Das ist gar nicht gut. Überhaupt nicht.

Ich bekomme ein mehr als ungutes Gefühl in meiner Magengegend und spüre regelrecht, wie die mehr als tausend Augenpaare Keiths auf mir ruhen. Sehr schwachsinnig, was? Denn im Grunde sind es ja Meilos Augen, aber hier, im Reich meiner Schwester, fühlt es sich höchst beklemmend an, von ihnen angestarrt zu werden. Eigentlich auch kein Wunder. Es ist nicht Meilo, der da von den Wänden starrt, sondern sein Alter Ego. Das Unbehagen in mir wird immer größer. Ich muss hier raus!

Beim Rausgehen allerdings, fällt mir ein großer Ordner auf, der halb unter Nicoles Bettdecke hervorlugt. Er ist knallig pink und von außen mit Bildern beklebt. Drei mal dürft ihr raten, was auf den Bildern zu sehen ist.

Kurz ringe ich mit mir, meine Neugierde gewinnt jedoch schneller, als mir lieb ist. Schon habe ich den Ordner in der Hand und öffne ihn. Ein gezeichneter Keith Kandyce! Wer auch sonst? Mein Schwesterlein hat sich künstlerisch betätigt, und ihren Superstar wirklich gut hinbekommen. Das muss ich ihr lassen. Fotos vom Konzert sind auch dabei, kleine verliebte Kritzeleien und ein Bild, das ihr anscheinend besonders gut gefällt, denn es ist eingerahmt von bunten Linien und kleinen Blumen. Also nichts, was mich auch nur annähernd interessiert, außer natürlich der Kerl, der unter all der Schminke und dem Glitzer steckt.

Ich will den Ordner schon wieder weglegen, als mir eine bedruckte Seite ganz hinten auffällt. "Meine Nacht mit einem Superstar", lese ich laut vor. "Von Keith_Lover_69." Mir schwant Böses. Ich brauche die Zeilen bloß zu überfliegen, um zu wissen, um was für einen Schweinekram es sich dabei handelt. In der Story hat Mei... Äh Keith Sex mit einem weiblichen Wesen! "Ehhhh!" Bei allem was heilig und unheilig ist! Bitte lass das nicht meine Schwester geschrieben haben!

Schnell packe ich den Ordner wieder unter die Decke und bin froh, dass ich ihn nicht mehr in Händen halte. Jetzt aber wirklich nichts wie raus hier! Das ist echt zu viel für mein verliebtes Herz.
 

******
 

* Pikaaatchuuuu xD

** Antwort: Ich war es auf jeden Fall!

Love bite 11 - Unheimlich fotogen

Love bite 11 - Unheimlich fotogen
 

Mir fallen beinahe die Augen zu, aber ich habe es geschafft. Ich bin in Bremen!

Ich parke in der Nähe des Hotels, in dem Meilo untergebracht ist, und stelle den Motor aus. Endlich!

Ich reibe mir über die geschlossenen Augen, die brennen wie Sau, und erhole mich einen Moment lang von dem stressigen Tag und der anstrengenden Fahrt. Das Bewerbungsgespräch heute Nachmittag verlief ganz gut. Ich bekomme Bescheid, wenn sie mich für den Job wollen, habe sie gesagt. Das kann aber noch eine Weile dauern. Von mir aus. Ich habe mich jedenfalls gut geschlagen und keine ganz so peinliche Figur abgegeben, obwohl meine Gedanken ganz wo anders waren, natürlich, oh Wunder, bei meinem Meilo.

Jetzt bin ich endlich hier, und kann es gar nicht mehr erwarten, neben ihm ins Bett zu fallen, und mich erschöpft an ihn zu kuscheln. Der wird Augen machen!

Ich fange an zu grinsen und steige aus, hole meinen Koffer aus dem Kofferraum und latsche auf das Hotel zu. Wieder gastiert Superstar Kandyce in einer der vornehmsten Buden der Stadt. Diesmal steht allerdings kein Portiert davor, was mich aufatmen lässt. Wie genau ich es jedoch anstelle, dass mich die Hotelangestellten zu Meilo lassen, weiß ich noch nicht. Bevor ich eintrete, atme ich noch einmal tief ein und versuche so selbstverständlich und gelassen wie nur irgend möglich durch die Lobby zu flanieren. Gar nicht so leicht, wenn einem dabei die Augenlider vorkommen, als wögen sie hunderte von Tonnen. "Hallo. Kann ich Ihnen helfen?" Ich wurde entdeckt.

"Ja. Guten Abend." Ich lächle den schmalen Typen hinter der Rezeption freudig an. Immer freundlich bleiben, auch wenn man sich am liebsten auf den nächsten freien Platz einrollen möchte, wie eine vollgefressene, müde Katze. "Herr Sotterbach zu Großfels erwartet mich", lüge ich und bete inständig, dass Meilo sich wieder unter diesem dämlichen Namen hat einchecken lassen.

"Ich schaue mal im Computer."

"Danke." Das klingt doch schon mal gut.

"Hm ..." Der junge Typ beißt auf seiner Unterlippe herum. Oh oh. "Ich finde leider keinen Herrn Sotterbach zu Großfels", meint er auch schon und sieht mich mitleidig an. Shit!

Ich denke fieberhaft nach, was in meinem tranigen Zustand heißt, der Esel in meinem Hirn fegt sich halbtot eine Mücke vom Hintern. "Ich rufe ihn schnell an", beschließe ich und rolle zu der kleinen Sitzgruppe neben dem Ausgang. Dort falle ich auf einen der Ledersessel und schnaufe tief durch. Ob die mich hier pennen lassen, falls ich Meilo so spät nicht mehr erreichen kann? Mir purzelt beinahe das Handy aus der Hand, als ich es umständlich aus meiner Hosentasche fummle, und Meilos Nummer wähle. Ich bin echt kurz vorm Einpennen.

Nach mehrmaligen Klingeln meldet Meilo sich zum Glück. /Nic?/ Er hört sich mindestens so verschlafen an wie ich.

"Hey Schatz", krächze ich müde. "Schläfst du schon in deinem gemütlichen Hotelbett?" Wie gern ich auch darin liegen würde! Hoffentlich kann ich das gleich.

/Fast/, antwortet er mir. /Bin aber noch wach./

"Wie ist das Hotel?" Irgendwie muss ich mich ja herantasten.

/Ganz nett./ Ich höre Meilo an, dass er misstrauisch wird.

"Schön. ... Und hast du wieder unter einem Pseudonym eingecheckt?" Sehr einfallsreich, was?

/Ähm ... ja. Aber das fragst du mich jetzt? Mitten in der Nacht?/ Wann denn sonst? Morgen früh, nachdem ich mich in der Lobby häuslich eingerichtet habe?

"Bin nur neugierig", brumme ich mit geschlossenen Augen. "Wie lautet er denn diesmal, oder hast du immer den Selben?"

/Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht genau/, sagt er. /Mein Manager wählt immer zwischen verschiedenen Namen./ So eine Scheiße!

"Und wie lauten die?"

/Nic? Was soll das? Warum klingelst du mich mitten in der Nacht halb aus dem Schlaf und fragst mich Dinge, die total belanglos sind?/ Jetzt habe ich endgültig Meilos Misstrauen geweckt. Args! Was sage ich denn jetzt?

"Ich wollte dir was schicken", lüge ich nach ganz kurzem Überlegen, worauf ich sehr stolz bin.

/Jetzt?/

"Ja. Online. Ich brauche deinen Namen oder deine Zimmernummer." Wow! Mein Hirn bekommt ein Fleißsternchen für außergewöhnliche Sonderleistungen.

/Ach so. Na wenn das so ist, ich habe die Zimmernummer 420./

"Und der Name? ... Nur zur Sicherheit. Das es auch ankommt."

/Das kann nur Henry Lerchenbach oder Sebastian van der Heide sein./

Lachend versuche ich mir die Namen zu merken. "Wer denkt sich die nur aus?", frage ich eher mich selbst als ihn.

/Mein Manager/, antwortet Meilo mir, wobei ich ihn ebenfalls lachen höre. Ein sehr, sehr müdes Lachen.

"Gut. Danke. Dann schicke ich die Bestellung auf den Weg. Schlaf gut."

/Du auch. Bin schon gespannt, was das ist./ Das darfst du auch, mein Schatz. /Gute Nacht./

"Dir auch." Ich lege auf.

Da ich jetzt weiß, in welchem Zimmer er ist, versuche ich mich ungesehen zu den Fahrstühlen zu schleichen, doch wie das Leben so spielt, werde ich erwischt. "Moment mal!", ruft mir der Hotelier zu. "Sie können da nicht einfach rauf!"

"Schon okay. Ich weiß die Zimmernummer." Ob das klappt? Tut es nicht.

Der Typ erweist sich als ziemlich zackig. Er schlängelt sich hinter der Rezeption hervor und kommt bei mir an, noch bevor der Fahrstuhl unten ist. "Ich kann Sie nicht zu den Hotelgästen lassen! Ich muss Sie vorher anmelden", hechelt er. Nicht besonders in Form, der Gute. Trotz seiner guten Slalomlauftechnik.

"Ich habe eben mit ihm geredet. Das geht in Ordnung."

"Das kann ja jeder sagen." Langsam wird er mir unsympathisch. "Kommen Sie mit mir nach von. ... Bitte." Seine Hand, die sich auf meinen Oberarm gelegt hat, wird fester. Außerdem sehe ich aus den Augenwinkeln, wie plötzlich zwei Sicherheitsmänner auftauchen.

"Bitte lassen Sie mich doch einfach hoch", versuche ich es noch einmal mit ruhiger Stimme. "Mein Besuch soll eine Überraschung sein."

"Das mag ja schön und gut sein, aber Regeln sind Regeln." Ich verdrehe die Augen und lasse mich wieder zur Rezeption schleifen. Ich will Meilo ja keinen Ärger machen. Dann platzt meine Überraschung eben jetzt schon. Es sei denn ... "Unter welchem Namen hat sich Ihr Freund denn nun eingecheckt", fragt mich der Hotelier zickig.

"Entweder unter Henry Lerchenbach oder Sebastian van der Heide. Zimmernummer 420." Unnötig zu erwähnen, dass der Typ weiß, dass es sich um Pseudonymnamen handelt. Demnach ist es wohl auch besser, dass sie mich nicht so mir nichts dir nichts hoch lassen. Er tippt auf der Tastatur herum, nickt, und greift zum Hörer. "Moment!" Uh, kann der hübsch genervt gucken. Sexy. "Sagen Sie ihm, hier ist ein Typ mit einer Abschleppstange, der ihm die Blumen von Herrn André Sotterbach zu Großfels bringen möchte." Sein Blick wechselt von genervt auf ratlos. Nicht lachen, Nic! Sonst schmeißt er dich womöglich doch noch raus.

Zu meiner Erleichterung nickt er und wählt sich auf Meilos Zimmer ein. Diesmal geht mein Schatz schneller ran. "Entschuldigen Sie die späte Störung Herr van der Heide, aber hier ist jemand für Sie, der zu Ihnen möchte ... hm ... ja natürlich, aber er meinte, ich solle Ihnen von ihm ausrichten, er sei 'der Typ mit der Abschleppstange, der Ihnen die Blumen von André Sotterbach von Großfels überbringen möchte.'" Ich muss wirklich aufpassen, dass ich nicht loslache, so schön, wie er meinen Text zitiert hat. Dafür werde ich allerdings plötzlich genaustens von ihm beäugt. "Groß, dunkle Haare und ziemlich gutaussehend." Äh ... Meint der mich? Sieht so aus, denn der Kerl grinst mich auf einmal sehr eindeutig an. Oh Gott! Geh, und mach einem anderen Kerl schöne Augen, aber nicht mir. Ich bin glücklich liiert. "Sehr wohl. Einen schönen Abend Ihnen noch." Er legt auf. "Sie können hoch gehen."

"Danke", fiepse ich und sehe zu, dass ich Land gewinne. Der Typ wird mir unheimlich.
 

Oben steige ich aus dem Fahrstuhl und suche die Zimmernummer 420. Sie befindet sich ganz hinten im Gang, und als ich davor stehe und klopfe, bin ich so müde, dass ich mich noch nicht mal mehr auf Meilos überraschtes Gesicht freuen kann. Wahrscheinlich weiß er eh schon, wer ihn da besuchen möchte.

"Moment!", ruft er mir zu. Etwas rumpelt. Ist er gestolpert? Die Verriegelung der Tür piepst, dann wird sie einen Spalt breit aufgezogen. Meilos Gesicht bleibt im Verborgenen. "Ja?"

"Lässt du mich endlich rein? Ich bin total KO."

"Nic?!" Die Tür wird aufgerissen und ein Meilo mit kugelrunden Augen starrt mich an. "Du?!" Meine Überraschung ist wohl doch nicht geplatzt!

"Überraschung", rufe ich leise und schnappe mir meinen verdatterten Meilo. Stürmisch verpasse ich ihm einen groben Kuss und grinse ihn an. "Ich dachte, ich überbringe dir dein Geschenk persönlich."

"Guter Gedanke", gluckst er und zieht mich ins Hotelzimmer. "Ein Koffer? Du bleibst länger?"

"Das hatte ich vor." Meilo jauchzt auf und springt mich geradezu an. Müdigkeit ade, kann ich da nur sagen.

"Oh wie schön!", japst er und knutscht mir das Gesicht ab. "Besser als jedes Geschenkt!"

"Freut mich zu hören, denn das Geschenk war nur eine Finte."

"Habe ich mir fast gedacht." Er gleitet aus meinen Armen, ergreift aber meine Hand und zieht mich ins Schlafzimmer. "Du siehst müde aus." Das ihm das aufgefallen ist.

"Frag nicht."

"Das Bewerbungsgespräch?"

"Das auch, aber die Fahrt hat mir den Rest gegeben."

"Du Armer." Er nimmt mir den Koffer ab und stellt ihn neben das Bett. "Dann nichts wie ins Bett mit dir." Wie habe ich mich darauf gefreut!
 

Meilo hilft mir, mich aus den Klamotten zu schälen, und zieht sich ebenfalls wieder aus. Nach dem Anruf des Hoteliers hatte er sich hektisch angezogen, weil er dachte, ihm würde tatsächlich jemand Blumen liefern. "Das du den Hinweis mit der Abschleppstange nicht verstanden hast, kränkt mich jetzt aber", murmle ich gegen seinen Hals, als wir aneinander gekuschelt im Bett liegen.

"Tut mir leid. Zu meiner Verteidigung, das Konzert ist ziemlich anstrengend gewesen."

"Was war denn?"

"Mir ging es nicht so gut."

Ich setzte mich auf und schaue auf Meilo nieder. Da noch das Licht hinter dem Kopfteil des Bettes angeschaltet ist, kann ich ihn genauer mustern. "Du bist ganz blass. Bist du krank?"

"Geht schon", meint er. "Ich habe Medikamente bekommen. Morgen geht es mir bestimmt besser. Allein, dass du bei mir bist, ist besser, als jedes Medikament." Sanft streichle ich über seine Stirn. Sie fühlt sich leicht heiß an.

"Wenigstens kannst du dich die nächsten Tage auskurieren."

"Hmhm ..." Meilos Augen fallen zu und ich lösche das Licht. Gut, dass ich hergekommen bin. Bestimmt hätte er mir am Telefon niemals gesagt, dass es ihm nicht gut geht.

"Ich werde dich wieder gesund pflegen", wispere ich gegen seinen Hals und dämmre ebenfalls langsam in den Schlaf.
 

***
 

Am nächsten Morgen werde ich noch vor Meilo wach. Seine Stirn fühlt sich noch immer wärmer an, als normal, aber seine Gesichtsfarbe sieht ganz gut aus. Es scheint nichts Schlimmeres zu sein. Was für ein Glück, aber um auf Nummer sicher zu gehen, lasse ich, zusätzlich zum Frühstück, viel frisches Obst aufs Zimmer bringen, und ordere eine große Kanne Fencheltee. Bei mir wirkt der immer wahre Wunder.

Als es an der Tür klopft, springe ich schnell auf, damit Meilo nicht geweckt wird. Der pennt wie ein Stein weiter. Gut so. Schlaf ist das beste bei einer Erkältung. Ich lasse alles auf dem gläsernen Tisch der geräumigen Suite aufbauen und drücke dem jungen Kerl ein kleines Trinkgeld in die Hand. Sicher hat er mit mehr gerechnet, aber so dicke habe ich es nicht. Ist ja nicht meine Suite, sondern die eines kranken Popsternchens. Apropos ... Mal schauen, ob er inzwischen wach ist.

Mit einer Tasse dampfenden Tees bewaffnet, schleiche ich mich ins separate Schlafzimmer und setzte mich neben Meilo auf die Bettkante. Er schlummert noch immer, scheint aber langsam wach zu werden. Seine Nase kräuselt sich und kurz darauf flattern seine Augenlider. "Nic?" Mein Schatz hat eine ganz belegte Stimme. Oh je. Er räuspert sich und setzt sich schleppend auf.

"Wie geht es dir?", frage ich ihn und stell die Tasse auf das kleine Nachttischchen.

"Mein Kopf brummt und meine Zunge ist ganz belegt."

"Hört sich nicht gut an. Wo sind deine Medikamente?"

"Im Badezimmer." Dann werde ich die mal holen. "Ist der Tee für mich?"

"Ja." Meilo grinst mich an und fischt sich die Tasse herbei, während ich auf die Suche nach seinen Medis gehe. Lange muss ich das nicht tun, denn sie liegen auf der Ablage über dem Waschbecken. Schmerztabletten, ein Grippemittel und etwas für seine Abwehrkräfte. Hm. Das reicht hoffentlich, um ihn wieder fit zu bekommen. Ich bringe Meilo all die Schächtelchen und Fläschchen. Brav schluckt er auch gleich etwas davon.

"Hast du Appetit? Ich habe uns Frühstück hochbringen lassen."

"Weiß nicht", krächzt Meilo und schlürft am Tee. "Was essen müsste ich ja."

"Finde ich auch. Viel frisches Obst, das wirkt wahre Wunder."

"Trägst du mich?" Was? "War nur ein Scherz", lacht er und stellt die Tasse ab. "So schlecht geht es mir nicht." Er wirft die Decke beiseite und rutscht aus dem Bett, bevor er jedoch aufstehen kann, habe ich ihn mir schon geschnappt und in meine Arme gehoben. "Hey!", lacht er vergnügt. "Lass mich wieder runter!"

"Der Herr wollte getragen werden, also wird er getragen", erwidere ich mit nasaler Stimme und schleppe ihn rüber zum Frühstückstisch. Meilo ist schwerer, als er aussieht. Ich versuche mir nichts von der Anstrengung anmerken zu lassen und schaffe es bis vor den gedeckten Tisch. "Willst du am Fenster sitzen?" Meilo nickt. "Dann abwärts mit dir."

"Nö." Seine Arme legen sich fester um meinen Nacken.

"Nö? Soll ich dich so halten, während du futterst?"

Er brummt mir ins Ohr und tupft mir einen Kuss drauf. "Ich hab dich so sehr vermisst." Eine Gänsehaut prickelt über mich hinweg. "Ich freue mich so, dass du mich besuchen kommst."

"Ich habs auch nicht mehr ohne dich ausgehalten", gestehe ich. "Als du mir erzählt hast, dass du bis zum Wochenende in Bremen bleibst, musste ich einfach hinter dir herreisen."

Meilo legt seine Stirn gegen meine. Seine Temperatur ist immer noch leicht erhöht. "Fütterst du mich?", fragt er mich mit einem zuckersüßen, rauen Tonfall.

"Auch noch Sonderwünsche?"

"Ja. Ich bin krank."

"Na wenn das so ist", grinse ich und setzte mich mit ihm im Arm vorsichtig auf einen der Stühle. Meilo lacht leise und schmiegt seine Wange in meine Halsbeuge. "Was zuerst?"

"Mir egal."

"Egal habe ich nicht."

"Hnn ... Dann eins der Käsebrötchen."

"Ein Käsebrötchen der Herr. Wie Ihr wünscht." Ich halte ihm eins der schon fertigen Brötchen vor den Mund, woraufhin er ein Stück abbeißt. "Gut?"

"Hervorragend", schmatzt er. "Jetzt das mit Honig."

Ich hebe eine Augenbraue empor, sage jedoch nichts. Dafür beiße ich selbst was vom Käsebrötchen ab und klaube mir danach das mit Honig. So geht es weiter, bis der werte Herr alles probiert hat, inklusive das Extra-Obst, das jetzt mit lauter kleinen Bisswunden in der Obstschale liegt. "Und jetzt?", frage ich ihn. "Darf ich jetzt deine Reste essen?"

"Ja", antwortet er prompt.

"Und wenn ich mich bei dir anstecke?"

"Das hättest du dir früher überlegen müssen." Also so was! "Dann pflege ich dich gesund. Wie wäre das?"

"Auch, falls du gerade dann einen Auftritt hast?"

"Auch dann." Verlockend ... "Ich nehme dich dann einfach mit, verfrachte dich ins warme Hotelbett und nach dem Auftritt kümmere ich mich wieder um dich." Ich packe Meilo und schiebe ihm die Zunge in den Hals. Ich will sofort krank werden!
 

Nach dem Frühstück, ich habe meinen Süßen noch eine komplette Orange rein gezwungen, die er gar nicht mag, aber Ausreden gelten nicht, brachte ich ihn zurück ins Bett und dort liegt er jetzt schon den ganzen Vormittag lang. Ich habe noch mehr Tee beordert und noch eine weitere Ladung Obst, damit er schnell wieder auf die Beine kommt. In der Zwischenzeit vertreiben wir uns die Zeit mit Fernsehgucken und Schmusen, was definitiv etwas für sich hat. "Mit dir macht sogar eine Erkältung Spaß", schmunzelt Meilo, als ich gerade wieder seine Stirn befühle. Kein Fieber. Wunderbar.

"So etwas Ähnliches dachte ich auch eben." Ich wische ihm eine Haarsträhne von der Stirn. Meilos Augen glänzen richtig, was vielleicht am Grippemittel liegen mag, aber dieses ganz bestimmte Glitzern darin, kann nur von einem kommen. Ich beuge mich zu ihm rüber und verschließe ihm den Mund. Er schiebt sich mir gleich seufzend entgegen und schickt eine Hand auf meinem Oberkörper auf Reisen. "Fit genug?", frage ich ihn zwischen unseren Küssen.

"Sehr fit", schnurrt Meilo und taucht mit der Hand unter mein Shirt. Nun hält mich nichts mehr. Ich lasse mich auf ihn fallen und schlüpfe mit meiner Zunge in seinen Mund.

Wie ausgehungert machen wir uns übereinander her, als wären wir zuvor seit Ewigkeiten voneinander getrennt gewesen. Plötzlich sind wir nicht mehr zu halten. Meilo zerrt an meinem Oberteil und ich mache mich über seinen Hals her. Die dunklen Flecken sind immer noch gut zu erkennen, aber die müssen dringend erneuert werden, finde ich.

"Meins!", knurre ich gegen die feuchte Haut. Meilo lacht leise und streckt seinen Hals durch. Hmm ... Lecker!

Ich sauge und lecke über seinen Hals weiter nach unten, tobe mich an seinem Schlüsselbein aus, als es leise klopft. Erst denke ich noch, das ist im Fernseher, aber als Meilo sich versteift und aufschaut, wird mir bewusst, dass das Klopfen von der Zimmertür herkommt. "Hast du noch was bestellt?", frage ich meinen Schatz.

"Nein."

"Dann lassen wir es klopfen." Und weiter geht's.

"Warte." Unbarmherzig werde ich zur Seite geschoben. "Schau doch bitte nach, wer das ist." Ich schaue Meilo fassungslos an. Alles an meinem Blick fragt: Ernsthaft? Jetzt? Während wir gerade dabei sind, uns gegenseitig aufzufressen? "Bitte." Meilos Hundeblick bekommt mich weich.

"Also gut", brumme ich und klettere aus dem riesigen Hotelbett.

"Du bist ein Schatz, Sweety!" Grins.

Im Gehen richte ich grob meine Haare und meine verrutschte Kleidung, bevor ich mit einem grimmigen Blick die Tür öffne. "Ja?", frage ich den Störenfried vor der Tür.

"Äh ... Ich glaube, ich habe mich vertan", fiepst der Jungspund vor mir. Er schaut auf die Zimmernummer, runzelt die Stirn und sieht mich wieder ratlos an, ehe sich seine Augenbrauen zusammen ziehen, und mir ebenso grimmig zurück starren, wie ich ihn begutachte. "Wo ist Meilo?", fragt er mich keifend.

"Der ist krank." Stimmt doch auch.

"Ich weiß. Und wer sind Sie? Ein Krankenpfleger?"

Ein hinterhältiges Grinsen legt sich um meine Mundwinkel. "Der bin ich. Meilos privater Krankenpfleger." Der Knilch wechselt wieder zurück in den Ratlos-Modus, strafft sich jedoch auf einmal und rempelt mich einfach beiseite. "Hey!" Bevor ich ihn zu fassen bekomme, rast er auch schon ins Schlafzimmer. "Geht's noch?!", rufe ich ihm nach. "Raus hier!" Was bildet der sich eigentlich ein?

"Was hat das zu bedeuten?", fragt er meinen Meilo und deutet auf mich. "Wer ist das, und was sucht der bei dir im Hotelzimmer?" Ich spüre, wie mir die Farbe aus dem Gesicht weicht. Ist das einer von Meilos Management? Er ist zwar noch jung, aber wer weiß?

"Nicht so laut", wimmert mein Herzblatt und sieht plötzlich ganz kränklich aus. Im Simulieren ist er einsame Spitze, stelle ich fest. "Mein Kopf platzt." Seine Darbietung eines Todkranken Mannes zieht. Der Knilch glotzt entschuldigend drein und hockt sich auf die Bettkante. Eifersucht brodelt in mir hoch. Runter da! Ich versuche mir nichts anmerken zu lassen und wundere mich lieber darüber, dass ich immer noch solche Besitzansprüche Meilo gegenüber empfinde. Daran werde ich mich nie gewöhnen.

"Immer noch so schlimm? Soll ich den Arzt vorbeischicken?"

"Nicht nötig. Ich habe noch Medikamente und zur Not rufe ich ihn selbst an." Oder ich besorge es ihm ... Die Medikamente meine ich.

"Ist gut", segnet der Typ Meilos Entscheidung ab. "Und wer ist das hier?" Feindselige Blicke malträtieren mich. Und auf einmal erhellt sich mein Geist. Ich bin nicht der Einzige, der eifersüchtig ist! Ha! Das Gör ist auf meinen Meilo scharf!

"Das ist ein Freund", antwortet Meilo und schielt mich entschuldigend an.

'Kein Ding', denke ich und zwinkere ihm zu. "Du weißt doch noch, der Mann, der mir mit meinem kaputten Auto geholfen hat?"

"Das ist der Typ?!" Wie nett. Jetzt zeigt der Knilch auch noch mit dem Daumen auf mich!

"Ja, das ist er. Niclas? Das ist ... Niklas." Meilo grinst, während mir und meinem Namensvetter sämtliche Gesichtszüge unters Bett kullern.

"Was für ein Zufall", krächze ich.

"Ja", sagt mein Schatz und deutet auf Knilch-Niklas. "Allerdings wird er mit k geschrieben." Als ob mich das jucken würde. "Er geht den Tontechnikern zur Hand."

"Ah so. Ein Roadie also?"

"Genau." Wenigstens ist er nicht vom Management.

"Warte mal", schnaubt Knilch-Niklas mit k und glotzt wie ein entsetztes Nasenäffchen. "Er weiß, wer du bist?" Das hättste jetzt nicht gedacht, wa?

"Ich habe es ihm erzählt, ja." Man sieht förmlich, wie sehr dies meinen Namensdoppelgänger durch den Strich geht. Er sieht Meilo fassungslos-besorgt an und schickt mir zwischendurch hässliche kleine Blitze zu. Pha! Lächerlich. Wen will er denn damit beeindrucken? Das kann ja meine Schwester sogar besser.

"Na gut", nuschelt er in seinen nicht vorhandenen Bart. "Du musst wissen, ob du ihm vertrauen kannst." Na warte, du Kleiner ...!

"Das kann ich", durchdringt Meilos süße Stimme meine Gedankenseifenblase, in der ich über Meilo drüber hechte, und diesem Knilch meine Hände in bester Homer Simpson Manier um den Hals lege.

"Fein ... Weshalb ich hier bin ..." Er kramt in einer Tüte herum, die mir eben erst auffällt. "Ich habe die Presseberichte über das Konzert gestern hier. Sind alle positiv. Wenn du sie durchlesen willst, lasse ich sie hier. Super Feedback für die nächste Tour. Im Netz steht auch eine Menge, aber das habe ich noch nicht gesichtet. Wollen wir zwei das zusammen machen?" Moment mal! Wir zwei?! Meilo und dieser Knilch?! Etwa allein?! Und was war das mit von wegen nächster Tour?!!!

Mein Blick fliegt zu Meilo, der mich wahrscheinlich genauso perplex anstarrt, wie ich ihn. Dann allerdings, wechselt er zu einem nur für mich sichtbaren Hundeblick, der sagt: Dafür gibt es eine Erklärung. Mach dir keine Sorgen.

Okay, ich halte die Klappe, vertraue Meilo, atme tief ein und aus und bewahre Fassung. Dankbar sendet mein Schatz mir ein kleines Lächeln und wendet sich wieder dem Knilch zu. "Ein anderes Mal wieder, Niklas. Mir geht es echt nicht gut und ich würde jetzt gern schlafen." Meilo zieht sich die Bettdecke bis zum Hals. Ich staune immer wieder, wie gut er krank spielen kann.

Knilch-Niklas kauft es ihm ab und nickt verständnisvoll. "Gut, dann gehe ich." Musik in meinen Ohren! "Und ihn nehme ich mit ja? Damit du dich ganz in Ruhe auskurieren kannst." Wie bitte?! Fass mich an, und es wird dir leid tun!

Meilo schreitet zum Glück ein, ehe das Gör handeln kann. "Nein, Nic bleibt hier. Wir haben noch was miteinander zu besprechen." Höhö. Ja, nimm das, du elendiger Knilch! Er hat ganz schön dran zu knabbern, wie es aussieht, denn seine Fingerknöchel treten weiß hervor, so fest hält er die Tüte in seinen Klauen. "Wie du meinst. Hoffentlich bereust du es nicht", spricht er und rauscht davon, nachdem er die Tüte mit den Zeitungen auf dem Hotelbett hat liegen lassen.
 

Ich schlucke meine Wut über diesen Möchtegern-Tonteckniker-Knilch runter. Was für ein Arschloch! Der soll sich ja nicht mehr in unserer Nähe blicken lassen. "Tut mir leid", flüstert Meilo und drückt meinen Arm.

"Was tut dir leid?" Er hat doch nichts falsches gemacht.

"Das ich dich nur als einen Freund vorgestellt habe." Kleine Fragezeichen ploppen über meinem Kopf auf. "Ich hätte ihm so gern gesagt, dass du nicht EIN Freund bist, sondern MEIN Freund."

Ein Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht und ich lege mich wieder an Meilos Seite. "Ich weiß doch, dass das nicht geht", antworte ich ihm und küsse seine Wange. Weich wie ein Pfirsich.

"Noch nicht." Hört sich arg nach einem Versprechen an. Aber auch nach etwas anderem. Etwas, das ich am liebsten für ewig aufschieben würde. Das 'Outing' vor meiner Schwester. Doch noch ist es zum Glück nicht so weit, und es wird auch nicht so bald geschehen, nicht, solange ich es verhindern kann. Vorerst jedoch, gilt es andere Dinge zu klären.

"Und was war das eben, von wegen 'nächste Tour'?"

Mein Süßer wischt sich über die Augen, ehe er antwortet. "Das ich aufhöre, weiß bis jetzt nur mein Management und die Plattenfirma."

"Wegen den Fans?"

"Hauptsächlich, ja." Ich rolle mich stöhnend auf die Seite. Dieses ganze Business ist doch nur Lug und Betrug! Menschenmanipulierrerei! Zum Glück ist Meilo da bald raus. "Niklas war schon auf der letzten Tour mit dabei und war da schon Feuer und Flamme auf die nächste Tour. Ständig überlegt er, was man besser machen könnte." Meilo schmunzelt. "Das ist eben sein Ding." Sein Ding ist gut. Ich glaube eher, sein Ding will was von Meilos Ding. Nur über meine Leiche!

"Hängst du öfter mit diesem Niklas herum", frage ich Meilo daher 'ganz beiläufig'.

"Wir sind Freunde. Oft gehen wir uns tagsüber die Städte ansehen, in denen wir gerade sind." Das gefällt mir ganz und gar nicht. Dieser Knilch und Meilo zusammen auf Erkundungstour ... Meilos tiefgrüne Augen mustern mich. "Sag mal", fragt er leise "kann es sein, dass du Eifersüchtig bist?"

Ich weiche seinem Blick aus und angle mir die Tüte mit den Zeitschriften. "Und wenn schon?", murre ich, weil leugnen zwecklos ist.

Meilo lacht auf und zwingt mich ihn wieder anzusehen. "Das musst du aber nicht."

"Ich weiß!" Ich verdrehe die Augen. "Das nervt mich ja selbst, aber ich kann nichts dagegen tun."

Seine Hände umfassen mein Gesicht und ziehen mich dicht vor seins. "Du hast keinen Grund, um eifersüchtig zu sein. Du bist der einzige Niclas, den ich will. Ob mit k oder c geschrieben."

"Daran zweifle ich auch gar nicht", wispere ich und halte die Luft an. So nahe, wie wir uns in diesem Moment sind, ist es schwer, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. "Aber vielleicht könntest du es mir beweisen."

"Jetzt?"

"Jetzt", bestätige ich und bekomme auf der Stelle den Mund versiegelt.

Diesmal lassen wir uns garantiert von niemanden mehr stören.
 

***
 

Meilo ist tief und fest eingeschlafen, dabei ist es noch nicht mal Abend. Mein armer Schatz. Vielleicht waren die vergangenen Stunden doch zu viel für ihn. Mein Überraschungsbesuch, Knilch-Niklas' Auftritt und dann haben wir uns auch noch ganz schön im Bett verausgabt. Hoffentlich hat es Meilos Gesundheit nicht geschadet, obwohl es ihm sichtlich, und vor allem spürbar, gefallen hat. Jedenfalls hat er kein Fieber mehr und seine Stimme klang vorhin wieder ganz normal. Oder stöhnt man anders, wenn man krank ist?

Ich tupfe meinem schlafenden Schatz einen Kuss auf die Stirn und rolle mich auf den Rücken. Der Fernseher läuft immer noch, was extrem nervt, wie ich feststelle. Aus damit. Da ich aber weder müde bin, noch aus dem Bett aufstehen möchte, greife ich zu den Zeitschriften. Nett vom Niklas-Knilch, mir Aprésex-Lesestoff mitzubringen, findet ihr nicht auch?

Vier Tageszeitungen befinden sich in ihr und alle sind schon auf der richtigen Seite aufgeschlagen. Die erste enthält nur einen kleinen Text, nicht der Rede wert, aber die Nächste hat einen riesigen Artikel gebracht, inklusive Foto vom Konzert. Das wäre doch was für Nicole. Ob ich ihr den Kram schicken soll, um bei ihr gut Wetter zu machen? Unweigerlich muss ich an diese Story denken, die ich in dem Ordner in ihrem Zimmer gefunden habe. Mich überläuft es eiskalt. Bloß nicht darüber nachdenken!

Um mich abzulenken, überfliege ich die Zeilen. Die kreischenden Fans werden nur kurz erwähnt. Das Hauptaugenmerk liegt natürlich auf Mr. Keith Kandyce und seinem extravaganten Auftreten. Sehr nett ausgedrückt, Herr Journalist. Ansonsten lässt er sich noch über das kaum bekannte Privatleben meines Schatzes aus. 'Pech gehabt', denke ich bei mir. 'Ihr müsst nicht alles wissen.' Immer dieses Herumgeschnüffle im Leben anderer Leute. Das konnte ich noch nie leiden und bei Promitratsch im TV, schalte ich immer gleich weg. Ich will gar nicht wissen, wer mit wem, oder wer gerade Urlaub auf den Bahamas macht.

Mein Wissensdurst ist fürs erste gestillt. Die Zeitschriften wandern auf den Boden vors Bett und ich kuschle mich wieder in die flauschigen Daunen.

Meilo ratzt noch immer. Er liegt auf der Seite, mir zugewandt, und atmet ruhig. Was für ein schöner Anblick! Ich genieße ihn in vollen Zügen und ... Stopp mal! Mein Handy! Wo ist es? Das muss festgehalten werden!

Ich setzte mich auf und scanne das Zimmer nach meiner Hose ab, und finde sie auch sofort. Sie hängt halb auf dem schmalen Sideboard, auf dem der Fernseher steht.

So vorsichtig wie nur möglich krabble ich bis an die hinterste Bettkante, strecke mich und bekomme sie zu fassen. Das ergatterte Handy in der Hand, rutsche ich wieder zurück und lege mich hin. Meilo hat von all dem nichts mitbekommen. Super!

Ich stelle das Bild scharf und KLICK! Oh Shit! Der dämliche Auslöseton ist an, und das verdammt laut. Meilo rührt sich und bevor ich das Handy unter der Decke verstecken kann, klickt es nochmal, weil ich Dämlack auf das Display gekommen bin. Aber als wäre das noch nicht schlimm genug, blitzt die Automatik auch noch.

"Nic?" Meilo schlägt die Augen auf. "Was tust du da?"

"Ich ähm ... Ich hab nur ein Foto von dir gemacht." Lügen zwecklos.

"Ein Foto?" Ich nicke und lächle verschämt. Gleich beim ersten heimlichen Foto meines Lovers erwischt zu werden, ist nicht schön. "Darf ich mal sehen?"

"Wenn du magst ..." Eigentlich ist es ja nichts Schlimmes, was ich getan habe. Peinlich ist es dennoch. Irgendwie.

Ich gebe ihm trotzdem das Handy und mustere sein Gesicht, während er es sich anschaut. Ehrlich gesagt, mit seinem derzeitigen Gesichtsausdruck kann ich nicht viel anfangen. Skepsis, Unglauben, Verwirrung. Ja was nun? Hat er sich noch nie auf einem Foto gesehen? Unwahrscheinlich, auch wenn er auf den meisten Bildern geschminkt sein dürfte. "Was soll das?", fragt er mich schließlich, offensichtlich verwirrt. "Warum machst du das?" Muss ich ihm das ehrlich erklären?

"Du sahst so sexy aus. Das wollte ich für einsame Stunden festhalten."

"Hm ..." Er zieht die Augenbrauen nach oben. "Wenn das so ist ... Aber zeig es niemanden." Irre ich mich, oder hörte sich das eben wenig begeistert an? Das Handy wandert wieder in meine Hände.

"Okay." Jetzt bin ich verwirrt. "Aber man erkennt dich darauf ja gar nicht." Damit meine ich nicht ihn sondern Keith. Aber das wird er sich ja wohl denken können.

"Trotzdem", murmelt er ins Kissen. "Muss ja nicht jeder sehen." Hä?

"Schön." Eigentlich schade. Ich wollte vor Ed und Ingo mit ihm angeben, doch wenn er nicht will, dass ich es wenigstens meinen Freunden zeige, dann ... "Was ist denn das?!", brülle ich und starre auf mein Handy.

"Schrei doch nicht so", nuschelt Meilo und zieht sich die Decke halb über den Kopf.

"Sorry", japse ich. "Aber ... aber ..."

"Was aber?"

"Das Bild!"

"Was ist damit?"

"Das habe ich nicht gemacht!"

Meilos Kopf taucht wieder unter der Decke hervor. "Wer denn sonst?", fragt er mich mürrisch und rappelt sich auf.

"Ja, aber wie ..." Und da weiß ich es. "Der Blitz!" Meilo versteht bloß Bahnhof, im Gegensatz zu mir, denn ich habe gerade den völligen Durchblick. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn auf meinem Handydisplay sehe ich verdammt viel. Sehr viel. Also sehr, sehr viel. Meilos ganze Nacktheit, um genau zu sein. "Kein Wunder, dass ich das niemanden zeigen soll!" Ich will es zwar nicht, aber ich fange an zu lachen.

"Ich verstehe nicht." Mein süßer, ratloser Meilo. Weil ich ihm vor lauter Lachen nicht antworten kann, zeige ich ihm das Bild, dass ich von ihm gemacht habe. Ganz bewusst gemacht habe.

"Das andere war ein Versehen", erkläre ich und kichere immer noch. "Ich lösche es wieder." Zwei Klicks, und weg ist es.

"Oh Mann! Und ich hab mich gewundert. Ich dachte schon, ich hätte dich total falsch eingeschätzt!" Jetzt muss auch Meilo lachen.

"Nein, nein. Solcherlei Perversionen gestehe ich meinen Partnern erst nach ein paar Monaten Beziehung."

"Ah, okay. Dann weiß ich ja, auf was ich mich gefasst machen muss." Wir grinsen uns an. "Aber ich nehme dich auch mit all deinen Perversionen."

"Beruhigend zu wissen." Und ich bin mir völlig sicher, dass ich auch seine 'Perversionen' mit Freude mit ihm teile. Bis auf das Schminken, doch darüber werde ich mir keine Gedanken machen müssen, weil Meilo davon selbst die Schnauze voll hat.
 

"Hast du noch irgendwelche heimlichen Leidenschaften?", fragt er mich und schiebt einen Arm auf meine Brust. Seinen Kopf bettet er auf meine Schulter und sieht mich mit seinem besten Schlafzimmerblick an. Er ist immer noch KO.

Ich überlege kurz. "Das ich ein Computernerd bin, weißt du bereits und von meiner Leidenschaft für Aktfotos auch, also ... nein. Du weißt alles." Meilo stürzt die Lippen. "Was denn?"

"Ich finde, wenn du schon Fotos von mir im Bett machst, will ich auch welche von dir haben. Vielleicht nicht gerade Aktfotos, aber der Gedanke gefällt mir, dich immer bei mir zu haben, auch wenn ich unterwegs bin."

"Die hast du doch. Oder hast du unseren Ausflug nach Kassel vergessen?"

"Habe ich natürlich nicht", empört er sich. "Ich meine damit Pärchenfotos mit dir zusammen im Bett." Uh! Da bin ich doch sofort dabei!

"Gut, dann nehmen wir das doch gleich in Angriff." Ich lasse das Handy über uns schweben, stelle die Frontkamera ein und knipse drauf los. Ich bin voll in meinem Element: Pärchenfotos knipsen. Wir albern herum, strecken der Kamera die Zungen raus, bevor wir sie uns gegenseitig in den Hals schieben.

Als wir unserer Meinung nach genug Fotos geschossen haben, schauen wir sie uns nacheinander an. "Das ist unmöglich! Lösch das!", lacht Meilo, als wir uns ein Bild betrachten, in dem ich ihm heimlich zwei Hasenohren über den Kopf gezaubert habe.

"Quatsch! Das ist süß! Guck doch mal, wie schön frech du da in die Linse grinst."

"Und? Ich hab Häschenohren!"

"Kann man retuschieren", lüge ich. Als ob ich das machen würde! Das ist doch gerade das Schöne daran. Hi hi.

Meilo brummt und ich klicke ein Bild weiter. Darauf sehen wir uns an und lachen aus vollem Halse. Ich weiß auch noch warum. Meilo hatte zuvor unter der Decke was ziemlich Unanständiges mit seiner Hand veranstaltet und mich dabei so unschuldig wie ein Kleinkind angeschaut. "Das ist schön", sagt er und kuschelt sich an mich.

"Stimmt."

"Obwohl ich da ein leichtes Doppelkinn habe."

"Red nicht!" Der Spinnt doch! "Immer hast du was auszusetzen." Hat er tatsächlich. Bei jedem Foto sagt er, das ist nicht gut, oder jenes ist aus dem falschen Winkel aufgenommen. Liegt wahrscheinlich an seinem Beruf. Immer muss er gut aussehen, dabei ist es doch ganz logisch, dass man nicht wie gephotoshopt aussieht, wenn man im Bett liegt und eben erst aufgewacht ist. Obwohl Meilo in meinen Augen jedes Mal einfach nur perfekt aussieht. "Du bist total fotogen. Guck mich dagegen an. Da schiele ich sogar!" Echt jetzt.

"Hihi. Dein kleiner Silberblick."

"Silberblick?!" Ich dachte, das würde nicht mehr auffallen. Als Kind musste ich eine Brille tragen, wobei eins der Gläser abgeklebt war. Gebracht hat es nur bedingt was, und anscheinend kommt das noch heute raus. Manchmal. Nicht oft, aber immer öfter.

"Ich finde das unheimlich putzig", gackert Meilo und küsst meine Nasenspitze.

"Tzäh!" Ich hasse es, es zuzugeben, aber meine Wangen werden warm. Meilo findet mich putzig.

Innerlich schüttle ich über mich selbst den Kopf, doch was will ich machen? So ist das eben, wenn man verliebt ist, und das bin ich. Ich bin verliebt und glücklich! Der pure Wahnsinn!
 

******

Love bite 12 - Über Esel und anderes Getier

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 12 - Über Esel und anderes Getier (Ohne Adult)

Guten Morgen alle zusammen ^^
 

Tut mir wirklich leid, dass das nächste Kapitel heute erst kommt, aber ich bin übers letzte Wochenende kurzentschlossen mal weggefahren. Ich bin sogar am Herkules vorbeigefahren xD Leider hatte ich keine Zeit ihn zu besuchen, aber ich habe ihm von der Autobahn aus zugewunken, als ich im Stau gestanden habe. *ggg*

Und weil ihr letzte Woche nur ein Kapitel von mir bekommen habt, wird es euch sicher freuen zu hören, dass es diese Woche ein paar mehr sein werden ^^
 

Liebe Grüße und viel Spaß euch beim Lesen

Eure Fara ^^
 


 

Love bite 12 - Über Esel und anderes Getier (Ohne Adult)
 

"Und du bist dir sicher?"

"Bin ich." Na wenn das so ist, dann will ich ihm sicher nicht reinreden. "Fertig! Gehen wir!" Meilo strahlt mich unternehmungslustig an.

Ihm geht es schon viel besser. Das hat man schon gestern gemerkt, aber seit heute Morgen ist er gar nicht mehr zu bremsen, was mich freut, keine Frage, doch ich bin und bleibe der Meinung, dass er sich noch ein bisschen schonen sollte. Davon will der werte Herr allerdings nichts hören. Mit großem Appetit verschlang er das üppige Frühstück, das ich uns wieder aufs Zimmer hab kommen lassen, und verschwand danach im Bad. Eine geschlagene Stunde verbrachte er darin, duschte, zupfte, rasierte, pedikürte und was weiß ich noch alles. Als er aus dem Bad kam, wurde ich fast blind, so gestrahlt hat er. Tut es noch, denn in seiner engen Jeans und dem engen Shirt ist er mehr als nur zum Anbeißen.

Gerade sitzt er auf dem Bett und schlüpft in seine Schuhe. Schwere Boots, die zwar gut aussehen, aber für das warme Wetter draußen eher unpraktisch. "Willst du die wirklich anziehen?"

Meilo hält in der Bewegung inne und sieht zu mir auf. "Ja, will ich."

"Ich meine ja nur", brummle ich. "Nicht, dass dir die Füße nachher qualmen."

Mein Schatz grinst, bindet sich die Schuhe zu und steht auf. Schmunzelnd greift er meine Hände und sieht mich amüsiert an. "Warme Füße sind doch gut, wenn man erkältet war." Da muss ich ihm beipflichten. "Wollen wir endlich los? Ich bin gespannt auf den Esel."

"Echt? Der steht doch vor dir", scherze ich und kassiere einen Kuss dafür. "Mehr ..."

"Jetzt nicht. Ich will endlich raus!" Und schon stehe ich alleine vorm Bett. "Nic?!"

"Komme!" So was. Erst anmachen, dann abhauen. Das bekommt er nachher zurück!
 

Vor dem Hotel studiert Meilo die Karte mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Auf einem extra Zettel hat er aufgeschrieben, wo wir aussteigen müssen. Nur den Weg dorthin muss er noch raussuchen. "Wir müssen zum Marktplatz", erklärt Meilo. "Da können wir auch was zu Mittag essen und shoppen." Ich seufze. Shoppingtour. "Guck nicht so! Das macht doch Spaß." Er wackelt mit seinen Augenbrauen auf und ab. Ich ahne, was er im Sinn hat.

"Das werden wir noch sehen", raune ich ihm zu und zupfe ihm den Stadtplan aus der Hand.

"Hey! Gib ihn wieder her!"

"Nix da. Ich weiß schon, wie wir fahren müssen."

"Ach ja?"

"Ja." Das ich den Weg schon ausgekundschaftet habe, als er im Bad verschollen war, verrate ich nicht. Das bleibt mein Geheimnis.
 

***
 

In der Straßenbahn war es stickig. Ich bin froh, endlich dort raus zu sein, auch wenn wir jetzt in der prallen Sonne stehen. Hauptsache Luft! "Ich verneige mich ehrfürchtig vor Ihnen." Meilo legt seine rechte Hand auf den Bauch und deutet eine Verbeugung an. "Wie schnell und sicher Sie uns an unser Ziel gebracht haben, bringt mich zum Staunen."

"Tja", antworte ich gestelzt. "Nichts geht über meine schnellen Kartenlesekünste."

"Angeber." Er wagt es doch tatsächlich, mir die Zunge herauszustrecken. Das kommt alles auf meine Merkliste für nachher.

Gemütlich schlendern wir los und laufen über den großen Marktplatz. "Willst du zuerst zu den Bremer Stadtmusikanten?", frage ich ihn.

"Natürlich! Das gehört doch zum Pflichtprogramm." Ich bleibe stehen und studiere den Stadtplan. "Und, Herr Stadtführer? Wohin geht's?"

Ich drehe mich um. "Da rüber. Dann müssten wir direkt davor stehen."

"Nach Ihnen." Meilo winkt mich mit der Hand voran. Wir marschieren über die Gleise auf das Rathaus zu und laufen an ihm entlang. "Wo stehen die denn?", fragt Meilo ungeduldig.

Ich bleibe stehen. "Genau da." Ich deute nach rechts.

"Oh." Mein Schatz macht große Augen. Tja, ich bin eben doch der Super-Kartenleser. "Irgendwie habe ich mir die größer vorgestellt", meint er und stellt sich davor.

"Noch größer?" Ich finde die aufeinandergestapelten Viecher eigentlich ziemlich groß. "Ich dachte, sie wären kleiner."

Meilo lacht leise und lehnt sich an mich. "Fotos?" Da sage ich doch nicht nein, obwohl ich nicht so arg scharf drauf bin, mich mit einem Esel im Hintergrund ablichten zu lassen, aber sei's drum. Meilo überstrahlt sowieso alles und jeden. (Ich glaube es nicht, wie kitschig sich das eben angehört hat!)

Alldieweil stellen wir uns vor die Statue der Bremer Stadtmusikanten, halten uns im Arm und versuchen unsere Köpfe irgendwie mit aufs Bild zu bringen, sodass man auch den Hahn ganz oben erkennen kann. "Pfff ..."

"Was denn?" Meilo zappelt vor der Kamera auf und ab, während ich mir ein Lachen nicht verkneifen kann.

"Nichts", winke ich ab.

"Sag schon."

"Ich dachte eben nur, jetzt mache ich schon wieder ein Foto von einem Cock ..."

"Nic!" Wamm! Meilos Ellenbogen landet in meiner Niere.

"Au!" Zugegeben, ich hab's verdient. Das ist jedoch noch lange kein Grund, mir die Niere zu Brei zu schlagen.

"Du bist schlimm", werde ich angeranzt. Klick! Das Foto ist bestimmt nichts geworden. Und wie vorausgesagt: Ich verziehe schmerzhaft das Gesicht und Meilo straft mich mit einem Stirnrunzeln.

"Das machen wir anders," bestimme ich, das Kommando erneut in der Hand. Ich ziehe Meilo herum. Nun stehen wir seitlich an der Statue und nicht mehr davor. "Runter in die Hocke." Er gehorcht mir und siehe da "Alles drauf!" Überlegen grinse ich meine Schatz an und präsentiere ihm das Foto.

Meilo schüttelt den Kopf und schaut mich ernst an. "Ich fasse es nicht", keucht er. "Du bist wirklich ein Foto-Perversling."

"Hä?" Wie meint er das denn jetzt wieder?

"Na da." Er tippt auf das Bild. "Du hast einen Cock auf deinem Kopf." Nun sehe ich es auch!

Mir klappt die Kinnlade runter. "Das habe ich gar nicht gesehen!" Und dabei achte ich doch sonst immer auf jede Kleinigkeit! Meilo kringelt sich vor lachen. Er soll nur aufpassen, dass er nicht nach hinten kippt, und sich am Sockel der Statue den Kopf anschlägt. "Hör auf! Los! Nochmal."

"Neee!", kichert er und steht auf.

"Hey! Bleib hier! Lass uns ein neues Foto machen!" Meilo rennt einfach weg!

"Wieso? Ist doch gut geworden!", gackert er und flattert davon.

Rooooaaar! Ich schwöre dir Meilo, das bekommst du heute Nacht dreimal zurück!
 

Ich springe auf und eile ihm hinterher. Weil er immer noch lacht, sich sogar den Bauch dabei tätschelt, habe ich ihn schnell eingeholt. "Du bist ein Fiesling!", grante ich Meilo an und halte ihn an seinem Shirt fest, damit er mir nicht wieder stiften geht. "Nur noch ein Foto. Bitte ..." Ich schiebe die Unterlippe vor.

"Nachher ... Vielleicht." Wie gemein! "Ich habe Hunger und vor allem Durst." Er nickt Richtung Café. Sieht einladend aus. Und ein Plätzchen im Schatten wäre jetzt wirklich nicht schlecht. "Wie wäre es mit einer Pause?"

"Sag bloß, dir qualmen die Füße", necke ich ihn.

"Ich geb dir gleich qualmen." Er ergreift meine Hand und schleift mich hinter sich her. Nachher wird auch etwas qualmen, mein Lieber ...

Wir ergattern einen recht netten Platz draußen vor dem Café und warten auf eine der Bedienungen, die alle Hände voll zu tun haben. Bei dem Wetter wimmelt es vor lauter durstigen Gästen. Eher gelangweilt blättere ich in der kleinen Karte herum. Ich weiß schon was ich bestellen möchte, aber gucken schadet ja nichts. "Wie lange bleibst du eigentlich?", fragt mich Meilo. Er durchforstet ebenfalls das Angebot.

"Bis du weiterreist."

"Echt?" Ich nicke. "Dann haben wir noch zweieinhalb Tage für uns", rechnet er aus und lächelt dabei selig. "Wie schön."

"Finde ich auch." Ich kann mich gar nicht mehr auf die Karte konzentrieren. Wenn wir jetzt allein wären, dann ...

"Hallo guten Tag. Was darf ich euch denn bringen?" Und wieder ein verflogener Zauber des Augenblicks.

Ich bestelle zuerst, dann Meilo. Die Bedienung ist so schnell wieder weg, dass ich schwören könnte, kleine Kondensstreifen hinter ihr herzischen zu sehen. "Was für ein schöner Tag", seufzt Meilo und streckt sein Gesicht in die Sonne.

"Dem kann ich nur zustimmen." Jeder Tag, den ich mit Meilo verbringen kann, ist ein schöner Tag. Auf die Gefahr hin, wieder in den Kitsch abzudriften, aber so ist es nun mal. Mit ihm sind sicher auch Regentage wunderschön, oder Hagelwetter, Sturmböhmen und Schneekatastrophen. Hauptsache wir sind zusammen. Das nagende Gefühl in mir, ihn am Sonntag wieder verlassen zu müssen, trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht.

Wie soll das weitergehen? Solange ich keinen Job habe, wird es kein großes Problem sein, ihm wieder hinterherzufahren, solange es meine Kasse zulässt, aber was, wenn ich das nicht mehr kann, weil ich von morgens bis abends arbeite?

Wie einfach es doch war, einen Freund in der selben Stadt zu haben. Nicht, dass ich meinen Ex vermisse, aber wie schön wäre es doch, wenn Meilo wenigstens in meiner Nähe wäre ...

"Nic?"

"Hm?" Ich war ganz in Gedanken versunken. Das hat auch Meilo bemerkt.

"Träumst du mit offenen Augen?"

"So ähnlich", gebe ich zu und übe Serviettenfalten.

"Denk dran. Noch zweieinhalb Tage. Zweieinhalb Tage nur für uns." Überrascht schaue ich ihn an. "Schätze, wir haben über das Gleiche nachgedacht." Meilo schmunzelt und legt den Kopf schief. "Und die paar Monate bekommen wir schon irgendwie rum."

Ich nicke schwach. Das werden wir. Irgendwie. "Und danach?", frage ich ihn. "Was machen wir dann? Du lebst in Berlin, ich vielleicht immer noch bei meinen Eltern. Außerdem habe ich bis dahin vielleicht auch eine Arbeitsstelle und kann nur an den Wochenenden zu dir."

"Dann komme ich die Woche über eben zu dir." Er grinst mich an. Veräppelt er mich gerade?

"Und dein neuer Job, den du in Planung hast?"

"Schreiben und komponieren kann ich doch auch bei dir." Er zuckt mit den Schultern. "Na ja ... oder ich ziehe ganz zu dir … oder du zu mir, falls das Arbeitstechnisch bei dir funktionieren würde." Nervös beißt er sich auf die Unterlippe. Seine Augen irren verlegen vom Tisch zu mir und wieder zurück. Moment mal! Heißt das etwa, er will, dass ich mit ihm zusammenziehe? "Könnte ja auch sein, dass du jemanden in der Nähe von Berlin findest, der dein Programm möchte", setzt er nach, und ich bin mir absolut sicher: Das war ein Angebot! Er will mit mir zusammenziehen! "Und falls nicht, ich muss mir bis Januar sowieso eine neue Bleibe suchen, da die meine jetzige Wohnung der Plattenfirma gehört, also würde es sich anbieten. … Also gleich zusammen eine Wohnung zu suchen, meine ich."

Ich starre Meilo an und weiß im ersten Moment nicht, was ich sagen soll, da rauscht auch schon die Bedienung herbei und knallt unsere Bestellungen auf den Tisch. Als sie wieder abgerauscht ist, nippt Meilo unsicher an seiner Cola. "War das ein Angebot?", frage ich ihn leise. "Eins zum Zusammenziehen?"

Meilo stellt das Glas ab und räuspert sich. "Wenn du magst", antwortet er und sieht mich an. "Zu früh, um so etwas zu bereden?"

Ich atme tief ein und trinke ebenfalls einen Schluck. "Vielleicht." Meilo nickt sichtlich betrübt. "Es ist nicht so, dass ich noch nicht darüber nachgedacht hätte. Wie es dann mit uns weiter geht und so was, aber im Moment ist bei mir alles in der Schwebe."

"Das weiß ich."

"Ich muss erst Geld verdienen, bevor ich mir eine Bleibe suchen kann, verstehst du?"

"Tue ich."

"Und es könnte auch sein, dass ich dann weiter weg muss. Nach Süddeutschland, oder so."

"Könnte passieren."

"Und wenn du dann weiter in Berlin arbeitest, dann können wir ja schlecht eine Wohnung zusammen nehmen. … Dann blieben uns wieder nur die Wochenenden." Gott! Was für eine Horrorvorstellung! Weiterhin von Meilo getrennt bleiben!

"Nic? Du musst dich noch nicht entscheiden." Ich runzle die Stirn. "Das klang gerade so, als wolltest du dich herausreden." Tat es das?

"Tut mir leid. Ich habe laut nachgedacht", entschuldige ich mich für meinen Redeschwall. In Wahrheit wollte ich mir damit Zeit zum Nachdenken verschaffen. Ich kann mir natürlich schon mehr als gut vorstellen, längerfristig bei ihm zu sein. Aber gleich eine gemeinsame Wohnung suchen und zusammenziehen?

"Wir haben ja noch ein paar Tage Zeit", meint Meilo. "Wir können in ein, zwei Monaten ja mal weitersehen." Ich mag mich irren, aber hört sich Meilo ein wenig enttäuscht an?

"Wie wäre es, wenn wir erst einmal testweise zusammenwohnen?", schlage ich vor. "Ich könnte ganz schnell alles Wichtige einpacken, und zu dir düsen." Kann ja auch Urlaub nehmen, falls ich Arbeit habe.

Meilo beginnt zu lächeln. "Willst du das wirklich?"

"Wieso nicht?"

"Und wenn du eine Stelle als Programmierer bekommst?"

"So weit ist es ja noch nicht. Und zum Programmieren brauche ich meist sowieso bloß meinen Laptop und meine Notizen. Das kann ich zum Glück überall mit hinnehmen. Auch mit in deine Wohnung, solange du Internet hast."

"Welche Wohnung hat denn heutzutage kein Internet?", grinst Meilo.

"Stimmt", lache ich und fühle mich erleichtert. Nicht wegen des Internetanschlusses. Ich bin froh, dass wir uns einig sind, ohne gleich eine Umzugsfirma zu bestellen.

"Wird nur etwas kniffelig, wenn ich bis dahin keine neue Bleibe habe."

"Wann musst du den aus deiner jetzigen Wohnung raus?"

"Bis zum zweiten Januar." Oha! "Aber wozu gibt es Hotels." Meilo grinst schief.

"Stimmt. An Hotels dürftest du dich mittlerweile gewöhnt haben." Er verzieht das Gesicht. "Nicht?" Kopfschütteln. "Ist es nicht toll, vom Zimmerservice alles zu bekommen, was man sich wünscht?" War schon ein super Ding, mit dem Zimmerservice gestern. Und so praktisch.

"Es gibt Besseres", meint Meilo.

"Was denn zum Beispiel?"

"Zum Beispiel morgens in seinem Zuhause im eigenen Bett aufzuwachen." Hm … Verstehe. "Seinen Liebsten neben sich zu haben. Mit ihm den Tag zu beginnen, ohne Zeitdruck, nur wir beide …"

"Das hört sich wirklich besser an, als jeder Zimmerservice", finde ich und stelle mir das alles prompt vor. Natürlich mit Meilo und mir. Eine Vorstellung, die mir mit jeder Sekunde besser gefällt.

"Es mag sich für dich wahrscheinlich total verrückt anhören, weil wir uns noch nicht so lange kennen, aber für mich würde es nichts schöneres geben, als irgendwann mit dir zusammen zu wohnen."

"Nein. Das hört sich nicht verrückt an", sage ich zu Meilo und schaue ihn lächelnd an. "Aber würdest du wirklich für mich in eine ganz andere Stadt ziehen wollen?"

"Für dich würde ich noch viel mehr machen", flüstert er und schiebt unauffällig seine Hand auf meine.

Mein Bauch fängt Feuer. Wenn ich nicht aufpasse, gehe ich gleich komplett in Flammen auf!
 

***
 

"Kann es sein, dass du Shoppingsüchtig bist?"

"Ach was!", lacht Meilo. "Ich nutze es bloß aus, dass ich heute einen fleißigen Träger bei mir habe."

"Na klasse", keuche ich unter der Last der Tüten, die Meilo mir nach jedem Besuch in einem der Geschäfte in die Hand drückt. Fairerweise muss ich gestehen, er trägt auch welche. "Können wir nicht eine Pause machen?"

"Schon wieder? Wir haben doch eben erst eine gemacht."

"Das war vor einer Stunde! Meine Füße tun weh und ich habe Durst."

"Jetzt quengle doch nicht gleich. Da hinten ist eine Eisdiele. Möchtest du was?"

"Bin ich ein Kleinkind?" Will er mich mit läppischen Eis ruhigstellen?

"Du hörst dich jedenfalls so an." Wamm! Volle Breitseite. Eingeschnappt bleibe ich stehen. Meilo läuft noch ein paar Schritt weiter, dann bemerkt er, dass etwas fehlt. Sein Packesel. "Kommst du?"

"Ich will kein Eis." Meilo legt den Kopf schief und seufzt. "Ich will was anderes."

"Und was?"

Ich schaue mich um. "Das kann ich dir hier nicht sagen." Dafür kann ich ihn allerdings vielsagende Blicke zusenden.

"Erst, wenn wir fertig sind mit einkaufen. Hopp!"

"Sklaventreiber", murmle ich in meinen nicht vorhandenen Bart.

"Das habe ich gehört!"

"Schön!" Und wieder verschwindet Meilo in eins der Geschäfte. "Womit habe ich das verdient?"
 

Langsam schlurfe ich ihm nach. Wenigstens ist der Laden klimatisiert. Und hinten in der Ecke sehe ich eine kleine runde Sitzgelegenheit stehen. Meins! Ich rase darauf zu und stöhne erleichtert auf, als ich meine müden Füße von mir strecken kann. Die Tüten landen vor mir auf dem Boden. Von mir aus kann Meilo jetzt in aller Ruhe den gesamten Laden aufkaufen. Solange die den ganzen Kram ins Hotel liefern, versteht sich. Sonst muss ich mir noch den Esel leihen, der am Rathaus unnütz herumsteht. Denn dieser zweibeinige Esel hier, der ist müde und launisch. Es fehlt nicht viel, und ich fange an zu bocken.

"Nic?" Och nee!

"Ja?"

"Komm doch mal."

"Keine Lust." Aus den Regalreihen taucht Meilos Kopf auf. Das bringt mich zum Lachen. "Was ist denn?", kichere ich. "Bist du unter einem Haufen Klamotten verschütt gegangen?"

Meilo stürzt die Lippen. "Nein. Trotzdem brauche ich deine Hilfe." Dann will ich mal nicht so sein.

Alle Tüten wieder eingesammelt, schleppe ich mich zu meinem kaufsüchtigen Popsänger. "Wozu benötigst du meine Hilfe?", frage ich ihn, als ich hinter ihm stehe.

"Hierfür." Er dreht sich um und präsentiert mir zwei sehr delikate Stöffchen. Unterwäsche! Und was für welche!

Ich stutze und schaue mich mal genauer in dem Laden um. "Wir sind ja in einem Unterwäscheladen", stelle ich verwirrt fest.

"Das fällt dir erst jetzt auf?"

"Ja", gestehe ich. Meilo grinst sich einen ab. "Hab eben nicht drauf geachtet!" Bei so vielen Läden in denen wir heute schon waren, ist das auch kein Wunder. Auserdem hatte ich nur Augen für die Sitzgelegenheit.

"Ist ja schon gut. ... Und? Welcher gefällt dir besser?"

"Kann ich nicht sagen. Die musst du erst anprobieren." Meilo boxt mir gegen die Brust.

"Nicht, bevor ich die hab waschen lassen." Kann ich verstehen. "Nun?"

Ich lasse die Tüten wieder fallen und unterziehe beide Höschen einer ausgiebigen Untersuchung. Dabei fällt mein Augenmerk auf ein Höschen, das neben uns im Regal liegt. "Der hier wäre auch nicht schlecht", lache ich und zeige drauf.

"Kiss the Cock?" Meilo lässt eine Augenbraue nach oben hüpfen. "Also falls es zwischen uns mal so weit kommt, und ich dir das noch extra auf den Schlübber schreiben muss, dann lege ich Beschwerde ein."

"Ich schwöre dir, so weit lasse ich es erst gar nicht kommen."

"Sehr beruhigend", grinst Meilo. "Dann sag mir endlich, welchen der beiden du lieber an mir sehen würdest." Er wedelt mit den vorher ausgesuchten Slips.

"Na schön. Dann wähle ich den da", entscheide ich, und halte den roten Jock empor.

"Wieso wusste ich das schon vorher?", schmunzelt mein Schatz.

"Weil du hellsehen kannst", raune ich ihm zu und drängle ihn gegen das Regal neben uns.

Keiner in Sichtweite. Ungeachtet der Tüten in meinen Händen, schnappe mir seine Handgelenke und halte sie fest. "Was wird das?"

"Nach was sieht es denn aus?" Ob es hier Umkleiden gibt? Das gilt es doch sofort herauszufinden. Aber vorher mopse ich mir noch einen Kuss von meinem süßen Meil"Ohh!" Beinahe wäre ich gegen das Regal gefallen, weil Meilo sich plötzlich von mir weggedreht, und seine Handgelenke aus meinem Griff gezogen hat. "Was ...?"

"Meilo! Was machst du denn hier?" Somit hat sich meine Frage erledigt. Niklas!

Aufgeregt wie ein flatterndes Huhn stürmt er den Unterwäscheladen und hält geradewegs auf uns zu. Mir platzt gleich der Kragen! Der hat mir gerade echt gefehlt! "Niklas ... Hey. Was für eine Überraschung." Meilo scheint ebenfalls nicht glücklich über diese miese Zufallsbegegnung zu sein.

"Du gehst einkaufen? Ist das nicht zu Beschwerlich für dich in deinem Zustand?" Unbarmherzig werde ich zur Seite gedrängt. Knilch-Niklas schiebt sich zwischen Meilo und mich. Giftzwerg! "Du sollst dich doch ausruhen."

"Ich musste mal raus", verteidigt sich Meilo. "Es geht mir schon besser."

"Das kann ich nur bestätigen", mische ich mich ein, aber der Knilch beachtet mich gar nicht.

"Hätte ich das gewusst, hätten wir zusammen shoppen können." Schmollt der Knilch jetzt etwa?

"Das war eine spontane Idee." Meilo lächelt verkniffen. Rechtfertigt er sich gerade bei Knilch-Niklas? Ich muss mich wirklich zusammenreißen, dass ich keinen Ton sage.

"Wo warst du schon überall? Ich wollte noch ins Karstadt. Kommst du mit?" In meinen Ohren pfeift es laut. Nicht aufregen Nic! Es lohnt sich nicht.

"Eher nicht", winkt Meilo ab. "Ich will wieder ins Hotel. Nicht, dass ich noch einen Rückschlag bekomme." Ich liebe dich Meilo!

"Dann gehe ich mal mein Höschen bezahlen." Triumphierend wedle ich mit Meilos rotem Jock, schnappe die Tüten und begebe mich zur Kasse. Nichts wie weg hier! Weg von diesem Störenfried.

Eine weitere Tüte geht in meinen Besitz über. Meilo und der Knilch sind schon vorn am Ausgang. Fast sieht es so aus, als wollte Niklas schnell abhauen, damit ich alleine zurückbleibe, und ich verwette meinen Hintern darauf, dass er genau das vorhat. So nicht mein Freund! Kurz bevor sie draußen sind, dreht sich Meilo jedoch um und wartet auf mich. Genervt bleibt der Knilch neben ihm stehen, während mein Schatz mir eine stumme Entschuldigung sendet.

Ich atme einmal tief durch. Meilo kann ja nichts dafür. Deshalb schraube ich meine Wut runter und lächle ihn an. "Auf zum Hotel", flüstere ich ihm zu und freue mich schon riesig darauf, endlich die Tüten los zu sein und vor allem mit Meilo die lang ersehnte Zweisamkeit genießen zu können. "Bye Niklas. Man sieht sich." Oder auch nicht, du Pimpf!

"Ach weißt du was Meilo? Ich komme mit. Meine Füße tun weh und ich könnte einen Snack gebrauchen." Was?! Der will mit? "Beeilen wir uns. Die Bahn kommt gleich." Ganz ruhig Niclas. Nicht aufregen. Nur nicht aufregen.
 

Natürlich ist die Straßenbahn vollgestopft gewesen. Mit den vielen Einkaufstüten kam ich mir vor, als hätte ich Überbreite und musste mich schwer schnaufend zwischen den Fahrgästen hindurchzwängen. Dazu noch Niklas' ständiges Geplapper und Meilos leidvolle Blicke. Es war fast nicht zum Aushalten.

Im Hotel wurde es auch nicht besser. Niklas folgte uns auf dem Fuße und nun sitzt er auf der Couch in Meilos Suite und labert und labert und labert. Ich bin kurz davor, ihn mit einem der Sofakissen zu ersticken. So kurz, sage ich euch!

"Ich freue mich echt schon auf den nächsten Auftritt! Wenn man so lange Pause hat, wird es einem ganz schön langweilig." Der arme Knilch! Das ist aber noch lange kein Grund, uns zu nerven. Der Tag rinnt beständig dahin, und er belagert meinen Meilo! Wo wir sowieso schon so wenig Zeit für uns haben. Ich dreh gleich durch!

Das geht so nicht weiter. Ich muss hier raus. Das Geschwätz kann ich mir nicht länger antun. "Ich bin mal unten, mir etwas zu Trinken holen", erkläre ich und stehe auf. "Bis nachher." Ich spüre Meilos Blicke in meinem Rücken. Ebenso die des Niklas-Knilches. Wetten, er macht in Gedanken Freudensaltos, dass ich das Feld räume? Ach, soll er doch! Von mir aus soll er auch versuchen, sich an Meilo ranzumachen. Bitte. Wenn's schön macht. Ich vertraue Meilo, und auch wenn es mir nicht schmeckt, dieser Knilch ist Meilos Freund. Gönne ich ihnen ein paar Minütchen zum Plauschen.

Unten in der Lobby nicke ich dem Typen hinter der Rezeption zu. Es ist der Selbe, wie an dem Abend, an dem ich hier angekommen bin. Er grinst. Ich grinse zurück. Doch nur kurz, daraus soll nämlich kein Flirt werden. Ich will nur nett sein.

Draußen in der Sonne bleibe ich stehen und schaue nach rechts den Gehweg entlang. Nichts Aufregendes in Sicht. Links sieht die Sache schon anders aus. Ganz weit vorn kann ich eine Tankstelle ausmachen. Dann latsche ich da mal hin, lungere dort etwas herum, kaufe mir was zum Knabbern und zu Trinken, und latsche wieder zurück zum Hotel. Währenddessen checke ich meinen E-Mail Account, der mir jedoch nichts Neues anzeigt. Keiner, der mir einen gut bezahlten Job anbietet, und der mir ansonsten alle Freiheiten lässt, um mit Meilo durch Deutschland zu turnen, bis wir uns ein kleines Nest schaffen können. Ein gemeinsames, gemütliches Nest. Nur wir beide ...

Meine Laune steigt wieder an wenn ich darüber nachdenke. Eigentlich ist es egal, was in Zukunft passiert. Meilo will mich bei sich haben, und ich ihn auch bei mir. Wenn ich da an meinen Ex zurückdenke ... Ja, ich weiß. Ich sollte die zwei nicht miteinander vergleichen, doch das tut man ganz automatisch. Jedenfalls war es ein langes Hin und Her mit ihm, bis er sich dazu durchgerungen hatte, mich bei sich wohnen zu lassen. Nicht, dass ich ihn dazu gedrängt hätte, aber es war einfach praktischer gewesen. Aber egal jetzt! Vergangen und vergessen.

Im Tankstellenshop durchstreife ich die Regale, kralle mir Chips, Schokolade und einen Sixpack Dosenbier. Darauf habe ich jetzt echt mal Lust. Ungesunder Knabberkram und Bier. Yummie! Ich gehe damit zur Kasse und stelle mich in die Schlange. Ganz schön was los hier. Mittelmäßig gut gelaunt, überfliege ich desinteressiert das Zeitungsregal. Und siehe da. Keith Kandyce. Ich beiße mir auf die Unterlippe und schaue weg. Daran werde ich mich nie gewöhnen, glaube ich. Überall taucht mein geschminkter Meilo auf. 'Bald nicht mehr. Dann habe ich ihn für mich alleine.' Und siehe da, meine Laune steigt wieder.
 

***
 

Eigentlich habe ich gehofft, Knilch-Niklas wäre gegangen, wenn ich wieder in der Suite bin, doch da habe ich falsch gehofft. Kaum drinnen, höre ich seine nervige Stimme. Und das was ich höre, lässt mich regungslos innehalten. "Ich weiß nicht", quäkt er. "Der kommt mir komisch vor." Ich muss nicht lange raten, wen er mit DER meint.

Leise schließe ich die Tür, damit keiner der beiden mitbekommt, dass ich wieder da bin. "Wenn du ihn kennenlernst, wirst du sehen, dass er ein ganz wundervoller Mensch ist", antwortet ihm Meilo mit seiner sanften Stimme. Mir wird ganz warm ums Herz.

"Irgendwas ist faul an dem." Boshafter Knilch! Das sagt er bloß, weil er hinter meinem Schatz her ist. Hinterhältige Schlage. Nur gut, dass Meilo darauf nicht reinfallen wird.

"An ihm ist nichts faul." Meilo lacht auf. "Im Gegenteil." Du dreckiges Luder! Ich will dich! Sofort!

"Wie meinst du das?" Knilch-Niklas horcht auf. Oh oh. Meine schmutzigen Gedanken verpuffen so schnell, wie sie gekommen sind. Ahnt er was? "Hast du was mit ihm?" Shit!

Hektisch öffne ich die Tür wieder und schlage sie laut zu. "Bin wieder daha!", rufe ich in die Suite hinein und eile Meilo zur Hilfe. Ablenkungsmanöver geglückt, würde ich sagen, denn Knilch-Niklas glotzt doof aus der Wäsche, während Meilo dankbar ausatmet. "Möchte jemand ein Bier?" Ich wedle mit dem Sixpack und werfe die Chips samt der Schokolade auf den Couchtisch.

"Bier? Wo hast du das den her?" Knilch verzieht das Gesicht. Smogalarm.

"Von der Tanke", antworte ich überheblich. "Frisch gezapft."

"Wäh!" Gleich schiebe ich ihm eine Dose in den Arsch, wenn er sich weiter so widerlich verhält.

"Ich nehme eins", sagt Meilo und winkt mit seinen Fingern. Ich reiche ihm eins und quetsche mich, wie sonst immer der Knilch, zwischen die beiden. Ab jetzt ignorierst du mich nicht mehr, mein 'Freund'.

"Reichst du mir bitte die Chips?" Mit einem lieben Augenaufschlag sehe ich den Knilch an. Widerwillig gibt er sie mir. "Danke. ... Auch welche?"

"Die machen fett", grantet er.

Ich zucke mit den Schultern. "Ich kann's mir leisten." Bamm! Mitten in die Fresse! Nimm das!

"Ansichtssache." Huuuh! Jetzt wird er zickig.

"Haargenau." Genussvoll landet eine Ladung Chips in meinem Mund, die ich mit dem Bier hinunterspüle.

Meilo grinst sich einen und greift ebenfalls in die Tüte. Nicht ganz so gierig wie ich, aber trotzdem: Noch eins in die Fresse, du Knilch! ... Ich denke, langsam aber sicher, verhalte ich mich kindisch. Aber er hat angefangen! Wie gut, dass ich im Zickenkrieg hervorragend ausgebildet wurde. Nicole sei Dank. Deswegen weiß ich auch nur zu gut, wie man den anderen richtig schön auf die Palme bringen kann: Ignorieren.

Ich schaue Meilo an und zeige Knilch die kalte Schulter. "Weißt du, was wir vergessen haben?", frage ich meinen Schatz.

"Was denn?"

"Ich wollte noch ein schöneres Foto von den Stadtmusikanten." Anstatt Stadtmusikanten hätte ich beinahe von deinem Cock gesagt. Ich konnte es mir aber gerade noch verkneifen.

"Das, was du gemacht hast, ist doch schön", grinst Meilo.

"Das findest auch nur du. Dir scheißt ja auch kein Gockel auf den Kopf." Meilo lacht und mopst sich noch ein paar Chips.

"Ich sage besser nichts dazu." Brauchst du nicht, Schatz. Deine Blicke sagen schon alles. Mehr als das. Ich muss an das kleine Nichts denken, dass ich vorhin gekauft habe. Wäre der Knilch nicht da, würde ich Meilo das Teil sofort anziehen, nur um es ihm bald darauf wieder vom Körper zu kauen ... Scheiße! Warum verschwindet der nicht endlich?!

"Ich war noch gar nicht bei den Stadtmusikanten", teilt uns der Knilch mit. Will das einer wissen? "Wir könnten morgen doch noch mal dort hin gehen." Noch nicht mal, wenn die Hölle zufriert, du Parasit! "Und am Bremer Loch war ich auch noch nicht."

"Loch?!" Da horche ich doch auf. Ein Loch ... Wie verführerisch. Ist das breit genug, um den Knilch dort hineinzuschubsen? Und vor allem auch tief genug?

"Nicht das was du denkst", schmunzelt Meilo. Ich hebe eine Augenbraue. Ich bin mir sicher, Meilo ahnt noch nicht mal, was ich bei dem Wort Loch gedacht habe! "Das ist eine Spendenbox, die in den Boden eingelassen ist. Sie soll sogar was abspielen, wenn du Geld rein wirfst." Noch nie was von gehört.

"Da will ich unbedingt hin!", ruft Knilch begeistert. Dann geh doch. Husch! Kannst die ganze Nacht da bleiben. Oder die ganze Woche. Oder besser noch, das ganze übrige Jahr.

"So dringend muss ich mir das nicht anschauen." Ich zucke mit den Schultern. "Wenn ich will, dass Musik ertönt, wenn ich was in ein Loch stopfe, dann kann ich das auch ohne Spendenbox", grinse ich anzüglich. So! Bitte Meilo. Da hast du deinen anzüglichen Lochwitz.

"Bist du vulgär", spuckt der Knilch neben mir.

"Oh Entschuldigung. Ich wusste nicht, das Heten anwesend sind." Natürlich weiß ich, dass Knilchilein keine Hete ist. Aber es macht mir langsam Spaß, ihn zu provozieren.

"Wer sagt denn, dass welche da sind?" Seine Schweinsäuglein fixieren mich provokant.

"Du bist gay?", frage ich ihn höchst überrascht klingend. "Meint man gar nicht." Da bleibt ihm anscheinend die Spucke weg. Soll ich noch eins oben drauf setzen? Wieso nicht? Vielleicht trollt sich der Knilch dann endlich von hier.

Lässig drehe ich meinen Oberkörper zu ihm herum, stütze meinen Ellenbogen auf die Rückenlehne der Couch und lege den Kopf auf meine Hand. Süffisant grinse ich ihn an. "Interessant … Hätte ich das vorher gewusst", raune ich ihm zu und klemme mir das Bier zwischen die Beine. Möglichst nahe an meinem Schritt, doch so, dass mir mein Freudenspender nicht abfriert. Innerlich jubelnd schaue ich zu, wie Knilch zu schlucken beginnt.

Meilo stupst mir mit einem Finger in den Rücken. Soll ich etwa damit aufhören, Knilchilein schöne Augen zu machen? Das brauche ich aber erst gar nicht, denn plötzlich steht er auf, räuspert sich und wischt sich unruhig die Hose glatt. "Ich geh dann mal wieder. Hab noch was vor", brabbelt er. "Man sieht sich. Bye."

"Bahaii!", rufe ich ihm hinterher. Als die Tür ins Schloss fällt, patscht mir Meilo mit dem Handrücken ins Kreuz. Nicht fest, versteht sich. Ich fange an zu lachen. "Eigentlich müsste ich mich gekränkt fühlen, weil er bei meinem Flirtkünsten stiften gegangen ist."

Meilo grinst ebenfalls. "Du bist unmöglich."

Ich drehe mich wieder zu ihm herum, was mir viel besser gefällt, als eben die Aussicht auf den Knilch. "Sauer?", frage ich ihn.

"Ein wenig." Ups. "Ihr beide seid wie Hund und Katze."

"Das würde ich jetzt nicht sagen", streite ich ab. "Eher wie Esel und Cock." Mein Schatz atmet laut aus und legt den Kopf schief. "Was denn?"

"Ich geb dir gleich Cock", antwortet er dunkel und umfasst mein Gesicht. Ich kann gar nicht so schnell schalten, da liegen seine Lippen auf meinen. Endlich!
 

Meilo schwingt sein Bein über meinen Schoß, sodass er rittlings auf mir sitzt, und reibt sich an mir. Ich lege meine Hände auf seinen knackigen Hintern und ziehe ihn heftig an mich ran, auch wenn das fast unmöglich ist, da er sich ja schon an mir schuppert wie ein liebestoller Hund, und mit mir geht beinahe die Libido durch, so scharf werde ich auf einmal auf meinen süßen Spatz. Start von Null auf Hundert in eins Komma drei Sekunden. Das muss uns einer erst einmal nachmachen!

Meilos Finger vergraben sich in meinen Haaren, kratzen über meine Kopfhaut. Ich bekomme eine Gänsehaut und keuche auf. Rabiat zerre ich an seinem Shirt, reiße es ihm über den Kopf und mache mich über seine unbedeckte Brust her. Mein Schatz kichert leise und öffnet mir indes die Hose. Ich beiße in seine linke Brustwarze und lecke danach versöhnend darüber. Sie richtet sich sofort hart auf, weshalb ich an der anderen weiter mache und mich dann abwechselnd um jede einzelne kümmere. Über mir fabriziert Meilo ziemlich geile Töne. Sexy!

Unterdessen haben Meilos Fingerchen den Verschluss meiner Hose aufbekommen, und nesteln sich zwischen meinen Hosenschlitz hindurch. "Da ist er ja", schmunzelt Mr. Flinkefinger.

"Wer denn?", möchte ich nur der Form halber wissen und knabbere weiter an den harten Knöpfchen vor mir.

"Kikerikie," kräht er und krault über die Beule in meinem Schritt.

"Wolltest du mir nicht eigentlich deinen geben?", ärgere ich ihn und schiebe meine linke Hand zwischen seinem Hintern und der Couch hindurch. "Zeig ihn mir", fordere ich ihn mit heiserer Stimme auf.

"Du willst ihn sehen?"

"Unbedingt." Meilo schmunzelt und zieht seine Hände aus meinem Hosenschlitz. Schade, doch ich wollte es so.

Er rutscht von meinem Schoß und stellt sich vor mich. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen und mir kommt eine Idee. Wollt ihr raten, welche?

Als Meilo sieht, dass ich mein Handy aus der Jeans ziehe, verzieht er das Gesicht. "Steck das Ding weg", grollt er.

"Warum denn? Du siehst so heiß aus, dass muss festgehalten werden." Das sieht mein Schatz nicht so. Er verschränkt die Arme vor der Brust und tippt mit dem linken Fuß auf und ab. "Och bitte Meilochen."

"Eigentlich hatte ich vor gehabt, einen kleinen Stripp für dich hinzulegen, aber ..."

"Aber?"

"Solange du das Handy in der Hand hast, mache ich gar nichts." Das denkt auch nur er!

"Muss ich dich erst daran erinnern, dass ich noch was gut bei dir habe." Überlegen grinse ich ihn an und knipse ein paar Bilder. Stirnrunzelnder Meilo, überraschter Meilo, grummeliger Meilo. Sehr hübsch.

"Du hast noch was gut bei mir?", fragt er spitz.

"Ja."

"Von was?"

"Lass mal sehen", überlege ich und tippe mir mit der Ecke des Handys gegen das Kinn. "Du hast mir vorhin die Zunge rausgestreckt, ich durfte deine Tüten schleppen und zu guter Letzt musste ich meine halbe Barschaft für dein Höschen ausgeben. Das sind ein paar sexy Bilder wert, finde ich."

"Ha", japst Meilo und verengt seine Augen zu schmalen Schlitzen. "Du hast den Jock für mich gekauft?"

"Wusstest du das nicht?"

"Nein. Ich dachte, du tust nur so, als würdest du ihn kaufen."

"Wieso hätte ich das tun sollen?"

"Wegen Niklas."

"Ha", äffe ich ihn nach.

"Dann ist das Höschen in einer dieser Tüten?" Ich nicke. "Gut zu wissen", raunt er und beginnt sich die Hose aufzuknöpfen. Holla! Meilo bewegt sich dabei so heiß, dass ich mein Handy total vergesse und ihm geifernd dabei zuschaue, wie die Hose langsam von seinen Hüften rutscht und an seinen Knöcheln hängen bleibt. Elegant steigt er aus ihr heraus und dreht sich um. Seine Kehrseite ist ebenfalls unglaublich schön anzuschauen. Ich betrachte sein Tattoo, folge die in den Mustern verschlungenen Buchstaben bis hinunter zu seinem Hintern. Just in diesem Moment rutscht auch seine Unterhose gen Boden und dann beugt er sich auch noch mit dem Oberkörper runter. "Machst du das auch auf der Bühne?", frage ich ihn mit trockenem Mund und belegter Stimme.

"Nur, wenn du im Publikum bist", lacht er und richtet sich geschmeidig wieder auf. Auffordernd blickt er mich über seine Schulter hinweg an. "Und nackt bekommst sowieso nur du mich zu sehen." Das will ich aber auch schwer hoffen! Wenn ich daran denke, ein anderer würde ihn so zu 'Gesicht' bekommen ... Niemals! "Na was ist jetzt? Wolltest du keine Fotos machen?" Ach stimmt ja. Da war noch was.

"Nein." Ich schüttle den Kopf. "Ich will dich lieber live und in Farbe."

"Wie du willst", lacht Meilo und dreht sich um. Nicht nur Meilo steht aufrecht vor mir ...

Er kommt auf mich zu und geht vor mir auf die Knie. Stöhnend schließe ich die Augen und fiebere dem Kommenden entgegen. Damit meine ich Meilos weiche Lippen, die ich mir sehnlichst an einer ganz besonderen Stelle wünsche. Doch darauf muss ich noch ein wenig warten. Zuerst küsst mein Schatz meinen Bauch, taucht mit der Zunge in meinen Bauchnabel und packt den Bund meiner Hose. Um es ihm leichter zu machen, hebe ich meinen Hintern hoch. Schwubb, unten ist meine Hose. Meilo zieht sie mir über die Beine und befreit meine Füße aus den Hosenbeinen.

"Nic, Sweety?"

"Ja?"

"Schau mich an." Ich tue ihm den Gefallen. Er lächelt süß, legt seine Hände auf meine Knie und schiebt mir die Beine auseinander. Ich lasse meine Finger durch sein Haar gleiten. Seidig fließt es durch meine Finger. "Vertraust du mir?" Es dauert einen Moment, bis ich seine Frage richtig verstehe.

"Wie meinst du das?"

"So, wie ich es gesagt habe."

"Natürlich tue ich das", antworte ich noch immer verwirrt. Warum fragt er mich das ausgerechnet jetzt, wo er zwischen meinen Beinen kniet?

"Also bist du nicht eifersüchtig auf Niklas?" Ich spüre förmlich, wie bei der Erwähnung meines Namenvetters, das Blut von meinem Schoß zurück in meinen Körper fließt.

"Müssen wir das jetzt besprechen?", will ich wissen und ziehe meine Hand zurück. Sofort tut es mir leid, denn Meilo wirkt plötzlich unsicher.

"Du bist eifersüchtig", stellt er fest und seufzt. "Dass musst du nicht. Wir sind bloß Kollegen, die manchmal etwas in ihrer Freizeit miteinander unternehmen."

Ich hole tief Luft. Meilo will anscheinend genau jetzt darüber sprechen. Gut. Dann sprechen wir darüber. "Ich vertraue dir. Ihm aber nicht. Und eifersüchtig bin ich eigentlich nur deswegen, weil er ständig bei dir sein kann." Jetzt ist es raus, und ich komme mir unglaublich dämlich vor.

Meilo sieht mich eindringlich an und richtet sich auf, sodass wir beinahe auf gleicher Augenhöhe sind. Er legt seine Arme um meinen Nacken und meine wandern automatisch um seine Taille. "Es ist doch nur noch bis Ende des Jahres", sagt er leise. "Danach sehe ich ihn nie wieder, aber wir beide werden dann für immer zusammen sein."

"Das weiß ich doch", seufze ich. "Aber es nervt mich, zu wissen, dass er in deiner Nähe herumwimmelt."

"Und? Lass ihn doch. Soll er herumwimmeln so viel er will. Ich interessiere mich nicht für ihn, und dass habe ich ihm auch schon deutlich gemacht." Ach?

"Wirklich?"

"Wirklich", antwortet mein Schatz und legt seine Stirn gegen meine. "Außerdem weiß er, dass ich mit niemanden eine Beziehung eingehen darf."

"Wie gut, dass du dich daran auch hältst", frotzle ich, grinse aber.

"Hey!"

"Was denn? Stimmt doch, oder?" Meilo gibt so etwas wie einen knurrenden Laut von sich und küsst mich anschließend hart. Allerdings nur kurz, denn dann taucht er wieder ab. "Mehr", flehe ich und schaue ihm verlangend dabei zu, wie er sich über die Lippen leckt.

"Aber nur, weil du es bist", wispert mein Schatz und verpasst mir einen verflucht geilen Blowjob.
 

******

Love bite 13 - Love bite mit Apfelgeschmack

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 13 - Love bite mit Apfelgeschmack (Ohne Adult)

Love bite 13 - Love bite mit Apfelgeschmack (Ohne Adult)
 

Eine sanfte Singstimme. Leise Gitarrentöne. Nur kurz, dann wird es wieder still. Bis das alles wieder von vorn beginnt.

Langsam werde ich immer wacher. Der Traum vor meinen Augen verblasst, und mir wird immer bewusster, wo ich gerade bin. In Meilos Hotelbett.

Ich krame all meine schon wachen Hirnzellen zusammen und denke nach. Samstag Morgen. Das heißt, heute ist der letzte Tag, den ich gemeinsam mit meinem Schatz verbringen kann, ehe er weiterzieht und ich wieder nach Hause muss.

Wehmütig drehe ich mich auf den Rücken. Wieder höre ich die leise Gesangsstimme. Hört sich an, als komme es von neben an. Sicher ist es Meilo, der da singt. Wer auch sonst? Einer der Hotelangestellten? Eher nicht. Würde der so singen, müsste er keine Hotels putzen. Oder er würde es zumindest nicht mehr lange machen.

Mir entschlüpft ein leises Seufzen und ein gedehntes Aufwachknurren. Ich strecke mich und stemme die Augenlider nach oben. Guten Morgen! Die Sonne lacht! Ich schaue neben mich. Bis auf meine Wenigkeit ist das Bett logischerweise leer.

Ich fläze noch eine Weile im morgendlichen Tran im Bett herum, dann schäle ich mich aus der Bettwäsche. Meilo singt immer noch. Gähnend stehe ich auf, suche mir eine frische Unterhose heraus und verschwinde im Bad. Nachdem ich mich erleichtert, und mir die Shorts angezogen habe, schleiche ich aus dem Schlafzimmer und spitze die Ohren.

Grinsend folge ich der Musik und siehe da, Meilo sitzt auf der Couch, eine Gitarre in der Hand, und schreibt etwas auf einen Block, den er auf den Tisch vor sich liegen hat. Ich wusste gar nicht, dass er Gitarre spielen kann. Ich bin richtig beeindruckt. Meilo ist total in seiner Welt und ich traue mich kaum ihn anzusprechen. Deswegen laufe ich leise auf ihn zu, schleiche an die Hinterseite der freistehenden Couch, und lehne mich mit den Ellenbogen auf die Rückenlehne. Mein Schatz bemerkt mich immer noch nicht.

Ich höre ihm einfach eine Weile lang dabei zu, wie er scheinbar an einem neuen Song arbeitet. Immer wieder singt er eine Passage, spielt ein paar Takte und schreibt dann die Noten auf. Als tastete er sich an das Lied heran. Es ist spannend, ihn dabei zu beobachten und vor allem ihm dabei auch zuzuhören. So entsteht also Musik.
 

Zuerst läuft es ganz gut, und Meilo schreibt wie ein Irrer seinen Block voll, doch dann hält er inne, kaut auf seinem Stift herum und überfliegt stirnrunzelnd die soeben notierten Noten. Ich denke, langsam sollte ich mich bemerkbar machen. Anstatt ihn anzusprechen, lege ich meinen Arm von hinten um seine Brust und küsse seinen Nacken. Meilo zuckt furchtbar zusammen, schmunzelt dann jedoch, als er bemerkt, dass ich es bin. "Habe ich dich geweckt?", fragt er und dreht seinen Kopf zu mir.

"Nicht direkt." Mit geschlossenen Augen schmuse ich durch sein Haar. Es duftet nach Shampoo. "Du warst schon duschen?"

"Ja."

"Wieso hast du mich nicht geweckt?"

"Weil du gepennt hast wie ein Stein." Ich brumme enttäuscht. "Murre nicht. Wir haben doch noch den ganzen Tag für uns." Meilo stupst mich mit der Nase an.

"Aber auch nur, wenn Niklas uns nicht wieder stört."

Mein Schatz lächelt mich an. "Darum habe ich mich schon gekümmert."

"Echt? Wie?" Hört sich so an, als hätte er seine Füße in Beton gegossen, und ihn als neue Sensation neben die Bremer Stadtmusikanten gestellt.

"Ich habe ihm eine SMS geschrieben, dass du heute den letzten Tag bei mir bist, und ich den mit dir alleine verbringen möchte."

Das erstaunt mich jetzt aber. "Wirklich? Ist das nicht ziemlich offensichtlich?" Hoffentlich hat er keinen Fehler gemacht.

"Du machst dir Sorgen, dass er ahnt, dass wir ein Paar sind?" Ich nicke, wobei mir bei dem Wort Paar ein angenehm süßer Schauer durch den Körper rinnt. "Wie will er uns das denn beweisen? Du bist einer meiner Freunde. Da ist es doch logisch, dass wir Zeit für uns brauchen, solange du bei mir bist. Bei meinem Job bin ich viel unterwegs und muss jede Chance nutzen, meine Freundschaften zu pflegen." Guter Einwand, doch wäre ich Niklas, also Knilch-Niklas, ich würde daraus sehr schnell meine Schlüsse ziehen. Doch vielleicht hat Meilo recht. Was will er uns schon anhaben, solange er uns nicht in Flagranti erwischt?

"Wie schön", schnurre ich und lasse meine Hand tiefer gleiten. "Aber mir ist es eindeutig lieber, wenn du, anstatt der Freundschaft, deine Liebschaft zu mir pflegst."

"Ist es das?", gluckst mein Schatz.

"Hmhn." Ich nicke. "Wo wir schon mal den ganzen Tag, nur für uns haben ..." Ich überlege kurz. "Was treiben wir denn den lieben langen Tag über?" Eigentlich wüsste ich da schon was ...

"Wie wäre es mit den Spa-Angeboten? Das Hotel bietet Massagen an und hat einen Pool unten. Eine Sauna gibt es auch." Wen interessiert denn ein schnöder Pool? Mich nicht! Jedenfalls nicht, wenn ich stattdessen mit Meilo das Bett unsicher machen kann. Mehr Spa brauche ich nicht.

"Meiner Meinung nach, sind wir hier drinnen viel besser aufgehoben", raune ich ihm zu und mogle mich an der Gitarre vorbei. Fest drücke ich meine Handfläche gegen Meilos Schoß.

"Hm ... Dabei hatte ich mich so darauf gefreut, dich in der Badehose durchs blaue Nass gleiten zu sehen." Da werde ich jetzt aber hellhörig. Badehose? Wasser? Er in einer knappen Badehose hätte definitiv auch etwas für sich. "Und wer weiß ... Vielleicht haben wir ja Glück, und wir sind alleine im Pool. Nur du und ich, das warme Wasser zwischen uns, schlüpfrige Hände, die an feuchter Haut reiben ..."

"Oh Gott! Hör auf, oder ich schleife dich gleich zurück ins Bett!"

"Ins Bett?", fragt Meilo glucksend. "Wieso Zeit verlieren?" Er legt die Gitarre auf den Tisch und macht sich auf der Couch lang. "Komm doch einfach hier her, wenn du was von mir willst." Uhwaa!

"Attacke!!!" Ich springe über die Rückenlehne und rutsche direkt auf Meilo drauf. Dieser lacht laut auf und schlingt Arme und Beine um mich. Das nenne ich mal einen guten Morgen!
 

***
 

"Die hier geht doch."

"Ich weiß nicht ..." Skeptisch beäuge ich das Teil, welches in Meilos Augen als Badehose durchgehen soll. "Das ist gar nicht mein Fall."

Mein Schatz seufzt und wirft mir das Höschen zu. "Probiere es doch mal an." Grummelnd gebe ich nach und steige in die Pantie. "Passt!", jubelt er und strahlt wie 10 Atomkraftwerke.

"Wie man es nimmt. Sitzt etwas stramm." Ich zupfe am Gummibund in meinem Schritt.

"Ich sehe es", schnurrt Meilo und legt seine Hände auf meine Hüftknochen. "Sexy." Er beißt sich auf die Unterlippe und grinst mich lüstern an. Ich glaube, die Hose wird gerade noch ein klein wenig strammer.

"Du findest das also sexy, hm?" Meilo nickt und zeichnet mit den Daumen kleine Kreise auf meinen Bauch. "Und da willst du, dass ich das Ding in aller Öffentlichkeit trage?"

"Warum nicht?", kichert er. "Es kann ruhig jeder sehen, mit was für einem heißen Gerät ich planschen gehe."

Lachend schüttle ich den Kopf. "Nur, dass es keiner sehen darf", erinnere ich ihn.

"Quatsch! Wir müssen nur anständig bleiben."

"Und genau dabei liegt das Problem." Meilo legt den Kopf schief und lässt eine Augenbraue nach oben wandern. "Du in einem knappen Höschen, ich in einem knappen Höschen ... Da geht schnell mal die Libido mit einem durch." Besonders bei mir.

"Falls das passiert, sind wir im Nullkommanichts wieder hier oben." Stimmt schon ... "Los! Zieh dir den Bademantel über und dann nichts wie in den Pool!" Meilo rauscht mit offenem, wehenden Bademantel davon. Dann werde ich wohl oder übel dieses umfunktionierte Höschen von meinem Meermann als Bademode tragen müssen. Wenigstens muss ich mit dem engen Teil nicht über die Hotelflure huschen.
 

Ich ziehe mir eilig den Mantel über, knote ihn vorn gut zu und rase hinter Meilo her, der hibbelig vor der Hotelzimmertür auf mich wartet. Gemeinsam laufen wir über den Flur bis zum Fahrstuhl. Keine Menschenseele zu sehen, auch der Aufzug ist leer. Meine Fingerspitzen kribbeln. Wie gern ich unter Meilos nun ebenfalls zu geknoteten Bademantel schlüpfen würde! Aber ich tue es nicht. Was, wenn die Kameras im Aufzug haben? Oh Fuck! Wir hätten das Hotelzimmer nicht verlassen dürfen! Ich mutiere mich hier zu einem liebeshungrigen Teenie zurück, und muss um jedes bisschen Beherrschung kämpfen. Frisch verliebt zu sein, hat nicht immer nur Vorteile. Wenn die Hormone einen überfallen, spielt das Alter keine Rolle. Da zählt nur das rollig sein an sich. Und wie ich feststellen muss, rollt sich bei mir da unten gerade so einiges. Und zwar nach außen. Die Badehose wird wieder ein Stückchen enger.

"Nic? Geht es dir nicht gut?"

"Doch, doch!" Uhwa! Bloß nichts anmerken lassen! Wenn Meilo mitbekommt, wie rattig ich bin, und mich dann mit diesem ganz speziellen Grinsen angrinst, dann hält mich nichts mehr.

"Red doch keinen Unsinn! Du hast ein total rotes Gesicht." Er stellt sich vor mich und mustert mich genau. "Du hast dich doch hoffentlich nicht bei mir angesteckt?"

"Sicher nicht", winke ich ab. "Ich mag nur keine Fahrstühle." Gut gelogen! Bravo! And the Oscar goes to ...

"Sag jetzt nicht, du hast Angst?"

"Nein! Ich mag sie nur nicht." Meilo kichert und nimmt meine Hand in seine. Toll! Jetzt glaubt er, ich hätte Schiss davor, einen Aufzug zu benutzen! Dabei sind wir doch schon so oft zusammen in diese Dinger gestiegen! Aber wenigstens ist das besser, als ihm zu sagen, dass ich am liebsten gleich hier und jetzt über ihn herfallen möchte.

"Gleich hast du es geschafft", kichert er und setzt damit noch einen drauf.

Ich drehe langsam meinen Kopf zu Meilo herum und schaue ihn genervt an. "Ich habe keine Angst vor Aufzügen", wiederhole ich deutlich.

"Sicher nicht." Er grinst verschmitzt. Okay, das reicht! Ich habe es mir anders überlegt. Besser, er hält mich für einen notgeilen Fahrstuhlvergewaltiger, als für einen Angsthasen!

Ich ziehe an seiner Hand, drängle ihn jedoch sofort in die Ecke. Überrascht keucht mein Schatz auf und macht große Augen. "Ich sage es nochmal: Ich habe keine Angst vor Aufzügen."

"Ist ja gut", brummt er. Ich sehe ihm an, dass er mir noch immer nicht glaubt. Deshalb lasse ich ihn den Inhalt meines Höschens spüren.

Ungläubig huscht sein Blick nach unten, dann wieder hoch in mein Gesicht. "Oh", meint er lapidar und grinst. "Keine Angst. Ich verstehe." Ha! Es geht doch. Muss man immer gleich mit der Latte drohen?

Es macht Pling, und noch bevor die Aufzugtür auf geht, sind wir wieder auseinander. Ein prüfendes Auge Richtung Schritt. Nichts zu erkennen. "Hoffentlich ist das Wasser im Pool auch kalt genug", gluckst Meilo und verlässt die Kabine. So ein frecher ...!
 

Wir betreten einen kleinen Flur. Durch eine Glastür direkt vor uns kann man schon den Pool erkennen. Meilo und ich haben Glück. Sieht leer aus. Anstatt in eine der Umkleiden zu gehen, die es hier gibt, gehen wir sofort zum Pool. Ein paar Liegen stehen parat. Auf ihnen jeweils zwei zusammengefaltete Handtücher. Unsere Bademäntel wandern auf jeweils zwei der Liegen, dann laufen wir zu den wenigen Brausen am Beckenrand, um uns kurz abzuduschen. "Wie gut, dass niemand hier ist", schmunzelt Meilo. "Die Beule da erkennt man sicher noch vom Weltraum aus."

"Ha ha. Mach dich nur lustig. Du bist doch schuld daran."

"Ich? Ich hab doch gar nichts gemacht."

"Das musst du auch nicht", brumme ich dunkel und schenke ihm einen verführerischen Augenaufschlag. "Es reicht schon, wenn du nur in meiner Nähe bist ..."

"So ...?"

"Hmhm ..." Wird der Raum kleiner, oder spielen Meilo und ich gerade Magneten? Letzteres scheint plausibler. Der unausweichlich folgende Kuss ist viel zu kurz und viel zu ... uhm ... trocken für meinen Geschmack. "Wir hätten oben bleiben sollen", schmolle ich und stelle die Brause ab.

"Lass uns noch ein wenig hier bleiben. Ist doch irgendwie heiß."

"Heiß?" Ich finde es eher nervig. Ich will Meilo küssen und berühren!

"Na ja ... Es turnt mich schon an, dich direkt vor meiner Nase zu haben, aber nichts mit dir anstellen zu dürfen." Das turnt ihn an? "Als dürfte man bloß am Hauptgang schnuppern, ihn aber erst vernaschen, wenn man kurz vorm Verhungern ist."

Ich lege den Kopf schief. "Manchmal bist du echt ein Idiot", lache ich und sprinte auf den Pool zu, ehe er mir weitere solche 'Weisheiten' um die Ohren hauen kann.

Meilo ruft mir ein gelachtes "Hey!" nach, aber da bin ich schon am Abheben.

"ARSCHBOME!!!" Kawusch! Das Wasser schlägt über mir zusammen.

Pustend tauche ich wieder auf und wische mir die Haare aus dem Gesicht. Meilo hält sich den Bauch vor lachen. "Dafür, dass du gar nicht hier runter wolltest, scheint dich der Pool aber ganz schön anzumachen." Meilo hockt am Beckenrand und lässt mich sehr tief blicken. Ich wette, er hat sich extra so positioniert. Von wegen, anmachen und so.

Mit drei kräftigen Schwimmzügen bin ich bei ihm und verberge dabei meine Blicke erst gar nicht. "Du glaubst nicht, wie sehr", flüstere ich, was sich hier unten dennoch laut anhört, da meine Stimme von den hohen Wänden widerhallt.

"Oh, ich denke schon." Freches Glitzern in seinen grünen Pupillen. Langsam frage ich mich wirklich, ob es überhaupt noch möglich ist, mich noch mehr in ihn zu verlieben, als ich es sowieso schon bin. Es fühlt sich jedenfalls so an. Als würde ich ihm mit jeder Sekunde noch mehr verfallen. Nein. Nicht, als würde ich, sondern ich tue es. Hier und jetzt. In dieser Sekunde und in jeder darauffolgenden auch.
 

Ich strecke einen Arm aus, lege die Hand auf die Innenseite von Meilos Oberschenkel und streichle ihn sanft. Meilo grinst schief. "Komm rein", fordere ich ihn auf und wage mich weiter vor. Kurz vor dem Bund seines Badehöschens stoppe ich jedoch, stoße mich vom Beckenrand ab und schwimme rückwärts davon.

Meilo stürzt die Lippen und steht auf. Er streckt die Arme nach oben, was seine Muskeln hervorragend betont, schaut nach oben und springt vom Beckenrand ab. Alle Achtung. Wie ein Olympiaschwimmer.

Das Wasser spritzt bis zu mir rüber, als er eintaucht und unter Wasser auf mich zu schwimmt. Kurz vor mir taucht er wieder auf. Tropfen rinnen von seinen Haaren und seinem Gesicht. "Bin da", japst er und packt meine Hüfte. Ich umarme ihn und senke meine Lippen auf seine. Wie gut, dass niemand hier ist ...

Nur ungern löse ich mich wieder von meinem Schatz, aber leider löst unser Geknutsche das Problem meiner engen Hose kein Stückchen, macht es eher noch schlimmer. "Wer zuerst da vorn an dem Ausstieg ist", schlage ich vor und schwimme auch schon los.

"Das ist geschummelt!", ruft mir Meilo hinterher. Wasser spritzt hinter mir auf.

"Dann beeil dich!", lache ich und gebe alles.

Meilo holt schnell auf, das heißt vielmehr, er packt mich am Fuß und zieht mich unter Wasser. Als ich mich prustend an die Oberfläche kämpfe, sehe ich nur noch seinen Rücken. "Sabotage!" Meilo lacht nur japsend.

Zum Schluss bin ich der Verlierer und komme nach ihm an. "Du bist gemein", schmolle ich und halte mich am Ausstieg fest.

"Du hast zuerst geschummelt. Sogar zwei mal." Er hält mir Zeige- und Mittelfinger vor die Nase.

"Kannst du das beweisen?"

"Ich werde ja wohl wissen, was ich gesehen habe!", empört sich mein Schatz, lächelt aber.

Unter Wasser packe ich ihn an der Hüfte. "Okay, okay", raune ich ihm zu. "Nachher bekommst du eine Entschädigung dafür."

"Erst nachher?" Seine Stimme ist dunkel und rau und sein Blick sagt schon alles. Binnen Sekunden baut sich das unverkennbare Knistern zwischen uns aus, das nur auf eins hinausläuft.

"Hier?", frage ich atemlos.

"Wo denn sonst?", schmunzelt Meilo und reibt sein Becken an mir.

Ich schaue mich um. Wir sind immer noch alleine, aber für wie lange? "Was, wenn einer der Gäste hier runter kommt? Oder das Personal?"

"Wir sind doch im Wasser. Sobald einer hier auftaucht, sind wir untergetaucht." Trotz des Wortspiels bin ich noch nicht ganz überzeugt.

"Also dann machen wir es jetzt? Hier? Im Pool?", frage ich ihn zur Sicherheit. Nicht, dass ich da jetzt was falsch verstanden habe.

"Wenn du willst." Ob ich will?

Wenn ich könnte, lägen wir jetzt schon erschlagen und völlig verschwitzt auf eine der Liegen dort hinten! Gäbe es da nicht ein klitzekleines Problem: "Wir haben nichts dabei", helfe ich meinem Wasserhasen auf die Sprünge.

Lachend schüttelt Meilo den Kopf. "Das brauchen wir auch nicht."

"Ja aber …"

"Nic? Glaubst du im Ernst, ich würde jetzt hier mit dir eine Nummer schieben?" Er wartet erst gar nicht meine Antwort ab, sondern schnappt mich und bugsiert mich zur Treppe, die aus dem Becken hinausführt. "Hinsetzen, entspannen und mich einfach machen lassen", bekomme ich gesagt, und lande auch schon auf meinem Hintern. Na schön. Dann lasse ich ihn mal machen, wie er so schön gesagt hat.
 

*
 

Ich küsse sanft Meilos Mundwinkel. "Wahnsinn", japst Meilo und lacht dabei.

"Dito." Mit Meilo ist es immer der pure Wahnsinn, nur mal so nebenbei angemerkt. "Ich habs vorher noch nie in einem Pool gemacht."

"Das meinte ich nicht. Du bist der Wahnsinn", grinst er und küsst mich.

"Schön, das zu hören, aber womit habe ich das verdient?", möchte ich von ihm wissen, den Mund noch immer ganz dicht an seinem.

"Weil du es nun mal bist", flüstert er und legt seine Arme um mich. "Ich liebe dich von Sekunde zu Sekunde mehr." Habe ich das Selbe nicht auch schon einige Male gedacht?

"Dito", wiederhole ich noch einmal und lächle ihn dabei verliebt an. "Ich liebe dich auch." Ein viel zu kurzer Kuss, aber es gibt noch was zu erledigen, ehe wir weiter herumknutschen können. "Gibst du mir bitte das Handtuch?", bete ich ihn.

"Aber gerne doch, Sexy." Ich verdrehe die Augen.

"Wehe, es kommt auch nur ein weiterer Kommentar."

"Bin schon ruhig", gluckst mein Meilolein und reicht mir das Handtuch.
 

Uns gesäubert, gleiten wir wieder ins Becken.

Meilo schwimmt voran, ich hinterher. Mit ein paar kräftigen Zügen habe ich zu ihm aufgeschlossen und halte ihn fest. "Warte doch mal", schnaufe ich. "Hau mir doch nicht immer ab."

"Tue ich doch gar nicht", meint er und dreht sich zu mir.

Ich lande in seinen Armen. "Ich habe noch was für dich", grinse ich ihn an.

"Du hast was für mich?" Ich nicke. "Und wo hast du das versteckt? Wohl kaum in deiner kleinen Hose ..." Hände fummeln an meinem Hintern.

"Nein, da nicht", hauche ich und verschließe seinen frech-plappernden Mund.

Knutschen ist angesagt. Langes, ausgiebiges, feuchtfröhliches Knutschen ... Vorhin mussten wir ja leider abbrechen.

Allerdings nimmt mein Vorhaben ein abruptes und jähes Ende, als ich mich plötzlich unter Wasser wiederfinde. Meilo hat mich einfach unter Wasser gedrückt! Sauer tauche ich wieder auf und suche ihn. Er ist inzwischen ein paar Meter weit weggeschwommen. "Hey! Willst du, dass ich ersaufe?" Das war gar nicht lustig!

"Stell dich nicht so an", meint er doch tatsächlich und ähm ... winkt? Warum winkt er denn? "Hallo Niklas." Mir fällt alles aus dem Gesicht. Niklas? Er kann unmöglich mich meinen. Das bedeutet ...

Vorsichtig drehe ich den Kopf herum und da kommt doch tatsächlich dieser Knilch angelatscht! In einer Badeshorts, komischen Badelatschen und einem Handtuch über der Schulter. Schnell kontrolliere ich mein Höschen, ob auch ja wieder alles da ist, wo es hingehört und tauche bis zum Kinn unter Wasser. Au Backe! Wäre Meilo nicht gewesen, hätte dieser Knilch uns erwischt!

"Hallo ihr zwei. Ich wusste gar nicht, dass ihr hier seid." Ausnahmsweise glaube ich ihm das mal, denn der Knilch sieht unsicher aus. Er hat Meilo ja versprochen, uns heute nicht zu belästigen. "Ähm ... Soll ich wieder gehen?" Knilchilein wirkt richtig verloren, wie er so vorm Becken steht, und Meilo anstarrt.

"Quatsch. Komm schon rein. Wir wollen eh bald gehen", antwortet mein Schatzi ihm und krault wieder rüber zu mir. "Hast du Wasser geschluckt?", möchte er von mir wissen.

Ich schiele rüber zum Knilch. Der breitet gerade sein Handtuch auf einer der Ligen aus. "Nein. Hab mich bloß erschrocken."

"T'schuldige." Grüne Hundeaugen flehen um Verzeihung.

"Schon gut", grinse ich. "Du hattest ja einen Grund für deine gemeine Attacke." Wie gern würde ich ihn jetzt küssen! Hach, Wunschträume. Aufgeschobene Wunschträume.
 

***
 

Meilo und ich haben noch ein wenig miteinander geplanscht, doch um den wieseligen Augen des Knilch-Niklas zu entgehen, haben wir uns nach kurzer Zeit wieder vom Acker gemacht. Nicht zuletzt wegen den vielen Knutschflecken, die wir beide spazieren tragen. Wir konnten uns erfolgreich von dem Knilch fernhalten, beziehungsweise, er kam uns nicht zu nahe und hielt Abstand. Wohl wegen Meilos Bitte.

Jedenfalls konnte ich meinen Süßen diskret aus dem Wasser befördern, und ihn gleich in den Bademantel wickeln, damit die Knilch-Stielaugen keine der verräterischen Flecken erspähen konnten.

Wieder zurück im Hotelzimmer und in trauter Zweisamkeit, sprangen wir schnell unter die Dusche, wuschen uns das Chlor von den Körpern und lümmelten danach den ganzen Tag faul auf dem Bett herum. Der Zimmerservice hatte gut was zu tun, erfüllte uns jeden kulinarischen Wunsch und lächelte dabei fröhlich. "Ein Leben wie Gott in Frankreich", seufze ich wohlig und reibe mir den Bauch. Der knurrt inzwischen schon wieder. Kein Wunder. Es ist Zeit für das Abendessen. "Weißt du was? Wir sollten die Idee, in einem Hotel zu leben, doch nicht ganz außer Acht lassen."

Meilo gibt einen grunzenden Laut von sich und hört auf, meine Kopfhaut zu kraulen. "Ich habe genug in Hotels gelebt. Es geht nicht über das eigene Heim."

"Und die anfallende Arbeit? Kochen, waschen, putzen? Das müssen wir dann alles alleine machen."

"Das ist es wert, wenn man dafür seine Ruhe hat, seinen eigenen Rückzugsort." Er hat ja recht. Wenn ich mir vorstelle, zusammen mit Meilo zu leben, ohne dieses Versteckspiel ... Ich kann es gar nicht mehr erwarten!

"Einen Rückzugsort also ... Nur für uns?" Das klingt so wundervoll!

"Na klar nur für uns. Oder meinst du, ich will dabei gestört werden, wenn ich mich mit dir zusammen zurückziehe ...", raunt Meilo und begräbt mich unter sich. Das macht mich sofort wieder scharf.

Ich hebe mein Kinn an, was Meilo als die Einladung erkennt, die sie ist, und mich küsst. Zum wievielten Mal heute, kann ich gar nicht mehr nachzählen. Mein Kiefer schmerzt schon, und von meinen empfindlich geschwollenen Lippen will ich mal gar nicht anfangen zu reden, aber ans Aufhören ist überhaupt nicht zu denken!

Seufzend reibe ich mich an dem festen Körper über mir. Die Hitze kehrt zurück und klein Nic wird stärker durchblutet. Ich will ihn! Jetzt und hier! Auf der Stelle! "Zimmerservice!" Och nö!

Meilo weicht von mir und springt vom Bett. "Komme!" Jetzt liege ich da mit meinem Talent. Coitus interserverus, sozusagen. Dankeschön, Herr Kellner! "Bringen Sie es auf den Balkon", höre ich Meilo Anweisungen geben. Abendessen auf dem Balkon? Ui! Da will wohl jemand noch mal so richtig auftrumpfen, an unserem letzten Abend. ... Unser letzter Abend. Wehmut macht sich in mir breit. Wie lange werden wir uns hiernach nicht sehen? Ich mag mich gar nicht näher mit dem Thema befassen. Ich sollte mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Auf Meilo und die restliche Zeit, die wir noch gemeinsam haben.

Meilo wechselt noch ein paar leise Worte mit dem Typen, die ich jedoch nicht verstehen kann, dann kommt er zurück ins Schlafzimmer und schließt die Tür. "Das Essen ist gleich serviert", näselt Meilo und wirft sich neben mich auf die Matratze.

"Ich habs mitbekommen", seufze ich. Meine Laune ist noch immer auf dem Tiefpunkt.

"Was guckst du denn so traurig?" Sofort ist Meilo ganz nahe an meiner Seite und legt seine Hand auf meinen Bauch. Das fühlt sich gut an. So beruhigend.

"Ich will morgen nicht nach Hause fahren", erkläre ich ihm.

Jetzt blickt er ebenfalls traurig drein. "Das will ich auch nicht. Aber wir können es nicht ändern."

"Wohin fährst du als nächstes?" Irgendwo hatte ich seine Tourdaten abgespeichert, aber ich weiß es schon wieder nicht mehr. Alles verdrängt.

"Leipzig." Vor meinem inneren Auge erscheint eine Deutschlandkarte. Unmöglich, ihm auch noch bis nach Leipzig zu folgen. Das macht mein Konto nicht mit. Benzin ist teuer, und wie soll ich das dem Arbeitsamt erklären? Und wo wir schon mal beim Thema wären: Ich muss mich um weitere Bewerbungen kümmern.

"Scheiße", grante ich. Wenn sein nächstes Ziel in der Nähe gewesen wäre, hätte ich vielleicht doch noch ein, zwei Tage dranhängen können.

"Wir bekommen das hin", versucht mich Meilo aufzumuntern. "Sobald ich in deiner Nähe bin, melde ich mich bei dir. Und es sind noch ein paar Termine, die nicht ganz so weit entfernt sind. Plus deine Überraschungsbesuche bei mir, versteht sich." Meilo grinst.

"Und dann?", frage ich ihn.

"Was, und dann?"

"Dann hänge ich wieder in der Hotellobby fest, weil mich keiner zu dir lässt."

"Oh."

"Wir brauchen ein Codewort", finde ich.

Mein Schatz lacht auf. "Ein Codewort?"

"Ja! Lach nicht."

"Und wie soll ich das anstellen, wenn ich gar nicht weiß, ob du mich besuchst."

"Ist doch ganz einfach", erläutere ich ihm. "Du sagst einfach ... Ähm zum Beispiel ... 'Wenn sich mein sexy Abschlepper bei Ihnen für mich anmeldet, dann lassen Sie ihn unverzüglich zu mir. Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit.'" Ich fange nun auch an zu lachen, weil mich Meilo wie ein eierlegender Dinosaurier anglotzt. "Na ja, so ähnlich eben. Halt mit einem anderen Namen."

"Keine schlechte Idee", murmelt er. "Das müsste machbar sein. Bloß muss ich aufpassen, dass das niemand von der Plattenfirma herausbekommt. Oder mein Manager."

"Dann brauchen wir für mich nur noch so einen schnieken Pseudonamen. So einen, wie du hast." Ich werde ganz hibbelig. Ich bekomme einen Decknamen! Decken im zweideutigen Sinne. ... hehe ...

"Den überlegen wir uns beim Essen!", ruft Meilo und schwingt sich aus dem Bett. "Darf ich bitten?" Ja aber immer doch, mein Schatz.
 

Der Kellner hat ganze Arbeit geleistet. "Hast du das in Auftrag gegeben?", staune ich und setze mich an den kleinen, aber reichlich gedeckten Tisch, der mitten auf dem Balkon steht.

"Wer sonst?", lacht Meilo und setzt sich mir gegenüber.

In der Mitte des Tisches steht eine Kerze, die schon angezündet ist. Leider ist es noch zu hell, um ihren Schein richtig zu sehen. Aber so sehen wir wenigstens das gute Essen. Und uns, nur mal so am Rande. "Ich hoffe, ich habe richtig ausgewählt."

"Du weißt doch, ich bin pflegeleicht, was Essen angeht." Ich esse sogar Knoblauch.

"Dann einen guten Appetit."

"Ebenfalls", wünsche ich ihm und mache mich gleich über die Forelle her. Yummie!

Schweigsam vertilgen wir die ersten Bissen, bis Meilo einen Schluck Wasser trinkt und mich dabei nachdenklich anschaut. "Hm?" Habe ich was im Gesicht?

"Abschlepper wäre doch gar nicht mal so schlecht als Pseudonym", meint er und stellt das Glas ab.

Ich schlucke den Fisch runter. "Verarsch mich nicht!"

"Mach ich nicht", widerspricht er mir und scheint es wirklich ernst zu meinen. "Wie wäre es mit Mr. Towing?"

"Towing? Abschleppen auf Englisch?"

"Klar. Warum nicht?"

"Antonie Towing. Hört sich genial an!"

"Antonie? Nein!" Ich lasse Gabel und Messer fallen. "Das hört sich an wie ein Mafiaboss, der in Amerika ein Drogenlabor leitet."

Meilo fängt an zu lachen. "Gut, dann schlag du was vor."

"Hm ..." Ein guter Name ... "Towing ist gar nicht mal so schlecht", überlege ich. "Vielleicht Thomas Towing?"

"Langweilig", trötet mein Schatz.

"Dann vielleicht Nicolai!"

"Zu naheliegend."

Ich runzle die Stirn. "Naheliegend? Weiß doch eh jeder, dass es sich dabei um einen Fakenamen handelt!"

"Trotzdem ... Weiter!"

Ich sende Meilo kleine Blitze per Gedankenübertragung zu, überlege aber brav weiter. Lange dauert es nicht, da kommt mir selbst ein Blitz. Ein Gedankenblitz. "Ich hab einen!", rufe ich. Ed Towing!" Hört sich an wie ein Künstler. Gibt es nicht einen Ed Harding, oder so ähnlich?

"Ed? Wie kommst du denn darauf?"

"So heißt mein Nachbar. Du weiß noch? Der dir deinen Wagen wieder flott gemacht hat."

"Ach so?" Ich nicke. "Das passt ja wunderbar!"

"Sag ich doch."

Meilo erhebt sein Glas und hält es hoch erhoben. "Auf die Geburt deines Pseudonyms! Ed Towing! Den Mann, den ich zu jeder Stunde in mein Hotelzimmer lasse."

Ich erhebe ebenfalls mein Glas. "Auf Ed Towing!", proste ich Meilo zu. "Möge er auf ewig dein Hotelbett wärmen!"

Meilo grinst. "Nur mein Hotelbett?"

"In deinem eigenen Bett, oder in meinem, bin ich fürs Wärmen zuständig."

"Ah ja. Gut zu wissen. Cheers."

"Cheers." Mit einem leisen Klirren stoßen unsere Gläser aneinander.
 

Als wir gegessen haben, uns gegenseitig mit dem Nachtisch gefüttert haben (und wenn du glaubst, kitschiger geht's nicht mehr, kommt von irgendwo ein Meilo mit einem zuckersüßen Löffelchen her) und noch ein wenig den schönen Abend gemeinsam genossen haben, sind wir wieder rein und haben es uns zusammen vor dem Fernseher im Schlafzimmer gemütlich gemacht.

Aneinander gekuschelt liegen wir da, halten Händchen und interessieren uns eigentlich so gar nicht für das TV-Programm. Wieso ich das Teil überhaupt angemacht habe, frage ich mich selbst schon seit einer Weile. Egal. Es stört nicht, und ich werde einen Teufel tun, und jetzt die Fernbedienung suchen, wo es doch viel schöner ist, Meilos Mundhöhle zu erforschen.

"Nic?" Hatte ich gerade nicht gesagt, dass ich viel lieber mit Meilo weiter herumknutsche? Warum redet er denn jetzt? "Nic!" Lachend schiebt er mich von sich. "Ich rede mit dir."

"Ist das nötig?" Meilos linke Augenbraue wandert nach oben. "Was ist denn?", frage ich ihn ergeben, schmuse jedoch über seinen Hals.

"Ich gehe mir schnell etwas Obst holen. Magst du auch was?"

"Obst? Jetzt?"

"Klar. Obst ist gesund. Das hast du mir doch beigebracht."

"Küssen auch. Das ist sogar wissenschaftlich bewiesen." Meilo schmunzelt und entzieht sich meinen Fängen. "Lass mich nicht zu lange warten", brumme ich und wickle mich in der Bettdecke ein.

"Würde ich nie machen!" Weg ist er.

Na gut, wenn Meilo Obst naschen möchte, guck ich mal, ob ich nicht einen gescheiten Musiksender finde. Munter drücke ich auf der Fernbedienung herum, nachdem ich sie unter meinem Hintern gefunden habe, und siehe da, das Teil hat sogar ein Radio. Dazu mit einer beträchtlichen Auswahl an Sendern. Ich suche einen mit 80er Jahre Musik raus und lege die Fernbedienung wieder weg. Diesmal auf den Nachttisch.

Depeche Mode erfüllt den Raum. Ich summe leise mit und wippe dabei mit dem Fuß im Takt. Wo bleibt Meilo denn nur? Es dauert ein paar Minütchen, dann beehrt er mich endlich wieder mit seiner Präsenz. "Musstest du den Apfel und die Banane erst noch pflücken gehen?", begrüße ich ihn.

"Nein", antwortet er und krabbelt wieder zu mir ins Bett. "Hier. Der ist für dich." Mir wird besagter Apfel entgegen gehalten.

"Ich wollte doch nichts."

"Nun nimm schon." Bevor ich mich schlagen lasse ...

"Und jetzt?" Meilo stöhnt und dreht den Apfel in meiner Hand einmal herum. "Was ist denn das?"

"Hab ich für dich gemacht."

Ich verkneife mir ein Lachen. "Du hast für mich schon den halben Apfel aufgefuttert?"

"Nein! ... Ach Mann!" Meilo stiert mich bedröbbelt an. "Das ist ein Herz! Ich hab dir ein Herz gemacht."

Es tut mir leid, aber ich kann mein Lachen nicht mehr zurück halten. "Mit den Zähnen?"

"Ja."

"Warum?"

"Keine Ahnung." Meilo legt sich auf den Rücken und popelt sichtlich beleidigt an der Bananenschale herum.

"Hey. Nicht schmollen", sage ich zu ihm und drehe mich zu ihm hin.

"Es war eine bescheuerte Idee. Vergiss es." Nicht lachen Niclas! Unter keinen Umständen!

Ich schaffe es, weitere Kicherlaute zu unterdrücken und beschaue den Apfel genauer. Er hat es tatsächlich geschafft, so etwas ähnliches wie eine Herzform in den Apfel zu knabbern. Sehr geschickt. Obwohl ich ja schon länger weiß, dass er sehr geschickt mit seinem Mund ist. Das beweisen die vielen Flecken und ... Oh! "Love bite?", rate ich ins Blaue. "Soll das dafür stehen?"

Unsicher schielt mich mein Schatz an. "Kindisch, ich weiß." Total kindisch! Und kitschig! Oberkitschig! Du meine Güte! Das ist echt schwul!

"Ich liebe es", grinse ich und rolle mich halb auf meinen heißgeliebten Knutschfleckenfetischisten. "Die Idee gefällt mir."

"Echt?" Ich nicke. "Das sagst du nicht nur so?"

"Ich habe keinen Grund dich anzulügen."

"Nein?" Ich schüttle den Kopf. "Außer einen."

"Und der wäre?"

"Damit du das hier bekommst", wispert Meilo, greift meine Hand, die den Apfel hält, beißt in die süße Frucht hinein und küsst mich.

Hm ... Ein zuckersüßer Apfel-Kuss. Die pure Versuchung, die sogar die Vertreibung aus dem Paradies wert ist. Und zwar für jeden einzelnen, wundervollen Bissen ...
 

******

Love bite 14 - Aber dann ...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 14 - Aber dann … (Ohne Adult)

Hy! Hier ist auch schon das nächste Kapitel. Etwas später als geplant. Irgendwie konnte ich mich jetzt schon einige Male nicht auf Animexx anmelden. Aber jetzt geht es wieder. Hoffentlich bleibts so ;-)
 


 

Love bite 14 - Aber dann … (Ohne Adult)
 

Es regnet. Direkt auf mein Gesicht. Hauchzarte Küsse sind es, die auf mich niederregnen, und mich auf eine sehr angenehme Art und Weise aus den Schlaf reißen. Dennoch: Ich will weiterschlafen!

"Meilo?" Meine Stimme klingt verschlafen und rau. Als ich die Augen ein kleines Stückchen weit aufmache, erkenne ich, dass es noch dunkel draußen ist. Meiner Müdigkeit nach zu urteilen, kann die Nacht auch noch nicht allzu weit fortgeschritten sein. "Meilo, das kitzelt", brumme ich und rolle mich auf die Seite.

"Mach die Augen ganz auf", säuselt mein mehr als munterer Schatz. "Ich habe eine Überraschung für dich."

"Kann die nicht bis morgen warten?" Ich bin müde!

"Schon, aber dann haben wir nicht mehr viel Zeit, um sie zu genießen." Da klingeln jetzt doch meine Öhrchen! Vor allem, da er recht hat. Schlafen kann ich noch Zuhause, aber Meilo vernaschen, dafür bleibt mir nicht mehr viel Zeit.

Ich drehe mich wieder herum, diesmal Meilo zugewandt, und stemme die Augenlider nach oben. "Seh nix", stelle ich fest. Es zischt leise. Ein kleines orangefarbenes Licht flammt auf. Meilo sitzt auf dem Bett und entzündet eine Kerze. Das muss die sein, die abends draußen auf dem Tisch gestanden hat. Er stellt sie hinter sich auf den Nachttisch und legt sich wieder hin.

Den Kopf auf seine Hand gestützt, grinst er mich an. Ich schaue an ihm hinab und muss schlucken. "Du hast ihn an?"

"Habe ich", gluckst er. "Ich dachte, wir weihen ihn noch schnell ein, bevor du fährst."

"Gute Idee", finde ich und starre unverhohlen auf den roten Jock, den Meilo am Leib trägt. "War da schon immer dieses Ausbuchtung?"

Meilo schmunzelt und schüttelt leicht den Kopf. "Nein, die gibt es nicht zu kaufen."

"Was für ein Glück!", japse ich und robbe näher an ihn heran. "Ich würde Amok laufen, wenn sich das jeder kaufen könnte."

"Würdest du das?"

"Logisch. Die Ausbuchtung in deiner Hose geht nur noch mich etwas an ..." Beherzt packe ich zu. Natürlich nach besagter Ausbuchtung. Meilo zieht scharf die Luft ein, stöhnt dann aber. Ich beuge mich ihm entgegen. Kleine Küsse landen auf seiner Brust.

"Da bin ich aber froh", raunt er heißer. "Denn ich wollte dich was fragen, was mir seit ein paar Tagen schon im Kopf herumgeht." Er will mich etwas fragen?

Neugierig lasse ich von Meilos Brust ab und schaue ihn fragend an. "Was geht dir denn schon seit Tagen im Kopf herum?" Da bin ich aber mal gespannt.

"Vertraust du mir?", fragt er mich leise und wirkt plötzlich total schüchtern.

"Ja. Natürlich vertraue ich dir. Warum fragst du das?" Meilo wirkt aufgewühlt. Sehr merkwürdig …

"Vertraust du mir auch soweit, dass … nun ja … wir die hier weglassen können?" Neben uns knistert Plastik. Als ich hinschaue, sehe ich, wie Meilo ein noch verpacktes Kondom mit den Fingern malträtiert. Jetzt dämmert es mir!
 

Unsicher blicken wir uns in die Augen. Klar vertraue ich ihm, aber zuerst möchte ich wissen, ob er mir auch in dieser Hinsicht vertraut. "Du meinst, ob ich dir insoweit vertraue, dass ich dich ohne an mich lassen würde?" Er nickt. "Vertraust du mir denn?"

"Hast du mit Kilian immer Verhütet?", fragt er mich, anstatt zu antworten.

"Nein", antworte ich wahrheitsgemäß. "Wir waren ja ein Paar. Als es allerdings aus zwischen uns war, habe ich deshalb auch einen Test gemacht." Die Angst, er könnte mich am Ende doch betrogen, und mit irgendwas angesteckt haben, ließ mich einfach nicht los. Ich wusste nicht mehr, woran ich an Kilian war, und wollte einfach sicher gehen.

"Und?"

"Bei mir ist alles in Ordnung", erwidere ich.

"Okay, wenn du das sagst, dann vertraue ich dir." Meilo strahlt mich an und legt seine Hand in meinen Nacken.

"Wann war dein letzter Test?" Sorry Schatz, aber das muss ich jetzt noch wissen.

"Das war wie bei dir. Nachdem mich mein Ex betrogen hatte. Danach habe ich mir von einem Typen mal einen blasen lassen, aber mehr Action gab es vor dir nicht. Und bevor du nochmal fragst, bei mir ist auch alles in bester Ordnung." Das reicht mir als Antwort.

Mein Herz klopft aufgeregt. Wir tun das jetzt wirklich! Überschwänglich klaube ich mir einen stürmischen Kuss von Meilo, ehe ich dort weiter mache, wo ich aufgehört habe.
 

*
 

Wie ein Schluck Wasser hänge ich in der Kurve, ober besser gesagt, halb über Meilo gebeugt. Hui, was für ein Ritt!

Wie erschlagen kippe ich seitlich auf die Matratze. Meilo nimmt an mir ein Beispiel und purzelt gegen mich, als auch er auf der Seite liegen bleibt. Sein Rücken an meine Brust gepresst, liegen wir da. Schnaufend und wartend, bis wir wieder einen klaren Gedanken fassen können. Das dauert eine Weile, aber ich genieße es. "Ich will nicht, dass du fährst", höre ich Meilo murmeln. Ich war eben kurz davor, wieder einzuschlafen.

"Das will ich auch nicht", seufze ich. Meine Nase drückt sich in Meilos Haar. Wie weich ...

"Wie wäre es, wenn ich einfach mit dir fahre?"

Ich muss anfangen zu grinsen. "Klar. Ich packe dich in meinen Kofferraum, damit dich niemand sieht, wenn ich mit dir über die Autobahn brause."

"Ich meine das ernst." Sein Kopf ruckt zu mir herum. "Ich könnte mich mit dir ins Auto setzen und weg wären wir. Niemand würde mich bei dir suchen." Mir bleibt die Spucke weg. Meilo meint das wirklich ernst?!

Ich setze mich auf und schaue Meilo skeptisch an. "Du bekommst mächtige Probleme, wenn du einfach abhaust", sage ich zu ihm, obwohl ich am liebsten sofort unsere Sachen packen, und mit ihm davonfahren würde.

Meilo seufzt und fährt sich mit der Hand übers Gesicht. "Ich weiß." Traurig blickt er zu mir auf, hebt nun seine Hand und streichelt mir damit über die Wage. "Man wird ja noch träumen dürfen." Ich werde mit einem Schlag total wehmütig. Ab morgen sind wir wieder getrennt ...

"Ich hätte dich so gern bei mir", flüstere ich Meilo zu und greife nach seiner Hand. Ich drücke sie fest und schmiege mein Gesicht in die warme Handfläche. Sanft hauche ich einen Kuss auf sie.

"Das dauert noch ein kleines bisschen. Aber dann ..." Er lächelt mich an.

"Ja. Aber dann ..."
 

***
 

Prüfend fahre ich mir übers Kinn. Leicht kratzig. Da ist wohl mal wieder eine Rasur fällig. Vor mich hinsummend schäume ich mich gut ein, schnappe mir meinen Rasierer und lege los. Hinter mir rauscht noch immer die Dusche. Meilo wollte noch nicht raus, oder besser gesagt, er muss sich noch einmal einseifen. Ich bin daran aber unschuldig! Er hat angefangen ... Ehrlich!

Ich widme mich weiter den Stoppeln in meinem Gesicht, werfe hin und wieder einen Blick in den Spiegel, dorthin, wo ich Meilo unter den Wasserdampfschwaden vermute, und versuche nicht an nachher zu denken. Noch bin ich hier bei ihm. Keinen Grund zur Panik, also konzentriere dich und versuch dir nicht mit der Klinge die Haut abzuschälen.

Zu meiner Freude geht aber alles gut. Mein Kinn ist wieder glatt und ich habe mich noch nicht mal dabei geschnitten. Der Rasierer fliegt zurück in mein Kulturbeutelchen. Noch ein bisschen was zur Beruhigung der Haut drauf, und fertig. "Uh. Da hat ja jemand wieder ein babyweiches Gesichtchen." Arme legen sich von hinten um mich und eine Hand stiehlt sich frecherweise unter das Handtuch, dass ich mir um die Hüfte gewickelt habe. Meilo hat zu Ende geduscht.

"Willst du mal fühlen?", frage ich ihn, womit ich nicht den vom Handtuch verdeckten Teil meines Körpers meine, und drehe den Kopf etwas zur Seite.

"Vielleicht nachher. Dein Nacken ist auch wundervoll weich", brummt er genussvoll und schmust über den besagten, wundervoll weichen Nacken. Keinen Wimpernschlag später, saugt er auch schon daran.

"Willst du mir noch mehr Flecken verpassen?"

"Wieso nicht?", fragt er mich nuschelnd. "Die müssen eine Weile vorhalten."

"Knutschflecken auf Vorrat?" Ich muss anfangen zu lachen.

"Klar."

"Schreib doch darüber mal einen Song." Das musste jetzt sein.

Ich kann richtig fühlen, wie Meilo zu grinsen beginnt. Leises Summen setzt ein, dann singt dieser Idiot wirklich! "Ich mach sie dir ... immer wieder ... Knutschflecken auf Vorrat ..." Mich hält nichts mehr. Ich lache laut los.

"Hör auf!", gackere ich und drehe mich zu Meilo herum.

"Du wolltest es doch so", schmunzelt er.

"Kann nicht sein." Ich schüttle den Kopf, lehne meine Stirn dann jedoch gegen Meilos. "Seit wann singst du eigentlich auch auf deutsch?"

"Bis jetzt habe ich das noch nie versucht", meint er.

"Hast du es mal vor?"

"Vielleicht. Deutsche Songs sind arg im Kommen."

"Ah ja. Weil du ja unbedingt berühmt werden willst." Ich glaube, das hätte ich nicht sagen sollen. "Das war nicht böse gemeint!", setzte ich deswegen gleich nach. "Sorry."

"Du musst dich nicht entschuldigen. Du hast ja recht." Meilo streichelt beruhigend über meinen Rücken. "Aber ich liebe es zu singen. Und ich liebe es auch aufzutreten. Was ich aber nicht liebe, sind diese ganzen Regeln und dieser Knebelvertrag, mit dem man mich schon lange genug malträtiert hat. Ich will Musik machen, hinter der ich auch stehe." Verständlich. "Und ich will jedem ins Gesicht brüllen, dass ich mit dem unbeschreiblichsten Mann der Welt zusammen bin." Meilo strahlt mich an.

"Willst du das?" Er nickt, wobei mein Kopf automatisch mitnickt, da wir noch immer Stirn an Stirn voreinander stehen.

"Ich liebe dich." Mein Bauch löst sich auf. In einen riesigen Schwarm Schmetterlinge.

"Ich dich auch." Wie zwei Magneten ziehen sich unsere Lippen gegenseitig an. Ich kann nicht sagen wieso, aber dieser Kuss fühlt sich schon verdammt nach Abschied an.

Ich verdränge dieses Gefühl, doch in meinem Hinterkopf bleibt weiterhin die unumstößliche Gewissheit, dass wir nicht mehr viel Zeit haben für körperliche Liebesbekundungen. Deswegen will es mir auch nicht gelingen zu lächeln, als wir uns wieder voneinander lösen. "Guck bitte nicht so. Dann werde ich auch jedes Mal traurig." Meilo mustert mich aus seinen grünen Augen. Meilogrün. Meine Lieblingsfarbe.

"Ich kann nicht anders", antworte ich ihm leise und piekse mit dem Zeigefinger auf Meilos Bauch herum. "Wenn ich könnte, würde ich bis Jahresende hinter dir herreisen. ... Wie ein Groupie." Wir lachen.

"Darf ich dich dann auch vernaschen? Ganz groupiemäßig?"

"Da fragst du noch?" Empört über diese Frage, packe ich sein Handtuch. Flupp. Adieu du kleines Stück Frottee. "Du weißt doch, dass du alles mit mir machen darfst", gurre ich und gehe auf die Knie.

"Gott Nic!" Meilos Finger wuscheln durch mein Haar, als ich mich um seine Körpermitte kümmere.
 

"Du bist unersättlich", keucht Meilo.

Ich stehe wieder auf und wische mir mit dem Daumen über den Mundwinkel. "Vorrat. Schon vergessen?" Meilo legt den Kopf schief und verpasst mir einen feuchten Kuss. Mehr!

"Bist du fertig? Ich müsste auch ans Waschbecken."

"Tu dir keinen Zwang an." Ich trete zur Seite und hebe das Handtuch auf. Es wandert in die Wanne, zusammen mit meinem. Ich will nicht, aber ich denke, es wird langsam Zeit, dass ich mich anziehe.

Lustlos suche ich mir einfach was aus meinen Klamotten aus, ziehe sie mir über, und beginne mit dem Packen. Viel habe ich nicht in den Koffer zu stopfen, aber er ist trotzdem voll, als ich zum Schluss den Kulturbeutel oben drauf lege. "Fertig?"

"Ja", antworte ich griesgrämig.

"Du siehst aus, als hättest du in eine Zitrone gebissen."

"Ich fühle mich eher so, als wäre ich die angebissene Zitrone." Wie ein nasser Sack falle ich aufs Bett.

Meilo kommt zu mir und setzt sich neben mich. An meine linke Seite gelehnt, greift er nach meiner Hand und drückt sie. Wir sagen kein Wort. Wozu auch? Wir denken das Gleiche, fühlen das Gleiche. Es ist überflüssig, das auszusprechen, was wir beide wissen. "Ich sollte auch anfangen zu packen", meint Meilo schließlich und lässt meine Hand wieder los. "Hilfst du mir?"

"Klar." Mir bleibt ja nichts anderes übrig.
 

***
 

Es zirpt laut, als ich den Reißverschluss meines Koffers zuziehe. Meilo kramt noch die letzten Kleidungsstücke zusammen, dann hat auch er gepackt. Gleich ist es zehn Uhr. Bis dahin muss unser Hotelzimmer geräumt sein. Trübselig starre ich auf die Gepäckstücke. "Dann heißt es jetzt Abschied nehmen, hm?" Ich nicke Meilo zu und beiße mir auf die Unterlippe. "Ach Nic." Beinahe unsanft reißt mich Meilo an sich. Ich schlinge sofort meine Arme um ihn und verberge das Gesicht in seiner Halsbeuge.

"Wir telefonieren."

"Wie immer", krächze ich.

"Ja. Wie immer."

"Und sobald du in meiner Nähe bist ..."

"Sage ich dir Bescheid", beendet er meinen Satz.

Wir schauen uns an. Meilo umfasst mein Gesicht und presst seinen Mund auf meinen. Mir geht es dabei hundeelend. Man könnte meinen, das hier wäre ein Abschied für immer. Was hat dieser Kerl nur mit mir gemacht?! Aber ihm geht es auch nicht besser. Um das zu wissen, muss ich ihm nur in die Augen sehen. Ihm geht es so mies wie mir. "Du solltest besser gehen. Gerd kommt gleich, um mich abzuholen." Ich nicke schwach und lasse ihn los.

"Ich schreibe dir eine SMS, wenn ich angekommen bin."

"Ist gut. Ich dir auch." Verhaltenes Lächeln. Ich zwinge mich regelrecht dazu, Meilo nicht weiter anzuschauen, und lange nach meinem Koffer. "Fahr vorsichtig."

"Du auch. ... Bye." Wie ich Abschiede hasse! Nein. Das trifft es nicht genau. Ich hasse Abschiede von Meilo.

Ich verlasse das Schlafzimmer der Suite, durchquere den Wohnbereich und halte auf die Tür zu, als ich Schritte hinter mir höre. "Nic!" Während ich mich umdrehe, knallt mir der Koffer aus der Hand. Ich brauche sie, denn wie soll ich sonst Meilo auffangen, der auf mich zugeflogen kommt?

Fest liegen wir uns in den Armen. "Scheiße! Wir sind kitschiger als eine Soap im Vorabendprogramm", brabble ich gegen Meilos Hals.

"Egal", meint er. "Das erfährt ja niemand." Tada! Schon muss ich wieder grinsen. Meilo schafft es doch immer wieder.

"Ich sollte jetzt wirklich gehen. Sonst erwischt man uns noch."

"Ja ...", seufzt mein Schatz, küsst mich, und lässt mich los. "Denk an mich." Wenn er wüsste!

"Ich tue nichts anderes." Na gut. Jetzt weiß er es.

Zum wiederholten Male schnappe ich mir meinen Koffer, öffne die Tür, und trete hinaus in den Flur. Meilo winkt mir lächelnd zu, als ich im Begriff bin, sie zu schließen, und ihm noch schnell einen Handkuss zuwerfe. Meine Damen und Herren, hiermit ist der Gipfel des Kitschs erreicht. Meinen herzlichsten Glückwunsch!
 

Alleine im Flur stehend, versuche ich meinem schmerzenden Herzmuskel gut zuzureden. Wir werden uns bald wiedersehen. Dafür werde ich schon sorgen. Ich muss!

Damit ich schnell von hier weg komme, und nicht der Versuchung unterliege, wieder zurück zu gehen, versuche ich meinen Kopf auszuschalten, während ich geradewegs auf die Aufzüge zulaufe. Ich bleibe am Erstbesten stehen und drücke wie wahnsinnig auf den Knopf. Komm schon! Neben mir schieben sich die Aufzugtüren auf. Na dann nehme ich eben den.

"Ja. ... Ja, ich sage es ihm. Das werde ich alles mit ihm besprechen, sobald wir in Leipzig sind. Noch vor dem Konzert ... Ja." Der Aufzug muss warten. Perplex schaue ich dem Kerl nach, der soeben aus der Aufzugkabine getreten ist. Könnte es möglich sein, dass er...? Und ob! Das muss Meilos Manager sein, denn der Kerl bleibt vor seiner Zimmertür stehen und klopft fest gegen sie. Bevor Meilo ihm öffnet, verschwinde ich schnell im Aufzug.

Das war eben also dieser Gerd. Meilos Manager. Ein unsympathischer Zeitgenosse. Das hat mir alleine seine Haltung verraten. Er will mit Meilo reden. Noch vor dem Konzert in Leipzig. Wieso habe ich plötzlich so ein mieses Gefühl in meiner Magengegend?
 

***
 

"Bin wieder Zuhause!" Erschöpft stelle ich den Koffer im Flur ab. "Hallo? Jemand hier?"

"Niclas?" Der Kopf meiner Mutter taucht aus dem Wohnzimmer auf. "Schon zurück?"

"Soll ich wieder gehen?", frage ich sie aus Spaß.

Sie stemmt ihre Hände in die Hüfte, grinst schief und verengt die Augen zu alles durchdringenden Schlitzen. "Das hättest du gerne, hm? Gleich wieder zu deinen Meilo rennen."

"Tritt noch in die Wunde", stöhne ich, greife mir an die Brust und spiele sterbender Schwan.

Meine Mutter lacht und umarmt mich schließlich zur Begrüßung." Wie war denn dein Ausflug nach Bremen?"

"Zu kurz", murre ich. "Wie immer."

"Hattet ihr genug Zeit für euch?" Ich nicke verträumt. "Dann hat es sich doch gelohnt."

"Voll und ganz." Nur eben viel zu kurz. "Ist was zu Essen da? Ich verhungere."

"Auf dem Herd. Musst es dir nur noch mal warm machen." Yeah! "Pass aber auf, falls Nicole dir begegnet. Und sag nichts zu ihr, das sie aufregen könnte."

"Wieso? Hat sie ihre Tage?"

"Niclas!" Warum reagieren Frauen immer so gereizt auf diesen Spruch? "Nicht das ich wüsste", brummt sie. "Aber irgendwas mit Keith Kandyce hat sie ganz schön aus der Bahn geworfen."

"Ach?"

"Ja, ach." Sie schaut mich wissend an. "Sag es ihr."

"Nicht heute", wimmle ich meine Mutter ab und sehe zu, dass ich Land gewinne.

Bringt nur nix. Sie folgt mir in die Küche. "Du wirst es ihr nicht ewig verheimlichen können!"

"Vielleicht nicht, aber ich kann es zumindest versuchen."

"Mensch Niclas! Je länger du es ihr verheimlichst, desto schlimmer wird es für dich hinterher."

"Das kannst du nicht wissen." Vor allem da ich weiß, dass es, egal wann ich es ihr sage, sowieso schlimm für mich wird.

"Doch kann ich. Sie wird dich dafür hassen, dass du es ihr nicht schon eher gesagt hast. Glaube mir."

Ich atme laut aus und drehe mich zu meiner Mutter um. Sie steht da, mitten in der Küche, die Arme vor ihrer Brust verschränkt, und hält den Kopf schräg. Damit konnte sie mich als kleiner Junge arg beeindrucken. Diese Haltung drückt so was überlegenes aus. Als läge alle Weisheit der Welt in den Hirnwindungen meiner Mutter. Heute weiß ich, es ist der letzte Versuch, mich von ihrem Standpunkt zu überzeugen, ehe sie aufgibt. "Ich werde es ihr sagen. Aber nicht heute und auch nicht morgen. Der Zeitpunkt muss passen."

"Das sagst du schon seit Wochen."

"Der richtige Zeitpunkt war eben noch nicht da", verteidige ich mich. "Und jetzt Schluss damit. Ich hab Hunger." Ich wende mich wieder dem Inhalt des Topfes zu. Hm ... Hühnerfrikasse. Lecker!

Ich höre meine Mutter lange und gedehnt seufzen, etwas, dass sie nur tut, wenn sie weiß, dass sie auf verlorenen Posten kämpft. Dann entfernen sich Schritte. Sie hat aufgegeben. Vorerst.

Ich erwärme mir einen Teller voll Frikassee in der Mikro und trolle mich damit in mein Zimmer. Göttliche Ruhe umgibt mich. Ruhe und ... ich gebe es echt nicht gerne zu ... Einsamkeit. Das Handy liegt schneller in meiner Hand, als ich bis zwei zählen kann, und noch schneller habe ich Meilos Nummer gewählt. Eine SMS bringe ich jetzt nicht fertig. Ich muss seine Stimme hören! Zu meiner Freude hebt er nach zwei Mal klingeln ab. /Hey! Na?/

"Hey Schatz. Bin zu hause."

/Wie schön. Ich bin noch unterwegs, bin aber schon in Leipzig./

"Das ging ja schnell", staune ich.

/Ich bin geflogen./

"Geflogen?"

/Ja ... Ging nicht anders. Es kam noch ein Termin rein./

"Ach so." Armer Meilo.

/Ich sitze gerade im Taxi./

"Wenn du geflogen bist, konntest du dich wenigstens noch ein wenig entspannen, was?"

/Ja, war mal ganz angenehm. Und du? Wie war die Fahrt?/

"Ging so." Ich war nahe dran, ebenfalls nach Leipzig zu düsen. Das verrate ich ihm aber mal lieber nicht. "Die Autobahn war frei."

/Schön. ... Du, ich muss auflegen. Bin gleich am Hotel. Ich rufe dich nachher an, okay?/

"Tu das", antworte ich ihm. "Ich liebe dich."

Ich höre ihn atmen und ein leises /Dito/ flüstern. Er ist also nicht alleine im Taxi. Wahrscheinlich sitzt Gerd der Manager neben ihm. Ein brennender Klumpen bildet sich in meinem Bauch, ohne dass ich es will. Ich hasse diesen Kerl! Dabei kenne ich ihn noch nicht mal.

"Okay. Verstehe. Bis nachher."

/Jepp./ Aufgelegt.

Ich werfe das Handy vor mir auf den Schreibtisch, dann fange ich an zu essen, obwohl mir der Hunger inzwischen vergangen ist.

Was dieser Kerl nur mit ihm zu bereden hat? Bestimmt irgendwelchen Kram, der die Konzerte betrifft. Wieso aber, fühle ich mich unwohl bei dem Gedanken daran? Als wäre etwas im Busch. Diese Vorahnung, die meine Nervenenden kitzelt, macht mich noch total paranoid.

Sicher ist es nichts. Tourkram. Mehr nicht. Ich bilde mir da was ein, weil Meilo nicht bei mir ist. So muss es sein. Ich sollte meine angespannten Nerven beruhigen. Und mit was geht das besser, als mit meinem Programm?

Ich stehe deshalb gleich auf und starte meinen Laptop. Während er hochfährt, beschließe ich, noch schnell die dreckige Wäsche aus meinem Koffer zu holen. Auf dem Boden kniend hole ich die Tüte mit der Dreckwäsche raus und lege sie neben mich, um sie nachher runter in die Waschküche zu bringen, doch da fällt mir was ins Auge. Etwas rotes. "Das gibt's nicht", lache ich. "Du verrückter Kerl!" Meilos Jock! Er hat ihn mir in den Koffer gemogelt, wie auch immer er das geschafft hat.

Nachdenklich fahre ich mit dem Zeigefinger über den breiten Gummibund. "Hoffentlich ist alles gut bei dir." Ich werde einfach nicht dieses ungute Ziehen in meiner Magengegend los.
 

***
 

Kawooom! Es ist, als träfe mich eine Bombe. Eine, die nicht in die Luft fliegt, sondern meine Gehörgänge mit Musik bombardiert. Nicole!

Ich taste müde nach meinem Wecker. Halb eins durch. Nachmittags wohlgemerkt. Ich hab bis heute Morgen um vier an meinem Programm gehockt, nachdem ich noch ein wenig mit Meilo telefoniert hatte. Er war wie immer und es fiel kein Ton über das Gespräch mit seinem Manager. Das ist ein gutes Zeichen, weil es somit nichts war, was unsere Beziehung betrifft. Das ungute Gefühl in mir war wohl bloß Spinnerei. Was für ein Glück!

Ich wälze mich auf die Seite, mit dem Gesicht zur Wand, und ziehe mir die Decke über den Kopf, weil nun ein neues Musikstück beginnt. Lauter als das Vorige und auch vom Rhythmus her viel schneller. Ich muss nicht lange raten, welcher Musiker mich aus den Träumen gerissen hat. Nämlich der Selbe, der seit längerem immer wieder die Hauptrolle in ihnen spielt. Meilos Alter Ego Keith Kandyce.

Trotz der wummernden Bässe erkenne ich seine Stimme. Bilder aus der Suite kommen in mir hoch. Als er auf der Couch gesessen, und an neuen Songs gearbeitet hat. Wie schön das war. Und es war vor allem viel angenehmer, mit ruhigen Melodien von ihm geweckt zu werden. Aber noch schöner war es, dass er nach dem Aufwachen bei mir gewesen ist.

Die plötzliche Sehnsucht nach Meilo, die meinen Brustkorb einzwängt, lässt mich kaum atmen. Ich werfe die Bettdecke zurück und springe aus dem Bett. Das kann ich jetzt echt nicht gebrauchen!

"Nicole! Schalt den Krach aus, verdammt nochmal!" Wütend hämmere ich gegen ihre Tür, passe aber auf, dass ich dabei nicht gegen Meilos Konterfei schlage, das sich darauf befindet.

"NEIN!", schreit sie und dreht die Musik noch lauter.

Ich mahle mit meinem Unterkiefer. "MACH DAS AUS!"

"NEIN!" Was zu viel ist, ist zu viel. Ich drücke mit aller Gewalt gegen Nicoles Zimmertür, die sie schon vorher abgeschlossen haben muss, sicher, weil sie geahnt hat, dass ich kommen würde. "VERSCHWINDE!", höre ich sie rufen, aber ich gebe nicht auf.

Sauer trete ich auf die Tür ein. Ja ehrlich! Ich bin selbst ganz erstaunt über meine Wut. Es ist, als stände ich neben mir und würde mich dabei kopfschüttelnd beobachten, aber ich trete weiter, schlage auf diese dämliche Tür ein und dann passiert es. Ratsch! Ich halte das Keith Kandyce Poster in den Händen, oder viel mehr, einen Teil davon. Die Mitte von Meilos Gesicht, um noch genauer zu sein. "Scheiße!" Das war jetzt taktisch unklug. "Nicole?!"

"VERPISS DICH ENDLICH!"

"Ich habe dein Poster erwischt."

"WAS?!" Die Musik verstummt, laute Schritte. Ein Klicken und offen ist die Tür. Nicole starrt erst mich, dann den Posterschnippsel in meiner Hand an. "Du Arsch!", wütet sie los und entreißt mich das Posterüberbleibsel. "Warum tust du das?!"

"Du bist selbst schuld", grante ich sie an. "Warum drehst du auch immer diese Kackmusik so laut? Ich hab dir Kopfhörer geschenkt! Diese dämlichen Konzertkarten, und wie dankst du es mir? Du treibst mich zur Weißglut!" Nicht nur sie kann sauer herumzicken. Ich kann das auch ganz gut, und bin damit schon viel länger im Geschäft als sie.

Nicole atmet schwer, hat die Stirn zusammengezogen und sieht alles andere als begeistert aus. "Du hast doch gar keine Ahnung, du Vollarsch", jammert sie und schlägt mir die Tür vor der Nase zu. Bevor sie jedoch wieder abschließen kann, habe ich sie wieder geöffnet und einen Fuß zwischen geschoben. "Geh doch endlich!", fiepst sie.

"Heulst du?"

"Kann dir doch egal sein." Und ob sie heult.

Ich bin anscheinend zu weit gegangen. "Es tut mir leid. Ich kauf dir ein neues Mei... äh Keith Poster." Oh Fuck! Beinahe hätte ich mich versprochen!

"Darum geht's doch gar nicht." Der Druck, der von innen auf die Tür drückt, verschwindet.

Vorsichtig trete ich ein. Die Musik läuft immer noch, nun aber so leise, dass man sie kaum versteht. Trotzdem, Meilos Stimme lässt mich schlucken. Ich vermisse ihn!

Nicole hockt mit angezogenen Beinen auf dem Bett, das Gesicht gegen ihre Knie gedrückt. Ich höre sie schluchzen. "Darf ich mich zu dir setzen?", frage ich sie. Mir wird mit einem aussagekräftigen Schulterzucken geantwortet. "Also ja", schlussfolgere ich daraus und setzte mich auf die Bettkante. "Was ist denn passiert?"

"Was interessiert es dich?"

"Du heulst, und wenn kleine Schwestern heulen, haben größere Brüder die Pflicht, nachzuschauen, was die kleine Schwester so zum heulen bringt."

"Haha", sagt sie tonlos. "Als ob du dich jemals darum geschert hast, wenn es mir dreckig ging."

"Muss ich dich erst an das Konzert erinnern? Ich habe mich für dich eingesetzt." Sie knurrt leise. "Und wie oft habe ich dich damals in Schutz genommen, wenn du mal wieder vergessen hast, den Kühlschrank zu schließen?"

"Da war ich noch fast ein Baby."

"Eben drum", sage ich. "Jetzt komm schon. Sag's mir." Ich fasse es nicht, dass ich vor meiner Schwester hocke und sie anflehe, mit mir zu reden. Aber ich bin kein gefühlskalter Klotz. Es geht ihr schlecht, und Mama meinte ja auch, irgendwas sei passiert. Mit Keith Kandyce wohlgemerkt. Wahrscheinlich ist das mit seinem Karriereaus bekannt geworden. Warum sonst ist meine Schwester so am Boden zerstört? Das würde auch Gerds Telefonat erklären, das ich mitangehört habe. So muss es sein. Keith Kandyce ist bald Geschichte, und die Fans haben es herausgefunden.

"Hör mal ... Es ist kein Weltuntergang, wenn ..."

"Er hat jemanden!", schreit sie und blickt auf. Rote, verquollene Mädchenaugen. "Keith hat sich irgendwo eine Schlampe angelacht!" Kawooom! Bombe Nummer zwei wurde an diesem Morgen gezündet. Diesmal hat man sie mir direkt in die Fresse geworfen, als sie in Millionen Stücke geflogen ist.
 

Ich räuspere mich und versuche Haltung zu bewahren und mich nicht in Panikschweiß aufzulösen. "Wie kommst du darauf?", will ich von ihr wissen.

"Es steht im Forum."

"Welchem Forum?"

"Im Keith Kandyce Forum. Wo sonst? Kandy-Girl_01 hat geschrieben, dass jemand in einem Onlineartikel erwähnt hätte, dass Keith schon mehrere Songs für diese Bitch geschrieben hat. Dass die ganzen Liebeslieder ..." Sie wischt sich über die Nase. Lecker. "... Das alle Liebeslieder, die er geschrieben hat, ihr gelten." Kuller, kuller. Salzige Tropfen schlängeln sich über ihre Wangen. "Er hat all die Lieder tatsächlich für jemanden geschrieben, den er liebt … Für irgend so eine dämliche Fotze!"

"Eine Fotze?", quieke ich. "Das ist aber nicht sehr nett ausgedrückt." Ich bin weder eine Fotze, noch habe ich eine! Jedenfalls nicht dass ich wüsste. Und Meilo wäre es sicher auch aufgefallen, hätte ich eine. Nur mal so nebenbei bemerkt.

"Das ist sie aber", kräht Nicole und verzieht ihr Gesicht. Ich bekomme Angst. Sie ist im Augenauskratzmodus. Wenn sie wüsste, dass ich die Fotze bin, dann ... Nur nichts anmerken lassen! "Sie hat ihn uns weggenommen! Wegen dieser Schlampe ist Keith vom Markt!" Das hört sich an, als hätte man Meilo auf dem Viehmarkt verhökert. Und ich war der Höchstbietende ...

"Sie hat ihn euch doch nicht weggenommen", versuche ich beschwichtigend auf Nicole einzureden. Hier geht es schließlich auch um meine Haut. "Seine Musik bleibt euch doch."

"Du kapierst es einfach nicht!", schnaubt sie. "Ich liebe ihn!" Oh Mann!

"Du liebst ihn nicht wirklich. Du glaubst das nur, weil du dich da in was hineinsteigerst." Ich schaue sie ernst an. Ich glaube, ich muss ihr mal die verweinten Äugelein öffnen. Und das muss ich tun, bevor sie die Wahrheit von Meilo und mir erfährt. "Hör mal. Ich kenne das. Ich war damals auch total verknallt in einen Star. Aber das geht vorbei. Spätestens dann, wenn du einem netten Jungen begegnest, der auf dich so anziehend wirkt, dass du gar nicht mehr anders kannst, als nur noch an ihn zu denken und dir zu wünschen, dass er bei dir wäre." Kann es sein, dass ich hier gerade von mir spreche?

"Glaube ich nicht", schnieft Nicole. "So sehr, wie ich Keith liebe, sterbe ich lieber, als mich in einen anderen zu verknallen."

"Das sagst du jetzt", grinse ich. Giftige Blicke versuchen mich niederzustrecken. "Okay", seufze ich. "Ich glaube dir ja, dass das, was du da fühlst, ziemlich heftig für dich sein muss. Aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was dir jemand geben kann, der dich ebenfalls liebt. Keith Kandyce ist eine Fantasie-Person. Ein Sänger, der sich und seine Musik verkauft. Nicht mehr und nicht weniger." Und bald ist er dein Schwager, kleine Nicole. Schluck!

"Er ist keine Fantasie. Er ist mein Traummann."

"Falsch!" Er ist mein Traummann.

"Fick dich!" Nein, ich lasse mich lieber ficken. Anderes Thema!

"Mal rein hypothetisch", starte ich einen neuen Versuch. "Was, wenn du Keith kennenlernen würdest? Was dann?"

Nicole wird doch tatsächlich rot! "Dann sage ich ihm, was ich für ihn empfinde."

"Und dann? Meinst du, er lässt alles stehen und liegen für dich?" Sie zuckt mit den Schultern. "Wohl eher nicht. Der Kerl hat ein ganz anders Leben in der Realität. Das, was er auf der Bühne und in den Videos ist, dass ist nur Show."

"Das kannst du nicht wissen!"

"Doch, kann ich weil", weil ich ihn kenne. Weil ich die Fotze bin, die euch Meilo 'wegnimmt'. "Weil das bei den Stars immer so ist", beende ich den Satz. Ich kann es ihr noch nicht sagen. Nicht, wenn mein Augenlicht auf dem Spiel steht. "Und falls er wirklich vergeben ist, dann freue dich doch für ihn, dass er sein Glück gefunden hat." Nicole schüttelt kaum sichtbar den Kopf. "Schade", sage ich leise. "Sehr schade." Ich stehe auf und sehe zu, dass ich Land gewinne. Ich muss hier raus!
 

***
 

"Was hast du denn?"

"Nichts", murmle ich gegen den Handballen, mit dem ich meinen schweren Kopf abstütze. Fühlt sich an, als wöge er heute Tonnen.

"Du isst ja gar nichts. Irgendwas muss doch sein!" Meine Mutter wacht wie immer mit ihren alles erblickenden Argusaugen über mich. Ist ja auch nicht schwer zu deuten, mein lustloses Herumgestochere im Essen.

Ich schiele zu Nicole rüber, die ebenfalls aussieht, als würde sie alles Leid der Welt auf ihren Schultern tragen. Sehr wahrscheinlich empfindet sie auch so. "Ach Kinder! Habt ihr euch schon wieder gestritten?", schnaubt meine Mutter und mustert uns abwechselnd.

Nicole erwacht zum Leben. "Er hat gesagt, dass ich mich darüber freuen soll, dass sich so eine dämliche Schlampe Keith unter den Nagel gerissen hat!"

"Nicole! Einen anderen Ton bitte!", poltert mein Vater los. "Und fang nicht wieder von diesem verflixten Sänger an!" Der Häuptling hat gesprochen.

Mama räuspert sich und legt die Gabel auf ihrem Teller ab. "Liebling? Niclas hat recht", sagt sie in einem ruhigen, sachlichen Ton zu meiner Schwester.

"Hat er nicht!" Und das Gezeter geht wieder los. Ich war doch so glücklich darüber, dass sie mich mit Schweigen gestraft hat. Muss Mama das jetzt zerstören.

"Langsam mache ich mir Sorgen um dich, Kleines. Du steigerst dich da in was rein, was nicht gut für dich ist."

Es donnert laut. Nicole hat ihr Besteck fallen gelassen und springt vom Stuhl auf. "Nicole!" Die Stimme meines Vaters dröhnt hinter ihr her, aber das Fräulein hört natürlich nicht. Stattdessen knallt ihre Zimmertür zu und kurz danach, wie könnte es auch anders sein, schallt ein überlauter Keith Kandyce durch das Haus.

"Das wir noch keine Anzeige von unseren Nachbarn haben", wundere ich mich und stochere weiter in meinem Essen herum.

"Toll gemacht, Cora", wendet sich mein Vater an meine Mutter.

"Was denn? Du wolltest doch, dass ich mit ihr darüber rede."

"Aber nicht beim Essen." Jetzt zanken sich die beiden. Und da wundern sie sich, dass Nicole und ich immer wieder aneinandergeraten. Meine Eltern zoffen sich eher selten, doch wenn sie es tun, dann richtig.

"Es wäre nie so weit gekommen, wenn Niclas ihr endlich mal die Wahrheit gesagt hätte", grantet meine Mutter. Jetzt zieht sie mich auch noch da hinein! Als ob ich nicht schon tief genug darin stecken würde.

"Pff! Meinst du, das würde die Situation verbessern?"

"Vielleicht."

"Du weißt doch, wie Teenager sind. Da ändert sich so lange nichts, bis sie sich an ihre aufwallenden Hormone gewöhnt haben", meint mein Vater. Wie philosophisch. Dann sind also die neuen Hormone an meiner Meilo-Sucht schuld, die er hat in mir aufwallen lassen.

"Ach, so ein Unsinn!", regt sich Mama auf. "Wir müssen mit ihr reden. In aller Ruhe."

"Das wird nichts bringen."

"Du bist mal wieder der geborene Optimist!"

"Mensch. Ihr benehmt euch wie Kinder", sage ich zu den beiden und schreite ein, ehe sie sich richtig anfangen zu zoffen. "Vertragt euch wieder." Mama legt den Kopf schief. Ich weiß, was sie denkt. "Ich sage es ihr, in Ordnung?"

"Und wann?" Wenn die Hölle einfriert.

"Wenn sie runtergekommen ist", sage ich bloß und damit sind alle zufrieden. Bis auf mich. Ich sitze seit dem Gespräch mit Nicole auf heißen Kohlen, was man mir vielleicht nicht ansehen mag, aber innerlich bin ich am durchdrehen. Es ist durchgesickert, das Meilo mit jemanden zusammen ist. Noch weiß niemand, dass dieser jemand ich bin. Ein Kerl. Keine 'Fotze'.

Ich habe schon versucht, Meilo zu erreichen, aber er war bei einem Promotermin in irgendeiner Fernsehshow, und danach musste er sich für das Konzert heute Abend fertig machen. Das beginnt übrigens in zwei Stunden. Also muss ich noch warten, bis ich mit ihm reden kann, und das zermürbt mich.

Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass das Gerücht über Keith Kandyce' 'Schlampe', schon bei ihm und vor allem seinem Manager und seiner Plattenfirma angekommen ist. Bestimmt hat Meilo jetzt riesigen Ärger.

Bin ich daran schuld? Ich fürchte so ist es. Ich habe alles ins Rollen gebracht. Ob ich das wollte, oder nicht. Und wenn man noch so vorsichtig ist, irgendwann kommt so etwas immer raus. Bleibt abzuwarten, was mit Meilo nun passiert. Ich würde es mir niemals verzeihen, wenn er deswegen diese Strafe zahlen muss.
 

Ich schiebe den halb leeren Teller von mir und stehe auf. "Bin satt", verkünde ich und räume meinen Kram vom Tisch. Meine Mutter sagt nichts, was eher selten vorkommt. Sie kann sich bestimmt denken, warum ich diesmal nicht aufesse. Durch die ganze Sache bekomme ich keinen Bissen mehr runter. "Euch einen schönen Abend noch. Ich hau mich vor den Laptop." Mein Vater brummt mürrisch und meine Mutter nickt. Wenigstens sprechen sie es nicht laut aus, was sie über meine Programmiererei halten. Es reicht mir, wenn ich ihnen ansehe, was sie darüber denken. "Bis morgen."

"Nacht Schatz. Und mach nicht wieder so lange. Das gibt schlechte Augen."

"Ich werde es mir merken, Mama." Versprechen tue ich es ihr nicht, denn ich brauche Ablenkung. So lange, bis Meilos Konzert vorbei ist, und ich mit ihm reden kann.
 

******

Love bite 15 - Offiziell und Inoffiziell

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 15 - Offiziell und Inoffiziell (Ohne Adult)

Love bite 15 - Offiziell und Inoffiziell (Ohne Adult)
 

Unruhig tippe ich mit dem Zeigefinger auf der Schreibtischplatte herum. Der Bildschirm meines Laptop leuchtet mich kühl an. Wenigstens etwas, zu das er nutze ist, den viel verändern tut sich darauf nichts. Es ist nicht zu fassen, aber ich kann mich nicht konzentrieren! Sonst ist es meist so, dass wenn ich vor meinem Programm sitze, dass ich sofort ganz dabei bin, und alles vergessen kann, was mich den Tag über so beschäftigt hat. Heute: Fehlanzeige. Ich tippe nur Mist zusammen, verhasple mich ständig in den Zeilen und muss zigmal nachschauen, wo ich denn eigentlich gerade bin, und überlege dann jedes Mal, was ich überhaupt eingeben wollte. Sowas ist mir wirklich noch nie passiert! Jedenfalls nicht so extrem wie heute.

Daran ist nur Meilo schuld! Er und seine blöde SMS! Vorhin erreichte mich seine Nachricht, dass er unser Telefonat auf morgen verschieben muss, weil er es heute Abend nicht mehr schafft. Eine Aftershowparty, auf die er sich unbedingt sehen lassen muss. Und als ich ihn zurück rufen wollte, war sein bereits Handy aus.

"So ein Käse!" Ich stoße mich vom Schreibtisch ab und rolle ein Stück nach hinten, um aufzustehen. Mein Weg führt mich ins Badezimmer, wo ich mich erleichtere und dann die Hände waschen gehe. Im Spiegel begegnet mir mein müder Blick. Ich hab Tränensäcke, so groß wie die Ringe des Saturn.

Ich mustere mein Gesicht. Es sieht nicht nur aus, als hätte ich die letzten drei Nächte durchgemacht, ich fühle mich auch so. Es macht mich echt fertig, dass ich noch nicht mit Meilo telefonieren, und mit ihm über dieses Gerücht sprechen konnte. Ich hab Schiss, dass er deswegen Stress mit seiner Plattenfirma bekommt. Wer weiß schon, wie die darauf reagieren, wenn sie das lesen, was Nicole in diesem Forum entdeckt hat.

Ich wische mir mit der noch feuchten Hand über die geschwollenen Augenränder und schlurfe aus dem Bad. Wieder vor dem Schreibtisch hockend, schließe ich mein Programm. Heute wird das nichts mehr. Ich will den Laptop gerade runterfahren, da halte ich inne. Ich muss es einfach wissen!

Den Browser angeklickt, taucht meine Startseite auf. Wie hatte Nicole gesagt? Das Keith Kandyce Fanforum? Ich gebs einfach mal in die Suchmaschine ein, dazu das Wort Freundin (mir stinkt es langsam, dass ich ständig als Frau betitelt werde) und drücke auf Enter. Ich habe Glück, oder Unglück, je nach dem wie man es sehen will. Gleich die erste angezeigte Seite ist ein Treffer. Ich klicke drauf und warte die grausamen Sekunden, bis sich die Seite vollständig aufgebaut hat.

Meilo springt mir in knalligen Farben vom Header entgegen. Na danke auch! Als ob ich nicht schon genug leiden würde! Ich scrolle runter, nur weg mit dir, du geschminkte Version meines Liebsten, und überfliege die Kommentare. Damit es schneller geht, gebe ich in die Suchleiste Freundin ein, und siehe da: 'Angeblich hat er eine Freundin. Ist das zu fassen?! Wer ist diese Bitch?! WIESOOO?!' Heul doch, Kandy-Fan_01! "So eine Scheiße", knurre ich und lese weiter.

Eigentlich steht dort nichts wirklich aufschlussreiches mehr. Nur Geheule von kleinen Mädchen, die ihre Träume, ihrem geschminkten und obendrein schwulen Superstar jemals nahe zu kommen, in die Mülltonne kloppen können. Ja, die Realität ist hart, ihr kleinen Mäuse. Man bekommt nicht immer, was man will. Manchmal bekommt man sogar viel mehr als man möchte. Wie schön wäre es, wenn Meilo ein stinknormaler Typ mit einem langweiligen Bürojob wäre! Aber dann wäre er ja nicht mein Meilo.

Obwohl die Kommentare allesamt nutzlos für mich sind, klicke ich mich durch die noch nachfolgenden vier Seiten und überfliege sie alle. Ich bin fast am Schluss angekommen, da entdecke ich einen Link. Darunter nur ein 'AHHHHHHHHH!!!' und ein freudig grinsendes Smily. Ich öffne den Link.

Ich gelange anscheinend auf die offizielle Seite von Keith Kandyce. Wieder sein Konterfei, diesmal nicht so knallig und sogar recht natürlich, dennoch weicht es noch sehr von meinem Meilo ab. Zum Glück!

Ich bin auf der News Seite gelandet. Der neuste Eintrag dort, wurde vor nicht mal einer Stunde veröffentlicht. Mir wird leicht übel, als ich ihn lese. Ich wische mir noch einmal über die Augen und atme tief durch. 'Keinen Grund zur Panik!', mache ich mir klar. 'Das hat nichts mit uns zu tun.' Ich lese den Eintrag ein weiteres Mal durch. Nur um sicher zu gehen, dass ich auch alles richtig verstanden, und nichts überlesen habe. Dort steht:

'An meine besorgten Fans,

Sicher habt ihr schon davon gehört, dass das Gerücht umgeht, ich hätte eine Freundin. Ich kann euch allerdings beruhigen und sagen, dass ich weder eine Freundin habe, noch in einer Beziehung bin. ...' Und so weiter und so fort. Ab da an kommt nur noch Fantalk.
 

Ich lehne mich zurück. Das Quietschen des Bürostuhls kommt mir unheimlich laut diesmal vor. Er hat es dementiert. Eigentlich gut, oder? Er hat keine Freundin, stimmt ja auch. Allerdings "Er ist in keiner Beziehung", flüstere ich und starre dieses Wort stoisch an. "Das muss er so schreiben", bete ich mir selbst vor. Da bin ich mir absolut sicher, doch es schmerzt.

Jetzt fühle ich mich wie das kleine, arme Mädchen, das seiner Illusion beraubt wird, dabei habe ich gar keinen Grund dazu.

Mit einem leisen Klicken klappe ich den Laptop zu und stehe auf. Nachdenken hat keinen Sinn mehr heute Nacht. Ich muss mir einfach bewusst machen, dass das nicht Meilos Kommentar ist, sondern der von Keith Kandyce und seiner Plattenfirma. Nicht mehr und nicht weniger.
 

***
 

"Du isst ja schon wieder nichts", schnauft meine Mutter mich ärgerlich an. "Du fällst mir noch vom Fleisch!"

"Tue ich bestimmt nicht", murmle ich verschlafen.

"Brütest du was aus?" Jetzt ist auch noch mein Vater besorgt und schielt mich skeptisch an.

"Tue ich nicht."

"Du bist auch viel früher auf als sonst."

"Konnte nicht schlafen."

"Warum denn?", fragt meine Mutter, die nun eher besorgt als ärgerlich dreinschaut.

Ich seufze. Warum sollte ich es ihr nicht erzählen? "Ich musste die ganze Nacht über an Meilo denken", beginne ich, komme aber nicht weiter, weil meine Schwester in die Küche gestürmt kommt.

Sie strahlt über beide Ohren. "Er hat keine Freundin!", ruft sie und quietscht. "Keith ist Single!" Ich schaue Mama an. Sie schenkt mir einen tröstenden Blick. Wetten, sie denkt, wir hätten uns getrennt? So wie sie guckt, denkt sie das mit Sicherheit. Ich schüttle leicht den Kopf. Sie runzelt die Stirn, woraufhin ich ihr ein stummes Nachher entgegen hauche. "Ach ich bin so froh!", jauchzt Nicole und setzt sich neben mich an den Tisch. Beherzt greift sie sich ein Brötchen und schneidet es auf. Ich schnappe mir meine Tasse Kaffee und stehe auf. "Ich muss nochmal weg. Bis später."

Ich verkrümel mich in mein Zimmer und schlüpfe in meine Schuhe. Unterdessen wähle ich zum wiederholten Male Meilos Nummer, doch sein Handy ist noch immer aus. Er schläft bestimmt noch, und tut dies unter Garantie noch eine Weile lang. Das tut er immer nach einem Konzert, was ja auch logisch ist.

Trotzdem will ich hier nicht weiter hocken bleiben, und auf seinen Rückruf warten. Deswegen werde ich mich rüber zu Ed und Ingo machen, und bei den beiden ein wenig Zerstreuung suchen. Schnell noch die Kaffeetasse geleert, dann kann es auch schon losgehen. Mein Handy bleibt hier. Ich habe keine Lust, ständig drauf zu schauen. Also beuge ich dem gleich vor.

Es ist ja nicht so, dass ich mir Sorgen darüber mache, dass zwischen uns was falsch läuft. Ich weiß ja, dass er das sagen muss, und es ist auch in Ordnung für mich, dass das mit uns noch geheim bleiben muss, aber der schale Nachgeschmack dieses Posts bleibt. Und das tut er so lange, bis ich mit ihm geredet habe, seine Stimme gehört, und ich ihm gesagt habe, dass ich ihn liebe, und er es mir ebenfalls gesagt hat.
 

Drüben klopfe ich an die angelehnte Werkstatttür. Drinnen klappert es metallisch. "Herein!", ruft Ed und ich trete ein.

"Moin Ed. Ich bins."

Ed, der gerade unter einem aufgebockten Bike liegt, schiebt seinen Kopf darunter hervor. "Moin. Was treibt dich denn hier her? Macht deine Karre wieder Mucken?"

"Nein, nein", winke ich ab und muss leicht schmunzeln. Das fragt er mich jedes Mal, wenn ich ihn besuchen komme. Als ob das der einzige Grund wäre, um ihm einen Besuch abzusatten. "Mir war nur danach, mich mal mit jemanden zu unterhalten, der nicht mit mir verwandt ist."

Ed lacht. "Kann ich verstehen. Familienaktion kann stressig sein."

"Wem sagst du das!"

Er dreht eine Schraube am Bike fest und richtet sich ächzend auf. Notdürftig wischt Ed sich die Hände an seinem Blaumann ab und zeigt hinter sich. Dort stehen zwei Klappstühle. "Bier?"

"Gern." Ja, es ist noch früh, aber was solls? Ich bin arbeitslos. "Wo ist Ingo?"

Ed weicht meinem Blick aus und wenn mich nicht alles täuscht, wird er einen Hauch dunkler um die Nase herum. "Der schläft noch", murmelt er und reicht mir eine Bierflasche.

"Ah ja. Schlafen also." Ich zwinkere ihm zu. Jetzt wird er aber wirklich rot. "Jetzt guck nicht so! Ich weiß doch über euch Bescheid!"

"Und? Du musst aber nicht alles wissen."

"Würdest du nicht jedes Mal so reagieren, wie eine keusche Nonne in einem Strippclub, nachdem ihr zusammen im Bett wart, würde ich darüber auch gar nichts wissen" lache ich.

"Ich bin keine Nonne", murmelt Ed und schaut zur Seite. Wie kann man nur so verklemmt sein? Bei einem Kerl wie Ingo, müsste er doch schon längst abgeklärt sein. Aber gerade das macht Ed ja auch so sympathisch.

"Mensch, ich freue mich doch für euch. Ingo ist ein super Kerl. Verkrampf nicht immer gleich, wenn es um diesen wundervollen Teil eurer Beziehung geht. ... Oder stimmt was nicht?"

"Es ist alles in Ordnung mit unserer Beziehung", versichert er mir und trinkt einen Schluck vom Bier. "Ich will nur nicht über Bettangelegenheiten reden."

"Du hast damit angefangen", kläre ich ihn auf, grinse und weide mich an Eds Scham.

"Habe ich nicht!"

"Doch, und du tust es wieder. Du wirst schon wieder so rot wie ein Ferrari, wenn du auch nur an Sex mit Ingo denkst." Und als ob ich noch einen Beweis für meine Behauptung bräuchte, glüht Edilein schon wieder in bester Ferrari-Manier auf. "Soll ich dir lieber von meinem Sexleben erzählen?"

"Bloß nicht!", stößt Ed hervor und steht auf. So kenne ich ihn. Jetzt schraubt er lieber wieder an seinem Bike herum, als sich normal mit mir zu unterhalten.

"Du bist so süß, wenn du dich schämst", necke ich ihn zum letzten Mal heute. Ich verspreche es!

"Halts Maul und reich mir mal den Schraubenschlüssel, der neben der blauen Werkzeugkiste liegt."

"Aye, aye Meister! Lehrling Niclas schreitet zur Tat." Ich schnappe mir den Schraubenschlüssel und lege ihn in Eds ausgestreckte Handfläche. Er liegt inzwischen wieder unter dem Bike. "Kann Ingo eigentlich wieder Fahren, oder muss er sich noch schonen?"

"Er muss sich noch schonen", ächzt Ed und popelt an einer festgerosteten Schraube herum. "Wehe, er hält sich nicht dran. Gestern habe ich ihn erwischt, wie er sich auf sein Bike gesetzt hat ... Gibst du mir mal die Sprühflasche auf dem Regal? Den Rostenferner."

"Klar ... Ist er losgefahren?"

"Nein. Zum Glück nicht. Mit seinem Fuß kann er es auch gar nicht starten, aber er hätte umknicken können, dieser Idiot!"

Ich muss grinsen. "Ihr zwei seid echt ein süßes Pärchen." Ed gibt einen grunzähnlichen Laut von sich und nimmt mir den Rostentferner ab. "Das meine ich ernst."

Ich höre Eds Stiefel über den Betonboden schaben. Kurz danach taucht sein Kopf wieder unterm Bike auf. Er mustert mich. Und zwar gründlich. So lange hat er mich, glaube ich, noch nie an einem Stück angeschaut. "Du siehst so aus, als würdest du jemanden vermissen", stellt er plötzlich fest. Treffer versenkt. Er erstaunt mich doch immer wieder.

Ich seufze und lehne mich gegen den langen Tisch, der Ed als zusätzliche Werkzeugablage und Ersatzteilanhäufung dient. "Vermissen wäre zu einfach ausgedrückt", antworte ich ihm. "Wie haltet ihr beide das nur aus? Ich meine, wenn Ingo unterwegs ist und Rennen fährt? Er ist doch manchmal für Wochen weg." Ingo fährt sogar im Ausland Rennen. Die gehen manchmal eine Woche lang. Doch mit An- und Abfahrt zieht sich das Ganze länger hin. Und Ed kann nicht immer mitfahren. Er hat ja auch genug Arbeit hier.

"Es war Anfangs schwer, aber es ist zum Aushalten. Wir telefonieren viel. Manchmal ist er einfach nur am Telefon, während ich schraube. Das gibt mir das Gefühl, er sei bei mir." Ed lächelt verlegen und zückt einen größeren Schraubendreher. Ohne Alkohol im Blut (der kleine Schluck Bier von eben zählt nicht), habe ich ihn noch nie so redselig erlebt. Das freut mich. "Das hört sich vielleicht irgendwie verrückt an, aber wenn man den Anderen liebt, ist das sicher normal. ... Oder?" Er sieht mich kurz an, krabbelt dann erneut unter das Bike.

"Soll ich ehrlich antworten?" Er nickt kaum sichtbar. "Bei Kilian und mir war das nie so. Ich habe ihn zwar auch vermisst, wenn er beruflich unterwegs war, aber nicht so sehr, wie mir Meilo fehlt." Und wie sehr er mir fehlt! Als hätte jemand einen wichtigen Teil von mir mit der Kreissäge entfernt.

"Dann hat die Chemie zwischen dir und Kilian nicht gestimmt", meint Ed gelassen. Welch weise Worte, mein Freund.

"Könnte sein. Weißt du, bei Kilian hatte ich immer das Gefühl, er sei immer ein Stückchen weit von mir entfernt. Das hat mich allerdings nicht gestört. Das war eben seine Art. Er hat so eine leichte Unnahbarkeit, die mir am Anfang sogar gefallen hat. Bei Meilo war das von Anfang an anders. Wir sind auf gleicher Augenhöhe, obwohl er ein komplett anderes Leben führt und das lässt mich auf der anderen Seite ruhig schlafen, wenn wir voneinander getrennt sind, weil ich mir sicher bin, dass er nichts mit anderen Männern anfängt, aber auf der anderen Seite hält es mich auch wach, weil er nicht neben mir liegt. ... Es ist komisch zu beschreiben." Ich kratze mit dem Fingernagel über die Holzplatte des Tisches. "Das ist verrückt, kann ich dir sagen."

Werkzeug klappert. Ed taucht wieder auf und steht auf. Gelassen greift er sich eins der ölverschmierten Tücher, die hier herumliegen, und wischt sich die Finger sauber. "Das ist nicht verrückt", grinst er. "Verrückt ist, dass du hier stehst und dich bei mir über eine anscheinend glückliche Beziehung ausheulst."

Ich ziehe einen Schmollmund. "Ich vermisse ihn eben."

"Dann ruf ihn an."

"Kann ich nicht. Er pennt noch."

"Du hast Luxussorgen, mein Freund." Ed lacht. "Die haben wir beide."

"Hm." Er hat ja recht. Sicher würde er das anders sehen, wenn er die ganze Geschichte kennen würde. Aber ich kann ihm die Wahrheit nicht sagen. Doch nüchtern betrachtet, hat er recht. Dieses Dementi bedeutet nichts. Es soll nur die Fans beruhigen, damit sie fleißig weiter seine Musik kaufen. Man sieht es ja an Nicole. Sie ist wieder ein glückliches Fangirlie. Deprimierte Fans, die glauben, ihr Star sei vom Markt, wenden sich bald anderen Traumblasen zu. "Kommst du mit? Ingo hat sicher fertig geduscht." Mein Nachbar guckt mich fragend an.

"Geduscht? Ich dachte, er schläft noch."

"Ähm. Ja ..." Puff! Edilein wird rot, dreht sich von mir weg und huscht zur Tür.

"Warum duscht ihr nach dem Vögeln eigentlich nicht zusammen?", lache ich und trete mir innerlich in den Hintern. Ich wollte doch aufhören, Ed zu ärgern!
 

Trotz des Kommentars und seinem Hasswort Nummer eins, vögeln, bittet mich Ed in seine Wohnung, als wir davor stehen. "Babe? Ich hab Rührei gemacht. Möchtest du?"

"Gerne Schatz, aber bitte ohne Eigelb!", rufe ich und stelle mich grinsend in die Küche neben Ingo, der in der Pfanne herumrührt. Im rechten Mundwinkel hat er eine halb aufgerauchte Zigarette hängen und dabei trägt er nichts bis auf eine ziemlich schief sitzende Unterhose. Das ist Ingo live und in Farbe.

"Extrawürste gibt es bei mir nicht", blafft er mich an und droht mir mit dem Pfannenwender.

"Du bist so herzlos zu mir, Sweety!", heule ich auf. Ingo lacht und nimmt die Pfanne vom Herd. Mir ist jedoch das Grinsen vergangen. Bei dem Wort Sweety musste ich unwillkürlich wieder an Meilo denken. Ob er schon wach ist? Ich hätte mein Handy mitnehmen sollen!

"Hey! Nic!"

"Hm?"

"Ob du mitessen willst, habe ich dich gefragt."

"Nee, danke", sage ich zu Ingo, der schon mit Ed zusammen am Küchentisch sitzt. "Aber einen Kaffee nehme ich."

"Der scheint auch nötig zu sein. Du pennst mit offenen Augen. Das ist nicht gesund."

"Er hat Sehnsucht", erklärt Ed in seiner trockenen-aufklärenden Art.

"Nach mir?!"

"Sehr witzig Ingo", schmolle ich, stibitze mir eine Kaffeetasse aus dem Schrank und setze mich zu ihnen.

"Nach deinem Meilo?", fragt Ingo mich.

Ed nickt, da er ein vollen Mund hat und ich brumme nur ein "Ja".

"Dann warst du nicht lange genug bei ihm", philosophiert Ingo.

"Da sagst du mir nichts neues." Ich schütte den bitteren Kaffee in meine Kehle. Ingo kocht eher Teer, als Kaffee, aber er macht munter. Ed braucht das sicher, so lange, wie er immer arbeitet.

"Wann seht ihr euch wieder?" Ingo hört sich schon an wie meine Mutter.

"Keine Ahnung."

"Wo ist er den gerade?"

"In Leipzig."

"Dann ab in dein Auto und fahr zu ihm."

"Ha ha", grummle ich. "Sprit fällt leider nicht kostenlos vom Himmel."

"Zug?"

"Genauso teuer."

"Dann musst du eben solange warten, bis ihr euch wieder sehen könnt", schließt Ingo und schaufelt sich eine Gabel voll Rührei in den Mund.

"Muss ich wohl ..." Seufzend stütze ich mein Kinn auf meinen angewinkelten Arm ab.

Eine Weile gucke ich den beiden beim Frühstücken zu, dann stehe ich auf. "Willst du schon gehen? Wir könnten gleich an der Konsole zocken."

"Kann es sein, dass dir langweilig ist?", frage ich Ingo schmunzelnd.

"Ein bisschen. Ed hat ja keine Zeit für mich."

"Ey! Ich hab extra eine halbe Stunde später in der Werkstatt angefangen!", beschwert sich dieser.

"Eine ganze halbe Stunde. Hörst du Nic? Ich durfte eine ganze halbe Stunde mit meinem Süßen spielen."

"Ingo!" Ed entflammt schon wieder. Ob das gesund ist?

Ich grinse in mich hinein. "Klärt das mal schön unter euch. Ich gehe rüber und versuche Meilo zu erreichen."

"Na dann viel Glück."

"Danke", antworte ich Ingo, der nun wiederum schmollend dasitzt, und Ed versucht weichzukochen, noch ein paar halbe Stunden mehr dranzuhängen, bevor er wieder in die Werkstatt geht. Vielleicht klappt es ja, wenn ich weg bin. Zu wünschen wäre es ihm. Ed kann doch sicher noch einmal für eine halbe Stunde der Werkstatt fern bleiben, oder?
 

Zuhause herrscht angenehme Ruhe. Nicole ist bei einer ihrer Freundinnen, Papa ist arbeiten und Mama treibt sich sonst wo herum. Ich beeile mich, in mein Zimmer zu kommen, werfe die Tür hinter mir zu und schließe ab. Schon von der Tür aus kann ich mein Handy blinken sehen. Meilo!

Ich stolpere beinahe über meine eigenen Füße, als ich zu meinem Handy rüber renne, mich aber wieder fange, und das blinkende Ding schnappe. Und tatsächlich! Meilo hat mich zwei Mal versucht zu erreichen!

Ich wähle seine Nummer und werfe mich aufs Bett. Es klingelt, klingelt noch einmal, dann /Nic?/ Wie verschlafen sich seine Stimme anhört.

"Morgen Sexy. Ausgeschlafen?" Ich kann nicht anders und muss lachen.

/Wie man es nimmt/, brummelt er. /Ich liege schon wieder flach./

"Was?!" Schluss mit lachen. "Wie schlimm ist es?", möchte ich besorgt wissen und richte mich auf.

/Na ja. Mein Hals tut weh, mein Kopf pocht und ich habe Fieber./ Mir wird ganz anders.

"War schon ein Arzt bei dir?"

/Ja. Hab auch schon Medis bekommen./

"Gut", antworte ich. "Soll ich kommen?"

/Lieber nicht./ Autsch! /Versteh mich nicht falsch, ich hätte dich gern bei mir, aber ich penn sowieso nur, und Gerd wacht diesmal über mich wie eine Glucke./

"Verstehe. Wenn man sich gut um dich kümmert, ist es ja gut." Mit dem kleinen Nachteil, dass ich mich viel lieber um ihn kümmern würde. Aber das wäre zu auffällig. "Ruh dich gut aus."

/Ich wünschte, das ginge so einfach./

"Deine Termine?"

/Auch ... Nein, es ist .../ Meilo seufzt. /Ich muss dir was sagen./ Mir sackt das Blut in die Beine und mir wird schwindelig. Ich muss dir was sagen ... So hat Kilian begonnen, als er mich abgeschossen hat.

"Ich liebe dich." Der Satz ist schneller raus, als ich nachdenken kann. Er passt nicht ins Gespräch, aber ich muss es ihm sagen!

Ich höre Meilo leise schmunzeln und werde noch verwirrter. /Ich dich auch/", wispert er mit schwacher Stimme. /Ich möchte nicht mit dir Schluss machen./ Als hätte er meine Gedanken gelesen.

"Was musst du mir denn dann sagen?" Nervös knibble ich an der Bettwäsche herum.

/Ich musste gestern etwas tun/, beginnt er. Vor meinem geistigen Auge tun sich verschiedene Szenarien auf. Keine davon erfüllt mich mit Freude. /Love bites hat größere Wellen geschlagen, als ich beabsichtigt habe. Deshalb .../ Bei mir fällt endlich der Groschen.

"Warte mal!", unterbreche ich ihn. "Geht es etwa um dieses Dementi auf deiner Webseite?" Ich war so abgelenkt davon, dass Meilo schon wieder erkältet ist, dass ich an diesen Zirkus gar nicht mehr gedacht habe.

/Du weißt davon?/, fragt er mich erstaunt.

"Ja. Ich habs gelesen."

Meilo atmet laut aus. /Und du bist nicht sauer?/

"Nein. Ich weiß doch, dass du das schreiben musstest." Das es mich schon irgendwie getroffen hat, verrate ich ihm nicht. Ihm geht es schon schlecht genug.

/Ich wollte das nicht/, fiepst er.

"Ist doch schon gut. Wir hatten doch darüber gesprochen." Was hat er denn auf einmal?

/Sie haben es einfach umgeändert, bevor es raus ging./

"Wie umgeändert?" Hä?

/Ich habe nur geschrieben, dass ich keine Freundin habe und keiner meiner Fans deswegen traurig sein muss, aber mein Management hat noch hinzugefügt, dass ich in keiner Beziehung bin. Das wollte ich nicht./ Ich halte kurz die Luft an. Zu sagen, es würde mich nicht glücklich machen, dass genau dieser Teil nicht aus Meilos Feder stammt, wäre gelogen. /Ich habe gedacht, es würde reichen, eine FreundIN zu dementieren, was ja auch stimmt, aber da hatte meine Plattenfirma wohl andere Vorstellungen./

"Lass sie. Schlimmer wäre es, wenn sie von uns wüssten."

/Ja/, sagt er gedehnt. /Dass ich offiziell keinen Freund haben darf, nervt./

Ich muss lachen. "Gut, dass es dafür inoffiziell geht."

Nun lacht er ebenfalls, wird dann aber wieder ernst. /Ich laste dir ganz schön was auf. Das tut mir leid./

"Ach was", weiche ich aus. Was soll ich auch sonst sagen?

/Und dann noch diese Scheiße von meiner Plattenfirma letzte Nacht!/

"Mach dir keine Gedanken darüber", sage ich leise. "Ich weiß doch Bescheid."

/Ich hatte so eine Angst, als ich das vorhin gelesen habe. Ich dachte, wenn du das liest, bevor ich es dir erklären kann, dann wäre es das mit uns./ Mir wird es ganz klamm ums Herz. Hat er wirklich so wenig Vertrauen in mich?

Ich würde ihn das gerne fragen, doch ich lasse es. Meilo braucht Ruhe. Deshalb sage ich nur eins zu ihm, dass ich ihn liebe und versichere ihm, dass ich niemals etwas glaube, was irgendwo über ihn geschrieben steht, außer er sagt mir persönlich, dass es so ist. /Danke/, antwortet er schwach. /Ich will dich nicht verlieren./

"Ich dich auch nicht." Seine Stimme wird immer dünner. "Schlaf ein bisschen ja? Melde dich, wenn du wieder fitter bist."

/Ist gut./

"Werd schnell wieder gesund Schatz."

/Versuchs/, haucht er und legt auf.

Seufzend lande ich auf der Matratze. Was würde ich jetzt dafür geben, bei ihm sein zu können!
 

***
 

Zwei Tage später hört sich mein Schatz schon wieder viel besser an. Sie haben ihn mit Medikamenten vollgestopft und jeden Tag war ein Arzt bei ihm. Außerdem hat er mir verraten, dass er sich streng an meine Obst- und Tee-Regel gehalten hat. Es scheint geholfen zu haben.

/Ich hab wieder richtig Hunger!/, verkündet er mir gut gelaunt.

"Dann iss, damit du zu Kräften kommst."

/Das hat Niklas auch gemeint./ Niklas! Dieser kleine Knilch! /Hör auf so ein Gesicht zu ziehen. Er ist und bleibt nur ein Freund./

"Woher willst du wissen, was für ein Gesicht ich gerade ziehe?", frage ich ihn.

/Dazu muss ich dich noch nicht mal sehen, um zu wissen, wie du aus der Wäsche guckst, wenn ich seinen Namen sage./ Tzäh!

"War Niklas heute lange bei dir?" Jetzt, wo wir schon beim Thema sind, kann ich ihn das auch fragen.

/Nein. Ich bat ihn zu gehen, weil ich schlafen wollte./

"Gut. Ich mag es nicht, wenn er bei dir herumwuselt."

Meilo kichert. /Er wuselt nicht bei mir herum. Er flirtet mit mir./

"Was?!"

Nun bricht Meilo in lautes Gelächter aus. /Beruhige dich! Ich gehe doch nicht darauf ein. Ich habe doch dich./

"Na das will ich aber auch schwer hoffen." Beleidigt lehne ich mich auf der Wohnzimmercouch zurück.

/Das weißt du doch. Nur bei dir fühle ich dieses Ziehen in mir .../

"Sprich weiter", vordere ich ihn auf und fühle eben jenes Ziehen in mir aufflammen.

/Das Kribbeln, das in mir einsetzt, wenn ich deine Stimme höre. Wenn ich mir vorstelle, wie du mich anfasst mich küsst, dann kann ich dich beinahe körperlich spüren .../ Ich atme langsam aus. Meilos Stimme und seine Worte machen mich sofort scharf. /Dein heißer Körper ... Wie er mich umfängt, sich schwer auf mich legt, wenn du tief in .../

"MAMA?!" Plopp! Die schöne Seifenblase, in der ich mich gerade mit Meilo befunden habe, zerplatzt. "MAAAMA!" Nicole ist nach Hause gekommen und schreit das ganze Haus zusammen.

/Deine Schwester?/

"Richtig geraten", knurre ich. "Bleib dran." Ich stehe auf und rausche aus dem Wohnzimmer. "Ey! Schrei mal nicht so laut hier rum! Ich telefoniere!"

"Leck mich!" Wie bitte? "Wo ist Mama?"

"Die hab ich gegessen", zicke ich sie an. Mit einem gelassenen Augenaufschlag erwidere ich ihren ausgestreckten Mittelfinger. "Würde ich gern, aber du Bratze hinderst mich ja dran."

"Was?" Das versteht sie jetzt nicht.

"Nichts! Mama ist nicht da, also sei ruhig."

Sie verdreht die Augen, wirft mir ein "Ohhhhrchhhh!" Um die Ohren und saust in ihr Zimmer.

"Weiber!" Ich höre Meilo am anderen Ende der Leitung lachen. "Sei froh, dass du so etwas nicht mitmachen musst."

/Irgendwann habt ihr euch sicher ganz doll lieb/, kichert Meilo.

"Das dauert noch mindestens zehn Jahre." Oder noch länger bei meinem Glück.

In der Zwischenzeit bin ich in mein Zimmer gelaufen und habe die Tür verriegelt. Jetzt, wo unser Telefonat doch eine so exquisite Wendung genommen hat, bleibe ich ganz sicher nicht mehr im Wohnzimmer hocken. Apropos. "Wo waren wir stehen geblieben?", frage ich Meilo und steige ins Bett.
 

*
 

Ich hebe meine besudelte Hand hoch, seufze und angle nach der Taschentuchbox. Notdürftig abgetupft, steige ich wieder in eine Jogginghose, oder wie ich sie nenne, meine derzeitige Arbeitslosenuniform, und lege mich wieder hin. Meilo atmet immer noch schwer. "Geht es dir gut?", frage ich ihn besorgt.

/Ja/, japst er. /Nur etwas aus der Puste./

"Du bist eben noch nicht ganz gesund." Er brummt etwas in den Hörer, das ich nicht verstehe. "Wann fährst du morgen los?" Morgen muss er wieder weiter. Drei Tage Zwangspause. Mehr war nicht drinnen für meinen armen Schatz.

/Schon Morgens./

"Das heißt, du muss früh ins Bett?"

/Leider ja./

"Dann wiegst du mich heute Abend nicht in den Schlaf?" Meilo lacht. Zur Info, das war ein Insider. Gestern ist Meilo beim Telefonieren eingeschlafen und hat leise geschnarcht. Ich war so fies, hab es aufgenommen, und ihm per Handy geschickt, mit dem Spruch: Danke für deinen Gutenachtsong.

/Das ist gemein!/, schmunzelt er. /Warte nur, bis dir mal so etwas passiert. Dann ziehe ich dich auch damit auf./

"Muss ich dich erst an das Cock-Foto erinnern? Damit ärgerst du mich auch die ganze Zeit über."

/Gar nicht wahr!/

"Wohl wahr!" Wir fangen an zu lachen. Aber mal was anderes: "Wohin geht es morgen eigentlich?" Durch seine Erkältung kam ich gar nicht dazu, ihn das zu fragen.

/Nach Lübeck. Und über das Wochenende bin ich in Essen./

"Voller Terminplan also."

/Es geht. Ein Auftritt und sonst nur Pressetermine. In Essen bereiten wir die Vorstellung der neuen Live-DVD vor./ Live DVD? Die versuchen ja wirklich nochmal alles aus Keith Kandyce rauszuholen.

"Nicole hat mir noch gar nichts von einer DVD erzählt", überlege ich laut. Normal plappert sie von nichts anderem mehr, wenn so ein 'Ereignis' ansteht.

/Die Bekanntmachung ist auch noch nicht raus. Nächste Woche erst./

"Montags?"

/Ja. Warum?/

"Och nur so. Vielleicht fällt mir da was ein, wie ich Nicole ärgern kann."

Meilo gibt einen brummenden Laut von sich. /Aber nicht zu früh. Das soll wirklich erst nächste Woche verkündet werden./

"Ich merke es mir", verspreche ich ihm. "Ich rufe dich nachher noch mal an. So um neunzehn Uhr?"

/In Ordnung/, sagt er und gähnt. /Falls ich bis dahin noch nicht schlafe./

"Ich lasse es nur kurz klingeln."

/Ist gut. Bye./

"Bye. Liebe dich, Sexy."

/Ich dich auch, Sweety./ Aufgelegt. Ich hätte gerne noch länger mit ihm geredet, aber er soll sich noch schonen. Ich weiß, Telefonsex ist dabei nicht gerade hilfreich, aber ich bin auch nur ein Mann.
 

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es schon halb drei durch ist. Ich lege die Stirn in Falten. Halb drei, und im Haus ist es noch ruhig? Da heute Mamas allwöchentlicher Backclub im Hause ihrer Freundin gastiert, dürfte unter normalen Umständen ein gewisser Teenager die Boxen ihrer Anlage zum Glühen bringen wollen. Tut gewisser Teenager jedoch nicht. Alles ist ruhig. Weil ich aber immer brav von den weiseren und älteren Mitbürgern dieses Hauses gelernt habe, weiß ich, das ruhige Teenager höchst verdächtig sind. Deshalb rapple ich mich auf, mache mich im Bad schnell frisch und steuere dann Nicoles Zimmer an.

Lauschend horche ins Innere hinein. Ganz leise höre ich Musik laufen. Mehr nicht. Sehr ungewöhnlich und sehr beunruhigend. Was treibt sie da drin? Doch noch wichtiger ist, will ich das überhaupt wissen? "Nicole?" Ich muss. Das gebietet schon allein mein Alter, das darauf pocht, die jüngere Generation strengstens im Auge zu behalten. "Nicole?", wiederhole ich noch einmal, da sie mir nicht antwortet.

"Wasn?" Hö?! Keine Beleidigungen?! Kein Geschrei?!

"Alls in Ordnung bei dir?"

"Logo." Logo? Da kann was nicht stimmen!

"Kann ich reinkommen?"

"Wenn's sein muss." Oh Gott! Es muss was furchtbares passiert sein!

Ich reiße die Zimmertür auf und wappne mich auf den Anblick, der da kommen mag. Doch trotz böser und grauenhafter Vorstellungen: Nicole sitzt brav an ihrem Schreibtisch und schreibt etwas auf einen Block. Wer hätte denn so was ahnen können?!

"Hausaufgaben?", frage ich sie und lasse es ganz beiläufig klingen.

"Nope."

Ich grinse schief. "Ein Liebesbrief?"

Sie zieht die Nase kraus und sieht zu mir auf. "So in etwa", murmelt sie und läuft rosarot an.

"Wirklich?" Erleichterung macht sich in mir breit. "Du bist in jemanden verschossen?" Heißt das jetzt, kein Keith Kandyce mehr?!

"Das weißt du doch", grantet sie und widmet sich wieder ihrem Blatt Papier. "Der ist für Keith." Schock schwere Not!

"Jetzt schreibst du ihm auch noch Liebesbriefe? Die liest er doch sicher gar nicht." Oder? Mein armer Schatz! Teenie-Liebesgesülze!

"Erstens, liest er das bestimmt! Keith veröffentlicht sogar einiges von seiner Fanpost. Und zweitens, ist das nicht bloß ein Liebesbrief. Das hier wird ein Geburtstagsgeschenk für Keith."

"Geburtstag? Keith hat bald Geburtstag?" Bedeutet das, Meilo hat auch Geburtstag?

"Ja. Dieses Wochenende. Am Samstag, um genau zu sein. Und ich habe ihm schon eine Karte gebastelt, den Brief schreibe ich gerade, und ich habe ein kleines Geschenk für ihn."

"Wow." Das plättet mich nun aber. "Wie lieb von dir." Nicole guckt mich mit einer Mischung aus Skepsis und Verwunderung an. "Du hast mir noch nie eine Karte zum Geburtstag gebastelt."

"Sehr witzig", zischt sie und tüftelt weiter an dem Brief herum.

"Dann viel Erfolg dabei."

"Werde ich haben."

Wie ein geprügelter Hund schleiche ich aus Nicoles Reich, natürlich nicht ohne auf die vielen Poster zu starren. Keith hat am Samstag Geburtstag. Wie bekomme ich jetzt nur raus, ob das auch Meilos richtiger Geburtstag ist? Klar, ich könnte ihn fragen, aber was dann? Zu ihm fahren? Er ist in Essen. Hm … Das wäre zu schaffen. Vielleicht kann ich mir etwas Kohle bei Mama schnorren. Der Plan reift schnell in mir voran, und als ich zurück in meinem Zimmer bin, ist es schon beschlossene Sache. Mal sehen, ob ich nachher was aus Meilo kitzeln kann, dass mir weiterhilft.

Bis es so weit ist, suche ich die Fahrstrecke raus und suche im Internet nach einem Geschenk. Ersteres ist nicht schwer, letzteres dagegen sehr. Was schenkt man seinem Liebsten zum Geburtstag? Mir fällt es schon immer schwer, passende Geschenke für meine Familie oder Freunde zu finden. Aber für Meilo fällt es mir noch schwerer. Sonst hilft mir in solchen Fällen immer ein Gutschein weiter, aber das geht doch nicht bei ihm! Viel zu unpersönlich und zu fantasielos. Doch was dann? Kleidung? Näh! Ein Buch? Keinen Dunst was er liest. Schmuck? Vielleicht, aber was gefällt ihm? Parfüm? Meilo ist doch nicht meine Mutter. Irgendwas Musikmäßiges. Hat er bestimmt schon alles was er braucht und bis auf leere Notenblätter finde ich nichts geeignetes.

Ich schließe alle Seiten und gehe die Sache ganz anders an. In die Suchmaschine gebe ich 'persönliche Geschenke' ein. Prompt liefert man mir viele verschiedene Antworten. Vom gebackenen Kuchen bis zu frickeligen Näharbeiten. Was mir aber sofort ins Auge sticht: Fotos. Wäre das was? Mir fällt da auch schon ein bestimmtes Foto ein, aber was mache ich damit? Mal sehen, ob ich was finde. Wäre doch gelacht, wenn mir nichts einfällt!
 

Abends lehne ich mich zufrieden in meinem Bürostuhl zurück. Ganz schönt teuer, aber was tut man nicht alles für seinen Schatz? Overnightexpress ist auch nicht gerade billig, aber bis Samstag ist es nicht mehr lange. Ein Tag nur noch, um genau zu sein. Wenn ich das schaffen möchte, was ich vorhabe, dann brauche ich die Bilder so schnell wie möglich. Ich freue mich schon richtig darauf, Meilos Überraschung zu 'basteln'. Was Nicole kann, kann ich ja wohl schon lange! Apropos Meilo. Es wird Zeit ihn anzurufen.

Mit dem Handy am Ohr schlurfe ich rüber in die Küche. Mein Bauchi knurrt, und soweit ich mich recht erinnere, war noch was vom Mittag über. Es geht doch nichts über Frikadellenbrötchen. /Hey Sweetheart/, meldet sich Meilo, als ich gerade im Kühlschrank herumwühle.

"Hey Zuckerhase. Noch wach?"

Meilo lacht. /Ich habe auf deinen Anruf gewartet./

"Das höre ich doch gerne", schnurre ich und fummle die Tupperdose mit den übrig gebliebenen Frikadellen und die Senftube aus dem Kühlschrank. Beides stopfe ich mir unter den Arm und kicke die Kühlschranktür wieder zu. "Wie geht es dir?", frage ich standardmäßig. Das soll nicht heißen, dass es mich nicht interessiert, und ich das aus reiner Höflichkeit frage. Eher im Gegenteil.

/Gut. Ich habe das Abendessen verschlungen, als hätte ich Jahre lange nichts mehr gegessen./

"Super! Dann bist du fit fürs Wochenende?" Ich halte die Luft an. War die Frage zu offensichtlich?

/Hn ... Ja. Wieso fragst du?/ Oh oh. Er ahnt was, oder?

"Na wegen deinen ganzen Presseterminen", weiche ich aus.

/Ah so. Die sind morgen. Aber auch nur zwei kurze Interviewstunden./

"Und was machst du dann in Essen?" Ich muss einfach fragen! Warum sagt er mir nicht, dass er übermorgen Geburtstag hat? Das heißt, wenn er denn auch wirklich hat.

/Och, wir wollen bloß ein bisschen Feiern./

"Gibt's einen Anlass dafür?" Muss ich ihm denn alles aus der Nase ziehen? Seit wann ist er so verschwiegen?

/Na ja ... Die Tour läuft gut, und wie gesagt, die DVD kommt raus .../

"Mehr nicht?"

/Nee. Mehr nicht./ Mir vergeht gerade der Appetit. Er lügt mich an!

"Okay. Schön. Also dann ... Schlaf gut. Du musst dich doch bestimmt noch ausruhen." Ich kann förmlich sehen, wie Meilo die Stirn runzelt, aber ich kann nicht anders. Ich bin enttäuscht. Sehr sogar.

/Mir geht es wieder gut/, sagt er leise. Ich höre ihm an, dass er sich wundert. /Ich dachte, ich soll dir noch ein Schlaflied singen?/ Er versucht heiter zu klingen, aber es klappt nicht.

"Heute nicht", winke ich ab. "Ich esse jetzt was, und dann lege ich mich hin. Ich habe auch noch viel vor am Wochenende."

/Oh ... Okay./

"Ja, ich bin mit ein paar Kumpels unterwegs." Ich wische mir über die Augen. Was mache ich hier eigentlich? Ich belüge meinen Freund! Und das, obwohl es sowieso schon eine so dämliche Situation ist, in der wir versuchen müssen unsere Beziehung zu führen. Ich muss ihm sagen, dass ich von dem Geburtstag weiß! "Nein, das ist nicht wahr", gebe ich deshalb zu. "Ich weiß, dass du ..."

"Sind noch Frikadellen da?" Nicole! Wieso platzt sie immer im ungünstigsten Moment rein? Das hat sie schon bei ihrer Geburt gemacht.

"Ja. Hier." Ich deute auf die Tupperdose und sehe zu, dass ich Land gewinne. Das hier möchte ich ganz sicher nicht in ihrer Gegenwart besprechen. "Meilo?"

/Ja?/ Uff! Er ist noch dran!

Ich lehne mich mit dem Rücken gegen meine geschlossene Zimmertür und begutachte das Chaos, dass in meinem Zimmerchen herrscht. Ich sollte mal wieder aufräumen. "Ich weiß von Nicole, dass du, oder beziehungsweise, das Keith am Samstag Geburtstag hat." Jetzt bin ich mal gespannt, was er darauf zu erwidern hat.

/Das weißt du?/, seufzt er.

"Ja. ... Heißt das, dass du in Wirklichkeit am Samstag Geburtstag hast?"

/Habe ich./ Ich habs geahnt!

"Warum hast du mir das verschwiegen?", blaffe ich ihn an.

Wieder seufzt er. Es raschelt. Eindeutig Bettwäsche. /Mein Geburtstag bedeutet mir nicht viel/, sagt Meilo lapidar.

"Ach so. Und deswegen denkst du, mir wäre er auch nicht wichtig?" Langsam werde ich wirklich sauer. Es ist ja schön und gut, wenn er nicht feiern will, wobei ich ja weiß, dass er es tut, aber ich wäre über diesen Tag gern informiert worden, da ich ihm doch eine Freude machen möchte. Ist doch verständlich.

/Nein, das denke ich nicht/, antwortet er hastig. /Es ist nur ... Ich wollte nicht, dass du dich gezwungen siehst, zu mir zu kommen./ Wie bitte?!

"Ich sehe mich gezwungen?! Woher denn?" Ich stoße mich von der Tür ab und laufe unruhig im Zimmer herum. "Willst du nicht, dass ich komme?"

/Doch!/, japst er. /Aber seit ich als Keith auftrete, sind meine Geburtstage immer ... also sie sind ... Furchtbar!/ Ich bleibe stehen.

"Wieso denn das?", frage ich verwirrt. "Es ist doch dein Geburtstag. Was soll daran furchtbar sein?" Meilo ringt mit sich, gurgelt verschiedene Laute ins Telefon, die ich mal als Herumdrucksen bezeichne. "Jetzt sag's doch einfach", feuere ich ihn an.

/Also schön./ Na endlich! /Die Party schmeißt immer meine Plattenfirma. Alle möglichen Leute sind dort, auch andere Musiker, die bei ihnen unter Vertrag sind. Die Presse ist dort und auch ein paar von meinem Fanclub. Die Musik ist kacke, und spätestens bis elf Uhr sind alle stockbesoffen. Dann gibt es überall Tänzerinnen, halb bekleidete Bedienungen, und alle von ihnen versuchen an mich ran zu kommen. Es ist nervig, Nic. Ich möchte dir das nicht antun./

Ich plumpse auf mein Bett. Tänzerinnen? Presse? Besoffene? Ich will es nicht, doch ich fange an zu lachen. "Nicht dein Ernst!", gackere ich und kugle mich auf meinem Bettchen herum.

/Nic! Hör auf zu lachen! Das war mein voller Ernst!/

"Sorry", hickse ich und wische mir über die Augen. "Aber ... Aber ... Phaaahaha!" Ich kann es nicht verhindern, aber das hört sich alles so verrückt an, dass es schon wieder lustig ist.

/Danke auch/, brummt er schmollend. /Ich hasse diesen Tag inzwischen./

Ich beruhige mich wieder und rolle mich auf die Seite. "Das tut mir leid, Schatz", tröste ich Meilo, was ich ernst eine. "Seinen Geburtstag sollte man nicht hassen."

/An dem ist ja auch nichts falsch. Nur diese dämliche Feier immer./

"Und wenn du krank feierst? Täusche einen Rückfall vor." Als kleiner Junge hatte ich so etwas voll drauf!

/Geht nicht. Der Termin ist wichtig. Promotion./

"Wie furchtbar!" Diesmal lache ich nicht. Ich rapple mich wieder auf und lasse die Beine über der Bettkante schweben. "Wie können die deinen Geburtstag für so etwas ausnutzen?", frage ich ihn leise.

/Damals hat es mich nicht sonderlich gestört/, erzählt er mir. /Aber egal jetzt! Es ist das letzte Mal. Meinen nächsten Geburtstag feiere ich mit dir und meiner Familie./ Hört sich das schön an!

"Und ich backe dir einen Kuchen", kichere ich.

/Das kannst du?/ Nein, aber ich habe vorhin leckere Rezepte gefunden, die jeder Dummarsch hinbekommt. Perfekt für mich! Bleibt nur zu hoffen, dass ich trotz leichter Backanleitung nicht die Küche abfackle ...

"Mit Hilfe meiner Mutter kann ich so was." Sicher ist sicher. Meilo lacht und mein Appetit kommt zurück. Er hat mir seinen Geburtstag also nicht verschwiegen, weil er mich nicht bei sich haben wollte. Jedenfalls nicht aus Gründen, die mein Vertrauen in ihm schmälern könnten.

/Nächstes Jahr kannst du dich gerne an einem Kuchen austoben, aber für dieses Jahr müssen wir es leider verschieben./

"Kein Problem. Wir holen es nach." Oder auch nicht. Oder meint ihr etwa, ich ließe Meilo bei seinem Geburtstagshorror alleine? Ähäh!

/Ich freue mich drauf./ Und ich mich erst!
 

Als wir aufgehört haben, miteinander zu telefonieren, ist gut eine Stunde ins Land gezogen. Meilo hat mich nicht gefragt, ob ich den geplant hatte, zu ihm zu kommen, wenn ich schon von seinem Geburtstag gewusst hatte. Zum Glück, denn a: ich kann schlecht lügen, und b: nicht, dass er mir davon abgeraten hätte, auch wenn ich meine Pläne von ihm geheim halten hätte können.

Meilo, mein Schatz, ich werde auf deine furchtbare Geburtstagsparty kommen! Egal was passiert. Und sollte ich doch, aus welchen Gründen auch immer, nicht zu dir gelassen werden, warte ich eben im Hotelzimmer auf dich, versüße dir dann den restlichen Abend und scheuche die Tänzerinnen und die Kellnerinnen aus seinem Kopf. Schließlich gehörst du mir, mein Hübscher. Erst recht an deinem Geburtstag.

Mann! Ich freue mich schon darauf!
 

******

Love bite 16 - Happy Birthday, Mr. Kandyce

Love bite 16 - Happy Birthday, Mr. Kandyce
 

Ich setze den Blinker und halte an. Das Hotel, in dem Meilo untergebracht ist, habe ich schon mal gefunden. Wenn alle Stränge reißen, fahre ich gleich wieder hierher zurück und hoffe, dass Meilo nicht vergessen hat, den Empfangsheinis mein schickes Pseudonym mitzuteilen. Sonst muss ich im Auto warten, bis Meilo wieder von seiner Feier zurückkommt, denn ein Zimmer in diesem Kasten kann ich mir beim besten Willen nicht leisten. Wahrscheinlich kostet deren Besenkammer schon mehr, als ich für meinen Anteil der Miete von Kilians Wohnung bezahlt habe.

Ich drücke auf meinem Navi herum. Meilo hat mir verraten, wie der Club heißt, in dem sie feiern. Er meinte, er wäre dort schon einmal gewesen, und das Teil hätte einen VIP-Raum, in dem die Party stattfindet. "Ich mochte den Club noch nie", meinte er gelangweilt. "Hoffentlich ist der Abend schnell rum." Das hoffe ich auch, aber aus anderen Gründen ...

Das Navi hat schnell den richtigen Weg gefunden. Los geht's.
 

Ich fahre vielleicht zehn Minuten, da bin ich auch schon da. Die Straße, in die sich der Club befindet, ist gerammelt voll, was auch nicht anders zu erwarten war. Möge die Parkplatzsuche beginnen!

Ich durchforste sämtliche Seitenstraßen, bis ich eine kleine Lücke finde, in die ich mich hineinzwängen kann. Als ich stehe, bemerke ich, dass ich ein ganz schönes Stückchen zu laufen habe. Aber was solls? Jeder Gang macht bekanntlich schlank.

Ehe ich aussteige, angle ich noch Meilos Geschenk von der Rückbank. Es ist zwar nicht allzu schwer, dafür jedoch arg unhandlich. Unter dem bunten Packpapier verbirgt sich ein länglicher Bilderrahmen, in dem ich das zurechtgemachte Foto eingerahmt habe. Das Ding verkantet sich am Beifahrersitz, doch ich bekomme es wieder befreit, und kann endlich aussteigen.

Nervös schließe ich meinen Wagen ab und laufe mit dem Geschenk unterm Arm los. Immer den dumpfen Basslauten nach. Ich wünschte, ich hätte jemanden fragen können, der mich mit hier her begleitet. Aber das wäre unmöglich gewesen. Was hätte ich auch sagen sollen? Begleitest du mich auf eine Feier, auf der ein Teenie-Popidol seinen Geburtstag feiert? Ach ja, und übrigens: Dieser Teenieschwarm ist mein fester Freund. Nope! Das hätte ich definitiv keinen meiner Freunde fragen können. Mir bleibt daher nichts übrig, als mich allein dem Partygewirr zu stellen. Und das, wo ich doch ein so großes Partytier bin. Sarkasmus lässt grüßen. Ich hab echt Bammel.

Vor dem schummrig erleuchteten Club steht eine zweireihige Warteschlange aus kreischender Mädchen und Jungs. Sie sehen aus wie Fans. Und jetzt? Ich beschließe meine Arschbacken zusammen zu beißen und an den Wartenden vorbei zu marschieren. Am besten, ich frage einen der grimmigen Sicherheitsmänner, ob ich hier überhaupt richtig bin. "Entschuldigen Sie?"

"Stell dich hinten an", blökt einer von ihnen und guckt mich dabei noch nicht mal an. Ich verkneife mir einen Kommentar, gehe in Gedanken durch, was Meilo mit ihm anstellen würde, wenn er wüsste, dass mich dieser Affe so dumm anpampt, und grinse in mich hinein. Er hätte danach sicher nichts mehr zu grinsen.

"Ich möchte auf die Geburtstagsfeier", sage ich dennoch bloß und wedle mit dem Geschenk. "Ich bin eingeladen." Hoffe ich jedenfalls.

Der Securitytyp mustert mich von oben bis unten. "Bist du das?"

"Ja."

"Verarschen kann ich mich selbst. Stell dich gefälligst bei den anderen Spinnern da an und warte, bis du dran bist." Also ...!

Langsam werde ich doch sauer. Jetzt mustere ich den Kerl gründlich. Er hat ein Klemmbrett unterm Arm. Ein Versuch ist es wert. "Ed Towing."

"Was?!"

"Ed Towing", wiederhole ich. "Ich stehe auf der Gästeliste." Oh bitte Abschlepper Ed! Lass mich nicht im Stich! Die rechte Augenbraue des Kolosses vor mir rutscht gen Nachthimmel. "Schauen Sie nach." Er brummt und zupft das Klemmbrett unter seinem dicken Armen hervor. Er überfliegt die Liste darauf. Ziemlich lange. Ich werde wieder nervös. "Wie war der Name noch mal?", kackt er mich an.

"Ed Towing. T o w i n g", buchstabiere ich extra für ihn.

Wieder wandert eine Augenbraue, diesmal die Andere. "In Ordnung. Du kannst rein." Äh?! Moment! … Echt?!

"Na endlich!", blase ich und versuche mir nicht meine Überraschung anmerken zu lassen. Meilo hat mich auf die Liste gesetzt! Und das, obwohl ich ihm besprochen habe, nicht herzukommen. Ahnt er doch was von meinem Überraschungsbesuch? Oder hält er sich einfach an unseren gemeinsam ausgedachten Plan? Na, ich werde es herausfinden.

Ich schiebe mich an dem Türsteher vorbei, bekomme ein rotes Bändchen ums Handgelenk (wie hübsch), und werde ins Innere gelassen. Die Spannung steigt, ebenso meine Anspannung. Wenigstens die erste Hürde wäre geschafft. Ich bin im Club.
 

Drinnen herrscht das typische Clubleben. Laute, bassgeschwängerte Musik, Schwarzlicht, glitzernde Lichtpunkte und jede menge tanzwütiger Menschen. Ich bleibe am Rand stehen, um mir zuerst mal einen Überblick zu verschaffen. Meilo sagte was von einem VIP-Bereich. Auf meinem schnieken Armband steht jedenfalls, dass ich dort Zugang habe. Folglich muss der hier ja auch irgendwo sein. Da ich unten nichts erkennen kann, was einem abgesperrten Bereich nahe kommt, hebe ich den Kopf, und Bingo! Da ist er.

Eine Treppe, die im hinteren Bereich des Clubs zu sehen ist, führt hoch auf die zweite Ebene. Die Treppe ist mit einer dunkelroten Kordel abgesperrt, und davor steht ein weiterer Securityheini. Na wenn das nicht nach VIP schreit, weiß ich auch nicht. Nichts wie da hin! Ich will endlich zu Meilo.

Ich quetsche mich durch das ganze tanzende Folk hindurch, und komme schweißgebadet an der Treppe an. Die stickige Luft, die ganzen Leiber und die daraus erfolgende Hitze sind daran schuld. Das fängt ja echt gut an! Wenigstens mein Geschenk ist heile geblieben. Noch. Ich wedle mit meinem bändchenverzierten Arm herum, der Kerl registriert es und öffnet für mich die Kordelschranke. Wie nett.

Schnaufend komme ich oben an. Der VIP-Bereich ist größer, als er von unten ausgesehen hat. Auch hier gibt es eine Tanzfläche, extra Bereiche mit Sitzmöglichkeiten, eine weitere Bar und oben, auf erhöhten Podesten, sind besagte Tänzerinnen. Auch die von Meilo erwähnten Bedienungen rennen herum und verteilen ihre Plörre.

Der Großteil der Gäste jedoch sieht aus, als gehören sie alle zum Showbiz. Teuer aussehende Kleidung, sowie die verschiedensten Szenetypen, operierte Gesichter, operierte Möpse. Alkohol fließt in Strömen und ich mag gar nicht wissen, was die ein oder andere Flasche unter ihnen kostet. Ich fühle mich höchst unwohl unter diesen 'Schönen und Reichen'. Aber ich bin ja nicht wegen ihnen hier, sondern wegen einem ganz besonderen Menschen. Nur, wo ist das Geburtstagskind denn eigentlich?

"Hey du", haucht es plötzlich neben mir. Ich drehe mich zu der Hey du sprechenden Person. Natürlich! Eine Frau.

"Hey du zurück", blaffe ich sie an.

"Dich kenne ich ja gar nicht", schnurrt sie, und reibt sich dreist an meinem Körper. HEY!

"Ich dich auch nicht, deswegen" ich suche Abstand von dieser aufdringlichen Person und wedle mit meiner Hand, als wolle ich eine übermütige Hummel verjagen wollen "Abstand halten." Ihr Lächeln verschwindet.

"Penner!" Das war jetzt aber gar nicht nett, finde ich. Ich schüttle nur den Kopf und suche mir ein sicheres Plätzchen, von wo aus ich Meilo suchen kann.

Nicht unweit der Bar entfernt finde ich eins. Aber leider finde ich auch von dort aus meinen geliebten Meilo nicht. "Entschuldigung?", frage ich den Barkeeper. "Wo ist denn Keith?"

Der Barkeeper mustert mich -wieso tun das hier alle?!- und nickt mit dem Kopf nach rechts, also Richtung Tanzfläche. "Danke." Die Suche geht weiter.

Wegen des diffusen Lichtes und die ganzen Leute sehe ich aber wieder rein gar nichts. Kurz meine ich, Knilch-Niklas erkennen zu können, kann aber beim besten Willen nicht sagen, ob er es auch wirklich war. Doch um sicher zu gehen, laufe ich in diese Richtung. Wo Knilch-Niklas ist, ist Meilo nicht weit entfernt. Darauf könnte ich wetten!

"Ey! Ist das für mich?" Wieder baggert mich eine Tusse an.

"Nein. Oder hast du Geburtstag?"

Sie fängt an, schrill zu lachen. "Nein!", gackert sie. "Ist das etwa für Keith?" Ich bejahe. "Ach Gottchen, wie niedlich! Und so schön verpackt!" Gleich bekommt jemand das niedlich verpackte Geschenk in die Fresse gedonnert.

Ich mahne mich zur Ruhe, lasse sie einfach stehen und bahne mir weiter einen Weg, dorthin, wo ich Meilo vermute. Und endlich habe ich Glück! Keine drei Meter von mir entfernt sehe ich ihn plötzlich dastehen. Grell geschminkt stecke er in einem light-Bühnenoutfit und trägt dazu ein paar verdammt hässliche Stiefel an den Füßen. Eben ganz Keith Kandyce. Er hält einen Cocktail in der Hand und unterhält sich mit einem Kerl, der eindeutig schwul ist. Ich meine, welcher heterosexuelle Typ hält auf diese weise sein Proseccoglas in die Höhe? Sicher keiner, der heute Abend noch eine Frau abschleppen möchte. Der sieht eher so aus, als wolle er meinen Schatz heute Nacht aus der engen Jens pellen. Tja, dazu wird es ganz sicher nicht kommen. Dieses Privileg bleibt mir vorbehalten. Schade, dass ich das nicht in Proseccogals' Gesicht sagen kann.

Knilch-Niklas ist auch anwesend, lungert an Meilos Seite herum und ist ganz schön angepisst von dem Proseccoglashalter. Ich gehe nochmal eine Wette ein. Wetten, er ist noch angepisster, wenn er mich sieht? Aber was interessiert mich der Knilch? Meilos Reaktion ist es, die mich wirklich und wahrhaftig interessiert.

Das Geschenk halb vor meinem Gesicht, damit er mich nicht gleich erkennen kann, laufe ich rüber zu Meilo. Als er mich endlich erblickt, stehe ich schon fast direkt vor ihm. Er runzelt die Stirn und scheint mich tatsächlich nicht zu erkennen. Ich nehme es ihm nicht übel. Ganze Schwaden von Kunstnebel verpesten die Luft. "Ein Geschenkt für dich", rufe ich über die laute Musik hinweg und gebe mein Gesicht frei. Meilos Stirn glättet sich und er guckt mich verdutzt an. Fehlt nur noch, dass ihm die Kinnlade heruntersegelt. Allein hierfür hat sich die Fahrt wieder gelohnt. "Nic?", haucht er ungläubig. "Du bist hergekommen?"

"Was glaubst du denn?", lache ich. "Meinst du, ich lasse mir deinen Geburtstag entgehen?"

Immer noch verdutzt, schüttelt er leicht den Kopf, lacht dann jedoch zu meiner Freude ebenfalls, drückt dem Knilch seinen Cocktail in die Hand und fällt mir, ungeachtet des sperrigen Geschenkes, um den Hals. "Oh Scheiße!", gluckst er. "Mit dir habe ich echt nicht gerechnet!" Ein Kuss landet auf meiner Wange, dann lässt er mich wieder los. Mein Herz schmerzt. Ich will mehr! Aber natürlich geht das nicht. Nicht hier vor all den Leuten, oder gar vor der Presse. "Ist das für mich?", fragt er mich.

"Für wen sonst?" Ich überreiche ihm mein Präsent.

Er nimmt es, schaut sich kurz um, und greift sich plötzlich meine Hand. "Komm mit", meint er bloß und zieht mich mit sich, quer durch den Raum.

Wir landen in einem kleinen Zimmer, der allem Anschein nach als Abstellraum dient. Es ist dunkel und stickig hier drinnen, aber wir sind allein. Und das ist alles was zählt. "Du bist verrückt!", krächzt Meilo und umarmt mich erneut. Diesmal küsst er mich richtig und ich lehne mich seufzend gegen ihn. Endlich allein!

"Ich bin wirklich verrückt. Nach dir", säusle ich und schmuse über seine Lippen. "Bist du sauer, weil ich doch gekommen bin?" Er wollte ja nicht, dass ich hier aufschlage.

"Nein. Wie könnte ich?"

Meilo drängelt mich gegen einen Stapel Kisten und küsst mich erneut. Leidenschaftlich und gierig saugen wir an unseren Mündern. Doch so gern ich weiter gehen würde ... "Meilo? Nicht, dass sie noch Verdacht schöpfen."

Meilo knurrt unwillig, lässt mich aber gehen. "Du hast recht", sagt er und leckt sich über die Lippen. "Dann mache ich mal dein Geschenk auf."

"Tu das", antworte ich ihm und laufe ihm nach. Er legt mein Geschenk auf einen Stapel Kisten, der nicht allzu hoch ist, und reißt das Papier ab.

"Was ist das?", will er wissen, nachdem das Papier auf dem Boden gelandet ist.

"Rate mal."

"Äh ... Bilderschnipsel?" Er grinst verwirrt.

"So kann man es auch sehen", gebe ich zu. "Das ist das Bild, das wir in Bremen gemacht haben."

"Das Cock-Bild?"

"Eben das", grolle ich. "Nenn es doch bitte nicht so!"

Meilo lacht. "Du hast es zerschnitten?"

"Jepp. Als Tarnung. Das unzerschnittene Bild ist auf der Rückseite."

"Ernsthaft?" Meilo kommt gar nicht mehr aus dem Lachen raus. "Was für eine Idee!"

"Gefällt es dir nicht?", frage ich unsicher nach. War das Geschenk doch ein Griff ins Klo?

"Doch! Natürlich gefällt es mir!" Uff! Jetzt bin ich erleichtert. "Wie bist du nur darauf gekommen?"

"Na ja, ich dachte, wenn ich dir das Bild einfach so schenke, dann bekommt doch jeder spitz, dass da was zwischen uns ist. Also hab ich es zerschnitten."

"Du bist echt einmalig!" Gleich werde ich rot. "Danke schön." Meilo dreht sich zu mir und schiebt seine Arme um meine Taille. "Danke, dass du gekommen bist." Wir können es nicht lassen und fangen erneut an, in eine wilde Knutscherei zu verfallen. Das geht sogar so weit, dass sich Meilos Hände in meine Jeans verirren, und meine Pobacken durchkneten. Wenn wir so weiter machen, habe ich bald ein steiles Problem.

"Meilo ... Wir sollten ... aufhören", keuche ich gegen seine Lippen.

"Sollten wir ... Aber ich will nicht." Ich doch auch nicht, du Idiot! Dennoch bleibe ich eisern und bringe mich vor Meilos Mund und seinen Händen in Sicherheit.

"Nachher, okay?" Meilo nickt, grinst aber frech. "Was denn?"

"Du hast da was im Gesicht?"

"Oh." Ich wische mir über die Wange und über den Mund. "Weg?"

"Nein." Meilo grinst immer noch. "Warte." Er kramt in seiner Hosentasche herum und zupft ein Taschentuch heraus. Damit wischt er mich über den Mund und auch drum herum. "So müsste es wieder gehen", meint er schlussendlich.

"Was war es denn?"

"Lippenstift." Oh Fuck! "Wenn du so rausgegangen wärst, wäre es höchst verdächtig herübergekommen."

"Nicht nur bei mir", lache ich, weil ich gerade sehe, dass auch bei ihm einiges verschmiert ist. "Ich glaube, du musst dich nachschminken."

"Das nächste Mal sagst du mir Bescheid, wenn du kommst. Dann lege ich kussechten Lippenstift auf", kichert er und rubbelt sich ebenfalls die verwischte Farbe weg.

"Warte. Ich mach das." Vorsichtig helfe ich ihm. "So geht's."

"Danke." Prompt lande ich wieder in seinen Armen, und weil Herumknutschen vorerst Tabu ist, schmiegen wir uns fest aneinander. "Wir sollten wieder raus gehen, sonst sucht man mich noch." Da gebe ich Meilo leider recht. "Dein Geschenk lasse ich aber hier. Nicht, dass es noch zu Bruch geht."

"Oder einer das Bild entschlüsselt", füge ich an.

Lachend lässt mich Meilo los. "Das müsste aber schon ein Puzzle-Genie sein."

"Mindestens."

Wir machen uns auf, den Abstellraum wieder zu verlassen, da bleibt Meilo jedoch nochmal stehen und greift erneut in seine Hosentasche. Diesmal zaubert er eine Zimmerkarte hervor. "Für den Fall, dass du vor mir gehen willst", erklärt er.

"Wieso sollte ich das wollen?"

"Glaube mir, du wirst vor mir diese wunderschöne Party verlassen wollen." Mitfühlend schaue ich ihn an, nehme dann jedoch die Karte entgegen und stecke sie ein. "Das Zimmer läuft diesmal auf den Namen Henry Lerchenbach. Nur, falls dich jemand fragt. Mit ihr kommst du auch ins Parkhaus."

"Und wie kommst du dann in dein Zimmer?"

"Na du musst mir schon aufmachen", lacht Meilo und stupst mit seiner Nase gegen meine."

"In Ordnung", grinse ich, seufze dann aber. "Dann stell mich mal deinen Freunden und den halb nackten Tänzerinnen vor. Bin schon ganz heiß drauf." Meilo verzieht das Gesicht, was so zum Küssen aussieht, dass ich mich arg beherrschen muss, es nicht zu tun.
 

Draußen empfängt uns gleich ein Begrüßungkomitee in Form von Knilch und einem anderen Typen, den ich vorher noch nicht gesehen habe. Und sofort strömen noch mehr Leute auf Meilo zu. "Haaay!", quietscht eine aufgetakelte Tussie mit wasserstoffblondem Haar. "Happy Birthday, Mr. Kandyce!" Ich verkneife mir ein Lachen. Bussi links, Bussi rechts. Jetzt hat mein Schatz wieder Lippenstift im Gesicht. Unsere Knutscherei wäre gar nicht aufgefallen. So was ...

Ich suche etwas Abstand zu den Gratulanten und den aufdringlichen Weibern. Meilo hatte wirklich Recht. Es ist furchtbar! Und dabei erlebe ich das ganze Spektakel bloß für wenige Sekunden. Meilo wird immer wieder gedrückt, geknutscht und bekommt die Hand geschüttelt. Er tut mir immer mehr leid. Ob ich ihn retten soll? Aber wie? Hm … mal nachdenken. Ich glaube, mir fällt da schon was ein.

Ich eile zur Bar und ordere zwei Drinks. Keine Ahnung, ob der Barkeeper mich verstanden hat, aber Hauptsache, er bringt mir zwei volle Gläser. Das tut er auch, und mit ihnen bewaffnet dackle ich zurück zu Meilo. "Keith?" Ich halte ihm eins der Gläser hin. "Stoßen wir an?"

"Ja!" Er quetscht sich zwischen den Leuten hindurch, die ihn belagern und stellt sich vor mich.

"Auf dich und deinen Geburtstag."

"Auf mich", grinst er, dann trinken wir.

Die Ruhe hält nur leider nicht lange an. Man umringt uns binnen weniger Momente erneut. "Wer ist denn das?", will eins der Weiber wissen, hängt sich dabei allerdings an Meilos Arm. Ey! Der Arm gehört mir!

"Das ist Ed", antwortet Meilo und unterdrückt ein Lachen. "Ein alter Freund von mir."

"Oh hallo Ed", sagt eine andere zu mir. "Und was tust du so?"

Ich nippe an meinem Drink, ehe ich antworte. "Programmieren", sage ich, was sich echt gut anfühlt. Wenn ich jetzt noch einen Job als Programmierer hätte, wäre es fast perfekt.

"Du bist nicht in der Branche?" Die hört sich ja richtig enttäuscht an.

"Nein. Ich bin ein armer Schlucker." Ich zucke mit den Achseln.

"Aha ..." Und schon hat die anwesende Damenwelt das Interesse an mir verloren. Wow. Den Trick merke ich mir!

"Ed ist der beste in seinem Bereich", höre ich Meilo sagen. "Er ist atemberaubend." Nichts gegen seine Einschätzung, aber muss er mich so loben? "Ich sage euch, er wird mal ein ganz Großer." Die Weibsen kichern, und dank Meilos Lobeshymnen auf mich, pirscht sich eine von ihnen wieder an mich ran.

Ich erwürge ihn! Das hat er extra gemacht! Allein wie er grinst, spricht Bände. Aber nicht mit mir! "Keith übertreibt", sage ich und mache einen auf geschmeichelt. "Mein Schatz sagt das zwar auch immer, aber es ist harte Arbeit."

"Du bist vergeben?", fragt mich das anhängliche Weib. Der Kandidatin hat hundert Punkte.

"Ja", erwidere ich.

"Ist sie hier?"

"Nein, sie ist nicht hier." Sondern er.

"Dann zählt sie nicht", kichert sie und wandert mit einer Hand an meinen Hintern. Und zwar an eine Stelle, die im genaueren Sinne gar nicht mehr zum Hintern gehört, eher an eine noch intimere Stelle.

"Pfoten weg!", zische ich aus einem Reflex heraus. "Ich gehe nicht fremd!" Ich funkle sie böse an und bringe ein paar Schritte Sicherheitsabstand zwischen uns. Es fehlte nicht viel, und ich hätte ihr brühwarm gesagt, dass ich auf Kerle stehe. Gut, dass ich das nicht habe, denn wer weiß, was das für Meilo bedeutet hätte. Auf keinen Fall sollen sie auch nur ansatzweise denken, dass da was zwischen uns ist. Natürlich nur zu seinem Schutz.

Die Tusse wirft mir giftige Blicke zu. Ich gifte zurück. "Nicht doch Jessie. Lass Ed lieber in Ruhe. Er ist einer der seltenen treuen Sorte", rettet Meilo die Situation. Ihr Glück. Wie schon erwähnt, bin ich im Zickenkrieg ein hervorragender Krieger!

"Hab's gemerkt", quäkt sie und wirft ihr Haar zurück. "So toll isser nun auch nicht ..." Toll genug, dass Keith Kandyce mich will, bin ich alle mal, Schätzchen. Pfü!
 

Ich suche endgültig das Weite und verkrümle mich an die Bar. Meilo hatte sowas von recht! Diese Party ist kacke! Richtig scheiße!

Mit einem Drink in der Hand, alkoholfrei versteht sich, lehne ich an der hohen Theke. Es dauert nicht lange, da werde ich wieder belästigt. Keine Frau ist es, sondern, man höre und staune, Knilch-Niklas. "Du hast also eine FreundIN?", fragt er mich und pflanzt sich neben mich.

"Hab ich nicht gesagt", knurre ich.

"Dann habe ich wohl was falsch verstanden. Genau wie deinen Namen. Ich dachte, du heißt Niclas."

Ich stelle mein Glas ab und schaue ihn an. "Erstens brauche ich keine Weiber, die sich an mich hängen. Und wenn sie denken, ich sei vergeben und treu, lassen sie mich in Ruhe. Zweitens war das mit dem Namen Meilos Idee. Zum Schutz." Gott, kann ich gut lügen, wenn es drauf ankommt!

"Ah! So ist das also."

"Ja, so ist das", nicke ich, und gebe mich betont gelangweilt.

"Dann bist du doch schwul?" Der Knilch fängt an mich zu nerven. Also greife ich zu meiner alt bewehrten Methode zurück, um ihn zu verjagen.

Ich höre auf, gelangweilt vor mich hinzustarren, und drehe mich halb zu Knilchilein rüber. "Für dich mache ich eine Ausnahme", grinse ich ihn eindeutig an. "Für dich mache ich so einiges ..." Ich gebe ihm eindeutige Signale. Er soll sich verpissen!

"Sicher? Ich dachte eher, dass du so einiges für Meilo machst." Oh Shit!

Ich lache auf. Hoffentlich nicht zu offensichtlich, damit er nicht merkt, dass er ins Schwarze getroffen hat. "Er ist nicht mein Typ", lüge ich und beuge mich noch dichter an ihn ran. "Ich stehe auf die Kleinen quirligen ", säusle ich. "Die, die unter mir quietschen vor Geilheit, weil ich ihnen mein hartes Ding reinramme." Ich glaube, das war jetzt etwas zu viel für den Knilch.

Er schluckt hart und weicht meinem Blick aus. "Ich bin hinten im Abstellraum", fiepst er, stößt sich von der Theke ab und verschwindet. Moment mal bitte! Denkt er jetzt etwa, dass ich ihm folge und ... Kacke! Warum halte ich nicht einfach mein Maul?!

Was mache ich denn jetzt? Wenn ich ihm nicht folge, dann weiß er, dass ich geblufft habe. Aber ich kann ihm unmöglich folgen, weil ich nichts von ihm will und zudem glücklich vergeben bin. Ich sitze in der Zwickmühle. "Hey du heißes Geschoss", haucht jemand hinter mir. Meilo!

Er schiebt sich neben mich und grinst sein Meilogrinsen. "Ich hab Mist gebaut", flüstere ich ihm zu.

"Jetzt schon? Das ging ja schnell."

"Ich meine es ernst!" Meilo mopst sich meinen Drink und schlürft daran. Abwartend mustert er mich. "Niklas denkt, ich würde ihn jetzt gleich in der Abstellkammer vögeln."

Meilo verschluckt sich und hustet. "Was? Wie kommt er denn darauf?"

Ich zerkaue meine Unterlippe. "Irgendwie glaube ich, er hat gedacht, dass ich ihm das ... angeboten habe."

"Wieso?" Meilo ist richtig perplex. "Hast du ihm das etwa gesagt?"

"Nein! Er hat nachgehakt, ob ich was von dir will. Ich hab das als Unsinn abgetan und gesagt, dass ich nur auf die kleinen Typen stehe, die unter mir quietschen."

"Bitte!?", grunzt Meilo und fängt an zu lachen. "Warum erzählst du auch so was?"

"Ich weiß es nicht!" Ich gerate allmählich in Panik. "Was soll ich denn machen? Er wartet da drinnen auf mich."

"Geh nicht rein."

"Wenn ich nicht gehe, dann weiß er, dass ich nur geblufft habe!"

Seufzend stützt Meilo den Kopf auf seine Hand. "Nic, Nic, Nic. Du machst aber auch Sachen ..."

"Hilf mir lieber, anstatt mich auszulachen!"

"Geh da rein", sagt er, ohne mit der Wimper zu zucken.

"Hä?"

"Du gehst jetzt da rein, ich warte ein paar Sekunden, laufe dir nach und rufe dich."

"Genial!", rufe ich. "Du bist echt genial!"

Mein super schlauer Superstar lächelt mich an. "Bedanke dich nachher bei mir." Darauf kann er sich verlassen!
 

Ich mache mich auf den Weg. Ziemlich nervös schleiche ich mich durch die Tür des Abstellraumes und schaue mich um. Niemand zu sehen. "Hier", sagt eine leise Stimme, die von der rechten, vorderen Ecke zu kommen scheint. "Da bist du ja endlich." Oh Mami! Ich will nicht!

"Klar bin ich hier", antworte ich leicht hilflos. Ich muss Zeit schinden. Diesem Knilch will ich nicht näher kommen als nötig.

Ich höre ihn schnell und aufgeregt atmen. Langsam laufe ich in seine Richtung, bis ich seine Silhouette erkennen kann, und je näher ich ihm komme, desto mehr kann ich sehen. Knilchilein steht mit freiem Oberkörper vor mir an die Wand gelehnt. Ein Anblick, auf den ich gut und gerne verzichtet hätte. Er ist überhaupt nicht mein Typ und sein blasser Body macht mich so gar nicht an. "Dreh dich um", herrsche ich ihn an. Er gehorcht, was mich verblüfft, da er doch sonst immer widerspenstig auf mich reagiert.

Mit den Händen an die Wand gestützt, steht er mit dem Rücken zu mir und hält den Kopf gesenkt. So langsam es geht, trete ich von hinten an ihn ran. Knilchilein seufzt leise und biegt mir den Hintern entgegen. Eine eindeutige Aufforderung. Meilo, wo bleibst du?!

Ich zögere. Und jetzt? Vorsichtig lege ich meine Hände auf seine Schulterblätter. "Oh ja!" Oh nein! Ich muss mich zwingen, nicht die Hände wieder weg zu ziehen. "Bring mich zum Quietschen!" Ahhh! Nein!

"Ganz wie du willst", presse ich durch meine Lippen.

"Mach schon." Ich will aber nicht!

"Sei ruhig", knurre ich ihn an. "Ich gebe den Ton an." Sicher mache ich einen verzweifelnden Eindruck. Welch ein Glück, dass er mich nicht sehen kann.

"Ja! Sag mir, was ich tun soll!"

Ich knirsche mit den Zähnen. "Ich habe gesagt, du sollst ruhig sein!" Meine Handfläche landet so schnell auf Knlichs schmalem Hintern, dass ich selbst ganz erschrocken zusammenzucke. Er keucht auf und hat anscheinend eine Menge Spaß dabei. Mir wird ganz anders.

In Ermangelung an weiteren Ideen, was ich mit dem Knilch tun soll, verpasse ich ihm noch eine. Das ist dafür, dass du mich letztens aus Meilos Hotelzimmer verjagen wolltest. Und die ist dafür, dass du unseren schönen Einkaufsbummel torpediert hast. Und die, für dein Auftauchen im Pool. "Oh Niclas!"

"Ruhe!" Klatsch. Knilch fängt sich noch eine. Langsam fängt es an mir Spaß zu machen.

Das ändert sich jedoch, als er sich blitzartig umdreht und seine dürren Ärmchen um meine Hals schlingt. Seinem Mund, der unaufhaltsam auf mich zuhält, kann ich gerade so noch ausweichen. Allerdings landen sie an meinem Hals, was mir eine Gänsehaut der ekeligen Art beschert. "Ich küsse nicht", zische ich und drücke ihn von mir weg. "Dreh dich wieder um."

"Nix da", gluckst er und vergreift sich an meiner Hose. Panisch greife ich nach seinen Händen, aber sie sind verflucht flink und haben im Nullkommanichts den Knopf der Hose aufbekommen. "Du wirst mich jetzt endlich ficken, hörst du? Ich will, dass du genau das mit mir machst, was du mir an der Bar zugeflüstert hast." Maaaamiii!!!

"Niclas?" Meilo! Oh dem Himmel sei Dank! "Bist du hier drinnen?"

"Ja!", japse ich und schubse den aufdringlichen Knilch erleichtert von mir. Er glotzt mich wie ein Mondkalb an, doch das ist mir Wurst. Nichts wie weg hier! "Du hast mich gesucht?", frage ich Meilo, auf den ich eilig zuhechte, nachdem ich mir schnell wieder die Hose zugeknöpft habe.

"Ja. Ich wollte nochmal mit dir anstoßen. Was tust du hier?"

"Äh ..." Das weiß er doch! "Dein Geschenk!", fällt mir wieder ein. "Ich wollte nachschauen, dass damit alles in Ordnung ist. Liegt es auch wirklich sicher hier?"

"Vollkommen sicher", lacht er und legt seinen Arm um meine Schultern. Oh, wie ich ihn liebe! "Komm wieder mit raus. Du verpasst ja alles." Ich nicke, weil ich keinen Ton mehr heraus bekomme.
 

"Oh Fuck!", ächze ich, nachdem wir ein ruhiges Plätzchen gefunden haben. Auf einer kleinen Couch hocken wir, und sind NOCH unter uns. "Warum hat das so lange gedauert?"

"Ich wurde noch aufgehalten", sagt Meilo und zuckt mit den Schultern, während er unschuldig an seinem Glas nippt.

"Weißt du, was ich durchgemacht habe?", frage ich ihn. "Ich wusste nicht was ich tun soll, also habe ich ihm ..." Ich mache eine eindeutige Handbewegung. Meilo gluckst vor Schadenfreude. "Sehr witzig!"

"Sorry, aber da hast du dich selbst hinein manövriert." Grollend lehne ich mich mit verschränkten Armen auf der Couch zurück. "Du hast doch nicht noch mehr gemacht, oder?"

Hm. Soll ich ihm einen klitzekleinen Bären aufbinden? "Er hat mich geküsst", flüstere ich. "Dieser kleine Gnom hat mir seine schmierigen Lippen aufgedrückt."

"Was?" Nun lachst du nicht mehr, hm? "Und du? Hast du ...?"

"Ihn zurück geküsst?" Meilo bejaht. "Was hätte ich denn tun sollen?"

Meilo stellt das Glas ab und sieht mich an, als hätte ich ihm eben gesagt, ich hätte mich bei der Mafia beworben. "Das hast du nicht getan. Du verscheißerst mich." Ich sage nichts, sondern versuche so reumütig wie nur irgend möglich auszusehen. "Nic? Sag mir die Wahrheit. Du hast ihn nicht zurück geküsst." Wir messen uns mit unseren Blicken. Ich halte dem nicht lange stand und fange an zu grinsen. "Du Idiot!" Seine Faust landet auf meiner Schulter. Nicht sehr fest, aber ich spüre sie deutlich.

"Au!"

"Die hast du verdient."

"Na warte. Nachher ..."

"Hey Jungs!" Drei aufgedonnerte Mädchen stehen auf einmal vor der Couch auf der wir sitzen. Und vorbei ist es mit der Ruhe. "Ist da noch Platz?" Nein! Verpisst euch!

"Klar", antwortet Meilo. Schöne Scheiße.

Die kichernden Büchsen setzen sich neben uns. Zwei Stück von ihnen auf Meilos Seite und eine macht es sich neben mir bequem. "Du bist also ein alter Freund von Keith?", labert sie mich an.

"Ja, bin ich."

"Wie ist er den so ... Als alter Freund?" Das werde ich dir auch gerade sagen.

"Nett", sage ich, lächle dünn und gucke mich in der Gegend um.

"Wie habt ihr euch denn kennengelernt?"

Achselzucken. "Weiß nicht mehr. Ist lange her."

"Du weißt das echt nicht mehr? So was muss man doch wissen. Wenn man einen so tollen Typen wie Keith trifft, brennt sich das doch im Hirn ein." Wimpernklimpern. Dir hat die erste Begegnung mit Keith wohl das Hirn komplett weggebrannt, nicht wahr?

"Wie hast du ihn den kennengelernt", stelle ich die Gegenfrage, und bereue sie jetzt schon.

"Ich hab ihn im Gebäude der Plattenfirma getroffen. Weißt du, ich bin Backgroundsängerin." Oh Gott! Bitte erschieß mich doch irgendwer!

"Keith Kandyce?" Ein Kerl in Jeans und einem karierten Hemd steht vor uns. Hat der ne Knarre für mich? Nein, aber eine Fotokamera. "Dürfte ich Sie ein paar Dinge fragen?"

"Natürlich", lächelt mein Schatz ihn an. Wieder empfinde ich großes Mitleid mit ihm. Er hat heute Geburtstag, und was muss er tun? Sich diese Vakuum-gefüllten Blechbüchsen antun, und dann auch noch auf dämliche Interviewfragen antworten. Ich hasse die ganze Musikindustrie mit jeder Minute mehr.

Ein Blitz lässt mich aufschrecken. Der Kerl vor uns macht Fotos von Meilo. Ich stemme mich in die Höhe und sehe zu, dass ich aus der Knippsbahn komme. Soll er Keith Kandyce zwischen drei Weibern ablichten, aber mich bitte nicht. Ich überlege ernsthaft, ob ich mir Meilos Ratschlag zu Herzen nehmen, und ins Hotel fahren soll. Ich gehöre eindeutig nicht hier her, und Niklas pirscht sich auch wieder an mich heran. Er wirft mir schöne Blicke zu, jedenfalls denkt er wahrscheinlich, sie seinen schön oder sexy oder so was ähnliches.

In einer ruhigen Ecke krame ich das Handy hervor und schreibe Meilo eine SMS, dass ich mich jetzt ins Hotel abmache, weil mich mein neuer Fan schon wieder anbaggert. Kaum abgeschickt, mache ich mich schnellstens auf den Weg. Im Rausgehen passe ich auf, dass mich der Knilch ja nicht erblickt und gebe Fersengeld. Nix wie weg hier!
 

***
 

Am Hotel angekommen, parke ich unten im Parkhaus, steige in den Aufzug und lande direkt in der Lobby. Um diese Uhrzeit tummeln sich wenige Leute hier herum, weswegen ich natürlich sofort auffalle. "Entschuldigen Sie?", fragt mich jemand. Ich bleibe stehen, doch innerlich verdrehe ich die Augen. "Haben Sie ein Zimmer hier?" Man, sind die alle auf der Hut! In diesen noblen Sternehotels kommt keiner ungesehen rein.

"Habe ich", antworte ich und zeige meine Zimmerkarte.

"Es tut mir leid, aber ich müsste Sie trotzdem nach ihrem Namen fragen." Kommt wohl nicht oft vor, dass ein Kerl in Jeans und Shirt, bepackt mit einem zeranzten Rucksack, in eurer schicken Lobby steht.

"Ich bin Ed Towing und das Zimmer läuft auf dem Namen Henry Lerchenbach."

"Einen Moment bitte." Jetzt verdrehe ich nicht nur innerlich die Augen. Mein Rücken tut langsam aber sicher weg, weshalb ich mich an eine Anrichte lehne, die neben den Aufzügen steht. "Werden Sie erwartet?" Der Typ kommt wieder zu mir zurück.

"Ich bin vorgeschickt worden. Herr Lerchenbach ist noch unterwegs."

"Wenn das so ist, dann kann ich Sie nicht hoch lassen."

"Was?"

"Ich bin untröstlich, doch ich kann Sie unmöglich in eins der Zimmer unserer Gäste lassen, solange er nicht im Hause ist, selbst wenn Sie Herr Lerchenbach uns angemeldet hat."

"Aber ich habe seine Zimmerkarte!" Ich halte sie dem unverschämten Typen vor die Nase. Er nimmt sie mir sofort ab und steckt sie ein. "Hey!" So ein Penner!

"Wie gesagt. Es tut mir leid, aber da kann ich nichts machen."

"Na klasse!", ärgere ich mich. "Dann warte ich hier."

Ich fasse eine kleine Sitzecke ins Auge, aber wie soll es auch anders sein: "Auch das geht nicht", sagt dieser miese Kerl vom Empfang.

Ich atme tief ein und schlucke einen Teil meiner Wut runter. Ein "Wie mir diese Scheiße auf den Sack geht!", kann ich mir jedoch nicht verkneifen, ehe ich mich umdrehe und mich wieder auf den Weg ins Parkhaus mache. "Penn ich eben im Auto!" Saftladen!
 

Als ich wütend die Tür meines Wagens zupfeffere, und es mir hinten auf der Rückbank 'gemütlich' mache, überlege ich, ob ich Meilo hiervon berichten soll. Am Ende muss ich das sogar, denn woher sonst soll er wissen, wo ich bin. Er denkt ja, dass ich in seinem Hotelzimmer bin, und wenn er dort ankommt, und mich nicht findet, macht er sich nur Sorgen oder denkt, ich wäre wieder nach Hause gefahren. Außerdem hat dieser Schuft vom Empfang ja seine Zimmerkarte.

Also bleibt mir keine andere Wahl. Ich tippe ihm einen kurzen Text, dass ich nicht einfach in sein Zimmer gelassen werde, und daher im Auto auf ihn warte. *Ruf mich an, wenn du kommst. Dann warte ich am Aufzug auf dich*, sind meine Abschlussworte.

"Was für ein Scheißtag!", schnaube ich und schalte meinen Musikplayer an. Meilos nächsten Geburtstag verbringen wir alleine. Und ganz sicher in keinem Hotel! So viel ist klar.
 

******

Love bite 17 - Prädikat äußerst wertvoll

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 17 - Prädikat äußerst wertvoll (Ohne Adult)

Love bite 17 - Prädikat äußerst wertvoll (Ohne Adult)
 

Mir rutscht das Herz in die Hose. Da hämmert jemand wie bescheuert gegen mein Fenster! Ich reiße die Augen auf und ... ich bin in meinem Auto? Wieso liege ich in meinem Auto? Und auf einmal fällt mir alles wieder ein. Die wollten mich nicht in Meilos Hotelzimmer lassen!

Wieder hämmert es und anschließend wird mein Name wird gerufen. "Meilo?" Ich drehe mich um und dort steht er. Er sieht sauer aus. Sauer und verwirrt. Ich rapple mich auf und steige aus dem Auto. Direkt in Meilos Arme. "Wie spät ist es?", frage ich ihn gähnend. "Ist die Party schon vorbei?"

"Haben die sie eigentlich noch alle?!", brüllt er. Ich verziehe das Gesicht. Mir fliegen fast die Ohren weg. Seine Stimme ist so laut, dass sie im Parkhaus widerhallt. "Die lassen dich im Auto pennen?! Ist das deren Ernst?!"

"Halb so schlimm", beschwichtige ich ihn. "Jetzt wo du hier bist, können wir ja hoch gehe..."

"Halb so schlimm? Das sehe ich aber ganz anders!" Mein Schatz ist ja mächtig angepisst. Ich dagegen bin eigentlich ganz entspannt. Schlaftrunken träfe es wahrscheinlich besser, aber jedenfalls ist meine Wut über die Hoteltypen gerade nicht anwesend, weshalb ich Meilos Gefühlsausbruch nicht teilen kann. Ich will einfach nur noch pennen. Zusammen mit Meilolein an meiner Seite. "Nimm deine Sachen. Denen erzähle ich was!" So sauer habe ich Meilo ja noch nie erlebt. Daher tue ich, was er verlangt, schnappe meinen Rucksack und schließe ab, bevor ich ihm ins Hotel folge.

Mit schnellen, festen Schritten eilt er auf die Rezeption zu. Man sieht von weiten, dass er echt geladen ist. "Meilo? Komm lass gut sein. Lass uns hoch gehen." Ich will nicht, dass er wegen mir einen Aufstand macht. Seinem Image tut das sicher auch nicht gut. Er rennt immer noch in Keith Kandyce Montur herum, doch er ignoriert mich.

"Sie!" Er streckt die Hand aus und deutet auf einen völlig erschreckt dreinblickenden Hotelangestellten. "Was denken Sie sich eigentlich?"

"Bitte?" Der Kerl an der Rezeption wird immer nervöser und sein Gesicht dementsprechend immer dunkler. Dass er gar nicht derjenige ist, der mich nicht ins Hotelzimmer lassen wollte, scheint Meilo nebensächlich. Und ich werde einen Teufel tun, und ihn darüber in Kenntnis setzen. Er würde mir sowieso nicht zuhören, fürchte ich.

"Ich will verdammt nochmal wissen, warum mein Freund unten im Auto schlafen muss, obwohl ich ihm meine Zimmerkarte gegeben, und Ihnen heute Morgen gesagt habe, dass er jederzeit in mein Zimmer darf?!"

"Äh ... Tut mir leid, davon weiß ich nichts", fiepst der arme Tropf, der Meilos Wut abbekommt.

"Und wer weiß darüber Bescheid? Ich will sofort mit demjenigen reden, der meinen Freund im Auto schlafen lässt!"

"Äh ... einen Moment bitte." Weg ist er. Ganz schön flink, der Gute. Angst verleiht Flüüügel.

"Meilo?" Ganz vorsichtig taste ich mich an meinen Schatz heran. "Du bist doch jetzt da und wir können ins Zimmer. Ist doch alles nochmal gut gegangen."

"Nein", zischt er. "Ich lasse das nicht auf sich beruhen." Ui, ui. Meilos Kiefer zeichnen sich auf seinem Gesicht ab. Er ist stinke sauer!

Ich will noch einmal versuchen, ihn umzustimmen, da trabt der Kerl an, der mich des Hotels verwiesen hat. Er lächelt übertrieben freundlich und streckt Meilo die Hand entgegen, die dieser aber nicht annimmt, sondern ihn mit bösen Blicken taxiert. "Ich bin mal gespannt, wie Sie es rechtfertigen wollen, dass mein Freund, der heute extra zu meinem Geburtstag angereist ist, nicht in mein Zimmer durfte. Haben Sie dafür eine Erklärung?"

"Ich habe dem Herrn schon erklärt, dass wir laut unseren Hotelvorschriften niemanden in die Zimmer lassen dürfen, wenn der Zimmerinhaber nicht im Hause ist." Den Satz hat er auswendig gelernt, oder?

"Ich habe ihm extra meine Zimmerkarte gegeben!"

"Trotzdem ..."

"Er ist mein Gast! Ich habe ihm versprochen, dass er bei mir übernachten kann! Wie stehe ich denn jetzt vor ihm da? Er hat in seinem Auto geschlafen! Nennen Sie das Gastfreundlichkeit?"

"Nein, aber ..."

"Nichts aber! Ich will eine Erklärung!"

Der Hotelangestellte nickt, wirkt dabei allerdings ganz schön hochnäsig, finde ich. "Wir können unmöglich fremde Leute in die Zimmer lassen, die uns vom Gast vorher nicht vorgestellt wurden. Stellen Sie sich vor, etwas Wertvolles wird aus ihrem Zimmer entwendet. Die Zimmerkarte könnte schließlich gestohlen sein."

Ich werfe einen besorgten Blick auf Meilo. Gleich platzt er. Seine Kiefermuskeln leisten immer härtere Arbeit und ich schwöre, ich kann Rauch aus seinen Ohren entweichen sehen. "Das war das letzte Mal, dass ich in Ihrem Hause war", zischt Meilo dem Kerl leise, aber dennoch drohend zu, ehe er auf dem Absatz kehrtmacht, mir andeutet ihm zu folgen, und auf die Aufzüge zu marschiert.

Da gibt es nur leider etwas, dass Meilo vergessen hat. "Die Zimmerkarte", lächle ich den Typen vor mir an und strecke die Hand aus. Er mustert mich einen Moment lang, läuft dann zur Rezeption, holt die Karte, und händigt sie mir aus. "Vielen Dank." Und weg bin ich, und geselle mich an Meilos Seite, der mit verschränkten Armen vor einem der Aufzüge steht.
 

Nachdem sich die Aufzugtüren hinter uns geschlossen haben, atme ich laut aus. "Den hast du aber rund gemacht", sage ich leise. "Respekt." Meilo knirscht bloß weiterhin mit den Zähnen. Er ist total angespannt. Ich halte lieber vorerst die Klappe. Das er sich wegen mir so aufregt, ist mir schon fast unangenehm. Obwohl es mir auch in gewisser Weise schmeichelt.

In unserer Etage angekommen, rauscht Meilo aus dem Aufzug. Ich wieder hinterher. Mittlerweile bin ich komplett wach. Bevor Meilo mich um die Zimmerkarte bitten kann, übergebe sie ihm auch schon. Krachend landet sie in dem dafür vorgesehenen Schlitz. Ein Piep, auf ist das Schloss. Sauer knallt Meilo die Tür nach unserem Betreten wieder hinter uns zu. Während ich einfach nur erleichtert bin, endlich im Zimmer zu sein, ist er immer noch wütend. "Damit mir nichts Wertvolles gestohlen wird! So ein Penner!", knurrt er und feuert die Zimmerkarte auf das Sideboard, das neben der Zimmertür an der Wand steht.

"Reg dich nicht weiter darüber auf", versuche ich ihn zu beruhigen.

"Tu ich aber! Was interessiert mich mein Kram? Du bist alles Wertvolle, was ich habe! Und dich lassen sie im Auto versauern! Diese Idioten!" Ich blinzle und fange an zu grinsen. "Ist doch wahr!", setzt er ungehalten nach.

"Ich bin das Wertvollste, das du hast?", frage ich ihn schmunzelnd.

"Natürlich! Was denkst du denn?" Er hat die Arme vor der Brust verschränkt und lehnt sich gegen das Sideboard.

Langsam gehe ich auf ihn zu und schmiege mich an ihn. "Jedes Mal, wenn ich denke, ich kann mich gar nicht noch mehr in dich verlieben, als sowieso schon, belehrst du mich eines Besseren", sage ich leise zu ihm. Seine grünen Augen funkeln mich an. Nicht mehr ganz so wütend, aber immer noch grimmig. "Hey, vergiss es. Lass uns lieber zusammen deinen restlichen Geburtstag feiern, als uns über diese Idioten aufzuregen. Was hätte ich auch groß ohne dich hier tun können, hm?"

Meilo entspannt sich allmählich wieder. Ich entwirre seine Arme und schiebe meine unter ihnen hindurch. "Suchen wir jetzt das Bett, oder was?" Ein leichtes Grinsen fliegt über seine Mundwinkel. Na wer sagt es denn? Da ist er wieder, mein Meilo!

Er löst sich von der Wand und schnappt mich. Fest an seine Seite gedrückt, führt er mich den Flur lang. "Das ist ja eine ganze Wohnung, und kein Hotelzimmer!", staune ich. "Die ist ja noch größer als die letzte Suite."

"Die bekomme ich jedes Jahr. Als Geburtstagsgeschenk, sozusagen."

"Wahnsinn!" Wir biegen ins Schlafzimmer ein. Mir verschlägt es vollends die Sprache. Es ist riesig! Ein rundes Bett thront in der Mitte mit Blickrichtung auf ein riesiges Panoramafenster. "Shit", keuche ich. "So ein Geschenk hätte ich dieses Jahr auch gerne."

Meilo lacht. "Wann hast du denn Geburtstag? Vielleicht kann ich da was arrangieren."

"Am 22ten Oktober."

"Ist gespeichert."

Seufzend drehe ich mich zu ihm, damit wir uns direkt anschauen können. "Es würde mir schon reichen, wenn ich dann einfach nur bei dir sein könnte."

"Dann komm zu mir", sagt er achselzuckend.

"Erst mal sehen, ob es klappt. Wenn ich bis dahin einen Job habe, wird's schwierig."

"Dann komme ich eben zu dir."

"Echt? Du willst eine super tolle Suite gegen ein Kinderzimmer eintauschen?"

"Solange du in dem Kinderzimmer bist ..." Kichernd stupse ich mit der Stirn gegen Meilos Schlüsselbein. "Du brauchst gar nicht zu lachen", schnurrt er mir ins Haar. "Es ist egal, wo ich bin. Hauptsache du bist bei mir. Du machst sogar diese leeren Hotelzimmer zu einem Zuhause für mich."

Stockend hebe ich meinen Kopf. "Wenn du weiterhin so süßes Zeug säuselst, bekomme ich noch Diabetes", murmle ich verlegen. Wie kann er so etwas nur sagen? Es ist schon schwer genug für mich, dass ich nicht lange bei ihm sein kann, und dann sagt er auch noch ständig die süßesten Dinge.

"Aber es stimmt. So empfinde ich." Meilos Finger kämmen sanft durch mein Haar. Sämtliche Härchen auf meinem Körper stellen sich auf. "Ohne dich ist alles so ... leer und ich fühle mich nicht komplett." Oh Meilo!

Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und erobere seinen süßholzraspelnden Mund. Mit der Zunge bitte ich um Erlaubnis eintreten zu dürfen. Meilos Lippen teilen sich umgehend, und ich gleite in sein warmes Reich. Unsere Zungen treffen sich und plötzlich verstehe ich Meilo. Es ist, wie nach Hause zu kommen, nur besser. Viel besser. In meinem Kopf formt sich eine Idee. Eine, die höchst wahrscheinlich von dem immensen Hormonschub ausgelöst wird, in dem ich gerade bade, aber sie hört sich so verlockend an, dass ich sie nicht ignorieren kann. "Ich bleibe bei dir", keuche ich. "Wenn du mich mitnimmst, weiche ich keine Sekunde mehr von deiner Seite. Solange, bis du aus deinem Vertrag raus bist."

Jetzt ist es an Meilo verdutzt zu gucken. "Wie jetzt?", fragt er. "Du bleibst bei mir?"

"Ja! Bei dir! Ich gehe mit auf Tour!" Warum klingt der Satz ausgesprochen nicht mal halb so gut, wie er sich in meinem Kopf angehört hat? Aber egal. Ich ziehe das jetzt durch. "Wenn ich bei dir mitfahren kann, dann wäre mein Problem mit dem Sprit gelöst." Ich kann mir nicht helfen, aber mit jeder Sekunde sinkt meine zuvor empfundene Euphorie.

"Sweety? Du weißt, ich würde mir nichts mehr wünschen, als dich bei mir zu haben, aber du kannst nicht mit mir fahren. So gern ich dich mitnehmen würde, es würde zu viel Fragen aufwerfen."

"Oh ... Daran habe ich ja gar nicht mehr gedacht." Und an meine laufenden Bewerbungen auch nicht. Ich lasse Meilo los und fahre mir übers Gesicht. "Da gingen gerade die Hormone mit mir durch. Tut mir leid." Ich höre wie Meilo schmunzelt.

"Mach dir nichts draus. Ich habe mir auch schon den Kopf zerbrochen, wie wir unser Problem lösen könnten, aber leider ist es so, dass, so wie wir es bis jetzt handhaben, es immer noch die beste Lösung ist."

"Ja", seufze ich. "Anders geht es wirklich nicht."

"Wir müssen einfach nur das Beste aus der wenigen Zeit machen, die wir haben", raunt Meilo mit rauer Stimme und entfernt sich von mir. Ich schaue ihm nach. Er geht langsam rückwärts und zupft sich das Oberteil aus der Hose. Das Jackett, das er zuvor getragen hatte, liegt schon zwischen uns auf dem Boden. "Was hältst du davon, wenn ich jetzt schnell duschen gehe, und dann mit dir ins Bett krabble?"

"Hört sich gut an", antworte ich ihm.

"Fein. Dann machen wir das doch." Er dreht sich um, zieht sich das Oberteil über den Kopf und wandert durch das Schlafzimmer auf eine Tür zu, die anscheinend das Badezimmer beherbergt.
 

Ich nutze die Zeit, und krame mein Zeugs aus dem Rucksack. Viel ist es nicht. Zahnbürste, Wechselkleidung für zwei Tage und mein Handy, das ich jetzt ausstelle. Doch als ich kurz drauf gucke, stutze ich. Es ist noch nicht mal halb zwölf! Das bedeutet, Meilo muss kurz nach meiner Nachricht von seiner Party verschwunden sein.

Ich lasse den Rucksack fallen und setze mich aufs Bett. Eine eingegangene SMS. Soll ich raten, von wem? Um kurz vor zehn hat mir Meilo eine Antwort auf meine SMS geschickt. 'Ich komme sofort!', steht in ihr. "Oh Meilo, du Dussel!" Ich muss mir aber auch selbst an die Nase packen. Ich hätte ihm keine Nachricht schicken sollen! Jetzt ist er wegen mir von seiner Promotion-Geburtstagsfeier weg, und bekommt bestimmt Ärger. Ich muss mit ihm darüber reden!

"Meilo?" Ich klopfe an die Badezimmertür. Lautes Wasserrauschen. "Meil...oh." Die Tür schwingt auf. Sie war gar nicht richtig erschlossen.

"Du kommst mir gerade recht. Rein mit dir!"

"Wahh!" Meilo zerrt mich am Handgelenk ins Bad. Dichte, heiße Nebelschwaden schlagen mit entgegen. Ich sammle mich einige Augenblicke lang, dann schaue ich mich um. Auch das Badezimmer ist zum Ausrasten! Ich stehe eigentlich gar nicht auf Kitsch und Gold, aber das hier hat was.

Die Dusche hat keine Brause, sondern eine dieser riesigen viereckigen Regenduschen oben an der Zimmerdecke. Ich bin noch am staunen, da merke ich, dass sie gar nicht angeschaltet ist. Ich dachte, Meilo duscht. Apropos ... Wo ist er eigentlich? Eben war er noch vor mir. "Meilo?"

"Hier", antwortet er prompt. Ich folge mit den Augen seiner Stimme und finde ihn. Er steht in einen Bademantel gehüllt vor einer versenkten Badewanne, die sich mit Wasser füllt. Daher also das Rauschen. "Ich dachte, du willst dich vielleicht auch erfrischen?" Flubb, der Bademantel landet auf dem Boden. Zum Vorschein kommt Meilo, so wie man ihn geschaffen hat, plus einer mächtigen ... Na wisst schon! Das Teil, das man zum Erschaffen braucht, wenn man denn etwas erschaffen will.

Ich schlucke und besinne mich auf mein Vorhaben. 'Meilo fragen, warum er wegen mir Ärger mit seiner Plattenfirma riskiert hat.' "Meilo?"

"Runter mit den Klamotten und folge mir." Er steigt in die Wanne und gleitet ins Wasser. Das sieht so verführerisch aus, dass ich nicht lange überlege und mich ebenfalls ausziehe.

Trotzdem vergesse ich nicht, was ich sagen wollte. Man kann ja auch beim Ausziehen reden, nicht? "Meilo? Warum bist du so früh von deiner Feier abgehauen?"

"Bin ich doch gar nicht", sagt er unschuldig und zieht etwas aus der Tasche seines Bademantels. Ich erkenne sofort was es ist. Etwas, das wir definitiv gleich noch benötigen werden. Eilig schäle ich mich aus dem Rest meiner Kleidung.

"Bist du doch! Wir haben gerade mal halb zwölf! Und jetzt sag mir nicht, dass die Party schon vorbei ist." Vielleicht sind meine Worte nicht ganz so effektvoll, wie ich versucht habe sie rüber zu bringen, aber probiert ihr das mal, wenn ihr nackt vor eurem Schatz steht, während er in der Wanne sitzt, euch von unten her genaustens beobachtet und dabei sein ... na ihr wisst schon ... präsentiert.

"Okay, ich gebe es zu. Die Party ist noch nicht vorbei, aber ich konnte dich doch unmöglich im Auto pennen lassen!"

"Für die paar Stunden wäre das schon gegangen", erwidere ich und teste mit dem Fuß die Wassertemperatur. Heiß! "Deine Plattenfirma wird ausrasten!"

"Wird sie nicht", meint Meilo und schnappt nach meinem Fuß. Ätsch! Ich bin schneller.

"Und wieso glaubst du, wird sie das nicht?"

"Weil sie mich ins Hotel geschickt hat."

"Hä?" Das Wasser ist vergessen. Was brabbelt er da?

"Mir war ja so übel! Ich habe es ganz knapp auf die Toilette geschafft, ehe ich mich erbrechen musste."

"Du bist schon wieder krank!", japse ich erschrocken. "Dann hock doch nicht in der Wanne, sondern ab ins Bett mit dir!"

Meilo fängt an zu lachen, was ich ganz und gar nicht lustig finde. "Beruhige dich", gluckst er. "Alles nur gespielt."

"Was? Echt?"

Meilo nickt. "Den Vorschlag hatte ich doch von dir, vergessen?" Nein, wie könnte ich? "Sie haben es mir abgekauft und mich sofort per Taxe hier her fahren lassen. Schließlich muss ich für die nächsten Konzerte wieder fit sein."

"Du Teufel", gluckse ich. "Mein kleiner, hinterhältiger Teufel!"

"Komm und bestrafe mich", fordert Meilo mich mit dunkler Stimme auf und bespritzt mich mit Wasser. Dabei muss ich kurz an Knilchilein denken, aber ich blende die unerwünschten Gedanken ganz schnell wieder aus. Bei Meilos Anblick fällt mir das auch nicht schwer.
 

Ich gleite ins Wasser und rutsche auf den Schoß meines Lieblings. "Wieso bestrafen?", frage ich ihn und schmuse über seine Nase, während er seine Arme um meinen Rücken legt. "Sag mir lieber, was ich Gutes für dich tun kann. Du hast noch für eine halbe Stunde Geburtstag, also lass mal hören, was du dir wünschst."

Meilos grüne Augen sehen aus wie tiefe, grüne Seen. Ich kann mich gar nicht an ihnen sattsehen. "Alles, was ich mir wünsche, halte ich gerade in meinen Armen." Okay. Gleich erliege ich wirklich noch einem Zuckerschock.

"Dussel", murmle ich leicht verlegen. "Sag schon. Was soll ich tun?"

"Überrasch mich", haucht er. Seine Hände kreisen auf meinen Rücken umher. Langsam wandern sie tiefer und streicheln über meine Rundungen.

Seufzend koste ich seine Berührungen eine Weile lang aus, dann schiebe ich die Hände jedoch von mir und nagle Meilos Arme rechts und links am Rand der Wanne fest. "Du genießt, ich übernehme die Arbeit", erkläre ich ihm, weil er mich so putzig verdattert anguckt.

"Du übernimmst die Arbeit?"

"Jepp."

"Okay", kichert mein Schatz und lehnt sich weiter zurück. "Dann schaff mal was, my Sweetheart." Ich schnappe nach seinen Lippen, weil er mir ein wenig zu frech daher kommt, wie ich finde. Nicht fest, aber er bekommt meine Zähne zu spüren. Er lacht aber nur vergnügt darüber und steigt mit ein. Meilos Zähne knabbern an meiner Unterlippe, während ich an seiner Oberlippe sauge. Oder ich versuche es zumindest. Es lässt sich schwer saugen, wenn man nur eine Lippe dafür übrig hat. Also muss ich mir eine andere Strategie überlegen, und ich habe da schon was im 'Blick'.
 

***
 

"Guten Morgen Sweetheart. Ich hoffe Ihr Weckservice war angenehm?"

"Phantastisch", keuche ich. "Bekomme ich den jetzt immer?"

"Wenn du bei mir bist, liebend gern." Ich lächle Meilo selig an, noch immer leicht benebelt. "Hunger?" Ich nicke. "Dann lasse ich uns Frühstück bringen und hüpfe schnell unter die Dusche." Meilo rappelt sich auf, aber so leicht lasse ich ihn nicht davonkommen.

"Warte!", halte ich ihn auf. "Geh noch nicht."

"Wieso nicht?", fragt er mich schmunzelnd.

"Tu nicht so, als wüsstest du das nicht", sage ich und verschließe seinen immer noch grinsenden Mund.

Ich schlinge meine Beine sowie meine Arme um ihn und mit einer beherzten Drehung habe ich ihn unter mir liegen. "Du willst doch damit nicht duschen gehen", flüstere ich gegen seine Lippen und gleite mit der rechten Hand zwischen uns, wo ich etwas ziemlich Hartes ertaste. "Außerdem, wie willst du duschen, wenn du doch noch gar keinen Weckservice hattest?"

"Gute Frage", gluckst Meilo, stöhnt dann jedoch kehlig auf, weil sich mein Daumen an eine seiner delikatesten Stellen hinverirrt hat.
 

Meinen 'Job' erledigt, rutsche ich nun an Meilos Körper hinauf und lege mich halb auf ihn. Geduldig warte ich darauf, dass er wieder zu Atem kommt, und mich anschaut. Beides dauert nicht lange. "Und? Wie war ich?", frage ich ihn, und versuche dabei nicht zu lachen.

Meilo erkennt jedoch, dass ich nur Spaß mache, stupst mir mit dem Zeigefinger auf die Nase und springt vom Bett. "Wie agil", staune ich und rolle wie ein nasser Sack voll Lehm von der Matratze.

"Was man von dir nicht behauten kann", lacht mein Schatz. "Ich rufe schnell unten an, dann ab ins Bad?"

"Ich bin vor dir da!", rufe ich. Jetzt zeige ich ihm, das ein nasser Sack Lehm auch schnell sein kann!

Schlitternd komme ich im Bad an. Aus den Augenwinkeln sehe ich Meilo, der mit dem Zimmerservice telefoniert, mich aber dabei anschaut. Ich winke ihn mit meinem Zeigefinger zu mir und drehe die Regendusche an. Die hat sogar LED-Licher! Meilo gerät in den Hintergrund. Ich starre auf das einladende Nass, das in bunten Farben von der Decke regnet. Ich muss da sofort drunter! Und das tue ich auch, stelle mich mit geschlossenen Augen unter das warme Wasser und recke das Gesicht empor. Ist das schön!

"Darf ich auch, oder willst alleine im Regen planschen?" Meilo ist endlich da!

"Du weißt doch, zu zweit macht Planschen viel mehr Spaß", erwidere ich und trete zur Seite, was bei dieser großen Dusche eigentlich gar nicht nötig ist.

Da ich immer noch dem Wasser fröne, höre ich bloß, wie mein geliebter Schatz neben mir tritt. Sein Körper nähert sich mir von hinten. Arme legen sich auf meinen Bauch. "Ich liebe dich." In meinem Bauch wird es warm und flauschig.

Ich lehne mich gegen Meilos Brust, drehe den Kopf zu ihm herum und öffne die Augen. "Ich dich auch", antworte ich und lecke über sein Kinn hinauf bis zu dem verführerisch lockenden Mund.
 

Wir vergnügen uns noch eine Weile unter dieser wahnsinnigen Dusche, verschwenden eine Menge Wasser dabei und albern miteinander herum. "Du hast mal wieder ganz schön zugeschlagen", gluckse ich, als ich mit Meilo vor dem riesigen Spiegel stehe und die zahlreichen Knutschflecken an mir betrachte.

"Du aber auch. Die bleiben bestimmt für immer."

"Na hoffentlich", feixe ich.

Ich drehe mich zu ihm und kreise mit dem Zeigefinger über ein paar der dunklen Flecken auf seiner Brust. "Weißt du auch, was die bedeuten?", will er von mir wissen.

"Dass wir nicht genug voneinander bekommen können?"

"Das auch", lacht er, dreht sich ebenfalls zu mir, und macht sich von neuem über meinen Hals her.

"Was bedeuten sie denn nun?", frage ich, damit er nicht schon wieder meinen ganzen Hals wund saugt.

Ich trete einen Schritt zurück und warte auf seine Antwort. Er grinst verschmitzt, was bedeutet, dass da nichts Gescheites bei rauskommen kann. "Wenn du genau hinschaust, kannst du es nachlesen." Ich lege den Kopf schief. Was habe ich gesagt?

"Bitte kläre mich auf. Ich habe meine Brille nicht dabei."

Grinsend beißt sich Meilo auf die Unterlippe, schleicht wieder an mich heran und zieht mich an sich. Wieso ist er eigentlich noch immer nackt? "Da steht", beginnt er leise "Prädikat äußerst Wertvoll."

Ich ziehe eine Augenbraue nach oben, schaue meinen Schatz verwirrt an und fange plötzlich an zu lachen. "Du bist unmöglich!", kichere ich. "Unmöglich und äußerst liebenswert." Nicht zu vergessen, dass auch er für mich äußerst wertvoll ist. Sogar mehr als das. Aber dies sage ich ihm nicht. Jedenfalls nicht mit Worten, denn das kann man noch viel besser mit Gesten ausdrücken ...
 

***
 

"Und was machen wir heute?"

"Nicht viel, fürchte ich." Meilo zuckt mit den Schultern. "Ich muss im Bett bleiben, wenn ich meine Plattenfirma nicht skeptisch machen will."

"Hm ...", schnurre ich. "Auch nicht schlecht. Bleiben wir eben im Bett ..." Ich stehe auf, laufe um den Tisch herum, und hocke mich rittlings auf Meilos Schoß.

"Immer noch nicht genug?", gluckst er, wobei sich seine Hände auf meinen Hintern legen.

"Von dir doch nie." Irgendwie habe ich das Gefühl, dass unsere Lippen magnetisch aufeinander reagieren. Sie hängen schon wieder aufeinander.

Ein Klopfen reißt uns ungeachtet unserer entfachten Kussleidenschaft auseinander. Meilo patscht mir auf die rechte Arschbacke und schiebt mich von sich. Buwääh, wie gemein!

Beleidigt schaue ich hinter Meilo her, der sich in einen Bademantel wickelt und an die Tür geht. "Ja?", krächzt er. Im Kranksein simulieren ist und bleibt er der Beste.

"Wir haben hier Ihre Präsente und eine Kiste voll Post. Soll ich sie Ihnen ins Zimmer bringen?" Meilos Geschenke sind da.

"Stellen Sie alles einfach hier in den Flur", höre ich Meilo dem Hotelangestellten mit schwacher Stimme antworten.

Es rappelt und donnert einige Male, dann kehrt Ruhe ein. Neugierig spähe ich um die Ecke. Meilo hockt vor einem wahren Berg voll Päckchen und buntem Papier. Ich war also nicht der Einzige, der mit einem Geschenk angetanzt ist. Und ich dachte schon, ich wäre old school. "Was ist das alles?", frage ich ihn und hocke mich neben ihn. "Hast du das alles geschenkt bekommen?"

"Ja", murmelt er. Scheinbar sucht er in dem ganzen Wust was ganz Bestimmtes. "Da ist es ja!", ruft Meilo plötzlich und was zieht er hervor? Das Bild, das ich ihm geschenkt habe. "Ich hatte schon Angst, sie hätten es vergessen."

"Dann hätte ich denen aber was erzählt!"

"Und ich erst." Meilo legt es vor uns auf den teuer aussehenden Holzfußboden. "Ich will es aufmachen!", sagt er aufgeregt. "Ich will das ganze Bild sehen!"

"Mach doch." Mein Schatz macht sich gleich an die Arbeit. Vorsichtig hebt er den Deckel ab, hinter dem das unzerschnittene Bild versteckt ist. "Die Qualität ist nicht berauschend. Meine Handykamera ist nicht die Beste." Es hat mich geärgert, aber das Endergebnis war besser, als ich beim Bestellen gedacht habe.

"Man erkennt doch alles", meint er. "Besonders den..."

"Wenn du jetzt wieder auf den ollen Hahn anspielst, gehe ich."

"Ich wollte eigentlich sagen, besonders den heißen Typ neben mir." Warum bloß glaube ich ihm nicht so ganz? "Es ist wirklich schön. Danke."

"Unser erstes Pärchenfoto auf Papier", ergänze ich. Meilo beugt sich zu mir und schenkt mir einen Kuss. "Wo willst du es hinhängen?"

"Das kommt über mein Bett."

"Du hast ein Bett? Ein eigenes?", foppe ich ihn.

"Ja, stell dir vor. Ich habe auch ein eigenes Bett."

"Das will ich sehen!" Und vor allem will ich darin liegen ...

"Ich würde wirklich gern sofort mit dir los düsen, und es dir zeigen, aber ..."

"Ich weiß doch", unterbreche ich Meilo, weil er ganz geknickt dreinblickt. "Sobald du frei bist, holen wir das nach."

Meilo lacht. "Das trifft es ganz gut." Mein armes Hasi.

"Und der andere Kram?" Ich drehe mich zu dem Riesenstapel an Geschenken um. "Was ist da alles drinnen?"

"Weiß nicht. Hab noch nicht reingeschaut." Meilo und ich sehen uns an. Ich glaube, wir denken gerade das Selbe.
 

Und dann geht es los. Papier fliegt in Fetzen durch die noble Suite, Verpackungen werden aufgerissen. Ein Geschenk nach dem Anderen kommt zum Vorschein. Eins skurriler als das andere. "Für was braucht man das hier?", will ich wissen, und halte ein ... keine Ahnung was in die Luft.

"Zeig mal." Meilo entreißt es mir. Stirnrunzelnd betrachtet er das kleine Teil. "Das hat einen USB-Anschluss", stellt er fest.

"Was hat heutzutage denn keinen USB-Anschluss?", frage ich.

"Du?"

"Ich hab einen."

"Echt?"

"Ja."

"Wo?"

"Musst du suchen." Hehe.

"Nachher." Oh. Schmollend lehne ich mich an einen Karton, der links neben mir steht. "Das muss die Fanpost sein." Fanpost?

"Du bekommst Fanpost nachgeliefert?" Ich linse auf besagten Karton. Wenn der voll ist, ist das ne Menge Fanpost.

"An meinem Geburtstag schon."

"Geburtstagsfanpost also", überlege ich laut. "Dann ist da vielleicht auch der Brief von meiner Schwester für dich drinnen." Irgendwie gruselig.

"Deine Schwester hat mir einen Geburtstagsbrief geschrieben?" Meilo robbt rüber zu mir und klappt den Karton auf. "Den hättest du mir doch mitbringen können", schmunzelt er.

"Klar. Ich hätte Nicole sagen können, dass ich auf deine Party gehe und dir auf diesem Wege ihr Geschenk an dich persönlich übergeben kann", grummle ich.

"Sie weiß es immer noch nicht?"

"Nein." Sonst würden wir hier sicher nicht in trauter Zweisamkeit sitzen können.

"Irgendwann musst du es ihr sagen."

"Hast du dich mit meiner Mutter abgesprochen? Die hält mir das auch ständig vor."

"Ich halte es dir nicht vor."

"Gut. Dann brauchen wir auch nicht mehr darüber zu reden." Damit ist das Thema für mich erledigt. Ich fühle mich so schon scheiße genug, da muss ich das nicht noch ständig mit jemanden durchkauen.

"Verdrängen hilft auch nicht", murmelt Meilo und kramt in dem bunten Wust aus Briefen und Umschlägen herum.

"Ich verdränge es so lange wie es mir passt, und jetzt Schluß damit! ... Was ist sind alles für Briefe?" Den Nicole-Verdrängunsmodus wieder angeschaltet, spähe ich auf das bunte Briefpapier. Glitzer wohin das Auge reicht, rosa und pinke Herzchen, Parfümduft in allen Ausführung. Kotz-würg! "Willst du die alle lesen?" Falls ja, dann bleibt gar keine Zeit mehr für uns. Es sei denn, ich darf mich über die Zeilen deiner Fans lustig machen, was ich allerdings nicht annehme.

"Nicht alle. Da gibt es Leute für mich, die das machen."

"Echt jetzt? Die gibt es wirklich?"

"Ja." Das wird ja immer verrückter!

"Gibt es in diesem Bereich Stellenausschreibungen? Ich könnte mich bewerben."

Meilo lacht. "Ich denke nicht. Das sind meist Praktikanten der Plattenfirma, glaube ich." Och Mensch. Als Assi will ich da sicher nicht schuften. "Die Briefe, von denen sie meinen, ich sollte sie lesen, bekomme ich weitergereicht."

"Sind das hier schon die Lesenswertesten unter ihnen?"

"Glaube nicht. Das werden bis jetzt alle eingegangenen Geburtstagsgrüße sein. Hilfst du mir?"

"Sie zu lesen?"

"Nein! Den deiner Schwester zu finden."

"Du willst ihn lesen?"

"Natürlich. Den Brief meiner Schwägerin darf ich doch nicht auf die lange Bank schieben." Och nee! Obwohl ...

"Sie hat was für dich gebastelt", fällt mir wieder ein.

"Was denn?"

"Wollte sie mir nicht zeigen. Aber da ich ja an der Quelle sitze ..." Ich grinse schäbig.

"Du bist schlimm!", lacht Meilo.

"Ich weiß. Dafür komme ich in die Hölle!"

"Dann hoffe mal, dass sie mir keins ihrer Höschen schickt."

"WAS?!" Mir läuft es eiskalt den Rücken runter und ich bin kurz davor, den Briefkarton als Spuckeimer zu missbrauchen. "Du verarschst mich! ... Hat das schon mal einer deiner Fans gemacht?"

"Einer? Schön wäre es, wenn es nur ein Höschen gewesen wäre." Ach du heilige Scheiße! "Zum Glück sehe ich die nicht mehr. Die werden gleich 'aussortiert'. Aber damals kam das manchmal vor."

"Du grüne Neune! In deinen Schuhen will ich echt nicht stecken." Wieder schüttelt es mich. "Und falls dir Nicole ein Höschen schickt, lege ich sie übers Knie. ... Is ja ekelig!"

Meilo grinst schmal und sucht weiter nach Nicoles Brief. "Nicole Ittninger! Hab ihn!" Siegreich zupft er einen DIN-A4 großen Umschlag aus dem Briefemeer.

"Ey! Den Umschlag hat sie von mir geklaut!" Und mit lauter Kitschkram verziert! "Die brauche ich für meine Bewerbung!"

"Damit bewirbst du dich?" Meilo schüttelt tadelnd den Kopf. "Kein Wunder, dass du keinen Job findest."

"Sehr lustig", grante ich ihn an. "Ich klebe da nur die besten Einhornsticker drauf! Nicht diesen Glitzerktisch da!"

"Na dann ..." Meilos Augen blitzen vergnügt.

"Mach ihn schon auf! Ich will wissen, was sie dir gebastelt hat." Ist das aufregend! Bitte lass es kein Höschen sein!

Meilo zupft die Lasche auf und fördert einen Brief hervor. Einen ziemlich dicken Brief. Ich staune. Ihr muss ja viel auf dem Herzen liegen, dass sie ihm so viel schreibt. Neben dem Brief liegt ein kleines Geschenk bei, das kaum größer als meine Handfläche ist. "Soll ich erst lesen?"

"Nein, mach auf!"

"Sie doch nicht so ungeduldig." Er hat gut reden! Ich will wissen, mit was meine Schwester glaubt, meinen Schatz beeindrucken zu können. Und nein, das hier ist kein Wettstreit, wer das schönste Geschenk hat. ... Nein, ehrlich! ... Wirklich! ... Ach, denkt doch was ihr wollt!
 

Vorsichtig öffnet Meilo das eingepackte Etwas. "Fühlt sie wie eine Art Armband an", vermutet er.

"Ein Armband?" Von der Größe her würde es passen.

Es raschelt, schon ist das Papier auseinander. "Es ist eins", bestätigt Meilo und schaut es sich an. Ich lehne mich vor, damit ich es auch anschauen kann. "Wie hübsch. Und das hat sie selbst gemacht?"

"Das sagte sie."

"Das ist richtig gut geworden." Gut ist untertrieben. Die Kleine hat ein Lederarmband gemacht, woher auch immer sie Leder hat. Es besteht aus mehreren, etwa einen halben Zentimeter breiten Strängen. Auf jeden von ihnen ist was eingeprägt. Kleine Anhänger sind auch noch dran.

"Woher kann sie denn sowas?", frage ich mich.

"Guck mal. Eine kleine Musiknote. Und hier! Ein Gummibärchen!"

"Ein Gummibärchen?"

"Ich liebe Gummibärchen."

"Ach?" Meine Schwester kennt Meilo besser als ich!

"Nic. Jetzt guck nicht so. Du musst nicht eifersüchtig sein."

"Ich?! Ich bin doch nicht eifersüchtig!" Ehrlich! ... Wirklich! ... Warum glaubt mir hier keiner?!

Auf meiner Unterlippe kauend, schaue ich zu, wie Meilo sich das Armband umbindet. "Sweety? Hör auf zu schmollen."

"Hm." Ich schmolle nicht. Ich denke nach. Darüber, dass ich Meilo noch viel besser kennenlernen muss. Aber wie, wenn wir uns nicht oft sehen und bloß miteinander telefonieren? "Du erzählst mir jetzt auf der Stelle ein paar Dinge über dich!", fordere ich ihn auf.

"Okay ...", antwortet er skeptisch. "Und welche?"

"Egal! Was isst du noch gern, außer Gummibärchen?"

"Schön, ich erzähle dir was von mir, aber zuerst ..." Er packt mich an der Taille und zieht mich mit einer erstaunlichen Kraft auf seinen Schoß. "Zuerst machen wir dort weiter, wo wir vorhin unterbrochen worden sind, denn das, was ich am aller-aller liebsten mache, ist, Zeit mit dir zu verbringen."

"Das ist doch schon mal ein Anfang", kichere ich und schmuse über seine Lippen.

Und das ist etwas, dass nur ich über ihn weiß. Wie ich Meilo mit einem klitzekleinen Kuss dazu bringe, mir auf der Stelle zu verfallen.
 

******

Love bite 18 - Alles was zählt

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 18 - Alles was zählt (Ohne Adult)

Hallöchen! ^^

Heute ziehen dunkle Wolken über Nic und Meilos Paradies. Warum und welche das sind, dass könnt ihr gleich selbst nachlesen. ;-)
 


 

Love bite 18 - Alles was zählt (Ohne Adult)
 

Treffer! "Ey!" Ich grinse mir eins ab. Meilo zupft an seinem Kragen, in dem ich gerade treffsicher eine kleine Traube hab verschwinden lassen. "Ach Mensch! Jetzt ist sie Matsch."

"Darf ich sie dir von deinem heißen Body lecken?" Ich bekomme auf einmal einen mordsmäßigen Appetit auf Matsch-Trauben.

"Als Strafe, weil du mich mit Weintrauben bewirfst, darfst du das nicht", antwortet er und führt sich die aufgeplatzte Traube selbst in den Mund. Sofort fliegt eine weitere Traube auf ihn zu. "Lass das!", giggelt er, fängt sie und wirft sie zurück.

Ich lehne mich zur Seite. Sie verfehlt mich und landet irgendwo in der Suite. "Die Putzfrau wird sich bedanken." Wenn ich allein an das Papierchaos im Flur denke ...

"Mir egal. Dann hätten sie dich gestern Nacht nicht im Auto schlafen lassen sollen."

"Immer noch sauer deswegen?" Er nickt. "Und das, obwohl wir diesen wunderschönen Entschuldigungskorb bekommen haben?" Glaubt es, oder glaubt es nicht. Vorhin haben die uns tatsächlich einen riesigen Präsentkorb mit Obst, Champagner und anderen Leckereien in die Suite gebracht. Inklusive dicker Entschuldigungskarte. Ein Promi zu sein, hat auch seine Vorteile.

"Den Korb kannst du gerne nachher mitnehmen. Von mir aus können sie sich den sonst wo hinstecken." Mein Schatz ist wieder brummelig.

"Du überlässt ihn mir?"

"Ja."

"Super!" Wieder fliegt eine Traube durch die Luft. Diesmal eine rote. Patsch! Voll ans Fenster. Sieht irgendwie ekelig aus. Ich verziehe das Gesicht und genehmige mir lieber selbst eine. "Die sind gut."

"Dann iss", lächelt mich mein Schatz an.

"Soll ich dich füttern?"

"Ja. Aber nur mit dem Käse." Meilo grinst verschmitzt. Wenn er jetzt glaubt, dass ich das nicht mache, dann hat er sich geschnitten.

Ich stibitze mir den Leib Käse, ebenso das gleich mitgelieferte Käsemesser, schneide eine dicke Scheibe davon ab und lehne mich über den Tisch. "Sag ahh!" Meilo lacht auf. "Mach schon. Du wolltest doch den Käse."

"Ich mag keinen Schimmelkäse", schüttelt er sich.

"Nicht?" Wieder etwas, das ich über ihn erfahre.

"Nein." Dann verputze ich ihn eben selbst. Genüsslich verleibe ich ihn mir ein, was Meilo angeekelt zugucken lässt. "Dich küsse ich heute nicht mehr." Hä?!

"Ich geh mir die Zähne putzen", murmle ich und stehe auf. Meilo lacht, als ich ins Bad stürme. Hätte er mir ja auch vorher sagen können!

Als ich im Bad stehe, und mir heute zum zweiten Mal die Zähne poliere, höre ich, wie sein Handy klingelt. Innerlich wappne ich mich schon darauf, dass es sein Manager oder seine Plattenfirma ist, die irgendwas von ihm wollen, oder er gar weg muss. Sein Manager hat vorhin schon mal angerufen, und gefragt, wie es ihm geht, ihn dann allerdings zum Glück nicht weiter behelligt. Aber zu meiner Erleichterung scheint es keiner der beiden zu sein, die meinen Freund zu Dingen nötigen, zu denen er keine Lust mehr hat. Meilo ist hörbar erfreut, über den Anrufer. "Nein, mir geht es gut. Die Party war wie immer, wenn auch schöner." Ich fange an zu lächeln. Ja, am Ende war sie schön ... "Wie ich das meine? Nun ja ..." Ups. Jetzt hast du dich verplappert, mein Liebling. Schritte nähern sich mir. Ich spüle gerade meinen Mund aus und sehe Meilo von hinten an mich herantreten. Seine Augen mustern mein Spiegelbild. "Ich muss dir bald jemanden vorstellen, Mami." HÄ?!

Ich spuke das Wasser aus und richte mich auf. Ich glaube, ich glotze ganz schön dumm aus der Wäsche, denn Meilo kann nur schwer ein Lachen unterdrücken. Anstatt meinen Gesichtsausdruck nachzuprüfen, drehe ich mich zu ihm um. "Jemanden Besonderen", sagt er, scheinbar seiner Mutter, so wie ich das mitbekommen habe. "Das erzähle ich dir, wenn ich wieder zu hause bin ja? Du weißt doch, dass das gerade problematisch ist. ... Hmhm. ... Ja, ich melde mich. ... Bye. Und grüße die anderen von mir ja? ... Hab dich auch lieb. Tschau." Meilo steckt das Handy wieder ein. "Geschockt?"

"Etwas", gebe ich zu.

"Findest du es noch zu früh?"

"Nein!" Ich schüttle den Kopf. "Ich bin nur erstaunt, dass du deiner Mutter von uns erzählst. Hast du keine Angst, dass es herauskommt?"

"Bei ihr nicht", meint er. "Meine Mutter ist froh, wenn ich unter der Haube bin."

Ich lache auf. "Ich glaube, unsere Mams würden sich prächtig verstehen!"

Schmunzelnd tritt Meilo an mich heran und presst mich gegen das Waschbecken. "Das müssen sich auch", schnurrt er. "Schwiegereltern sollten sich im Interesse ihrer Sprösslinge niemals in den Haaren liegen."

"Hört hört! Welch weise Worte!"
 

Wir verziehen uns wieder auf den Balkon, auf dem wir heute schon den gesamten Vormittag verbracht haben. Er ist rundherum blickdicht, lässt aber genug Sonnenlicht auf uns nieder scheinen. Jetzt liegt er im Schatten. Bei den Temperaturen einfach herrlich.

Wie schon zuvor, setzen wir uns auf die große Eckbank, die hier steht. An Meilo gelehnt, schließe ich die Augen. Von drinnen dringt leise Musik zu uns hinaus, die schon eine ganze Weile lang läuft. Der Stadtverkehr stört ein wenig, aber was will ich mich beschweren? Mir geht es gut. Noch. So lange, bis ich nachher wieder nach Hause muss, doch daran will ich jetzt noch nicht denken.

"Erzähl mir noch was von dir", fordere ich Meilo auf.

"Und was? Du weißt doch schon so viel über mich."

"Keine Ahnung", erwidere ich. "Irgendwas."

"Wie wäre es, wenn du mir mal was von dir erzählst."

"Willst du was Spezielles erfahren?"

"Hm ..."

Ich runzle die Stirn und drehe den Kopf zu Meilo, den ich ausgiebig mustere. "Raus mit der Sprache", sage ich zu ihm. "Ich merke doch, dass dir was auf der Zunge brennt."

Er leckt sich über die Lippen. Irre ich mich, oder ist er nervös? "Ich habe mich letztens bloß gefragt ... Wie du und Kilian euch kennengelernt habt."

"Was?" Darüber denkt er nach? "Warum willst du das wissen?"

"Nur so", meint er schulterzuckend.

"Meilo? Sags!"

Ich setze mich auf und warte, dass er endlich mit der Sprache rausrückt. "Du hast es mir nie erzählt", grummelt er.

"Weil es mir nicht wichtig erschien." Warum ist es ihm dann so wichtig? Aber na schön. Wenn Meilo es unbedingt wissen möchte, erzähle ich es ihm. Es ist ja kein Geheimnis und die Geschichte ist schnell erzählt. "An unser Kennenlernen war eigentlich nichts besonderes", beginne ich. "Wir kamen über eine gemeinsame Freundin zusammen. Sie meinte, wir würden gut zusammenpassen, was in ihren Augen bedeutete: Wir waren beide Single. Deshalb arrangierte sie ein Blind Date für uns. Erst wollte ich nicht hin, besann mich dann jedoch und dachte mir, wenn wenigstens guter Sex dabei herausspringt, warum nicht?"

"Und tat es das?" Meilo wirkt immer noch nervös. Komisch ...

"Wir hatten Sex", bestätigte ich. "Mehr aber nicht." Es war nicht so wie bei Meilo und mir. Ich hatte Kilian nach dieser Nacht sogar kurzzeitig vergessen.

"Und wie wurdet ihr dann ein Paar?"

"Wir begegneten uns hin und wieder. Da wir eine gemeinsame Freundin hatten, passierte dies sogar ziemlich häufig und irgendwann wurde mehr draus." So war das damals. Ich verliebte mich in Kilian, und er in mich, denke ich zumindest. "Ich glaubte echt, dass wir für immer zusammen bleiben würden", lächle ich leicht verschämt. "Aber zum Glück sind wir das nicht, denn dann kamst du und hast mich beinahe über den Haufen gefahren." Meilo lächelt nun auch, wenn auch nicht so, wie ich es von ihm kenne. "Warum beschäftigt das", frage ich ihn deswegen. "Was ist denn los mit dir?"

"Ach es ist nichts!", winkt er ab. "Nur ... Es ist so ..."

"Rücks raus. Ich will dir nicht alles aus der Nase ziehen." Obwohl ich ganz gerne an Meilos Nase herumspiele ...

"Ich muss immer daran denken, wie er dich damals angeschaut hat. Im Kaufhaus, weißt du noch?" Klar weiß ich das noch! Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass mich Kilian in irgendeiner Weise merkwürdig angeschaut hat. Von seiner mehr als offensichtlichen Missgunst mal abgesehen. Und das sage ich Meilo auch. "Ich hatte das Gefühl, dass er eifersüchtig war", platzt es auch schon meinem Liebling heraus.

"Und? Soll er doch. Ich will ihn nicht mehr." Ganz sicher nicht!

"Gut", sagt Meilo leise. "Das ist gut." Okay. Ich werde mir immer sicherer, dass er immer noch was vor mir verheimlicht! Und was immer das ist, ich werde es jetzt herausfinden!

"Meilo Haug, du sagst mir jetzt auf der Stelle, was da drinnen gerade vorgeht!" Bei diesen Worten tippe ich auf seine Stirn. "Los!" Er seufzt und weicht meinem Blick aus. "Meilo?"

"Ist ja schon gut!", gibt er nach. "Es ist bloß, weil wir nur so wenig Zeit miteinander verbringen können. Und weil er in deiner Nähe wohnt und so offensichtlich eifersüchtig war ..."

"Glaubst du, ich springe mit ihm in die Kiste, sobald ich wieder zuhause bin", beende ich seinen Satz. "Spinnst du? Das denkst du doch nicht wirklich?" Ich warte gar nicht seine Antwort ab sondern stehe auf. Ich bin sauer! Sauer und verletzt. Er glaubt doch nicht allen ernstens, dass ich ihn betrüge?

"Nein! Aber ..."

"Warum sagst du es dann?"

"Weil ich ... es ist nur weil ..."

"Was weil? Warum sollte ich ich dich betrügen? Hm?"

"Vergiss es", seufzt er und lässt den Kopf hängen.

"Ich vergesse gar nichts! So lassen wir das nicht stehen, hörst du?" Meilos Kiefermuskeln arbeiten, doch sagen tut er nichts mehr.

Ich knirsche selbst mit den Zähnen und überlege, wie ich jetzt damit umgehen soll. "Schön!", puste ich wütend. "Dann fahre ich eben nach hause und treibe es mit Kilian!" Ich rausche hinein in die Suite und suche das Schlafzimmer auf. Dort falle ich aufs Bett. Natürlich will ich nicht fahren. Jetzt sowieso nicht, weil ich nicht streitend von hier weg möchte, aber ich hoffe, dass ich ihn so dazu bekomme, die Klappe endlich ganz aufzumachen.

Warum denkt er, ich betrüge ihn? Wir telefonieren jeden Tag miteinander, manchmal mehr als einmal. Außerdem kenne ich seit Wochen nur noch ein Thema: Meilo und nochmals Meilo. Ich will keinen anderen. Ich will ihn, verdammt nochmal und nicht Kilian! Kilian hatte ich lange genug, und im Nachhinein betrachtet war unsere Beziehung wirklich nicht das, wofür ich sie damals gehalten habe. Ganz und gar nicht ...

Und plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Meilos Exfreund! Er hat ihn betrogen. Aus dem Grund, den Meilo mir eben genannt hat. Weil sie sich so wenig sehen konnten. Weil sein Exfreund sich einsam gefühlt hat. Ich Idiot!
 

Ich springe vom Bett auf und laufe in Richtung Balkon, renne aber direkt in Meilos Arme. "Geh nicht", fleht er mit dünner Stimme. "Bitte bleib." Mein Herz zieht sich zusammen und ich bereue meinen Wutausbruch immer mehr.

"Ich bleibe", beruhige ich ihn und ziehe ihn mit ins Schlafzimmer. Dort setze ich mich mit ihm wieder aufs Bett und nehme seine Hand in meine. "Ich denke den ganzen Tag nur an dich", fange ich leise an zu reden. "Wie könnte ich da mit jemanden anderen schlafen wollen?"

"Ich weiß ja auch nicht aber ... Ich hatte letzte Nacht so einen beschissenen Traum. Da kam alles von der Geschichte mit Benedikt wieder in mir hoch." Habe ich es mir doch gedacht! "Ich könnte es nicht ertragen, wenn ich dich verlieren würde."

"Ach Meilo." Ich drücke seine Hand fester. "Und ich bin eifersüchtig auf deine Fans. Was soll's?" Ich stupse ihn mit der Schulter an und grinse verlegen. "Darunter sind auch Kerle, wie du weißt."

"Aber die sind nichts für mich. Viel zu jung." Wir lachen. Ich bin froh darüber. Nicht, dass die Kerlchen unter seinen Fans für ihn zu jung sind, sondern, dass wir wieder miteinander lachen, anstatt uns wütend anzuschnautzen.

Ich lehne mich wieder an Meilos Schulter und streichle mit dem Daumen über seinen Handrücken. "Falls du irgendwann mal das Gefühl haben solltest, ich würde dich jetzt gerade in diesem Moment betrügen, dann ruf mich an, ja? Kontrolliere mich, wenn es dich beruhigt."

"Ich will dich nicht kontrollieren!", rüffelt Meilo. "Ich hatte bloß die ansteigende Panik in mir, dass es mit uns so läuft wie mit meinem Ex."

"Ich bin nicht dein Ex", werfe ich ein. "Wenn ich mich verliebe, dann gibt es für mich nur noch den Mann, dem mein Herz gehört." So ist es schon immer gewesen.

"Das beruhigt mich", raunt mir der Mann zu, dem mein Herz sicher ist, und schmust mir mit seiner Nase über die Schläfe. "Ich empfinde genauso." Und genau solche Sätze sind es, die mich beruhigen und immer wieder einschärfen, dass Meilo keiner dieser umtriebigen Stars ist, die jede Nacht einen anderen haben.

Und ich werde schon dafür sorgen, dass Meilo sich wegen mir ebenfalls keine Sorgenfalten wachsen lassen muss.
 

***
 

Das ist so schön ... Ich könnte ewig so daliegen ... Ich will gar nicht wissen, wie viel Zeit uns überhaupt noch hierfür bleibt ... Aber warum sich unnötig Gedanken darüber machen müssen? ... Einfach nur hier liegen bleiben, und Meilos Hände genießen, die über meinen Körper wandern ... Seine Lippen, die es ihnen gleichtun ... Das Leben kann so schön sein ...

Aber alles hat mal ein Ende, auch die schönen Streicheleinheiten meines Lieblings. Dabei ist es ja nicht mal so, als müssten wir jetzt sofort damit aufhören, weil ich leider los muss, nein. Etwas Zeit bleibt mir noch, bis ich wieder in mein Auto steigen, und Meilo wieder allein lassen muss. Viel mehr ist es schon wieder dieses nervige Klopfen an der Zimmertür, das uns auseinanderjagt. Egal wer es ist, er wird gleich sterben!

Bis ich jedoch sauer aufstehen, und nachschauen kann, wer uns ausgerechnet jetzt stört, ist Meilo schon dabei und huscht aus dem Wohnbereich. Murrend falle ich zurück auf die Couch. So eine Scheiße!

Notdürftig richte ich meine Kleidung und horche hinaus in den Flur. Was ich da zu hören bekomme, lässt mich noch säuerlicher werden. Der Knilch!

Was mache ich denn jetzt? Fliehen? Vielleicht raus auf den Balkon. Oder ins Badezimmer. Ich kann mich auch im Schrank einsperren. Alles Humbug! Ich muss mich diesem Furunkel stellen. Und was will er auch großartig machen? Mich anfallen, während Meilo daneben sitzt? Wohl kaum!

Ich schwinge die Beine auf den Boden und setze mich hin. So wie es sich für einen Besucher gehört. Zudem will ich nicht, dass Knilchilein mich auf der Couch herumräkeln sieht. Hinterher wird er wirklich noch rollig auf mich. Mich überläuft ein eiskalter Schauer. Mir hat es schon gereicht, dass ich ihm gestern so nahe kommen musste.

"Hallo Niclas." Knilch betritt den Raum.

"Hy", begrüße ich ihn schmallippig und tue so, als tippe ich auf meinem Handy herum. Ich könnte Ingo mal eine SMS schreiben. 'N'Abend Ingo. Wie gehts?' Sehr einfallsreich, finde ich.

Die Couch erzittert. Na ganz toll! Der Knilch namens Niklas hat sich genau neben mich gehockt. Und weil ich am Rand sitze, bleibt Meilo nichts anderes übrig, als sich neben ihn zu setzen, oder uns gegenüber auf die andere Couch. Natürlich setzt er sich neben den Knilch. Super! Was war das heute Mittag noch von wegen Eifersucht? Meilo soll nicht neben ihm sitzen!

"Du warst gestern plötzlich weg", plaudert das Knilchlein mich von der Seite an. "Wo warst du denn?"

Ich überlege kurz. Warum ihm keine weitere Lüge auftischen? Eine, die ihm hoffentlich den Wind aus den Segeln nimmt. "Ich hatte mich mit jemanden verquatscht und dann bin ich mit zu ihm."

"Ach so ... Wars nett?"

"Ja sehr", grinse ich. "Ich schreibe gerade mit ihm." Ich klicke auf Ingos Konterfei und halte ihm mein Handy vor die Nase. "Heiß, oder?" Ingo ist schon ein Hingucker. Mit seinem frechen Grinsen, den schulterlangen Haaren und der kleine Zahnlücke sieht er richtig verwegen aus. Besonders, weil er dabei auf seinem Bike hockt.

"Ganz nett", murmelt Knilch und sieht so aus, als wolle er gleich platzen.

"Du hast gestern jemanden abgeschleppt?", schaltet sich Meilo nun auch noch ein. "Komm mal mit ein paar Details rüber." Der foppt mich doch jetzt wieder, oder?

"Ein Gentleman genießt und schweigt", gebe ich zur Antwort. Meilo zwinkert mir zu und ich zwinkere zurück. Denkst'e Junge! Ich sage nichts.

"Und dir geht es wieder besser?" Als hätte ich es geahnt, ignoriert mich das Knilchlein nun wieder. Was für ein Glück! Dieser Kelch ist soeben an mir vorbeigegangen!

"Etwas", antwortet ihm mein Schatz. "War wohl nur ein kleiner Rückfall. Ich muss es anscheinend noch langsam angehen."

"Ist bestimmt besser", schnurrt Knilch-Niklas und klettet sich an meinen Mann ran. Das gefällt mir nun aber auch nicht! Innerlich schüttle ich den Kopf. Ich kann diesen Knilch echt nicht einschätzen. Wahrscheinlich weiß er selbst nicht, was er will, oder er wollte von Anfang an Meilo, hat sich dann aber überlegt, erst mal mit mir vorlieb zu nehmen. Wie auch immer, er nervt.

"Meilo?" Ich beuge mich vor, damit ich meinen Liebsten besser anschauen kann. "Ich muss bald los, wir wollten doch ..." Ja, was wollten wir doch gleich noch?

"Ach ja!", spielt Meilo glücklicherweise mit. "Hätte ich beinahe vergessen! ... Niklas? Wir sehen uns morgen bei der Abfahrt wieder, ja?" Meilo steht auf.

Der Knilch ist mehr als perplex, steht allerdings auch auf und wirkt nun mehr als nur fehl am Platz. Ist er ja auch, nur mal so nebenbei bemerkt. "Gut, dann will ich mal nicht stören. Bis morgen", fiepst er, lächelt mich schmal an, umarmt dann MEINEN Meilo und trollt sich endlich. Ein bisschen wundert es mich schon, dass er so schnell aufgibt. Bestimmt hat ihn das alles so sehr verwirrt, dass er ganz froh war, das Weite zu suchen.

Ich bin auch froh, dass er jetzt wieder weg ist und "Ach Meilo?!" Zu früh gefreut. Da ist er wieder.

"Ja?"

"Ich hab ganz vergessen dir zu sagen, dass Gerd auf dem Weg zu dir ist. Tschau!" Gerd ist auf dem Weg?

"Shit!", knurre ich, als der Knilch endlich weg ist. "Und jetzt?" Ich will noch nicht gehen! Vor allem nicht so überstürzt!

"Ähm ... Weiß nicht", japst Meilo.

"Meinst du, der bleibt lange?"

"Eher nicht."

"Dann verstecke ich mich!"

"Und wo?"

"Wo wohl? Im Schlafzimmer. Da wird er sicher nicht reingehen."

"Eher nicht."

"Und falls doch, dann klettere ich in den Schrank." Meilo kichert und kommt auf mich zu. "Keine gute Idee?"

"Nicht wirklich, aber besser, als wenn du jetzt heim fahren würdest."

"Finde ich auch", erwidere ich.

"Okay. Dann ab mir dir ins Schlafzi..." Es klopft laut an der Tür. Das muss er sein!

Lautlos schlittere ich um die Ecke ins Schlafzimmer hinein und schließe leise die Tür. Mein Herz klopft wild. Wenn er mitbekommt, dass ich hier bin, ist Meilo geliefert!
 

***
 

Unruhig kratze ich mich am Handrücken. Wie lange will der denn noch hier bleiben?! Draußen dämmert es bereits. Ich muss los! Ich fahre ungern Nachts, besonders von Sonntag auf Montag. Mensch Meilo! Schick ihn endlich weg!

Immer wieder schleiche ich zur Schlafzimmertür und lausche. Bis auf leises Gemurmel verstehe ich kein bisschen. Was bereden die denn bloß? Es ist zum Haareraufen!

Seufzend hocke ich mich wieder auf das Bett und lege die Beine hoch. So ein Mist! Ich hatte gehofft, noch ein paar Stunden lang mit Meilo allein sein zu können. Falsch gehofft. Auf diese Weise habe ich mir meinen letzten Tag mit meinem Schatz nicht vorgestellt. Allein im Schlafzimmer liegend, während er von seinem Manager in Beschlag genommen wird. Ich wiederhole mich ungern, aber, so ein Mist!

Ich ziehe mir die Bettdecke zurecht und lege mich darunter. Penne ich eben. Was soll ich auch sonst großartig tun? Ein wenig auf Vorrat schlafen kann nicht schaden. Dann bin ich fit für die Heimfahrt. Falls ich überhaupt fahre. Sollten alle Stricke reißen, fahre ich eben morgen früh. Hallo Berufsverkehr!
 

Ich glaube, ich bin eingepennt. Jedenfalls schrecke ich unglaublich zusammen, als mich plötzlich eine Hand an der Schulter berührt. "Nic? Schläfst du?" Meilo ist der Grabscher.

"Ja", brumme ich. "Wie spät ist es?"

"Halb zehn", jammert er. "Es tut mir so leid! Ich hab alles versucht ihn zum Gehen zu bewegen, aber Gerd bliebt hartnäckig."

"Schon gut", murmle ich und drücke meine Nase ins Kissen. Wie gemütlich ...

"Nic? Nicht wieder einschlafen! Du musst doch los!"

"Willst du mich los haben?"

"Nein, aber ..."

"Ich bleib die Nacht über noch hier", wispere ich verschlafen.

"Macht dir das nichts aus?"

"Nö. Stell nur den Wecker auf fünf Uhr." Ich gähne und drehe mich auf die andere Seite. Einmal eingeschlafen, ist es schwer mich munter zu bekommen. Aber wisst ihr das nicht schon? Ach was soll's? Ich bin müde und kann nicht mehr rational denken.

"Mach ich", höre ich Meilo antworten. "Aber willst du in deinen Klamotten schlafen?"

"Egal." Ich liege gerade so bequem, und es wäre nicht das erste Mal, dass ich in den Klamotten vom Vortag penne.

Meilo seufzt, Schritte entfernen sich. Sicher sucht er das Badezimmer auf. Soll er das mal tun. Ich penne schön weiter.

Als die Matratze wackelt, bin ich zwar noch nicht ganz weggepennt, aber fast. Knurrend rolle ich mich wieder zurück auf die andere Seite und ziehe die Decke dichter an mich heran. "Der Wecker ist gestellt", informiert mich mein Schatz und legt sich neben mich. "Schlaf schön."

"Du auch", gähne ich.

Meilo kichert leise. "Du bist der verschlafenste Mensch, den ich kenne."

"Und du der Agilste, den ich kenne", gebe ich retour.

Wieder ein Kichern, dann werde ich in seine Arme gezogen. "Schön, dass du noch bleibst."

"Hmhm." Meilo haucht mir einen Kuss auf, und schon bin ich im Schlummerland.
 

Der Morgen kommt wieder viel zu abrupt. Knurrend und brummend drehe ich mich im Bett herum und versuche die Quelle der Musik auszumachen, die mich geweckt hat. Dann geht sie jedoch von alleine aus. "Aufstehen", krächzt Meilo.

"Will nicht", krächze ich.

"Du musst." So was Doofes! "Komm schon." Mir patscht etwas auf die Brust. Au! "Ich quäle mich mit dir zusammen aus den Federn." Na wenigstens etwas.

Ich schlage die Augen auf und erblicke meinen Schatz, wie er neben mir sitzt und sich über das Gesicht fährt. Dabei trägt er kein Oberteil. Das schwache Morgenlicht taucht ihn in ein sanftes grau-blau. Ein bestimmter Teil von mir wird hellwach.

Meilo gähnt und blinzelt verschlafen. Als er zu mir blickt, guckt er mich aus verquollenen Augen an. "Endlich wach?" Ich schüttle den Kopf. "Ich auch nicht." Er lässt den Kopf hängen und ihm fallen die Augenlider wieder zu.

Ich mustere ihn unverhohlen. Das Blut in meinen Adern gerät immer mehr in Wallung. Meine Hand macht sich ganz von allein auf den Weg, schiebt sich unter der Decke Meilo entgegen und stößt gegen seinen Oberschenkel. Meilo zuckt und schaut zu mir rüber. Ich erwidere seinen Blick und streichle an dem wunderbar warmen und festen Oberschenkel nach oben. Keine Unterwäsche, wie ich hocherfreut feststelle. Ich kann ohne viel Aufhebens in seinen Schoß gleiten. "Jetzt?", seufzt er rau.

"Wann denn sonst?" Es macht leise puff, als mein Meilolein rückwärts zurück auf die Matratze fällt und mich angrinst.

"Wie recht du doch hast", raunt er leise. Seine Augen sehen mich gierig an. Etwas Zeit für eine ausgiebige Verabschiedung ist doch sicher noch drinnen, nicht wahr?
 

***
 

"Oh Mann! Penner!" Ich haue auf die Hupe. Kurz danach wird mit geantwortet. Mir einem Mittelfinger. "FUCK!" Mein Herzschlag wummert. Adrenalin pumpt durch meinen Körper. Das war knapp!

Der Autofahrer hinter mir wird ungeduldig und stimmt in mein Hupkonzert mir ein. Noch einer, und wir gründen 'ne Band. Mittelfinger darf aber nicht mitmachen.

Ich atme durch und fahre wieder an. Ich habe ja schon geahnt, dass ich mitten in den Berufsverkehr rassle, aber das heute so viele Assis herumfahren, damit hatte ich nicht gerechnet. Na egal. Ich konnte eben zum Glück nochmal bremsen. Immer diese Fahrer, die bei Rot noch über die Kreuzung müssen! Wenigstens bin ich gleich zuhause. Nix wie raus hier aus der Stadt, rauf auf die Umgehungsstraße und dann bin ich auch schon daheim.

Ich drehe das Radio wieder lauter und summe leise mit, um meinen Pulsschlag wieder auf Normalstand zu bringen. Es hilf, und als ich endlich in unsere Straße einbiege, singe ich lauthals einen alten Michael Jackson Song mit. Yeah!

Draußen, in unserer Nachbarschaft, hockt Ed vor einer von Ingos Maschinen. Ingo steht daneben, auf eine Krücke gestützt, und schaut ihm dabei zu. Ich hupe und winke den beiden zu. Ingo lacht, Ed wiederum nickt mit seiner mir nur allzu bekannten kühlen Art zu, und schraubt weiter an dem Bike herum. Als ich in unserer Hofeinfahrt den Motor ausstelle und aussteige, gehe ich schnell zu ihnen rüber. "Hey", begrüße ich die zwei. "Wieder was kaputt?"

"Nee. Inspektion. Ab nächste Woche darf ich wieder", grinst Ingo. Ed brummt nur. "Er findet, es wäre noch zu früh, um mit dem Bike durch die Lande zu streifen", erklärt Ingo mir.

"Ist es ja auch." Ed rappelt sich auf die Beine. "Du humpelst noch ganz schön."

"Aber nur, weil ich noch das dämliche Teil am Fuß hängen habe!"

"Rede dich ja nicht raus! Ich sehe dir an, dass er dir noch weh tut."

"Pff! Bist du ein Doktor?"

"Nein, aber ich kenne dich." Oh weia. Hätte ich nur meine Klappe gehalten.

"Jungs?", unterbreche ich ihren Zwist. "Kommt ihr mit rüber? Ein Bierchen zischen?" Auf das Gerede meine Mutter, wenn ich jetzt nach Hause komme, habe ich nämlich gerade überhaupt keinen Bock. Wenn ich meine beiden Kumpels mitbringe, wird sie dazu keine Gelegenheit haben, hoffe ich.

Die beiden schauen sich an, dann mich. "Warum nicht?", kommt es aus zwei Mündern.

Grinsend starre ich meine Nachbarn an. "Was würde ich nur ohne euch machen?"

"Alleine Bier trinken?" Punkt für Ingo.

Wir laufen rüber. Ingo humpelt an Eds Seite, und als wir an der Treppe nach oben angekommen sind, nehmen Ed und ich ihn zwischen uns. "Ich komme mir wie ein Invalide vor", keucht Ingo.

"Du bist ein Invalide."

"Klappe Nic!"

"Ich meine ja nur ..." Ed zwinkert mir zu. Huch! Das ist mal was neues. "Mama?" Nichts zu hören. Umsonst Sorgen gemacht. "Gehen wir in die Küche, da kannst du dich besser setzen", sage ich zu Ingo.

"Fein." Ich lasse ihnen den Vortritt und werfe schnell meinen Rucksack in mein Zimmer. In der Küche hole ich uns drei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank und setze mich zu meinen beiden Kumpels an den Tisch. "Prost."

"Prost."

Genau das habe ich jetzt gebraucht. Ein kühles Bier und meine beiden Kumpels. Nur nicht daran denken, dass ich schon wieder von Meilo getrennt bin. Der Abschied von ihm war wieder total furchtbar und am liebsten wäre ich geblieben, aber was nicht geht, geht nicht. "Nic?"

Ich schrecke auf. "Hm?" Entgeistert schaue ich Ingo an, der mir gegenüber sitzt.

"Bei dir alles in Ordnung. Du siehst so nachdenklich aus."

"Alles super", lüge ich. "Bin nur KO von der Fahrt."

"Und ich dachte schon, du hättest dich mit deinem Freund verkracht." Ich schüttle den Kopf und nippe an meiner Bierflasche. "Dann war dein Überraschungsbesuch schön?"

"Ja. Sehr schön." Bis auf ein paar Dinge, war es das auch. "Ich vermisse ihn."

Ingo seufzt. "Dich hat es wirklich ganz schön hart erwischt." Armen! "Sieh zu, dass du bei ihm bleiben kannst, dann hast du das Problem nicht mehr."

"Du hast gut reden", seufze ich. "Aber wir schaukeln das schon. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg." Ein Weg mit Berufsverkehr und roten Ampeln, aber er führt bis ans Ziel.
 

Ingo, Ed und ich unterhalten uns noch ein wenig. Ingo schmiedet schon große Rallyepläne, was Ed gar nicht fröhlich stimmt, auch wenn sie erst nächstes Jahr starten.

Was Edileinchen wieder bessere Laune beschert, ist die große Tour, von der Ingo mir nun berichtet. Sie geht durch Belgien und Frankreich. Er und Ed haben sich diese Tour schon lange gemeinsam vorgenommen. "Vielleicht ist jetzt der beste Zeitpunkt dazu", überlegt Ingo laut. "Ich musste alle Termine absagen. Es würde passen."

"Aber nur, wenn ein Fuß nicht mehr schmerzt", wendet Ed ein.

"Ja, Onkel Doktor. Natürlich nur dann, wenn ich auch fahren kann."

"Dann drücke ich euch die Daumen, dass ihr das dieses Jahr noch hinbekommt." Der Sommer ist nicht mehr lange. Wäre doch nur schon Dezember!

"Mama?!" Die Eingangstür schlägt laut zu. Nicole hat soeben das Haus betreten. "MAMA!"

"Die ist nicht hier!", brülle ich zurück.

"Wo ist sie?" Ausgezogen, weil sie dich Schreihals nicht mehr ertragen kann.

"Weiß nicht. Bin auch eben erst heim gekommen."

Ihr Kopf ruckt um die Ecke. "Mist! ... Oh. Hallo."

"Hey Nicole-Mäuschen. Und? Schon einen Freund?" Ingo grinst sich einen ab. Er liebt es, genau so wie ich, meine Schwester zu ärgern. Mit dem netten Nebeneffekt, dass er sie wirklich jedes Mal so weit treibt, dass sie rot anläuft.

"Hm ... nee ...", murmelt sie. "Mein Herz ist sowieso schon vergeben."

"Ach?", fragt Ingo sie und dreht sich nun ganz zu ihr herum. "Du bist vergeben?" Sie nickt und ich verdrehe die Augen. Ich will gar nicht wissen, was jetzt kommt. "Wer ist denn der Glückliche?"

"Keith Kandyce." Ich hab doch eben gesagt, dass ich es nicht wissen will! Warum hört niemand auf mich, hä?

"Wer ist das denn? Wohnt der hier?"

"Also sag mal Ingo!", empöre ich mich. "Du kennst Keith Kandyce nicht?" Er verneint. "Haste nichts verpasst." Meilo Haug allerdings, den musst du bald mal kennenlernen.

"Du bist ein Arsch, Niclas!", zickt mein Schwesterherz und betritt die Küche.

Ich ergebe mich. "Keith Kandyce ist ein Popsänger", erkläre ich meinen beiden Kumpels.

"Ein Popsänger?", grinst Ingo mich wissend an. "Na wenn das so ist ..."

"Er ist nicht nur ein Popsänger", gerät meine Schwester ins schwärmen und setzt ihre Schultasche ab. "Er sieht gut aus, hat eine unglaubliche Stimme, ist lustig, hat einen tollen Körper und liebt seine Fans." Wie gut sie doch meinen Schatz kennt. ... Beängstigend.

Sie kramt in der Schultasche herum und zieht eine Zeitung daraus hervor. Es ist diese Bunte mit den vier großen Buchstaben. Sag bloß, die haben was über Meilolein geschrieben? "Hier. Das ist er!" Sie breitet die Zeitung auf dem Küchentisch aus und tippt auf einen halbseitigen Beitrag.

Ich verrenke meinen Hals, sehe aber das Bild nicht richtig. Das muss vorgestern auf der Party gewesen sein. Ganz bestimmt sogar. Ich erkenne einen Teil des Clubs, mehr aber auch nicht, weil es von mir aus gesehen auf dem Kopf steht. "Der hier?", fragt Ingo sie, was sie zum eifrigen Nicken bringt. "Verzeih mir, wenn ich das jetzt sage, aber der sieht so aus, als würde er eher auf Niclas stehen, als auf ... Mädchen." Ich erstarre zur Salzsäule. Hat Ingo das gerade wirklich gesagt?

"Keith ist nicht schwul!", kreischt Nicole.

"Wenn du meinst ..." Ingo zieht die Augenbrauen hoch und inspiziert erneut das Bild.

Ich versuche mich möglichst unsichtbar zu machen. Eds Blicke brennen sich in meinen Kopf. Hat er Meilo erkannt? Ich schiele zu ihm rüber und auf einmal bin ich mir sicher, er weiß, dass Keith Meilo ist! Woher ich das weiß, oder wie Ed ihn auf dem pixeligen Bild erkennen konnte, kann ich beides nicht sagen. Ich setze einen flehenden Blick auf und signalisiere ihm, dass ich ihm das alles erklären werde, aber er soll ja keinen Ton sagen! Er nickt. Mir fällt ein ganzer Geröllhaufen vom Herzen.

"Sagt doch mal", grübelt Ingo und hebt die Zeitung an. "Sieht der hier nicht aus wie du?" Ingo glotzt mich über den Rand der Zeitung hinweg an.

"Was?", quietsche ich und versuche nicht nervös auszusehen.

"Na hier! Der Kerl da neben der vollbusigen Blondine." Shit! Ich bin da mit drauf?!

"Wie soll ich denn auf ein Foto mit einer vollbusigen Blondine kommen?", lache ich auf und trinke ganz schnell ganz viele Schlucke Bier. Lass dir nichts anmerken!

"Was weiß ich? Warst du nicht mit deinem Freund unterwegs? Wo wart ihr denn?" Oh fuck Ingo! Halt doch die Klappe!

"Wir waren nirgends, außer im Bett", kläre ich ihn auf, was ja auch stimmt. Unterwegs war ich ja eigentlich in dem Sinne gar nicht. Ich war auf einer Geburtstagsfeier.

"Dann kannst du es wirklich nicht sein", nickt Ingo. Ich atme erleichtert auf. Bis meine kleine Nervenschwester sich die Zeitung krallt, und einen genaueren Blick drauf wirft. Ich schwitze Blut und Wasser. Diesen dämlichen Fotografen verklage ich! Das nächste Mal will ich einen dicken, schwarzen Balken über mein Gesicht gemalt bekommen!

"Das ist bestimmt nicht Niclas", lacht sie jedoch auf. "Was will der mit einer vollbusigen Blondine?" Uff!

"Genau. Lieber einen heißen Blonden mit einem dicken ..."

"Okay, das reicht jetzt!", unterbreche ich Ingo und trete ihm ans Bein. Mit den Augen rolle ich zu Nicole. Sie soll so was nicht hören. Sonst bekomme ich wieder ärger mit Mama, wenn Nicole von dicken Schwänzen redet. Außerdem will auch keiner hören, wie sie darüber quasselt.

Ich atme erleichtert auf, als Nicole sich ihre Zeitung schnappt und wieder davon dackelt. Ingo sucht sich ein anderes Thema, mit dem er uns unterhalten kann, was mich noch mehr erleichtert. Bloß Ed sieht mich hin und wieder fragend an. Sorry Kumpel, aber dass erzähle ich dir, wenn wir unter uns sind. Ingo, die olle Quasselstrippe, muss das vorerst nicht wissen. Vielleicht auch gar nicht. Keith Kandyce ist bald gestorben, und dann sowieso nicht mehr von Bedeutung. Dann zählt nur noch mein Meilo.
 

******

Love bite 19 - Kleine Sauereien

Ahoi! XD

Sorry für das verspätete Kapitel und dass ich noch nicht eure Reviews beantwortet habe. Das wollte ich eigentlich heute machen, aber ich hatte das Wochenende über viel zu tun. Nächste Woche mache ich mich aber dran ;-)

Jetzt gibt’s aber erstmal das nächste Kapitel ^^
 

Viel Spaß dabei und euch noch einen schönen Restsonntag ;D

Fara
 


 

Love bite 19 - Kleine Sauereien
 

"Niclas?"

"Hnn ...?"

"Bist du schon wach?"

"Hnn ..."

"Ich bräuchte dich mal."

"Hnnnnn ..."

"Och Mensch! Beweg endlich deinen faulen Hintern aus der Kiste!" Plötzlich wird es kalt. Meine Mutter hat mir einfach die Decke weggezogen!

"Ey!" Ich taste blind nach nach ihr, aber das nützt nichts. Sie bleibt verschwunden. Notgedrungen öffne ich die Augen einen Spalt breit und schiele dorthin, wo ich meine hundsgemeine Mutter vermute. Wie erwartet steht sie da, meine Bettdecke als Trophäe in der Hand. "Will pennen", knurre ich und rolle mich auf der Matratze zu einem Embryo zusammen. Mir bleibt dennoch kalt.

"Und ich will, dass du aufstehst und mich in die Gärtnerei fährst."

"Nee."

"Niclas. Bitte." Ich gebe einen genervten Laut von mir. "Ich brauche einen Fahrer."

"Meine Autoschlüssel hängen am Board."

"Soll ich die schweren Säcke voll Erde etwa alleine schleppen?" Wieder brumme ich. "Du weißt, mein Rücken ist kaputt!" Noch ein Brummen. Ich will nicht aufstehen! "Steh jetzt auf!"

"Ich hab auch Rücken", versuche ich mich zu wehren. Wieder vergebens.

"Raus da jetzt, du fauler Hund!" Mir fliegt die Decke auf den Kopf. Das soll eine Bestrafung sein? Schön warm! "Wenn du nicht in einer Viertelstunde rüber in die Küche tanzt, komme ich wieder. Du weißt, was das bedeutet?" Oh, das weiß ich nur zu gut. Mit Horror erinnere ich mich an Mamas Kitzel-Attacken, immer dann, wenn sie mich mit Worten und Drohungen nicht aus den Federn bekam. Entweder die, oder es kam ein nasser, kalter Lappen geflogen. "Hopp, hopp!" Ihre Schritte entfernen sich und natürlich lässt sie meine Zimmertür hinter sich sperrangelweit offen stehen. Es wird wirklich Zeit, dass ich wieder ausziehe!
 

Mürrisch krabble ich unter der Bettdecke hervor und quäle mich aus dem Bett. Was für eine unschöne Art geweckt zu werden! Dabei hatte ich einen so schönen Traum gehabt. Von Meilo und mir ... Seufzend latsche ich zum Kleiderschrank, ziehe mir irgendwelche Kleidung aus den Stapeln und trolle mich ins Badezimmer. Eine Dusche wird mich hoffentlich munter machen. Obwohl ich dies bezweifle. Ich bin heute morgen erst ins Bett, was bedeutet, mein Akku ist noch nicht mal halb voll. Unter dem heißen Wasser fühle ich mich aber dann doch einigermaßen wiederhergestellt. Nicht zuletzt, weil mir immer noch der Traum von letzter Nacht im Kopf herumschwirrt. Und weil es so ist, dauert das Duschen länger als eine Viertelstunde, doch meine Mutter scheint dies nicht zu stören. Sie lächelt mich an, als ich in die Küche komme. "Morgen Schatz. Ausgeschlafen?"

"Sehr witzig", knurre ich. "Ist noch Kaffee da?"

"Ja. In der Kanne ist noch welcher." Sie schiebt mir die Kaffeekanne zu. "Ach ich freue mich! Wir waren so lange schon noch mehr zu zweit unterwegs! Und ich will endlich das Beet fertig bekommen. Du weißt doch. Das am Gartenzaun der Uhlmanns liegt. Einen größeren Kübel für die Hortensie brauche ich auch noch. Und Erde. Dünger für die Tomaten ist auch aus. Hach! Ich freue mich auf unseren Einkaufstrip!" Meine Mutter ist im totalen Plaudermodus. Das wird bestimmt ein anstrengender Tag! Besonders für meine Gehörgänge.

Während sie weiter unseren Tag verplant, schlürfe ich meinen Kaffee runter, futtere den Toast, den sie mit ganz nach dem Prinzip, friss oder stirb, vorgeworfen hat, und werde rüde auf die Beine gejagt, während ich noch den letzten Bissen versuche hinunterzuwürgen.

Natürlich quasselt meine Mutter unaufhörlich weiter, als wir uns auf den Weg zur Gärtnerei machen. Sie erzählt von ihren Freundinnen, welches Buch sie gerade liest, und wie toll es doch ist (natürlich irgend so eine Liebesschnulze), ob wir nach der Gärtnerei noch schnell einkaufen fahren können, weil die Milch leer ist, und so weiter und so fort. Meine Ohren bluten! Wie hält Papa das nur aus?

Endlich bei der Gärtnerei angekommen, mache ich drei Kreuze. Jetzt darf sich der Verkäufer Mamas Geschwafel anhören. Ich hasse es, wenn sie einen dieser Tage hat, wo ihr Redefluss gar kein Ende nimmt. Dann ist sie gar nicht zu bremsen und will alles auf einmal machen. Heute muss anscheinend der Garten dran glauben.

Ich steige aus und laufe ihr nach. Sie hat einen ganz schönen Zacken drauf! Ich habe Mühe, mit ihr Schritt zu halten. Doch spätestens, als sie mir den Einkaufswagen in die Rippen stößt, und mir damit signalisiert, dass ich ihn gefälligst vor mir herschleifen soll, sind wir wieder gleich auf.

Ratternd bahne ich mir den Weg, immer meiner voller Tatendrang losstürmenden Mutter. Es dauert nicht lang, da hat sie eine Verkäuferin bei Fuß. Sie kümmert sich hingebungsvoll um sie, was bedeutet, ich darf mich am Einkaufswagen festhalten und einen guten Eindruck machen. Apropos guter Eindruck.

Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche. Mal schauen, ob mein Herzblatt schon wach ist. Zehn Uhr. Da dürfte er ausgeschlafen haben. 'Guten Morgen, mein Augenstern. Hast du schon ausgeschlafen?' Und senden. Wie gern würde ich Meilos Reaktion sehen, wenn er das Wort Augenstern liest!

Ich behalte mein Handy in der Hand (deswegen heißt es ja auch so, oder?), und warte gespannt auf eine Antwort. Und die kommt prompt. 'Habe ich, mein Zuckerstück. Hast du gut geschlafen?' Zuckerstück! Ha!

'Habe ich', schreibe ich zurück. 'Und geträumt habe ich auch gut. Sehr gut sogar, mein Hasenzahn.' Und ab geht die Nachricht.

"Niclas?"

"Ja?"

"Komm endlich! Zu den Außenpflanzen! Los!"

"Komme ja schon." Tzäh! Immer diese Zwischenrufe.

Ich zockle durch die Gänge des Gewächshauses, hinaus in den Außenbereich. Meine Mutter steht zusammen mit der Verkäuferin vor einem Verkaufstisch voll hoher Blumen. "Sind die nicht hübsch?!", ruft sie mir zu. "Ich liebe Rittersporn!"

"Wunderhübsch", murmle ich abwesend. Meilo hat weder gesimst. 'So? Gut geträumt hast du? Von was denn, mein Mausi?' Mausi? Was besseres fällt ihm nicht ein?

'Von dir, mein Schokokaramellbonbon. Wo von sonst?' Das ist ein einfallsreicher Kosename Meilo!

'Von mir? Was habe ich den mit dir gemacht, mein knattergeiles Honigmäulchen?'

"HA!", lache ich auf. Knattergeiles Honigmäulchen! Ich werde dumm angegafft. Von der Verkäuferin und meiner Mutter. "War so beeindruckt vom Rittersporn", sage ich achselzuckend und lege meine beste Unschuldsmiene auf.

"Wers glaubt", schnaubt meine Mutter und wendet sich wieder ihren Rittern zu.

Lächelnd tippe ich eilig meine Antwort auf Meilos SMS. Dabei passe ich auf, dass mir keiner bei über die Schulter schaut. Muss ja keiner wissen, was ich träume. 'Du standest nachts plötzlich in meinem Zimmer. Splitternackt. Dann bist du zu mir ins Bett gekrabbelt, hast dich auf mich gelegt und ...' Den Rest darf er sich selbst ausmalen. Das zum Thema versaute SMS'n. Ingo wäre stolz auf mich. Noch schnell ein 'Mein sexy Marzipanschweinchen', hinterhergeschickt. Fast vergessen.

"Niclas? Pack doch mal mit an, anstatt mit deinem Telefon zu spielen! Siehst du denn nicht, dass die arme Frau das nicht alleine schafft?"

"Hä?" Ich schaue auf. Wir stehen vor einer Reihe Paletten, die beladen mit vielen Erdensäcken sind. Wie sind wir denn hier hin gekommen?

"Niclas? Schläfst du immer noch?" Meine Mutter fuchtelt wild mit ihren Armen vor meinem Gesicht herum und schnippst dabei mit den Fingern. Wie lästig und unhöflich! Die Verkäuferin lacht sich derweil eins ins Fäustchen. Was für ein Tag!

Genervt lege ich das Handy in den Einkaufswagen und helfe der noch immer grinsenden Verkäuferin mit der Erde. Ganze drei Sack landen auf einen Schubkarren. Aber nicht die kleinen, handlichen. Nein! Die großen mit 70 Liter Inhalt dürfen wir herumwuchten. "Was willst du mit der ganzen Erde?", keuche ich, als wir den Letzten anheben.

"Die Beete auffüllen. Was den sonst? Ach! Und den Kübel am Eingang befüllen. Aber dafür brauche ich noch Pflanzen ... Nanu?" Meine Mutter guckt in den Einkaufswagen. "Niclas? Dein Telefon klingelt."

"Warte! Nicht dran ge...hen." Zu spät. Mama hat es sich gekrallt.

"Hallo?" Ich lasse den schweren Sack los, als wir ihn da haben, wo er hin soll, und laufe rüber zu meiner neugierigen Mutter, die sich mein Handy ans Ohr presst.

"Mama! Gibt her!" Ich will danach greifen, aber sie ist schneller.

"Hallo Meilo, mein Lieblingsschwiegersohn! Wie geht es dir?" WAS?! Lieblingsschwiegersohn? Mal abgesehen davon, dass sie gar keinen anderen hat, den sie so betiteln könnte, was quasselt die da für einen Unsinn? "Wie schön. Das freut mich zu hören." Ungeduldig trete ich von einem Fuß auf den anderen. Ich kann mir geradezu vorstellen, wie sich Meilo über mein Mütterchen amüsiert. Ich halt's nicht aus! Sie soll auflegen, oder noch besser, mir mein Handy zurückgeben! "Und wohin gehst du als nächstes? ... So weit? Dann kannst du uns ja vorerst nicht nochmal besuchen kommen." Das hätte ich ihr auch sagen können. Handy her! "Wirklich schade. Du musst unbedingt Nicole treffen", sagt sie zu Meilo und wirft mir dabei gemeine Blicke zu. Zieh ihn da nicht wieder mit rein! Das Thema ist tabu zwischen uns, und das ist auch gut so. "Das musst du mir nicht sagen", gackert sie. "In diesen Dingen ist er wie ein kleiner Junge!" Sie lacht laut auf.

"Geht's noch?", grante ich sie an. "Gib das Handy her!" Jetzt plaudern die auch noch über mich!

"Ach Niclas! Finger weg! ... Was hast du gesagt Schwiegersohn?" AHHHHH!!!
 

***
 

"Jetzt guck doch nicht so."

"Ich gucke, wie ich will."

Ein Seufzen. "Wir haben uns nur unterhalten."

"Ja, über mich!"

"Ja und? Du liegst uns beiden am Herzen."

"Davon habe ich aber nichts gemerkt", schnaufe ich. "Und dann legst du auch noch einfach auf, ohne, dass ich auch mal mit ihm reden kann!"

"Oh du Dramaqueen! Hör auf zu jammern und gib mir den großen Buchs."

"Was ist Buchs?"

Wieder seufzt sie. "Du bist mir ein schöner Schwuler. Kennst dich weder mit Blumen noch mit Mode aus! Meilo wüsste sicher, was ein Buchs ist", schnattert sie und greift sich einen Blumentopf, in dem eine große Grünpflanze in Form einer Kugel drinsteckt.

"Dann ruf Meilo an und lass dich von ihm in die Gärtnerei fahren. Und wenn ihr schon dabei seid, könnt ihr mein gesamtes Leben bequatschen und analysieren." Eingeschnappt verschränke ich die Arme vor der Brust. Wieso helfe ich ihr eigentlich noch beim Gärtnern, obwohl sie mir heute so sehr auf den Sack geht?

"Zick nicht und zieh den Topf vom Ballen." Auffordernd sieht sie mich an. Blitze schweben durch die Luft. Am Ende gewinnt sie und ich zerre den dreckigen Topf von dem Pflanzenballen. Mit gerümpfter Nase reibe ich mir den Dreck von der Hand und pople Erde unter einem Fingernagel hervor. So eine Sauerei! "Im Keller sind Handschuhe, Eure Hoheit."

"Mach mich nur weiter fertig." Ich mag eben keinen Dreck unter den Fingernägeln.

"Ach Niclas!" Der Buchs, oder wie das Ding nochmal heißt, landet in dem großen Kübel, vor dem meine Mutter steht. "Dann ruf ihn doch an, wenn du mit ihm reden willst."

"Geht nicht. Muss Erde aus meinen Fingernägeln kratzen." Demonstrativ reibe ich weiter an meinen Fingern herum. Plötzlich trifft mich was am linken Oberarm. "Ey!" Ein Klumpen Erde! Meine Mutter grinst und drückt die Pflanze fest. "Was sollte das?"

"Sei lieb, sonst hole ich den Wasserschlauch. Apropos ... Holst du ihn her? Der Buchs muss angegossen werden." Grummelnd tue ich ihr den Gefallen und schließe den Gartenschlauch an. Dann zerre ich ihn durch den halben Garten, bis ich damit vor meiner Mutter stehe. Ich kann nur schwer dem Drang widerstehen, ihr eine kalte Dusche zu spendieren. Aber so gemein bin ich dann doch nicht. "Ist der Wasserhahn aufgedreht?"

"Ja", antworte ich. "Soll ich?"

"Bitte." Zischend erwacht die Gartenbrause in meinen Händen zum Leben und überflutet den Topf. "Das genügt", meint meine Mutter nach kurzer Zeit. "Du entwickelst dich ja zu einem wahren Gartenexperten", lacht sie.

"Hm."

Mein Gebrumme bringt mein Mütterchen wieder dazu, mich mitleidig anzuseufzen. "Was ist denn los? So eine Schnute ziehst du doch nicht nur, weil du angesäuert über das Telefonat bist." Da ist sie wieder, meine Mutter, die die Probleme ihrer Kinder auf dreitausend Kilometer Entfernung wittern kann.

"Ich will zu ihm", platzt es aus mir raus, obwohl ich noch so gern ein wenig sauer auf sie sein möchte. "Und die wenige Zeit, die wir am Telefon haben, ist beinahe heilig für mich, verstehst du?" Sie legt den Kopf schief und mustert mich mitfühlend. "Es sind nicht mal drei Tage her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben, aber es kommt mir vor wie drei Monate."

"Mein Armer Liebling", flüstert sie, streift sich die Gartenhandschuhe von den Händen und fällt mir um den Hals. Ich versteife mich erst, gebe dann jedoch nach und schmiege mich in ihre Arme. "Das wird besser. Versprochen."

"Und wann?", frage ich sie. "Das ist mir vorher noch nie passiert. Noch nie hatte ich eine solche Sehnsucht nach einem anderen Menschen."

"Das zeigt doch nur, wie sehr du ihn liebst. Genieße es."

"Würde ich ja! Wenn er bei mir wäre." Sie lacht leise und klopft mir auf den Rücken, ehe sie mich wieder loslässt. "Ich weiß nicht, was ich tun soll."

"Du tust das, was du tun musst", sagt sie. "Ihr werdet euch wiedersehen. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber vielleicht schon übermorgen. Und bis es so weit ist, telefoniert ihr eben, oder schreibt euch schmutzige SMS."

"Woher weißt du das mit den SMS?!", frage ich sie erschrocken.

"Ich bin nicht blöd Niclas. So, wie du beim Tippen gegrinst hast, wäre es auch schwer gewesen, es nicht zu wissen."

"Oh Mann!" Nicht zu fassen! Mütter!

Lachend zieht sie sich wieder die Handschuhe über. "Können wir jetzt weiter machen? Die Beete müssen noch aufgefüllt, und teilweise neu gepflanzt werden."

"Lass mich raten", ächze ich "Das bedeutet Erde schleppen, oder?"

"Haargenau!" Hätte ich mal lieber nicht gefragt!
 

***
 

Ich bin völlig erledigt und heil froh, dass ich am späten Nachmittag endlich auf der Couch hocken, und mich entspannen darf. Morgen habe ich unter Garantie Muskelkater. Mein Mütterchen hat mich ganz schön herumgescheucht.

"Oh mein ... Das gibt's doch nicht ..." Was'n jetzt los? Ich schiele rüber zu Nicole, die seit geraumer Zeit ruhig und brav neben mir auf der Couch sitzt, sich nun allerdings in Schnappatmung übt. "Scheiße ... Das kann doch nicht ... Scheiße!"

"So etwas sagt man nicht", rümpfe ich sie.

"Oh Gott!"

"Ist mal bald Ruhe? Ich will meine Soap sehen." Das ich so was mal sagen würde! Wie tief bin ich schon gesunken?

"Ich sterbe!"

"Geht das auch leiser?"

"AHHHH!!!" AHHHHHH! Mein Trommelfell platzt! Ich hab genau gehört, wie es explodiert ist! "AHHHH!!"

"RUHE VERDAMMT!", brülle ich und verpasse Nicole einen leichten Ellenbogenstupser. "Warum brüllst du hier herum wie eine Geisteskranke?"

"Er hat es an! Er hat es an!!! Ich fass es nicht!"

"Wer hat was an?" Und warum muss wieder mein Trommelfell darunter leiden?

"Na Keith! Er hat mein Armband an!"

"Ach so ..." Stimmt ja ... Da war ja was. "Auf einem Konzert?"

"Nein! Er hats getwittert! Hier!" Nicoles Herzschrittmach... Äh Handy schiebt sich zwischen den Fernseher und meinem Blickfeld. "Du musst den Kommentar lesen! Les schon!"

"Ja, ja", schnarre ich und nehme ihr das Handy ab. "Wenn du so zappelst, kann ich gar nichts lesen." Nicole bringt die Sprungfedern der Couch zum Quietschen. Das weckt Erinnerungen, sage ich euch. Welche, verrate ich nicht.* "Danke für das tolle Armband Nicole. Wie du siehst, es passt ;-)", steht dort. "Sehr hübsch. Ihm gefällt es offenbar."

"Gefallen?!", ruft sie. "Er hat es an!"

"Ja, ich habs mitbekommen." Wie auch nicht?

"Keith Kandyce hat etwas um sein Handgelenk gebunden, das ich ihm gemacht habe ... Oh Gott! Oh Gott, oh Gott, oh Gott ..." Wenn ich mich anstrenge, bringe ich Meilo auch dazu, so oft nach Gott zu rufen. "AHHH!"

"Scheiße, Nicole! Geh dich in deinem Zimmer freuen! Ich werd ja noch taub!"

"Kann nicht aufstehen", japst sie. "Ich glaub mir wird schlecht."

"Musst du kotzen?"

"Weiß nicht." Sie ist tatsächlich ganz blass. "Niclas? Mir ist so komisch ..." Ihre Augen verdrehen sich nach hinten und weg ist sie. Nicole kippt seitlich um und plumpst auf die Couch. Wenigstens hat sie sich nicht den Kopf am Tisch aufgeschlagen.

"Oh Mann", seufze ich und beuge mich zu ihr. "Nicole? Hey Nicole?" Total weggetreten die Gute. "Nicole?"

"Hm?" Ihre Augenlider beginnen zu flattern.

"Geht's wieder?"

"Was'n passiert?", fragt sie mich.

"Du hattest einen amtlichen Ohnmachtsanfall."

"Was? Wieso?"

"Weil du Keith ein Armbändchen gebastelt hast." Ihre Pupillen weiten sich. Sie will doch nicht wieder ohnmächtig werden? Will sie nicht. Ganz im Gegenteil.

Wie ein Flummi springt sie auf, verpasst mir dabei beinahe einen Kinnhaken, und saust aus dem Wohnzimmer. "Ich muss die Mädels anrufen!", brüllt sie noch, dann knallt ihre Zimmertür zu.

"Und ich rufe Meilo an", beschließe ich, schalte die Glotze aus, und tapse in mein Zimmerchen. "Das hält ja der stärkste Mann nicht aus."

In meinem bescheidenen Reich haue ich mich auf den knarrenden Bürostuhl und drücke mir das Handy ans Ohr. /Sweety!/, dröhnt es schon nach dem zweiten Tuten aus dem Hörer. Heute haben es offenbar alle auf mein Gehör abgesehen!

"Meilooo!", gebe ich retour, freue mich aber, weil sein Aufschrei bedeutet, dass er allein ist.

/Schön, dass du endlich anrufst./

"Ich hätte schon eher angerufen, aber meine Mutter hatte mich noch in Beschlag."

/Habs mitbekommen/, lacht er. /Ich habe mich gut mit ihr unterhalten./

"Und das habe ich mitbekommen. Aber Schwamm drüber", sage ich und habe den Vorfall weitgehendst verdaut. "Ich wollte dich nämlich was fragen."

/Was denn?/

Ich drehe mich mit dem Stuhl langsam im Kreis. "Bist du stolz auf dich?"

/Ähm ... was?"/

"Ob du stolz auf dich bist", wiederhole ich. Vor meinem geistigen Auge sehe ich richtig, wie er nachgrübelt.

/Ich verstehe nicht, auf was du genau aus willst. Habe ich was falsch gemacht?/ Jetzt trete ich mir selbst in den Hintern. Ich habe ihn verunsichert.

"Meine aufgelöste Schwester hat mir einen Tweet von dir gezeigt. Einen, in dem du ein Armband trägst."

/Ach so!/, pustet Meilo. /Hat sie sich gefreut?/

"Gefreut? Sie ist ohnmächtig auf der Couch zusammengeklappt." Stille. Bis auf das leise Atmen zumindest. "Meilo? Bist du jetzt auch ohnmächtig?"

/Nein!/, japst er. /Das tut mir leid. Das wollte ich nicht./

"Mach dir keinen Kopf", tröste ich ihn. "Überlas das mir." Ein Seufzen dient mir als Antwort. Ich weiß, was er damit andeuten möchte. Wenigstens sagt er es nicht und überlässt es mir, wann und wie ich Nicole darüber aufkläre, dass ich mit ihrem heißgeliebten Popsänger eine Beziehung führe.
 

Meilo und ich unterhalten uns noch eine Weile miteinander. Er erzählt mir, wie die letzten Tage so waren, was für Termine noch anstehen und so was alles. Ich höre zu, werfe immer mal wieder einen Kommentar dazwischen, bleibe aber ansonsten in meiner Zuhörerrolle. Das macht mir nichts aus, ich höre gerne Meilos Stimme, doch es fuchst mich, dass es von meiner Seite aus nichts Neues zu erzählen gibt. Ich bin immer noch arbeitslos, lebe bei Mami und verkomme langsam zu einer Couchpotato. Wenn sich nicht bald etwas an meinem Gammeldasein ändert, drehe ich noch durch! Der einzige Lichtblick in meinem Leben ist und bleibt Meilo. Wenn er nicht wäre, läge ich jetzt bestimmt aufgedunsen und perspektivlos auf der Couch und würde mir eine Soap nach der anderen reinziehen. Viel fehlt dazu nicht mehr.

Wir verabschieden uns nach einer guten Stunde voneinander. Nachdenklich bleibe ich vor meinem Schreibtisch sitzen. Ich habe keine Lust, meinen Laptop anzuschmeißen. Langsam frage ich mich, für was ich den ganzen Aufwand überhaupt noch betreibe. Keiner will mein Programm, beziehungsweise mein Know-how. Manchmal glaube ich, als kleiner Programmierer hat man kaum eine Chance. Ständig habe ich das Gefühl, deswegen von jedem belächelt zu werden. Besonders, wenn man keine abgeschlossene Berufsausbildung in der IT-Technik, oder gar Informatik Studiert hat, sondern sich alles selbst, mithilfe von Büchern, beigebracht hat. Mit einer Ausbildung als Einzelhandelskaufmann kann man da kaum punkten. Ich hab's manchmal so satt!
 

Angepisst und eine Spur traurig laufe ich rüber in die Küche. Heute ist einer dieser Tage, an denen man eine gute Tasse Tee gebrauchen kann. Ich stelle Wasser auf, nehme mir eine Tasse und krame in der Holzkiste herum, in der meine Mutter alle mögliche Teesorten aufbewahrt. Ein Früchtetee wird der Sieger des heutigen Tages. Der Beutel wandert umgehend in die Tasse. Bis das Wasser kocht, lehne ich mich gegen die Arbeitsplatte. Ich bin im Nachdenklichkeitsmodus.

Es wird echt Zeit, dass ich wieder Geld verdiene. Da sich die Firma, bei denen ich ein Vorstellungsgespräch als Gabelstaplerfahrer hatte, noch nicht gemeldet hat, sollte ich eventuell bei alten Bekannten anfragen. Es gibt ein paar Leute, für die ich schon früher einmal gejobbt habe. Ob ich sie mal anrufen soll? "Niclas?"

"Hm?" Meine Schwester schlurft heran und wedelt mit dem Telefonhörer.

"Telefon." Ach nee!

Ich nehme es ihr ab und warte, bis sie sich wieder vom Acker gemacht hat. "Ja?"

/Hey Nicilein./ Och nöö! Bitte nicht Klaus-Peter!

/Wie stehts?/

"Geht so", brumme ich.

/Hab schon davon gehört./

"Von was?", frage ich Klaus-Peter, einen alten Bekannten von mir. Wie der Zufall es so will, ist er genau einer der Bekannten, für den ich früher mal gearbeitet habe. Ich bin für ihn Prospekte austragen gegangen. Damals noch für sein Fitnessstudio, das inzwischen wieder geschlossen hat. Lief wohl nicht so gut.

/Von deiner Lage. Du suchst einen Job?/

"Tue ich." Hinter mir brodelt es. Ich ziehe den Topf von der Herdplatte und stelle sie aus. "Hast du was für mich?" Fragen kostet nichts, und da er mich angerufen hat, nehme ich mal stark an, dass er das hat.

/Könnte man so sagen/, sagt er mit einem freudigen Unterton in seiner leicht tuckigen Stimme.

"Schieß los", bitte ich ihn gespannt. Auch wenn Klaus-Peter, oder wie wir ihn alle nennen, KP, was zu dem lustigen Spitznamen Kanapee geführt hat, mir nicht allzu sympathisch ist, zahlt er immer gut.

/Ich habe Anfang des Jahres einen kleinen Weinkeller im Viertel aufgemacht/, beginnt er. Im Viertel bedeutet, in dem Stadtteil, in dem die Schwulen- und Lesben-Szene beheimatet ist. /Ich suche immer Aushilfen, die Weinverkostungen machen, oder im Laden für Ordnung sorgen. Regale auffüllen, kehren und sowas./

"Ich kenne mich aber nicht aus mit Weinen", gebe ich zu bedenken. "Weinverkostung hört sich gut an, aber für mich schmecken die, mehr oder weniger, alle gleich." KP lacht. Ich hätte lieber gelogen, aber ich will meinen neuen Job nicht gleich wieder verlieren, wenn ich ihn überhaupt bekomme.

/Das spielt keine Rolle/, meint KP. /Du wärst hauptsächlich dafür zuständig, die Weine zu öffnen, Tische abzuräumen und danach alles wieder herzurichten./

"Eine Wein-Putze also?"

KP lacht auf. /Genau! Ich brauche dich als Weinputze./

"Hört sich gut an." Nicht wirklich, aber ich bin nicht wählerisch. "Wann soll ich vorbeikommen?"
 

***
 

Am nächsten Tag ist es dann soweit. Ich stehe im besagten Weinkeller und schaue mich zusammen mit KP um. "Wirklich schön", staune ich. "Wie bist du hier dran gekommen?"

"Durch meinen Opa. Ihm gehörte das Gewölbe."

"Hier? Im Viertel?"

"Früher war es noch nicht das 'Viertel'", klärt mich KP auf. "Mein Opa lebte lange in einem Altenheim. Ich wusste auch nicht, dass er hier ein Haus besaß. Als er vor einem halben Jahr gestorben ist, hat er es mir vermacht."

"Wahnsinn." Mit der Hand fahre ich über die raue Wand aus grob geschlagenen Sandstein. Das hier verdient tatsächlich den Namen Weinkeller. "Wie viele Weine hast du hier?"

"Hier sind nicht viele. So ungefähr zweihundert Stück."

"Nicht viele?!"

"Hinten geht es weiter. Dort lagern meine größten Schätze." Wow! Ich wusste gar nicht, dass KP so ein Weinkenner ist.

"Das muss ein Vermögen gekostet haben", überlege ich laut.

"Mein Opa hat mir nicht nur das Haus vermacht", deutet KP an und grinst.

"Du Glückspilz! Hast du noch einen Opa? Vielleicht einen, der noch einen Enkel haben möchte?"

"Nein, leider nicht", lacht KP. "Aber ich lasse dich gern an meinem Glück teilhaben. Fünfzehn Euro die Stunde. Wie wäre es?"

"Fünfzehn?!" Da sage ich doch nicht nein!

"Du kannst gleich anfangen, wenn du magst. Jean, mein Somalier, ist vorn und kümmert sich um die neu angelieferten Weine. Mach dich doch mit ihm bekannt und greife ihm unter die Arme."

"Klar. Gerne." Ich schüttle Klaus-Peter die Hand, bedanke mich für sein Jobangebot und laufe vor in das Weingeschäft.

Neben den Weinverkostungen, die KP im Sandsteingewölbe anbietet, hat er vorn im unteren Teil des einstmaligen Wohnhauses einen Laden eröffnet. Außer Wein bietet er auch Lebensmittel aus Frankreich und Italien an. Mir läuft allein vom Hinschauen das Wasser im Mund zusammen, und je länger ich hier bin, desto sicherer werde ich mir, dass KPs Geschäftsidee dieses mal womöglich nicht wieder den Bach runterlaufen wird. Ein Weingeschäft für ausländische Leckereien im Viertel. Wenn das mal kein brummendes Geschäft wird!

"Morgen", begrüße ich Jean, Klaus-Peters Somalier.

"Einen wunderschönen guten Morgen." Ui, ist der höflich. Und das sogar mit französisches Akzent. Ollala.

"Ich bin Niclas. Klaus-Peter hat mich zu dir geschickt. Ich helfe ab heute hier aus.

"Ahh! Niclas!" Verdutzt reiße ich die Augen auf, als Jean mit ausgebreiteten Armen auf mich zukommt, mich umarmt und mir fest auf die Schulter klopft. "Klaus-Peter hat mir schon von dir erzählt."

"Hat er das?"

"Oui."

"Hoffentlich nur Gutes", lächle ich verlegen. Ich kann mir nicht helfen, aber Typen mit einem französischen Dialekt bringen mich leicht durcheinander.

"Natürlich!", trällert er, wobei er das Ü stark betont. "Er hat mir viel von deinen Qualitäten berichtet."

"Wie lieb von ihm." Mehr oder weniger ... "Soll ich hier weiter auspacken helfen?" Ich gehe zwei Schritte zurück und deute auf eine halb gefüllte Weinkiste. Bloß nicht zu nahe an diesen überschwänglichen und überfreundlichen Franzosen ran! Glaubt aber bitte nicht, ich würde bei ihm schwach werden. Woher denn? Ich hab Meilo, aber dieser französischer Akzent ... Heute Abend frage ich Meilo, ob er Französisch kann.
 

Bis zum frühen Nachmittag war ich mit Jean zusammen im Laden beschäftigt. Ich half ihm die Weine ausräumen, sie auf der Lieferliste abzuhaken, die Regal wieder auf Vordermann zu bringen, und habe zum Schluss noch den Laden komplett durchgefegt, sowie kleine Gestecke abgeholt, die den Weinkeller schmücken sollen. Um kurz nach zwei schickte mich KP, der äußerst zufrieden mit meiner Arbeit war, nach Hause. Ich bin wieder um 75 Euros reicher und mir hat die Arbeit richtig Spaß gemacht. Ich bin keine faule Couchpotato mehr!

Montag soll ich wieder vorbei kommen, diesmal Nachmittags. Dann gibt es dort die angekündigten Verkostungen, und ich werde einen weiteren Teil der Truppe kennenlernen. Ich fühle mich richtig gut!

Zuhause kicke ich mir die Schuhe von den Füßen und laufe gute gelaunt mit einem kleinen Liedchen auf den Lippen an der Küche vorbei. "Niclas?"

"Hallo Muttilein."

Sie legt die Stirn kraus. "Muttilein?", fragt sie. "Dann darf ich annehmen, du hast den Job?"

"Habe ich", gebe ich stolz von mir. "Ab heute helfe ich in Klaus-Peters Weinkeller aus."

"Super!"

"Hab sogar schon Geld verdient heute."

"Fein. Dann kannst du mir ja wieder das Geld für den Sprit neulich zurückgeben." Meine Mutter. Wacht wie eine Füchsin über die Haushaltskasse. Mein schöner, soeben verdienter Fünfziger wechselt in ihren Besitz über. "Danke."

"Bitte." Ich starre auf die restlichen Fünfundzwanzig. "Hier. Nimm die auch noch."

"Wieso?"

"Ihr füttert mich schon eine ganze Weile mit durch. Nimm sie."

"Ach was! Behalte die paar Kröten." Die paar Kröten? Früher hat sie mich immer zusammengefaltet, wenn ich mal einen Groschen in den Kaugummiautomaten geschmissen habe. "So eine Geldverschwendung! Ein Groschen ist viel Geld!", sagte sie mir dann stets. Und um noch eins obendrauf zu setzen: "Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert." Ich frage mich heute noch, in welcher grauen Vorzeit es bei uns Taler gab. War meine Mutter da überhaupt schon geboren?

"Nimm sie", sage ich ihr und lege die fünfundzwanzig Euro einfach auf den Küchentisch. "Ab jetzt mache ich keine Schulden mehr bei euch."

"Ich erinnere dich dran", kichert sie.

"Tu das." Ich zwinkere ihr zu und laufe rüber in mein Zimmer. Jetzt ist ausspannen angesagt! Arbeiten kann anstrengend sein.
 

Am Abend, ich habe doch tatsächlich den ganzen Nachmittag gepennt, fläze ich mich faul im Bett herum. Bei leiser Musik dämmere ich so dahin, denke an nichts Böses und schmiede Pläne für den kommenden Tag. Für morgen Früh habe ich mir vorgenommen, endlich mal wieder joggen zu gehen. Seit Meilos ersten Besuch bei mir, wo ich mir ja fest vorgenommen habe, wieder etwas mehr auf meine Fitness zu achten, bin ich seitdem allerdings nur einmal losgezogen. Schämen sollte ich mich!

Es klingelt an der Tür. Ich lausche. Hektische Schritte. Eindeutig die meiner Mutter. Gut, dann muss ich nicht aufstehen. Gähnend drehe ich mich auf die andere Seite. Faulenzen macht müde. Ich bin kurz davor, wieder einzupennen, als mich ein Klopfen aufschrecken lässt. "Niclas? Du hast Besuch." Besuch? Mein Herz schlägt schneller. Es wird doch nicht ...?

"Ey." Ed! Kein Meilo, der mir einen Überraschungsbesuch abstattet. Wie auch? Er steckt bis zur Nasenspitze in Arbeit.

"Ey Ed", begrüße ich meinen Lieblingsschrauber. Ihn habe ich ja völlig vergessen! Vier Tage ist es nun her, dass ich wieder von meinem letzten Besuch bei Meilo zurück bin. Seitdem haben wir uns nicht mehr gesehen. "Komm rein." Ich schäle mich aus der Bettdecke und setze mich im Schneidersitz drauf. Ich ahne, weshalb er hier ist. "Wo hast du Ingo gelassen?"

"Der ist zu hause", murmelt er und parkt auf meinem Schreibtischstuhl. "Ich dachte, es wäre blöd, wenn ich ihn mitnehmen würde."

"Vielleicht", antworte ich. "Du bist gekommen, um mit mir über dieses Foto in der Zeitung zu reden?" Er nickt. "Verstehe." Ich sag's ja. Ich habe es geahnt.

"Dieser Keith sieht deinem Meilo ganz schön ähnlich, nicht?"

"Sieht er", gebe ich zu.

"Ich nehme nicht an, dass die anderen es wissen?"

"Tun sie nicht. Bis auf meine Eltern." Ed nickt wissend.

"Und ich soll's für mich behalten", schlussfolgert er in seiner typischen Art.

"Das wäre echt lieb von dir. Meilo bekommt sonst Probleme."

"Verstehe." Tut er das? "Dann ist ja alles geklärt." Ed richtet sich auf.

"Äh … Warte mal!", halte ich ihn auf. "Du willst gehen?"

"Ja."

"Bleib doch noch."

"Willst du nicht pennen?"

"Iwo! Ich war nur am Dösen."

"Ach so." Und schon sitzt er wieder. Es erstaunt mich immer wieder, wie seltsam Ed manchmal sein kann.

"Hast du denn keine Fragen?"

"Über was?" Ist das zu fassen?!

"Über Meilo?"

"Hn ... Eigentlich nicht." Nein, es ist nicht zu fassen. Dieser Kerl ist echt einzigartig.

"Ich bin mit einem Popsänger zusammen, und du hast keine Fragen?" Kopfschütteln. "Ed? Du bist unglaublich!"

Er runzelt die Stirn. "Ist das gut?"

Ich fange an zu lachen. Wirklich jetzt! Er ist unfassbar! "Ja, das ist gut, du verschrobener Mechaniker." Seine linke Augenbraue wandert nach oben, aber er sagt nichts. "Wenn du schon keine Fragen hast, kann ich dich etwas fragen?"

"Klar."

"Was würdest du an meiner Stelle tun?"

"Wegen was?" Muss ich das noch erklären? Muss ich, denn ich rede hier schließlich mit Ed.

Deswegen fange ich ganz von vorn an. "Als ich Meilo begegnet bin, wusste ich noch nichts von seinem, nun ja ... Beruf. Selbst auf den ganzen Postern in Nicoles Zimmern habe ich ihn nicht erkannt."

"Nicht? Für mich war das ganz eindeutig dein Freund." Ed guckt mich verwundert an.

"Ich hab's eben nicht gesehen, okay?" Verteidige ich mich gerade? Ja, tue ich. "Für mich war das ein riesiger Schock!"

"Wie hast du es herausgefunden?"

"Ich hab Nicole zusammen mit ihren Freundinnen auf eins seiner Konzerte begleitet. Sie durfte alleine nicht dort hin, also bin ich mit."

"Wie nett von dir." Nicht wahr? "Und da hast du ihn erkannt?"

Ich lächle schmal. "Ja. An seiner Stimme. Ich konnte es nicht glauben, deshalb habe ich mich bis ganz nach vorn durchgekämpft, da hat er mich ebenfalls gesehen und ..." Soll ich es wirklich sagen? "Er hat ein Liebeslied gesungen, dass er für mich geschrieben hat", flüstere ich.

"Echt?" Ed grinst. "Wie niedlich."

"Niedlich?" Hat er eben wirklich das Wort niedlich in den Mund genommen?

"Ja. Ist es doch, oder nicht?"

"Na ja, irgendwie schon." Kitschig träfe es besser, aber meine ganzen Gefühle ihm gegenüber sind total kitschig. Kitschig und unbeschreiblich toll!

"Was hast du dann gemacht?"

"Ich bin raus. Ich konnte ihm nicht weiter zuhören. Nach dem Konzert, ich musste ja noch auf meine Schwester und ihre Freundinnen warten, kam dann plötzlich so ein bulliger Sicherheitsmann auf mich zu, und meinte, ich solle ihm folgen. Er brachte mich in Meilos Garderobe. Erst war ich sauer, aber dann verabredeten wir uns in seinem Hotel und am nächsten Morgen waren wir ein Paar." Zubdiwubb! So einfach war das alles.

"Hört sich gut an." Und die Erinnerung daran ist sogar noch besser. Bis auf die Panik, die ich verspürte, als ich herausfand, dass mein geliebter Meilo ein Doppelleben mit Schminke und einer Horde Teeniefans führt. "Und was soll ich dir jetzt raten?"

"Wie sage ich es meiner Schwester?", antworte ich ohne Luft zu holen. "Wie sage ich es ihr, ohne dass sie mich umbringt?"

Ed zuckt mit den Schultern. "Sag es ihr und gut ist. Was will sie schon tun?" Mir würden da viele schlimme Dinge einfallen. Mich mit einem Schuh zu erschlagen ist noch das Harmloseste.

"Ich weiß nicht wie."

"Es gäbe da eine Möglichkeit, es ihr zu sagen, ohne es ihr zu sagen." Uhuh! Eds Spezialgebiet.

"Und welche?", frage ich hoffnungsvoll.

"Setz ihr Meilo vor die Nase."

"Das geht nicht!"

"Und warum?"

Ich muss an den Vorfall von gestern denken. "Sie würde einen Herzinfarkt bekommen!"

"Dann musst du es ihr schonend beibringen." Ich lasse den Kopf hängen. "Lass es auf dich zukommen. Irgendwann erfährt sie es." Toller Ratschlag! Aber er hört sich verlockend an.

"Mal sehen", murmle ich. Vielleicht hat er ja recht. Irgendwann wird sie es erfahren. Und dann wird sie mich umbringen, meine Leiche im Wald verbuddeln und sich an Meilo ranmachen.
 

***
 

Montag.

Mein erster offizieller Arbeitstag. Ich freue mich schon richtig drauf!

Von KP habe ich Kleidung spendiert bekommen, die ich tragen soll. Eine schwarze Stoffhose, schicke Schuhe, ein weißes Hemd mit (würg) Fliege und einer weinroten Kellnerschürze. "Siehst du toll aus!", staunt meine Mutter. Sie steht hinter mir und begutachtet mich im Spiegel. "Wenn die Schütze nicht wäre, könntest du glatt heiraten!"

"Mama." Ich verdrehe die Augen.

"Was denn? Stimmt doch." Sie verpasst mir einen Schmatzer auf die Wange und zu allem Überfluss auch noch einen Schlag auf den Hintern. "Den festen Poppes hast du eindeutig von deinem Vater. Meiner ist nicht so knackig."

"Mama!" Sie kichert und verzieht sich aus meinem Zimmer. "Dann mal los!", mache ich mir selbst Mut, stecke mir mein Handy ein, grapsche mir den Autoschlüssel und mache mich auf den Weg.

Am Weinkeller angekommen, parke ich in einer Seitenstraße, direkt daneben, und nehme den Seiteneingang. Durch einen niedrigen Kellergang geht es direkt in einen kleinen Raum, der als Lager dient und von dort aus in den abgetrennten Mitarbeiterbereich hinter dem Laden. Dort finde ich auch Jean, der sich mit einem anderen Mann unterhält. Auf französisch. Sofort werde ich schwach, aber nicht schon wieder wegen der Sprache. Jedenfalls nicht direkt. Gestern habe ich nämlich erfahren, dass mein Schatz ebenfalls Französisch spricht. Und das sogar sehr gut. Ich werde ganz kribbelig, wenn ich auch nur daran denke. Dagegen hört sich Jeans Gerede an wie Gossensprache!

"Hallo", melde ich mich zu Wort, damit sie mich bemerken.

"Oh! Hallo Niclas." Wieder zieht mich Jean an seine Brust. Ebenso sein Gesprächspartner. Sind Franzosen alle so … kontaktfreudig?! "Das hier ist Alain."

"Freut mich dich kennenzulernen, Alain. Ich bin Niclas."

"Danke", antwortet er mir in einem eher schlechten Deutsch.

"Alain ist hier, um mit mir zusammen die Verköstigung zu machen." Das schindet Eindruck. Zwei Franzosen bei einer Weinverkostung. Meine Herrn. KP lässt sich nicht lumpen.

"Wie schön", lächle ich. "Und was soll ich dabei tun?"

Jean zeigt mir, was ich zu tun habe, wenn die Gäste hier sind. Im Prinzip muss ich nur dahinter sein, dass die 'Spuckeimer' zügig gewechselt werden, immer der richtige Wein an die Tischen gebracht wird und sonst keine Katastrophen passieren. Alles kein Problem, bis auf die Spuckeimer. Wägs!

Ich helfe bei den Vorbereitungen, weil ich etwas zu früh dran bin. Stelle Tische um, zünde Kerzen an, achte darauf, dass die Musik nicht zu laut spielt. Dann rücke ich die Flaschen alle nochmal zurecht, damit auch ja die Etiketten gut zu lesen sind. Perfekt!

"Niclas?"

"Ja?" Ich drehe mich zu Jean um.

"Ich möchte dir einen weiteren Kollegen vorstellen."

"Oh. Fein!" Ich wische mir die Hände trocken und laufe hinter Jean her, der mich in den Laden führt.

"Das ist Clemens. Er wird dich heute Abend unterstützen." Er zeigt auf einen jungen, großen Mann, der mit dem Rücken zu mir steht, und eins der Regale mit Nudeln auffüllt.

"Hallo Clemens. Schön dich kennenzuler...nen." Mir gefriert das Lächeln auf den Lippen, und die Hand, die ich soeben ausstrecken wollte, um meinen neuen Kollegen zu begrüßen, hängt erstarrt auf halben Weg in der Luft. "Du?!", japse ich und starre in ein Gesicht, dass ich noch sehr gut in Erinnerung habe. Das ist Kilians Neuer!

"Hallo", fiepst er und sieht mich ebenso überrascht an, wie ich sicher ihn anglotze. "Was für ein Zufall." Er lacht gekünstelt und hebt mir seine Hand entgegen. "Trotz allem auf gute Zusammenarbeit." Soll das ein schlechter Scherz sein?

"Das wird sich zeigen", knurre ich und drehe mich um. Den da gebe ich unter keinen Umständen die Hand!

Wo habe ich vorhin nochmal die Spuckeimer hingestellt? Ich könnte jetzt echt einen gebrauchen. Doch davor noch ein paar Flaschen Wein. Gaaanz viele Flaschen Wein!
 

******
 


 

*Fara: Wohl als kleiner Junge Trampolin auf der Couch gesprungen, wa Nic?

Nic: Logisch! Was auch sonst ;-)

Love bite 20 - Feind und Freund

Morgen ^^

Heute gibt es zwei Kapitel von mir. Schon mal zur Vorsorge, da ich nicht weiß, wie ich die nächsten Tage dazu komme.

Meiner alten Katze geht es immer schlechter. War die letzten Tage nur beim Tierarzt. Gebracht hat es leider nichts. Wenn es ihr heute weiterhin so schlecht geht, werden wir sie diese Woche noch erlösen, denke ich.
 

Zu diesem Kapitel gibt es noch zu sagen, dass Meilo hier mal Pause hat. Diesmal dreht sich alles um Niclas und teilweise um seine Vergangenheit.
 

Euch viel Spaß beim Lesen und schon mal ein schönes Wochenende für euch

Eure Fara
 


 

Love bite 20 - Feind und Freund
 

"Dieser liebliche Tropfen aus der Toscana hat ein besonders fruchtiges Bouquet. Wenn Sie kosten möchten?" Leises Raunen, beeindruckte hmm-Laute. Der scheint zu schmecken. Welch Verschwendung, ihn wieder auszuspucken.

Jean reicht mir die angebrochene Flasche, die ich wieder zurückstelle und die nächste in Angriff nehme. Dies ist der letzte Wein der heutigen Verkostung. Mein Job ist erledigt. Bis die Gäste sich hoffentlich für die ein oder andere Flasche entschieden haben, die sie sich mit nach Hause nehmen wollen, werde ich den Rückzug antreten, und mich umziehen gehen. Feierabend! Aufräumen tut heute ein anderer.

In der kleinen Umkleide, Rumpelkammer trifft es eher, suche ich meinen Kram zusammen. "Hat dir dein erster Arbeitstag gefallen?", fragt plötzlich jemand hinter mir. Kilians Stecher Clemens! Ausgerechnet!

"Geht dich nix an", knurre ich und versuche diesen Lulatsch zu ignorieren. Schwierige Angelegenheit, sage ich euch.

Er stellt sich neben mich, und weil ich noch mit dem Knoten der Schürze kämpfe, kann ich ihm schlecht ausweichen. Besonders in dem kleinen Raum hier. "Müssen wir das tun? Uns angiften?", fragt er mich doch glatt dreister weise.

"Weiß nicht was du meinst."

"Und ob du das weißt", qäckt er, seufzt dann allerdings resigniert. "Hör mal, ich bin jetzt mit Kilian zusammen und du hast doch auch einen Neuen. Einen ziemlich schnuckeligen noch dazu. Ist doch alles gut?" Ich knirsche mit den Zähnen. Ich könnte ihm so einiges Erzählen, was nicht gut ist an der ganzen Geschichte, angefangen dabei, dass er MEINEN FREUND eben schnuckelig genannt hat, aber ich lasse es. Es lohnt den Ärger nicht und bis auf ekelige Zornesfalten bringt es mir auch nichts. "Wie seid ihr beiden eigentlich zusammengekommen? War ja recht früh. Ich meine, so kurz nach der Trennung ..." Jetzt platzt mir doch der Geduldsfaden. Er wagt es von früh zu reden?!

"Hör auf damit!", zische ich ihn an. "Ich will mich nicht mit dir unterhalten. Weder über mich, noch über meinen Partner, meinen Ex oder sonst irgendwas, verstanden?" Endlich habe ich den Knoten auf, zerre die Schürze von mir und werfe sie in meinen mitgebrachten Beutel.

Schnellen Schrittes rausche ich aus der Umkleide und verlasse den Weinkeller.

So kurz nach der Trennung! Das ich nicht lache! Wer hatte denn gleich einen neuen Stecher? Kilian, und nicht ich! Er hat mich verlassen und sich gleich 'nen neuen gekrallt. Das Meilo und ich uns so schnell gefunden haben war purer Zufall und viel Glück. Zugegeben, ohne Kilians Geständnis, dass er wieder vergeben ist und die Briefe, die er mir zurückgegeben hatte, hätte ich Meilo vielleicht niemals kennengelernt. Aber trotzdem werde ich mich diesem Lulatsch von Clemens deswegen nicht erklären oder gar rechtfertigen! Muss ich auch nicht. Es geht ihn nichts an und MEIN schnuckeliger Freund hat ihn nicht im geringsten zu interessieren. Basta!

"Niclas?!" Klaus-Peter ruft nach mir. Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihm um. "Warte doch! Dein Geld", schnauft er und wedelt mit seiner Hand. "Warum bist du denn so schnell weggedüst?", fragt er mich und überreicht mir meinen heutigen Lohn. Den habe ich dank meines Ärgers ja total vergessen.

"Habs eilig", lüge ich. "Mein Freund will mich nachher noch anrufen." Das war keine Lüge.

"Du hast wieder jemanden? Das freut mich aber!" Ich lächle verlegen. "Dann bist du über Kilian hinweg?"

"Bin ich." Was mein Herz angeht ja. Aber was Clemes' Anwesenheit im Weinkeller angeht, nein. Darüber kann ich nicht so leicht hinwegsehen, auch wenn ich es gerne würde. Aber mir kommt echt die Galle hoch, sobald ich auch nur an diesen Kerl denke! Ob KP weiß, dass Clemens Kilians Neuer ist? Ich denke nicht.

"Wie ist er denn so? Sieht er gut aus?" KPs dreckiges Grinsen lässt mich schmunzeln.

"Und wie", antworte ich. "Aber nicht nur das. Er ist wundervoll. Meilo über den Weg gelaufen zu sein, ist das Beste, was mir jemals passiert ist."

"Wow. Der muss ja was ganz Besonderes sein."

"Ist er", bestätige ich und fühle das altbekannte Kribbeln in meinem gesamten Oberkörper, das mich jedes Mal überfällt, wenn ich an in denke.

"Dann bin ich ja beruhigt. Ich dachte schon, es gäbe Probleme mit Clemens. Weißt du schon, dass er und Kilian ...?" KP weiß also doch Bescheid.

"Ja, das weiß ich", nicke ich. "Aber so lange er mich in Ruhe lässt, gibt es keine Probleme."

KP sieht mich nachdenklich an. "Du wirst nicht drum herum kommen, mit ihm hin und wieder zusammenzuarbeiten."

"Habe ich mir schon gedacht."

"Ich will keine Szenen vor den Gästen."

"Habe ich nicht vor."

"Auch nicht, wenn Kilian vorbeikommt. Hörst du? Er besucht Clemens regelmäßig." Das habe ich mir schon irgendwie gedacht.

"Kilian ist mir egal geworden. Wirklich. Es wird zu keinerlei Szenen kommen. Nicht vor den Gästen oder den Kollegen."

"Gut. Mehr wollte ich nicht hören. Bis übermorgen."

"Ja. ... Tschau." KP verschwindet wieder im Weinkeller und ich marschiere in die Seitenstraße, in der mein Auto parkt. "Shit!", japse ich. "Warum kann sich Kilian mit seinem tollen Clemens nicht einfach in Luft auflösen?" Das würde vieles einfacher machen. Und zudem meine Nerven schonen.
 

Zuhause schäle ich mich aus den Klamotten und springe unter die Dusche. Während das warme Wasser auf mich prasselt, versuche ich meinen durcheinander geratenen Gedankengängen zu folgen. Clemens, Kilians Neuer, ist einer meiner Kollegen. Ich könnte kotzen!

Ja, ich bin glücklich mit Meilo. Und nein, ich bin nicht eifersüchtig, weil Kilian einen anderen Kerl hat. Es regt mich nur auf, dass ich diese lange Bohnenstange nun beinahe jeden Tag zu Gesicht bekomme und womöglich Kilian noch dazu! Es erinnert mich an all die unschönen Gefühle, den Schmerz, die Verzweiflung, an mein gebrochenes Herz, die ich dank des Beziehungsaus seitens Kilian hatte. Und ich will nicht daran erinnert werden.

Heute zum Beispiel. Ständig lief mir Clemens vor der Nase herum. Sein ekelhaftes Aftershave hing mir ewig in der Nase. Jetzt noch könnte ich schwören, es zu riechen. Er nervt! Und immer wieder musste ich an den Moment denken, in dem mir Kilian die Wohnungstür vor der Nase zugeschlagen hat, nachdem ich all die Kisten mit meinen Habseligkeiten in den Hausflur geschafft hatte. Den lauten Knall dabei, der meine Brust zugeschnürt hatte.

Ich hab versucht es zu verdrängen und dachte an Meilo, an all die schönen Stunden, die wir bisher miteinander geteilt haben und auch an die Vorfreude, wenn wir endlich zusammen sein können, ohne uns Sorgen über die Folgen zu machen. Es half. Teilweise. Denn immer wieder schob sich Kilian in mein Denken. Kilian und sein Neuer. Die Tag ein, Tag aus glücklich zusammenleben. Kotz!

Aber ich muss mich zusammennehmen. Ich will den Job nicht verlieren, aber ich kann auch nicht garantieren, dass ich ruhig bleibe, wenn dieser dämliche Volltrottel mich anlabert.

Ich stelle das Wasser aus und trete aus der Dusche. Vor dem Spiegel mustere ich die schon viel zu hell gewordenen Flecke auf Hals und Brust. "Warum bist du nicht bei mir?", frage ich leise und denke dabei an Meilo. "Dann könnte ich viel entspannter über diese Bohnenstange hinwegsehen." Denn das, was mich noch viel mehr aufregt, als all die schlechten Erinnerungen an unsere Trennung, ist folgendes: Kilian und Clemens sitzen jetzt sicher zusammen in Clemens ach so toller Bude und spielen glückliches Pärchen! Darauf bin ich eifersüchtig! Ja, genau darauf, und auf nichts anderes.

"Verdammt nochmal!" Es wurmt mich, und das macht mich am meisten fertig. Wenn ich Clemens sehe, dann weiß ich, dass die beiden etwas haben, das Meilo und ich erst haben werden, wenn das Jahr herum ist. Das ist die ganze Tragödie daran. Die beiden sind ein glücklich vereintes Pärchen, während Meilo und ich zwar auch glücklich sind, aber eben nicht immer vereint. Manchmal für ein Wochenende. Wenn überhaupt. Das zerfrisst mich noch!

Wie gern würde ich mit Meilo abends vor der Glotze hocken, mich an ihn kuscheln, oder sonntags lange ausschlafen und mit ihm faul im Bett herumlümmeln. Das geht alles so gut wie gar nicht. Ein Termin jagt den Nächsten und für uns bleibt kaum Zeit. Wenn ich Meilo nicht so sehr lieben würde, dann wüsste ich nicht, ob ich das lange aushalten könnte.

Meilo und ich gehören eben zusammen! "Und wir sind ein besseres Paar als Kilian und Clemens!" Mein Spiegelbild lächelt mir entgegen. Das sieht doch schon besser aus.
 

***
 

Eine Woche später habe ich mich ganz gut eingearbeitet. Ich weiß inzwischen, was ich zu tun habe, helfe überall aus, wo ich gerade gebraucht werde. Wenn es vorn im Laden mal harkt, springe ich ein, oder ich fege vor dem Laden den Gehweg. Die Arbeit macht mir Spaß und ich kann inzwischen sogar über Clemens hinwegsehen. Wir reden kaum miteinander, eben nur die Dinge, die für das Geschäft wichtig sind. Es ist gut so wie es ist. Von Jean und den anderen Kollegen weiß ich allerdings, dass Clemens ein ziemlich umgänglicher Typ ist. Immer, wenn ich ihn sehe, und er sich mit anderen unterhält, lacht er oder macht Scherze. Er scheint anders zu sein, als ich anfangs dachte. Trotzdem bleibe ich auf Abstand. Man kann es mir auch nicht verübeln, finde ich. Aber wenigstens ist Kilian bis jetzt noch nicht aufgetaucht. Wie lange mir in dieser Hinsicht das Glück noch hold sein wird, weiß ich nicht, doch jeder Tag ohne ihn ist ein Glückstag.

"Niclas? Hilfst du mal draußen bei der Lieferung?" Jean ruft nach mir.

"Ja!" Ich wische meine Hände an der Schürze ab und eile nach draußen zum Hintereingang. Man meint nicht, wie viel Staub sich innerhalb weniger Tage überall ansammelt. KP ist immer dahinter, alles Tip Top sauber zu halten, aber dem Staub wird man einfach nicht Herr.

Hinten angekommen, sehe ich, wie ein großer Laster am Straßenrand steht. Die Warnblinker an, lässt er gerade die Laderampe samt vier Stapel Kisten runter. Clemens steht mit einem Sackkarren daneben und schaut dem Ganzen zu. "Ich soll helfen", wende ich mich an ihn. Er nickt, lächelt mich schmal an und guckt weiter dem massigen LKW-Fahrer zu.

Als die Laderampe unten ist, schiebt Clemens den Sackkarren unter den ersten Stapel Kisten. Ich gehe ihm zu Hand, helfe, die Sackkarre sicher anzukippen, und laufe neben dem Turm voller Kisten, in denen Weinflaschen klimpern, her. Im Lager laden wir alles ab und weiter geht's. Wir verrichten alles schweigend. Sehr angenehm für mich, muss ich sagen. Clemens scheint es kapiert zu haben, dass er mich auf persönlicher Ebene nicht ansprechen soll.

Der letzte Stapel landet auf der Sackkarre. Bevor wir ihn zu den anderen rollen, quittiere ich beim LKW-Fahrer die Lieferung, nachdem ich den Lieferschein gecheckt habe. Alles in Ordnung. "Danke. Gute Fahrt noch", wünsche ich dem Fahrer. Er brummt und nickt mir zu, dann macht er sich wieder daran, die Ladeklappe zu schließen. Dann helfe ich mal Clemens mit dem Rest des Weines. Doch als ich mich umdrehe, ist er nirgends zu sehen.

"Clemens?" Ich laufe durch den Hintereingang hinein, spähe um die Ecke und da sehe ich ihn auch schon. Er zieht alleine den Wein rückwärts hinter sich her, biegt um die Ecke, um den Lagerraum zu betreten, bleibt jedoch mit einem Wagenrad an der Wand hängen und schon passiert das Unvermeidliche. Der Turm gerät ins Wanken. Der obere Teil kippt, und donnert gegen den Türrahmen. "Pass auf!" Ich beeile mich, damit ich vielleicht noch irgendwie das Schlimmste verhindern kann, doch ich komme zu spät. Clemens, dieser Idiot, wollte die restlichen in Schräglage gelangten Kisten richten, aber die Schwerkraft war stärker. Sie gaben ebenfalls nach und fielen geradewegs auf Clemens Arm.

"AHH!" Es scheppert laut und Clemens wird halb unter den schweren Kisten begraben.

Ich komme schlitternd zum Stehen und gehe neben diesem Dummkopf in die Knie. Wein schwimmt auf dem Boden und ich muss aufpassen, dass ich mich in keine Scherbe hocke. "Scheiße, pass doch auf!" Vorsichtig hebe ich die zu Bruch gegangenen Kisten beiseite, damit ich etwas besser an ihn herankommen kann, doch sämtliche Kisten plus Sackkarren versperren mir weiterhin den Weg. "Alles okay?", frage ich ihn über den Haufen hinweg.

"Weiß nicht", krächzt Clemens. Er liegt auf der Seite, versucht sich nun allerdings aufzusetzen. Dabei gibt er einen zischenden Laut von sich. "Mein Arm!"

"Mist! ... Jean! Jean!!!" Hoffentlich hört er mich! "Bin gleich bei dir", verspreche ich und beeile mich, mir einen Weg zu Clemens freizuschaufeln. Gar nicht so leicht. Immer wieder halte ich zerbrochene Flaschen in den Händen. Ich muss echt aufpassen. "Bleib ruhig liegen. Nicht, dass du dich noch schneidest."

"Was denn?" Endlich! Jean hat mich gehört! Er guckt um die Ecke, gibt einen französischen Fluch von sich und rennt mir zu Hilfe. "Wie ist denn das passiert?", fragt er mich und zerrt am Sackkarren.

"Die Karre ist umgekippt und auf Clemens drauf", erkläre ich ihm und hebe die letzte Kiste weg.

Jean ist als erster bei Clemens und hilft ihm dabei, langsam aufzustehen. Clemens verzieht dabei das Gesicht und hält sich den Arm. Man sieht sofort, dass er mehrere Kratzer hat. Beim zweiten Blick offenbart sich jedoch, dass sein Schultergelenk ausgekugelt zu sein scheint. Der rechte Schulter steht ein ganzes Stück weit nach oben heraus. Autsch! "Scheiße. Wir müssen einen Krankenwagen anrufen!"

"Tu das", sagt Jean zu mir. "Ich schaffe ihn nach vorn." Ich nicke und laufe los. Mit dem Handy rufe ich den Rettungswagen, erwähne die Schnittwunden sowie das ausgekugelte Schultergelenk und lege wieder auf. "Schön langsam." Jean kommt mit Clemens im Arm bei mir an. "Setzt dich lieber. Du ist ganz blass." Ich rücke einen Stuhl zurecht, auf dem er sich setzen kann.

"Tut es sehr weh?", frage ich ihn. Er nickt nur und hält sich weiterhin den Arm. "Die kriegen dich wieder hin. Der RTW ist unterwegs." Clemens lächelt schmal.

"Dann gehe ich raus und weise ihn ein", meint Jean. Ehe ich mich versehe ist er hinausgelaufen und ich bin mit dem verletzten Freund meines Ex allein. Super! Aber in Ausnahmesituationen sollte man in der Lage sein, über seinen eigenen Schatten springen zu können, finde ich.

Deshalb hocke ich mich neben Clemens. Weil ich nicht so recht weiß, was ich tun soll, lege ich kurzerhand meine Hand auf seinen Oberschenkel um ihn ein wenig Trost zu spenden. Seine Hose ist vollgesogen mit Wein und auch einige Blutflecken sind darauf. "Wenigstens desinfiziert der Alkohol die Schnitte", scherze ich tölpelhaft. "Tut mir leid. Das war nicht gerade feinfühlig. Ich rede totalen Müll." Besonders, wenn ich nervös bin.

"Hauptsache, du redest überhaupt mit mir", sagt Clemens keuchend. Ich lächle ihn schmal an und senke den Blick. Was soll ich darauf auch erwidern?

"Willst du, dass ich Kilian anrufe?" Eigentlich möchte ich das nicht, aber wie gesagt: Ausnahmesituation.

"Musst du nicht", winkt Clemens ab. "Er arbeitet gerade und macht sich dann nur Sorgen." Ich nicke. "Aber danke für das Angebot." Bitte. Gern geschehen. "Und danke, dass du mir geholfen hast, und mich nicht einfach da hast liegen lassen."

"Du musst ja eine tolle Meinung von mir haben, dass du glaubst, ich würde dich verletzt in einer Pfütze aus Wein liegen lassen!"

"So meinte ich das gar nicht", japst Clemens, zischt dann aber, weil er sich ruckartig bewegt hat.

"Lass gut sein. Du bist mein Kollege. Ist doch logisch, dass ich dir helfe. Wenn mir das passiert wäre, hättest du das ja auch ... Oder?"

"Hätte ich", nickt er. "Auch wenn du mich ganz schön herablassend behandelst." Treffer versenkt.

"Warum wohl?", brumme ich und reiße mich zusammen, meine Hand nicht wieder von seinem Bein zu nehmen.

"Ihr habt euch sehr geliebt, nicht wahr?" Ich schlucke meinen Groll runter. Er fängt wieder damit an!

"Sonst wären wir nicht so lange zusammen gewesen", antworte ich. Ja, anfangs hatten wir uns sehr geliebt. Keine Ahnung, wann dem nicht mehr so war.

"Kilian verliert nie ein Wort über dich, doch ich glaube, ihm ist die Trennung auch nicht leicht gefallen."

Ich lache freudlos auf. "Und wieso hat er mich dann einfach rausgeschmissen, und mir gesagt, dass er mich nicht mehr liebt?" Clemens zuckt mit den Schultern, was er lieber nicht hätte tun sollen. Er schreit unterdrückt auf und beißt sich auf die Unterlippe. "Nicht bewegen", rate ich ihm. "Am besten, wir reden gar nicht mehr miteinander."

Es dauert eine Weile, bis Clemens in der Lage ist, mit zu antworten. "Jetzt nicht, oder nie wieder?"

"Beides", flüstere ich.

"Das finde ich aber schade. Du scheinst ein ganz netter Typ zu sein." Ich schaue zu ihm auf, sage aber nichts. Das ich das Selbe schon über ihn gedacht habe, obwohl dieser Gedanke mir nicht schmeckt, verschweige ich besser. Und ich muss dazu zum Glück auch nichts mehr sagen, da Jean hineingestürmt kommt, im Schlepptau zwei Rettungssanitäter. Sie nehmen Clemens mit und es kehrt wieder Ruhe im Weinkeller ein.
 

Jean und ich räumen zusammen die Sauerei im und vor dem Lagerraum auf. Fast keine der Flaschen ist heile geblieben. Nur die in der unteren Kiste sind noch unversehrt. Als KP von der ganzen Aktion Wind bekommt, ist er ganz bestürzt. Kurz bevor ich Feierabend habe, rast er in den Laden und zieht mich beiseite. "Wie ist denn das alles passiert?", fragt er mich.

"Wir sind mit einem Rad der Sackkarre versehentlich an der Wand entlanggeschrabbt und dann haben wir das Gleichgewicht verloren", lüge ich. Ich verschweige ihm, dass Clemens den Wein alleine in den Lagerraum bringen wollte. Wir sollen immer zu zweit sein, wenn wir die Wahre annehmen. Damit eben genau dieses Szenario nicht passiert.

Wieso ich Clemens eigentlich schütze, weiß ich selbst nicht. Vielleicht, weil er mir doch ein bisschen leid getan hat, so jämmerlich, wie er in der Weinpfütze gelegen hat. "Ist Clemens noch im Krankenhaus?", möchte KP wissen. Aber ich weiß das natürlich auch nicht. Mein Chef schaut auf die Uhr. "Wollen wir ihn besuchen? Wir haben sowieso gleich Feierabend."

"Jetzt?" KP nickt. "Ich kann leider nicht", rede ich mich raus. "Meilo und ich haben unseren allabendlichen Telefontermin."

"Ah so. Na dann fahr du heim. Jean? Kommst du mit?"

"Klar!"

Wir machen noch schnell Klarschiff, dann verabschieden wir uns voneinander.

Als ich jedoch in meinem Auto sitze, komme ich mir saudämlich vor. Hätte ich doch mitkommen sollen? Und was ist, wenn KP Clemens ebenfalls nach dem Unfallhergang ausfragt? Ich zücke mein Handy und suche mir die Nummer des städtischen Klinikums heraus. "Ich habe eine Frage", sage ich zu der Frau, die meinen Anruf entgegen nimmt. "Vorhin ist ein junger Mann mit Schnittverletzungen und einer ausgekugelter Schulter eingeliefert worden. Ich wollte nur wissen, ob er noch bei Ihnen im Krankenhaus ist."

/Sind sie ein Verwandter?/ Ich schließe genervt die Augen. Wenn ich nein sage, dann gibt sie mir keine Auskunft. Pech nur, dass ich Clemens Nachnamen gar nicht kenne.

"Nein, ein Arbeitskollege." Mir bleibt nichts anderes übrig, als ihr die Wahrheit zu sagen.

/Dann darf ich Ihnen keine Auskunft geben./

"Ich wollte doch nur wissen, ob er noch da ist, weil ich ihn jetzt besuchen möchte. Das kann ich mir aber sparen, wenn er wieder zuhause ist."

/Wie ist denn der Name?/

"Clemens. Den Nachnamen kenne ich nicht." Die Frau gibt einen genervten Ton von sich. Leise Tippgeräusche sind zu hören. "Er wurde vor etwa zwei Stunden vom Krankenwagen abgeholt", helfe ich ihr auf die Sprünge.

/Clemens Kohlberger. Eingeliefert mit leichten Schnittverletzungen und einem ausgekugelten Schultergelenk/, liest sie mir vor.

"Das ist er!"

/Er wurde vor einigen Minuten abgeholt./ Yes! Dann kann ihn KP nicht ausfragen. Es sei denn, er fährt zu ihm nach Hause. Shit!

"Danke für ihre Hilfe." Ich lege auf. Falls KP und Jean ihn zu hause besuchen, dann kann ich es auch nicht ändern. Dann ist es eben so. Außerdem wird Clemens durch die ihm sicher verabreichten Schmerzmittel ziemlich ausgeknockt sein. Und falls er eben die Wahrheit über den Unfallhergang sagt, kann ich ihm auch nicht helfen. Er ist alleine losgezogen, und nicht ich.
 

Ich starte den Wagen und fahre nach Hause. Dort mache ich mir ein schnelles Abendessen, dusche, und haue mich danach vor mein Programm. Es leidet arg an Vernachlässigung, seit ich wieder arbeite. Doch es hilft mir, mich abends zu entspannen. So auch heute. Ich höre erst auf, als mein Handy klingelt. Sicher Meilo! Ich lasse alles stehen und liegen, und krame nach meinem klingelnden Telefon. Als ich es habe, gehe ich schnellstens dran, und schaue nicht mal nach, wer da anruft. "Bin dran!", keuche ich.

/Niclas?/, haucht eine leise Stimme in mein Ohr. Definitiv kein Meilo.

"Ja, der bin ich. Wer ist da?"

/Clemens./ Was?

"Wie kommst du an meine Nummer?"

/Habe sie aus Kilians Handy gemopst./ Kilian hat immer noch meine Handynummer abgespeichert? Das überrascht mich wirklich. /Tut mir leid, dass ich dich einfach anrufe, aber ich wollte mich nochmal bei dir bedanken./

"Kein Ding", sage ich mit einem unbehaglichen Stechen im Bauch. "Das hatten wir doch schon geklärt." Da fällt mir ein: "Hast du schon mit Klaus-Peter gesprochen?"

/Nein. Wieso?/ Ich erkläre ihm, was ich unserem Chef erzählt habe. /Du hast gelogen?/, fragt Clemens mich verwundert.

"Nicht direkt. Wir haben doch zusammen den Wein ins Lager gefahren. Es gab keinen Grund zu lügen."

/Wieso tust du das für mich?/ Keine Ahnung.

"Kollegen halten zusammen", reime ich mir zurecht. "Klaus-Peter kann den Schaden sicher irgendwie richten. Also sag nichts, sonst bekomme ich auch noch Ärger."

/Werde ich nicht/, verspricht er mir.

"War es das, oder wolltest du noch mehr mit mir besprechen?"

/Das war's eigentlich .../ Clemens seufzt. Ich spitze die Ohren und warte, bis er weiter redet. /Kilian weiß nicht, dass ich anrufe./

"Dachte ich mir."

/Und er ... Er weiß auch nicht, dass wir zusammen arbeiten./ Das ist jetzt aber was neues! /Er würde das bestimmt nicht gutheißen./

"Das musst du mit ihm ausmachen. Ist nicht mein Problem." Das nicht, aber dass Meilo auch noch nichts von Clemens weiß, allerdings schon. Ich wollte ihn nicht aufregen. Er hat sowieso so viel Stress im Moment.

/Na ja ... Kilian ist ziemlich eifersüchtig./ Hä? Das ist mir aber neu! /War er bei dir auch so?/Stopp mal! Will Clemens gerade mit mir über Beziehungsprobleme sprechen?! Mit mir, Kilians Ex?! /Niclas? Bist du noch da?/

"Ja! Ja, bin ich." Ich muss mich setzen!

/Und? War er bei dir auch ständig eifersüchtig?/, wiederholt er seine Frage.

"Nein", antworte ich wahrheitsgemäß. "In der Sache war er mehr als entspannt." Ich auch, nur mal so nebenbei angemerkt.

Clemens zieht die Nase hoch. Heult er etwa? /Er vertraut mir nicht/, wispert er.

Ich stecke in der Zwickmühle. Was soll ich tun? Clemens und Kilians Beziehung geht mich einen Scheißdreck an. Ich will mir das nicht anhören, aber ich habe unweigerlich Clemens jämmerlichen Anblick im Sinn, wie er mit Armschlinge in einer Ecke sitzt und heimlich mit mir telefoniert. Er hört sich echt beschissen an! "Wie kommst du darauf?", entfleucht mir auch schon die Frage, die alles ins Rollen bringt. Ich fasse es nicht, aber ich höre mir gleich tatsächlich die Beziehungsprobleme des Mannes an, der mit meinem Ex zusammen ist!

/Ich kann es nicht beweisen, aber Kilian spioniert mir nach. Er kontrolliert mich./

"Vielleicht kommt dir das nur so vor", überlege ich laut.

/Nein! Einmal habe ich eine Telefonnummer von einem alten Schulkollegen gesucht, aber sie war nicht mehr in meinen Kontakten gespeichert, obwohl ich ganz genau wusste, dass ich sie dort eingespeichert habe. Da wurde ich stutzig, und als ich genauer nachschaute, waren noch mehr Nummern verschwunden./

"Und du glaubst, Kilian hat sie gelöscht?"

/Ja/, fiepst er erstickt.

"Hast du ihn darauf angesprochen?" Ich hätte Kilian die Hölle heiß gemacht!

/Ich habe mich nicht getraut. Meinst du, ich sollte ihn mal darauf ansprechen?/

Ich seufze und reibe mir über das Gesicht. Auf was habe ich mich da jetzt wieder eingelassen? "Ich weiß es nicht", sage ich zu ihm. "Und ich bin auch nicht in der Position, dir Ratschläge zu geben."

/Wieso denn nicht? Du warst doch so lange mit ihm zusammen. Hast du da nie etwas bemerkt? Hat er niemals dein Handy kontrolliert, oder Kontrollanrufe gemacht, wenn du unterwegs warst?/ Äh … Kontrollanufe?

"Nein, das hat er nicht." Das Unwohlsein in meinem Bauch nimmt zu. Was ist denn mit Kilian los?! Mir fällt die Begegnung in dem Kaufhaus wieder ein. Wie Clemens Meilo angeflirtet hat. "Hast du ihm jemals einen Grund dafür gegeben, misstrauisch zu sein?"

/Nein!/

"Sicher?"

Clemens druckst herum, setzt immer wieder zu einer Antwort an, aber es kommt nichts. Dann seufzt er laut und spricht endlich weiter. /Kilian und ich kennen uns schon sehr lange./ Wie bitte?! /Aber bitte glaube mir! Wir haben erst miteinander etwas angefangen, als ihr schon getrennt wart!/

"Das soll ich dir glauben?"

/Ich schwöre es dir!/, japst Clemens. /Wir waren lange Zeit über bloß weitläufige Bekannte. Mehr nicht. Als er sich von dir getrennt hatte, trafen wir uns zufällig in einer Bar. Wir redeten miteinander und eins führte plötzlich zum anderen. Es war nicht geplant gewesen. Das musst du mir glauben!/ So dämlich es sich vielleicht anhört, aber das tue ich wirklich. Was hätte er auch für einen Grund mich anzulügen? Kilian und ich sind endgültig auseinander und ich habe Meilo. Und ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass es einfach für Clemens ist, sich mir anzuvertrauen. Wäre ich in seiner Situation, was müsste schon alles passiert sein, damit ich mich an den Ex meines Freundes wende? /Erst ist es nur eine Bettgeschichte zwischen uns gewesen, aber dann kamen wir uns näher und es ging alles so schnell. Wir verliebten uns ineinander./ So ähnlich wie bei Kilian und mir damals. Nur, dass es ganz und gar nicht schnell ging. Misstraut er ihm deswegen? Eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen.

"Aber wieso kontrolliert Kilian dich dann?", harke ich nach. "Hast du ihn betrogen, oder ...?"

/Das habe ich nicht!/, wehrt Clemens sich. Ich raff es immer noch nicht. /Wahrscheinlich liegt das an meiner Vergangenheit/, krächzt er, schon wieder den Tränen nahe. /Ich war ein ziemlich durchtriebenes Flittchen./ Mir stockt der Atem. Das nenne ich mal ehrlich! /Eine Zeit lang war ich echt extrem drauf. Und das weiß Kilian. Er hat das damals mitbekommen./

"Und jetzt bist du das nicht mehr?", schließe ich aus seinen Worten.

/Damit ist Schluss. Schon seit einigen Monaten. Ich wollte das nicht mehr. Überall galt ich leicht herumzubekommende Schlampe. Es machte mir nicht aus, bis mir so ein Typ an die Wäsche wollte und mir sogar Geld dafür bot. Ich war so in Panik, dass ich mich in meiner Wohnung verkroch und sehr lange nachdachte. Ich wollte mein Leben wieder in die Reihe bekommen, denn nicht nur, dass mich alle als bloßes Fickstück ansahen, ich hatte nur noch wenige Freunde und einen Job hatte ich auch nie lange. Die Arbeit in Klaus-Peters Weinkeller ist mir sehr wichtig. Und auch Kilian findet es gut, dass ich dort aushelfe./

"Verstehe." Langsam fügt sich alles zu einem Bild.

/Deswegen ist er auch so schnell bei mir eingezogen. Ich habe früher viel Scheiße gebaut, und über alles will ich noch nicht reden, aber mir geht es dank Kilian schon viel besser./ Das muss ich erst mal sacken lassen. Plötzlich komme ich mir dumm vor. Dumm und kleinlich. Es gab also noch einen weiteren Grund, für Kilians Umzug. /Ich dachte, alles sei wieder gut. Ich liebe Kilian über alles, aber je glücklicher ich werde, desto mehr scheint Kilian mir zu misstrauen. Ich habe keine Ahnung, wie ich ihm begreiflich machen soll, dass ich nicht mehr so bin./ Clemens schluchzt herzzerreißend. Im Mitleid erhaschen ist er ein wahrer Meister, das muss man ihm lassen.

"Rede offen mit ihm darüber", schlage ich vor, obwohl sich alles in mir dagegen sträubt, mich in ihre Beziehung einzumischen. "Sag ihm, dass du nur ihn liebst. Zeige es ihm."

/Das mache ich doch. Jeden Morgen, jeden Mittag, jeden Abend und jede freie Minute, in der wir uns sehen. Ich schreibe ihm kleine Nachrichten, die ich ihm in die Arbeitsmappe lege und .../

"Nachrichten?!" Mir schwant böses!

/Ja. Kleine Zettel, auf denen ich ihm einen schönen Tag wünsche, und dass ich ihn liebe./

"Lass dass lieber!", rate ich ihm.

/Warum?/

"Das habe ich früher immer gemacht."
 

***
 

Während ich die Regale im Laden abstaube, schiele ich immer wieder zur Ladentür. Clemens will heute wiederkommen. Seine Schulter muss er noch schonen, aber leichte Arbeiten wird er wieder schaffen. Woher ich das weiß? Ratet mal, wer in den vergangenen Tagen sehr viel mit ihm telefoniert hat. Ja, genau. Der doofe Idiot, der hier Regale abstaubt. Ich bin zum inoffiziellen Seelsorgetelefon geworden.

Viel weiterhelfen konnte ich ihm nicht, aber wenigstens konnte ich ihm zuhören. Und wir haben eins festgestellt: Kilians Kontrollaktionen haben beinahe zeitgleich angefangen, als Clemens ihm, genau wie ich damals, kleine Nachrichten in die Arbeitsmappe gelegt hat. Dass das kein Zufall ist, darauf würde ich meinen Hintern verwetten! Ich gehe sogar so weit, dass ich behaupte, Kilian hat einfach nur Angst, Clemens wieder zu verlieren, so, wie er mich glaubt 'verloren' zu haben. An unserer Trennung war angeblich mein Programm schuld, dem ich mehr Zuwendung geschenkt hatte, als ihm. Ein Umstand, den er mit wenigen Worten aus der Welt hätte schaffen können, aber lassen wir dieses alte Lied. Jetzt glaubt er womöglich, Clemens würde seiner alten Liebe, dem Herumvögeln, verfallen. Das dem nicht so ist, gilt ihm zu beweisen.

Die Ladenglocke geht. Mein Kopf fliegt herum und ... Nur ein Kunde. Uff! "Guten Tag."

"Tag."

Erleichtert staube ich weiter ab. Ich bin nervös. Nicht wegen Clemens. Noch ein Ratespiel. Wer wird Clemens wohl hier her fahren? Richtig! Kilian! Und das ganz bewusst. Da Clemens sich nicht traut, ihm zu sagen, dass ich ebenfalls im Weinkeller arbeite, überrumpeln wir ihn einfach. Nur damit ihr es wisst, ich war dagegen, aber Clemens hat einen dicken Sturkopf. Also spiele ich mit, funkle ihn böse an und tue so, als ob ich beide nicht leiden kann. Obwohl ich Kilian wirklich nicht mehr richtig leiden kann, sehe ich ihn inzwischen in einem ganz anderen Licht. Clemens ebenfalls, doch das dürfte längst klar sein.

Wieder läutet die Glocke über der Ladentür. Der Kunde, der eben noch im Laden war, verschwindet mit einer Weinflasche im Arm den Weinkeller, und lässt gleich die nächsten eintreten. Ich muss gar nicht hinschauen, um zu wissen, dass es nun losgeht. Ich erkenne Kilians Stimme unter hunderten wieder! "Pass mit deiner Schulter auf ja? Und wenn es nicht mehr geht, ruf mich an, dann hole ich dich."

"Ja, ich weiß doch. Mach dir keine Sorgen." Die zwei haben mich noch nicht entdeckt und ich kann nicht umhin, sie zu beobachten. Kilian wirklich richtig besorgt um Clemens. Es berührt mich, lässt aber auch gleichzeitig mein Herz kurz zusammenziehen. So war er bei mir nie. Wieder ein Beweis, dass wir beide doch eigentlich gar nicht zusammengehörten. Nicht so wie die beiden, oder wie Meilo und ich. Irgendwie beruhigt mich das auf einmal, denn mein Bruch mit Kilian war im Nachhinein gesehen vorhersehbar gewesen. Lange hätten wir nicht mehr so weiter machen können. Wir scheinen uns tatsächlich langsam entliebt zu haben, und haben es nicht bemerkt. Oder vielmehr, ich hatte es nicht bemerkt. Kilian offensichtlich schon.

"Willst du wirklich schon arbeiten? Du siehst ganz blass aus." Kilian streichelt über Clemens Wange.

"Will ich", antwortet er und lächelt nervös. "Bis nachher. Ich rufe dich an."

"Ist gut." Kilian umarmt seinen Clemens vorsichtig und gibt ihm einen Kuss. Ich schaue weg. So viel Pärchenaktion der beiden ist mir dann doch zu viel. "Überanstrenge dich nicht!"

"Werde ich nicht", beteuert Clemens.

Kilian, der wieder im Begriff ist zu gehen, dreht sich just in diesem Moment in meine Richtung. Unsere Blicke treffen sich. Erstaunen, Unglaube, Wut. In dieser Reihenfolge wird er meiner Anwesenheit gewahr. "Hallo Kilian", begrüße ich ihn. "Wie geht's?"

Er schluckt hart, glotzt mich immer noch an wie einen Außerirdischen, bevor er wieder Clemens anschaut. "Arbeitet der hier?", fragt er seinen Freund. Der? Wie nett!

"Ja, das tue ich. Du kannst auch gern mit mir reden." Ich verschränke die Arme vor der Brust und drehe mich zu ihm. "Seit kurzem tue ich das. Was dagegen?"

"Wusstest du das?", richtet er sich erneut an Clemens.

"Na ja ... schon ..." Clemens senkt den Blick. Innerlich würde ich ihm gerne eine Ohrfeige verpassen. Habe ich es nicht gesagt? Das war eine dumme Idee! Eine ganz dumme!

"Und wann wolltest du mir das sagen?"

"Ich wollte schon, aber ..." Ich nehme mich stark zurück, dass ich das elendige Häufchen Clemens nicht noch in Schutz nehme. Das würde eine völlige Katastrophale herbeiführen. Aber ich kann was anderes machen.

"Ich hab ihm gesagt, dass ich nicht will, dass du davon Wind bekommst. Oder glaubst du, ich will jeden Tag dein Gesicht sehen, wenn ich hier arbeite?"

Endlich gerate ich wieder in Kilians Schussfeld. Gut so. Lass den Ärger an mir aus. Bin es ja gewohnt. "Wer glaubst du, bist du, dass du glaubst, meinem Freund Vorschriften zu machen?", keift er mich an.

"Was machst du denn für einen Aufstand? Vertraust du etwa deinem Schatzi nicht?" Der hat gesessen. Weil es wahr ist. Ich kann Clemens entsetzen Blick geradezu spüren, aber wenn, dann fangen wir das gleich richtig an. Hier und jetzt. "Nein!", lache ich auf. "Ich hab recht oder? Ärger im Paradies? Wenn ich das meinem Freund erzähle! Wir hatten schon Wetten abgeschlossen."

Wie gut, dass ich Kilian besser kenne, als mir lieb ist. Clemens ist schon stur, aber Kilian ist der König der Sturheit. Er beißt seine Kiefer fest aufeinander. Funken sprühen aus seinen Augen. Das erinnert mich an unseren ersten, großen Streit. Mann, ist Kilian dabei abgegangen! Und was für einen Sex wir danach hatten! Nicht so gut, wie der von Meilo und mir, aber er war nicht schlecht gewesen. Ich hoffe, Clemens dankt mir morgen dafür. "Bei uns ist alles bestens", zischt Kilian. "Ich vertraue Clemens."

"Tust du das?"

"Ja! Und hör auf dich in meine Beziehung einzumischen!" Ich bekomme noch einen vernichtenden Blick zugeschleudert, ehe Kilian sich an Clemens wendet, ihn stürmisch Küsst und abdampft.

"Oh Mann!", keuche ich, als er aus dem Laden verschwunden ist. "Ich habe ganz vergessen, wie aufbrausend er sein kann." Meilo ist das genaue Gegenteil. Eine wahre Wohltat!

"Das war nicht gut", fiepst Clemens. "Kilian ist stinksauer!"

"Der kriegt sich auch wieder ein", beruhige ich ihn.

"Warum hast du ihn gefragt, ob er eifersüchtig ist!" Sein Kopf ruckt zu mir.

Langsam laufe ich auf Clemens zu und bleibe vor ihm stehen. "Damit ihr euch heute Abend darüber unterhaltet", erkläre ich ihm. Kilian wird das Thema wieder aufgreifen. Ganz sicher.

"Das geht nicht! Was, wenn er wieder so in Rage gerät?"

"Clemens, das wird er nicht. Er ist jetzt sauer auf mich. Dich wird er weiterhin bemuttern." Seine Stirn runzelt sich. Ich fange an zu grinsen. "So besorgt, wie er um dich ist, habe ich ihn noch nie erlebt."

"Nicht?"

"Nein." Ich schüttle den Kopf. "Mir wurde wieder richtig bewusst, dass wir uns niemals wirklich nahe waren, auch wenn wir das vielleicht eine lange Zeit über geglaubt haben. Aber ihr seit es. Das hat man gesehen, und seitdem ich das Selbe mit Meilo erleben darf, kann ich es auch erkennen." Clemens zieht die Nase hoch und wischt sich über die Augen. Ich klopfe ihm auf die unversehrte Schulter und ziehe ihn kurz an mich. "Das wird schon. Der Holzkopf kommt noch dahinter, dass er nicht eifersüchtig zu sein braucht." Clemens nickt schwach. "Komm! Suchen wir dir mal eine Arbeit, die nicht zu schwer für dein Schultergelenk ist."
 

******

Love bite 21 - Beziehungen mit Pappaufsteller

Love bite 21 - Beziehungen mit Pappaufsteller
 

"Hallo! Schönen guten Morgen!"

"Morgen Clem. ... Hey Kilian." Ich grinse breit. Uh! Er hasst mich echt! Wenn Blicke töten könnten, würde jetzt an allen Weinregalen Niclas-Matsch kleben.

"Klappe", knurrt Kilian schließlich und legt seinen Arm um Clemens, oder wie ich ihn inzwischen nenne, Clem. Das behagt Kilian noch weniger. "Ich hole dich zum Mittag ab. Ja Schatz?", säuselt Kilian Clem zu. Gerade so laut, dass ich es auch ja gut hören kann.

"Wirklich? Musst du nicht an diesem Fall arbeiten?"

"Die Mittagspause muss trotzdem sein. Keine Widerrede." Soll ich raten, weswegen die sein muss? "Bis nachher."

"Okay." Jetzt ist wieder weggucken angesagt. Die beiden knutschen sich ab, das ist schon nicht mehr feierlich.

"Na? Wie war's letzte Nacht?", frage ich Clem grinsend, nachdem Kilian endlich aus dem Laden verschwunden ist.

"Unfassbar!", keucht er, wobei seine Augen wie eine 300 Watt Glühbirne leuchten.

"Hab's doch gesagt. Das funktioniert." Ich muss wirklich bescheuert gewesen sein, Clem von Kilians geheimer Obsession zu erzählen, aber da das Ergebniss anscheinend so gut ausgefallen ist, bin ich jetzt doch ganz zufrieden mit meiner Entscheidung. Warum den beiden nicht helfen? Oder besser gesagt, wieso nicht Clem helfen. Kilian kann mich dagegen immer noch kreuzweise.

"Und bei dir? Hat Meilo schon was verlauten lassen, wann ihr euch wieder treffen könnt?" Mittlerweile weiß Clem auch so einiges über Meilo und mich. Nicht viel, nur, dass wir uns durch seine Arbeit nicht oft sehen können. Was das für eine Arbeit ist, habe ich natürlich verschwiegen.

"Nein. Er ist auch nicht in der Nähe, sodass ich ihn kurzfristig besuchen könnte."

"Shit. Muss echt hart sein."

"Härter als hart", seufze ich. "Vier Wochen. Es ist zum Wahnsinnig werden!" So lange waren wir noch nie an einem Stück voneinander getrennt.

"Mach doch eine Woche frei und fahr zu ihm."

"Damit ich den ganzen Tag über alleine im Hotelzimmer hocken kann?"

"Besser als nichts. Und euch bleiben ja noch die Nächte." Irgendwie wahr ... Wenn da nur nicht Meilos Manager wäre. Er schleppt ihn von einem Termin zum Nächsten. Sie scheinen ständig neue zu machen, und manchmal ist er sogar da, wenn ich Meilo abends anrufe. Ich bekomme noch die Krise!

"Er tut mir so leid", murmle ich gegen meine Handfläche. "Meilo erstickt noch an Arbeit."

"Dann soll er vorzeitig kündigen."

"Kann er nicht. Das Jahr ist noch vertraglich festgeschrieben. Und bis dahin nutzen sie ihn noch schön aus." Drecksschweine!

"Was ist das bloß für eine Firma, in der er arbeitet? Haben die keine Gewerkschaft? Oder einen Betriebsrat?" Ich fange an zu schmunzeln. "Was?", fragt Clem und sieht mich stirnrunzelnd an.

"Glaube nicht, dass die so etwas haben", entgegne ich. Gibt es eine Gewerkschaft für Sänger? Bestimmt, aber einen Betriebsrat?

"Dann frag ihn mal. Vielleicht kann er sich an die wenden."

"Ich werde es ihm mal vorschlagen." Werde ich womöglich wirklich. Ich lache gern zusammen mit Meilo. Dabei pustet er so lustig in den Hörer ... "Ohhh! Ich vermisse ihn!"

Clem tätschelt mir den Rücken. "Lass uns mal an die Arbeit gehen, bevor KP noch herausfindet, dass wir nichts tun."

"Okay." Dank mir nennen Klaus-Peter alle nur noch KP. Natürlich nur, wenn er nicht anwesend ist. Er mag die Abkürzung nicht.

Zu zweit machen wir uns an die Bestandslisten, die KP vor dem Mittagessen noch auf dem Tisch haben möchte. Bis heute Abend muss er die nächste Weinlieferung bestellen, sonst stehen wir noch auf dem Trockenen. Weintechnisch gesehen.

Clem übernimmt die Weißweine, ich die Roten. So geht es schneller. "Der, der als erster fertig ist, darf die Schaumweine zählen", frotzelt Clem.

"Gut, dass du das sagst. Dann mache ich extra langsam."

"Ey!" Ich fange an zu lachen und beginne die Kisten zu zählen und deren Inhalt zu notieren.

Mit Clem verstehe ich mich mittlerweile wirklich gut. Er ist witzig und hat manchmal einen hübschen, giftigen Kommentar auf den Lippen, für den ich ihm immer wieder meine Bewunderung ausspreche. Clem ist in der kurzen Zeit, in der wir uns 'näher' gekommen sind, tatsächlich zu einer Art Freund geworden. "Dann klappt es endlich besser zwischen euch?", frage ich ihn, weil das Zählen der Kartons einfach zu langweilig ist.

"Ja. Dank dir. Ohne dich hätte ich niemals den Mut gehabt, ihn wegen seiner Kontrollattacken anzusprechen."

"Hat er schon was dazu gesagt, weshalb er das getan hat?"

"Nicht so wirklich. Er meinte nur, er hätte Angst, dass er mir nicht genügen würde, nachdem ich so viele andere Kerle hatte." Clem lacht spitz auf. "Ist das zu fassen?"

"Ist es", antworte ich. "Schon logisch, dass er sich darüber Gedanken macht, oder findest du nicht?"

"Doch schon, aber er hat doch erlebt, wie fertig ich damals war. Ich will das nicht mehr. Ich bin glücklich mit Kilian, und genieße es richtig, jeden Morgen neben ihm aufzuwachen und zu wissen, wir gehören zusammen. Das verstehst du doch auch, oder?"

"Frag mich das nächstes Jahr nochmal", sage ich mit leiser Stimme.

"Oh. Es tut mir leid! Ich wollte nicht ..."

"Schon gut. Aber im Prinzip verstehe ich es. Es gibt nichts schöneres, als morgens an der Seite seines Lieblings aufzuwachen." Und wenn er nicht da ist, ist es furchtbar.

Clem, der hinter mir steht, seufzt. Etwas klappert. Schritte nähern sich, dann schieben sich zwei Arme von hinten um meinen Bauch. "Ich wünschte, ich könnte dir auch helfen", flüstert er mir zu. Sein spitzes Kinn drückt sich dabei in meine rechte Schultern.

"Kauf Meilos Firma auf und gebe ihm bis zu Vertragsende frei."

"Hätte ich das Geld, würde ich das machen!" Wir lachen gemeinsam. "Echt jetzt!"

"Ich glaub dir ja."

"Gut. Ich bin nämlich keiner, der leer daherredet." Das kann ich noch nicht beurteilen. "Lass dich nicht unterkriegen." Ich bekomme einen Bauchklappser, ehe Clem mich wieder loslässt und wir weiter unserer Arbeit nachgehen.

"Sicher nicht", antworte ich und versuche dabei optimistisch zu klingen. Das es in meinem Inneren gar nicht optimistisch aussieht, muss er nicht wissen.

Ich habs schon erwähnt, und es stimmt: Seit meinem letzten Besuch bei Meilo ist schon ein ganzer Monat vergangen! Die Tage werden kürzer, und die Nächte kälter. Der Oktober hat begonnen, und die Blätter verfärben sich immer mehr.

Früher mochte ich den Herbst nicht, aber dieses Jahr kann ich ihn gar nicht erwarten. Denn wenn er rum ist, ist bald Winter und das bedeutet, es dauert nicht mehr lange, und das Jahr ist vorbei. Noch 3 Monate! Eine erschreckende Zeitspanne. Ende Juli trafen Meilo und ich uns das erste Mal. Das sind jetzt gut zehn Wochen her. Also grob zweieinhalb Monate. Nochmal so lange, und endlich hat das Warten ein Ende. Das kommt mir noch so lange vor!
 

Plötzlich halte ich es nicht mehr aus. Ich lege die Liste beiseite, ziehe mein Handy aus der Hosentasche und wähle Meilos Nummer. "Wir sollten es lieber so machen, dass der, der als letztes fertig ist, die Schaumweine durchgeht. Du schummelst!" Clem stemmt die Arme in die Hüfte.

"Ist gut", antworte ich leicht abwesend, weil ich auf das Tuten an meinem Ohr achte. "Ich will nur schnell Meilos Stimme hören."

"Oh. ... Okay. Lass dich nicht hetzen." Clem zwinkert mir zu und kümmert sich weiter um den Wein.

/Ja?/ Endlich meldet sich mein Schatz! Aber seine Stimme hört sich verzehrt und kratzig an.

"Meilo? Ich bins."

/Nic! Hey!/ Ich verstehe ihn kaum.

"Sitzt du im Auto?"

/Was?/

"Ob du im Auto sitzt? Ich höre dich so schlecht!" Er mich anscheinend auch.

/Ja! Ich bin unterwegs! Kann ich dich nachher zurückrufen?/

"Klar! Fahr vorsichtig!" Er lacht vergnügt, sagt mir, dass er aufpassen wird, und legt auf. "Mist!"

"Heute ist nicht dein Tag, hm?"

"Wenn es nur so wäre. Der ganze Monat war beschissen!" Clem sieht mich mitleidig an. Ich schnappe mir wieder meine Liste. Arbeit lenkt bekanntlich ab. Nur lenkt sie mich mit jedem Tag weniger ab. Ich kann nur noch an Meilo denken. Als wäre ich auf Entzug! Auf Meilo-Entzug. Und ich sehne mich so sehr nach dem nächsten Schuss, dass ich am liebsten eine der Weinflaschen nehmen, und sie gegen die nächste Wand schmeißen würde! Aber ich tue es natürlich nicht.

Es ist aber auch schwer, wenn man ständig versucht sich zu sehen, aber immer wieder was dazwischen kommt. Langsam glaube ich echt, unsere Beziehung ist verflucht.

Vor drei Wochen zum Beispiel. Meilo war für einen Tag in Köln. Keine Termine. Ein Tag zum Ausspannen. Ich also "Soll ich vorbeikommen?"

"Gerne!" Meilo war nicht weniger begeistert als ich von meinem Vorschlag. Ich leitete alles in die Wege, sprich, ich sagte KP Bescheid, dass ich an diesem Tag nicht kommen kann, packte schon meine Tasche und checkte sogar mein Autochen, damit es auch ja fahrtüchtig sein würde. Aber dann, einen Tag vor meiner Abfahrt, rief mich Meilo an, dass es nicht klappt mit meinem Besuch. "Gerd hat noch ein paar Signierstunden organisiert", erklärte er mir.

Ich meinte, es sei nicht schlimm, dass wir das eben auf einen anderen Tag verschieben. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch guter Dinge. Doch jeder Termin, den wir ins Auge fassten, platzte kurz davor. Selbst einfach im Hotelzimmer zu warten, so wie es Clem mir vorgeschlagen hat, war bis jetzt unmöglich, da Meilo nie länger als zwei Nächte an einem Ort bleibt. Er hetzt von einer Stadt in die Nächste. Und wenn er dann mal ausruhen kann, liegt er völlig zerschlagen im Hotelbett und schläft manchmal sogar während unserer raren Telefonate ein. Ich bekomme immer mehr Zorn gegen diese dämliche Plattenfirma und diesen Sklaventreiber von einem Manager. Am liebsten würde ich mir Meilo schnappen und entführen. ... Gar keine schlechte Idee ...
 

***
 

Das mit der Entführung war freilich nur ein Scherz. Ein ziemlich verlockender Scherz, aber eben bloß ein Scherz. Außerdem: Ich habe gar keine Zeit, um eine Entführung zu planen. Ich habe auch so meine Termine, die ich einhalten muss, um endlich voran zu kommen. Jetzt zum Beispiel ist so ein Termin.

"Nic?

Viel Glück!"

"Danke Clem. Und Danke, dass du mich für den Rest meine Schicht vertrittst."

"Kein Ding. Schnapp dir das Zimmer!"

"Ich versuche es", lache ich und trete aus den Laden. Ab zur Wohnungsbesichtigung!

Ja, ihr habt richtig gelesen. Heute steht eine kleine Wohnungsbesichtigung an. Eine dreier WG sucht einen Mieter, der bis Ende Januar zur Untermiete eins der Zimmer belegt. Einer ihrer WG-Bewohner verreist für ein paar Monate. Und bis er wieder da ist, brauchen sie jemanden, der über diesen Zeitraum hinweg mit der Miete helfen kann. Das wäre einfach perfekt! Bis Ende Januar eine Bude, weg von meinen Eltern und vor allem, weg von Nicole, und Meilo und ich haben dann noch etwas Zeit, um zu überlegen, wie wir das in Zukunft regeln wollen. Also drückt mir die Daumen. Hoffentlich klappt das mit dem WG-Zimmer!

Da die Adresse nicht weit vom Viertel entfernt ist, nehme ich die U-Bahn, steige nur zwei Stationen später wieder aus und suche das Gebäude. Dank der Beschreibung, die mir eine nett klingende Frau gegeben hat, finde ich es ziemlich schnell. Ich drücke auf die Klingel neben dem Namensschild und warte. Der Türsummer geht und ich trete ein.

Im Flur hört man leise Stimmen und manchmal ein Lachen. Ich bin nicht der Einzige, der sich heute das Zimmer anschaut. Ich muss einen guten Eindruck machen. "Hallo! Bist du auch für die Besichtigung hier?" Eine junge Frau strahlt mich an.

"Ja. Ich bin Niclas."

"Ah ja! Wir hatten telefoniert."

"Du warst das?"

"Ja." Ich lächle breit. "Komm erst mal rein und schau dich um. Wenn du Fragen hast, komm einfach zu mir. Ich bin übrigens Ina."

"Freut mich Ina." Dann werde ich mich mal umschauen.

Die WG ist nicht allzu groß. Ein kleines Wohnzimmer, eine Küche, die gerade mal halb so groß ist, wie die bei uns zuhause und das Bad ist auch knapp bemessen. Nicht tragisch, aber es könnte auch besser sein. Doch für den Übergang wird es gehen. Insgesamt ist die Wohnung recht hell und sieht ansonsten ganz nach WG aus. Nicht, dass sie dreckig wäre, aber man merkt, dass hier viele Leute leben.

Neben Wohnzimmer, Bad und Küche, gibt es vier Schlafzimmer, was mich an der minimalen Größe der anderen Räume beeindruckt. Eins ist wohl doppelt belegt, was heißt, falls ich hier einziehe, teile ich mir mit vier Personen dieses winzige Bad. Verlockend ist das nicht gerade. "Und das ist das Zimmer, das frei wird?", frage ich Ina, die praktischerweise neben mir steht.

"Ja. Die Schränke und das Bett kannst du benutzen."

"Okay."

"Nur an die Wände soll nichts. Also keine Bilder mit Reißzwecken aufhängen, oder Nägel in die Wand hauen."

"Ist klar." Hatte ich auch nicht vor. "Wie sieht es mit Internet aus?" Das ist die Hauptfrage.

"Jeder von uns nutzt das W-Lan." Das bedeutet, ich besorge mir sicherheitshalber einen Internetstick. "In der Küche liegen Bögen zum Ausfüllen. Falls du Interesse hast, muss ich dich bitten, einen auszufüllen."

"Ist gut. Werde ich machen."

"Fein!" Es mag zwar klein sein, aber immer noch besser als zuhause.

In besagter Küche kämpfe ich mich durch die anderen Bewerber und ergattere einen der Bögen. Hier tummeln sich wirklich eine Menge Interessenten herum. Ob ich Chancen habe? Wir werden sehen. Ich fülle erst einmal den Bogen aus und versuche dabei auszulassen, dass ich von zuhause flüchte, weil ich nicht will, dass meine Schwester herausfindet, dass ich mit ihren Lieblingspopstar eine Beziehung habe. Alles aufgefüllt, lege ich ihn auf den Stapel der anderen Bewerber. Der ist nicht gerade klein, stelle ich fest.

Ich überlege, ob ich noch etwas bleiben soll, da spricht mich Ina wieder an. "Ich möchte dir noch schnell die anderen vorstellen", sagt sie und zieht mich mit sich. "Wir hätten gar nicht gedacht, dass sich so viele Leute auf das Zimmer melden. Eigentlich wollten wir alle persönlich sprechen, aber das ist fast unmöglich."

"Das glaube ich dir. Wirklich viel los hier." Ist das ein gutes Zeichen, dass sie mich ihren Mitbewohnern vorstellen möchte?
 

Viel Zeit zum Vorstellen hatte ich nicht, aber die anderen drei, alles Kerle, waren sehr nett. Sie haben mir ein paar Fragen gestellt, die ich anscheinend zu ihrer Zufriedenheit beantwortet habe. Alles in allem recht vielversprechend. Wenn das klappt, mache ich drei Kreuze.

Wieder zurück im Viertel laufe ich zu meinem Auto. Clem hat schon Feierabend, also fahre ich gleich nach Hause, ohne nochmal in den Weinkeller zu gehen. Zudem bin ich richtig erschöpft. Arbeiten und Wohnungsbesichtigung sind momentan ein bisschen viel für meine angespannten Nerven. Ich will mich nur noch in meinem Zimmer verkriechen und Meilo anrufen.

Dort jedoch angekommen, dann die böse Überraschung. Kaum aus meinem Auto gestiegen, werde ich beinahe umgepustet, so laut dröhnt mir Musik um die Ohren. Nicole! Ich schaue an der Fassade hinauf. Ihr Fenster steht offen. Kein Wunder, dass die halbe Nachbarschaft beschallt wird.

Angepisst beeile ich mich, dass ich hinauf komme, bevor noch einer der Nachbarn die Polizei ruft. "NICOLE!" Sauer reiße ich ihre Zimmertür auf. "HAST DU SIE NOCH ALLE?!"

"HAU AB!" Ich höre nicht auf sie, sondern schließe als aller erstes das Fenster. "EY!" Klein Nicole gefällt das gar nicht.

"Die Musik hört man bis draußen!", schnauze ich sie an und drehe die Keith Kandyce Retortenmusik leise. "Spinnst du eigentlich? Willst du, dass die Polizei vor der Tür steht, und wir 'ne Anzeige wegen Ruhestörung bekommen?"

"Mir doch egal", knurrt sie und will schon wieder lauter drehen.

"Hör auf!" Ich ziehe kurzerhand am Stromkabel der Musikanlage.

"HEY! DU MACHST ALLES KAPUTT!"

"Da ist nichts von kaputt gegangen." Ich verdrehe die Augen.

"Wenn die CD jetzt zerkratzt ist, dann kaufst du mir eine neue!"

"Von was will die denn zerkratzen?"

"Vom Laser!" Ich schüttle nur den Kopf.

"Du hast echt null Ahnung von Technik."

"Halts Maul! Und du verstehst nichts von Liebe!"

Lachend verschränke ich die Arme vor der Brust. "Lern du erstmal, wie man sich einen Freund anlacht, dann reden wir weiter."

"Brauche ich nicht. Ich will nur einen." Nicole fummelt wieder den Stecker in die Steckdose und tippt verbissen auf den Knöpfen ihrer Anlage herum.

"Dreh den einen aber bitte nicht so laut. Nimm die Kopfhörer, wenn du dir das Gehör demolieren willst, aber zieh nicht die Nachbarn oder mich da mit rein." Ich laufe an ihr vorbei. Nur noch weg von hier und in mein Zimmer! Ich will Meilos Stimme hören. Ohne diese Katzenjammertöne, die seine Plattenfirma Musik schimpft.

"Du? Niclas?", flüstert Nicole, als ich gerade Nicoles Zimmertür hinter mir schließen will.

"Was denn?"

"Ich habe mal eine Frage an dich." Hundewelpenaugen starren mich an. Oh oh. Was hat das nun wieder zu bedeuten?

Ich seufze, bemitleide mich selbst um ein vielfaches, und betrete erneut das feindliche Gebiet meiner Schwester. "Was denn für eine?", frage ich retour.

"Am siebten November ist Keith hier in der Nähe und gibt eine Autogrammstunde."

"Hier? Bei uns in der Nähe?" Warum weiß ich davon nichts?

"Na ja ... Die Fahrt würde ca. vier Stunden dauern. Ich habe schon im Internet geguckt und die Strecke ausgedruckt! Schau hier!" Sie stürmt zu ihrem Schreibtisch und klaubt sich ein Blatt Papier, das neben der Tastatur liegt. "Ich habe es ausgedruckt!"

"Und was soll ich damit?", will ich wissen. 'Außer mir zu verbieten, mir allzu große Hoffnungen zu machen, wieder einmal länger bei Meilo bleiben zu können', denke ich bitter.

"Ich dachte ... vielleicht ... kannst du mich da hinfahren?" Hundewelpenaugen hoch zehn.

"Frag doch Papa", knurre ich.

"Der?! Du kennst ihn doch! Der fährt mich nie! Nicht so weit."

"Ach? Und ich schon, oder was?"

"Warum nicht?"

"Du nervst mich tagtäglich mit lauter Musik und beschimpfst mich. Soll ich es dir so danken?"

"Ich bin auch lieb! Ich verspreche es!"

"Das habe ich eben gesehen." Und vor allem gehört.

"Tut mir leid", flüstert sie und macht einen total geknickten Eindruck. "Du bist einfach in mein Zimmer gestürmt. Ich hab mich erschrocken." Das soll ich glauben?

Ich puste angestrengt und denke nach. Eine Autogrammstunde also. Das wäre die Gelegenheit, zu Meilo zu fahren, glasklar. Aber mit meiner Schwester zusammen? "Ich überlege es mir", brumme ich. "Aber damit wir uns verstehen: Du zickst mich weder dumm an, noch terrorisierst du die Umwelt mit lauter Musik."

"Versprochen!" Na ob ich mich darauf verlassen kann? "Da wäre noch was", verkündet sie mir.

"Was?" Das hier artet ja langsam in Arbeit aus!

"Kannst du mich heute Abend noch schnell ins Kaufhaus fahren?"

"Warum?"

"Heute ist die neue Live DVD von Keith rausgekommen." Das war heute? "Ich würde sie mir gern kaufen, aber wenn ich mit dem Bus fahre, bekommt das Mama mit. Und wenn sie Papa davon erzählt, wird er wieder sauer." Das alte Spiel. Papa will nicht, dass wir Geld für solchen unnötigen Scheiß ausgeben. Machen tun wir es trotzdem, aber da Nicole noch keine achtzehn ist, muss sie es, so wie ich damals, heimlich unter die Leute bringen.

"Muss das heute sein, oder geht das auch morgen?", frage ich genervt.

"Heute wäre besser. Nicht, dass sie ausverkauft ist." Wozu gibt's Internet? Und in einem halben Jahr ist die DVD bestimmt auch nur ein Drittel so teuer wie heute. "Biiiiiitte Nic!" Hundewelpenaugen gepaart mit Katzenbabystuppsnäschen.

"Oh Mann! Na schön, ich fahre dich! Aber kein Gekreische oder Gequietsche in meiner Anwesenheit. Verstanden?"

"Verstanden!", jubelt mein Schwesterlein und springt auf und ab. "Ich hole schnell mein Geld und ziehe mich um, ja?"

"In Ordnung. Ich warte im Wohnzimmer." Warum habe ich nur zugesagt?

Im Wohnzimmer haue ich mich auf die Couch und rufe zu aller erst Meilo an. Das hat Vorrang. /Sweety!/ Er ist allein! Seine Begrüßung verrät es mir.

"Hallo Schatz. Wie geht's?"

/Ganz gut. Gerd ist nicht da./ Ach komm! /Hast du Zeit./

"Jetzt?"

Meilo lacht. /Natürlich jetzt. Sonst hätte ich nicht gefragt./ Meine Haut fängt an zu Kribbeln.

"Leider nicht", jammre ich. "Ich darf meine Schwester ins Kaufhaus kutschieren, weil sie Keith neuste DVD erstehen möchte."

/Oh. ... Ich kann euch eine schicken. Mit Autogramm?/

"Mach mal. Dann kippt sie aus den Latschen."

/Du hast es ihr immer noch .../

"Nicht erzählt", beende ich seinen Satz. "Nein. Ich bringe es nicht raus." Ich war wirklich schon mehrmals dabei, ihr zu sagen, dass Meilo Keith ist, aber jedes Mal versagt mir meine Stimme. So war es auch, als ich sie mit der Verkündung dieser Live-DVD foppen wollte. Morgens sagte ich ihr, dass ich da was von einer DVD verlauten hören habe. Sie ist schier durchgedreht. Fragte, ob das wahr sei, und woher ich das wusste. Der Satz: Von Meilo, denn er ist Keith Kandyce, lagt mir schon auf der Zunge, aber er kam mir nicht über die Lippen. Ich zuckte daher bloß mit den Schultern und Nicole raste in ihr Zimmer, um das zu überprüfen. Ihr Geschrei war noch kilometerweit zu hören, als sich meine Behauptung natürlich als wahr herausstellte.

/Okay. Wenn das so ist, dann machen wir das zusammen. Und keine Diskussion. Wenn ich das nächste Mal bei dir bin, dann werden wir sehen, was passiert, wenn ich vor ihr stehe./

"Mal sehen." Wahrscheinlich wäre es auf diese Weise tatsächlich am besten. Einfach abwarten, was passiert ... "Ach ja! Bevor ich es vergesse!" Ich schiele in den Flur. Noch nichts von Nicole zu sehen. "Nicole hat mir eben etwas von einer Autogrammstunde am siebten November erzählt."

/Ja, kann sein. Was ist damit?/ Da fragt er noch?

"Sie will da unbedingt hin."

/Dann fahr sie hin/, kichert Meilo. /Dann kann ich dir auch ein Autogramm verpassen./ Scherzbold!

"Ich würde lieber alleine kommen. Wir haben uns schon so lange nicht gesehen", seufze ich. "Mit meiner Schwester im Gepäck würde ich es nicht aushalten, dich nach so langer Zeit wiederzusehen, und dann nicht bei dir sein zu können."

/Meinst du etwa, es wird noch bis Anfang November dauern, bis wir uns wiedersehen?/, fragt Meilo mich verwundert.

"Wer weiß?" Die Möglichkeit besteht.

/Glaube mir Sweetheart, so lange halte ich es nicht mehr aus. Wir werden uns davor wiedersehen. Komme was wolle./ Mein Herz schlägt schneller.

"Und wann?"

Jetzt ist es an Meilo zu seufzen. /Sobald sich was ergibt, sage ich dir Bescheid./ Damit es dann wieder so endet, wie die letzten Male?, will ich ihn fragen, lasse es aber. Er konnte auch nichts für unsere geplatzten Dates. /Vertrau mir. Ich finde eine Möglichkeit./

"Das tue ich doch. Aber ich vertraue deinem Manager nicht. Dem fällt in letzter Zeit immer was ein, um uns zu sabotieren. Sicher, dass er nichts von uns weiß?"

/Sehr sicher. Er ahnt nichts, und er wird auch nichts von uns mitbekommen. Das waren alles ganz dumme Zufälle./ Ich gebe ein resigniertes Hm von mir. /Kopf hoch. Und weißt du was? Wenn es hart auf hart kommt, mache ich einfach wieder krank./

Das bringt mich zum grinsen. "Stellst du mich dann wieder als Pfleger ein?"

/Wen denn sonst?/, säuselt er. /Keiner kann das so gut wie du./

"Ich gebe mir auch alle Mühe, Ihren hohen Pflegeansprüchen zu genügen."

/Habe ich gemerkt .../ Meilo gibt einen Seufzer von sich, der schon beinahe die Bezeichnung Stöhnen verdient. Ich höre seiner Stimme an, dass er erregt ist.

"Meilo? Falls du willst, kann ich dir ..."

"Niclas? Bin fertig!" Shit!

"Gleich!", rufe ich meiner Schwester zu. "Es tut mir leid. Ich muss los. Die Herrin hat gerufen." Meilo schmunzelt leise. Sehnsucht wallt in mir auf. "Ich rufe dich wieder an, sobald ich zuhause bin. Und dann machen wir weiter."

/Mach das. Ich warte auf dich./ Und ich erst!
 

Auf dem Weg zum Kaufhaus kann Nicole einfach nicht ruhig sitzen bleiben. Sie zappelt wie eine Geisteskranke herum, knetet sich die Finger und rutscht mit dem Hintern hin und her. "Beruhige dich doch", sage ich zu ihr.

"Kann nicht!"

"Du musst, sonst schmeiße ich dich aus dem Auto."

"Ich bin aufgeregt. Hoffentlich sind noch DVDs da!"

"Bestimmt. Wenn nicht, bestellst du dir eine im Internet."

"Die sind aber nicht limitiert!"

"Da gibt es bestimmt auch limitierte DVDs. Und wenn nicht, haue ich Meilo an."

"Was?" Ach du Scheiße! Habe ich das eben wirklich gesasgt?

"Äh .. der kann die hundert pro besorgen", stottere ich.

"Und woher?"

"Na ja ... Er sitzt sozusagen an der Quelle." Meine Handflächen werden feucht. Sag es schon! Jetzt! Los!

"Hat der einen Shop?"

"Äh … Ja! ... Ja, er hat einen Shop!", krächze ich und lächle verkniffen.

"Das hast du mir noch gar nicht gesagt!" Wieder schaffe ich nur ein Schulterzucken. "Meinst du, er kann mir auch so einen von diesen Pappaufstellern besorgen?" Jetzt ist meine Schwester nicht mehr zu stoppen. "Oder Poster?"

"Keine Ahnung", antworte ich wahrheitsgemäß.

"Aber wenn der doch einen Shop hat, hat der doch bestimmt auch welche!" Nicole greift nach meinem Oberarm und drückt ihn. "Bitte Niclas! Bitte frag ihn! Ich wollte schon immer so einen Aufsteller." Da drängt sich mir doch unweigerlich die Frage auf, wozu sie einen Pappaufsteller braucht? "Keith Kandyce in Lebensgröße! Das wäre der Wahnsinn!" Ich will es doch nicht wissen!

"Ich frage ihn nachher, ja? Jetzt kaufst du erst einmal deine DVD."

"Okay!" Freudestrahlend hockt mein Schwesterlein auf dem Beifahrersitz. Was habe ich mir da schon wieder eingebrockt? Ich fasse es nicht, dass ich schon wieder gekniffen habe! Mist! Mist, Mist, Mist!
 

In der Stadt angekommen, suche ich im Parkhaus nach einem freien Parkplatz. Nachdem ich einen gefunden habe, steigen wir aus und laufen auf den Aufzug zu. Nicole rennt zwar eher, aber das nützt ihr auch nichts, denn ich laufe gemütlich hinter ihr her, sodass sie auf mich warten muss. "Komm schon! Beeil dich doch!"

"Ein alter Mann ist kein D-Zug", wettere ich und tue ganz erschöpft, als ich bei ihr ankomme. Schnaufend betrete ich den Aufzug.

"Tu nicht so", grummelt Nicole. "Wenn wir oben sind, laufe ich schon mal vor ja?"

"Ist gut. Wohin gehst du?"

"In den Elektronikmarkt im zweiten Stock."

"Ich laufe immer dem Geschrei nach. Dann finde ich dich schon", grinse ich sie an.

"Tse!" Nicole zieht die Nase kraus.

Dem Parkhaus entflohen, brauchen wir nur über die Straße, schon stehen wir vor eben jenem Kaufhaus, in dem Meilo und ich schon waren. Es kommt mir vor, als wäre es eine ganz andere Zeitrechnung gewesen. So viel ist inzwischen passiert ...

Wie erwähnt, rast Nicole los. Ich latsche ihr nach und bin froh, dass sie schon mal die CD-Abteilung stürmt, ohne dass ich dabei sein muss. Im Elektronikmarkt allerdings, ist die Hölle ausgebrochen. Ich brauche tatsächlich nur dem Geschrei zu folgen. Er kommt aus der Musikabteilung. Dort hat sich ein ganzer Pulk an Jugendlichen zusammengetan. Meine Schwester sehe ich nicht. Ich bleibe in einem sicheren Abstand stehen und verfolge das Spektakel. "Verrückt", murmelt jemand, der plötzlich neben mir steht. Einer der Verkäufer.

"Und wie."

"Was finden die nur an den?"

"Frage ich mich auch." Meilo ohne Schminke und Glitzerlook ist doch viel beeindruckender.

"Das geht schon den ganzen Tag so", klärt mich der Verkäufer auf. "Ich habe schon Kopfschmerzen."

"Ich habe eine von denen Zuhause. Fragen Sie mich nicht, wie oft ich schon Kopfschmerzen deswegen hatte."

"Mein Beileid." Der Verkäufer grinst mich an.

"Danke. ... Habt ihr eigentlich noch die limitierte Auflage von der DVD? Meine Schwester ist total heiß drauf."

"Wir haben nur die Limitierte."

"Wirklich? Und warum regen sich dann alle so auf?"

"Keinen Schimmer. Die sind alle wahnsinnig." Armen!

Es geht echt ab da vorn. Zwar sind die Gören recht friedlich, aber total durch den Wind. "Ich wage mich mal näher. Mal schauen, ob meine Schwester endlich gefunden hat, was sie sucht."

"Viel Glück", wünscht mir der Verkäufer.

"Das kann ich gut gebrauchen." Was Meilo wohl dazu sagen würde, wenn mich seine Fans aus lauter DVD-Geilheit in der Luft zerreißen? Ich könnte ihnen aber auch laut zurufen, dass ich mit ihrem Idol schlafe. Das wäre doch mal ein Spaß!

"Nicole?" Ich stelle mich auf Zehenspitzen. "Nicole!"

"Hier." Ich zucke zusammen und drehe mich um.

"Fuck! Willst du, dass ich einen Herzinfarkt bekomme?"

"Nein. Erst musst mich mich noch nach hause fahren." Sie grinst mich schief an.

"Vielen Dank. Wie umsichtig von dir."

"Nicht?"

"Hast du was du suchst?"

"Ja, aber da gibt es noch mehr. Kannst du mir Geld leihen?" Auch das noch! Als hätte ich es nicht geahnt!

"Wie viel?"

"Achtzig Euro."

"Was?!"

"Da gibt es noch eine Live CD. Eine mit einem extra Booklet und dann eine mit einer Unplugged CD. Beide kosten zweiunddreißig Euro. Und fünfzehn Euro kostet das Heft, das diesen Monat herausgekommen ist. Das haben die auch hier."

"So viel habe ich nicht dabei", antworte ich atemlos.

"Und deine Karte? Die hast du doch sicher dabei."

"Die ist nur für Notfälle!"

"Das ist einer!" Ist es das? "Bitte Niclas! Biiiiiite!" Hundewelpenaugen hoch zwanzig. "Du bekommst es ja wieder!"

"Wann?"

"Diesen Monat habe ich noch kein Taschengeld bekommen. Das gebe ich dir dann sofort. Und den Rest dann nächsten Monat."

Ich hasse mich dafür aber "Gut. Dann hol dir deine CDs und das Heft."

"AHHH! Du bist der Beste!" Auf einmal? Die Liebe meiner Schwester ist ja billig zu haben.

Nicole taucht wieder im Keith-Fan-Pulk ab und kramt nach ihren heißbegehrten CDs. Ich beobachte weiter das Geschehen. Diesmal allerdings das ganze Merchzeug, dass die hier von Keith verkaufen. Der große Pappaufsteller ist unter dem ganzen Kram der größte Blickfang. Meilo, beinahe lebensgroß, steht breitbeinig da, in Glitzer und Leder gehüllt, und singt lasziv in ein Micro hinein, während er seine Fans mit lüsternen Blick anstarrt.

Ich werde hart. Ernsthaft!

"Shit!" Ich schaue schnell weg. Daran sind nur Meilos grüne Augen Schuld! Die, und der Umstand, dass ich ihn so lange nicht mehr gesehen habe. Nur deswegen hat dieser dämliche Pappaufsteller es mir angetan! Ich ertappe mich dabei, dass ich immer wieder zu ihm herüberschiele. Heiße Bilder fluten meinen Kopf. Bilder, wie ich und mein Schatz uns zusammen in den Hotelbetten vergnügt haben. Wie wir in den vielen verschiedenen Badezimmern herumgealbert haben, der Ausflug in die Bremer Innenstadt, wie meine Haut immer zu prickeln beginnt und es heiß in meinem Unterleib zieht, wenn Meilo mir erregt meinen Namen entgegenhaucht ... "Niclas?"

"Was?!" Wieder erschreckt mich meine Schwester.

"Kannst du mich auch vor Keith fotografieren?"

"Was? Ist er hier?" Wo?!

"Nein!", lacht Nicole. "Vor dem Aufsteller." Ach so ... Was 'ne Pleite! Obwohl ... Es ist ganz gut, dass Meilo nicht hier ist. Sonst müsste ich jetzt sehr wahrscheinlich diese berühmte Filmszene aus Bodyguard nachstellen, und das will keiner. "Machst du es?", wiederholt Nicole und holt mich aus sehr unschönen Gedankenspielen, wie ich mich durch kreischende Fans quäle, Meilo schützend in meinen Armen verborgen, während ich gekratzt, gebissen, getreten und geschlagen werde.

"Ja, ich mach das Foto. Stell dich davor." Nicole quietscht und rast auf Papp-Keith zu.

Wir müssen ein paar Minütchen warten, bis wir Fotos schießen können. Nicole ist nicht die Einzige, die sich vor meinem Liebling ablichten lassen möchte. Die Posen, die einige von ihnen wählen, bringen meinen Dickdarm dazu, sich zu verknoten. Kotz-würg! Das da ist mein Freund, vor dem ihr euch herum räkelt! Mal ein bisschen Respekt!

Als Nicole an der Reihe ist, bin ich froh, dass sie weniger provokante Posen wählt. Bei ihr ist doch noch nicht Hopfen und Malz verloren. "Zeig her!", japst sie, nachdem wir fertig mit dem Fotoshooting sind.

"Warte. Ich muss die Bilder erst suchen." Und in einen anderen Ordner verschieben, damit du die Bilder von Meilo nicht zu Gesicht bekommst. "Hier." Meine Schwester bestaunt ganz aufgeregt die Fotos mit dem lasziven Pappkamaraden.

"AHH sind die geil! Du musst mir die nachher sofort auf den PC machen! Ja?"

"Mach ich."

"Hier! Hältst du das mal alles? Ich will gucken, ob es noch was von Keith gibt!"

"Noch mehr Kram? Nicole! So viel Kohle habe ich nicht auf meinem Konto!"

"Nur gucken." Obwohl ich schwul bin, weiß ich, was Frauen mit dem Spruch 'nur gucken' eigentlich meinen. Sie ersetzen das Nur durch ein Erst, setzten hinter dem Gucken ein Komma und dahinter schieben sie 'dann kaufen!' Mit fünf Ausrufezeichen !!!!! Hätte ich bloß Mamas Marmeladenglas geplündert. Da sind zwar nur Centstücke drinnen, aber das hätte wenigstens an der Kasse ordentlich gefetzt!
 

Da Nicole wieder in den Massen kreischender Fans untergetaucht ist, lehne ich mich gegen ein einsames Schallplattenregal (das waren noch Zeiten!) und warte geduldig. Schon bald wird mir das zu langweilig, deshalb zücke ich wieder mein Handy und daddle ein bisschen. Ein kleines Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht, und ehe ich mich versehe, bin ich dabei den ganzen wahnsinnigen Zauber vor meiner Nase zu filmen. Unauffällig natürlich, und auch nur für ein, zwei Minuten. Das schicke ich postwendend an Meilo, mit dem Kommentar, er sei Schuld, dass ich in der Keith Kandyce Hölle gelandet bin. Stimmt ja auch.

Seine Antwort kommt nach wenigen Augenblicken in Form eines Anrufes. "Hilfe!"

Meilo pustet in den Hörer. /Soll ich vorbeikommen?/

"Bloß nicht! Die zerfleischen dich!"

/Bestimmt nicht. Meine Fans sind lieb./

"Sag das mal den armen Verkäufern", erwidere ich. "Und meinem Trommelfell!"

/So schlimm?/

"Nein. Noch schlimmer. ... Wegen deinem Pappabbild bin ich in Depressionen verfallen", flüstere ich. "Ich wäre so gern bei dir."

/Ach Schatz. Das geht mir doch genau so./ Ich ziehe einen Schmollmund, den allerdings nur Papp-Keith sehen kann.

Apropos! "Sag mal, kannst du für Nicole so einen Pappaufsteller organisieren? Sie hätte gerne einen."

/Kein Problem. Welchen denn?/

"Da gibt es mehrere von?"

/Ich glaube acht Stück/, überlegt mein Schatz.

"Du meine Güte! Bekomme ich auch einen?" Ich grinse breit. "Den lege ich mir dann ins Bett."

/Nix da! In dein Bett kommt nur einer: Ich./

"Muss ich dich daran erinnern, dass du schon lange nicht mehr in meinem Bett warst?"

/Musst du nicht. Daran denke ich jeden Tag. Jeden langen Tag .../

"Dito" wispere ich.

Es wird still. Auf beiden Seiten der Leitung. Ich hasse diese beknackte Situation! Ich bin im Moment sogar so kurz davor, diesem dämlichen Pappkameraden Keith eine zu verpassen. Keine gute Idee, bei all den Fans, also lass ich es. /Ich kümmere mich um den Aufsteller/, sagt Meilo plötzlich.

"Schön. Da wird sich Nicole freuen."

/Was tut man nicht alles für seine Verwandtschaft/, lacht Meilo.

"Verwandtschaft?", harke ich nach.

/Sie ist meine Schwägerin, wenn mich nicht alles täuscht./

"Gott, ich liebe dich!"

/Dito. Aber sag doch einfach Meilo zu mir. Ruf mich nachher an, ja?/ Fassungslos starre ich auf das Handy in meiner Hand.

"Er hat einfach aufgelegt!"

"Wer?" Nicole steht vor mir. Die Arme schon wieder gefüllt bis oben hin.

"Meilo."

"Hast du ihn gefragt?!"

"Er besorgt dir einen."

"Wirklich wahr?"

"Jepp."

"Echt?!"

"Jaha."

"AHHHHH ICH BEKOMME EINEN PAPPAUFSTELLER VON KEITH!!!"

"Kreisch doch nicht so!" Mann! "Komm, wir gehen bezahlen." Ich schnappe mir Nicole und schleife sie durch den Elektromarkt. Nix wie weg hier! Durch ihr Geschrei stehen wir jetzt natürlich im allgemeinen Interesse des Fanpulks. Wie in einem Horrorstreifen. Gruselig!
 

***
 

"Hundertvierunddreißig Euro! Stell dir das mal vor! Hundervierunddreißig!"

"Und du zahlst das einfach?" Clem macht große Augen.

"Ich habe es vorgestreckt. Nicole muss mir das Geld wiedergeben, doch bis sie das zusammen hat, dauert es noch, fürchte ich."

"Brauchst du Geld?"

"Was? Nein! Es geht mir nur ums Prinzip. Es ist nicht zu fassen, mit was die alles Geld rausschlagen!" Und alles auf Kosten meinen Schatzes.

"Solange es Leute gibt, die für so etwas Geld ausgeben, machen die weiter. Genau wie Billiglebensmittel oder Billigkleidung."

"Darauf einen Champagner!", näsle ich und hebe die Flasche in die Höhe, die ich gerade ins Regal sortiere.

Clem lacht. "Idiot."

"Sir Idiot bitte. Ich halte einen Champagner in der Hand."

"Gut. Sir Idiot. Können wir jetzt weitermachen?" Ich nicke und greife zwei weitere Flaschen aus der Kiste, die Clem mir abnimmt. "Kilian hat mir gestern eine Szene gemacht", sagt Clem leise.

"Wieso?"

"Wegen dir." Bestürzt halte ich inne und schaue Clem sprachlos an. "Er will nicht, dass wir zusammenarbeiten und hat mich gefragt, ob ich meine Schichten nicht so legen könnte, dass wir uns nicht mehr sehen."

"Das ist nicht sein Ernst?"

"Ich fürchte schon", wispert Clem. "Wir hatten einen riesigen Krach deswegen."

"Er glaubt doch nicht etwa, dass ich was von dir will?"

"Weiß nicht." Er zuckt mit den Schultern.

"Warum macht er dann so einen Terz?"

"Mir ist rausgerutscht, dass wir Freunde geworden sind."

Jetzt bin ich total sprachlos. Clem findet, wir seien Freunde? "Sind wir das?", frage ich ihn unüberlegt.

"Ja ... Oder empfindest du das anders?"

"Na ja. Wir sind schon irgendwie wie Freunde, denke ich." Ich zucke mit den Schultern. "Ich kann dich auf jeden Fall besser leiden als noch am Anfang." Clem grinst schief. "Das meine ich ernst! Aber Freundschaft hört sich komisch an. Weil du, na ja ..."

"Mit deinem Ex zusammen bin", sagt Clem und lehnt sich gegen das Regal.

"Ja. Eben darum."

"Ich mag dich Niclas. Nicht nur als Arbeitskollege. Auch als Freund." Woha. Ich bin echt ein bisschen gerührt.

"Sagen wir lieber Kumpels. Nicht, dass da noch Gerüchte aufkommen", schlage ich vor.

"Klar, Kumpel", lacht Clem.

"Das mit Kilian regle ich." Ich bin selbst erstaunt über meine Worte.

"Was regelst du mit mir?" Kilian! Wie ist der denn unbemerkt hier rein gekommen?!

"Schatz! Hey!" Clem saust ihm sofort entgegen.

"Hast du ihm etwa erzählt, was gestern Abend war?", fragt Kilian Clem. Dieser nickt. Ich kann richtig sehen, wie Kilian die Zornesröte ins Gesicht steigt.

Okay. Der Klügere gibt nach, heißt es doch immer. Ich halte mich zwar nicht für den Klügsten hier, aber ich bin auf jeden Fall nicht dumm wie Weißbrot.

Ich stelle die Champagnerflasche ins Regal, wische mir die Hände trocken und gehe auf Kilian zu. Freundlich strecke ich sie nach ihm aus. "Lass uns einen Schlussstrich ziehen", sage ich zu meinem Ex und meine es auch so, doch Kilian sieht mich an, als hätte ich mir eben mit der ausgestreckten Hand den Hintern abgewischt, ohne vorher nach dem Toilettenpapier gegriffen zu haben. "Komm schon Kilian. Wir sind getrennt und haben beide eine neue, glückliche Beziehung. Ich will nicht mehr böse auf dich sein." Kilian ringt noch immer mit sich, während Clem uns abwechselnd anschaut.

"Gut", seufze ich und schaue mich um. Kein Kunde im Laden. Dann kann ich frei heraus reden. "Kilian? Mir ist vor einigen Wochen erst klar geworden, dass das mit uns niemals hingehauen hätte. Obwohl wir es lange Zeit miteinander ausgehalten haben", scherze ich, doch da Kilian nicht lacht, lasse ich es lieber mit den Scherzen. Ist wohl noch zu früh dafür. "Jetzt, wo ich mit Meilo zusammen bin, weiß ich, was bei uns gefehlt hat."

"Und das wäre?", fragt er mich mit grollender Stimme. "Was hat dir bei mir gefehlt?"

"Weißt du das nicht selbst?"

"Doch, aber ich will es aus deinem Mund hören. Sag es mir Niclas. Vielleicht, aber nur vielleicht kann ich dann darüber hinwegsehen, dass mein Partner mit meinem Ex zusammenarbeitet." Eben wird mir bewusst, dass er gar nicht sauer auf Clem ist, sondern auf mich. Immer noch. Und weil ich nun weiß, was mit unserer Beziehung nicht gestimmt hat, bin ich nicht mal mehr wütend darauf, dass er mir die Schuld an allem gibt. Obwohl wir beide Schuld an allem tragen.

"Die Leidenschaft hat gefehlt", antworte ich Kilian. "Nach unserem ersten Treffen, unserem Blinde Date, da musste ich nicht mal mehr an dich denken. Ich weiß nicht, ob es dir auch so ergangen ist, aber als mir Meilo über den Weg lief, da war er alles, an das ich noch denken konnte. So ist es immer noch." Zu meiner Erleichterung löst sich Kilians Anspannung etwas. Er nickt schließlich und sieht Clem an. "Genau das meine ich!", lache ich. "So, wie ihr euch anseht, ist die Leidenschaft zwischen euch fast greifbar!"

"Sei ruhig Niclas. Ich habs verstanden." Kilian zieht Clem an sich und hält mir seine Hand hin. Ich ergreife sie. Ein komisches Gefühl. Und erst recht kein Schönes, aber das ist mir lieber, als ständig mit Kilian zu streiten. "Wir werden wahrscheinlich nie Freunde, aber du hast recht. Lass uns nicht mehr wütend aufeinander sein."

"Ist gut. Nie mehr." Kilian lächelt schmal und lässt mich wieder los. "Ich bin dann mal vorn. Den Gehweg fegen." Gönnen wir den beiden ein wenig Zweisamkeit.
 

Diesmal ist Kilian nicht sauer aus dem Weinkeller gestürmt. Er hat mich sogar angelächelt. Zwar nur ganz kurz, aber immerhin. Es fühlt sich gut an, diesen Schlussstrich gezogen zu haben, auch wenn sich Kilians Anwesenheit immer noch komisch anfühlt. Aber wenigstens hat mir dieser Waffenstillstand eine kleine Last vom Herzen genommen. Ich habe ja gar nicht geahnt, wie schwer dieses Thema noch immer auf mir gelastet hat.

"Wieder versöhnt?", frage ich Clem, der aus dem Kellergewölbe kommt. Er hat bei einer kleinen privaten Verköstigung geholfen, während ich den Laden gehütet habe.

"Und wie! Ich danke dir. Das hat Kilian noch arg auf der Seele gelegen."

"Mir auch", antworte ich. "Es war mir zwar nicht vorher aufgefallen, aber da war dieser Druck, der jetzt zum Glück weg ist."

"Dann haben wir ja was zu feiern!", lacht Clem. "Wollen wir uns eine gute Flasche gönnen und anstoßen?"

"Eigentlich gern, aber ich muss noch fahren."

"Och. Schade."

"Ein anderes Mal, ja? Und vielleicht ist es nicht so gut, wenn wir gleich nach der Versöhnung zusammen einen heben."

"Überredet. Ich will mein Glück nicht herausfordern."

"Hilfst du mir, die Körbe vor dem Laden reinzuräumen? Es ist gleich Ladenschluss."

"Klar." Wenn Clem mit anpackt, geht es schneller.
 

Wir räumen einen schweren Korb nach dem anderen hinein. Die Teile sind an sich schon schwer, weil sie ziemlich groß und unhandlich sind, auch ohne Füllung. Aber die Eisenteile, auf denen sie liegen, sind noch unhandlicher. Zu zweit geht das wesentlich einfacher. "Einer noch, dann sind wir fertig", juble ich.

"In Ordnung ... Oh. Hallo." Noch ein Kunde?

Ich drehe den Kopf, um den Kunden zu begrüßen. "Guten Abe... Meilo?" Mir fallen sämtliche Gesichtszüge auseinander. Da steht Meilo! "Meilo! Wie schön!" Aufgeregt laufe ich schnellen Schrittes auf meinen Schatz zu und umarme ihn fest. Aber irgendwie fällt Meilos Reaktion nicht so aus, wie sie eigentlich immer ausfällt. "Meilo?"

Ich löse mich leicht von ihm. Grimmig starrt er Richtung Laden. Ich folge seinem Blick, und da fällt bei mir der Groschen. Er weiß, wer Clem ist! "Was macht der hier?", knurrt mein Freund.

"Wir arbeiten zusammen", versuche ich ganz beiläufig zu erklären. Weil Meilo nichts erwidert und Clem weiterhin böse anstarrt, ergreife ich seine Hand und ziehe ihn mit mir. Ich laufe mit ihm um die Ecke, wo ich mein Auto immer parke.

"Erklärst du es mir?", fragt er mich.

"Ich wollte gerade mit der Erklärung loslegen."

"Ich höre."

Ich atme tief ein und schaue Meilo in die Augen. Eigentlich wäre mir jetzt nach etwas ganz anderem zumute, aber er sieht nicht wirklich so aus, als wäre er bereit dazu. "Clem ist mein Arbeitskollege."

"Wie lange schon?"

"Seit ich hier arbeite", flüstere ich wahrheitsgemäß.

"Und du hast es mir nicht gesagt, weil ...?" Haben Clem und Kilian nicht ein ähnliches Gespräch geführt?

"Weil ich dich bei deine ganzen Stress nicht beunruhigen wollte."

"Und wann hättest du mir davon dann erzählt?"

"Wenn wir uns wiedersehen. Also jetzt."

Meilo leckt sich über die Lippen, denkt eine Weile lang nach und seufzt schließlich. "Macht er dir Probleme?" Jetzt wirkt er eher besorgt. Das ist es, was ich an ihm so liebe! Er ist einfach wunderbar! Meilo ist so anders als Kilian. Zum Glück!

"Nein, macht er nicht. Anfangs habe ich ihn ignoriert, aber inzwischen kommen wir gut miteinander aus."

"Habe ich gesehen", meint er mit einem leicht dunklen Unterton. "Was ist mit deinem Ex?"

"Wir haben so etwas wie einen Waffenstillstand miteinander ausgehandelt, aber wir werden uns weiterhin aus dem Weg gehen."

Meilo schluckt, bläst Luft durch den Mund und wischt sich über die Stirn. "Das ist mir jetzt zu viel Durcheinander", flüstert er. "Ich mache auch nur einen kurzen Halt und muss gleich wieder weiter."

"Wie bald?"

"Ich müsste schon unterwegs sein." Plötzlich wirkt er leicht verloren.

"Du fährst nirgendwo hin! Nicht so!" Ich krame meine Autoschlüssel aus der Hosentasche.

"Was wird das?"

"Ich erkläre dir jetzt alles von Anfang an! Dann wirst du sehen, dass alles in Ordnung ist." Und das tue ich auch, setzte mich mit Meilo in mein Autochen und berichte alles ganz von vorn. Dabei lasse ich nichts aus, auch wenn ich mich versuche kurz zu fassen.

Ich berichte von Clems Unfall, davon, dass wir uns danach immer besser verstanden haben, und auch von meiner Aussprache mit Kilian heute. Er hört mir zu und am Schluss meiner Erzählung, schenkt er mir endlich wieder sein Meilolächeln. Kommunikation ist alles! Das beste Negativbeispiel waren Kilian und ich. Doch so wird es mir mit Meilo nicht gehen. Das schwöre ich!

"Es war wirklich gut, dass du mir das alles nicht am Telefon erzählt hast", sagt er abschließend. "Sonst hätten wir gar keine Zeit für uns gehabt."

"Habe ich doch gesagt", grinse ich. "Dann bist du nicht sauer?"

"Nein." Uff! Glück gehabt!

Der Sitz unter Meilo quietscht, als er sich zu mir beugt und mich küsst. Seine Hand schiebt sich in meinen Nacken und massiert mich dort sanft. Ob uns einer sehen würde, wenn wir hier ... "Ich muss jetzt wirklich wieder los", wispert Meilo und löst sich von mir.

"Schade."

"Besser als nichts", lächelt er. Wie wahr.

"Wie hast du eigentlich vom Weinkeller erfahren?", frage ich ihn.

"Ich war bei dir, und deine Mutter hat mir diese Adresse gegeben."

"Oh." Heißt das etwa ...?!

"Keine Angst, deine Schwester war bei ihren Freundinnen." Uff! Noch mal Glück gehabt. "Außerdem wollten wir es ihr doch zusammen sagen."

"Stimmt", nicke ich. "Ich habe vielleicht eine Wohnung in Aussicht." Wenn wir schon fast beim Thema sind.

"Wo denn?"

"Hier in der Stadt. Ein WG Zimmer, das bis Ende Januar leer steht. Das wäre perfekt für mich."

"Wenn du meinst." Meilo zuckt mit den Schultern.

"Wie, wenn du meinst?"

"Ich dachte nur, es ist doch eher unpraktisch, den ganzen Umzugsstress gleich doppelt durchmachen zu müssen."

"Zweimal?"

"Na wenn wir zusammenziehen?" Meilo sieht mich neugierig und auch etwas scheu an. Darüber haben wir immer noch nicht gesprochen. Dafür habe ich schon im Stillen ziemlich lange darüber nachgedacht.

Inzwischen hätte ich wirklich nichts mehr dagegen, gleich mit Meilo zusammenzuziehen. Jedoch: "Es ist nur so, ich will endlich meine Ruhe vor meinen Eltern und meiner Schwester. Das ist Stress pur!" Man denke nur an gestern. "Da ist der Umzugsstress gar nichts gegen." Und ich werde auch nicht alles mit in die WG nehmen können. Dazu ist das Zimmer viel zu klein.

Meilo lacht. "Okay. Wenn das so ist, verstehe ich deine eiligen Umzugswünsche natürlich."

"Zu gütig."

"Aber was ist mit einer Wohnung nur für uns?"

"Was soll damit sein?", ärgere ich ihn und spiele den Ahnungslosen.

"Kannst du dir das inzwischen vorstellen?"

"Mit dir kann ich mir so einiges vorstellen." Oh ja …

"Nic!" Meilo stupst mich in die Seite und ich fange an zu lachen. Das ktizelt! "Sag schon."

"Ja", kichere ich und bringe mich vor Meilos Pieksefinger in Sicherheit. "Ja, ich kann mir eine gemeinsame Wohnung sehr gut mit dir vorstellen."

"Ja?"

"Ja!" Ich werde überschwänglich an Meilos Brust gezogen. "Über die Einzelheiten reden wir aber nochmal, ja?"

"Klar", schnurrt mein Meilolein, und lässt mich wieder los, nachdem wir uns viel zu kurz geküsst haben. "Ach! Bevor ich es vergesse. Schau mal." Er hebt mir seine rechte Hand entgegen. Die Innenseite seines Handgelenkes ziert ein Tattoo. "Habe ich mir vorgestern stechen lassen", verkündet mein Schatz stolz.

"Das ist ja schön!" Es ist schwarz mit einem roten Hintergrund. Ein Schriftzug, wie ich erkenne. "Love bite?"

"Was sonst?", lacht er. "Und dahinter ist ein N für Niclas versteckt. Siehst du es?" Jetzt wo er es sagt ... "Damit ich dich immer bei mir habe", raunt er mir zu und küsst meine Schläfe.

"Das ist ja süß."

"Nur süß? Ich dachte da eher an romantisch."

Schmunzelnd lehne ich mich gegen Meilos Oberkörper. "Ja, okay. Es ist verflucht romantisch."

"Sage ich doch."

"Und was tust du, wenn das einer während deinen Auftritten sieht?" Daran erkennt ihn doch jeder.

"Ich decke es ab. Genau wie mein Rücketattoo. Im Moment trägt Keith Kandyce total gerne Handschuhe. Voll im Trend!" Wir fangen an zu lachen.

"Voll im Trend also? Da bin ich ja beruhigt."

Wir schmusen noch ein klitzekleines Weilchen miteinander, dann muss Meilo leider wieder los. "Schön, dass du vorbeigekommen bist. Dein Besuch war nur viel zu kurz", schmolle ich und begleite ihn zu seinem Wagen.

"Ich weiß. Aber wir sehen uns bald wieder", verspricht er mir.

"Das hoffe ich." Sonst muss ich mir doch so einen Pappaufsteller besorgen, und ihn mit mir ins Bett nehmen.
 

******

Love bite 22 - Koordinaten zu di

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 22 - Koordinaten zu dir (Ohne Adult)

'Nabend alle zusammen!
 

Was für eine Woche!

Meiner Katze geht es wieder besser. Sie frisst wieder und bekommt jeden zweiten Tag Antibiotika gespritzt. Über den Berg ist sie noch nicht, aber man sieht ihr an, dass sie sich wieder wohler fühlt.

Meine Katze ist dieses Mal also nicht daran 'schuld' dass ich nicht dazu kam , ein neues Kapitel hochzuladen. Diesmal ist die Arbeit der Übeltäter xD

Der Herbst ist da und es gibt viel zu tun.

Danke für eure lieben Reviews. Ich habe sie alle gelesen, weiß aber noch nicht, wann ich sie beantworte. Abends liege ich wie erschlagen auf meiner Couch und kann keinen Finger mehr krümmen ^^“

Wenigstens habe ich es heute geschafft, euch das nächste Kapitel hochzuladen. Ich wünsche euch viel Spaß dabei ;-)
 


 

Love bite 22 - Koordinaten zu dir (Ohne Adult)
 

"Das war echt lecker Mama. Das musst du öfter kochen." Genussvoll lasse ich mir den letzten Bissen des Abendessens auf der Zunge zergehen.

"Ich kann dir das Rezept geben, und du kochst es dir in Zukunft selbst", schnarrt sie.

"Kann ich auch machen", blaffe ich zurück.

"Wunderbar! Wenn du schon unbedingt ausziehen willst, dann kannst du auch für dich selbst kochen." Und wir sind wieder beim Thema Nummer eins des heutigen Abends. Mein geplanter Auszug.

"Ach Mama! Ich hab das Zimmer doch noch gar nicht." Sie ist total eingeschnappt deswegen.

"Und ich verstehe nicht, warum du ausziehst, wenn du in ein paar Monaten sowieso mit Meilo zusammenziehen willst. Spar doch das Geld!" Seufzend lege ich Messer und Gabel auf den leeren Teller. Papa guckt uns nur stumm zu und hält sich aus der Diskussion heraus. Er weiß, dass egal, auf welcher Seite er sich stellt, bei dem jeweils anderen verschissen hat. Dabei weiß ich, dass er mir voll und ganz zustimmen würde. Meine Mutter dagegen findet es total unnütz, dass ich mir bis zum Ende des Jahres etwas neues suche. Sie und Meilo passen noch besser zusammen, als ich anfangs vermutet habe.

"Mach doch kein Drama daraus", bitte ich sie ruhig. "Wenn ich weg bin, habt ihr wieder eure Ruhe."

"Darum geht es doch gar nicht!", empört sich mein Mütterchen. "Wir sind doch froh, wenn du bei uns bist."

"Das ist ja lieb von euch, aber zu einem Neuanfang gehört auch eine neue Bleibe. Selbst, wenn sie nur für ein paar Monate ist." Meine Mutter seufzt laut auf, verdreht ihre Augen und räumt den Tisch ab. Sie ist sauer. Doch dabei kann ich ihr auch nicht helfen. "Danke für das Essen. Und über das Rezept würde ich mich wirklich freuen." Sie schenkt mir ein verkniffenes Lächeln.

Als sie dabei ist, den Geschirrspüler einzuräumen, fragt sie mich: "Hast du Meilo von deinen Umzugsplänen erzählt?"

"Habe ich."

"Und was meint er dazu?"

"Nichts", lüge ich. "Was soll er auch dazu sagen?" Den Triumph, dass Meilo genauso denkt wie sie, gebe ich ihr nicht. Zwei zu eins ist nämlich unfair. Papa wird nicht dazugerechnet. Der schweigt immer noch.

"Bin wieder zuhause!" Die Haustür schlägt laut zu. "Ist das Essen fertig?" Nicole betritt die Küche.

"Steht alles auf dem Tisch. Du bist spät. Wir haben schon ohne dich angefangen", rügt Mama sie.

"Ich hab mich mit Wendy verquatscht. Wir haben uns die Keith Kandyce DVD angeschaut und dabei die Zeit ganz vergessen." Mal ganz was Neues. "Ich bring nur schnell meine Tasche ins Zimmer", flötet meine Schwester gut gelaunt und dampft wieder ab. Kurz darauf allerdings, teilt ein lauter, spitzer Schrei die angenehme Ruhe nach unserem üppigen Mahl.

"Oh nein!", keucht Mama. "Ich habe ganz vergessen, ihr zu sagen, dass Meilo ihr was mitgebracht hat."

"Den Pappaufsteller?", rate ich.

"Den auch", schnauft sie.

"MAMA! MAAAMA!" Wie ein Orkan bläst das Sturmtief Nicole in die Küche zurück, und wirbelt dabei alles durcheinander, was sich ihr in den Weg stellt. "Wo kommt das alles her? Wo?!"

"Meilo war vorhin da", kläre ich sie auf.

"AHHHHH!!!" Oh bei allen Göttern!

"Hör mit dem Geschrei auf!", platzt es aus Papa und mir gleichzeitig raus.

"Tut mir leid aber ... Ohh Scheiße!" Ihr Mundwerk passt sich meinem immer mehr an. Ob das so gut ist? "Sind die echt?"

"Was ist echt?"

"Die Unterschriften!" Meilo hat ihr den Pappkameraden unterschrieben? Wenn er wüsste, was er damit angerichtet hat.

"Meilo hat sie sicher nicht gefälscht", antworte ich wahrheitsgemäß.

"Das heißt ... Keith hat ..." Ihr Gesicht wird ganz bleich.

"Nicole? Du wirst doch nicht wieder ohnmächtig werden?" Ich sitze auf Habachtstellung.

"Wie, ohnmächtig?" Papa guckt erst mich, dann Nicole fragend an.

"Ist zu kompliziert zu erklären", winke ich ab. Und an Nicole gewandt "Was hat dir Meilo denn alles mitgebracht?"

"Na alles!", presst sie hysterisch hervor. "Ohhh Niclas! Ich liebe deinen Freund!" Mir wird die Luft aus dem Oberkörper gepresst. Nicole hat mich angesprungen und hängt wie eine Klette an mir.

"Schön das du ihn liebst", fiepse ich. "Trotzdem gehört er mir." Außerdem wusste ich schon vorher, dass sie meinem Liebsten bis in die Haarspitzen verfallen ist. ... Mir wird übel.
 

Nicole stößt noch einen quietschenden Schrei aus, dann zischt sie zurück in ihr Zimmer. "Nicole? Dein Abendessen!"

"Lass sie. Die braucht nichts", sage ich zu Mama.

"Das ist mir doch egal! Das Fräulein isst gefälligst was! Bei ihrer Freundin hat sie mit Sicherheit wieder nur Süßkram genascht."

"Mach was auf ihren Teller, ich bringe es ihr. Aus ihrem Keith Kandyce Schrein bekommst du sie die nächsten Tage sowieso nicht mehr raus." Mama resigniert und übergibt mir einen mehr als gut gefüllten Teller.

Damit bewaffnet klopfe ich an ihre Tür. "Ja?"

"Zimmerservice." Sie gibt einen sehr merkwürdigen, kaum identifizierbaren Laut von sich, deshalb wage ich es einfach mal, und trete ein. "Mama will, dass du noch was isst, bevor du ... Ach du heilige Scheiße!" Beinahe geht mir der Teller flöten. "WAS ist das alles?!"

"Das hat Meilo gebracht", antwortet Nicole mit hochrotem Kopf. "Ich bin im Himmel." Und ich in der Hölle. Der Keith Kandyce Hölle.

"Er hat dir alle acht Aufsteller mitgebracht?"

"Und alle unterschrieben", wispert meine Schwester ehrerbietig, alle acht Aufsteller sind um sie herumdrapiert. Sie ist umzingelt von meinem geschminkten Schatz. "Keith hat sie alle angefasst. Oh Niclas! Ich glaub's nicht!"

"Ich auch nicht."

"Und schau mal hier! Das ist alles Merchzeug!" Nicole, die sich gerade auf den Boden hockt, zieht eine Kiste zu sich ran. Auch sie ist gefüllt mit allem möglichen Kram. "Buttons! Guck doch mal! Ganz viele!"

"Sehr schön", murmle ich. "Iss doch erst mal. Bevor alles kalt wird."

"Keinen Hunger!", stöhnt sie und inspiziert weiterhin die Kiste.

"Iss jetzt. Sonst wird Mama sauer und verfrachtet das ganze Zeug in den Keller."

Erschrocken schaut Nicole zu mir auf. "Das macht die nicht wirklich?"

"Falls du weiterhin jegliche Nahrungsaufnahme verweigerst, fürchte ich schon." Das wirkt. Nicole tut sich am Abendessen gütlich, und himmelt währenddessen die acht Keith-Pappaufsteller an. Ich muss Meilo anrufen!
 

***
 

"Na endlich! Warum gehst du denn nicht ans Handy?"

/Sorry. Gerd war da./ So eine Scheiße!

"Ach so", seufze ich. "Ist er wieder weg?"

/Eben gerade./ Wenigstens etwas. /Ich bin so kaputt! Wenn ich nicht bald einen Tag frei bekomme, klappe ich noch zusammen./

Erschrocken presse ich mir das Handy gegen mein Ohr. "So schlimm? Dann sag das deinem Manager doch!" Was machen die nur mit ihm? Verbrecher!

/Habe ich bereits. Er schaut nach, was er tun kann./

"Toll! Das bedeutet, er tut gar nichts!" Ich bin so sauer!

/Beruhige dich, Liebling. Es ist ja nicht mehr für lange./

"Lange genug", knurre ich. "Soll ich kommen? Ich kann mir im Weinkeller bestimmt zwei, drei Tage frei nehmen."

/Das wäre schön, aber wir hätten gar keine Zeit füreinander./

"Aber vielleicht kann ich dir ein bisschen zur Hand gehen. Koffer ein- und auspacken, und sowas."

Meilo schmunzelt. /Du bist so süß./

"Ich meine das ernst!" Süß! Also sowas!

/Ich weiß, und es ist lieb von dir, aber wenn dich Gerd sieht, gibt es nur Stress. So ist es einfacher./

"Wenn du meinst." Es macht mich richtig traurig, dass ich nicht zu ihm kann, obwohl es ihm hörbar schlecht geht. "Mal was anderes", lenke ich das Gespräch auf ein anderes Thema. "Meine Schwester ist vorhin total ausgeflippt."

/Ja? Das freut mich./

"Ganz ehrlich? Ein bissen übertrieben hast du schon."

/Ach was! An die Dinger komme ich ohne Probleme dran. Die stehen nach den Werbeaktionen nur im Weg herum./

"Unterschrieben?"

/Wenn schon, denn schon, dachte ich mir/, lacht Meilo müde. /Irgendeinen Nutzen muss deine Schwester doch davon haben, dass du mit ihrem Lieblingssänger in die Kiste steigt./

"Gut, dass ich das jetzt nicht gesagt habe." Meilo kichert leise. "Ich würde mit Freuden die Pappaufsteller bei dir 'abarbeiten', aber das klappt ja nie."

/Wem sagst du das/, ächzt mein Schatz. /Ich bin jeden Abend am nachschauen, ob nicht doch irgendwo ein kleines Zeitfenster ist, aber der kurze Besuch bei dir heute Mittag war bis jetzt die einzige Chance./

"Und die Autogrammstunde im November", erinnere ich ihn. "Spätesten da sehen wir uns wieder."

/Du willst wirklich kommen?/

"Sicher."

/Mit Nicole?/

"Ich fürchte ja." Sie würde es mir nie verzeihen, wenn ich sie nicht mitnehmen würde. Hinterher bin ich wieder in irgendeiner Zeitschrift abgebildet, und zwar so, dass sie mich erkennt.

/Schon einen Plan, wie wir das anstellen?/

"Habe ich!", bestätige ich erfreut. Mir ist da tatsächlich was eingefallen. "Ich buche uns ein Zimmer in deinem Hotel und schleiche mich Nachts zu dir."

/Und du meinst, das funktioniert?/

"Warum nicht? Was soll da schon schief gehen?"

/Wenn du Nicole vorher sagst, wer ich bin, dann nicht viel./

"Ha ha", brumme ich. "Ich dachte, wir sagen es ihr zusammen."

/Vielleicht komme ich ja vor November nochmal zu dir/, schießt er zurück.

"Hoffentlich." Mittlerweile würde ich dafür sogar den Zoff mit Nicole in Kauf nehmen. "Dich heute nur so kurz gesehen zu haben, war pure Folter."

/Ach Sweetheart. Ich wünschte auch, ich hätte wenigstens für eine Nacht bleiben können./ Wäre das schön gewesen. Dann läge er jetzt bei mir ... /Sag mal, warst du heute schon an deinem Laptop?/

"Nein", antworte ich stutzend. "Wieso fragst du?"

/Ich habe dort was für dich versteckt./

"Das sagst du mir jetzt erst?" So schnell wie jetzt war ich noch nie an meinem Schreibtisch. Gespannt klappe ich meinen Laptop auf. Zum Vorschein kommt eine selbst gebrannte CD, die in einer einfachen Papierhülle steckt. "Was ist das?"

/Für dich. Die ersten Demosongs, die nicht unter Keith Kandyce veröffentlicht werden/, sagt Meilo.

"Du willst, dass ich sie mir anhöre?"

/Wer sonst, wenn nicht du?/, lacht er. /Schließlich bist du meine Hauptinspirationsquelle./ Ich bekomme wahnsinniges Herzklopfen. Das mal jemand Songs für mich schreiben würde, daran hätte ich vor einem halben Jahr noch nicht mal im Traum gedacht!

"Danke", wispere ich ehrfurchtsvoll und halte die kleine Scheibe dabei in meinen Händen. "Ich höre sie mir nachher gleich an."

/Ich bin gespannt auf deine Meinung. Es sind noch Rohfassungen und ich habe sie unplugged eingesungen, nur mit Gitarrenbegleitung, aber so in etwa werden sich die fertigen Stücke anhören./

"Wenn das so ist, dann werde ich dir offen und ehrlich meine Meinung kund tun", verspreche ich meinem Schatz. Ich bin wirklich gespannt auf die neuen Songs. Und ich bin mir sicher, Keith Kandyce wird daneben uralt aussehen!
 

***
 

"Verdammt ist die schwer! Was ist denn da drin?"

"Italienischer, geräucherter Schinken", stöhnt Jean, der zusammen mit mir eine große Holzkiste vom Lager ins Geschäft trägt. "Eine Sonderbestellung."

"Wieso? Weil sie besonders viel wiegt?" Scheiße, ist der Schinken schwer! "Uff!" Ich bin so froh, als wir die Kiste endlich abstellen können!

"Nein", ächzt Jean, der sich streckt und mit verzehrter Miene seinen Rücken tätschelt. "Ein Restaurant in der Innenstadt ordert ihn öfter. Die brauchen größere Mengen. Deshalb die riesige Kiste."

"Wäre es nicht besser, sie in drei kleineren Kisten zu packen?"

"Ich werde den Vorschlag an KP weitergeben."

"Tu das, bevor unsere Wirbelsäulen völlig hinüber sind. ... Au!" Das hat gekracht im Kreuz.

"Na? Schon im knackigen Alter Nic?" Clem lacht sich eins ins Fäustchen.

"Lach du nur! Wenn die den Schinken abholen, greifst du mit an."

"Kein Problem. Ich schaff das." Tzäh! Muss ich jetzt extra erwähnen, dass er immer noch die Bohnenstange ist, die er schon bei unserer ersten Begegnung war?

Clem versucht wirklich alles, um irgendwie an Gewicht zuzulegen. Muskelmasse versteht sich. Fett will ja wohl keiner ansetzen. Aber Clem kann machen was er will, er ist und bleibt eine dürre Spargelstange. Auf der anderen Seite mag das zwar praktisch sein, aber als dürrer Hämpfterling bezeichnet zu werden ist auch nicht schön.

"Mach was du willst", seufze ich und strecke ebenfalls den Rücken noch ein paar Mal durch. "Ich trag die Dinger keinen Meter mehr." Clem lacht, während draußen lautes Motorenbrummen zu vernehmen ist, das abrupt aufhört. Einen Augenblick später stiefeln Ingo und Ed in den Laden. "Hallo ihr zwei!", begrüße ich meine beiden Kumpels. "Was sucht ihr den hier?"

"Deinen Angestelltenrabatt", scherzt Ingo und grinst in seiner typischen verschmitzten Art. "Wir brauchen einen guten, teuren Wein."

"Für was denn?", will ich wissen.

"Wir fahren morgen zu meinen Eltern", murmelt Ed. "Ingo will meine Mutter beeindrucken."

"Na wenn das so ist, übergebe ich euch unserem unübertroffenen Weinkenner Jean. Der hilft euch am besten in dieser Angelegenheit." Jean kümmert sich sofort um Ed und Ingo, und ich schlurfe an die Theke, wo ich mich geschafft dagegen lehne. "Ich bin KO", hauche ich müde.

"Lange Nacht gehabt?" Ich nicke. "Zis zis zis. Weiß dein Lover was davon?"

"Das hoffe ich. Mein Lover war nämlich an der langen Nacht schuld."

"Er war da?"

"Nein", grummle ich. "Wir haben lange miteinander telefoniert."

"Ah ja. Teleonanieren ist der Fensterkitt jeder Fernbeziehung."

"TeleFONIERT", verbessere ich ihn. "Zu mehr waren wir beide nicht mehr fähig."

"Oh. Mein Beileid." Idiot! "Was war denn?"

"Nichts war. Diese Scheiße nervt einfach. Immer nur telefonieren ... Ich hasse inzwischen dieses saudämliche Telefon." Clem schenkt mir einen mitleidigen Blick. Genau das hat mir noch gefehlt! "Guck nicht so. Mir geht es schon mies genug."

"Wie lange habt ihr euch jetzt nicht mehr gesehen?"

"Seit seinem Kurzbesuch sechs Tage nicht mehr."

"Tragisch! Und richtig zusammen wart ihr da auch nicht."

"Du sagst es", jammre ich und stütze mich mit den Ellenbogen auf der Theke ab. Ist ja kein anderer Kunde hier, außer meine beiden Nachbarn. "Ich sterbe noch."

"Hier und jetzt?" Ingo patscht mir auf den Rücken.

"Ja, hier und jetzt." Und wenn er nochmal so fest auf mich eindrischt, an einem gebrochenen Rückgrat.

"Das macht bei der Kundschaft aber keinen guten Eindruck. Stell dich mal gerade hin!" Clem, sowie Jean fangen an zu lachen.

"Ha, ha. Lacht nur einen armen, einsamen Mann aus." Schmollend mache ich Platz, damit Jean die Weinflasche als Geschenk verpacken kann. Gelangweilt schaue ich ihm dabei zu, da vibriert es plötzlich in meiner Hose.

"Bei dir brummt es", kichert Ingo. "Ist das meinetwegen?" Süffisant grinsend schmiegt er sich an meine Seite.

"Wegen dir?", lache ich gestelzt auf und zücke mein Handy. "Träum weiter! Falls es wegen einem hier im Laden in meiner Hose brummt, dann nur wegen Ed." Ha! Ingo zieht einen Schmollmud.

"Ihhh!" Clem schüttelt sich und hält sich die Nase zu.

Grinsend schüttle ich den Kopf, und gucke dann nach, wer mir eine Nachricht geschickt hat. "Von Meilo!" Oh Freude! Ich öffne die SMS und beginne zu lesen, doch "Hä? Was soll das denn?"

"Schlechte Nachrichten?" Ingo schenkt mir einen fragenden Blick.

"Ich habe keine Ahnung", antworte ich wahrheitsgemäß und starre auf die Zahlen und Buchstaben, die mir weder was sagen, noch einen Sinn für mich ergeben.

"Zeig mal!" Ingo pflückt mir mein Mobiltelefon aus der Hand und studiert die Nachricht. "Das sind Koordinaten", erklärt er.

"Was will ich mit Koordinaten?", frage ich mich. Jetzt gucken sich auch die Anderen diese komischen Koordinaten an. "Und warum schickt mir Meilo die?"

"Vielleicht war das ja gar nicht für dich bestimmt", überlegt Clem.

"Warum sollen die nicht für ihn bestimmt sein?", wendet Ed ein.

"Ich schau mal, wo die hinführen." Ingo kramt sein eigenes Handy hervor.

"Das kannst du?"

"Klar!", sagt er zu mir. "Wenn wir Touren fahren, dann meist mit Zielkoordinaten."

"Ach so." Gut, dass Ingo sich auskennt.

Er gibt alles in sein Handy ein, wobei ich ihm interessiert über die Schulter schaue. "Woll'n doch mal sehen ... Er sucht noch." Es dauert etwas, doch dann baut sich ein Bild auf.

"Das ist ein Wald", stelle ich fest. "Was soll das?"

"Ich zoom mal näher ran." Viel hilft es nicht, aber man erkennt was zwischen den Baumkronen. "Das könnte ein Haus sein."

"Ein Haus? Im Wald? Meilo schickt mir Koordinaten, die zu einem Haus im Wald führen?" Wieso sollte er das tun?

"Vielleicht ist Meilo entführt worden und wird dort gefangen gehalten!" Entgeistert wandern unsere Blicke zu Clem, dem dieser bescheuerte Gedanke gekommen ist. "Was denn? Könnte doch sein?" Er zuckt mir den Schultern.

"Und da schickt er Niclas einfach die Koordinaten, anstatt gleich bei der Polizei anzurufen", meint Ingo kopfschüttelnd.

"Ruf Meilo an, dann weißt du es", sagt Ed in seiner ungerührten Art.

"Das ist bestimmt das Beste", segne ich seine glorreiche Idee ab. Es tutet bloß ein mal, dann wird schon abgehoben. "Meilo?"

/Hast du meine SMS bekommen?/

"Ja, aber was soll ich damit anfangen? Was ist das für ein Haus im Wald?"

/Ah gut! Du hast es schon gefunden? Dann setz dich ins Auto und fahr los./

"Losfahren?" Ich kapiere langsam gar nichts mehr. "Was ist denn da?"

/Oh du Dussel!/, lacht Meilo auf. /Beeil dich. Je länger du brauchst, desto weniger Zeit haben wir./

"Moment mal! Heißt das etwa, dass d..."

/Komm einfach, ja? Und das ein bisschen flott. Näher als jetzt komme ich dir vorerst nicht mehr. Die Chance müssen wir nutzen./ Verdattert lege ich mir eine neue Frage zurecht, aber Meilo hat schon aufgelegt.

"Ich soll dort hin kommen", sage ich leise und noch immer ganz diffus.

"Zu Meilo?", fragt Clem.

"Ja. Anscheinend ist er dort. In einer Hütte mitten im Wald und wartet auf mich."

Clem schnappt nach Luft und klatscht in die Hände. "Wie romantisch!", japst er. "Was wartest du da noch? Fahr schon los!"

"Ja aber ... Meine Arbeit?"

"Scheiß auf die Arbeit! Es ist kaum was los, und du hast morgen doch sowieso frei. Ich springe für dich die nächsten Stunden einfach ein. Und Jean ist auch noch da. Los! Fahr!" Clem wedelt mir seinen Händen.

"Wirklich?"

"Jetzt frag nicht so blöd, sondern setz deinen Hintern in Bewegung", schaltet sich Jean ein.

"Und wohin? Ich brauche die Adresse! Ich hab gar kein Navi dabei und ..."

"Zieh dich um, ich leih dir meins", unterbricht Ingo mich.

"Na wenn das so ist. ... Danke Leute!" Ich fahre zu Meilo!!!
 

Umgezogen bin ich schnell. Zurück im Laden, drückt Ingo mir sein Navi in die Hand. "Das Ziel ist schon eingegeben. Einfach nur noch auf Start drücken, wenn du im Auto sitzt."

"Ist gut, danke. Falls du eins brauchst, klingle bei meiner Mutter, die soll dir meins geben. Das liegt auf meinem Schreibtisch."

"Ich komm schon klar. Mach endlich, dass du Land gewinnst."

"Und dass du mir deinen Meilo ja ordentlich flach legst!", brüllt Clem mir noch nach, als ich fast aus der Tür bin. Ich werfe ihm einen schnellen bösen Blick zu, dann spute ich mich.

"Und ob ich das werde, Clem", schmunzle ich. Aber das werde ich ihm nicht auf die Nase binden.
 

Laut Navi habe ich noch eine große Tour vor mir. Die Ankunftszeit liegt bei siebzehn Uhr. Früher werde ich auf keinen Fall an dieser Waldhütte ankommen. Das macht mich nervös. Hoffentlich muss Meilo nicht schon heute Abend wieder weg. Nicht, weil ich Angst habe, dass sich die lange Fahrt sonst nicht lohnen würde. Für Meilo würde ich bis ans Ende der Welt fahren, wenn er nach mir ruft, aber es würde mir das Herz zerreißen, falls wir uns wieder nur so kurz wie beim letzten Mal sehen könnten. Andererseits … Meilo würde mich sicher nicht stundenlang über die Straße jagen, wenn er gleich wieder weg müsste, oder?

Ich werde auf die Autobahn Richtung Süden gelotst Mein Ziel liegt irgendwo im Mittelgebirge. Streckenweise ist auf der Fahrbahn kaum was los, weshalb ich ordentlich Gas geben kann. Um mir ein wenig Ablenkung zu verschaffen, stelle ich den CD-Spieler an. Ich habe Meilos Demo-Tape laufen.

Seit ich sie bekommen habe, höre ich nichts anderes mehr, und bekomme jedes Mal, sobald sie läuft, weiche Knie. Seine Stimme ist unbeschreiblich, die Melodien wunderschön und die Texte einfach nur zum Dahinschmelzen. Würde ich nicht wissen, dass er größtenteils über uns singt, wäre ich jetzt eifersüchtig. Dass die Songs sich um uns drehen, dazu hätte ich ihn noch nicht mal fragen müssen, denn der Song Towing könnte eindeutiger nicht sein. Nicht nur ich habe sein Herz abgeschleppt, nein, auch er meins. Und als ob es nicht noch kitschiger gehen würde, singe ich die Texte auch noch lauthals mit. Ich bin rettungslos in meinen Gefühlen zu ihm verloren, aber es interessiert mich einen Scheiß! Und mal ehrlich: Wer schmilzt nicht dahin, wenn man von seinem Liebsten gleich eine ganze CD voll Liebesliedern bekommt? Ich kenne keinen, den das kalt lassen würde, auch wenn es meine meisten Freunde niemals zugeben würden.

Bis jetzt habe ich Meilo noch nicht gesagt, wie ich die Songs finde. Er hat auch noch nicht gefragt. Bestimmt ist er zu aufgeregt deswegen. Ein aufgeregter Meilo. Das bringt mich zum Grinsen. Dabei hat er gar keinen Grund zum Aufgeregt sein. Die Songs sind klasse. Und das sage ich nicht nur, weil Meilo mein Freund ist. Sein Keith Kandyce Gedudel gefällt mir so überhaupt nicht, aber das weiß er auch. Die neuen Songs sind ganz anders. Ich frage mich, wie sie wohl klingen werden, wenn sie fertig sind. Unplugged ist was ganz anderes, als sie fertig abgemischt mit allerlei Instrumenten zu hören. Jedoch kann ich mir nicht vorstellen, dass sie mir danach nicht mehr gefallen.

Love bite ist auch drauf. Gleich als erstes. Als Einstimmung sozusagen. Mittlerweile habe ich die Scheibe schon so oft gehört, dass ich die Texte beinahe komplett auswendig mitsingen kann. Natürlich nur, wenn ich alleine bin. Meine Gesangskünste halten sich in Grenzen, und mit Meilos Stimme kann ich schon mal gar nicht konkurrieren. Wie gut, dass mich niemand in Auto hören kann.
 

***
 

/Biegen Sie in fünfhundert Metern links ab./ Langsam bremse ich ab und schaue in den Rückspiegel. Niemand hinter mir. Dennoch blinke ich und sehe den schmalen Weg auf der linken Seite auftauchen. Im ersten Gang holpere ich die ersten Meter vorwärts. Ein ungeteerter Feldweg zwischen hohen Baumreihen. Selbst in Schrittgeschwindigkeit werde ich wie ein Cocktail durchgeschüttelt. Wenigstens bedeutet das, dass ich bald da sein werde.

Es wird auch Zeit, denn inzwischen ist es schon halb sechs. Ich habe, dank eines schönen Staus, länger gebraucht als vorgesehen. Was bin ich froh, wenn ich endlich aus meinem Auto steigen kann!

Ich holpere Stück für Stück weiter, während ich überlege, wie Meilo bloß auf so einen Ort gekommen ist. Abgelegener geht es nicht mehr, kann ich da nur sagen. /In fünfzig Metern haben Sie ihr Ziel erreicht/, blökt Jeans Navi nasal. Ich halte die Augen offen. Hier irgendwo muss diese dubiose Hütte sein ... Und dann sehe ich sie. Links neben mir, hinter dicken Baumstämmen und verwilderten Büschen, taucht sie auf.

Ich bleibe stehen und schaue mich um. Die Hütte ist nicht allzu groß. Sieht aus, wie eine etwas zu groß geratene Jagdhütte, oder so was. Nur will zu diesem Bild das große Schild davor nicht so recht passen, auf dem steht: Zu Vermieten. Und darunter prangt eine Handynummer. Wer, bitte schön, verirrt sich hier her, um ein zu vermieten Schild zu suchen? Wie auch immer, Meilo hat es anscheinend gefunden, sonst stände ich jetzt nicht hier.

Ich fahre skeptisch an der Hütte vorbei. Von Meilo ist nichts zu sehen, bis ich sein Auto sehe, dass schräg hinter der Hütte steht. Ich bremse ab und stelle meinen Wagen daneben. Das Navi noch schnell im Handschuhfach verstaut, steige ich aus und schließe ab.

Langsamen Schrittes laufe ich wieder vor auf den Weg und starre auf die dunkle Holzfassade. Gelbgoldene Sonnenstrahlen bahnen sich ihren Weg durch die oberen Baumreihen. Vögel zwitschern. Ansonsten ist alles ruhig. Richtig angenehm nach der langen Fahrt. Meine Ohren freuen sich über diese Ruhe.

"Meilo?" Ob er drinnen ist? Muss ja so sein, also steige ich die fünf Stufen hoch, die auf eine Art Veranda führen, und klopfe an die Tür. "Meilo?!" Immer noch nichts zu hören. Ich wage mein Glück und siehe da, die Tür ist offen. Vorsichtig trete ich ein.

Es ist dunkel in der Hütte. Das liegt nicht nur an der dunklen Holzverkleidung, sondern auch daran, dass die Sonne kaum bis hier her durchdringt. Die Bäume rings um die Hütte herum sind einfach viel zu dicht. "Meilo? Bist du hier?" Ich überlege, ob ich die Tür hinter mir schließen soll. Was, wenn Meilo doch nicht hier ist? Urplötzlich komme ich mir vor wie in einem billigen Horrorstreifen. Mich überläuft eine Gänsehaut. Zusammenreißen Mann! Du bist in keinem Horrorfilm! Mach dich nicht lächerlich!

Um mir selbst meinen Mut zu beweisen, schließe ich entschlossen die Tür und wage mich tiefer ins Dunkel der Hütte. Ein Wohnzimmer tut sich vor mir auf. Es ist altmodisch eingerichtet, hat dadurch jedoch seinen ganz eigenen Charme. Richtig urig hier. Ich seufze und schaue mich weiter um. "Wo bist du?", rufe ich. "Meilolein?" Hinter mir knarrt etwas. Ich drehe mich um, in der Hoffnung, Meilo zu sehen, doch da ist nichts. "Hör auf mich zu veralbern. Komm raus jetzt!" Wo ist er nur?

Wieder knarrt es. Diesmal rechst von mir. Ich drehe mich wieder zu der Geräuschquelle, als sich was seitlich um meinen Oberkörper schlingt. "AHH!" Ich stolpere nach vorn, aber ich werde unbarmherzig festgehalten, herumgewirbelt und mit dem Rücken voran gegen ein Regal gedrückt. Lippen legen sich auf meine. Ein harter, heißer Körper presst sich an mich. Keuchend schiebe ich mich dichter an ihn ran und öffne meine Lippen, damit die um Einlass bittende Zunge hineinschlüpfen kann.

Der Kuss endet erst, als wir beide keine Luft mehr bekommen, und eine Zwangspause einlegen müssen. "Musstest du mich so erschrecken?", frage ich Meilo japsend.

"Ich musste sicher gehen, dass du es bist", schmunzelt er.

"Sag bloß, du erkennst meine Stimme nicht." Jetzt bin ich beleidigt.

"Wer weiß? Vielleicht steckt in dir ja ein böser Wolf, der mich fressen will."

Ich lecke mir grinsend über die Lippen. "Fressen werde ich dich auf jeden Fall. Auch ohne Wolf in mir."

"Hnnn ... Versprochen?"

"Darauf kannst du einen vergifteten Apfel nehmen!"

"Lieber nehme ich dich", raunt mir Meilo zu und stößt mit seiner Hüfte nach vorn.

"Und wie ich sehe, bist du schon dazu bereit." Wieso fällt mir erst jetzt auf, dass Meilo, bis auf eine sehr knappe Panty, nackt ist?

"Ich wollte uns Zeit sparen."

"Gute Idee", lache ich und pelle mich sogleich aus meinem Shirt. Meilo hilft mir und wirft es hinter sich. "Wie bist du eigentlich auf die Idee mit dieser Hütte gekommen?", frage ich ihn, während ich mit den Handflächen über seine glatte Brust streichle. Ich hab schon fast vergessen, wie sich das anfühlt ...

"Nachher. Auf Reden habe ich jetzt vorerst keine große Lust", antwortet Meilo mir und öffnet den Knopf meiner Hose. Ein leises zirpen, und mein Hosenstall ist auch offen.

"Überredet", seufze ich, lege meine Arme um Meilos Oberkörper und wackle mit den Hüften, damit meine Jeans nach unten rutscht.
 

Meilo verschließt mir den Mund. Seine Hände zupfen am Bund meiner Unterhose. Der leichte Schmerz dabei, als der Gummibund gegen meine Haut schnalzt, lässt meine Haut erregend prickeln. "Runter damit", keuche ich gegen Meilos Mund. Und um ihn zu zeigen, wie ich das meine, schiebe ich Meilos Höschen rabiat mit einem Ruck nach unten. Meilo kichert und folgt meinem Beispiel.

Dicht aneinandergepresst stehen wir nun völlig nackt an das Regal gelehnt, küssen und streicheln uns wie zwei ausgehungerte Tiere. Eigentlich sind wir das ja auch: Ausgehungert und gierig nach dem Anderen. Wir waren einfach viel zu lange voneinander getrennt!

Meilos Hände kneten meinen Hintern. Ich überkreuze meine Arme hinter seinem Nacken und hebe ein Bein an. Mein Schatz begreift sofort, schiebt seine Hände nun tiefer und hebt mich hoch. Sofort schlinge ich meine Beine um seine Taille.

Ich werde ein weiteres Mal herumgewirbelt und davongetragen. Wohin, weiß ich nicht. Aber ich vertraue darauf, dass wenigstens Meilo weiß, wohin unsere Reise geht. Lange dauert sie nicht und ich falle rückwärts auf etwas federndes. Ein Sofa, wie ich mit einem kurzen Blick feststelle.

"Hier?", japse ich und klammere mich weiterhin an Meilos Körper.

"Nur für die erste Runde." Meilo grinst frech und reibt sein Becken an mir. Ich würde gern wissen, wie die erste Runde aussieht, aber mein Mund wird wieder belagert, sodass ich ihn nicht fragen kann. Dann lasse ich mich eben überraschen.

Nicht überraschend ist allerdings, dass sich Meilo nach seiner Knutschattacke postwendend an meinem Hals zu schaffen macht. Knutschfleck um Knutschfleck verpasst er mir, und was tue ich? Ich liege nur da und kann mich so gut wie gar nicht rühren, weil dieser Frechdachs von Meilo meine Handgelenke umfasst hält, und neben meinen Kopf auf die Couch pinnt. Ich bin ihm wehrlos ausgeliefert. Mir bleibt nur eins übrig, mein Becken hungrig nach mehr gegen Seins kreisen zu lassen.

Ich bin bald so spitz, dass ich Meilo regelrecht anflehe, endlich zu handeln. "Noch nicht", wispert er gegen meine feuchte Haut. "Zuerst ist dein Oberkörper dran." Ohh verflucht! Ich bin gefangen zwischen Himmel und Hölle. Meilo, du Aas!

Mir wird immer heißer, und als sich Meilos Zähne an meinen Brustwarzen zu schaffen machen, zerfließe ich fast. "Oh bitte Meilo! Bitte mach endlich was!" Ich war zu lange auf Entzug. Geht es ihm denn nicht genauso?

"Ich steh drauf, wenn du bettelst, my Sweetheart", gluckst er und rutscht ein ganzes Stück tiefer.

Keine Ahnung, was er jetzt wieder vor hat, aber er soll es schnell machen! Und ich wette, das wird er auch …
 

*
 

Nach einer sanften Landung liegen wir, erschöpft aber glücklich, aneinander geschmiegt auf dem schmalen Sofa.

Meilo, der sich wieder umgedreht hat, presst sein Gesicht in mein Haar und krault sanft mit seinen Fingernägeln über meinen Arm, während sein anderer Arm sich um meine Schulter gelegt hat. Das seichte Kribbeln, das ich deswegen bekomme, lässt mich verträumt dahindämmern.

"Du glaubst nicht, wie sehr ich dich vermisst habe", flüstert Meilo in mein

Haar. "Einfach nur bei dir zu liegen ... Das ist so unglaublich schön."

"Geht mir auch so." Ich öffne die Augen, die ich bis eben noch geschlossen hatte, und starre gegen Meilos Brust. "Hoffentlich muss ich nicht wieder einen Monat lang auf dich warten."

"Dazu wird es nie mehr kommen", verspricht er mir, obwohl ich nicht weiß, wie er das anstellen will. Es ist nicht gesagt, dass die nächsten Wochen über nicht wieder was dazwischen kommt, sobald wir eine Chance haben, um uns zu sehen.

"Wie hast du das hier eigentlich hinbekommen?", frage ich ihn. "Hast du keine Termine heute?"

"Erst wieder morgen Mittag", erklärt er mir mit müder Stimme.

"Und dein Manager? Was hast du dem gesagt?"

"Dass ich eine Panne hatte und mein Wagen erst heute Abend repariert wird."

"Du kleiner Lügner", schmunzle ich.

"Ich musste das tun. Wann sonst hätten wir uns wiedersehen können?" Wie wahr. Und ich bin froh, dass er es getan hat. So unglaublich froh ...

"Und wie bist du nun auf diese Hütte im Wald gekommen?"

Meilo lacht leise. "Du weißt doch, dass ich hin und wieder Nebenstraßen benutze, weil ich Autobahnen nicht leiden kann."

"Das hattest du mal erwähnt", entgegne ich. "Und wie gut, dass du das tust, sonst hätten wir uns womöglich niemals kennengelernt." Wäre sein Kühler auf der Autobahn geschrotet, dann hätte ich schon beim Pannendienst arbeiten müssen, um ihm über den Weg zu stolpern. Und weil das eher unwahrscheinlich ist, würde ich jetzt wahrscheinlich gar nicht bei ihm liegen. Ein wahrlich furchtbarer Gedanke!

"Heute Morgen war ich wieder auf einer Nebenstraße unterwegs, als mich die Natur rief. Also bin ich in einen Feldweg eingebogen, um mich zu erleichtern. Als ich weiter wollte, musste ich weiter geradeaus fahren, weil ich nirgendwo drehen konnte. Und da ist mir diese Hütte hier aufgefallen." So ist das also gewesen. "Das zu vermieten Schild sprang mir sofort ins Auge und ich musste die Gelegenheit beim Schopf packen. Ich wählte die Nummer auf dem Schild und ich hatte Glück. Für heute und Morgen gehört sie mir."

"Du bist mir einer!", lache ich auf. "Dein Plan hatte nur einen Nachteil."

"Und der wäre?"

"Hättest du mir nicht erklären können, was es mit diesen Koordinaten auf sich hatte?"

"Du hast es doch herausgefunden", entgegnet Meilo.

"Ja, dank meines Nachbarn, der wusste, was diese Zahlen und Buchstaben zu bedeuten hatten."

"Sorry", murmelt Meilo und küsst meine Schläfe. "Ich war nur so aufgeregt und dann noch der Zeitdruck. Der Plan war vielleicht nicht ganz ausgereift."

"Hauptsache, ich bin jetzt hier bei dir", sage ich zu ihm und richte mich auf. "Bekomme ich jetzt eine Führung durchs Haus?"

"Gerne. Lass uns bei der Küche anfangen. Ich hab Hunger!"

"Was zu Essen gibt es auch?", staune ich.

"Alles im Mietpreis mit inbegriffen", erklärt Meilo mir, steht auf und reicht mir die Hand. "Die Vermieterin hat mir extra was bringen lassen."

"Ein Hoch auf die Vermieterin!", juble ich, da mein Bauch auch eine kleine Stärkung gebrauchen könnte.
 

Wir ziehen uns wieder an und dann führt mich Meilo in die kleine Küche, die gleich neben dem Wohnzimmer in einer Niesche liegt. "Schnuckelig", bekunde ich. "Und alles da was man braucht."

"Beinahe", meint mein Schatz. "Heißes Wasser gibt es nur aus einem Gasboiler, und der Ofen geht auch nur mit Gas. Tja, und um uns heute über Nacht warm zu halten, gibt es draußen einen Stapel Holz hinterm Haus. Wir müssen den Kamin einheizen, wenn wir nicht erfrieren wollen." Oh je. Die Nächte sind schon ziemlich kalt um diese Jahreszeit. Und hier im Wald sind es sicher noch ein paar Grad kälter als in der Stadt.

"Wirklich? Kannst du das? Ich habe noch nie einen Ofen oder Kamin angefeuert."

"Echt nicht?"

"Nein." Meilo stutzt, fängt dann allerdings an zu lachen. "Was ist daran so lustig?"

"Nichts. Ich bin nur erstaunt. Selbst ich als Städter weiß, wie man einen Ofen anfeuert."

"Angeber!", zische ich, grinse aber dabei. "Dann zeig mir mal, was du kannst." Herausfordernd funkle ich ihn an.

"Gerne, aber zuerst zeige ich dir, wie man Feuer macht." Dieses Aas von einem Popsänger!

"Schön. Dann zeig, was du kannst. Mach's mir heiß", raune ich.

"Dann folge mir und lerne." Meilo geht voran, ich tapse hinterher. Er führt mich hinaus hinter die Hütte, dann drückt er mir Holzscheit für Holzscheit in die Hand. Als wir beide voll beladen sind, laufen wir zurück ins Innere und schichten die ganzen Holzstücke neben dem Kamin auf. Fasziniert schaue ich Meilo dabei zu, wie er an dem Kamin herumdoktort, hier eine Klappe öffnet, dort hineinschaut, dann ein paar Holzscheite aufstapelt, sowie Zeitungspapier dazu stopft.

"Sieht sehr gekonnt aus", staune ich. "Aber wie bekommst du das Holz dazu, dass es brennt?"

"Mit Feuer", antwortet er mir altklug.

"Ach nee!" Meilo lacht und zückt ein Streichholzschächtelchen. "Damit müsste es gehen, oder?"

"Weiß nicht." Ich zucke mit den Schultern. "Du bist der Ofenexperte. Sag du es mir."

Es zischt, als mein Schatz das Köpfen des Streichholzes an dem Kästchen entlangstreicht, dann entflammt es. "Abrakadabra ..."

"Zweimal schwarzer Kater", hauche ich im gleichen Tonfall wie Meilo. "Bis jetzt sehe ich aber noch kein Holz brennen." Einzig das Zeitungspapier krümmt sich unter den heißen Flammen.

"Das wird noch", verspricht Meilo und schließt die Ofentür. Sofort lodert das Feuer heftiger hinter dem Glas. "Siehst du? Jetzt zieht er von unten Luft und das sorgt dafür, dass das Feuer mehr Power bekommt."

"Wow. Power also."

"Ja, Power", lacht mein Herzblatt und steht auf. "Power, damit es heiß wird."

"Oho." Ich schlinge meine Arm um ihn. "Heiß ist immer gut."

"Ich weiß."

"Was du nicht alles weißt ..." Knutschen vor einem Prasselnden Kamin. Gibt es was Schöneres?
 

Nach einer ausgiebigen Knutscherei, wobei der Kamin wirklich gezogen hat wie Sau, und Meilo nochmal anlegen musste, durchsuchen wir nun die Küche nach was Essbaren. "Alles da", stelle ich fest. "Salat, Gemüse, Wurst, Käse ..."

"Konserven", ergänzt Meilo lachend und hält mir eine verstaubte Dose Aprikosen vor die Nase. "Die stand ganz hinten im Schrank."

"Ihh! Mach die weg."

"Vielleicht ist sie noch haltbar."

"Mir egal. Wirf sie weg!"

"Die gehört mir nicht. Da kann ich sie doch nicht einfach wegschmeißen."

"Meinst du, die Eigentümerin der Hütte will die noch essen?"

"Wer weiß?"

"Falls ja, kaufe ich ihr eine Neue. Damit holt sie sich nur irgendwelche Killerbakterien." Ich klaube mir die Dose und ab damit in den Mülleimer. "So. Und nun? Was essen wir?"

Meilo tippt sich aufs Kinn, schnappt sich dann das Gemüse und legt es auf die Arbeitsfläche. Fast schon routiniert holt er aus den Schränken zwei Schneidebretter, eine Pfanne und zwei Messer. "Bist du öfter hier?", frage ich ihn.

"Klar. Jedes Wochenende. Zusammen mit meiner heimlichen Affäre", foppt er mich.

Mit erhobener Augenbraue fahre ich mit dem Zeigefinger über den Griff des Küchenmessers. "So so ... eine Affäre hat du ..."

"Das war doch nur ein Scherz", winkt Meilo ab. Als ob ich das nicht gewusst hätte. "Ich habe mich hier umgeschaut, als du noch nicht da warst." Darauf wäre ich auch selbst gekommen.

Trotzdem bekommt er für den Lahmen Spruch einen noch lahmeren von mir draufgedrückt. "Solche Scherze machst du mal besser nicht, wenn ein scharfes Messer in meiner Nähe ist." Ich versuche bedrohlich auszusehen. Bei Meilo klappt das leider nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe, denn er ist schon wieder nur am grinsen.

"Du drohst mir?"

"Vielleicht ..."

Meilo greift sich eine Paprika und wäscht sie unter dem Wasserhahn ab, ehe er sich wieder mir zuwendet, die Paprika auf mein Schneidebrett legt und seinen Arm um meine Hüfte legt. "Dann bin ich ja froh, dass ich keine Affäre habe", gluckst er. "Na ja ... Genauer betrachtet bist du eigentlich meine Affäre." Das bringt mich zum lachen. Er hat recht! Ich bin seine Affäre. Er betrügt seine Plattenfirma mit mir.
 

Zusammen fangen wir an, alles zu schnipseln und wüst in die Pfanne zu geben. Was dabei rauskommen wird, bleibt abzuwarten. Aber eigentlich ist das Endergebnis relativ egal. Der Moment zählt. Es ist das erste Mal, dass wie beide so etwas wie Normalität zusammen haben. Das stelle man sich mal vor! Noch nie haben wir einen ganz normalen Tag miteinander verbracht, geschweige denn mal gemeinsam gekocht. Allein dafür hat sich die lange Fahrt hier her schon gelohnt. Alltag mit Meilo. Jetzt kann ich es erst recht nicht mehr erwarten, mit ihm zusammenzuziehen. Wie sehr ich mich auf einen stinknormalen Morgen mit ihm freue! Kaffee kochen, Brötchen aufbacken, im Bad um einen guten Platz vorm Spiegel kämpfen. Gott! Gleich fange ich an zu sabbern!

Am Ende unserer Kochaktion besteht unser Werk den Geschmackstest. Es schmeckt, und der Reis, den Meilo noch gefunden hat, rundet das wüst zusammengestellte Abendessen wunderbar ab. "Wollen wir draußen Essen? Auf der Veranda?", schlägt Meilo vor, als wir uns unsere Teller gefüllt haben.

"Gerne. Aber wir nehmen lieber eine Decke mit."

"Ist gut. Nimm du die Teller, ich hole eine Decke und lege nochmal Holz nach."

"Aye Aye mein Kapitän!"

Alles hinausgeschleppt, setze ich mich auf die Bank. Die Teller stelle ich auf einen Stuhl, der neben der Bank steht, und ziehe ihn so, dass wir bequem dran kommen. Es ist richtig frisch geworden. Hoffentlich kommt Meilo bald mit der Decke! "Hab ich einen Hunger!" Als hätte ich ihn gerufen. Meilo wirft mir die Decke zu und stellt eine Flasche Wasser auf die Bank. "Soll ich noch Gläser holen?"

"Nö. Ich war schon immer ein Flaschenkind."

"Das hatte ich schon irgendwie geahnt. So wie du saugen kannst ..."

"Danke für die Blumen, mein Schatz."

"Jeder Zeit wieder." Scherzbold!

Meilo setzt sich neben mich. Ich wickle uns in die Decke ein und danach machen wir uns über unsere kulinarische Kreation her. "Wir ruhig es hier ist, nicht wahr? Echt der Wahnsinn."

"Stimmt. Je dunkler es wird, desto ruhiger wird es."

"Meinst du, hier gibt es Rehe und Wildschweine?"

"Bestimmt."

"Dann lass uns lieber wieder reingehen, bevor es ganz dunkel ist."

Meilo schmunzelt. "Hast du etwa Angst?"

"Vor wilden Tieren? Da fragst du noch?"

"Die haben mehr Angst vor uns, als du vor denen. Die kommen uns schon nicht zu nahe."

"Sagte Meilo der Tierflüsterer." Meilo wackelt mit seinen Augenbrauen und führt sich die Gabel zum Mund. "Du bist unmöglich", kichere ich.

"Psssst! Sei still. Ich versuche Kontakt mit den Stechmücken aufzunehmen, damit sie uns in Ruhe lassen."

"Gute Idee", pflichte ich ihm bei. "Sag ihnen bei Gelegenheit, dass sie mich ab heute an für immer in Ruhe lassen sollen." Diese Mistviecher! Die lieben mein Blut. Zum Glück ist das Blutsaugen bald vorbei, sobald es kälter wird.

"Ich kann nur mit den Stechmücken vor Ort reden. Zuhause musst du das selbst übernehmen." Ich lasse die Gabel sinken und starre Meilo an, als hätte er sie nicht mehr alle. "Was?" Fragend guckt er mich an.

"Nichts", winke ich grinsend ab. "Iss endlich. Sonst wird es noch kalt." Höre ich mich gerade an wie meine Mutter?

Zu meiner Freude lässt er das Thema Tierkommunikation bleiben, sodass wir in aller Ruhe aufessen können. Danach kuschle ich mich an meinen Freund und ziehe die Decke bis hoch zu meinem Kinn. Nach und nach fallen mir die Augen zu. Wie gemütlich, wenn auch leicht frostig.

Meilos Finger kraulen sanft meinen Nacken. Seine andere hat unter der Decke meine gesucht und ihre Finger mit den meinen verschränkt. So könnte es doch für immer sein ... "Meilo?"

"Hm?" Er hört sich auch leicht verpennt an.

"Was hältst du davon, wenn wir jetzt unsere Handys im Wald verbuddeln und für immer hier blieben. Hier findet uns niemand."

Ich höre Meilo leise lachen. "Und von was leben wir?"

"Die nette Frau Vermieterin bringt uns doch bestimmt genug zu Essen."

"Und mit was bezahlen wir sie?"

"Mit Luft und Liebe", seufze ich.

"Gut. Ich gebe ihr Luft und du kümmerst dich um die Liebe."

"Pfffft!" Lachend hebe ich meinen Kopf an und öffne die Augen. "Wir könnten sie zuschauen lassen."

"Alles, nur das nicht!"

"Warum? Wir hätten doppelt gewonnen."

Meilo senkt den Kopf und legt seine Stirn gegen meine. "Sie würde dich nackt sehen."

"Und?"

"Ich will nicht, dass sie, oder irgendein anderer Mensch dich nackt sieht." Mein Bauch fängt an zu kribbeln.

"Du bist ganz schön besitzergreifend, kann das sein?"

"Warum glaubst du, markiere ich jedes Mal deinen Körper, hm?"

"Wenn das so ist ...", antworte ich, löse meine Hand aus seiner und zupfe den Kragen seines Hemdes nach unten. "Alles meins!" Knutschflecken ahoi!

Meilo lacht und drückt seine Lippen auf meinen Hinterkopf. "Lass uns drinnen weitermachen", flüstert er nach einer Weile. Seine Stimme ist ganz rau und nach einer näheren Prüfung finde ich auch den Grund dafür. Wie kann ein Kerl nur dermaßen bei Knutschflecken abgehen?

Wir raffen unseren Kram zusammen, legen ihn einfach in die Küche und machen uns auf den Weg nach oben. "Ist hier das Schlafzimmer?", frage ich ihn.

"Nein. Das Bad." Gut zu wissen. Aber ...

"Und wo schlafen wir? Doch nicht auf der Couch?" Bitte nicht!

"Nein", schmunzelt mein Schatz. "Das Schlafzimmer ist noch eine Etage höher." Er deutet auf eine Mischung aus Leiter und Treppe, die in einem kleinen viereckigen Durchgang endet. Zum Glück gibt es einen Handlauf, und es ist nicht allzu hoch, denn sonst sähe es schlecht für mich aus, dort hinauf zu kommen. Nicht mit meiner leichten Höhenangst.

"Ist ja wie in einem Abenteuerurlaub hier." Prüfend rüttle ich am Handlauf. Sieht stabil aus.

"Warte es ab. Es wird noch abenteuerlicher, wenn ich dich aus deinen Kleidern befreie."

"Dann nichts wie hoch!" Aber schnell, Höhenangst hin oder her! Ich lasse Meilo den Vortritt, denn was gibt es schöneres, als den Knackpo seines Freundes vor sich zu haben, wie er sich an einer Leiter emporarbeitet?

Als mein Meilolein oben ist, reicht er mir helfend die Hand und zieht mich ebenfalls hoch. "Wie putzig", lache ich. "Das ist ja ein Minischlafzimmer!"

"Aber völlig ausreichend, findest du nicht?"

"Doch. Das reicht allemal." Vor allem, weil wir sicher nicht viel Platz brauchen werden, wenn wir ineinander verschlungen auf dem Bett liegen. Obwohl ... Bett ist vielleicht zu viel gesagt. Hier, direkt unter dem Giebel, kann man nur in der Mitte aufrecht stehen. Das Bett, das viel mehr eine dicke Matratze ist, die am linken Ende des Raumes unter einem kleinen Fenster auf dem Boden liegt, ist gerade lang genug, dass wir darauf Platz finden dürften. Dafür ist sie aber schön breit. Nichtsdestotrotz sieht es richtig gemütlich aus. Kissen liegen parat und auch eine kuschelige Decke. Alles da, was man braucht. Inklusive Meilo, der sich just in diesem Moment das Oberteil vom Oberkörper streift, und dabei das absolute Highlight in diesem Raum ist.

Nein. Mehr brauche ich wirklich nicht.
 

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Love bite 23 - Nicht ganz nach Plan

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 23 - Nicht ganz nach Plan (Ohne Adult)

Love bite 23 - Nicht ganz nach Plan (Ohne Adult)
 

Boha! Was ist denn das für ein nerviger Weckton? Und so laut! Wo ist überhaupt das Scheißding? Und wer hat es gestellt?

Ich verziehe das Gesicht und taste blind neben mir herum. Auf meiner Seite ist nichts, was sich anfühlt wie ein Wecker oder Handy. Vielleicht auf Meilos Seite. Da ich sowieso halb auf ihm liege, kann ich problemlos alles abtasten, doch ich komme nicht weit. Eine Holzwand versperrt mir den Weg. Hier kann das Mistding gar nicht sein. Ist es dann doch bei mir?

Verärgert öffne ich jetzt doch die Augen und stelle fest: Das ist kein Wecker, da da piepst. Das sind Vögel! Echte, lebendige Vögel!

Wie dumm von mir. Die Hütte steht mitten im Wald. Kein Wunder, dass die Tierwelt am frühen Morgen so einen Terror schiebt. Das Viehzeug wird sogar noch vor den ersten Sonnenstrahlen munter und kümmert sich einen Scheiß um uns arme Menschen, die die ganze Nacht durchgevögelt haben. Ha! Vögel, vögeln, ihr versteht? Kommt das Wort vögeln daher? Davon, von dem lauten Zwitschern der Vögel aufgeweckt zu werden, nachdem man Nachts die Glocken hat läuten lassen? Falls ja, ich kann den armen Tropf nun verstehen, der das Wort daraufhin erfunden hat.

"Meilo?" Ich werfe einen Blick auf meinen Mann. Der pennt noch immer seelenruhig und obwohl die Vögel da draußen echt unverschämt laut sind und mich geweckt haben, ziehen sich meine Mundwinkel nach oben. Meilo liegt in der sanften Morgensonne. Ich muss unbedingt darauf achten, dass unser Schlafzimmer Morgensonne hat. Ich liebe es einfach aufzuwachen, und danach so einen Anblick zu haben!

Ich kuschle mich wieder an ihn und schmuse mit den Lippen über sein Ohr. Er murmelt leise, seufzt und dreht seinen Kopf weg. Belustigt schaue ich dabei zu, wie er daraufhin die Stirn runzelt und den Kopf wieder herumdreht, denn die Sonne hat ihm genau ins Gesicht geschienen. Jetzt kann ich ihm genau ins Gesicht schauen.

Vorsichtig puste ich ihn an. Wieder ein Stirnrunzeln. Sonst nichts. "Meilo ...", flüstere ich und puste noch einmal. Nichts. Hm. Und nun? Ehe ich lange überlegen muss, habe ich auch schon einen neuen Plan. Ich stupse mit meiner Nase gegen seine. Tja. Meilolein wird jedoch auch davon nicht wach. Dann eben mit Zunge. Überraschenderweise reagiert er darauf, brummelt schon wieder was Unverständliches und wirft sich auf die andere Seite. Pech nur, dass er dadurch wieder in der Sonne liegt. Aber mein schlafender Liebling weiß sich zu helfen. Er angelt sich ein Kissen und legt es sich auf den Kopf. Beeindruckend. Na dann mache ich mich eben über seinen Rücken her.

Ich lüpfe die Decke und betrachte das Tattoo. Die Linien sind doch geradezu dafür gemacht, um sie nachzuzeichnen, oder? Zuerst streife ich mit meinem Zeigefinger die Linien entlang, was Meilo dazu bringt, immer mal wieder mit der Schulter zu zucken. Ich grinse wie blöde. Da geht eindeutig noch mehr! Ich rutsche dichter an Meilo ran und fange an, mit Zunge und Mund über das gestochene Muster zu wandern. Ein Knurren ist zu hören, dann so etwas ähnliches wie ein Schnarchen. Verwundert horche ich weiter, höre aber nichts mehr. Pennt der wieder? Um das herauszufinden rutsche ich tiefer und ziehe die Decke noch ein Stück weiter nach unten.

Das Tattoo gerät kurz in Vergessenheit. Meilos Hintern strahlt richtig im Sonnenlicht. Die kleinen hellen Härchen sehen so weich aus ... Ich muss ihn einfach anfassen! "Was wird das Nic?" Als hätte ich mich verbrannt, ziehe ich die Hand von Meilos Po.

"Nichts!", japse ich und frage mich im selben Moment, warum ich versuche mein Tun zu verheimlichen.

"Das fühlte sich aber nicht nach nichts an", lacht er verschlafen und dreht sich wieder auf den Rücken. Das Kissen, das er auf seinem Gesicht hatte, fliegt auf die Seite. "Hattest du gestern Nacht noch nicht genug?"

"Auch wenn du mich das öfter fragst, hier nochmal meine Antwort: Nein, von dir niemals."

Meilo grinst und kratzt sich am Kinn. "Sag mal, haben die Vögel irgendwas geraucht, oder warum sind die so laut?"

"Das habe ich mich auch schon gefragt", antworte ich und robbe wieder dichter an Meilo ran. Ich lege meinen Arm um seinen Bauch und den Kopf auf seine Brust. "Die haben mich geweckt."

"Und deshalb musstest du mich wecken?"

"Ich konnte nicht anders. Du siehst morgens immer zum Anbeißen aus!"

"Okay", kichert Meilo. "Das ist gut zu wissen."

"Wieso?"

"Nur so." Ich schaue ihn fragend an, aber ich erkenne schon an seinem Gesichtsausdruck, dass er mir nicht mehr verraten wird. Dann eben nicht.

"Wie spät ist es eigentlich?", möchte ich wissen. Meilo zuckt mit den Schultern. "Dann suche ich mal mein Handy." Irgendwo hier muss es sein. Ich stehe auf und durchwühle unsere Kleidung, die auf dem Boden verteilt liegt. In meiner linken Hosentasche werde ich fündig. "Gleich sieben Uhr! Es ist ja noch mitten in der Nacht!"

Meilo gähnt und streckt sich. "Du hast mich doch wach gemacht", meint er, zieht sich die Decke bis ans Kinn und dreht sich mit dem Rücken zur Sonne. "Komm wieder ins Bett. Ein paar Minütchen können wir noch liegen bleiben."

"Sag das nicht mir, sag das denen." Ich zeige aus dem Fenster. "Die haben mich doch geweckt!"

"Hör auf zu schmollen und komm zu mir." Einladend hebt Meilo die Decke an. Wie kann ich da widerstehen?
 

Obwohl die Vögel da draußen weiter einen Lärm veranstalteten, als hinge ihr Leben davon ab, konnten Meilo und ich wieder einschlafen. Bis wir zum zweiten Mal geweckt wurden. Diesmal wirklich vom Wecker.

Ich tippe auf stumm und rücke dichter an Meilos warmen Körper ran. "Ich will noch nicht aufstehen", murmle ich. "Es ist kalt."

"Der Kamin ist bestimmt aus", überlegt Meilo laut. "Ich mach ihn schnell an."

"Beeil dich aber. Ich erfriere gleich."

"So schnell geht das nicht", lacht mein Schatz und klettert über mich hinweg. "Bis alles wieder aufgeheizt ist, dauert es."

"Ich hasse Holzöfen", schnaube ich. "Da lobe ich mir doch meine Heizung."

"Mit der ginge es auch nicht schneller."

"Nein, aber die geht nicht aus, wenn ich vergesse nachzulegen."

"Meckere hier mal nicht so herum. Ich sehe ja schon zu, dass du dir nicht deinen Hintern abfrierst." Meilo, der sich gerade die Hose zuknöpft, beugt sich zu mir und Küsst mich flüchtig. "Kein Wunder das du frierst, wenn du nichts an hast." Ey!

"Sehr witzig", knurre ich und ziehe die Decke über meinen Kopf. Schön warm!

Ich höre, wie Meilo nach unten geht und kurz danach anscheinend im Bad herumhantiert. Neugierig strecke ich meinen Kopf wieder ins Freie. "Was tust du da?", rufe ich ihm zu.

"Ich sorge für warmes Wasser. Oder willst du kalt duschen?"

"Bloß nicht!"

"Dachte ich mir", lacht er. Ich schließe wieder die Augen und beschließe, nicht eher aufzustehen, bis die Hütte endlich warm ist!

Natürlich klappt das nicht. Eben weil wir keine Zeit haben, so lange hier herumzulümmeln, bis es uns passt von hier zu verschwinden. Meilo muss spätestens um halb eins losfahren, damit er seinen Termin um fünfzehn Uhr nicht verpasst. Mir bleibt also gar nichts anderes übrig, mich aus dem Bett zu schälen, wenn ich noch mit Meilo zusammen frühstücken, und ein klein wenig geruhsame Zweisamkeit mit ihm genießen möchte. Deswegen stehe ich auch auf, als Meilos Kopf durch die Luke schlüpft und mir sagt, er habe unten alles angefeuert und wartet auf mich. "Willst du gar nicht duschen?", frage ich ihn.

"Hab ich schon", ist seine Antwort.

"Wann denn?"

"Eben. Ich musste doch die Wassertemperatur für dich testen." Frechheit!

"Ich wollte aber mit dir zusammen duschen!"

"Mit dem Endergebnis, dass wir wieder viel zu lange gebraucht hätten", belehrt mich mein Schatz, grinst, und verschwindet wieder nach unten. Mist! Ich hasse es, wenn er in solchen Angelegenheiten Recht hat.

"Gut, dann dusche ich eben alleine", brummle ich ins Kissen und raufe mich auf.

Im Eiltempo suche ich meine Kleidung zusammen, nehme die Unterhose, die mir Meilo großzügigerweise leiht und werfe alles durch die Luke. Dann klettere ich runter und teste das Wasser. Es ist so verführerisch warm, dass ich sofort darunter trete und erleichtert ausatme. Ich freue mich jetzt schon darauf, hinterher wieder ins Kalte zu treten. Hoffentlich kommt die Hitze des Kamins bald hier hoch gezogen!

Kommt sie leider nicht, oder ich merke es nicht, weil das Wasser viel wärmer ist, als die Luft. Ich friere mir wirklich beinahe den Hintern ab, als ich mich schnell abtrockne und in meine Kleidung springe. "Boha! Nie wieder ohne Heizung!", japse ich, flüchte zum Kamin, der ordentlich brennt, und setze mich davor. "Haa ... Schööön."

Meilo kommt zu mir gelaufen und bleibt hinter mir stehen. Ich lehne mich gegen seine Beine. Wie praktisch. "Du Warmduscher", schmunzelt er.

"Und? Ich hab's gerne warm", näsle ich. "Du nicht?"

"Anscheinend nicht so gern wie du."

Ich lege den Kopf in den Nacken, damit ich ihn anschauen kann. "Sagte der Kerl, der beruflich Schminke trägt."

"Nicht mehr lange", erwidert er.

"Oh ich vergaß. Entschuldige Keith." Hehe. Er kann es nicht leiden, wenn ich ihn Keith nenne. Dementsprechend guckt er mich nun an. "Was denn?"

"Das weißt du genau", meint er und krault mir durchs Haar.

"Oh Keith!", stöhne ich. "Genau da! Ja! Schneller!"

"Idiot!" Er tritt einen Schritt zurück, wobei ich beinahe hinten überkippe, und rauscht in die Küche.

"Meilo?" Ist er jetzt wirklich so sauer deswegen, dass er mich einfach stehen, beziehungsweise, sitzen lässt? "Warte doch! Was hast du denn?" Ich stehe auf und laufe ihm nach.

"Hör einfach auf mich Keith zu nennen wenn wir unter uns sind, ja?"

"Sorry. Ich wusste nicht, dass dich das so sehr aufregt."

"Tut es aber!" Ich zucke leicht zusammen, da Meilo die Besteckschublade lautstark zuknallt. Oookay. Da ist was faul. Und ich ahne, was das ist.

"Willst du darüber reden?", frage ich ihn und lehne mich neben ihn gegen die Küchenzeile.

"Wozu? Wir haben doch alles geklärt." Ich lege den Kopf schief und starre Meilo abwartend an. Er glaubt doch nicht ernsthaft, ich würde mich so von ihm ankacken lassen, und ihm das so mir nichts dir nichts durchgehen lassen, ohne eine vernünftige Erklärung dafür.

Außerdem: "Weißt du was? Das hier ist unser zweiter Streit bis jetzt." Meilos Augen schnellen zu mir. "Und schon wieder hat es mit deinem Alter Ego zu tun." Na ja, unser erster Streit hatte zwar nur entfernt damit zu tun, aber es lässt sich ein Muster erkennen.

Meilos Blick wird sanfter. Fast schon reumütig. "Ich hasse ihn", sagt er leise.

"Wen?" Habe ich was nicht mitbekommen?

"Wen wohl? Keith!"

Ich blinzle einige Male und versuche die Rädchen in meinem Hirn in Schwung zu bringen. "Ja aber du bist doch ..."

"Nein! ... Na ja, schon, aber ... Es ist lästig. ER ist lästig!" Ich überdenke seine Worte und komme zu dem Ergebnis, dass ich ihm uneingeschränkt beipflichte. Keith Kandyce ist lästig. Zudem nervt er. Besonders, wenn Nicole die Boxen aufdreht. "Ich hasse es er zu sein", spricht Meilo weiter und lässt den Kopf hängen. "Mit jedem Tag mehr." Ich sage nichts, sondern ziehe Meilo in meine Arme. "Er hält mich von dir fern. Dieser ganze Rummel um ihn steht ständig zwischen uns. ER steht zwischen uns. Ich halte das nicht mehr aus Nic." Seine Stimme wurde mit jedem Wort dünner. "Ich will nicht mehr ..."

Mein Herz schlägt wie verrückt. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass ich nicht weiß, was ich zu Meilo sagen soll. Normalerweise sollte ich ihn aufbauen, ihm sagen, dass es Quatsch ist, was er sagt, aber das kann ich nicht, weil ich genauso denke. Ich kann ihn nur fest an mich drücken, ihm beruhigend über den Rücken streicheln und versuchen ihm die Wärme und Liebe zu übermitteln, die ich für ihn empfinde. Meilo scheint dies zu spüren und auch zu brauchen, denn er klammert sich an mich, als sei er kurz vorm Ertrinken.

"Du weißt gar nicht, wie schwer es ist, immer auf Knopfdruck funktionieren zu müssen, auch wenn es dir beschissen geht. Immer zu lächeln, jedem die Hand zu schütteln, Autogramme schreiben, stundenlang! Pressetermine, wieder nur lächeln und gute Laune verbreiten. Über Songs zu sprechen, die einem nichts bedeuten. Konzerte, die einem die letzten Kraftreserven rauben und dann die ganzen Gespräche mit Gerd und der Plattenfirma. Hier Diskussionen, dort die ständigen Fragen, ob ich nicht doch nochmal vier Jahre lang als Keith auftreten will. Das macht mich noch wahnsinnig!"

Ich schlucke hart. Scheiße! Und ich dachte, mir macht es zu schaffen, dass wir so oft getrennt sind. Dass es für Meilo noch härter ist, das war mir schon klar, aber nicht, dass es so schlimm ist.
 

Ich atme tief ein und schließe die Augen, während ich meine Nase in Meilos Nacken schmiege. "Wir schaffen das", sage ich ihm. "Noch drei Monate, dann haben wir es hinter uns."

"Das ist noch so lange", krächzt er. "Ich habe so eine Angst."

Ich stutze. Er hat Angst? "Vor was hast du Angst?"

"Ich ... Ich ..."

"Meilo!" Ich löse mich leicht von ihm und versuche ihm ins Gesicht zu schauen, was gar nicht so leicht ist, da er seine Stirn auf meine Schulter gebettet hat. "Hey! Vor was hast du Angst?", wiederhole ich meine Frage.

"Davor, dass du die Schnauze voll hast von allem, und mich verlässt", schluchzt er.

Mir wird eiskalt. "So ein Unsinn! Ich verlasse dich doch nicht!" Hatten wir das nicht auch schon mal? "Red dir das doch nicht immer ein. Ich liebe dich. Egal wie weit oder wie lange wir voneinander getrennt sind."

"Ich will dich nicht verlieren."

"Ach Meilo! Schatz! Das wirst du nicht." Ich zwinge ihn sanft dazu mich anzusehen. Ich glaube es nicht, aber seine Augen sind tatsächlich feucht. Das macht mich so wütend! Wütend auf diese ganze Maschinerie, in der Meilo steckt.

Sanft umfasse ich sein Gesicht und wische mit den Daumen über seine Wange. "Ich werde dich nie wieder Keith nennen. Versprochen." Ich hoffe, das bringt ihn wieder zum Lächeln. Fehlanzeige.

"Du musst ja denken, ich bin bekloppt."

"Woher denn?" Ich schüttle den Kopf. "Das denke ich nicht von dir."

Meilo leckt sich nervös über die Lippen und senkt den Blick. "Manchmal denke ich, ich bin schon längst verrückt geworden. Ständig dieser Wechsel ... Meilo, Keith, Keith, Meilo ..."

"Meilo! Hör auf damit!" Er blinzelt, bevor ein Ruck durch seinen Körper geht und er diesmal mich an sich zieht. "Keith Kandyce ist dein Job. Einer, der dir keinen Spaß mehr macht, aber das hat bald ein Ende." So ist das mit Jobs, die einen schlauchen. Manchmal muss man da durch, und sei es nur, um die Kündigungsfrist einzuhalten.

"Ich habe so oft das Gefühl, dass ich das nicht bis zum Ende schaffe."

"Wenn du das nächste Mal das Gefühl hast, dann ruf mich an, ja?" Er nickt. "Gut. Jetzt frühstücken wir und danach packen wir."

Entschlossen löse ich mich aus Meilos Griff und lächle ihn aufmunternd an. "Ich habe gar keinen Hunger mehr." Verlegen wischt er mit der Hand an seinem Oberarm auf und ab.

"Du musst aber was essen", belehre ich ihn.

"Aber danach müssen wir uns wieder trennen." Es zerreißt mir das Herz. Meilo sieht plötzlich so allein, so verletzlich aus.

"Wer sagt denn, dass wir das müssen?", antworte ich. "Ich fahre mit." Beschlossene Sache.

"Was? Du kannst nicht ..."

"Und ob ich das kann! Ich rufe gleich bei KP an und sage ihm, dass ich bis zum Wochenende weg bleiben werde." KP weiß um Meilo und meine Situation Bescheid. Also nicht den Teil mit Keith Kandyce, aber eben, dass wir uns durch Meilos Arbeit nicht oft sehen können. Daraufhin hat er mir mal gesagt, ich könne mir jeder Zeit ein paar Tage frei nehmen. Zwar solle ich ihm nur rechtzeitig Bescheid sagen, aber das hier ist ein Notfall. Er wird ein Auge zudrücken müssen.

"Nic, du musst nicht ..."

"Und ob ich muss!", unterbreche ich ihn ein weiteres Mal. Meilo schaut besorgt drein. Wäre das jetzt nicht eigentlich mein Job? Ich schnappe mir seine Hände und halte sie fest. "Du machst dir Sorgen wegen Gerd, nicht? Das er mich sieht und seine Schlüsse daraus zieht?"

"Ja", sagt er leise.

"Wir tischen ihm irgendeine Lüge auf, wie wäre es?"

"Und welche? Wenn ich ihm sage, du seist nur ein Freund, wird er gleich wissen was los ist."

"Hm ..." Ich denke über das kleine Problem nach. "Ich müsste mir auch eine Rolle zurechtlegen", überlege ich laut.

"Selbst wenn uns was einfällt. Was ist mit Niklas? Und du hast keine Kleidung dabei! Wie soll das funktionieren?"

"Kleidung ist das kleinste Problem." Der Knilch allerdings schon. "Meine Verkleidung muss so gut sein, dass Niklas mich nicht erkennt."

Endlich lacht Meilo wieder, wenn auch vor lauter Unglauben. "Das meinst du nicht ernsthaft?", fragt er mich.

"Und wie ernst ich das meine", grinse ich. "Mach du schnell das Frühstück. Ich rufe KP an und dann suchen wir einen Klamottenladen." Aber weil das sicher noch nicht ausreicht: "Und einen guten Frisör."
 

***
 

"Meilo?"

/Ja?/

"Halt da vorn mal an. An dem großen Center."

/Da hinten ist ein Parkhausschild/, macht Meilo mich drauf aufmerksam.

"Perfekt!" Meilo, der in seinem Auto vor mir herfährt, setzt den Blinker. Ich fahre ihm nach.

/Bist du dir sicher, dass das klappt? Wir haben kaum noch Zeit/, höre ich Meilos Stimme aus meiner Freisprecheinrichtung schallen.

"Das klappt schon", mache ich ihm Mut. "Es muss." Meilo seufzt. Er ist immer noch nicht begeistert von meiner Idee. Ich, nebenbei bemerkt, bin leicht nervös wegen des Plans, aber ich ziehe das jetzt durch! Meilo verkleidet sich ja auch jeden Tag, da werde ich das doch auch hinbekommen.

Eine Story, die wir Gerd und dem Knilch auftischen, ist auch schon zusammengestrickt. Ich werde Meilos neuer Berater, der ihm ab heute zur Seite steht, das heißt, ich bereite mit Meilo zusammen sein neues Debüt vor. Angeblich. Wie das sein jetziger Manager finden wird, weiß ich nicht, aber das ist mir auch Wurst. Ich muss doch meinen Klienten auf sein neues Projekt vorbereiten, oder nicht?

Zuerst wollte ich ja Meilos neuen Manager mimen, aber das hätte zu viele Fragen aufgeworfen. Und als Berater habe ich jederzeit 'Zugang' zu meinem Schützling. Es ist einfach nur genial. Dass wir nicht schon viel früher darauf gekommen sind.

Wir fahren runter in das Parkhaus, das allem Anschein nach zum Center gehört. Nach einer kurzen Zeit des Suchens, hat Meilo zwei freie Parkplätze gefunden und ich stelle mich neben ihn. "Bereit?", frage ich ihn.

"Nicht wirklich." Wieder seufzt er. "Das ist verrückt! Dich als meinen Berater vorzustellen ... Gerd wird dich auf jede erdenkliche Art versuchen auszufragen. Oder schlimmer noch: Dir Honig ums Maul schmieren, damit du mich berätst, bei meiner Plattenfirma zu bleiben."

"Mir egal", sage ich selbstbewusst. "Der bekommt mich nicht klein. Du bist mein wichtigster Klient und einen weiteren Vorteil hat das auch."

"Und welchen?"

"So raffen sie es endlich, dass du deinen Vertrag nicht verlängern wirst und nach neuen Wegen Ausschau hältst." Klare Sache. Hoffentlich werden sie ihn ab jetzt nicht mehr mit einem neuen Vertrag bedrängen.

"Also schön", pustet Meilo. "Versuchen wir es. Mehr als schief gehen kann es nicht."

"Na also! Immer optimistisch bleiben." Zwar hörte sich das eben nicht wirklich optimistisch an, aber besser als nichts.
 

Ich schnappe mir Meilo, harke meinen Arm in seinen und schleife ihn hinauf ins Einkaufcenter. Er ist immer noch angespannt und schleppt eine ernste Miene mit sich. So kenne ich ihn gar nicht. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um ihn. Bleibt zu hoffen, dass sich seine Laune wieder verbessert, wenn ich erst mal bei ihm bleibe. Doch jetzt gibt es zuerst einmal eine Mission zu erfüllen!

Ich hechte an mehreren Läden vorbei, versuche einen Look zu finden, der zu einem Berater passt, mich aber so gut kleidet, dass mich niemand erkennt. Gar nicht so einfach. Doch dann "Da! Das wäre perfekt!"

"Was?" Meilo folgt meinem ausgestreckten Finger.

"Die Schaufensterpuppe da vorn. Die Zweite von rechts."

Meilo stutzt. "Meinst du?"

"Klar!"

"Einen Anzug? Du?"

"Hey! Ich sehe in Anzügen super seriös aus. Und mein Hintern kommt auch prächtig zur Geltung." Meilo lacht. Ja echt! Ein wundervolles Meilolachen begegnet mir. Der Anzug gerät in Vergessenheit. Ich schiebe mich vor meinen Schatz und küsse ihn. Er guckt ganz verdutzt. "Da bist du ja wieder", schmunzle ich.

"Ich bin doch die ganze Zeit über hier", murmelt er.

Ich schüttle leicht den Kopf. "Nicht der ganze Meilo. Den, den ich so sehr liebe, dass ich mich für ihn in einen Anzug zwänge und in eine andere Rolle schlüpfe." Wieder lächelt er. "Ich will dich nie wieder traurig sehen", flüstere ich und küsse ihn erneut.

"Ich versuche es", sagt er. "So lange du in meiner Nähe bist, kann ich gar nicht lange traurig sein." Ist er nicht süß?! "Dann lass uns mal einen Anzug kaufen gehen."

In dem Laden, in dem ich den Anzug entdeckt habe, probiere ich auch gleich einen ähnlichen an. Der Verkäufer ist flink und weiß auf Anhieb, welcher mir passen könnte. "Sehr schick", kommentiere ich und zupfe an der Krawatte. "Aber die ist zu viel." Ich ziehe sie mir über den Kopf und reiche sie dem Verkäufer. "Lieber etwas lockerer." Umgehend öffne ich die ersten drei Knöpfe meines Hemdes. "Besser?" Ich schaue Meilo an. Er grinst, und mein Herz geht auf.

"Heiß", haucht er. "Du siehst aus wie diese Ermittler in CSI Miami." Ich lache auf. Aber er hat Recht. "Dazu brauchst du noch eine Sonnenbrille. Das sieht noch eine Spur lässiger aus." Gute Idee. Und die ist zur Tarnung einfach nur perfekt.

"Haben Sie eine?"

"Nur für die Auslage", meint der Verkäufer.

"Verkaufen Sie die auch?" Er nickt. "Dann her damit." Er nickt wieder und saust davon.

Meilo stößt sich von der Kabinenwand ab und kommt auf mich zu. "Ich glaube immer noch nicht, dass wir das tun."

"Es ist, wie du gesagt hast. Es kann nur schief gehen."

"Hoffentlich nicht", seufzt er. "Wenn raus kommt, dass du mein Partner bist, dann ..."

"Das kommt nicht raus. Ich werde alles abstreiten. Ich bin nicht mit Keith Kandyce zusammen. Kommt mir ganz einfach über die Lippen." Meilo legt den Kopf schief, scheint jedoch nicht beleidigt zu sein. Was für ein Glück! Ich dachte schon, ich wäre wieder in ein Fettnäpfchen getreten.

"Hier. Bitte sehr." Der Verkäufer ist zurück und reicht mir eine protzig aussehende Sonnenbrille.

Ich setze sie mir auf. Sie passt. Lässig verlagere ich mein Körpergewicht auf ein Bein, schiebe die Hände in die Hosentaschen und Pose vor dem Spiegel. Meilo kichert leise. "Ich bin ein arrogantes Arschloch", sage ich zu mir selbst. "Ein skrupelloser Berater der alles für seinen Klienten rausholen will. Ein geldgeiler Kerl, wie er im Buche steht." Der Verkäufer glotzt mich schief an. Egal. "Fehlt nur noch eine andere Frisur."

"Blond würde dir gut stehen", gluckst Meilo.

"Ich lasse mir doch nicht die Haare färben! Nein! Was ich brauche, ist eine Perücke." Meilo schaut mich stirnrunzelnd im Spiegel an. "Der Anzug ist gekauft", richte ich mich an den Verkäufer.

"Nur den?" Meilo sieht mich nun direkt an. "Du braucht mehrere. Wenn du jeden Tag im gleichen Anzug herumrennst, wirft das Fragen auf." Shit! Er hat wieder recht!

"So viel Geld habe ich nicht", antworte ich erschüttert.

Meilos Kinn legt sich auf meine Schulter. "Aber ich", lacht er und hält mir eine Kreditkarte vor die Nase.

"Das kann ich nicht annehmen."

"Doch, kannst du. Und du musst, sonst geht unser Plan nicht auf. Sieh es als dein Beraterhonorar." Ich knirsche mit den Zähnen. "Haben Sie noch ein paar Anzüge in seiner Größe? Vier Stück wären ideal. Und nochmal zehn Hemden in unterschiedlichen Farben. Aber nichts zu aufdringliches. Ein helles blau, creme. Sowas in der Richtung. Dann noch ein paar Schuhe, wenn Sie haben. Größe?" Meilo sieht mich fragend an.

"Ähh ... zweiundvierzig." Der Verkäufer nickt und rast erneut durch den Laden.

"Zieh dich wieder um. Wir haben keine Zeit." Ich füge mich. Mir bleibt auch keine andere Wahl.

"Ich zahle dir das zurück", sage ich zu Meilo. Der grinst bloß und zuckt mit den Schultern. "Ich schwöre!"
 

Bepackt mit Tüten voll Kleidung stehen wir vor dem Plan des Einkaufcenters und suchen einen Frisör. "Eine Etage höher! Da ist einer!" Meilo zeigt mit dem Finger drauf.

"Dann mal los!" Wir haben nicht mehr viel Zeit!

Wir stürmen die Rolltreppe, laufen die Stufen hoch, damit wir ein paar Sekunden sparen, und hechten um die Ecke. "Dort lang!" Ich renne hinter Meilo her.

Keuchend stolpern wir in den Frisörsalon. "Hallo", japse ich die erstbeste Frisörin an. "Haben Sie ... Perücken? … Männerperücken." Sie schaut mich verdattert an, nickt dann aber. "Klasse! Ich brauche eine."

"Und an was dachten Sie im Genaueren?"

"Etwas großkotziges. Für einen leck-mich-am-Arsch-Typen, der sich für etwas besseres hält."

"Okaaaay", fiepst sie gedehnt. "Folgen Sie mir." Erleichtert laufe ich ihr, zusammen mit Meilo, nach. "Setzen Sie sich. Ich hole ein paar Modelle."

"Ich hab's aber eilig!", rufe ich ihn nach. Wieder ein Nicken, dann ist sie in einem anderen Raum verschwunden. "Uff! Ich will gar nicht wissen, was die von uns denkt."

"Ist doch egal." Meilo legt seine Hand auf meine. "Alles was zählt ist, dass es klappt."

"Ja", schnaufe ich. Wir lächeln uns an. Das Glitzern in Meilos Augen sagt alles. Er ist wieder der Alte, obwohl ich weiß, dass die Angst, die er mir heute Morgen gestanden hat, immer noch in ihm brodelt. Ich muss sie ihm nehmen. Ich werde ihn nicht verlassen. Niemals! "Ich liebe dich", bricht es aus mir heraus. Die Frau, die neben uns unter einer Haube sitzt, schielt zu uns rüber und grinst verlegen.

"Ich dich auch." Meilo beugt sich zu mir, um mich zu küssen, doch da schießt schon die Frisörin mit einem Stapel Perücken um die Ecke.

"Das wären unsere Modelle", erklärt sie und legt sie vor mir auf die kleine Ablage. "Soll ich sie Ihnen mal aufsetzen?"

"Bitte."

"Zuerst muss das Haarnetz über Ihr richtiges Haar." Ich bekomme etwas aus dem Material einer Strumpfhose über meine schöne Frisur gespannt. Meilo grinst sich eins. Tzäh! "Das muss gut sitzen und alle Haare müssen darunter geschoben werden, damit die Perücke auch gut in Form liegt und hält." Ja, ja. Mach hinne! Endlich fertig mit glattstreichen, zupfen und stopfen, kommt Haarteil Nummer eins auf meinen Kopf. "Frisieren können wir sie wie Sie möchten."

"Auch schneiden?", will Meilo wissen.

"Natürlich." Sie bearbeitet das Teil auf meinem Kopf, bis es richtig sitzt. "Wie wäre das?"

"Weiß nicht ... Die Perücke sollte meinen Typ verändern. Wie eine Verkleidung, verstehen Sie?"

"Okaaay ..." Flubb! Runter ist meine Haarpracht. "Vielleicht etwas in Blond?"

"Oh ja!" Meilo klatscht in die Hände. "Das habe ich mir auch schon überlegt."

"Hätte ich nur eher gewusst, dass du auf Blondinen stehst", brumme ich.

"Bei dir habe ich eine Ausnahme gemacht." Er zwinkert mir zu.

"Gut zu wissen." Ich sage es doch immer wieder: Er ist und bleibt ein frecher Kerl. Zum Glück!
 

Ich bekomme noch zwei weitere Perücken aufgesetzt, bis mir endlich eine zusagt. Das sie blond ist, hat nicht nur was mit Meilo zu tun. Mit ihr sehe ich tatsächlich total anders aus. Sie wird noch zurechtgeschnitten und frisiert. Fertig. "Gib mir mal die Brille." Meilo kramt in den Tüten herum, bis er sie gefunden hat. "Jetzt erkennt mich niemand mehr", staune ich.

"Aber echt. Du bist ein total anderer Typ geworden."

Ich lächle mein Spiegelbild überlegen an. "Das könnte wirklich klappen."

"Das denke ich auch langsam." Yes!

Die Frisörin sagt mir noch, wie ich das Teil zu pflegen habe, gibt mir Tipps zum Frisieren, und verpackt sie mir anschließend. "Ganz schön teuer das Ding", seufze ich, als wir aus dem Laden verschwunden sind.

"Ich habe dir angeboten sie zu bezahlen."

"Nichts da! Das fehlte noch. Du hast schon genug für mich ausgegeben."

"Für uns", berichtigt er mich. "Das hier tun wir für uns." Ich muss ihm schon wieder recht geben.

Mit allem Nötigen ausgestattet, laufen wir zurück zu unseren Autos. Die Tüten kommen bei mir in den Kofferraum. "Die Adresse hast du ins Navi gespeichert?", möchte mein Schatz wissen.

"Ja. Falls ich dich verliere, komme ich trotzdem am Hotel an."

"Gut. Dann bis gleich." Meilo nimmt mich in den Arm und küsst mich. "Ich ruf dich an, sobald ich im Auto sitze."

"Mach das", lache ich, küsse ihn retour und steige ein. Kaum aus dem Parkhaus, klingelt mein Handy. "Ah, mein Klient meldet sich. Alles zu Ihrer Zufriedenheit?"

/Beinahe/, meldet sich Meilo. /Nic? Mir ist eben was eingefallen./

"So? Was denn?"

/Bei der ganzen Planerei haben wir etwas Wiichtiges vergessen./

"Und was?"

/Du brauchst einen Namen./

"Dann überlegen wir uns einen." So dramatisch ist das doch gar nicht.

/Das ist aber nicht das einzige Problem. Du brauchst auch noch eine Vorgeschichte, eine Internetpräsenz und das Wichtigste: Eine große Firma, für die du arbeitest. Gerd wird dich genaustens durchleuchten, wenn wir ihm sagen, wer du angeblich bist./

"Dann sagen wir, dass ich selbstständig bin."

/Das wird nicht klappen!/

"Wieso nicht? Ich sage, dass du mein erster Klient bist, und dass ich noch keine Internetseite habe. Ich kann mir auch schnell eine zusammenschustern. Ganz einfach."

/Das stellst du dir so einfach vor, aber ich kenne Gerd. Er wird nicht locker lassen und schnell spitz bekommen, dass mit dir was nicht stimmt./ Schon wieder hört sich Meilo deprimiert und ängstlich an.

"Mach dir keine Sorgen Schatz. Ich bekomme das hin. Er wird von mir nichts erfahren. Das hat ihn nicht zu interessieren, und basta. Schließlich geht ihm unsere Zusammenarbeit überhaupt nichts an." Genau so sieht es aus. Gerd wird sich an meinem arroganten Beraterarsch die Beißerchen ausbeißen. Diesen Kerl habe ich sowieso gefressen. "Ich mach das Meilo. Entspann dich und überlasse das alles mir."

/Wenn du meinst./

"Meine ich. So! Wollen wir darüber sprechen, wie ich deine neuen Songs finde?" Zeit, Meilo auf andere Gedanken zu bekommen.
 

******
 

Und schon wieder bin ich ganz platt, wohin mich Niclas' Reise wieder getrieben hat. Jetzt spielt er verkleiden und mimt Meilos Berater. Was das wohl wird? O_o

Love bite 24 - Bayrische Hitze

Love bite 24 - Bayrische Hitze
 

"Rein da! Und beeil dich!"

"Ja, ja." Ich renne zum Badezimmer, halte aber kurz davor an. "Die Tüten!" Total vergessen! Meilo erschrickt, dreht sich suchend herum. "Hinten bei deinen Koffern!" Dort hatte ich sie abgestellt.

"Moment. Ich hole sie. Geh du schon ins Bad." Ich befolge seinen Befehl und betrete nervös das große Badezimmer. Für dessen Glanz und Tamm Tamm habe ich gerade keine Augen. Gerd ist auf den Weg hier her.

Ich konnte mich gerade so in Meilos Hotelzimmer schleichen, da rief dieser Idiot auch schon an und sagte, er sei schon unterwegs zu ihm. Meilo meinte, er hätte sich ziemlich sauer angehört. So ein Scheiß! Am liebsten würde ich diesen Mistsack erwürgen! Gerade, wo mein Schatz wieder gute Laune hatte.

"Hier!" Die Tüten mit meinen Anzügen und dem Haarteil kommen mir entgegengeflogen. "Und sei leise!"

"Keine Sorge. Ihr werdet keinen Ton von mir hören."

"Gut." Meilo lächelt mich ebenso nervös an, wie ich mich fühle, und schließt die Badezimmertür. Ich schließe hinter ihm ab, dann gebe ich Gas, steige aus meinen Kleidern und wühle nach einem Anzug. Mir egal, welcher es wird. Hauptsache, ich trage überhaupt einen, wenn Gerd hier antanzt. Ich steige in die Anzughose, knöpfe sie zu, da klopft es draußen leise an die Tür der Suite. Das wird er sein! "Komme!" Meilos Stimme, die durch den Flur hallt. Dann Schritte. "Hey", begrüßt er seinen noch-Manager.

"Wo warst du so lange?", grantet er meinen Liebling an. Ich knirsche mit den Zähnen. Arschloch!

"Bin gleich fertig."

"Das will ich hoffen! Du bist spät dran!"

"Reg dich ab. Ich konnte nichts dafür. Das Auto war Schuld."

"Dann fahr das nächste Mal mit uns. Immer deine Extrawürste." Langsam werde ich wirklich sauer. Ich spüre richtig, wie die Wut in mir hochschießt und mein Blut zum Kochen bringt. Was bildet sich dieser Schnösel eigentlich ein?! Trotz meiner Wut atme ich tief durch. Ich muss Ruhe bewahren und mich anziehen. Sobald Meilo zurück ist, muss ich Logan Wittmen sein. Meilos Berater in allen Lebenslagen. Außerdem muss ich mir noch irgendwie eine Geschichte zurechtlegen, wie ich dazu gekommen bin, Meilo zu beraten. Auf jeden Fall arbeite ich für keine Firma, denn danach zu recherchieren habe ich keine Zeit mehr und wäre auch viel zu gefährlich. Gerd könnte dort nachfragen und mich auflaufen lassen. Eine Facebookseite wäre auch nicht schlecht. Dafür brauche ich allerdings Fotos. Und Freunde! Woher nehme ich die auf die Schnelle? Okay. Die Facebookidee ist gestorben. Aber ich brauche irgendwas. Oder vielleicht doch nicht? Mal überlegen. Ich bin ein exzentrischer reicher Kerl, der nicht in der Öffentlichkeit stehen will. Ja! Genau! Meine Beratungskünste sind ein Geheimtipp. Ha! Genial! … Keine Ahnung, ob das hinhaut.

Gut, das überlege ich mir noch genauer. Jetzt muss ich zusehen, dass ich fertig werde. Ich wasche mich notdürftig, duschen wäre zu auffällig, solange Gerd hier herumrennt, ziehe mich an und überschütte mich mit einem Rasierwasser, das ich mir eben noch schnell im Drogeriemarkt gekauft habe. Deswegen war ich auch ein wenig zu spät. Aber ein reicher Schnösel muss unbedingt gut duften, nicht? Rasieren tue ich mich nicht, das geht schon so. Jetzt ist diese dämliche Strumpfhose dran, die ich mir mühsam über die Rübe spanne. Ich fluche ein paar Mal lautlos, dann habe ich es geschafft und meine Haarpracht darunter plattgedrückt. Apropos Haarpracht. Die Perücke! Wo ist die Perücke? Ich wühle alle Tüten durch, und finde sie, natürlich, in der Letzten. Umständlich fummle ich so lange an ihr herum, bis sie einigermaßen sitzt. Noch ein bisschen richten und "Wieso ist hier abgeschlossen?" Verdammt! Gerd rüttelt am Türgriff! "Hallo? Wer ist da?" Lautes Klopfen.

Keine Panik Niclas! Nur mit der Ruhe. "Besetzt", rufe ich mit dunkler, donnernder Stimme.

"Meilo? Wer ist da drinnen?" Ich höre, wie mein Schatz etwas sagt, verstehe aber nicht was.

Mit zitternden Fingern lege ich mir die Uhr um, die mir Meilo geliehen hat, schlüpfe in die teuer aussehenden Schuhe und trete an die Tür. Irgendwie versuche ich mich in meine 'Rolle' zu finden, puste die zuvor hektisch eingeatmete Luft langsam aus meinen Mund wieder heraus und schließe auf. Schwungvoll ziehe ich die Tür auf und werfe diesem Gerd einen eiskalten und überheblichen Blick zu. Da er kleiner ist als ich, wirkt das ganze noch eindrucksvoller. "Ja?", frage ich ihn barsch.

"Dürfte ich fragen, wer Sie sind?", blafft mich Meilos Manager an.

"Das Selbe könnte ich Sie fragen. Einfach gegen die Tür hämmern. Eine Unverschämtheit!" Trage ich zu dick auf? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall muss ich ihm gleich klar machen, dass ich hier das Alphamännchen bin. So macht man das doch in der Geschäftswelt. Seine Konkurrenten mit dicken Eiern beeindrucken. Wer die dicksten hat, regiert das Revier und mein Revier heißt Meilo. Ihm gehört ja schließlich auch ein gewisser Anteil jener Eier.

Gerds Unterkiefermuskeln verrichten Schwerstarbeit. Wir messen uns mit Blicken, starren uns an. Am Ende bin nicht ich derjenige, der nachgibt, sondern er. Was für ein gutes Gefühl! "Wer ist das?!", richtet er sich sichtlich stinkig an Meilo.

Dieser guckt erst ihn, dann mich nervös an. Ich denke, ich stelle mich mal besser selbst vor. "Ich bin Logan Wittmen. Und Sie sind?" Ich hebe den Kopf etwas an, um noch arroganter zu wirken.

"Gerd Ballreich. Ich bin sein Manager. Und Sie sind nicht befugt ..."

"Ach, Sie sind das? Der Manager."

"Ja", sagt er lauernd. "Der bin ich. Was ich aber immer noch nicht weiß ist, was sie im Badezimmer meines Klienten tun."

"Oh Verzeihung." Ich lächle milde. "Es muss Ihnen ja verdächtig vorkommen, dass ich einfach im Bad herumlungere." Angriff ist noch immer die beste Verteidigung.

"Verdächtig ist noch gar kein Ausdruck", knurrt Gerd jedoch.

Ich versuche locker und lässig auszusehen. "Ich bin beruflich hier", fange ich an zu erklären. "Ab heute bin ich Herr Haugs Berater." Ich grinse überheblich und Gerd? Der macht große Augen. "Wirklich interessant, Sie mal kennenzulernen", sage ich zu ihm und um noch eins oben drauf zu setzen, reiche ihm die Hand. Zögernd nimmt er sie an. Ich greife fest zu. Er ebenfalls. Bestimmt treten unsere Fingerknöchel weiß hervor, doch das sehe ich nicht, weil wir beide uns wieder wie zwei Raubtiere vor dem Angriff anstarren.

"Äm Gerd? Wir müssen los." Meilo geht dazwischen, der die angespannte Lage erfasst hat. "Wir kommen sonst zu spät." Man merkt, dass Gerd nur ungern derjenige ist, der zuerst loslässt. Wieder so ein Alphamännchen-Gehabe. Wieder habe ich gesiegt. Zwar mit Meilos Hilfe, aber wir spielen ja auch im selben Team.

"Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen mit Ihnen, Herr Ballreich." Er schenkt mir nur einen grimmigen Blick, dann geht er Richtung Tür. "Bis nachher", verabschiede ich Meilo. "Ich warte hier."

"Tun Sie das", lächelt mein Schatz mich an und trollt sich, damit er mit seinem Manager Schritt halten kann.

"Pass auf dich auf, Schatz", flüstere ich in die Leere des Raums. Ich lasse ihn nur ungern mit diesem Idioten ziehen, aber was soll ich schon großartig tun? Ich muss erstmal mein Berater-Ich heraufbeschwören und alles in diese Rolle legen. Gerd darf keinen Verdacht schöpfen.
 

Meilo sagte vorhin zu mir, er käme um circa halb fünf wieder zurück. Bis dahin muss ich mir eine Art kurzen Lebenslauf zusammenschustern. Gerd kommt bestimmt wieder mit, um mich unter die Lupe zu nehmen. Ich darf mir echt keinen Fauxpas erlauben. Nicht, dass das doch noch in die Hose geht.

Im Bad krame ich die Tüten zusammen und räume alles ins Schlafzimmer. Wäre schon blöd, wenn Gerd die Tüten zu Gesicht bekäme. Danach setze ich mich aufs Bett, fluche über diese verdammte Perücke, die kratzt, als säßen tausend Ameisen darunter, und notiere mir ein paar Fakten über Logan Wittmen.

Fakt Nummer eins: Verschwiegenheit. Logan Wittmen spricht nicht über seine Kunden. Verschwiegenheit ist oberstes Gebot. Da kann Gerd noch so nachbohren. Er wird weder etwas über unsere 'Zusammenarbeit' erfahren, noch über das, was wir angeblich mit dieser Arbeit bezwecken.

Fakt Nummer zwei: Logan Wittmen hasst alles was mit Computern zu tun hat. Keine öffentliche Netzwerke. Wer Logan sprechen will, braucht seine Handynummer.

Fakt Nummer drei: Logan Wittmen ist ein Geheimtipp. Er sucht sich aus, für wen er arbeitet.

Fakt Nummer vier: Logan Wittmen arbeitet allein und unabhängig. Keine Firma, keine Schergen. Ich kümmere mich ganz persönlich um meine Klienten. Und das natürlich rund um die Uhr.

Fakt Nummer fünf: Logan Wittmen sieht unfassbar gut aus. ;-) Nein, mal im Ernst. Mehr fällt mir nicht ein. Wie Meilo auf mich gekommen ist, also auf Logan Wittmen, darüber wird er Gerd schon irgendeinen Bären aufbinden. Ich sage dazu nichts. Siehe Fakt Nummer drei. Das muss reichen. Wenn er mehr über mich erfahren will, kann er sich gerne dumm und dusselig recherchieren. Ich bin erst einmal froh, dass die erste Begegnung zwischen uns so gut verlaufen ist. Von meinem Standpunkt aus gesehen. Aus Gerds Sicht nicht, aber wen jucks?! Alles was zählt ist mein geliebter Meilo. Ich muss ihm zeigen, dass ich für ihn da bin, ihn weder betrügen werde, noch mich von ihm trenne, bloß weil er so einen zeitintensiven Job hat.

Mein Handy piepst. In der Hoffnung, das es Meilo ist, hechte ich zu meiner Jeans, in der mein Mobiltelefon drinnen steckt. Aber als ich drauf gucke, ist es KP, der mir eine SMS geschickt hat. 'Hey Niclas. Geht es deinem Freund wieder besser? Nimm dir ruhig bis Ende der Woche frei. Ist nicht viel los im Moment. Herzige Grüße an deinen Süßen ;-)'

"Na wer sagt es denn! Ich hab frei!" KP ist wirklich eine Wucht! Früher konnte ich ihn zwar nie richtig leiden, aber mittlerweile komme ich wirklich gut mit ihm klar. Er hat sich sehr verändert. Zum Positiven.

Ich schaue auf den Kalender in meinem Handy. Heute ist erst Dienstag, was bedeutet, ich habe noch mindestens sechs Tage, um bei Meilo zu bleiben. Yes! Leider habe ich nur ein Problem. Ich habe meinen Laptop nicht dabei. Das wiederum heißt, ich kann in der Zeit, in der Meilo unterwegs ist, noch nicht mal an meinem Programm weiterarbeiten. Blöd. Sehr blöd. Aber nun gut. Ideen kann ich mir auch auf einen Block schreiben und später ausprobieren. Und die wichtigste Fachliteratur habe ich sowieso immer als eBook auf meinem Handy gespeichert.

Ich lege mein Handy neben mir auf das kleine Nachtschränkchen. Tja. Da ich sonst nichts tun kann, außer zu warten, bis mein Herzblatt wieder hier ist, lassen wir mal das Konto Plattenfirma bluten. "Zimmerservice? Was empfehlen Sie mir leckeres zum Mittagessen?"
 

***
 

Ein Klopfen reißt mich aus meinen Überlegungen. "Bin wieder da", haucht eine mir nur allzu bekannte Stimme. Meilo!

"Hey!" Ich lasse die Codereihen, die ich mir zum späteren Ausprobieren notiert habe, Codereihen sein, und stehe auf. "Bist du allein?", frage ich ihn und spähe in den Flur.

Meilo nickt. "Und das bleiben wir bis morgen Mittag auch", fügt er hinzu.

"Großartig!", juble ich erfreut. "Wie hast du denn das geschafft?"

"Das war eigentlich ganz einfach. Ich habe Gerd gesagt, dass du und ich eine Menge zu besprechen haben, und weil für morgen sowieso alles klar ist, hat er keinen Grund, mich bis morgen aufzusuchen. Ich habe noch erwähnt, dass du mich ein Vermögen kostest, aber das dürfte ihm eher am Arsch vorbeigegangen sein." Meilo grinst mich an und schiebt seine Hände um meine Taille. "Lass uns bis dahin wegfahren."

Ich lege die Stirn in Falten. "Wegfahren? Wieso?" Fahren wir nicht schon genug durch die Gegend?

"Ich will nicht hier bleiben. Ich will mit dir irgendwo hin, wo wir auch wirklich ungestört sind, und wo wir beide uns nicht verstellen müssen." Ich denke kurz darüber nach und die Idee gefällt mir richtig gut. Wenn wir hier bleiben würden, wäre die Gefahr, doch von Gerd oder dem Knilch erwischt zu werden, äußerst hoch.

"Hast du was Spezielles im Sinn?", frage ich neugierig nach.

"Könnte man so sagen", grinst er und zaubert einen Prospekt aus der Hosentasche. "Den habe ich unten in der Lobby gefunden", erklärt Meilo. "Er ist mir gleich ins Auge gesprungen. … Hier schau mal. Auf ihm ist ein unglaublich schöner See abgebildet."

"Ein See? Im Herbst?"

"Ja! Da kann man auch übernachten."

"Übernachten? Im Herbst? An einem See?" Muss ich ihn an heute Morgen erinnern? "Du willst wohl wirklich, dass ich mir den Arsch abfriere", motze ich, wenngleich die Aussicht auf einen ruhigen See plus Meilo im Badehöschen mir sehr zuspricht. Aber eben nicht im verdammten Herbst!

Meilo schmunzelt und legt seine Stirn gegen meine. "Da gibt es ein klitzekleines Hotel. Schau. Das hier. Und es sind noch Zimmer frei ..."

"Du hast da schon angerufen?" Mein Schatz grinst frech. "Du verlierst keine Zeit, was?"

"Mit dir auf keinen Fall", antwortet er mir, streckt leicht den Hals durch und küsst mich. "Ich pack dir ein paar bequeme Klamotten von mir mit ein, und dann düsen wir los, ja?"

"Ist gut." Gedanklich speichere ich mir ab, immer eine Notfalltasche in meinem Auto zu deponieren, falls ich mal wieder Hals über Kopf zu Meilo fahren muss. Bei ihm muss man auf alles gefasst sein.

Während Meilo schnell ein paar Kleidungsstücke in eine Tasche stopft, packe ich meinen Block gut weg und schaue mir dann die Strecke an, die zum See führt. Weit ist es nicht, dennoch recht abgelegen. Meilo scheint wirklich ein Gespür für heimliche Liebesnester zu haben. Muss ich mir deswegen Sorgen machen? Ich schiele zu Meilo. Der rast vor sich hin pfeifend und voller Euphorie durch das Schlafzimmer, packt immer mehr in die Tasche, und düst dann ins Badezimmer. Nein, Sorgen muss ich mir keine machen.
 

"Können wir?", fragt er mich und packt noch schnell unsere Zahnbürsten ein.

"Jo. Der Weg ist leicht zu finden."

"Ich weiß", lacht Meilo, schultert die Tasche und kommt auf mich zu.

"Was weißt du eigentlich nicht?", frage ich ihn leise und tupfe ihm einen Kuss auf.

"Och, da gibt es sicher so einiges, aber alles Wichtige habe ich hier drinnen." Er tippt sich mit dem Zeigefinger auf die Schläfe.

"Na wenn das so ist, können wir ja beruhigt losfahren."

"Ja! Auf zum See!" Meilo grapscht sich meine Hand und zerrt mich aus der Suite. Im Hinausgehen kontrolliere ich nochmal schnell meine Perücke. Sie sitzt genau so wie sie soll. Dann mal nichts wie weg von hier! Von Gerd und seinen argwöhnischen Augen.
 

Wir gelangen beinahe ungesehen im Parkdeck an, verfrachten die Tasche in mein Auto und fahren sofort los. Als wir aus der Stadt raus sind, zerre ich mir die Perücke vom Kopf. "Das Ding nervt!", schnaube ich und werfe sie Meilo auf den Schoß. Danach folgt das Haarnetz. "Ich fühle mich, als hätte ich Kopfläuse. Alles juckt."

Meilo kichert und zupft mir meine originalen Haare zurecht. "So fühlen sie sich auch an", kommentiert er. Ich bekomme eine Gänsehaut. Allein die Vorstellung, da könnten Läuse auf mir herumkrabbeln ... Widerlich! "Wenn wir ankommen, tauche ich dich einmal in den See. Das wird helfen."

"Wage dich!"

"Stell dich nicht so an. Es ist immer noch Badesaison."

"In deinen Träumen", knurre ich.

"Nein echt jetzt. Der See soll selbst jetzt noch warm sein. So warm, dass das ganze Tal nachts im Nebel liegt."

"Solange das Wasser weniger als 25 Grad hat, setzte ich keinen Fuß dort hinein."

"Du Mimose. Dann gehe ich eben alleine schwimmen."

"Tu das. Ich schau dir vom Ufer aus zu, wickle mich in eine dicke Wolldecke und trinke warmen Tee."

"Spinner." Ein feuchter Kuss landet auf meinem Ohr. "Ich bin so froh, dass ich dich habe."

"Geht mir auch so", antworte ich ihm und greife nach seiner Hand, die meinen Nacken krault. Ich halte sie fest, während wir gemächlich auf der Bundesstraße davon fahren.
 

***
 

"Hast du Ohrenstöpsel dabei?"

"Nein", sagt Meilo. "Warum? Schnarche ich seit neustem?"

"Nein. Schnarchen tust du schon immer ... Au!" Ich reibe mir den Arm. "War doch nur ein Scherz."

"Darüber macht man keine Scherze", mault Meilo, grinst allerdings. "Also? Wieso willst du Ohrenstöpsel?"

"Hörst du es nicht?" Meilo verneint. "Die Vögel!" Ich breite die Arme aus. "Hier gibt es wieder Unmengen davon und die werden bestimmt wieder mitten in der Nacht anfangen zu zwitschern, um mich aus meinen wohlverdienten Schlaf zu reißen!" Meilo grinst sich einen ab und studiert den Boden, der mit hellem Kies bedeckt ist. "Grins nicht so. Ich meine das ernst."

"Du bist echt zum Knutschen, weißt du das?" Arme legen sich um meinen Nacken. "Wenn du morgen früh wach wirst, weil die kleinen Piepmätze dich wecken, dann weck mich und ich sorge dafür, dass du nicht mehr an die kleinen Vöglein denkst."

"Und wie?", frage ich ihn leise und mit dunkler Stimme.

"Na mit einem schönen Vögelein." In meinem Bauch breitet sich eine unglaubliche Hitze aus.

"Bis morgen früh kann ich nicht warten", flüstere ich und stürme Meilos Mundhöhle.

Ich drücke ihn gegen das Auto, dessen Heckklappe immer noch offen ist, und mogle mich unter Meilos Oberteil, um die warme Haut unter meinen Handflächen zu spüren.

"Nic? ... Warte ..." Ich werde von Meilo weggeschoben. "Lass uns lieber erstmal reingehen ja?"

"Wenn du unbedingt meinst", schmolle ich.

"Meine ich." Meilo schnappt sich die Tasche und drückt sie mir in die Hand. "Auf geht's!" Mit ausladenden Schritten trabt er an mir vorbei auf das Hotel zu.

Als ich die Heckklappe schließe und mein Auto absperre, fühle ich mich leicht übergangen. Doch was soll's? Wenn wir unter uns sind, ist der gnädige Herr fällig! Dann zeige ich ihm, wie gut ich ihn beraten kann.
 

Das Hotel ist wirklich winzig. Winzig, aber nicht schäbig.

Es sieht aus, wie diese typisch bayrischen Häuser. Unten weiß verputzt, oben mit dunklem Holz verkleidet. Auf dem Balkon, der sich rund um das Haus zu winden schient, hängen lange, rote Sommerblumen in den Blumenkästen. Hinter den Fenstern kann man sogar kleine Vorhänge erkennen, die fein säuberlich, in kleinen Bögen, drapiert worden sind.

Es ist ruhig hier, und wirkt beinahe schon familiär. Im Prospekt stand, dass das Hotel von einer Familie geführt wird, die schon in der vierten Generation hier lebt. Ich fühle mich auf der Stelle wohl. Kein Vergleich zu den protzigen Buden, in denen Meilo immer absteigt, aber dafür viel wärmer und herzlicher.

Dieser Eindruck verstärkt sich sogar noch, als wir das Hotel betreten. "Hallo. Haug mein Name. Ich hatte ein Zimmer reserviert." Meilo stellt sich an den Empfang. Eine ältere Frau begrüßt uns. Sie lächelt freundlich und schaut sofort nach. Aber nicht in einem Computer, sondern in einem dicken Buch. Wie urig. Ob ich mal fragen soll, ob es hier gratis W-LAN gibt?

"Ah ja. Hier stehen Sie", sagt die Frau und nickt. "Zimmer 34." Sie dreht sich um und fischt zwei Schlüssel von der Wand. Keine Zimmerkarten. Mir gefällt das Hotel immer besser. "Bitte sehr. Soll mein Sohn Ihnen die Tasche auf das Zimmer bringen?"

"Muss er nicht", winke ich ab. "Danke."

"Aber das macht doch keine Umstände", lacht die Empfangsdame. "Henning?"

"Danke, aber das ist nicht nö...tig ..." Oh Gott! Himmel noch eins! Boha!

"Das ist doch kaum der Rede wert. Henning? Nimm den beiden Herrschaften bitte das Gepäck ab. Zimmer 34."

"Ist gut", antwortet Henning und lächelt uns an. "Einen schönen guten Tag."

"Tag", fiepse ich.

Und Meilo "Ebenfalls." Seine Stimme ist genauso dünn wie meine. Kein Wunder bei diesem Kerl!

Ich bekomme die Tasche abgenommen. "Folgen Sie mir." Henning lächelt breit, dreht sich um, und läuft voraus. Ich schiele zu Meilo. Er bemerkt meinen Blick, macht ein lautloses "Wow!" und setzt sich in Bewegung. Seinem Wow kann ich nur beipflichten.

Wir schweben hinter Henning her, und ich wette, Meilo glotzt dabei auch auf diesen mehr als knackigen Hintern, der in einer verboten engen Trachtenhose steckt. Dieser Henning ist ja ein Bild von einem Mann! Nichts gegen Meilo, aber dieser Typ sieht aus, als wäre er aus einem schwulen Jahreskalender für bayrische Traumburschen entsprungen. Strohblondes Haar, dazu die unvermeidlichen blauen Augen, gut einen Kopf größer als ich, eine Schulterpartie, die kaum durch die Türrahmen passt (er muss sich sogar stellenweise ducken, um den Raum zu wechseln), einen, wie bereits erwähnt, strammen Hintern, der in einem Paar starke Beine endet. Wo hat uns Meilo nur hingeführt?!

"Hier ist es", sagt der blonde Jahreskalender Henning, stellt die Tasche neben dem Kleiderschrank ab und hält uns galant die Tür auf. "Wenn Sie einen Wunsch haben, rufen sie unten in der Rezeption an. Einen schönen Aufenthalt bei uns."

"Danke."

"Danke", spiele ich Meilos Echo.

Wieder lächelt uns Henning an, dann schließt er die Zimmertür und verschwunden ist er. "Scheiße", keucht Meilo und dreht sich zu mir. "Was. War. Das?!"

"Ein Grund, um nach Bayern auszuwandern?" Wir schauen uns mit großen Augen an. Was für eine merkwürdige Situation. "Kann es sein, dass wir beide ...?" Ich zeige auf die Tür, wo gerade Mister Augusthitze hindurchverschwunden ist.

"Wer würde bei dem keine weichen Knie bekommen?", fragt Meilo. "Stell dir den mal in einem Schwulenclub vor. Mit Tracht!"

Ich fange an zu lachen. "Er würde auf der Stelle aufgefressen werden."

Meilo stimmt in mein Lachen mit ein. "Der ist bestimmt hetero."

"Aber sowas von. ... Nicht, dass mich das interessieren würde ..."

"Nein! Mich auch nicht", winkt Meilo ab. "Aber nur mal so ... Wärst du nicht mit mir zusammen ...?"

Ich überlege. Würde ich? "Für eine Nacht? Sehr wahrscheinlich ja. ... Du?"

"Scheiße ja! Du hast ihn doch gesehen." Meilo fuchtelt mit den Armen herum. "Was für ein Kerl! Also ich meine, wenn der auf einem Kalender abgebildet wäre, ich würde ihn mir kaufen."

"Das gleiche dachte ich auch!", brülle ich los und lasse mich aufs Bett fallen. Die Matratze ist weich, aber gut gefedert.

Meilo, der sich verlegen am Kopf kratzt, plumpst neben mich. "Ich habe mich ganz schön erschreckt, als der Kerl plötzlich vor uns stand."

"Ich auch", gebe ich zu. "Wie in einem billigen Schundfilmchen", grinse ich. "Der geile Page, der dir sein Gepäck aufs Zimmer bringt."

"Du bist ekelig!", lacht Meilo auf und stupst mich mit dem Ellenbogen an.

"Was denn? Ich meine mich an einen Film zu erinnern, der genau so angefangen hat."

"Du guckst Pornos?" Jetzt ist mein Schatz aber sprachlos.

"Früher mal. Ich war neugierig." Ich zucke mit den Schultern. "Du nicht?"

"Doch, aber meine Neugierde wurde auf andere Weise befriedigt ..."

"Will ich es wissen?", frage ich ihn halb ernst.

"Ich weiß nicht." Meilos grüne Augen funkeln mich an. "Ich kann es dir ja zeigen." Sanft drückt mich Meilos Hand an der Brust nach hinten, bis ich auf dem Bett zum Liegen komme. "Was hältst du davon?" Er schwingt sein Bein über mich und hockt sich auf meinen Schoß.

"Ich war schon immer dafür, Taten, statt Worte sprechen zu lassen", sage ich, keuche dann jedoch auf, denn Meilo, der mir mein Oberteil nach oben geschoben hat, beginnt an meinen Nippeln zu saugen. "Zeig mir dein Gepäck, Page Meilo", seufze ich und lasse mich von meinem ganz persönlichen Pagen verwöhnen. Was für ein Service!
 

***
 

"Wir sollten wirklich öfter aufs Land hinaus fahren", keuche ich. "Die Luft tut uns merklich gut."

"Oh ja", schnauft Meilo und rutscht von mir runter. "Die Luft ... und die Pagen."

"Gut, dass ich das nicht gesagt habe", lache ich abgehakt. Meilo antwortet mir mit einem ebenfalls angestrengten Lachen.

Ich drehe mich auf die Seite, ihm zugewandt, und ziehe ihn an mich. Wir sind beide noch ganz heiß und verschwitzt. "Liegt das nur an mir, oder ist es heiß hier drinnen?"

"Liegt nicht nur an dir", sagt Meilo. "Draußen kommt die Sonne raus. Es soll die nächsten Tage über richtig warm werden."

"Haben wir ein Glück."

Meilo kuschelt sich an mich und spielt an meinen Haaren herum. "Und wie. Der See ist bestimmt herrlich."

"Gibst du immer noch nicht auf?", frage ich ihn.

"Nein", ist seine Antwort. "Erst, wenn wir beide nackt im See schwimmen."

"Nackt? Ohne wärmenden Neoprenanzug?" Meilos Hand klatscht auf meinen Oberarm. "Schlag mich doch nicht immer", brumme ich.

"Wer dumme Fragen stellt, hat es nicht anders verdient." Frechheit!

"Ich wette, Page Henning würde mich nicht schlagen." Oh oh. Ich ziehe den Kopf ein.

Es raschelt. Meilo setzt sich auf und lehnt sich an das Bettgestell. "Dann frag doch Page Henning, ob er sich das nächste Mal mit dir im Bett vergnügt."

Ich schmunzle und lege meinen Arm um Meilos Bauch. "Ich finde es heiß, wenn du eifersüchtig bist", raune ich und schmuse über seinen Beckenknochen.

"Ich bin nicht eifersüchtig."

"Und ob du das bist."

"Ach sei ruhig!"

Ich schaue zu ihm auf. Mit verschränkten Armen sitzt er da und fixiert mich mit schmollenden Blick. "Ich würde dich gegen keine zwanzig Hennings eintauschen wollen. Das ist dir doch hoffentlich klar." Meilo leckt sich über die Lippen und weicht meinem Blick aus. Gefahr in Verzug!!! "Meilo? Nicht schon wieder!" Auch wenn ich meinen schönen Platz auf Meilos Schoß ungern aufgebe, so tue ich es doch und richte mich auf. Ich setze mich rittlings auf ihn und entknote seine Arme. "Das war doch nur ein Joke. Ich dachte, wir ziehen uns ein bisschen mit diesem Landei auf."

Mein Schatz seufzt und schließt kurz die Augen. "Ja, ich weiß doch", murmelt er. "Aber manchmal denke ich, dass es nicht reicht."

"Was reicht nicht?"

"Na die Zeit, die wir füreinander haben."

"Wollen wir wirklich nochmal darüber debattieren?"

"Nein, aber ..."

"Gut. Denn ich liebe dich. Wieso sonst zwänge ich mich in einen Anzug und züchte unter einer Perücke Läuse auf meiner Kopfhaut? Nur, weil ich bei dir sein will. Und das will ich unter allen Umständen." Ich verschränke seine Finger mit meinen. "Ich liebe dich", flüstere ich ein weiteres Mal, küsse seinen Handrücken und dann seinen Mund. "Ich will nur noch dich. Dafür nehme ich auch den Kampf auf Leben und Tod mit meiner Schwester in Kauf." Endlich lächelt Meilo wieder. "Schön, dass dich dieser furchtbare Kampf so erheitert. Hoffentlich weinst du bittere Tränen, wenn ich nicht lebend aus dieser Schlacht hervorgehe."

"Du bist hin und wieder so ein Kindskopf", kichert mein Meilolein.

"Das nehme ich mal als Kompliment."

"Das war ja auch als eins gedacht." Unsere Lippen finden sich.
 

Wir kuscheln noch eine Weile lang miteinander, streicheln uns und albern etwas herum, bis wir beide im Bad verschwinden. "Wie klein hier alles ist", meint Meilo.

"So ist das bei normalen Leuten, die nicht ständig in teuren Suiten herumhängen", feixe ich.

"So habe ich das gar nicht gemeint. Und ich finde es gar nicht so schlimm, bis auf die Wanne."

"Was ist mit ihr?"

"Da passen nie im Leben zwei erwachsene Männer rein." Ich schaue rüber zu besagter Wanne und tatsächlich. Viel Platz ist in ihr nicht. "Wir müssen eben doch in den See."

"Wer hat denn gesagt, dass wir unbedingt im Wasser vögeln müssen?"

Meilos Mundwinkel sacken nach unten. "Musst du das so ausdrücken?"

"Was denn? Vorhin am Auto hast du auf vögeln gesagt."

"Ja, weil es zur Situation gepasst hat." Verstehe das einer!

"Gut, dann eben Liebe machen. Besser?"

"Viel besser", schnurrt mein Schatz und drängelt mich in die Dusche. Muss ich extra erwähnen, dass die auch fast zu klein für zwei erwachsene Männer ist? Und auch, wenn wir wirklich gern dich aneinandergedrängt unser Dasein verbringen, ist es doch lästig, immer wieder gegen die kalte Duschwand zu donnern. Dadurch fällt die Dusche heute sehr kurz aus. "Ich hab's doch gesagt, viel zu klein", schmunzelt Meilo, der mir gerade ein Handtuch reicht.

"Dafür ist das Bett groß genug."

"Und der See." Fängt er schon wieder damit an?

"Okay", seufze ich. "Ich gehe mit dir runter zum See, aber ob ich in die Brühe steige, kann ich dir nicht versprechen."

"Oh du wirst reingehen", lacht er. "Du wirst, mein Lieber." Dessen ziemlich sicher, zwinkert Meilo mir zu und verlässt das Badezimmer.

"Was du nicht sagst", rufe ich ihm nach und trockne mir die Haare ab. Meilos Lachen hallt zu mir rüber. Bauchkribbelalarm! Ich laufe ihm nach. "Weißt du was?", frage ich ihn.

"Was denn?"

"Lass uns runter gehen, und was zu Abend essen."

"Vor dem Baden wird nicht gegessen. Hast du im Schwimmunterricht nicht aufgepasst?"

"Sehr lustig mein Schatz." Er nun wieder. "Ich habe jedenfalls Hunger und zudem würde ich gerne herausfinden, ob dieses bayrische Urgestein nicht vielleicht doch auf Jungens steht."

Das findet mein Herzblatt gar nicht lustig. "Nicht schon wieder Nic!"

"Was denn? Ich bin neugierig. Du nicht?"

"Und was hast du davon, wenn du es weißt?"

"Eigentlich nichts. Bis auf die Gewissheit, dass die kleine Stimme in meinem Kopf doch recht hat."

"Ich dachte, du hältst ihn nicht für schwul."

"Das ist es ja gerade", überlege ich laut. "Lass es uns herausfinden!"

Meilo wirkt resigniert. "Ach Sweety. Ich will doch nicht die paar freien Stunden mit dir damit verbringen, herumzuforschen, ob dieser riesige Kerl schwul ist."

"Das habe ich ja auch gar nicht vor", erwidere ich. "Ich will nur sehen, wie er auf uns reagiert." Meilo seufzt und sieht mich an, als hätte ich mächtig einen an der Waffel. Das habe ich wahrscheinlich auch, aber dieser bayrische Koloss geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich will's jetzt wissen! "Komm schon Meilo", rede ich weiter auf ihn ein, während ich mich notdürftig abtrockne. "Lass uns beide das Geheimnis des bayrischen Pagen lösen."

Meilo schüttelt den Kopf, lacht dann aber. "Du bist unmöglich Nic", sagt er und wirft sein Handtuch auf den Boden. Das lenkt mich jetzt aber extrem ab. "Ich würde dem Kindskopf von vorhin gern noch was hinzufügen. Du bist ein unverbesserlicher Kindskopf."

"Du glaubst gar nicht wie unverbesserlich ich bin", schnarre ich und schiebe mich vor meinen süßen Popsänger. "Ich werde es nie lernen." Ich ziehe ihn an mich und sauge mich an seinem Hals fest. Ganz vorsichtig, versteht sich, damit ich keine Flecken hinterlasse. Die mache ich nachher lieber an einer ganz anderen Stelle.

"Gut zu wissen", japst Meilo, kichert dann jedoch und presst sich an mich. Das Abendessen sowie der vielleicht-schwule-Männertraum sind vorerst wieder vergessen. Wer braucht schon Nahrung oder einen blonden Hünen, wenn er Meilo haben kann?
 

Angezogen und wieder bei Sinnen (Meilo kann einem aber auch alle Sinne einzeln ausknipsen, wenn er richtig loslegt), sitzen wir unten im Gastraum des Hotels. Auch hier herrscht dieses bayrische urige Ambiente vor, das alles umgibt.

Die Empfangsdame kommt mit ausladenden Schritten auf uns zugeschwebt, lächelt dabei breit, und reicht uns zwei Speisekarten. "Können Sie uns etwas empfehlen?", fragt Meilo sie. Sie plaudert wie ein Maschinengewehr drauf los, sagt ihm, was besonders schmackhaft im Hause ist und lacht dabei immer wieder wie ein kleines Schulmädchen. Meilolein macht nicht nur die Männerwelt schwach. Als ob ich das nicht wüsste ... "Dann nehme ich das. Danke."

"Ähm und ich ... Ähm ... Einen gemischten Salat und ein Wasser."

"Sehr wohl." Die Speisekarten gehen wieder in ihren Besitz über. Dabei wollte ich noch einen Nachtisch. Na ja. Dann werde ich auch nicht zu fett.

"Einen Salat? Du hast meinen Ratschlag wohl ernst genommen." Meilo blinzelt mich amüsiert an.

"Klar. Meinst du, ich will wie eine Bleiente untergehen, wenn du mich hinterrücks in den See schmeißt?"

"So etwas würde ich nie tun!", empört sich mein Schatz.

"Lüg nicht. Ich sehe es an deiner Nasenspitze an." Daraufhin kräuselt sich die besagte Nase. "Das hilft auch nichts", lache ich.

"Hm ... Sie mal! Henning steht dort hinten." Meilo nickt Richtung Rezeption.

Unauffällig folge ich seinem Nicken. "Ja aber hallo", wispere ich und kassiere postwendend einen Tritt gegen das Schienbein. Ich bekomme giftige Blicke seitens meines Schatzis. "Was denn?"

"Das weißt du genau", zischt er.

"Und du weißt genau, dass es für mich nur dich gi..."

"Ein schönen guten Abend." Und da steht Henning auch schon. Genau vor unserem Tisch.

"Guten Abend", antworten wir brav. Gott, hat der stramme Oberschenkel ...

"Sie haben schon bestellt?"

"Ja, haben wir", sagt Meilo und verpasst mir wieder einen Tritt. Gut, den habe ich verdient. Man starrt keinem Kerl auf den Schritt, während man einen schönen Abend mit seinem Mann verbringen möchte. Aber verdammt nochmal! Diese Beule da, kommt nicht nur vom geschmeidigen Leder seiner Trachtenhose! In meinem Kopf beginnen die Synapsen zu glühen. Woher kommt diese Beule denn dann? Dieser bayrische Schürzenjäger wird es doch nicht etwa auf meinen Meilo abgesehen haben?!
 

Ich reiße meine Augen von dem Schritt vor mir los und schaue nach oben. Prompt treffen sich unsere Blicke. Schluck. Doch nicht etwa wegen ... mir?! Wie ein parallelisiertes Häschen glotze ich Page Henning an. "Ist alles in Ordnung mit Ihnen?", möchte er von mir wissen und sieht mit einem Schlag total verwirrt aus.

"Äh ... Ja! Alles bestens", stottere ich mir zurecht. "Ich habe mich nur gefragt, was wir heute Abend hier alles noch machen könnten. Sie verstehen?" Bitte versteh es, denn ich kapiere hier rein gar nichts mehr!

"Wir haben kleine Boote draußen. Sie könnten auf den See hinaus, und die Abendsonne genießen. Oder in den Strandkörben die Seele baumeln lassen. Baden geht um diese Jahreszeit bei uns auch noch. Das Wasser ist noch recht angenehm."

"Bootfahren hört sich doch gut an!", jauchzt Meilo. "Die untergehende Sonne, wir zwei, ganz allein ..." Seine Hand schiebt sich in meine. "Machen wir das?" Meilos Augen leuchten richtig. Vergessen ist Henning mit den strammen Lederhosen.*

"Gerne", antworte ich ihm. "Gleich nach dem Essen."

"Au ja!"

"Sind das Ruderboote?", will ich von Henning wissen.

"Ob das ... ähm ... Was?" Nanu. Plötzlich so sprachlos?

Ich verscheuche die umher schwebenden Herzchen, löse meinen verliebten Blick von meinem Meilolein und betrachte Henning. Auch wenn ich eben noch gedacht habe, wie schade es ist, mich von Meilos Anblick losreißen zu müssen, entschädigt mich Hennings Gesichtsausdruck dafür. Der Kerl ist verlegen! Ha! Seine Augen schwirren unstet zwischen Meilo und mir hin und her, haften sich für einen Moment auf unsere sich haltenden Hände, und wieder zurück zu einem von uns. Mehr muss ich gar nicht wissen. "Ob das Ruderboote sind", frage ich noch einmal nach.

"Ruderboote?"

"Ja", lache ich. "Ruderboote. Zum Rudern auf dem See. Meilo und ich würden dort gern rudern." Was auch immer bei dem Wort rudern denkt, es muss was schmutziges sein. Jedenfalls der Gesichtsfarbe nach zu urteilen, die er gerade annimmt.

"Äh ... ja! Ruderboote sind das. Also mit ihnen können Sie ganz ungestört ... hinaus auf den See … äh … rudern."

"Wunderbar! Könnten Sie uns eins zurechtmachen?"

"Natürlich!" Er nickt wie ein Besessener und spielt braven Pagen. Fehlt nur noch die Verbeugung. "Ich gehe gleich los."

"Fein. Und wir zwei Hübschen lassen es und erst einmal schmecken", sagt Meilo. Ich sehe ihm an, das er dasselbe denkt wie ich. Eindeutig, und nicht bestreitbar schwul! Das Geheimnis um den bayrischen Pagen wäre hiermit geklärt.

Aber das Universum muss Meilo und mich für zwei besonders dämliche Geschöpfe halten, denn als sei es noch nicht Bestätigung genug, dass Henning beinahe bloß von dem Anblick unserer aneinander berührenden Hände in Flammen aufgeht, kommt der Koch um die Ecke gesaust, um uns einen kleinen Gruß aus der Küche zu bringen. Und was da plötzlich mit dem armen Henning passiert, dass bringt sogar meine Wangen zum Glühen.
 

"Bitte sehr", lächelt uns der Koch an, stellt die Teller ab und wendet sich dann Henning zu. Ich muss sagen, Hut ab Herr Koch. Auch er sieht extremst lecker aus. Und so, wie er und Page Henning sich anschauen ... Nicht nur in der Küche brennt ein Feuer, sage ich euch. Gleich bricht hier ein Flächenbrand aus.

Die beiden spielen das scheue, ich flirte mit dir aber ich will nicht, dass du es mitbekommst Spiel, schauen sich an, erröten, schauen dann erschrocken weg und lächeln dabei wie zwei debile Altenheimbewohner. Ich fühle mich wie im Kino, bin kurz davor zu rufen, dass die zwei es doch endlich miteinander treiben sollen, halte mich aber tunlichst zurück, es laut auszusprechen.

"Ihr Essen kommt gleich", meint der Koch schließlich, lächelt uns wieder an, dann Henning, wobei er sich nervös über die Lippen leckt und danach in Richtung Küche davon zischt.

"Ihr Koch ist aber nett. Ist er schon lange hier?", frage ich Henning, um ihn aus der Reserve zu locken, denn er steht noch immer vor unserem Tisch und starrt dem entschwundenen Koch wie ein verlassener, winselnder Hund nach.

"Ja", haucht er. "Seit fünf Jahren schon." Na da weiß aber einer Bescheid.

"Ihr seid wirklich ein süßes Paar." Ich halte die Luft an. Es ist gewagt, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt, nicht wahr?

"Was?!" Hennings Kopf schnellt zu mir herum und Meilo zerdrückt meine Hand. Aua! Hat er es heute auf mich abgesehen, oder was?! "Wir sind kein Paar!", japst der geile Lederhosen Henning.**

"Nicht? Ach so. Dann Entschuldigung. Es machte eben nur den Anschein, als würde da was zwischen Ihnen beiden laufen. Da ist wohl meine Fantasie mit mir durchgegangen. Verzeihung." Ich grinse wie ein kleiner Schuljunge.

Henning, der eben noch ganz panisch drein geblickt hat, wirkt mit einem Mal ziemlich neugierig. "Tat es das?", fragt er mich unsicher und schielt erneut rüber zur Küche.

"Ja." Ich zucke mit den Schultern. "Der Koch sah aus, als wolle er Sie gleich mit in die Küche nehmen und vernaschen wollen." AU! Ich drehe mich zu Meilo, der mich schon wieder mit den Füßen malträtiert. "Hör endlich auf mich zu treten!" Das musste mal gesagt werden. Meilo schüttelt den Kopf.

"Ähm ... Na dann ... Ich gehe mal das Boot fertig machen. Zum … äh … rudern. Sie wollten doch … äh ja." Henning lächelt uns verlegen an und rauscht davon. Kann der süß stottern.
 

"Musste das sein?", keift Meilo mich an.

"Und wie es das musste", grinse ich. "Jemand musste den armen Henning doch mal in die richtige Richtung stupsen."

"Oh Mann, Nic! Das hätte auch in die Hose gehen können."

"Hätte es nicht", winke ich ab. "Dazu war es zu offensichtlich, dass die zwei sich am liebsten auf der Stelle aufgefressen hätten." Wieder schüttelt Meilo den Kopf. "Was denn? Jeden Tag eine gute Tat. Daran versuche ich mich immer zu halten." Und was ist besser, als zwei so offensichtlich ineinander verschossene Blindgänger auf den richtigen Weg zu führen? "Ach und Meilo?"

"Hm?"

"Ich hatte Recht. Der Page ist schwul."

"Und der Koch", sagt Meilo. Seine Mundwinkel zucken dabei.

"Was für ein heißes Gericht."

Meilo lacht und lässt meine Hand los. Sie wandert in meinen Nacken, zieht mich halb über den Tisch, damit Meiloleins Mund besser an meinen herankommt. "Wir kochen heißer", haucht er nach einem überaus leckeren Herumgeknutsche.

"Oh ja. Jetzt schmecke ich es auch." Und wie heiß wir sind. Heiß und lecker ...
 

******
 

* Demnächst auch in ihrem Kino *lach*

* Teil zwei von ' Henning mit den strammen Lederhosen' ist auch schon in Planung xDDD
 

*Luft zufächer*

Henning und der Koch. Das verspricht noch ein heißes Gericht zu werden. Da fällt mir ein, über die zwei wollte ich nochmal extra was schreiben.

Na mal schauen. Eins nach dem anderen ;-)
 

Euch auf jeden Fall noch einen schönen Sonntag und einen schönen Feiertag

Bis zum nächsten Mal, eure Fara

Love bite 25 - Fast wie Honeymoon

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 25 - Fast wie Honeymoon (Ohne Adult)

Love bite 25 - Fast wie Honeymoon (Ohne Adult)
 

"Schneller Nic! ... Ja! ... Streng dich an! ... Na los! ... Du musst dich mehr ins Zeug legen!"

"Ich geb ... dir ... gleich ... Oh Gott!"

"Stell dich nicht so an! Los jetzt! ... Schneller!"

"Sklaventreiber!" Mir rinnt der Schweiß über den Rücken. Dass kann doch nicht Meilos Ernst sein! "Ich kann ... nicht mehr ..."

"Soll ich mal wieder?"

"Ja verdammt!" Ich halte inne und klappe förmlich in mir zusammen, als Meilo mir endlich wieder die Ruder aus der Hand nimmt.

"Lehne dich zurück und genieße die Fahrt", kichert mein Schatz und fängt an, die Ruder durchs Wasser zu ziehen.

"Bei dir sieht das so leicht aus", ächze ich und wische mir mit dem Handrücken über die feuchte Stirn.

"Ist es ja auch."

"Angeber."

"Das ist keine Angeberei. Man muss nur wissen, wie man richtig rudert."

"Und das weißt du?"

"Sonst sähe es bei mir nicht so leicht aus", lacht er.

Beleidigt starre ich Meilo an. "Woher weißt du das eigentlich alles? Du kannst Feuer machen, Rudern, weißt wie man warmes Wasser aus einem Gasboiler bekommt. Lernt man das alles in Berlin, oder was?"

"Logisch. Wo sonst?"

"Pff! Und ich dachte, du bist ein verwöhntes Stadtkind."

"Ey!" Meilo lässt eins der Ruder los, beugt sich über den Rand des Bootes und bespritzt mich mit Wasser. "Von wegen verwöhntes Stadtkind. Wir hatten damals noch keine Zentralheizung." Schwall um Schwall ergießt sich über mich.

Ich schreie auf. "Das ist kalt! Meilo! Lass das!" Ich halte die Hände hoch, aber es nützt nichts. Ich werde klitschnass. "Hör auf!"

"Stell dich nicht so an! Du bist mir vielleicht eine Mimose", gluckst Meilo. "Das bisschen Wasser." Das bisschen Wasser? Na warte! Ich beuge mich ebenfalls über den Rand und ziele Meilo an. "AHHH!" Treffer!

Das Boot gerät ganz schön ins schwanken, doch das stört uns nicht. Wir haben beide nur eine Shorts an. Meilo hatte Recht. Heute ist es wirklich warm, und selbst jetzt, wo die Sonne am Untergehen ist, ist die Luft beinahe noch sommerlich.

Wieder trifft mich ein Schwall Wasser. Diesmal genau ins Gesicht. "Fuck! Meilo!" Der lacht sich schier schlappt. "Wäh!" Ich huste Seewasser.

"Ahhhahaa!" Meilo hält sich den Bauch und kriegt sich kaum noch ein. "Du siehst aus wie ein begossener Pudel!", gillert er.

"Du auch gleich", knurre ich, schüttle den Kopf und hechte vor zu Meilo, den ich an den Schultern packe und über Bord schmeiße. Doch dieses Aas klammert sich an mich, und durch das Schwanken des kleinen Bootes gerate ich aus dem Gleichgewicht und rutsche mit in den See hinein.

Ich bekomme fast einen Kälteschock, als ich ins Wasser eintauche, doch als ich prustend auftauche, habe ich mich schon an das kühle Nass gewöhnt. Meilo taucht neben mir auf und atmet tief ein. Es ist nicht zu fassen, aber er lacht immer noch. "Ich hab doch gesagt, dass ich dich ins Wasser bekomme", lacht er abgehackt. "Und? Schon erfroren?"

"Nach dem ersten Schock geht es", gebe ich zu.

"Na siehst du!" Meilo hält sich an meinen Schultern fest. "Wetten, gleich wird dir noch ein bisschen wärmer?"

"Ich fühle schon, wie die Hitze in mir aufsteigt", schnurre ich. Meilos Lippen sind tatsächlich ganz warm, als sie sich auf meine legen.

Damit wir beim Knutschen nicht absaufen, halte ich mich mit der rechten Hand am Boot fest. Meilo drückt mich gegen das Boot, das uns hervorragend vor den Blicken der anderen Seebesucher abschirmt. Es sind zwar nicht viele, und die Meisten von ihnen liegen faul auf ihren Liegen herum, aber sehen könnten sie uns dennoch. "Lust, auf ein bisschen spielen?", wispert mir Meilo seine Frage ins Ohr.

"Aber immer doch."
 

*
 

"Ist dir jetzt ... warm?", fragt mich Meilo.

"Ich verglühe", seufze ich und schnappe nach Luft. "Keine Ahnung, wie wir jetzt wieder auf das Boot kommen sollen." Meine Knochen fühlen sich wie eine zähflüssige Masse an.

"Gute Frage", überlegt Meilo. "Kannst du mich halten? Dann klettere ich rein und ziehe dich dann hoch."

"Versuchen wir's."

Meilo nickt und zieht sich am Boot hoch. Ich gebe ihm Halt und versuche gleichzeitig das Boot so zu stützen, dass es nicht noch umkippt. Flink, wie Meilo nun mal ist, schafft er es wieder ins Innere des Bootes. "Jetzt du", fordert er mich auf.

"Ich komm da im Leben nicht hoch", jammre ich, während in meiner Vorstellung der Rand des Bootes immer höher wird.

"Willst du bis zum Ufer schwimmen?", werde ich gefragt.

"Im Leben nicht!" Das ist mir viel zu weit!

"Dann hoch mit deinem Knackpopöchen." Meilo hält mir grinsend seine Hand entgegen.

Oh Mann! Warum habe ich nur das Gefühl, dass ich mich gleich vor meinem Liebsten zum Vollaffen machen werde? "Komm schon hoch. Ich helfe dir." Na fein. Irgendwie muss ich ja wieder ins Boot kommen.

Ich überwinde mich und halte mich am Bootsrand fest. Vergebens versuche ich mich daran hochzuziehen, denn das Boot schwankt so sehr, dass ich einfach nicht mein Bein über den Rand bekomme. Das sieht bestimmt zum schreien komisch aus, wie ich mich hier abmühe. Komisch, und peinlich. Meilo, der mich am Oberarm und an der Taille packt, zieht wie ein Irrer. "Mensch! Hilf doch mal mit!", japst er. "Du hängst da wie ein nasser Mehlsack!"

Wasser spritzt auf, als mein Bein zum wiederholten Male abrutscht und wieder in den See patscht. "Ich bin ein nasser Mehlsack!", keuche ich. Meilo gibt ein Knurren von sich und beißt die Zähne zusammen.

"Hoch-mit-dir ...", grunzt er angestrengt, und dann schaffen wir es. Ich bekomme meinen Fuß weit genug hoch und Meilo zieht im gleichen Moment nochmal fest an meinem labbrigen Mehlkörper. Wie ein Fisch klatsche ich ins Boot und ringe nach Luft. War das anstrengend!

Meilo lässt sich auf den kleinen Holzsteg fallen, der als Sitz dient. Er grinst mich verschmitzt mit offenen Mund an. "Lach nicht", nörgle ich und rapple mich auf. "Nach dem Abgang eben ist es ein Wunder, dass ich nicht gleich untergegangen bin."

"Schieb es ja nicht auf mich, dass du so ungelenk bist."

"Pha!" Ich gebe meinem frechen Schatz einen Luftkuss. Dieser verengt die Augen zu schmalen Schlitzen, lacht, klettert zu mir und setzt sich auf meine ausgestreckten Beine. "Was war denn das eben?", fragt er mich und streichelt mir über die nackte Brust.

"Was denn?"

"Dieses" Meilo ahmt meinen Luftkuss nach.

"Was wird das schon gewesen sein?", gluckse ich.

"So nicht, mein Freund. Hier gibt es keine Luftküsse. Ich will echte, verstanden?"

"Wenn Sie unbedingt drauf bestehen", kichere ich und packe Meilos Nacken. Ungestüm ziehe ich ihn zu mir und gebe ihm das, was er will, und ich lasse ihn erst wieder los, als er beinahe am ersticken ist. "War das echt genug?"

"Voll echt", säuselt mein Liebling und rutscht von mir runter. "Komm zu mir." Ich tue wie befohlen und lege mich neben Meilo, der seine Beine unter den Sitz geschoben hat, und meine Arme nach mir ausstreckt. "Wie schön es hier ist", seufzt er. "Nur wir beide ..."

"Und ein beginnender Sonnenbrand", füge ich hinzu. "Guck. Ich bin ganz rot."

"Das kommt davon, weil du immer drinnen herumhängst."

"Gar nicht wahr!" Meilo lacht und drückt mit seinem Zeigefinger auf meinem roten Oberarm herum. "Und du? Warum bist du so braun? Du bist doch auch nur drinnen bei irgendwelchen Terminen, oder tanzt nachts auf den Bühnen der Welt herum. Da wird man ja wohl kaum braun."

"Ich bin eben von Natur aus ein dunkler Typ", sagt er. "Ich hatte in meinem Leben nur zwei Mal einen Sonnenbrand."

"Jetzt lügst du aber!"

"Nein. Ehrlich."

"Angeber", schmolle ich und rutsche so dicht an Meilo, dass ich weitgehendst von der Sonne abgeschirmt bin. Wenn er schon keinen Sonnenbrand bekommt, kann er ja auch gleich Sonnenschirm für mich spielen, nicht?
 

Ich schließe die Augen, fühle Meilos unmittelbare Nähe und lasse mich von dem seichten Schwanken des Bootes langsam einlullen. Es ist, wie Meilo gesagt hat. Richtig schön und vor allem: Nur wir beide. Damit hätte ich gestern oder gar heute Mittag überhaupt nicht gerechnet. "Nic?"

"Ja?"

"Was hältst du davon, wenn ich uns das Zimmer bis Ende der Woche buche?" Ich überlege kurz, und weil mein Verstand eben noch so herrlich abgeschaltet war, braucht das eine Weile.

"Du willst, dass wir hier bleiben? Und dein Konzert?" Ich hebe den Kopf an und schiele zu Meilos Gesicht.

"Von hier aus ist man doch schnell in die Stadt gefahren. Morgen Mittag fahre ich zurück. Du bleibst hier, und nach dem Konzert komme ich wieder hier her. Denn nächsten Termin habe ich erst am Freitag Morgen bei einem hiesigen Radiosender."

"Wir haben also den ganzen Donnerstag für uns?", frage ich aufgeregt.

"Haben wir", freut sich Meilo. "Ich habe doch immer den Tag nach einem Konzert frei. Na ja, meistens."

"Wenn das so ist, dann regeln wir das gleich mit dem Zimmer!" Ich setze mich auf, schnappe mir die Ruder, doch:

"Warte! Bleiben wir noch ein bisschen hier, hm?"

"Ja aber, wenn kein Zimmer mehr frei ist ..." Meilo legt mir seinen Zeigefinger auf die Lippen und zieht sich die kleine Tüte heran, die er mit aufs Boot genommen hat, und fischt dort sein Handy heraus.

"Es geht viel schneller und ist viel praktischer, wenn ich einfach vorne anrufe, findest du nicht?" Hiermit ist es offiziell. Mein Schatz ist schlauer als ich.

Meilo regelt alles mit der Chefin. Unser Zimmer ist noch bis Sonntagvormittag frei, weswegen wir es gern noch länger buchen können. "Endlich haben wir mal Glück", sage ich zu Meilo, als er wieder aufgelegt, und sich im Boot lang gemacht hat.

"Das wurde auch mal Zeit. Ich bin fast durchgedreht ohne dich."

"Ich habe es gemerkt." Ich schaue Meilo ernst an. "Es freut mich so sehr, dass du wieder glücklich bist. Du hast mir heute Morgen einen ganz schönen Schrecken eingejagt."

"Das wollte ich nicht. Ich hätte das alles nicht sagen sollen." Er weicht meinem Blick aus, doch das lasse ich diesmal nicht zu.

Ich lege meine Hand auf seine Wange und ziehe sein Gesicht zu mir. "Es war gut, dass du es mir gesagt hast", rede ich auf ihn ein. "Sonst wäre ich jetzt nicht bei dir und irgendwann wäre es sowieso aus dir herausgebrochen. Erinnerst du dich noch, was du mir versprochen hast? Sowie es dir schlecht geht, oder du glaubst, ich würde was anstellen, rufst du mich an. Egal wann. Du redest mit mir." Meilo nickt. "Versprich es mir! Los!"

Meilo verdreht die Augen und lacht. "Nic ..."

"Ähäh! Sag es!" Ich schaue ihn eindringlich an. "Wir müssen reden, wenn wir uns wieder für längere Zeit nicht sehen können. Sonst passieren solche Dinge wieder, und wer weiß, wie es dann ausgeht."

"Ich weiß", nuschelt er. "Und ich verspreche dir, dass ich es dir sage, falls meine Gefühle wieder mit mir durchgehen."

"Gut", nicke ich. "Und wehe du vergisst das wieder!"

"Werde ich nicht." Um unseren 'Schwur' zu besiegeln, stürze ich mich auf Meilos Mund.

Bald schon sind wir in einer heißen Fummelei vertieft, Meilo über mir und das schwankende Boot unter mir. Was braucht man mehr?
 

***
 

Es ist schon dunkel, als wir zurückrudern. Nebel zieht auf, doch noch erkennt man alles. "Meinst du, der Nebel wird noch dicker?"

"Bestimmt", antwortet Meilo. "So warm, wie es heute war, wäre das gar kein Wunder."

"Irgendwie unheimlich."

Meilo lacht auf und schlägt mit den Rudern aufs Wasser auf, ehe er sie durchzieht. "Hast du etwa Angst?"

"Kennst du den Film, The Fog?"

"Kenne ich."

"Dann weißt du auch, warum ich keinen Nebel mag." Seinen ersten Horrorfilm vergisst man nicht so schnell.

"Ich fasse es nicht. Mein Freund hat Angst vor Wasserdampf", kichert mein übermütiges Herzblatt.

"Ach sei ruhig." Meilo bleibt ruhig, wenngleich er immer noch grinst wie ein Blöder.

Nachdem wir wieder an Land sind, binden wir das Boot an dem Pfosten fest, an dem es vorher angetaut war, und laufen langsam Richtung Hotel. Meilo legt seinen Arm um mich und bleibt vor dem Eingang stehen. "Was ist?" Hat er was vergessen? Die Tüte hält er doch in der Hand.

"Ist das nicht schön?" Meilo starrt hoch in den Himmel. "Die Sterne, das leise Rauschen vom See und der zarte Nebel. Was soll daran angsteinflößend sein?"

"Ja, ganz nett", murmle ich. "Können wir jetzt rein?"

Meilo seufzt theatralisch und legt den Kopf schief. "Du bist so unromantisch manchmal, das ist doch nicht zum Aushalten!"

"Unromantisch? Ich?"

"Ja!"

"Bloß, weil ich keinen Nebel mag, heißt das noch lange nicht, dass ich nichts von Romantik verstehe."

"Ich muss dir noch vieeeeel beibringen, mein Freund", sagt Meilo, klopft mir auf die Brust und betritt das Hotel.

"Wie, beibringen? Was soll das heißen? ... Meilo? Meilo!" Der reagiert ja gar nicht! Auf der Treppe, die hinauf zu unserem Zimmer führt, hole ich ihn wieder ein. "Hau doch nicht einfach ab!"

"Tue ich doch gar nicht. Wir wollten doch ins Zimmer, dachte ich?" Das macht er extra!

Im Flur schnappe ich mir sein Handgelenk, wirble ihn um neunzig Grad herum und drücke ihn gegen die Wand. "Warum glaubst du, will ich mit dir ins Zimmer?", frage ich mit leiser, rauer Stimme.

"Zum vögeln?" Mööp.

"Wie unromantisch", zicke ich mit näselnder Stimme. "Sag doch nicht so etwas frivoles."

"Du Idiot", kichert Meilo. Sein Finger hat sich zwischen meine Haut und dem Bund der Shorts geschoben. "Mein süßer, liebevoller Idiot." Hmm ... Er kann mich ruhig öfter als Idiot beschimpfen, wenn das zu so einem leckeren Zungenkuss führt ...

"Ähähm", macht es auf einmal neben uns. Wir fahren auseinander und starren auf die Gestalt im Flur. Einer der Gäste sieht uns schief an. "Machen Sie das besser in Ihrem Zimmer", poltert der Kerl und latscht an uns vorbei.

Als er hinter der nächsten Ecke verschwunden ist, fangen Meilo und ich an laut zu lachen. "Psssst!", giggelt mein Schatz. "Wir wecken noch alle."

"Dann lass uns schnell ins Zimmer huschen, mein Süßer. Damit ich dich endlich vernaschen kann."

Meilo schubst mich von sich, nimmt mich an der Hand und rennt mit mir im Schlepptau zu unserem Zimmer. Ungeduldig fummle ich an seinem Hintern herum, während er versucht die Tür aufzuschließen. "Warte doch", kichert er. "Nicht!"

"Mach hin", schnurre ich gegen seinen Hals und drücke meine im Aufwachen begriffene Männlichkeit an Meilos Hintern. Seine Shorts hängt schon gefährlich tief. "Ich kann es gar nicht mehr erwarten ..." Kann ich echt nicht. Ich bin plötzlich so scharf auf meinen Schatz, dass ich ihn am liebsten hier und jetzt …

Die Tür schwingt nach innen auf und wir stolpern mit ihr in unser Zimmer. Hinter uns schlägt sie wieder zu, eventuell ein wenig zu laut, aber das ist uns total egal. Wir haben nur noch Augen für uns, pressen uns aneinander, streifen uns gegenseitig die Shorts von den Hüften und taumeln Richtung Bett, auf das wir uns fallen lassen und in der weichen Decke versinken. "Du machst mich so scharf Meilo", keuche ich in sein Ohr und knabbere anschließend an dem weichen Ohrläppchen.

"Du mich erst", erwidert mein Herzblatt, schlägt seine Fingernägel in meinen Hintern und schlingt seine Beine um mich. "Nimm mich Nic!" Das muss er mir kein zweites Mal entgegen keuchen. Definitiv nicht!
 

Ich muss nicht extra erwähnen, dass die Nacht viel zu kurz war, wenngleich auch mehr als schön. Ich fühle mich einfach nur großartig, ungeachtet dessen, dass ich viel zu früh aus meinen Träumen geglitten bin. Meilo schläft noch, doch ich bin hell wach. Die Vögel sind diesmal nicht dran Schuld, die höre ich kaum. Meine Blase war der Übeltäter, und jetzt, wo ich mich erleichtert habe, kann ich beim besten Willen nicht mehr einschlafen. Die Sonne scheint wieder und wüsste ich nicht, dass es Herbst ist, ich würde es nicht glauben. Der Sommer scheint für uns nochmal extra zurückgekommen zu sein. Unser Sommer.

Doch vielleicht kommt mir das auch nur so vor, weil mir die Schmetterlinge in meinem Bauch ganz hinterhältig vorgaukeln, es sei immer noch alles voller Leben, Liebe und Lust da draußen. Wie auch immer, ich fühle mich fast so, als wären Meilo und ich im Honeymoon. Im Ernst! Gäbe es da nur nicht Gerd und diese vermaledeite Plattenfirma.

Ich seufze. Und im Keller ist meine gute Laune. Musste ich ausgerechnet jetzt an Meilos Job denken? Bald muss Meilo wieder weg, und ich bleibe hier, warte auf ihn, und zähle die Minuten, bis er wieder bei mir ist. Altes Spiel, wenn auch mit entschärften Spielregeln.

Ich drehe mich auf die Seite und betrachte meinen schlafenden Freund. Sein Gesicht wird ihm halb von den Haaren verdeckt. Er hält das Kopfkissen umschlungen und atmet leise und ruhig. Bilder der vergangenen Nacht kommen mir in den Sinn. Verdammt heiße Bilder. Meilo ist wieder wie ausgewechselt. Mal sehen, wie es ihm nachher geht, ob er da wieder trübselig wird. Bitte nicht. Ich hasse es, ihn so zu sehen. Ich will, dass er glücklich ist, auch wenn er nicht bei mir ist.

Ich stütze meinen Kopf auf meinen angewinkelten Arm und schaue verträumt auf meinen schlafenden Meilo nieder. Ob ich mich jemals an ihm sattsehen werde? Kaum vorstellbar. Das neue Tattoo auf der Innenseite seines Handgelenkes fällt mir ins Auge. Ich habe es mir noch gar nicht richtig angesehen. Vorsichtig berühre ich es mit meinem Zeigefinger. Meilo zuckt noch nicht mal. Ob ich mir auch eins stechen lassen soll? Ich habe schon oft mit dem Gedanken gespielt, wusste aber nie, was genau meine Haut zieren soll. Ich meine, das Teil bleibt da für ewig. "Für ewig ...", hauche ich und halte inne mit meinen Berührungen.

Ich schlucke. Meilo hat sich sozusagen einen Teil unserer Geschichte stechen lassen. Einen sehr wichtigen Teil. Inklusive den Anfangsbuchstaben meines Namens. Für ewig. Das Ding geht nie wieder weg. Immer, wenn er es sieht, wird er an mich denken.

Mein Bauch beginnt heftig zu stechen, weil mir erst in diesem Moment klar wird, was das genau bedeutet. Nicht nur das Tattoo, sondern auch die Lieder, die er geschrieben, und für mich aufgenommen hat. Meilo möchte für immer mit mir zusammen sein, tut mir das mit einer solchen Deutlichkeit kund, und ich Blindgänger nehme es gar nicht richtig wahr!

Ich ziehe die Hand von Meilos Tattoo weg und setze mich auf. Innerlich aufgewühlt starre ich auf ihn nieder. "Oh Meilo", flüstere ich. Warum sehe ich es jetzt erst? Und warum schnürt es mir die Kehle so fest zu, dass ich kaum Luft bekomme? Wieso schlägt mein Herz so schnell, dass ich glaube, es jeden Moment durch meine Brust fliegen zu sehen? Dieses kleine Tattoo bedeutet so viel, und ich kapiere es jetzt erst! Meilo kommt mit einer Liebeserklärung um die Ecke, die beinahe genau soviel wiegt wie ein Eheversprechen. Und damit übertreibe ich keineswegs. Ich meine das ernst! Ein Leben lang. So ein Tattoo hält ein Leben lang. Und ich Blindgänger habe es unterschätzt, das Tattoo, und wahrscheinlich sogar Meilos Gefühle, und ich schäme mich dafür.

Natürlich fühle ich auch viel für ihn. Mehr als das. Er ist alles für mich. Er ist zu meinem Leben geworden, und ich möchte auch bis ans Ende aller Tage bei ihm sein, aber mit dem kleinen Tattoo hat Meilo nochmal eins obendrauf gesetzt, was mich unwahrscheinlich glücklich und auch stolz macht. Unwillkürlich muss ich an den Tag zurückdenken, an dem er es mir gezeigt hat.

Hat er sich vielleicht mehr von meiner Reaktion erhofft? Ich versuche mich daran zu erinnern, überlege, wie Meilo mich dabei angesehen hat, weiß es jedoch nicht mehr. Aber je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass ich wahrscheinlich nicht so reagiert habe, wie es sich Meilo sicher erhofft hat. Das Tattoo ist ein gewaltiger Liebesbeweis, und ich Trottel habe es gar nicht richtig würdigen können. Ich trete mir mental in den Arsch. Zu meiner Verteidigung, ich war viel zu aufgekratzt, dass Meilo überhaupt bei mir war, doch das zählt nicht wirklich, oder?

Ich überlege nicht länger, stehe auf und schleiche an unsere Kleidertasche. Dort wühle ich nach meinem Handy, finde es, und gehe leise zurück ins Bett. Meilo hat sich noch immer keinen Millimeter bewegt und schläft tief und fest. Wunderbar!

Ich muss mich leicht verrenken, damit ich den richtigen Winkel erwische, und das Tattoo so drauf bekomme, dass es gerade ist, doch ich bekomme es hin und schieße eins nach dem anderen. Später suche ich mir dann das Beste von den ganzen Fotos raus.

"Nic?" Ich zucke zusammen. Meilo wird wach! Ich lege das Handy schnell weg und lasse mich aufs Kopfkissen fallen. Und schon öffnet mein Herz die Augen. "Bist du schon wach?", gähnt er und streckt sich.

"Gerade eben", lüge ich. "Gut geschlafen?"

"Hervorragend. Die frische Luft bewirkt Wunder." Schmunzelnd rücke ich dichter an Meilo heran und umfange ihn mit meinen Armen. "Du bist aber schon ganz schön munter, dafür, dass du eben erst aufgewacht bist", murmelt er gegen meinen Hals.

"Das liegt nur an dir. Wenn du mich ansiehst, kann ich gar nicht anders, als hellwach zu werden."

Ich spüre, wie Meilo beginnt zu lächeln. "Gibt es einen speziellen Grund, weshalb du mir Honig ums Maul schmierst?"

"Muss ich dafür einen Grund haben?"

"Wäre schön, wenn nicht."

"Habe ich auch nicht. Du bist mir Grund genug." Ich rolle mich auf Meilo, begrabe ihn unter mir und umfasse sein Gesicht. Er grinst mich fragend an. Ich erwidere nichts, sondern beuge mich zu ihm hinunter und nehme seinen Mund in Beschlag. Zärtliche Küsse austauschend, gehen unsere Hände auf Wanderung. Es ist so unbeschreiblich schön, bei ihm zu liegen. Ganz ohne Stress und mit nur gaaaanz wenig Zeitdruck. Ich freue mich schon so sehr auf morgen, das glaubt ihr gar nicht. Ein ganzer Tag, nur mit meinem Schatz! Das ist fast wie Urlaub.

Meilo, der gerade seine Hände an meinen Oberarmen entlangfahren lässt, seufzt leise und kitzelt mit seiner Zunge über meinen Gaumen. Ich keuche auf und unterbreche unseren Kuss. "Frechdachs", flüstere ich.

"Hat das etwa gekitzelt?"

"Das weißt du ganz genau."

"Ups", meint Meilo unschuldig. "Kommt nicht mehr vor." Als ob ich ihm das glauben würde!

Ich grinse ihn an und breite die Arme aus, damit seine Hände von ihnen rutschen und fange diese ein. Während ich mit meinen Mund über das Tattoo an seinem Handgelenk schmuse, halte ich beide Hände gefangen und hefte meinen Blick auf Meilo. Er sieht mich lüstern an, ein leichtes Lächeln auf den Mundwinkeln, und atmet schwer.

Sanft kreise ich mit der Zunge über die Linien. Meilo bekommt eine Gänsehaut. Seine Finger berühren meine Schläfe und meine Stirn. Ich züngle ein Stück an seinem Unterarm entlang, springe dann über auf seinen Bauch und sauge mich dort fest. Er hat noch eindeutig zu wenige Love bites. Finde ich zumindest.

Knutschfleck um Knutschfleck landet auf Meilos Bäuchlein, und ich mache so lange damit weiter, bis er sich lachend unter mir windet. "Das reicht Nic!", lacht er. "Ich sehe ja langsam schon so aus wie ein modernes Kunstwerk."

"Du bist auch ohne Flecken ein Kunstwerk", antworte ich, gebe jedoch nach. Ich lasse Meilos Hände los und rutsche der Länge nach auf ihn. Sofort umfangen mich seine Arme. "Und ich meine nicht Keith Kandyce." Mein Schatz lächelt schmal. "War das jetzt falsch?" Habe ich ihn wieder irgendwie gekränkt?

"Nein", seufzt er. "Das hat mich nur daran erinnert, dass ich nachher weg muss."

"Oh. ... Tut mir leid." Ich Volltrottel!

"Egal. Morgen habe ich frei und bis ich weg muss, haben wir noch ein bisschen Zeit nur für uns." Meilo patscht mir voller Tatendrang auf die Brust. "Wie wäre es mit Frühstück draußen am See?"

"Hört sich verlockend an", antworte ich, küsse Meilo noch einmal kurz und stehe dann auf. "Aber vorher", raune ich ihm zu "kommst du mit mir." Ich locke ihn mit dem Zeigefinger hinter mir her ins Badezimmer.

"Erinnerst du dich noch daran, wie eng es in der Dusche ist?"

"Und? Je enger, je lieber." Ich wackle mit den Augenbrauen und betrete rückwärts das Bad. Meilo lacht, dann höre ich, wie er aus dem Bett steigt. Na wer sagt es denn?

Vielleicht habe ich nicht so überschwänglich auf das Tattoo reagiert, wie ich wahrscheinlich sollte, aber ich kann ihm dafür jede Sekunde, in der wir zusammen sind, zeigen, wie sehr ich ihn liebe. Und das werde ich auch tun. Jetzt mehr denn je.
 

Geduscht und angezogen, schlurfen wir runter in den Gastraum. Es gibt ein kleines Frühstücksbuffet, das mit allem Nötigen ausgestattet ist. "Entschuldigung?" Die Empfangsdame rast an uns vorbei, hält aber an, als ich sie anspreche. "Können wir auch draußen essen?"

"Selbstverständlich", nickt sie. "Nehmen Sie sich ruhig schon mal ihr Frühstück, ich lasse schnell einen Tisch fertig machen."

"Danke." Sie rauscht wieder weiter. "Die sind alle ganz schön auf zack hier", sage ich zu Meilo, der schon vorm Buffet steht und sich zwei Brötchen aus dem Korb nimmt.

"Hier scheint es nicht viele Angestellte zu geben. Kein Wunder also."

"Kann gut möglich sein." Ich stelle mich neben ihn und suche mir auch was zum Essen aus. "Wann fährst du los?" Eigentlich will ich gar nicht fragen, aber ich würde es gern wissen.

"Um halb zwölf. Dann habe ich noch einen Zeitpuffer, falls ich irgendwo stecken bleibe."

"Solange du meine Karre nicht gegen die nächste Wand setzt, bringt die dich überall hin", scherze ich.

"Keine Sorge. Ich will ja wieder heile bei dir ankommen."

"Na das will ich dir auch geraten haben." Ich kann nicht anders und muss meinem Schatz einfach einen Kuss geben. Scheiß auf das ältere Ehepaar ganz hinten im Frühstücksraum.

Unsere Teller klirren leise, da sie aneinanderstoßen, als wir immer näher zusammenrücken. Doch das juckt uns nicht. Wir können nicht voneinander lassen, und ich denke noch, wären wir doch lieber noch eine Weile im Zimmer geblieben, da räuspert sich jemand hinter uns. Als ich nachschaue, wer uns dreister weise stört, sehe ich Page Henning hinter uns stehen. "Entschuldigen Sie, aber ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich Ihnen draußen einen Tisch bereitgestellt habe." Er ist so verlegen, dass er uns gar nicht richtig anguckt.

"Oh. Danke", erwidere ich, während ich noch immer dicht vor meinem Meilolein stehe. "Gehen wir Schatz?", frage ich ihn. Er seufzt leise und gibt mir mit seinem Blick zu verstehen, dass ich den armen Pagen nicht so aus der Fassung bringen soll, nickt dann allerdings und geht voran. Ich kann es mir gerade so verkneifen, Meilo kein "Warte doch auf mich mein Liebling" nachzurufen. Ich werfe Henning bloß einen freundlichen Blick zu und dackle meinem Süßen hinterher.

Man hat uns einen schönen Platz in der Sonne zurecht gemacht. Meilo sitzt schon, weshalb ich mich neben ihn setze, mit Sicht auf den See. "Guck mal. Da hinten steht ein Graureiher." Meilo deutet auf einen grauen Vogel, den man nur schwer erkennen kann, weil er so weit weg ist.

"Der muss aber groß sein", überlege ich.

"Ja, die sind ziemlich groß."

"Was du alles weißt."

"Nicht nur du kennst dich mit Vögeln aus."

"Meinst du jetzt Vögeln oder vögeln?", will ich von ihm wissen. Das letzte Vögeln betone ich extra langsam.

Mein Schatz kräuselt die Nase und schneidet sein Brötchen entzwei. "Warum habe ich auch nur davon angefangen?", schmunzelt er. "Langsam müsste ich dich besser kennen."

"Müsstest du", gebe ich ihm recht. "Jetzt musst du mit den Konsequenzen leben."

"Und welche sind das?"

"Na ja ... Um dich davon zu überzeugen, dass ich mich wirklich mit vög..." Ein Klingeln unterbricht mich. Ein Handyklingeln.

"Meins ist es nicht", frohlockt Meilolein und beißt in seine Butterstulle.

"So ein Mist!" Hätte ich mein dummes Handy doch nur oben gelassen! Aber woher soll ich auch wissen, dass es mal klingelt? Das tut es doch sonst nur in seltenen Fällen. "Zuhause", lese ich laut vor. "Was wollen die denn?"

"Hast du nicht Bescheid gesagt, dass du weg bist?"

"Doch."

"Vielleicht ist was passiert."

"Mach keinen Ärger!", japse ich und nehme schnell den Anruf an. "Ja?"

/Niclas?/

"Nicole? Warum rufst du mich an?" Verwundert mustere ich Meilo, der die Antwort darauf natürlich auch nicht kennt.

/Du bist doch bei deinem tollen Meilo, nicht?/

"Ja, bin ich." Oh oh. Was kommt denn jetzt?

/Kannst du ihn was fragen?/

"Was?" Jetzt kommt's.

/Er hat mir doch Magazine geschickt. Die Sondermagazine über .../

"Komm zur Sache", unterbreche ich sie, weil sie mir sonst einen ewigen Vortrag über die tollen Sondermagazine hält.

/Ähm ... Ja./ Nanu? Keine Beschimpfungen? Es hat eben doch Vorteile, wenn man die Quelle zu Keith Kandyce Fanartikel ist, auf die kleine Schwestern so abfahren. /Da fehlt eins. Die Nummer fünf. Hat er die?/

"Ich frage mal", seufze ich. Nicole quietscht und ich verdrehe die Augen. "Nicole lässt fragen, ob du die Nummer fünf von irgend so einem Sonderheft von di... ähm ... diesem Keith Kandyce hast." Beinahe hätte ich mich verquatscht! Autsch!

"War die nicht dabei?"

"Anscheinend nicht." Meilo stürzt die Lippen, legt sein Brötchen aus der Hand und streckt sie nach mir aus. Fassungslos glotze ich auf seine Finger, die nach dem Handy winken. "Meilo! Das ..."

"Gibt schon her", grinst er. Wenn er meint. "Nicole? Hier ist Meilo. Das Heft war echt nicht dabei? ... Nein?" Ich schiebe mir einen Löffel Müsli in den Mund und hoffe, dass Nicole nicht spitz bekommt, mit wem sie gerade telefoniert. Oh Gott! Sie würde einen Herzkasper bekommen! Hoffentlich weiß Meilo, was er da tut.

Er redet noch ein paar Minütchen mit meiner kleinen Schwester, lacht und quasselt mit ihr über unseren allseits geliebten Keith. Halloho?! Ich bin auch noch da! Jetzt weiß ich, wie Meilo sich fühlt, wenn sich alles um diese Kunstperson dreht, von ihm jedoch keiner Notiz nimmt.

Ich schiebe meine Hand in seine, die neben mir liegt, und drücke sie. Er lächelt mich an und zwinkert mir zu. Ich lächle zurück. Wie sehr ich ihn doch liebe! Ich kann es kaum erwarten, meinen Plan, den ich mir heute Morgen durch den Kopf gehen lassen habe, in die Tat umzusetzen. Vielleicht hilft es ihm, dass er sich keine Sorgen mehr darum macht, ich könnte ihn irgendwann betrügen, weil er so wenig Zeit für mich hat.

"Ist okay. Ich schaue nach. ... Nein, das macht mir keine Umstände. ... Wirklich nicht. ... Ich schick sie dir, ja? ... Ist gut. Bye." Meilo legt auf. "Deine Schwester ist aber unglaublich nett", meint er.

"Ja. Aber auch nur, weil sie was von dir will. Und weil du ihr Messias bist, das heißt, wenn sie das wüsste."

"Bald weiß sie es."

Ich lasse meine Stimme unheilvoll klingen, als ich das Wort erhebe. "Und dann werden Heerscharen von rachsüchtigen Dämonen über mich hinwegfegen ..." Ich schüttle mich.

"Mach doch nicht so ein Drama daraus."

"Hast du eine Ahnung", grolle ich.

"Ich lege ein gutes Wort für dich ein, dann pfeift Nicole die Herrschaften von Dämonen wieder zurück."

"Heerscharen, nicht Herrschaften. Das ist was anderes."

"Ach so." Meilo lacht auf. "Wie auch immer, keiner wird über dich hinwegfegen. Keiner, außer ich. Und es ist auch nicht direkt ein Hinwegfegen, sondern viel mehr ein Überfallen."

"Ich weiß ja nicht", gluckse ich. "Aber irgendwie kommt es mir so vor, als würdest du heute ständig von vögeln reden. Und hierbei meine ich nicht unsere kleinen gefiederten Freunde ..."

"Daran bist nur du Schuld. Das ist ansteckend. Eine richtige Vögelgrippe."

Mir rutscht der Löffel aus der Hand. "Eine Vögelgrippe?" Ich fange lauthals an zu lachen. "Wenn das so ist", giggle ich "dann muss ich dich gleich wieder ins Bett verfrachten und gesundpflegen."

Meilo, der ebenfalls lacht, schaut auf das Display meines Handys. "Genug Zeit hätten wir noch", erwidert er. "Nach dem Frühstück wieder nach oben?"

"Unbedingt!" Ich nicke eifrig. Unser beinahe Honeymoon will doch auch genutzt werden! Und das geht meines Wissens nur in einem kuscheligen Bett.
 

******

Love bite 26 - Euer Süpplein, unser Süpplein

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 26 - Euer Süpplein, unser Süpplein (Ohne Adult)

Guten Morgen.

Tut mir leid, dass ich euch schon wieder so lange auf das nächste Kapitel hab warten lassen. Die Arbeit nimmt wieder überhand und ich weiß momentan kaum, wo ich anfangen soll, so viel gibt’s zu tun.

Deshalb weiß ich auch nicht, wann ich dazu komme, eure Reviews zu beantworten. Lesen tue ich sie auf jeden Fall und freue mich auch immer riesig über jeden eurer Kommentare. ^^

Wann ich die Story von Henning und Heiko endlich fertig bekomme, weiß ich natürlich auch noch nicht. Die Arbeit geht erstmal vor, aber sobald ich wieder mehr Zeit habe, mache ich mich sofort ans Schreiben. Versprochen. ^^
 

Eure Fara.
 


 

Love bite 26 - Euer Süpplein, unser Süpplein (Ohne Adult)
 

Gelangweilt hocke ich auf dem Bett. Was mache ich denn jetzt bis heute Nacht? Es wird sicher spät, bis Meilo wieder zurückkommt. Das Konzert geht bis dreiundzwanzig Uhr. Dann noch duschen, umziehen, hier her fahren ... Ich stöhne gequält auf. Heute sehe ich Meilo sicher nicht mehr. Wenn er kurz nach zwölf hier auftaucht, wäre das noch früh.

Ich schiele zum Fenster. Dunkle Wolken sind aufgezogen, aber die Sonne scheint trotzdem noch. Ob die Wolken an uns vorbeiziehen? Lachend schüttle ich den Kopf und stehe auf, um ans Fenster zu treten. Kaum ist Meilo weg, ziehen dunkle Wolken über das Land. Als würde sich das Wetter meiner Stimmung anpassen. "Ich bin aber gar nicht schlecht gelaunt", stelle ich fest. "Hört ihr? Meilo kommt wieder, also brauche ich keinen Trübsal zu blasen, und ihr könnt euch vom Acker machen!" Und um mir selbst zu beweisen, dass ich nicht schlecht gelaunt bin, schlüpfe ich in meine Schuhe und verlasse das Hotelzimmer. Mal schauen, was man hier noch alles machen kann, außer Boot zu fahren und auf seinen Liebsten zu warten.

Unten am Empfang ist niemand zu sehen. Unschlüssig bleibe ich stehen. Leises Geklapper hallt vom Gastraum zu mir rüber. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es Mittagszeit ist. Ob ich was essen soll? Hunger habe ich ja keinen, aber duften tut es lecker, merke ich gerade. Ich riskiere einen Blick auf das Buffet und ehe ich mich versehe, schleppe ich einen gut gefüllten Teller nach draußen. Hier drinnen möchte ich nicht essen. Erst jetzt fällt mir auf, dass das Durchschnittsalter der Hotelgäste meines um mindestens zwei Jahrzehnte übersteigt. Wusste Meilo davon? Falls ja, dann hat er uns bestimmt extra hier ein Zimmer gebucht. Von den ganzen Rentnern kennt ihn auf jeden Fall niemand!

Draußen, an 'unserem Stammtisch', genieße ich die Sonne, während ich mir langsam aber sicher einen kleinen Bauch anfuttere. Ich muss aufpassen, dass ich nicht aus dem Leim gehe. Ein Beziehungsbäuchlein möchte ich auf keinen Fall mehr. Mein letztes ist gerade erst verschwunden.

Fertig gegessen, lehne ich mich zurück und schließe die Augen. Vom See dringen vergnügte Schreie von Kindern zu mir rüber. Nicht nur die Hotelgäste nutzen den See. Das spätsommerliche Wetter hat eine Menge Leute angelockt. Sie kaufen sich ständig Getränke, die an einem kleinen Stand verkauft werden. Und wen sehe ich hinter genau diesem Stand stehen? Page Henning!

Er übergibt gerade einem kleinen Mädchen eine Limoflasche. Er lächelt sie an, sagt etwas zu ihr, was sie loslachen lässt. Der Vater, der die Limo bezahlt, lacht ebenfalls, nickt, und verschwindet wieder mit seiner Tochter im Schlepptau zu seinem Liegestuhl.

Wieder hat Henning meine Aufmerksamkeit. Er scheint wirklich ein netter Kerl zu sein. Mal abgesehen davon, dass er in den kurzen Lederhosen echt heiß aussieht, scheint ihn jeder auf Anhieb zu mögen. Er trägt ständig ein Lächeln auf den Lippen. Bis auf die zwei Mal, die er Meilo und mich überrascht-verlegen angegafft hat zumindest. Ob ich mal zu ihm rübergehen soll? Ich könnte eine kalte Limo vertragen.

"Hey", begrüße ich ihn. "Bekomme ich eine Limo?"

"Ähm, klar. Aber drinnen bekommen Sie die Getränke als Gast umsonst."

"Hm", überlege ich, schiele hoch zum Eingang des Hotels, dann wieder zu Henning. "Is mir zu weit. Wie viel kostet eine Flasche?"

Henning öffnet den Mund, als wolle er was erwidern, schließt ihn aber wieder, holt eine Limoflasche aus der Kühlung und gibt sie mir. "Geht aufs Haus", sagt er und grinst mich schüchtern an.

"Uh. Danke." Ich grinse ebenfalls, oder ich lächle viel mehr, denn ich setzte nun all meine Flirtkünste ein. Natürlich will ich nichts von ihm, aber ich will probieren, ob ich ihn ein wenig aus seinem Schrank locken kann. "Lecker", kommentiere ich, nachdem ich einen langsamen Schluck aus der Flasche genommen habe.

Henning wirkt wieder nervös. Er sieht mich an, dann hinaus zum See, dann wieder zu mir. Ich sehe ihm an, dass ihm etwas auf der Zunge brennt. "Wo ist dein Freund?" Und da haben wir es. Er hat sich getraut.

"Arbeiten", seufze ich.

"Arbeiten? Ihr macht gar keinen Urlaub?"

"Ich schon, aber Meilo muss bis heute Abend schuften."

"Wie schade." Das finde ich auch. "Dann musst du die Zeit allein totschlagen?"

"So ungefähr", schmunzle ich. "Dafür haben wir morgen den ganzen Tag für uns."

"Schön", lächelt Page Henning und dreht beschämt den Kopf weg. Ich will schon was erwidern, aber dann ruckt Hennings Kopf wieder zu mir, jedoch schaut er nicht mich, sondern etwas hinter mir, das sich beim Hotel befinden muss, an. Da ich ja schon immer ein neugieriger Geselle bin, schaue ich nach, was der Grund dafür ist, dass Henning an mir vorbei anstarrt. Als ich den Grund für sein Gestarre identifiziere, muss ich grinsen. Der Koch räumt soeben meinen Tisch ab.

Soll ich? Gehe ich zu weit, wenn ich ihn frage? Meilo würde sicherlich mit ja antworten, doch Meilo ist nicht da ... "Er sieht gut aus", sage ich im beiläufigen Tonfall. "Zum Anbeißen." Uiuiui. Henning sieht mich an, als wolle er mich gleich im See ersäufen. "Keine Sorge!", lache ich. "Ich bin glücklich vergeben. Ich nehme ihn dir schon nicht weg." Henning errötet wieder, was bei seiner Statur einfach nur zum Brüllen aussieht. "Aber an deiner Stelle würde ich mich ranhalten. So einer wie er bleibt nicht lange unentdeckt." Damit möchte ich ihn nur ein bisschen vorantreiben, ihm Worte entlocken, und ihn dazu bringen, sich mit mir zu unterhalten. Ich bin wirklich neugierig darauf, ob die beiden sich jemals nahe gekommen sind. Dass sie es gerne würden, dazu muss man kein Gedankenleser sein, um dies zu erraten. Ihre gegenseitigen Blicke sagen alles, was mir soeben bewiesen wird. Hm. Da kommt mir doch eine klitzekleine List in den Sinn.

"Du bist scharf auf ihn, richtig?", frage ich Henning frei heraus, wechsele zum du, weil es sich besser anhört, und berühre ihn am Arm. Dabei lächle ich süßlich und tue so, als wäre Henning mein Meilolein, dem ich schöne Augen machen möchte.

"Ich ähm ... Also ich ... Ich mag ihn wirklich sehr. Schon seitdem er hier angefangen hat."

"Das heißt, du schmachtest ihm schon seit fünf Jahren hinterher?!" Henning nickt. "Uff!" Das nenne ich mal Durchhaltevermögen. Oder Dummheit. Ich wäre schon längst geplatzt und hätte den Koch wie ein verhungerter Berglöwe angefallen.

"Ich weiß nicht so recht, wie ich es anstellen soll und er ... ich weiß nicht, ob er das gleiche für mich fühlt, wie ich für ihn", flüstert Henning verschämt. Ach herrje! Hier haben wir es eindeutig mit zwei Flachschippen der besonders schüchternen Art zu tun. Henning atmet laut aus und leckt sich nervös über die Lippen. "Ich habe das noch keinem gesagt, weiß du?" Ach, erzähl?

"Hattest du schon mal einen Freund?" Er schüttelt den Kopf. "Keinen?!" Das wird ja immer skurriler!

"Ich hatte vor einigen Jahren mal eine Freundin. Wir sind zusammen in der Berufsschule gewesen und es hatte sich damals so ergeben." Er zuckt mit den Schultern, als wäre diese Info nicht der Rede wert.

"Oh." Das heißt also, entweder, er ist bi oder konnte es sich nicht eingestehen, dass er schwul ist. Das erklärt so einiges.

Frei nach meinem neuen Motto: Jeden Tag eine gute Tat, nehme ich mir vor, den beiden einen ordentlichen Schubs in die richtige Richtung zu geben. Nämlich Richtung Bett. Ich wette, wenn die zwei sich erst einmal ein kleines bisschen näher kommen, dann gibt's 'nen großen Knall und danach lassen sie es ordentlich knallen. Ich betatsche Henning deshalb noch ein bisschen, lächle und blinzle ihn verführerisch an. "Wie heißt dein süßer Koch eigentlich?" Schau mich an, Henning. Nicht zu dem Koch schauen, der uns mit unsicheren Blicken beobachtet. So ist es gut.

"Heiko", haucht er und prompt ziert ein verliebtes Lächeln sein Gesicht.

"Heiko und Henning ... Wenn das mal nicht passt", schmunzle ich. Er senkt den Kopf, grinst aber. "Und wenn du mich fragst, er wartet nur darauf, dass du den ersten Schritt tust."

"Ich weiß nicht ..."

"Aber ich. Und ich kenne mich damit aus", rede ich auf ihn ein.

Er denkt lange nach, sieht dabei ständig zu seinem Koch hinüber, der uns immer noch mit Argusaugen beobachtet. Sieht Henning das nicht? Das sein heißgeliebter Koch gleich vor Eifersucht platzt?

"Und wie stelle ich das an?" Himmel noch eins! Wie er mich anguckt! Wie ein hilfloses Kätzchen, dass in eine Pfütze gefallen ist. Am liebsten würde ich ihn in den Arm nehmen und in eine warme Decke kuscheln. Aber das überlasse ich besser Koch Heiko. Ich muss nur noch das Katerchen tiefer in die Pfütze schubsen, damit Heiko schon mal eine Decke holen geht. "Wie mache ich den ersten Schritt?", fragt er weiter und wartet sehnlichst darauf, dass ich ihn erleuchte.

"Lächle ihn an, berühre ihn ganz zufällig, komm ihm einfach nahe. Dann geht alles von selbst. Garantiert." So lange, wie die beiden sich wie brennende Doppelsterne schon umkreisen, dürfte das nicht schwierig werden.

Hennings Augen irren auf dem See umher, dann lacht er auf und schüttelt den Kopf. "Ich fasse es nicht, dass ich Ihnen das alles erzähle. Es tut mir leid."

"Aber warum denn? Ich habe doch nachgefragt. Und ich bin immer froh, wenn ich helfen kann." Ich strecke ihm die Hand entgegen. "Und bitte, ich heiße Niclas."

"Henning", grinst der gut gebaute bayrische Page und schüttelt mir die Hand.

Vor lauter Reden und Händeschütteln, habe ich den Koch Heiko ganz vergessen. Dieser kommt just in diesem Moment angestapft, räuspert sich, und sieht ganz schön angefressen aus. Ein mehr als gutes Zeichen. "Henning? Deine Mutter möchte, dass du rein kommst."

"Oh ... Ist gut. Danke. Übernimmst du kurz den Stand?"

"Mit dem größten Vergnügen", knurrt er und mustert mich dabei misstrauisch. Da ist jemand eindeutig eifersüchtig. Gut so!

"Habt ihr auch Erdbeerhörnchen?", frage ich den Koch. "Mit Schokolade drauf?"

"Haben wir", ranzt er mich höflich an.

Während er in der Kühlung herumkramt, schaue ich Henning hinterher. "Schön habt ihr es hier", seufze ich. "Und was für eine tolle Aussicht ..." Herausfordernd schiele ich zu Heiko.

"Ja. Wundervoll, nicht? Und am schönsten ist die Aussicht, wenn man sie von der Ferne genießt." Oho! Das war deutlich.

"Nicht immer", lache ich. "Manchmal ist es auch schön, die Dinge anzufassen, die einem gefallen. ... Wie viel macht das?" Ich zeige auf das Erdbeerhörnchen.

"Drei Euro."

Ich schlucke. "Ganz schön happig."

"Kannst ja auch in die Stadt fahren und dir eine Packung im Supermarkt holen. Da gibt es auch schöne Aussichten." Mir rasselt der Unterkiefer nach unten. So viel Feindseligkeit hätte ich dem Koch gar nicht zugetraut.

"Warum so weit wegfahren, wenn man das, was man begehrt, genau vor der Nase hat? Ist schön blöd, wenn man sich nicht traut zuzuschnappen." Ich knalle ihm zwei zwei Eurostücke auf die kleine Ablage, säusle ihm ein "stimmt so" zu, grapsche mir mein überteuertes Eis und wende mich zum Gehen. "Dann werde ich mal mein Eis vernaschen und auf meinen Schatz warten. Der darf mir dann danach den Tag versüßen." Ich hoffe, das war deutlich.

Ich will ja nicht, dass er mir irgendein Gift ins Essen mischt, nur weil ich seinem knackigen bayrischen Buben schöne Augen gemacht habe. Er kann ja nicht wissen, dass ich es genau auf seine Eifersucht abgesehen habe.

Genüsslich beiße ich in mein vier Euro Erdbeerhörnchen. Das wird sicher noch spannend. Ich freue mich schon drauf, Meilo davon zu berichten.
 

***
 

Ach Mist! Wieder verloren! Am liebsten würde ich gegen den Flipper treten, aber das sieht man hier bestimmt nicht gerne. Ich werfe noch einen Zweier in den Schlitz. Das ist jetzt aber der Letzte! Ich bekomme neue Kugeln und los geht's. Kugel Nummer eins saust über das Spielfeld. Es klimpert laut und blinkt bunt. Ich liebe flippern!

Ich bin total vertieft, passe auf, dass mir nicht wieder eine Kugel abhanden kommt, da tippt mir etwas auf die Schulter. Ich erschrecke mich und weg ist die Kugel. "Verdammt!"

"Entschuldige", murmelt der tippende Übeltäter hinter mir.

"Ach, schon gut. Ich hab noch welche." Ich drehe mich um und lächle meinen 'Besucher' hier unten im Freizeitraum an. "Hey Henning", begrüße ich ihn. "Bock auf 'ne Runde?"

"Nein, danke", antwortet er kopfschüttelnd. "Ich muss arbeiten."

"Verstehe." Was ich aber nicht verstehe "Und warum bist du dann hier?" Eigentlich kann ich es mir schon denken. Es gibt nur einen Grund, weshalb mich Henning hier unten aufsucht.

"Ich möchte nicht unverschämt sein, aber kann ich mit dir reden?"

"Logisch. Setzen wir uns?" Ich deute zu der kleinen Sitzgruppe. Als wir sitzen, lehne ich mich abwartend zurück. Muss ich was sagen, oder kommt er von selbst mit der Sprache raus?

"Heiko?" Ich muss einfach fragen. Und da Henning nur dasitzt, sich die Finger wundknetet und mir mit einem Mal sehr aufgewühlt vorkommt, halte ich es für das Beste, nicht erst zu warten, bis er seinen Mund auf bekommt, obwohl er ja zu mir gekommen ist. Ich finde das übrigens ziemlich rührend, dass er das tut. Einem Wildfremden sozusagen sein Herz auszuschütten. Das bedeutet, er kann mit keinem anderen darüber reden, oder traut sich nicht. "Und? Liege ich richtig?"

"Ähm ... Ja." Er nickt schwach.

"Ja und? Was ist passiert?"

"Ich äh ... also eben in der Küche, da ... wir ... ähm ... wir waren dabei, das Gemüse für morgen zu putzen und ... äh ..." Ach du liebe Zeit! Wenn er immer so um den heißen Brei redet, dann gute Nacht. "Ich dachte an deinen Rat, und ... na ja ... also dann ... äh ..." Oh Gott! Ich platze gleich!

"Henning? Du musst dich vor mir nicht schämen. Sag es frei heraus." Und bitte schnell. Ohne ähs und alsos und unds.*

"Wir haben uns geküsst!", japst er hastig, als wolle er seinen Mund überlisten. Er ist selbst ganz erschrocken darüber, dass er es laut ausgesprochen hat, wie mir scheint, denn er hockt total angespannt vor mir, macht große Augen, atmet dann allerdings laut aus, als würde er wie ein Luftballon all seine Luft verlieren.

Als diese Attacke vorbei ist, sitzt er in sich zusammengesackt da und wirkt alles andere als erleichtert. Ängstlich schaut er mich an und macht einen sehr hilfsbedürftigen Eindruck. "Aber das ist doch gut!", versuche ich ihm Mut zu machen. "Oder war der Kuss schlecht?"

"Nein! Nein, war er ganz und gar nicht, nur ..."

"Nur?" Wehe, er fängt wieder mit diesem Gestotter an.

"Danach war nichts."

"Wie, nichts?" Das kapiere ich nicht.

"Heiko er ... er hat so getan, als sei gar nichts passiert." Hä?! Wie kann das denn passieren? Die zwei haben sich doch schon mit bloßen Blicken ausgezogen. Wieso hat dieser dämliche Koch nichts getan?

"Was hat er denn genau gemacht?", möchte ich ratlos wissen.

"Na ja, er sah mich merkwürdig an, drehte sich um und schälte weiter Kartoffeln."

"Kartoffeln?"

"Ja. Kartoffeln. Für die Suppe morgen." Wen interessiert denn die dämliche Suppe für morgen?

"Und was hast du gemacht?"

"Ich bin gegangen." Och du Trottel! Das gibt's doch nicht!

"Dann hopp! Geh wieder zu ihm."

"Und dann?"

"Dann schnappst du ihn dir. Ist doch klar wie Kartoffelsuppe!"

"Aber ... ab-aber ..." AHH!

"Nichts aber! Heiko wusste sicher nur nicht, wie er sich dir gegenüber verhalten sollte." Weil er genauso ein Blindfisch ist wie du, mein Freund.

"Meinst du?"

"Hundert pro. Du ahnst ja gar nicht, wie eifersüchtig er vorhin war, weil ich mit dir geredet habe." Geschockt weicht alle Farbe aus Hennings Gesicht.

"Eifersüchtig?", fiepst er. "Bist du dir sicher?"

"Tausend pro", antworte ich. "Deswegen hat er dich hoch ins Hotel geschickt." Und mir vier Euro für ein läppisches Eis abgezogen.

Henning holt Luft, überlegt und langsam zeichnet sich die unumstößliche Erkenntnis in seinem Gesicht ab. "Meine Mutter hat vorhin gar nichts von mir gewollt." Sag bloß!

"Siehst du? Alles nur, weil er eifersüchtig war, und dich von mir fern halten wollte." Dass das eigentlich genau mein Plan war, sage ich ihm jetzt nicht. "Lauf zu ihm und lass nicht zu, dass er die Kartoffeln dir vorzieht. Mach ihm klar, dass du ihn willst."

Ein Lächeln huscht auf seine Lippen. "Ja. … Ja das werde ich tun", sagt er überzeugt, steht auf und geht.

"Und falls was ist, ich bin am Flipper." Und warte auf meinen Schatz, für den ich jede Kartoffelsuppe der Welt in den Ausguss kippen würde.
 

***
 

"Nic? ... Hey Nic."

"Meilo?" Aus süßen Träumen gerissen, drehe ich mich auf den Rücken und starre in die Dunkelheit. "Du bist wieder da?"

"Ja", haucht mein Liebling.

"Wie schön. Ich hab dich vermisst." Ich fuchtele mit den Armen herum und greife nach ihm. Er krabbelt unter die Bettdecke und legt sich neben mich. "Wie spät ist es?"

"Halb eins. Ich habe mich beeilt."

"Schön ..." Ich presse mich an ihn und erschnüffele Duschgel. "Du hast geduscht?"

"Ja. Das Glitzerzeug muss doch ab, bevor ich dich vernasche." Vernaschen hört sich gut an. Sehr gut sogar ...

Blind finde ich Meilos Lippen und lasse meine Hände über seinen Oberkörper gleiten. Er wälzt sich auf mich und drückt mich in die Matratze nieder. Ich bin schnell wach und vor allem schnell heiß. Ist auch kein Wunder, so, wie mich Meilos Hand reibt und neckt. "Oh Meilo!" Ich keuche gegen seinen Hals und versuche mir die Hose herunter zu fummeln, damit er mehr Spielraum hat.

"Nicht!" Nicht? Hab ich was verpasst? "Steh auf", fordert er mich auf, rutscht von mir und lässt mich mit einer steinharten Latte alleine zurück.

"Wieso?", frage ich ins Dunkel des Zimmers. "Meilo?"

"Wir gehen jetzt Boot fahren." Ich hab ganz eindeutig was verpasst.

"Jetzt? Mitten in der Nacht? Hiermit?!" Ich zeige auf meinen Schritt, was Meilo zwar nicht sehen kann, aber an meinem Wortlaut wird er es sich hoffentlich selbst denken können.

"Ja. Jetzt, mitten in der Nacht, zusammen mit dir und deiner Latte."

"Du verarschst mich!"

"Heul nicht rum. Komm!" Das Licht geht an. Ich zische wie ein lichtscheuer Vampir, und halte mir die Hand vor Augen. Meilo lacht. "Das wird geil. Ich verspreche es dir."

"Im Bett kann man auch geile Dinge machen. Warum müssen wir dafür raus in die Kälte?"

Meilo, der eine Wolldecke in seinen Händen hält, die er aus dem Schrank gezogen hat, kommt wieder auf das Bett zu, klettert drauf und hockt sich auf meinen Schoß. Hm ... Sehr fein ... "Weil ich rattenscharf auf dich bin und letzte Nacht einen Traum hatte, den ich gerne in die Wirklichkeit übertragen würde", haucht er, ehe er mir über die Unterlippe leckt. Leider viel zu kurz und viel zu schnell, als dass ich reagieren, und seine Zunge in meinen Mund saugen könnte. "Machst du mit?", fragt Meilo mich. Ich brumme unwillig. Will ich? "Bitte mein Sweetheart. Erfülle mir meinen Traum."

"Dein Traum, ja?", will ich wissbegierig wissen. Meilo nickt. "Und wie sah der aus?"

"Wenn du mitkommst, zeig ich es dir."

"Ähäh! Erst will ich von dir ein paar Infos haben." Trotzig verschränke ich die Arme vor der Brust.

"Na fein", gibt er nach. "Wir waren auf dem See. Es war dunkel und überall war Nebel."

"Ich mag keinen Nebel."

"Ich aber", schießt Meilo zurück. "Und dir wird der Nebel vollkommen egal sein, wenn ich dir erstmal den Blowjob deines Lebens verpassen werde, während wir in dem sacht wippenden Boot liegen."

Ich verziehe nachdenklich den Mund. "Hm. Das muss aber ein verdammt guter Blowjob werden, wenn er der Beste meines Lebens werden soll. Ich hatte schon verflucht Gute."

"Hoffentlich waren die alle von mir", brüskiert sich mein Schatz.

"Ich weiß nicht mehr ... Hilfst du mir gerade mal auf die Sprünge?" Ich grinse ihn frech an.

"Netter Versuch", knurrt er. "Aber dazu musst du schon mit mir an den See kommen." Meilo schwingt sich wieder von mir runter und springt vom Bett. "Kommst du? Sonst gehe ich alleine und ziehe das ohne dich durch." Er wirft mir einen frechen Augenaufschlag zu, dreht sich um und läuft zur Zimmertür.

Bilder fluten mein Hirn. Meilo, wie er nackt in einem der Ruderboote liegt und sich selbst anfasst. "Warte! Ich bin ja schon da!" Jetzt aber nichts wie hinterher!
 

Leise schleichen wir den Hotelflur entlang, bis wir an der Treppe ankommen, und diese hinabsteigen. Ständig krabbeln dabei Meilos Finger an mir herum und er kichert zischend. "Leise", flüstere ich, muss aber selbst schmunzeln. So aufgekratzt habe ich ihn noch nie erlebt. "Die erwischen uns."

"Und? Wir wollen doch nur Boot fahren."

"Ich glaube nicht, dass wir das nachts überhaupt dürfen", wage ich zu bezweifeln.

"Das ist es ja gerade", jauchzt Meilo und schleift mich mit sich Richtung Empfang.

Auf leisen Sohlen lugen wir um die Ecke. Niemand in Sicht. Lautlos laufen wir den Gang entlang, der an dem Bewirtungsraum vorbeiführt. "Warte!", zische ich und bleibe wie angewurzelt stehen. "Ich höre was."

"Was?"

"Weiß nicht."

"Ist da jemand?"

"Ich glaube ja." Ich laufe zwei Schritte weiter. "Da ist Licht. In der Küche."

Meilo stellt sich neben mich. "Arbeiten die noch?" Ich zucke mit den Schultern. "Lass uns mal nachschauen", kichert mein unternehmungslustiger Freund.

"Spinnst du? Die erwischen uns!" Ich fühle mich plötzlich wie damals, während unserer Schulausflüge. Da sind wir nachts auch immer auf Achse gewesen und haben uns raus und wieder rein geschlichen. Rein war etwas problematischer, da es wirklich schwer ist, im besoffenen Zustand leise zu sein. "Meilo, nicht!"

"Nur kurz." Ich gebe nach, wenn auch nicht gern.

Wie zwei Schatten schweben wir bis zur Saloon-artigen Tür. Ein weiter Gang tut sich auf. Die Küche liegt gleich rechts in einem Nebenraum, und man kann ein Stück weit hinein spähen. Es scheppert auf einmal laut. Meilo und ich fahren zusammen, und ich kann zum Glück einen Aufschrei unterdrücken. "Ist da was passiert?"

"Weiß nicht", antworte ich. "Sehen wir besser mal nach?"

"Ist gut, aber leise. Nicht, dass das Einbrecher sind." Ich nicke und schleiche als Erster durch die Saloontür. Meilo behalte ich hinter mir, sicher ist sicher, und pirsche mich an den Durchgang zur Küche heran. Ganz vorsichtig schiele ich um die Ecke und "Fuck!" Wie vom Blitz getroffen patsche ich mir mit der Hand auf den Mund und ziehe den Kopf zurück.

"Was ist da?" Meilo schiebt sich an mir vorbei. "Was ...? Oh!"

Ich ziehe ihn wieder weg. "Die bemerken uns noch", flüstere ich ihm panisch zu, aber Meilo grinst mich entspannt an.

"Dazu sind die zwei zu beschäftigt." Ich seufze und ziehe Meilo weg von hier. Nicht, dass uns Henning und sein Koch Heiko doch noch bemerkten. Obwohl ich zugeben muss, dass die zwei wirklich arg miteinander beschäftigt sind ...

Wir schaffen es ungehört nach draußen. Sagen tun wir dennoch nichts, erst, als wir vor den angetäuten Booten stehen. "Wer hätte das gedacht?", frage ich mich selbst. "Jetzt treiben die beiden es doch miteinander."

"So überraschend war das doch gar nicht. Die haben sich letztens ja fast schon im Gastraum besprungen."

"Das schon, aber du weißt nicht, was ich weiß", grinse ich. Meilo runzelt die Stirn, was ich kaum sehen kann, vor Dunkelheit und Nebel. "Ich erkläre es dir. Später", verspreche ich ihm und lege einen Arm um seine Taille. "Lass die beiden ihr Süpplein kochen, und wir kochen unser eigenes."

"Suppe?!" Meilo lacht auf.

"Ja. Kartoffelsuppe. Die gibt es morgen zum Mittag."

"Was du alles weißt."

"Du ahnst ja gar nicht, was alles", gluckse ich und küsse ihn sanft. "Lass uns schnell ins Boot steigen, ja? Ich endlich wissen, von was du nachts alles so träumst."

"Aye Aye mein sexy Leichtmatrose." So ein Spinner!
 

Wir täuen eins der Boote vom Pfosten. Während ich es festhalte, wirft Meilo die Decke hinein, breitet sie aus und klettert hinein. Ich gebe dem Ruderboot einen Schubs und springe ebenfalls hinein. "Besser, wir rudern nicht zu weit raus", schlage ich meinem Schatz vor, der die Ruder schon durchs Wasser zieht.

"Angst, im Nebel zu verschwinden?"

"Nein, aber ich habe Angst, dass wir nicht mehr zum Ufer zurück finden und heute Nacht hier draußen erfrieren." Habe ich schon erwähnt, dass es kalt ist? Denn halloho?! Es ist Anfang Oktober und wir hocken in einem Ruderboot.

"Das Hotel ist beleuchtet, das finden wir schon. Sooo dicht ist der Nebel heute Nacht auch nicht."

"Na, wenn du das sagst." Es ist ja nicht so, dass ich meinem Meilolein nicht trauen würde, aber unwohl ist mir schon. Ich reibe mir über die Oberarme und schaue immer wieder zum Hotel. Noch ist es zu sehen.

"Das reicht. Ab hier lassen wir uns treiben." Meilo lässt die Ruder los. Was für ein Glück, dass sie fest mit dem Boot verbunden sind.

Es schwankt leicht und ich halte mich am Rand des Bootes fest. Meilo dagegen zieht sich das Oberteil über den Kopf und steigt danach aus der Hose. "Du nicht?", fragt er mich und hebt eine Augenbraue.

"Sicher, dass es niemand bemerkt hat, dass wir auf den See gefahren sind?" Vielleicht jagen ja schon Hundestaffeln und bemannte Suchttrupps auf Speedbooten nach uns.

"Sehr sicher. Und der Nebel wird dich auch nicht fressen." Ha ha. "Der soll sich hüten, denn der Job gehört mir." Damit hat Meilo mich. Nicht nur mit seinen Worten, sondern auch mit dem, wie er es gesagt hat.

Ich kann beim besten Willen nicht mehr ängstlich in die Gegend glotzen, lache gelöst und strecke die Hände nach ihm aus. "Zieh dich endlich aus, Sweety", wispert er und packt mich an den Oberschenkeln. Das Boot gerät ins Schwanken, denn er zieht mich ohne Weiteres der Länge nach auf die Decke. Auf der Stelle ragt er über mir auf und stemmt die Arme links und rechts neben meinen Kopf. "Runter damit, oder willst du mich warten lassen?"

"Wie soll ich mich denn ausziehen, wenn du mich hinterrücks niederstreckst?", möchte ich wissen.

"Du könntest schon längst nackt sein, wenn du nicht so viel reden, oder ängstlich in der Gegend herumstarren würdest."

"Scherzbold!", lache ich und zerre an meinem Shirt herum. "Hilf mir mal."

"Wenn du drauf bestehst."

"Das wäre nett." Anstatt mir jedoch bei meinem Oberteil zu helfen, lüpft er den Bund meiner Hose. Doch sei's drum. Die muss schließlich auch runter.
 

Nachdem ich völlig entkleidet unter meinem Liebling liege, überzieht mich eine feine Gänsehaut, die nur teilweise von der kribbelnden Aufregung in mir herrührt. Ich bin gespannt und erregt, aber mir ist auch arschkalt. "Meilo? Wärmst du mich? Mir ist kalt." Ich höre Meilo leise lachen und spüre endlich seinen warmen Körper auf meinem.

Prickelnde Lust rast durch mich und ich kreuze meine Arme in seinen Nacken. Meilo beugt sich hinab zu mir, küsst sich an meinem linken Schlüsselbein entlang und gräbt seine Finger in meine Hüfte. Ich stöhne leise und schließe die Augen. Es geschieht ganz plötzlich, und die Kälte in mir weicht einer samtweichen Wärme, die in meinem Bauch beginnt und sich langsam auf meinen gesamten Körper ausbreitet. Vergessen ist all die Skepsis. Ich spüre nur noch die Begierde, die Meilo, wie so oft, in mir aufkommen lässt. Gelöst lehne ich mich zurück und lasse Meilo schalten und walten. Immerhin ist das hier sein Traum.
 

******
 


 

* Gibt es eigentlich eine Mehrzahl von und? (O__o) Ähm ... öhm ... also ...

Love bite 27 - Amors Liebespfeil

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 27 - Amors Liebespfeil (Ohne Adult)

So. Und weil ich euch so lange hab warten lassen, gibt es heute von mir gleich zwei Kapitel. Bitte schön. ^^
 


 

Love bite 27 - Amors Liebespfeil (Ohne Adult)
 

"Na los. Lass uns endlich aufstehen."

"Keine Lust", murmle ich und blinzle Meilo müde an, der sich auf mich gelegt hat, und auf mich nieder starrt.

"Büüüde. Ich habe Hunger."

"Und ich bin müde, weil du mich die ganze Nach über im Boot auf Trab gehalten hast."

"Das stimmt doch gar nicht! Wir sind gleich wieder zurückgerudert."

"Und wer musste rudern?"

"Ich konnte nicht."

"Ja, weil du eingepennt bist, und ich dich aus dem Boot ins Zimmer schleppen musste." Meilo zieht den Mund schief. "Noch eine halbe Stunde. Dann stehe ich von mir aus auf." Ich ziehe mir das freie Kissen herbei und lege es mir aufs Gesicht.

Meilo seufzt, murmelt ein "Och Mann", und klettert von mir runter. "Dann gehe ich mich schon mal fertig machen."

"Tu das", brumme ich ins Kopfkissen. Wenn er jetzt denkt, dass mich das zum Aufstehen bewegt, dann hat er sich geirrt. Ich bin viel zu müde, um mit ihm unter die Dusche zu steigen. Und außerdem, noch viel zu befriedigt.

Die Badezimmertür geht zu. Ich werfe das Kissen von mir und drehe mich auf die Seite, weg vom Fenster. Mit geschlossenen Augen dämmere ich vor mich hin und bin fast wieder eingeschlafen, da rüttelt jemand an meiner Schulter. "Die halbe Stunde ist rum. Hopp! Aufstehen."

"Du lügst", knurre ich.

"Ich lüge nicht! Du weißt doch, wie lange ich im Bad brauche. Du hattest sogar noch mehr wie eine halbe Stunde."

"Bin aber immer noch müde."

Meilo seufzt. Die Matratze senkt sich. "Nic? Bitte", säuselt es an meinem Ohr. "Ich habe Hunger und ich möchte mit dir frühstücken."

"Nachher."

Wieder ein Seufzen. "Nic? Steh auf."

"Nein!"

"Gut. Dann anders." Ich wippe auf und ab. Meilo scheint sich zu bewegen. Plötzlich wird es warm an meinem Ohr. Ist das seine Zunge? "Wenn du nicht gleich aufstehst, nerve ich dich so lange, bis du aus dem Bett bist."

"Das schaffst du nicht."

"Ach nein?" Ich schüttle den Kopf, warte jedoch gespannt ab, was mein Süßer vor hat. "Okay, du hast es nicht anders gewollt." Uhhh! Ich bekomme Angst. "Nihiiiic, Niiiiiiiihiiiic." Ich kann ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Das soll nervig sein? "Nihiiic. Nic ... Nic-Nic-Nic-Nic-Nic-Nic-Nic-Nic-Nic-Nic-Nic ..."

"AHHH!" Ich halt's nicht aus! Der quakt mir genau ins Ohr! "Hör auf!", schnarre ich und versuche mich wegzudrehen. "Du bist ja schlimmer als jeder Wecker!" Meilo lacht, hört aber nicht auf mich weiter mit diesem Nic-Nic-Nic zu nerven. Weil wegdrehen nichts bringt (Meilo hat sich einfach auf mich geworfen), probiere ich ihn zu packen, was mit auch nach einigen Anläufen gelingt. Als ich ihn von mir weg schupse, und mich nun selbst auf ihn lege, schreit mein Göttergatte lachend auf. "Hörst du jetzt auf?", keuche ich.

"Nein! ... Nic-Nic-Nic ..."

"Schluss jetzt! Das ist ja Tierquälerei!" Ich fange Meilos rudernde Hände ein und drücke sie auf der Matratze nieder. Nachdem das geschafft ist, presse ich meinen Mund auf seinen. Selige Ruhe!

Erst als er ruhig unter mir liegt, und leise Laute der Zufriedenheit von sich gibt, beende ich den Kuss. "Hörst du jetzt auf?", frage ich ihn.

"Bist du jetzt wach?" Frechdachs!

"Leider ja", seufze ich gespielt theatralisch auf. "Man gönnt mir auch keine Ruhe."

"Du hast mein ungeteiltes Mitleid, aber jetzt zieh dich an." Meilo patscht mir auf die Brust und rutscht unter mir hervor. Ergeben falle ich mit dem Gesicht voran ins Bettzeug. "Shirt oder Pullover?" Woher soll ich das wissen?
 

Meilo grinst breit und macht sich über sein Frühstück her. "Lecker! Hab ich ein Kohldampf!" Ich dagegen bin schon wieder fast am Einpennen. "Hey! Nicht schlafen." Erwischt. "Willst du meinen freien Tag heute durchschlafen, oder was?"

"Wollten wir nicht sowieso im Bett bleiben?" Ich ringe mir ein schwaches Grinsen ab.

"Das glaubst auch nur du. Ich hab was vor mit dir." Jetzt werde ich neugierig. "Rodeln", sagt Meilo und lächelt mich breit an.

Ich lege die Stirn in Falten und schaue mich um. "Wie lange habe ich geschlafen? Liegt etwa schon Schnee?"

"Nein, du Ulknudel. Sommerrodeln."

"Der Sommer ist vorbei", erinnere ich ihn.

"Aber wegen des guten Wetters ist die Bahn noch geöffnet."

"Und woher weißt du das?"

Meilo zieht einen Prospekt aus seiner Hosentasche. Hat der da einen ganzen Prospektladen drinnen deponiert? "Hier! Der ist mir gestern in die Augen gesprungen."

"Meilo, der Prospekte-König", lache ich und klappe den Prospekt auf. "Sieht nett aus. Besonders das Kleinkind hier." Das freut sich wie Bolle. "Ist die Bahn auch für Erwachsene?"

"Natürlich ist sie das", motzt Meilo, wird dann jedoch kleinlaut. "Was besseres habe ich nicht gefunden, es sei denn, du willst eine Bierbrauerei besichtigen."

"Bier? Da bin ich dabei!" Meilo legt den Kopf schräg. Er trinkt nicht so gerne Bier, weshalb diese Möglichkeit eher flach fällt. "War ein Scherz", beruhige ich ihn. "Also schön, fahren wir Sommerrodeln im Herbst. Zu zweit sitzt man da bestimmt ziemlich dicht beieinander ..." Ich lecke mir über die Lippen. Meilos Augen blitzen vergnügt auf. Jetzt freue ich mich eigentlich doch auf das Kinderrodeln.

"Guten Morgen. Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?" Henning steht plötzlich neben unserem Tisch.

"Morgen. Ja, alles bestens." Ich verkneife mir ein allzu offensichtliches Grinsen.

"Sehr fein", sagt Henning und strahlt dabei sogar noch heller als es die Sonne über uns tut.

"Und bei dir? Alles gut gelaufen?", frage ich ihn leise. Er weiß ja nicht, dass wir wissen, wie gut es bei ihm und dem Koch tatsächlich gelaufen ist.

"Ist es", lächelt Henning und bekommt einen leichten Rotschimmer im Gesicht. "Wir haben uns ... ähm ausgesprochen." So nennt man das jetzt also. Ja, ja. Die Liebe mit ihren vielen Arten der Kommunikation. Ist es nicht schön?

"Nur ausgesprochen?" Ich will es endlich aus seinem Mund hören! Und vor allem, sind sie jetzt zusammen, oder nicht?

"Nicht nur", gibt er zu.

"Das heißt ihr beiden seit zusammen?"

Henning schluckt und guckt sich im um. Außer uns frühstücken noch zwei andere Hotelgäste auf der Terrasse. "Ja", flüstert er. "Aber das weiß noch keiner."

"Okay", nicke ich. "Dann viel Glück."

"Danke."

"Das schafft ihr schon", meint Meilo, der wohl verstanden hat, um was es geht, obwohl ich ihm noch gar nichts von dem gestrigen Tag erzählt habe.

Henning schwebt wieder von dannen und ich greife zur Kaffeetasse. "Was ist denn nun gestern passiert?", fragt Meilo mich. "Hattest du deine Finger da mit ihm Spiel?"

"Kann man so sagen", grinse ich. "Ich habe Amor gespielt." Und die Rolle steht mir immer besser, wie ich finde.

"Du hast ihnen deinen Liebespfeil gezeigt?" Meilo tut entsetzt.

"Ja. Gleich nachdem du weg warst, bin ich mit den beiden in die Küche und habe sie mit meinem Liebespfeil aufeinander scharf gemacht." Ich trinke einen Schluck Kaffee und blinzle Meilo frech an.

"Jetzt sag doch mal! Was ist geschehen?" Ich stelle die Tasse ab und beginne Meilo alles zu erzählen. Dass ich Heiko eifersüchtig gemacht habe, und dass ich Henning kleine Tipps gegeben habe. "Du bist ja wirklich wie Amor", amüsiert sich mein Schatz. "Erst hast du mich verzaubert, dann deinem Ex und seinem Neuen geholfen, was ich immer noch nicht ganz verstehe, und jetzt das. Alle Achtung."

"Ich bin eben umgeben von Liebe", grinse ich. "Und von Liebespfeilen." Ich zwinkere Meilo zu.

"Ich hoffe, du meinst damit nur deinen und meinen, sonst setzt es Schläge mit meinem Bogen." Ich frage jetzt lieber nicht, was er genau mit Bogen meint.

"Natürlich nicht", antworte ich empört. "Unsere Liebespfeile sind die Einzigen, die mich wirklich interessieren."

"Gut. Das beruhigt mich." Er zwinkert mir zu. Immer, wenn er das macht, bekomme ich weiche Knie. Das ist eindeutig seine amouröse Kraft. Hoffentlich bemerkt sie kein anderer außer mir, sonst bekommt es derjenige mit mir zu tun!
 

Den Rest des Frühstücks über unterhalten wir uns über Belanglosigkeiten, machen Pläne für Morgen und versuchen nicht daran zu denken, dass wir uns bald wieder trennen müssen, am Samstag, um genau zu sein. Trotzdem sollten wir froh sein, dass wir wenigstens die Woche über zusammen sein konnten, wenngleich auch nicht die ganze Zeit.

"Wollen wir gleich los?", möchte Meilo von mir wissen, als wir wieder in unserem Zimmerchen sind.

"Gerne. Dann können wir nachher nochmal mit dem Ruderboot raus ..." Ich wackle mit meinen Augenbrauen auf und ab und schmiege mich an meinen Süßen, der wieder vorm Spiegel steht und sich im Gesicht herumfingert.

Er lacht und sieht mich im Spiegel an. "Ich dachte, du magst kein Ruderbootfahren."

"Och, so schlecht ist es gar nicht. Besonders, wenn du mit sehr, sehr wenig Stoff am Leib in so einem Ding sitzt." Ich schließe die Augen und knabbere an seinem Ohrläppchen.

"Du und deine schmutzigen Gedanken."

"Gib zu, du hast immer genau die gleichen schmutzigen Gedanken wie ich, wenn wir zusammen sind."

"Vielleicht nicht die Gleichen, aber ähnliche", lacht er und dreht sich in meinen Armen um. "Ich bin richtig glücklich mit dir, weißt du das?"

"So etwas in dieser Richtung habe ich schon geahnt", schmunzle ich.

"Idiot", grinst Meilo und küsst mich.

Da fällt mir ein: "Was war das eigentlich gestern Nacht?"

"Was denn?", fragt er mich.

"Na das mit dem, das ich Sachen für dich tue, weil ich dich liebe, und dass das für andere nicht selbstverständlich sei." Ich kann mich nicht mehr an den genauen Wortlaut erinnern, aber sowas in dieser Art hat er mir gestern auf dem Boot zugeflüstert. Ich konnte ihn nicht sofort fragen, was er damit gemeint hat, weshalb ich es jetzt erst tue. Wir waren mit anderen Dingen beschäftigt. Ihr versteht?

"Das stimmt ja auch", sagt Meilo achselzuckend. "Was gibt es da zu erklären?"

"Wieso hast du das gesagt? Für mich klang es, als würde dich schon wieder was beschäftigen. Oder ist es etwa immer noch wegen deiner Angst, ich würde mit einem anderen ..."

"Nein!", unterbricht mich Meilo. "Das ist es nicht. Ich wollte es dir nur mal gesagt haben."

"Ach so", murmle ich verwundert. "Mehr nicht?"

"Mehr nicht." Warum glaube ich ihm nicht? Er macht sich doch bestimmt wieder Sorgen. "Es macht mich einfach glücklich, dass du so viel für mich aufnimmst und deswegen nie sauer bist."

"Du kannst doch nichts dafür." Er nicht, aber dieser bescheuerte Vertrag. Am liebsten würde ich ihn abfackeln. Würde nur auch nichts bringen.

"Du bist immer so geduldig mit mir. Auch wenn ich in letzter Zeit ständig unsere Treffen absagen musste. Und jetzt spielst du für mich noch diesen Logan Wittmen. Manchmal denke ich, du bist zu gut für mich."

"Und manchmal denke ich, dass du dir den ganzen Tag nur Mist ausdenkst", knalle ich zurück, meine es aber nicht böse. Im Gegenteil. "Hör auf dir über so etwas den Kopf zu zerbrechen. Um bei dir sein zu können, würde ich noch einiges mehr tun." Meilo lächelt mich dünn an. "Können wir jetzt los? Ich will mich an deinen Rücken pressen, während wir die Rodelbahn hinuntersausen." Er soll aufhören, so traurig zu gucken, verdammt noch eins!

"Gleich. Ich gehe nur nochmal schnell auf Toilette und dann ... Scheiße." Ein Handyklingeln. Meilos Handy. "Ich muss da ran gehen", sagt er und sieht mich entschuldigend an.

"Kein Problem. Geh ran." Ist ja auch nur ein klingelndes Handy. Was will das schon von uns wollen? Doof nur, dass sich das Klingeln gar nicht gut anhört. Irgendwie ... bedrohlich. Und als Meilo auf das Display schaut, kann ich schon alles an seinem Gesichtsausdruck ablesen. "Gerd?", frage ich. Er nickt. "Geh dran, sonst bekommt er noch einen Koller." Bestimmt hat er bemerkt, dass Meilo nicht brav in seinem Hotelzimmer hockt. Dieser Sklaventreiber!

"Ja?", Meilo hockt sich mit dem Rücken zu mir aufs Bett, nachdem er abgehoben hat. Ich laufe zum Bett und rutsche bis zu Meilo rüber, bis ich hinter ihm knie und meine Arme um ihn lege. "Wieso? Das war nicht geplant gewesen!" Ich drücke meine Nase in Meilos Nacken. Ich habe es geahnt! Da ist wieder irgendwas im Busch. Irgendein kurzfristiger Termin, der uns den Tag versaut. "Ich habe frei. Das habe ich immer nach einem Auftritt, damit ich mich ausruhen kann. ... Nein! Ich werde ganz sicher nicht hinkommen! Das war so nicht abgemacht gewesen!" Oh oh. Meilo seufzt genervt und ich kann sehen, wie sich seine Kiefermuskeln anspannen. "Und das sagst du mir erst jetzt? ... Ich bin extra nicht da, weil ich mit meinem Berater noch einiges zu bereden habe! ... Das kann dir doch egal sein!" Ich kann Gerds aufgebrachte Stimme hören. Zwar verstehe ich kein einziges Wort, aber er ist hörbar angepisst.

"Wir verschieben es mit der Bahn", flüstere ich in Meilos Ohr.

Er seufzt erneut, diesmal resignierend, und wischt sich übers Gesicht. Gerd zetert noch immer, doch Meilo beendet das Gespräch einfach und feuert sein Mobiltelefon auf das Bett. "Scheiße!" Ich schmiege mich fester an ihn.

"Um wie viel Uhr?", frage ich ihn leise.

"In einer Stunde. Die Adresse hat er mir schon gemailt. ... Gott, wie ich das hasse!" Nicht nur du, mein Hase.

Aber alles fluchen und hassen nützt sowieso nichts. Da müssen wir nun mal durch, so schwer es uns fällt. Ich lasse Meilo los und rutsche vom Bett. "Beeilen wir uns lieber. Nicht, dass Keith sich noch verspätet."

Meilo guckt mich mit großen Augen an, während ich einen der Anzüge aus dem Schrank zerre, die ich zum Glück dabei habe. "Wir? Du willst mit?"

"Klar, was denkst du denn? Meinst du, ich lasse dich alleine?"

"Ähm Nic? Ich muss zu einer Fernsehshow."

"Und?"

"Bist du dir sicher, dass du da mit willst?"

"Warum nicht? Logan Wittmen wird auch mit Kameras fertig."

"Und was ist mit Niclas Ittninger? Wird der damit auch fertig?"

"Solange Meilo Haug bei ihm ist, kann dem doch gar nichts passieren", grinse ich und steige aus meiner Hose.

Mein Schatz steht auf und kommt kopfschüttelnd auf mich zu. "Du bist wirklich viel zu gut für mich."

"Ich sags dir nochmal: Bin ich nicht. Ich handle völlig eigennützig."

"Wirklich?"

"Wirklich", bestätige ich und umfasse Meilos Gesicht. "Ich wollte schon immer mal ins Fernsehen." Das bringt Meilo endlich wieder zum Lachen.

"Du Idiot", kichert er und zieht mich an sich. "Was würde ich ohne dich tun?"

"Alleine ins Fernsehen kommen?"
 

***
 

Mit verschränkten Armen lehne ich gegen einen Betonpfeiler und beobachte das ganze Spektakel aus sicherer Entfernung. Es ist nicht zu fassen! Die heulen ja fast!

Das Keith heute hier als Überraschungsgast auftritt, war nicht geplant gewesen. Klar, Überraschungsgast eben. Der eigentlich geplante Act für diese kleine regionale Musiksendung ist kurz vor der Sendung abgesprungen, hat mir Meilo auf dem Weg hier her erzählt, und das hat seine Plattenfirma gleich genutzt. Schweine! Jedenfalls sind die Zuschauer, alles Kiddies zwischen Grundschule und Pubertät, schier ausgeflippt, als Meilo ähh Keith die Bühne betreten hat. Es ist nicht zu fassen, was er für eine Wirkung auf die Menschen hat. Echt verrückt!

"Alles gut im Blick?" Ich drehe den Kopf nach hinten. Gerd! Oh, am liebsten würde ich ihm ... "Passen Sie nur schön auf. Ja nichts verpassen." Dieser Arsch grinst mich schäbig an und wagt es, sich neben mich zu stellen. "Ein Fernsehstudio ist Neuland für Sie, oder irre ich mich?" Aha. Daher weht also der Wind. Er will mich ausfragen.

"Nicht wirklich", gebe ich gelangweilt vom Stapel. "Die sind doch alle gleich."

"So so", brummt er. "Alle gleich ..." Sind sie das nicht? Oh je! Ruhig bleiben! Logan, tu was! Doch Logen tut das, was er am besten kann. Arrogant aussehen. Na ja, wenigstens etwas. "Es tut mir leid, dass ich Sie und Ihren 'Klienten' von der Arbeit abhalten musste, aber das hier gehört nun mal zu seinem Job, zu seinem Vertrag." Ich starre weiterhin durch meine Sonnenbrille auf die Bühne. Nein, du wirst mich nicht aus der Reserve locken. "Ich hoffe, ihr beide habt an nichts Wichtigem gesessen?"

"Es war wichtig genug, um ihn hier her zu begleiten." Ha! Gibs ihm Logan!

Gerd sieht mich an, dass kann ich aus den Augenwinkeln sehen. "Langweilt es Sie nicht, hier herumzustehen?"

"Kein bisschen", gebe ich zur Antwort.

"Sie überlegen wohl, was Sie ihm als nächstes 'raten'." Wieder schweige ich mich aus und ziehe nur verächtlich die Mundwinkel hoch. "Sie setzen meinem Klienten doch keine Flöhe ins Ohr, oder?" Da haben wir's. Er will wissen, was Meilo und ich angeblich bereden.

"Dazu habe ich keinen Grund. Flöhe sind so ekelige kleine Krabbelviecher. Wer mag die schon im Ohr sitzen haben?" Im sinnlosen Gelaber bin ich richtig gut.

"Hören Sie doch auf mit dieser Show!" Hopla. Der wird ja richtig wütend. Habe ich was verpasst? "Ich habe mich über Sie schlau gemacht, Logan Wittmen."

"Hat Ihnen gefallen, was sie über mich erfahren haben?" Und vor allem: "Was haben Sie denn alles über mich gefunden?"

Meilos Manager schiebt sich vor mich und funkelt mich böse an. Feuer hat er ja, das muss ich zugeben. "Es gibt Sie nicht", zischt er. "Ich habe gar nichts über Sie gefunden." Ich lächle ihn schmal an. "Was ist das für ein Spiel, dass Sie mit Meilo spielen?" Unsere gemeinsamen Spiele gehen dich einen Scheiß an, aber das sage ich ihm natürlich nicht.

"Ich spiele keine Spiele", sage ich und bleibe dabei so locker und gelangweilt wie möglich.

"Und wieso finde ich nicht den kleinsten Schnipsel über Sie im Internet? Warum kennt Sie keiner in der Branche?" Er wird richtig giftig.

"Mit der Branche habe ich nichts zu tun. Und finden werden Sie nichts über mich, weil Sie nichts über mich finden sollen. So einfach ist das."

"Sie kennen sich gar nicht aus in der Musikbranche?", lacht Gerd auf. "Sie wissen demnach gar nicht, auf was Sie sich einlassen."

"Nun, ich bin der Beste in meinem Job. Das hat nichts mit der Branche zu tun, in der meine Klienten arbeiten."

"Das glauben auch nur Sie." Glaub doch was du willst, du Arsch!

"Hier geht es einzig und allein um Meilo. Um nichts anderes. Das ist alles, was mein Job von mir verlangt."

"Und was ist der Job? Was tun Sie für ihn?"

"Alles", antworte ich und kann es mir nicht verkneifen dabei breit zu grinsen. "Einfach alles."

Gerd scheint meine Aussage zu verwirren, oder er weiß schlicht und einfach kein Gegenargument mehr. Er sagt jedenfalls nichts mehr, sondern starrt, genau wie ich, stumm auf die Bühne.

Keith werden verschiedene Fragen gestellt, die die Moderatorin alle von ihren hübschen pinken Tablet abliest. Mein Schatz gibt einstudierte Antworten, so scheint es zumindest, und alle sind glücklich. Zum Schluss dürfen auch die Fans ein paar Fragen stellen. Dabei kichern sie und sind total nervös. Irgendwie niedlich, und ich kann sie verstehen. Wer wird nicht schwach bei diesem Traumtypen? Und wie schwach man erst wird, wenn er ungeschminkt und unbekleidet neben einem liegt ... "Sie fressen ihm alle aus der Hand. Bemerkenswert, nicht?" Gerd hat seine Sprache wiedergefunden.

"Das ist seine Rolle", sage ich bloß und versuche ihn weitgehendst zu ignorieren. Es war so schön still gewesen, als er die Klappe gehalten hat.

"Aber eine, die ihm sehr gut steht, finden Sie nicht?" Arschloch!

"Alles reine Ansichtssache", gebe ich mich unbeeindruckt.

"Er hat Ihnen anscheinend gesagt, dass er das nicht mehr möchte, nicht wahr? Das er Keith Kandyce sterben lassen will."

Ich knirsche mit den Zähnen. "Ich werde Ihnen ganz sicher nicht erzählen, was er und ich miteinander bereden." Immer schön galant dem Thema ausweichen. Gut so Logan.

"Das müssen Sie auch gar nicht. Ich will sie nur vorwarnen."

"Das wiederum müssen Sie nicht", knurre ich, weil ich mich nur schwer zurückhalten kann. Gut, dass ich meine Sonnenbrille auf habe.

"Wissen Sie, Meilo glaubt, das alles einfach hinter sich lassen zu können, aber er ist ein Künstler. Die Rolle Keith Kandyce ist in ihm, und egal was er macht, sie wird immer ein Teil von Meilo sein. Das wird ihm irgendwann auch klar werden, und dann stehen Sie da, und wissen nicht, was Sie zu tun haben, weil Sie sich nicht damit auskennen. Sie werden untergehen." Brennende Wut ballt sich in meinem Bauch zusammen. Was bildet sich dieser Kerl eigentlich ein?! Als ob er wüsste, was in Meilo vorgeht! Oh, wenn ich könnte, läge dieser arrogante Sack schon längst auf dem Boden und würde meine Faust zu spüren bekommen.

Dennoch bleibe ich ruhig und überlege, was so ein Pfundskerl wie Logan Wittmen in dieser Situation tun würde. Ganz klar, er würde kontern. Gerissen und überheblich würde er seine Dominanz zur Schau stellen.

"Ich mag vielleicht ein Neuling in der Musikbranche sein, dennoch kenne ich mich bestens mit Künstlern aus. Mit ihren Eigenarten und ihren Bedürfnissen." Besonders mit Meilos Bedürfnissen ... "Man kann sie nicht in Klischees zwängen, in die sie zwar mal vor ein paar Jahren gepasst haben, nun dort jedoch längst hinausgewachsen sind. Menschen entwickeln sich weiter. Das sollten Sie vielleicht auch tun." Vorsichtig schiele ich rüber zu Gerd, um mich zu vergewissern, ob das gesessen hat. Er sieht wütend aus. Gut.

"Danke Keith, dass Sie zu uns gekommen sind!" Applaus brandet auf. Keiths Auftritt ist vorüber. Die Zuschauer flippen schier aus und Keith winkt ihnen zu, während er sich lächelnd von Dannen macht. Er kommt direkt auf mich und Gerd zu.

"Wunderbar!", ruft Gerd ihm zu, der seine Wut auf mich anscheinend vergessen hat. "Einmalig! Du warst mal wieder spitze!" Wer will denn da einem gewissen Klienten Honig ums Maul schmieren? Doch mein Schatz lässt sich davon nicht beeindrucken.

"Gehen wir?" Die Frage war an mich gerichtet. Ich nicke und stoße mich von dem Betonpfeiler ab.

"Du kannst jetzt nicht gehen!", ruft Gerd.

"Doch kann ich. Der Auftritt ist vorbei."

"Und die Fans?"

"Was ist mit ihnen?"

"Möchtest du keine Autogramme mehr geben?"

"Die gebe ich dieses Jahr noch genug", fertigt Meilo ihn ab und läuft im Stechschritt davon. Ich hinterher.

In seiner Garderobe sind wir wieder unter uns. Er schließt ab und lehnt sich mit der Stirn gegen die Tür. "Endlich vorbei", murmelt mein Schatz.

"Ging doch ganz schnell." Es dauerte alles in allem keine zwei Stunden. "Wir können sogar noch auf die Rodelbahn. Wie wäre es? ... Meilo? ... Schatz?"

"Einen Moment noch." Was hat er denn? Ich gehe zu ihm und will nach seinem Arm greifen, doch er dreht sich weg und marschiert auf die Sporttasche zu, in die er sich Wechselkleidung bereitgelegt hat. "Ich muss erst aus diesen Klamotten raus", sagt er, hebt die Sporttasche auf den kleinen Tisch, der hier steht, und setzt sich auf den Stuhl daneben. Ungeduldig beginnt er an seinen Stiefeln zu zerren. Allerdings wird das nichts, so wie ich das sehe. Nicht, wenn er wie bekloppt dran herumzieht, ohne vorher die Schnürsenkel aufgeknotet zu haben.

Kurzerhand eile ich ihm zu Hilfe. Den ersten Knoten geöffnet, fliegt der erste Schuh, dann der Zweite. Auch der Rest der Kleidung ist schnell runter. Danach geht es an seiner Schminke an den Kragen. Hektisch schrubbt er sich mit den Wattepads im Gesicht herum, während er in den kleinen Handspiegel guckt, den er vor sich hält. "Meilo! Du tust dir noch weh! Nicht zu fest!" Wieder möchte ich nach ihm greifen, doch dieses mal lässt er es nicht zu. "Willst du erstmal alleine sein? Soll ich draußen warten?"

"Was?" Panisch richten sich seine Augen auf mich.

"Ob ich rausgehen soll."

"Nein! Warum?"

Ich puste laut und lehne mich gegen den improvisierten Schminktisch. "Weil hier wieder irgendein Keith Kandyce Zeug abläuft, und du offenbar nicht willst, dass ich dich so sehe." Ich bin ja nicht blöd. Die Hand, mit der Meilo den Wattepad hält, senkt sich. "Ich habe also recht", schlussfolgere ich. Langsam mache ich mir wirklich Sorgen um Meilo. "Was ist los Meilo? Du bist seit dem Morgen in der Hütte immer wieder komisch drauf, sobald Keith ins Spiel kommt. Ich habe langsam wirklich Angst um dich." Jetzt, wo ich es laut ausgesprochen habe, fühle ich sie tatsächlich, diese Angst, die mich seit seinem Ausraster in der Hütte beschleicht, immer dann, wenn Meilo plötzlich nicht mehr der Meilo ist, den ich kennengelernt habe.

Er atmet tief ein und sieht mich an. Nicht zu fassen, doch er lächelt mich frech an! "Das musst du nicht", sagt er, wirft das Pad weg und schiebt seine Hand in meine. "Es ist nur, dass ich ein paar Minuten brauche, um wieder runter zu kommen. Verstehst du das? Ich muss Keith ausknipsen, um wieder Meilo sein zu können." Er lächelt verschämt. "Irgendwie schizophren, was?"

"Teilweise schon", gebe ich zu. Aber ich kann ihn mittlerweile ganz gut verstehen. Mit dieser Logan Sache ist es nicht anders. Man denkt ganz anders und schlüpft in eine andere Rolle. Wenn ich schon so fühle, wie muss es dann erst für Meilo sein? "Dann hat es nicht schon wieder was mit deinem Alter Ego zu tun?", frage ich sicherheitshalber nochmal nach, denn ich gehe jede Wette darauf ein, dass ich damit richtig liege, wenn auch nur zum Teil.

Meilo leckt sich über die Lippen und zieht an meiner Hand, sodass ich direkt vor ihm stehe. Er klopft sich auf den Schoß. Nur zu gern setze ich mit rittlings auf ihn. "Wenn ich als Keith auftrete, und du dabei bist, dann denke ich immer, du siehst ihn, und nicht mich. Und dann" er atmet stockend ein "dann werde ich eifersüchtig." Hilflos lacht Meilo auf und senkt den Blick.

"Meilo? Sieh mich bitte an." Zögernd folgt er meiner Bitte. "Was siehst du?"

"Was ich sehe?" Er stutzt.

"Ja."

"Na dich."

"Wirklich?"

Jetzt ist mein Schatz vollends verwirrt. "Wen soll ich denn sonst sehen?", fragt er mich.

"Logan Wittmen", helfe ich ihm auf die Sprünge. "Eigentlich solltest du ihn sehen, weil ich in seiner Rolle stecke, oder?" Meilo öffnet den Mund, sagt jedoch nichts, sondern mustert mich. "Meilo, verstehst du es jetzt? Ich sehe nicht mehr Keith, wenn ich auf die ganzen Poster in Nicoles Zimmer schaue. Und ich sehe ihn auch nicht, wenn ich dich auf der Bühne, oder bei Auftritten sehe. Ich sehe nur dich. Den Mann, den ich liebe. Ob du jetzt irgendwelche Soft-Lederfetischteile trägst und dazu Schminke, ist völlig nebensächlich. Ich brauche nur in deine Augen zu sehen, und ich weiß, dass du mein Meilo bist." Ebendiese Augen schauen mich gerade gerührt an.

"Nic, ich ..." Er bricht ab und wirft sich an meine Brust. Ich halte ihn fest und gebe mir eine mentale Ohrfeige. Das hätte ich Meilo schon viel eher sagen müssen!

"Falls du immer noch glaubst, dass Keith zwischen uns steht, dann lass dir gesagt sein, dass er das nicht tut. Es sind deine unmöglichen Arbeitszeiten, die das tun." Meilo schmunzelt leise, ehe er sich von mir löst und mit der freien Hand über das Gesicht fährt. "Ich hab's kapiert", schnieft er. "Wahrscheinlich stecke ich zu oft in dieser Rolle, und war mir deswegen so unsicher und auch ein Stück weit paranoid."

"Das musst du nicht. Nicht wegen mir zumindest." Das bringt ihn wieder zum Lachen. "So! Sieht mal zu, dass du das grässliche Zeug vom Gesicht bekommst, damit wir endlich die Rodelbahn unsicher machen können!" Ich drücke Meilo einen dicken Schmatzer auf die noch kirschroten Lippen und rutsche anschließend von seinem Schoß.

Ein Wattepad kommt auf mich zugeflogen. "Ich geb dir gleich ekeliges Zeug", lacht Meilo mit immer noch rauer Stimme.

"Echt? Hoffentlich das aus deinem Liebespfeil." Ich gehe in Deckung, weil nun die gesamte Wattepadpackung auf mich zugeflogen kommt. Hilfe!
 

***
 

Ungesehen sind wir aus dem Gebäude des Fernsehstudios gekommen und sitzen nun in meinem Auto. Auf einer einsamen Bundesstraße, die sich durch ein Waldgebiet schlängelt, sausen wir dahin. Meilo, der auf dem Beifahrersitz sitzt, trägt meine Logan-Brille und hat seinen Kopf auf den Arm gelegt, der wiederum halb aus dem offenen Autofenster hängt. Das ist doch glatt ein Foto wert, doch leider geht das nicht während der Fahrt. "Du erkältest dich noch", sage ich zu ihm und drehe das Radio leiser.

"Mir egal."

Ich patsche auf seinen Oberschenkel. "Mir aber nicht. Ich mache mir nur wieder Sorgen, wenn du ganz alleine krank im Hotel herumliegst."

Meilo ergreift meine Hand, die ich auf seinem Oberschenkel hab liegen lassen und drückt sie. "Na schön", sagt er und zieht den Kopf wieder ins Innere des Wagens. "Aber nur, weil du es bist."

"Sehr freundlich", grinse ich und kratze mir die Kopfhaut. "Dass das immer noch so sehr jucken muss." Die Perücke ist sofort geflogen, als wir außer Sichtweite des Fernsehstudios waren, was jetzt gut eine halbe Stunde her ist, aber es fühlt sich immer noch so an, als hätte ich sie auf.

"Soll ich dich kratzen?"

"Oh ja!" Meilos Finger verschaffen mir bestimmt baldige Linderung. Die Härchen auf meinen Oberarmen stellen sich auf, als er anfängt mich zu kraulen.

"Gut?"

"Mehr als gut", schnurre ich und kann mich nur schwer auf die Fahrbahn konzentrieren. Und es fällt mir sogar noch schwerer, als Meilos Lippen sich auf meinen Hals legen, und dort versuchen, einen Knutschflecken auf meine Haut zaubern. "Das ist unfair", krächze ich. "Ich kann mich gar nicht revanchieren."

Meilolein kichert. Mit einem lauten Schmatz löst er sich von mir und stützt sein Kinn auf meine Schulter. Verspielt zeichnet sein Zeigefinger kleine Schlangenlinien in meinem Nacken. "Du kannst dich heute Abend bei mir revanchieren", haucht er.

"Erst dann? Schade." Meine Augen fliegen in den Rückspiegel. Keiner hinter mir. Ich bremse ab und fahre rechts ran.

Mein verdatterter Meilo glotzt wie ein Schäfchen, das seine Mama sucht. Bevor er mich fragen kann, weshalb wir halten, umfasse ich seinen Kopf und nehme seine Lippen in Besitz. Blind suche ich nach dem Warnblinker, finde ihn, und drücke drauf.

"Was wird das?", keucht Meilo, den ich in den Beifahrersitz drücke. Hastig schnalle ich mich ab.

"Was glaubst du denn, was das wird?", stelle ich eine Gegenfrage.

"Hier?" Meilo lacht ungläubig auf.

"Nur ein bisschen spielen ...", säusle ich und lüpfe sein Shirt. "Ohne Love bites kommst du mir nicht davon."

"Deswegen hältst du einfach mitten auf der Straße? Du bist verrückt!"

"Erstens, ich stehe an der Seite und zweitens, ja, bin ich. Nach dir, oder weißt du das nicht mehr?"

"Doch, aber es ist schön, wenn du es mir hin und wieder sagst."

"Kleiner Nimmersatt", wispere ich und sauge mich gleich darauf an seinem Schlüsselbein fest.

Seufzend streckt Meilo den Hals durch. Ich schiebe mich weiter vor, um besser an ihn ran zu kommen und krabble mit einer Hand zwischen Meilos Beine. "Hast du ein Mikrophon mitgehen lassen, oder was ist das hier?", frage ich ihn glucksend.

"Das ist kein Mikrophon", antwortet er mir keuchend. "Schau doch mal nach, wenn du wissen willst, was es ist."

"Da bin ich jetzt aber mal gespannt." Flink öffne ich den Knopf und den Hosenstall meines Lieblings und gleite mit der Hand hinein. "Oh! Ein Liebespfeil!", rufe ich grinsend.
 

*
 

Ich gebe ihm Zeit, bis er wieder einigermaßen bei klarem Verstand ist, dann setze ich mich wieder auf. Ihn angrinsend stütze ich meinen Kopf auf den Handrücken und lehne mich gegen den Beifahrersitz. "So war das ... aber nicht geplant ... gewesen", japst Meilo mit einem seligen Lächeln auf den Lippen.

"Muss denn alles geplant sein?" Er schüttelt den Kopf. "Wäre ja auch langweilig", finde ich.

"Auf jeden Fall", schnurrt mein Herzblatt und schnappt sich mein Kinn. "Mit dir wird es nie langweilig." Oh, welch Lob. Wir versinken in einen Kuss. Leider nur so lange, bis eine tiefergelegte Karre an uns vorbeisaust, dabei Hupt wie bescheuert, und in einem Affenzahn davonrast. "Wir fahren lieber weiter", meint Meilo. "Bevor wir noch zu einem Verkehrshindernis werden." Zum Thema Verkehr halte ich jetzt mal die Klappe. Hinterher wirft man mir noch vor, dauergeil zu sein. Dabei bin ich doch bloß Meilogeil.
 

Mein Schatz knöpft sich wieder die Hose zu, und ich schnalle mich wieder an. Weiter geht's. Immer die Straße entlang, bis Ingos Navi mir sagt, dass ich rechts abbiegen muss. "Ich glaube, wir sind bald da", murmle ich.

"Sagst du, oder das Navi?"

"Sage ich. Das Navi guckt bei mir ab."

"Ah so." Meilo kichert. "Wie gut, dass du alle Straßenkarten Deutschlands im Kopf hast."

"Nech?" Ich bin so froh, dass es Meilo wieder gut geht. Und ich bin froh, dass er offensichtlich endlich verstanden hat, dass Keith einen Scheiß für mich bedeutet. Der Mann hinter dieser Kunstfigur ist es, den ich liebe, und mit dem ich zusammen sein möchte, und falls Meilo noch mehr Bestätigung braucht, sage ich es ihm gerne jeden Tag von neuen. Hauptsache, er hört auf, sich deshalb verrückt zu machen. Hinterher macht ihn das noch völlig kaputt, und das will ich auch gar keinen Fall.

/Sie haben Ihr Ziel erreicht/, blökt Ingos Navi.

"Das habe ich schon länger erreicht, mein Ziel", grinse ich und schiele dabei Meilo an.

"Sag bloß", lacht er und legt seine Hand auf meine, die auf dem Schaltknüppel liegt. Wärme durchflutet mich. Nie im Leben gebe ich diesen Mann wieder her.
 

Es scheint nicht viel los zu sein, auf der Sommerrodelbahn. Wir ergattern einen guten Parkplatz in Nähe des Eingangs. Ich stelle den Motor ab, löse den Gurt und rutsche mit dem Sitz so weit nach hinten wie möglich. Unter der Anzughose trage ich eine dünne Jeans, was zwar höchst unbequem zu tragen war, aber sich jetzt als äußerst praktisch erweist. Ich kann ja schlecht im Anzug rodeln gehen, nicht? Meilo packt derweil das Navi weg und wartet, bis ich auch das Hemd gegen ein Shirt und eine dünne Jacke ausgetauscht habe. "Mein Zeug steht dir besser als mir", überlegt Meilo.

"Wirklich?" Ich schaue an mir runter.

"Ja. Du füllst es besser aus." Bei den Worten tätschelt er meinen Bauch. Ja gibt's denn sowas?!

"Na warte", knurre ich, will ihn packen, aber er flüchtet schon aus dem Wagen. "BLEIB STEHEN!"

"Fang mich doch!" Darauf kannst du Gift nehmen, Freundchen!

Ich springe aus dem Wagen, schließe ihn ab und eile meinem flüchtenden Freund hinterher. Er ist schon vorn am Kassenhäuschen, was die Lage komplizierter macht. Ich kann ihn ja schlecht vor dem Kassenwart packen und für seine frechen Worte 'bestrafen'.

Als könnte Meilo kein Wässerchen trüben, steht er da und bezahlt zwei Eintrittskarten. Nach Luft schnappend komme ich bei ihm an. "Von den paar Metern schon aus der Puste?"

"Mal nicht frech werden, ja?" Ich stütze mich am Kassenhäuschen ab. "Das waren gut zwanzig Meter bis hier her."

"Zwanzig?! Höchstens zwei."

Ich werfe Meilo grimmig-drohende Blicke zu. "Warte nur", drohe ich ihm. "Das bekommst du wieder."

"Hoffentlich", säuselt er, schnappt sich die Karten und rauscht davon.

"Jetzt warte doch!" Muss der immer vorpreschen? Ohne mich?

Drinnen auf dem Gelände der Rodelbahn schließe ich zu ihm auf. "Ist das groß hier", staune ich. "Und wo ist die Bahn?"

"Keine Ahnung." Meilo zuckt mit den Schultern. "Hier gibt es noch viel mehr, als die Rodelbahn. Ah! Guck mal!" Ich schaue an Meilos ausgestrecktem Arm entlang. "Ruderbootfahren!"

"Ha ha. Nur, wenn du diesmal ruderst. Und wehe du sagst jetzt, dass mir das besser tun würde als dir." Meilo grinst sich einen, sagt aber zu seinem Glück nichts.

Gemächlich laufen wir den Hauptweg entlang, um uns zuerst einmal einen Gesamtüberblick zu verschaffen. Es gibt so einiges, was man hier tun kann, außer zu Rodeln. Neben dem See, auf dem man auch Wasserski fahren kann, gibt es noch einen Streichelzoo und einen Spielplatz für die Kleinen, eine Art Biergarten mit Restaurant (mein armer Bauch fängt bei dem Anblick an zu knurren, was dieses Aas von Meilo natürlich mitbekommt, und sich köstlich darüber amüsiert), eine Kartrennbahn und Möglichkeiten zum Klettern, für alle, die sich in ihrem Urlaub gerne mal den Hals brechen möchten. "Und? Was machen wir zuerst?" Meilo schaut mich über den Rand der Sonnenbrille hinweg an.

"Wehe du lachst", murmle ich. "Wie wäre es mit Essen? Wir hatten noch kein Mittagessen." Ich sehe ganz genau, wie Meilo grinst. "Du hast gefragt!"

"Ja, ja. Schon gut. Essen ist genehmigt. Mein Bauch will auch langsam wieder gefüllt werden." Gebongte Sache.

Wir steuern das Restaurant an, wo wir uns in der Sonne niederlassen. Hier lässt es sich aushalten. Gerade so. Es ist wieder frischer geworden, obwohl die Sonne scheint. Ich studiere die Speisekarte, genau wie Meilo. Der Kellner erspäht uns und eilt herbei. Praktisch, wenn nicht viel los ist. Ich lasse Meilo zuerst bestellen, und er bestellt eine Menge.

Als ich an der Reihe bin, bestelle ich mit nur ein großes Wasser und einen Ceasar Salad. "Sag mal, ich habe dich doch nicht ernsthaft beleidigt vorhin?", fragt mich Meilo, nachdem der Kellner sich alles notiert hat, und wieder verschwunden ist.

"Hm?" Ich schaue von der Speisekarte auf, wo ich mich gerade genaustens über die Nachspeisen informiere. Sieht das alles lecker aus!

"Ich finde dich nicht fett oder untrainiert", erklärt Meilo.

"Das will ich dir auch geraten haben. Aber warum sagst du mir das jetzt?"

"Weil du dir wieder nur einen Salat bestellt hast." Ach so. Jetzt klingelt es bei mir.

"Der Salat reicht mir. Das ist vollkommen genug."

"Ein Salat?"

"Ja, ein Salat. Außerdem will ich auch noch einen Nachtisch. Zufrieden?" Meilo nickt. Ich lege die Karte beiseite und zupfe Meilo die Brille von der Nase. "Es ist unhöflich, die bei Tisch zu tragen", informiere ich ihn.

"Oh, Verzeihung. Wie konnte ich nur?"

"Es sei Ihnen verziehen." Lachend verschränken wir unsere Finger miteinander. Mit meinem Meilolein herumzublödeln ist doch immer wieder schön ...
 

******

Love bite 28 - Sturm(frei)

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 28 – Sturm(frei) (Ohne Adult)

Nabend meine lieben Leser ^^

Ich bin immer noch nicht dazu gekommen, bei Heiko und Henning weiterzuschreiben -__- Und eure Reviews sind immer noch unbeantwortet -_____-

Auch die nächsten zwei Wochen herscht bei mir noch ein straffes Programm. Viel Arbeit, wenig Freizeit *seufz* Und meinem Mollylein geht es schon wieder schlechter. Wie es aussieht, muss ich morgen wieder mit ihr zum Tierarzt. Das arme Ding nimmt immer mehr ab. ;_____; Mal gucken, was die Ärztin meint.
 

Jedenfalls gibt es diese Woche von mir noch zwei weitere Kapitel. Das kann ich euch schon mal versprechen ^^

Bis dahin wünsche ich euch viel Spaß mit diesem Kapitel. Bei dem doofen Regenwetter kann man sich ja auch nur hinterm Bildschirm verkriechen ^^“
 

Eure Fara
 


 

Love bite 28 – Sturm(frei) (Ohne Adult)
 

Für einen großen Nachtisch hat der Platz in meinem Magen leider nicht mehr gereicht. Der Salat war riesig! Wie gut, dass ich Meilo bei mir habe, mit dem ich zusammen einen Eisbecher verputzen kann. Die gelegentlichen dummen Blicke anderer Besucher ignorieren wir. Die sind ja nur neidisch, weil ein so heißer Kerl wie Meilo gerade dabei ist, meinen Löffel abzulecken, den ich ihm vor den Mund halte. "Dir macht es auch kein bisschen was aus, dass die Leute uns beim Eisessen beobachten, oder?"

"Sollte es mir denn etwas ausmachen?", frage ich zurück. "Ist es dir peinlich?" Das wäre mir aber neu.

"Nein, ist es nicht." Na sage ich doch. "Ich meine ja nur."

"Dann ist ja gut ... Mach aahh!"

"Ahh!" Ist es nicht schön, wie kitschig verliebt wir sind?

Löffel um Löffel wird das Eis immer kleiner, und wir genießen dieses kleine aber feine Herumgealbere, so lange, bis es in meiner Hose vibriert. "Mein Handy", stelle ich sehr fachmännisch fest. Der Löffel geht in Meilos Besitz über, dann kralle ich mir dieses Mistding und schaue nach, wer es wagt, uns beim Eisessen zu stören. "Unbekannte Nummer." Dennoch gehe ich ran. "Ja?"

/Niclas?/

"Der bin ich", antworte ich stirnrunzelnd. "Und mit wem spreche ich?"

/Mit Ina. Weißt du noch?/

"Ach ja! Wegen dem freien WG-Zimmer!" Eben fällt es mir wieder ein. Eigentlich habe ich das Zimmer schon abgeschrieben, weil sich niemand mehr bei mir gemeldet hat. Die Besichtigung ist schließlich schon über eine Woche her. Ist das ein gutes Zeichen, dass ich zurückgerufen werde?

/Genau/, lacht Ina. /Es ist etwas blöd jetzt, aber wir haben nach langem Überlegen jemand anderen ausgewählt./

"Oh." So ein Mist! "Schade."

/Es tut mir leid. Ich hätte dich wirklich gern bei uns gehabt, aber ich bin überstimmt worden./

"Ach, kein Ding. Dann suche ich mir was anderes."

/Du wirst schon was finden/, startet sie einen Aufmunterungsversuch, der nicht ganz bei mir zünden will.

Ich verabschiede mich von ihr und lege auf. Seufzend schmolle ich vor mich hin. "Schlechte Neuigkeiten?" Meilo sieht mich fragend an.

"Das WG-Zimmer hat einen anderen Bewohner gefunden."

"Du willst immer noch ausziehen?"

"Ja. Bei meinen Eltern und meiner Schwester fühle ich mich langsam ziemlich eingeengt. Es wird Zeit, endlich wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Auch, wenn es nur für zwei, drei Monate ist."

"Ich dachte, das sei schon vom Tisch." Ich schüttle den Kopf. Wie kommt er da drauf? "Wenn das so ist, dann könnten wir doch einen Versuch starten, und uns schon mal nach einer gemeinsamen Unterkunft umschauen." Habe ich eben richtig gehört?

"Du willst, dass wir uns schon jetzt eine gemeinsame Wohnung suchen?"

"Ist doch praktischer", meint Meilo achselzuckend und hält mir einen Löffel voll Eis hin. Jetzt ist er an der Reihe, und muss mich füttern. "Was hältst du von der Idee?"

"Ähm ... Na ja ... Also ..." Habe ich mich bei Henning angesteckt? Zu meiner Verteidigung, mit einem Mund voll Eis ist reden auch schwierig.

"Du willst nicht", schlussfolgert Meilo aus meinem Gestotter. Leider schlussfolgert er damit falsch.

Ich schlucke hastig. "Doch! Natürlich will ich das. Aber was ist mit deiner Wohnung in Berlin? Du kannst doch bis Januar dort bleiben, oder nicht?"

"Schon, aber ich will da endlich raus. Je schneller, desto besser." Nachdenklich stochert Meilo in dem halb zerlaufenen Eishaufen herum. "Ich habe mich da noch nie wirklich zuhause gefühlt", sagt er leise und lächelt schwach. "Außerdem", fügt er an "bin ich dort ja sowieso nie. Und falls ich wirklich mal ein, zwei Tage dort verbringen könnte, ohne Termine, würde ich die ganz sicher nicht dort, sondern bei dir verbringen." Wir lächeln uns vielsagend an.

"Na dann", überlege ich "wäre es vielleicht wirklich nicht schlecht, jetzt schon mal die Augen nach einer Wohnung für uns beide aufzuhalten. Wer weiß, wie lange es überhaupt dauert, etwas passendes zu finden. Etwas Vorlaufzeit ist sicher nicht schlecht."

"Deswegen ja! Lass uns endlich Nägel mit Köpfen machen! Warten wir nicht bis nächstes Jahr! Suchen wir uns eine Wohnung bei dir in der Nähe!" Das Eisschächen klirrt, als Meilo den Löffel fallen lässt, und euphorisch meine Hände ergreift. "Wir müssen es ja nicht erzwingen, und die erstbeste Wohnung nehmen. Doch falls du zufällig eine Wohnung findest ..." Meilo lächelt mich breit an.

Ich atme tief ein und wieder aus. Das klingt wirklich verlockend. Nur leider nicht so leicht umzusetzen, wie er sich das jetzt vielleicht vorstellt. "Und wenn ich was finde? Wie machen wir das mit der Besichtigung? Du kannst ja nicht einfach schnell mal zu mir düsen. Und was ist mit dem Mietpreis? Wie viel können wir zusammen ausgeben, und was hast du für Ansprüche?" Alles Dinge, die unbedingt beachtet, und vorher besprochen werden müssen.

"Ich habe nur einen Anspruch", grinst er. "Dass du mit zum Inventar gehörst."

Ich lege den Kopf schief und schüttle ihn leicht. "Das wird aber teuer, das kann ich dir schon mal sagen."

"Manche Dinge sind eben unbezahlbar." Wie recht er doch hat. Für ihn würde ich auch mein letztes Hemd geben. "Also? Tun wirs?" Gute Frage. Wir wollten nächstes Jahr sowieso zusammenziehen. Warum dann schon nicht jetzt?

"Okay. Tun wirs!"

"Klasse!" Meilo freut sich wie Bolle und mir geht es nicht anders. Eigentlich dachte ich, dass wir nächstes Jahr gemütlich miteinander auf Wohnungsjagd gehen, aber wie auch immer, Hauptsache, wir sind zusammen.

"Wir müssen uns aber noch einig sein, wie die Wohnung aussehen muss. Und vor allem, was du alles für dein neues Projekt brauchst."

"Das ist schnell geregelt. Ein Zimmer, das ich zu einem kleinen, privaten Tonstudio umbauen kann, genügt mir. Außerdem habe ich mich auch schon nach guten Tonstudios in der Nähe umgehört. Für alle Fälle."

Erstaunt schaue ich Meilo an. "Du planst das schon länger?"

"Jepp", antwortet er mit vollem Mund. "Aber als du mir das mit dem WG-Zimmer erzählt hast, dachte ich, dir vorerst nichts davon zu sagen."

"Du Geheimniskrämer" kichere ich und klaube mir den Löffel zurück. "Mach ahh ...!"

"Ahh ...!"
 

Nachdem wir das Eis verputzt, und unsere Zeche gelöhnt haben, machen wir uns auf den Weg zum Abenteuer Rodelbahn und Erlebnispark. Oder besser gesagt: Spazieren gehen, zum Verdauen. Mit vollen Magen rodelt es sich schlecht.

Hand in Hand schlendern wir den Kiesweg entlang, immer der Nase nach, und warten ab, was uns unter selbiger alles kommen mag. Nach ein paar Minuten sind wir in Sichtweite des Streichelzoos, wo kleine Kinder mit ihren Eltern Ziegen und Schafe füttern. Der Geruch von Mist und Heu weht bis zu uns rüber. "Willst du auch eine der Ziegen füttern?", frage ich Meilo scherzeshalber.

"Nur, wenn du eins der Schafe fütterst."

"Lieber nicht. Hinterher beißt mich noch eins." Meilo lacht. "Ja, ja. Das findest du lustig, hä?"

"Ich stelle mir nur gerade vor, wie du ein Schaf fütterst und dann losheulst, weil es dir in deinen süßen kleinen Finger gebissen hat. Und ich muss dich armen, kleinen Matz dann trösten."

Entrüstet bleibe ich stehen. "Danke auch! Wenn du das nächste Mal flennst, lache ich auch über dich."

"Das kannst du gar nicht."

"Und wie ich das kann." Natürlich kann ich das nicht. Aber wer frech ist, gehört bestraft. Und sei es bloß mit imaginären Lachattacken. "Willst du jetzt eins der Ziegen streicheln, oder nicht?"

"Schon, aber hier?" Verschmitzt grinsend schielt Meilo zu mir rüber. Ich ignoriere es mal, dass er mich eben mit einer Ziege verglichen hat.

"Dafür, dass du vorhin noch so niedergeschlagen warst, geht es dir jetzt aber ziemlich gut, was?"

"Ist das ein Wunder nach den guten Neuigkeiten?" Er lächelt mich verliebt an.

"Nein, ist es nicht." Ich bin ja selbst total glücklich darüber. Meilo und ich machen also, wie hat er vorhin gesagt? Nägel mit Köpfen. Wir ziehen wirklich und wahrhaftig zusammen.

"Und irgendwie muss ich meine gedrückte Laune von vorhin wieder ausgleichen", schmunzelt Meilo.

"Gleich das nachher aus, wenn wir zurück im Hotel sind", flüstere ich ihm zu und passe auf, dass mich niemand der umstehenden Menschen hören kann. "Da kannst du dich nach Herzenslust austoben."

"Hmhm", schnurrt Meilo, dreht sich zu mir und fummelt kurz an meinem Shirt herum, ehe mir einer seiner Zeigefinger in den Bauchnabel stippst. "Heißt das, ich darf dich nachher ordentlich auf'bocken'?" Der Zeigefinger stößt immer wieder vor und zurück. Eindeutiger kann sich sein Finger nicht bewegen. Aber auch ohne Nabel-Penetration kann ich mir denken, was er mit dem so passenden Wortspiel aufbocken meint.

"Himmel, ja!", wispere ich Meilo rau zu und gebe ihm einen Kuss.

"Wuhuuu!" Pfiffe ertönen. "Guckt euch mal die Schwuchteln da vorn an." Ich schiele den Weg entlang, dorthin, von wo wir eben gekommen sind. Eine Schulklasse kommt auf uns zu. Na, die haben uns noch gefehlt!

Mit einem fragenden Blick mustere ich Meilo. Er allerdings grinst und legt seine Arme um mich. Ich würde sagen, da gibt es nicht viel zu bereden. Mit Kilian hätte ich nicht einfach hier in inniger Umarmung stehen bleiben können, während eine Horde unreifer Teenager an uns grölend vorbeizieht. Dazu war er immer viel zu konservativ. Hin und wieder kam er mir vor, als sei er geradezu mit einem Stock im Arsch geboren worden. Mit Meilo allerdings ist es ganz unkompliziert. Er bleibt einfach stehen, wartet zusammen mit mir, bis die überforderte Lehrkraft ihre Schützlinge an uns vorbeigeschleust hat, und schmust mit seiner Nase über meine. Was für ein Mann, was?

"Kommt jetzt!", ruft der Lehrer genervt, und dann ganz leise, zu dem Schnucki, der nach uns gepfiffen hat: "Hör auf, da so hinzustarren. Das ist unhöflich." Kinder!

Der ganze Pulk marschiert geschlossen an uns vorbei, doch trotz der mahnenden Worte des Lehrers, wirft man uns amüsierte Blicke zu. "Ist es nicht schön, wenn man Kinder zum Lachen bringen kann?", kichere ich.

"Hmhm. Besonders die Weiblichen." Mit einem Mal sieht Meilo nicht mehr so glücklich aus. Er schiebt sich schnell meine Sonnenbrille, die er auf dem Kopf spazieren trägt, auf die Nase.

Neugierig, herauszufinden, was er meint, beobachte ich die Klasse. Einige der Mädchen unter ihnen kichern verschämt und schielen zu uns rüber. Mir schwant, was in Meilos Köpfchen vor sich geht.

"Denkst du, die erkennen dich?"

"Weiß nicht", murmelt er, während er sich versucht hinter mir zu verstecken. Blöd nur, dass er größer ist, als ich.

"Ohne deine Verkleidung sicher nicht", beruhige ich ihn. "Und ich muss das wissen, schließlich hatte ich, dank der Sammelleidenschaft meiner Schwester, Keith ständig direkt vor Augen, und habe dich dennoch nicht mit ihm in Verbindung gebracht, obwohl ich dich ganz genau kannte, wenn du verstehst?" Ich zwinkere ihm zu. "Die kichern nur, weil sie noch nie zwei so attraktive junge Männer zusammen haben rummachen sehen." Meilo verzieht den Mund, wobei er allerdings grinst. "Gehen wir weiter?"

"Ist gut", seufzt Meilolein. "Wir nehmen aber einen anderen Weg als die."

"Von mir aus, du großer Popstar." Weiter geht's. Mitten durch die Pampa.
 

Wir stehen so plötzlich sprichwörtlich mitten im Wald, dass ich mich umdrehe, um mich zu vergewissern, dass wir noch auf dem Gelände des kleinen Parks sind. Sind wir. Wir haben keinen geheimen Durchgang durchquert, der uns Narnia-mäßig in eine andere Welt verfrachtet hat. "Hier geht es zum Kletterwald", sagt Meilo.

"Woher weißt du das?"

"Da steht ein großes Hinweisschild. Direkt vor uns." Er deutet mit dem Finger drauf.

"Oh. Habe ich gar nicht gesehen." Meilo lacht und betitelt mich als Blindschleiche. Erst Ziege, dann Blindschleiche. Gib mir Tiernamen!

"Wollen wir?"

"Willst du?", frage ich zurück.

"Warum nicht? Ist sicher lustig."

"Schauen wir es uns erst einmal an", murmle ich und werde von Meilo weitergezogen.

Dass ich gar nicht scharf auf Klettern bin, lasse ich noch unerwähnt. Ehrlich gesagt, habe ich eine dezente Höhenangst und wenn es das ist, was ich vermute, was es ist, dann bekommen mich keine zehn Pferde dort oben in die Bäume. Aber mal abwarten. Vielleicht ist das ja auch nur was für Kinder. Ein paar kleine Gerüste, Baumstümpfe zum drauf herumspringen und fertig. Leider zerschlägt sich meine Hoffnung, als ich den ersten Kletterer hoch über mit in den Seilen hängen sehe. "Cool", staunt Meilo. "Das macht bestimmt einen Heidenspaß!"

"Ja. Ganz bestimmt." Ich bete darum, dass er damit das Zuschauen vom sicheren Boden aus meint, aber ich habe da so meine Zweifel.

Meilos Schritte werden immer schneller. Er bleibt erst stehen, als sich vor uns der gesamte Kletterparcours auftut. Ich schlucke hart. Das mache ich auf gar keinen Fall!

"Das machen wir!", ist Meilos Meinung zu dem Ganzen.

"Meilo? Ich glaube ..."

"Komm! Wir suchen jemanden, der uns die Ausrüstung verpasst!" Mit einem Ruck schleift mich Meilo wieder mit sich.

"Aber Meilo! Ich ..."

"Da vorn! Da steht jemand von der Anlage!" Einspruch zwecklos. Meilo ist so begeistert von diesem Kletterzeugs, dass er mir nicht zuhört. Er zerrt mich mit zu dem Typen, der alles hier zu bewachen scheint, und plaudert sofort drauf los. Der Kerl nickt und bittet uns, ihm zu folgen.

"Meilo? Jetzt warte doch mal!" Ich bleibe stehen.

"Was ist denn?" Abwartend bleibt er ebenfalls stehen, hält aber weiterhin meine Hand.

"Ich weiß nicht, ob ich das kann", fiepse ich und schäme mich ein bisschen dafür. Allerdings weiß ich aus Erfahrung, dass mit meiner Höhenangst nicht zu spaßen ist.

"Ob du was nicht kannst?" Er begreift nicht.

"Da hoch zu klettern", erkläre ich. Und auch auf die Gefahr hin, dass ich mich zur Lachnummer des heutigen Tages mache: "Ich habe Höhenangst."

Meilo macht große Augen. "Wie schlimm ist die?"

"So schlimm, dass ich noch nicht mal dort hinauf komme, fürchte ich." Ich zeige auf die niedrigstgelegene Stelle im Kletterwald, die zugleich auch der Beginn der Tour ist.

"Aber du bist doch gesichert. Und ich bin auch bei dir." Ich bin hin und her gerissen. Ich möchte Meilo nicht enttäuschen, aber die Furcht ist stärker, wird sogar noch schlimmer, je genauer ich mir die Netze, Seile und Holzkonstruktionen oben an den Baumstämmen und in den Baumwipfeln anschaue.

"Das ist nicht das Problem. Wenn das eine Seilbahn wäre, würde ich mitfahren, aber sobald ich mich selbst bewegen muss, erstarre ich zu Stein. Dann hänge ich da oben fest, und muss warten, bis mich die Feuerwehr oder sonst jemand wieder herunterholt." Ich habe mal einen ganzen Tag auf dem Dachboden meiner Oma festgesessen, weil ich diese bescheuerte ausklappbare Leiter nicht mehr hinunterklettern konnte vor lauter Angst. Mein Vater musste mich runtertragen, was gar nicht so einfach war. Die Leiter war alt und klapprig. "Ich kann das nicht", wiederhole ich. "Es tut mir leid." Meilo stürzt die Lippen. Ob es was hilft, wenn ich erwähne, dass wir ja eigentlich zum Rodeln und nicht zum Klettern hier her gekommen sind?

"Da kann man nichts machen", meint Meilo schließlich. "Dann suchen wir was anderes, was wir machen können."

Er kommt einen Schritt auf mich zu, doch ich halte ihn auf. "Kletter du ruhig. Ich kann dir ja zuschauen."

"Ohne dich will ich nicht."

Ich verdrehe die Augen. "Wenn du das willst, dann mach es."

"Nein. Wirklich. Es ist okay."

Ich schaue ihn ernst an. "Du schaffst jetzt deinen Arsch dort hinauf, denn wenn ich eins nicht leiden kann, dann sind es diese Pärchen, die bei jeder Kleinigkeit für den Anderen zurückstecken. Das führt zu nichts außer angestauter Wut."

"Das hier ist doch nicht so wichtig", schmunzelt mein Schatz.

"Eben drum. Hoch mit dir, und ich mache Fotos. Dann haben wir beide was davon." Ich grinse dümmlich und zücke mein Handy.

"Du und deine Fotosucht."

"Bei diesem Motiv hier kann ich gar nicht anders, als zu knipsen", schnurre ich und klaube mir einen Kuss. "Und jetzt lass dich von dem Typen an die Leine legen."

"An die Leine?" Lachend schiebt sich Meilo näher an mich ran. "Das macht mich jetzt irgendwie scharf." Und ich dachte, ich bin schon schlimm.
 

Routiniert wird Meilo der Sicherungsgurt umgelegt. Dann erklärt man ihm, wie er damit umzugehen hat, und wie er sich da oben in den Bäumen sichern muss. Mir wird schon beim Zuhören schwindelig. Das Meilo sich das traut. Wenn Gerd davon wüsste, der würde schier ausrasten. Ob ich ihm ein paar Bilder schicken soll ...? So gemein bin ich jetzt auch nicht.

"Es kann losgehen", verkündet der Klettertyp und klatscht in die Hände.

"Pass auf dich auf", flüstere ich Meilo ins Ohr. "Und denk dran: Nicht runtergucken." Sein Lachen daraufhin schenkt mir warme Schauer.

"Ich bin Höhensicher", gibt er großkotzig an.

"Schön für dich. Verheddere dich ja nicht in den Seilen."

"Werde ich schon nicht." Meilo stupst mir mit dem Zeigefinger auf die Nase, dann stolziert er auf die erste Station zu. Ich setze mich derweil auf einen Baumstumpf und drücke auf Aufnahme. Wieso Fotos schießen, wenn ich auch ein Video machen kann? Mal sehen, wie sich Meilo da oben anstellt. Wahrscheinlich hat er 'ne Menge Spaß, während mit schon beim Zuschauen schlecht wird. Oben angekommen, mag ich eigentlich gar nicht hinsehen. Tu dir nicht weh, mein Schatz!
 

Der Parcours führt über Seilbrücken, schwingende Holzscheiben, die miteinander befestigt sind, Wände, die aussehen, wie ein Lattenzaun, schmale Holzbalken und Haltegriffen, an denen man sich mit freischwebenden Beinen entlanghangeln muss. Ich bin ganz beeindruckt von Meilo, der das alles bewältigt, als sei es das Normalste der Welt, sich wie ein Baumbewohner fortzubewegen. Und er macht dabei eine mehr als nur sexy Figur. Wie er da so herumklettert, dabei schwitzt und seine Muskeln spielen lässt. Das finden anscheinend auch die beiden Frauen, die unweit von mir entfernt hocken, und ebenfalls ihren Männern beim Klettern zuschauen. Nur, dass sie immer wieder zu meinem Mann schielen und dabei miteinander tuscheln und ihm eindeutige Blicke zuwerfen. Dämliche Ziegen. Das ist meiner! Mal winke-winke machen, dass sie sehen, zu wem dieser einmalige Kerl gehört.

Meilo, der an einem der Haltepunkte angekommen ist, winkt mir brav zurück und lächelt mir zu. Mein Herz schlägt schneller.

Ich filme weiter, knipse Bilder und bin heil froh, als mein Schatz wieder lebend und unverletzt unten angekommen ist. "Das war klasse!", lacht er und schnallt sich den Helm ab. "Anstrengend, aber klasse."

"Das freut mich für dich. Ich habe auch alles auf Video." Ich wedle mit dem Handy. "Du hast eine richtig gute Figur da oben gemacht."

"Habe ich das?", gluckst er und gibt die Gurtkonstruktion ab, die er um hatte.

"Und wie." Wir lächeln uns an und schon liegen wir uns in den Armen. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie die beiden Frauen zu uns herüberschielen. Ja, guckt nur! Meins, meins und nochmal meins. Ich gebe ja ziemlich selten an, aber in diesem Moment genieße ich es fast so sehr, wie Meilos unmittelbare Nähe zu spüren. "Du riechst", stelle ich fest.

"Was? Oh. Entschuldige." Warum entschuldigt er sich dafür? "Das kommt von der Anstrengung", meint er verlegen. "Suchen wir mal lieber einen Waschraum auf.

"Aber nicht doch", raune ich ihm zu. "Bleib so. Richtig zum Anbeißen ..." Flink fahre ich mit der Zunge über seinen Hals, sodass es keiner mitbekommt. Das wäre dann doch ein klitzekleines bisschen zu viel für die armen Leute hier, glaube ich.

"Du magst es, wenn ich stinke?"

"Klar. Pheromone. Ich kann sie riechen. Sie flüstern mir unanständige Dinge ins Ohr."

"Dann sollte ich mich erst recht waschen", sagt Meilo, was ich ziemlich fies finde, und lässt mich los. "Nicht, dass du noch über mich herfällst." Er lacht und dreht sich um. Echt gemein!

Ich laufe ihm hinterher, bis ich zu ihm aufgeschlossen habe. "Ich kann dich auch gleich in den See werfen. Wie wäre es damit?"

"Nur, wenn du mitkommst."

"Nie im Leben! Ich bekomme schon Gänsehaut nur vom dran denken."

"Also wirklich", lacht er. "Du bist echt die größte Mimose, die ich jemals kennengelernt habe." Poha!

"Bitte?!" Ich bleibe stehen und gucke Meilolein grimmig an. Doch er grinst mich bloß an und geht einfach weiter. Ich weiß nicht, ob ich lachen soll, oder doch eher sauer auf ihn sein soll.

"Kommst du? Da vorn sind Toilettenhäuschen." Keine Ahnung, warum ich mich wieder geschlagen gebe. Der Kerl wickelt mich ständig um den kleinen Finger.

An den Toilettenhäuschen angekommen, ist Meilo schon drinnen verschwunden. Nachdenklich warte ich draußen auf ihn und hocke mich auf einen großen Stein, der gegenüber am Wegesrand liegt. Bin ich wirklich eine Mimose? Hat er das ernst gemeint, und nur als Scherz verpackt? Es mag sein, dass ich mich während der Zeit, die wir hier miteinander verbringen, schon etwas verweichlicht angestellt habe. Aber was kann ich dafür, wenn mir schnell kalt wird und ich Höhenangst habe? Ich will doch einfach nur bei Meilo sein. Dafür nehme ich es auch mit einer kalten Holzhütte oder einem vernebelten See auf. Baumklettern vielleicht nicht unbedingt, es sei denn, Meilo würde kopfüber in einem hängen und bräuchte Hilfe, aber ansonsten würde ich alles für ihn tun.

"Wieder alles frisch", höre ich Meilos Stimme neben mir.

"Fein." Ich ziehe die Mundwinkel nach oben.

"Ist irgendwas?" Meilo kann ich damit nicht täuschen.

"Findest du wirklich, dass ich eine verweichlichte Mimose bin?", frage ich ihn geradeheraus.

"Von verweichlicht habe ich nichts gesagt", antwortet er schmunzelnd, kniet sich dann jedoch vor mich und blickt ernst drein. "Das war ein Scherz. Du kannst doch nichts dafür, wenn du frierst. Und Höhenangst hat fast jeder."

"Du nicht."

"Ja jetzt, aber als Junge war ich der totale Angsthase."

Okay. Das bringt mich zum Lachen, weil ich mir das gar nicht vorstellen kann, obwohl er es schon mal erwähnt hatte. Doch damals kannte ich ihn noch nicht so gut wie jetzt. "Echt?"

"Ja, echt. Hab ich dir doch schon erzählt."

"Hast du nicht. Nur, wie du deine Leidenschaft für geklaute Schminkutensilien entdeckt hast."

Meilo verzieht das Gesicht. "Die Phase war auch mal."

"Das weiß ich doch." Ich lege meine Hand auf seine, die auf meinem Knie liegt. "Vor was hattest du damals Angst?" Ich möchte es wissen. Ich erfahre immer wieder gern mehr von der Vergangenheit meines Lieblings.

Er steht wieder auf und hockt sich neben mich, was eigentlich unmöglich ist, da der Stein nicht sehr breit ist, aber es funktioniert irgendwie. Bequem ist allerdings anders. "Ich war als kleiner Junge total schüchtern und hing ständig am Rockzipfel meiner Mutter. Als ich dann den ersten Tag im Kindergarten verbringen musste, hatte ich mich heulend im Spielhaus versteckt. Das ging soweit, dass ich wieder abgeholt werden musste."

"Jedes Kind hat Probleme mit dem Kindergarten. Ich wollte dort auch erst nicht hin." Ist doch logisch.

"Ich lag von da an über ein Jahr lang nur alleine in der hintersten Ecke des Spielhauses und heulte." Oh. Das ist heftig.

"Du übertreibst doch!" Das kann doch gar nicht sein. Nach dem ersten Schock rennt man mit den anderen Kindern schreiend durch die Bude.

"Tue ich nicht. Frag meine Mutter. Und in der Grundschule wurde es auch nicht besser. Ich redete mit niemanden und es dauerte lange, bis ich mich dort einigermaßen eingefunden hatte. Ich hatte vor alles und jedem Angst."

"Hört sich an, als hättest du eine schlimme Zeit durchgemacht."

"Ist eben nicht jeder von Geburt an so toll, wie ich es jetzt bin", lacht Meilo. "Jedenfalls lernte ich dadurch recht schnell, dass ich anders bin, als die anderen Kinder. Wie anders, das ahnte ich zu der Zeit zwar noch nicht, doch es half mir, mich zu akzeptieren." Ich wiederhole es bestimmt zum dutzenden Mal, aber Meilo ist bewundernswert! "Wollen wir weiter? Wir haben nur noch wenig Zeit. Wenn wir rodeln wollen, müssen wir uns ranhalten." Ich nicke und stehe auf. Gemeinsam, Hand in Hand, laufen wir dem Sonnenuntergang entgegen. Oder viel mehr der Rodelbahn.
 

***
 

"Jetzt bist du vorn. Ich will mich auch mal an dir festklammern."

"Ist gut. Aber wehe, ich habe danach deine Fingernagelabdrücke im Bauch."

"So, wie du mir welche verpasst hast?" Meilo schaut mich frech an.

"Genau. Also sei schön vorsichtig."

"Ich versuche es." Wer's glaubt!

Nichtsdestotrotz setze ich mich vorn in den Rodelbob und warte, bis Meilo sich hinter mich gesetzt hat. "Kann's losgehen?", frage ich ihn.

"Aber sowas von!" Ich stoße mich ab, und schon rollen wir. Schnell die Beine hoch und festhalten.

Wir nehmen schnell Fahrt auf und rasen durch die erste Kurve. Es rattert laut, was nur von unseren Jubelrufen übertönt wird. Meilos Arme haben mich fest umschlossen. Aufgeputscht lehne ich mich gegen ihn, während ich versuche, den Bob zu steuern. "Meilo, hilf mir mal!" Er kann das besser als ich.

Er greift nach vorn und umfasst meine Hände, die sich an den Steuerhebel klammern. "Gar nicht so leicht, was?"

"Nein!" Besonders, wenn ein gewisser jemand einem in den Nacken bläst und dadurch eine Gänsehaut bekommt.

"Achtung!", brüllt er. "Gleich kommt sie!"

"Ich weiß", lache ich laut und lehne mich zusammen mit Meilo nach rechts, um heil durch die letzte Kurve zu kommen, die sogleich auch die tückischste ist. Wir meistern sie und kommen am geraden Stück an, das dafür gedacht ist, den Bob langsam abzubremsen.

"Nochmal?", frage ich meinen Schatz und klettere aus dem Bob.

Meilo schaut auf die Uhr. "Es wird bald dunkel. Bis wir vorne sind, dauert es."

"Schade", murmle ich. "Ich hätte so gern noch mal hinter dir gesessen." Ich schmiege mich an Meilos Seite.

"Das kannst du doch auch. Wenn wir wieder im Hotel sind." Guter Einwand.

"Also gut, überredet." Ich schiebe meinen Arm unter Meilos hindurch und laufe mit ihm weiter.

Wir sind nicht mehr weit vom Ausgang entfernt, da trifft mich was Feuchtes auf der Nase. Ich blicke empor in den Himmel und "Ach du Scheiße!" Ich bleibe stehen. "Da kommt es rabenschwarz. Es gießt sicher gleich in Strömen."

"Beeilen wir uns lieber", brummt Meilo und gibt Fersengeld.

Ich behalte leider mit meiner Vermutung recht, denn als wir endlich am Auto ankommen, ergießen sich wahre Sturzbäche über uns. Triefend nass sitzen wir keuchend im Wagen. "Verflucht! Das gibt's doch nicht!" Meilo zupft sich am Oberteil herum, das wie Pattex an ihm klebt. "Ging das schnell!"

"Das sieht nach einem richtigen Unwetter aus." Ich bin besorgt. "Sollen wir warten, bis es rum ist?"

Meilo zuckt mit den Schultern. "Weiß nicht."

Ich atme tief ein. Wild darauf, bei dem Wind und Regen durch ein Waldstück zu fahren, bin ich nicht gerade. "Warten wir ein paar Minuten. Vielleicht wird es schwächer."

"Ist wahrscheinlich besser", stimmt Meilo mir zu.

Ich lasse das Auto an und zähle die Sekunden, bis die Heizung endlich warme Luft aus den Düsen pustet. "Wir müssen aus den nassen Klamotten raus", überlege ich laut.

"Hier?"

"Wenigstens die Oberteile." Gesagt, getan. Die Heizung auf volle Leistung, zücke ich mein Handy. "Wir haben volle Warnstufe. Gewitter, Starkregen und Sturmböen. Sogar örtlich Hagel."

"Für wie lange."

"Bis 23 Uhr, aber das muss nichts heißen."

"So lange können wir unmöglich warten!"

"Das habe ich auch nicht vor", antworte ich meinem entsetzt dreinblickenden Meilolein und lege den ersten Gang ein.

"Du meinst, du kannst so fahren?"

"Probieren wir es." Ich stelle die Scheibenwischer auf die schnellste Stufe, wovon einem wirklich schwindelig werden kann, und fahre langsam an.

"Lass es lieber Nic! Zur Not pennen wir im Wagen."

"Das geht schon. Da hinten wird es wieder hell." Das wird es tatsächlich.

"Schön, aber wir fahren in die andere Richtung. Genau dort hin, wo das Unwetter hinzieht." Ups.

"Dann fahre ich eben langsamer, als das Unwetter zieht. Wir treiben es vor uns her."

"Von mir aus", sagt Meilo. "Aber um das tun zu können, hältst du jetzt nochmal an und dann warten wir, bis du wenigstens zwei Meter vors Auto gucken kannst."

"Ist ja gut", seufze ich und fahre auf den nächsten freien Parkplatz. "Warten wir." Gang wieder raus, Heizung auf halbe Leistung. Es wird warm.

"Ich schlage vor, nutzen wir solange die Zeit für was anderes." Meilos Hand schiebt sich auf meinen Oberschenkel. Wie interessant.

"Was meinst du damit im Genaueren?", frage ich ihn und schaue grinsend zu, wie er sich zu mir rüberbeugt.

"Ich habe mich noch gar nicht für die tolle Hinfahrt bedankt."

"Skandalös!"

"Nicht wahr? Das sollte ich schleunigst nachholen."

"Aber ganz schnell ..." Ich werde in den Sitz gedrückt. Uns küssend, hören wir dem Prasseln des Regens zu. Von mir aus kann es noch viel stärker stürmen. Wie schnell sich eine Meinung doch ändern kann.
 

*
 

"Wahnsinn!", keuche ich.

"Das Selbe wollte ich auch gerade sagen", gluckst Meilo neben mir. "Was ging denn bei dir ab?"

"Viel", lache ich abgehackt.

"Hab's gemerkt. Muss am Wetter liegen."

Ich öffne die Augen. Es regnet nur noch leicht. "Vorbei", nuschle ich.

"Noch nicht ganz. Es ist weitergezogen." Der Sitz knarrt. Meilo linst aus dem Heckfenster. "Da blitzt es noch." Noch etwas neben mir, schließe ich meine Jeans wieder und rutsche aufrecht in den Sitz. "Soll ich fahren, oder bist du genug bei Kräften?"

"Geht schon. Gib mir noch eine Minute, dann bin ich so fit wie zehn Holzfäller." Mindestens! Meilos amouröse Künste sind besser als jeder Energiedrink. Zu meinem Bedauern haut der Vergleich mit den Holzfällern nicht ganz hin, auch nicht nach einer weiteren Minute. Dennoch fühle ich mich wieder genug bei Kräften, um selbst zu fahren.
 

Auf der Bundesstraße fahre ich zehn Km/h unter der Richtgeschwindigkeit. Stören tut es niemanden, denn es ist weit und breit niemand anderer auf der Straße zu sehen. "Bin ich froh, wenn wir ins Bett kommen. Das war anstrengender als gedacht."

"Ich weiß, was du meinst", antworte ich. "Frische Luft macht einen total fertig."

"Nur die frische Luft?" Meilo grinst anzüglich.

"Die und dein süßer Schmollmund." Am liebsten würde ich meine Finger in seine Wangen krallen, so, wie es Omas immer tun, doch das lässt sich jetzt schlecht bewerkstelligen.

"Ich dachte, der macht aus dir einen Holzfäller?"

"Hm", brumme ich. "Vielleicht einen kleinen." Meilo lacht. "Ein noch sehr jungen Holzfäller, der nach zwölf Stunden Dauerholzhacken in sein Häuschen kriecht und auf dem Teppich zusammenbricht."

"So schlimm?"

"Nein", winke ich ab. "War doch nur ein Scherz." Ich bin zwar müde, aber mir geht es noch immer gut. Als schwebe ich in einer warmen Wolke dahin. In einer rosaroten Meilowolke.

"Dann ist ja gut", sagt Meilo gähnend und rutscht tiefer in den Sitz.

"Bist du wirklich so müde?"

"Nein. Noch viel müder." Oh je! Mein armer Liebling.

"Schlaf ein bisschen, solange wir unterwegs sind." Er nickt, schließt die Augen und kippt zur Seite. Sein Kopf bettet sich auf meinen Oberarm. Ich grinse. Wie niedlich.

Während wir langsam über den Straße fahren, schalte ich die Musik ein. Meilos Demo-CD. Leise schallen die Songs aus den Lautsprechern. Meilo scheint dies nicht zu bemerken. Er atmet ruhig und bleibt weiterhin gegen meinen Arm gelehnt sitzen. Gedankenverloren summe ich die Melodien mit. "An dir ist ja ein richtiger Sänger verloren gegangen", holt mich Meilo aus den Gedanken.

Erschrocken verstumme ich. "Zieh mich nicht auf."

"Tue ich nicht." Ich brumme nur und setze den Blinker. Gleich sind wir da. "Nicht beleidigt sein", brabbelt mein Schatz und setzt sich wieder auf. "Es freut mich, dass dir die Songs gefallen."

"Das tun sie", sage ich. "Das habe ich dir doch schon gesagt."

"Hast du." Sanft schmusen Meilos Lippen über meine Schläfe.

"Lass uns das für nachher aufheben", lache ich.

"Wie du meinst." Seufzend rückt er von mir ab und plumpst gegen die Rückenlehne. "Kann es sein, dass es wieder stärker regnet?"

"Ja. Scheint so, als fahren wir tatsächlich wieder genau ins Unwetter rein."

"So eine Pleite." Da stimme ich ihm zu.

An unserem kleinen Seehotel angekommen, sind wir erneut dem Sturm ausgeliefert. Es fängt sogar tatsächlich an zu hageln! Zum Glück keine großen Brocken, doch der Lärm ist unfassbar. "Das gibt's doch nicht! Als würden wir das Wetter magisch anziehen", brülle ich Meilo an.

"Das mag uns."

"Mich ganz bestimmt nicht. Wenn, dann dich." Meilo schenkt mir einen spöttischen Laut. "Wollen wir es wieder aussitzen?"

"Wir sind sowieso noch nass. Lass uns rennen und dann schleunigst unter die heiße Dusche." Hört sich verlockend an.

"Dann mal los!" Wir hasten zugleich aus dem Wagen, schmeißen die Türen zu und rennen los. Die Zentralverriegelung klackt. Wie gut, dass es diese kleinen, praktischen Knöpfchen am Schlüssel gibt.

Wir hechten auf das Hotel zu und schlittern keuchend zu der Überdachung, welche die Frontseite ziert. Zum zweiten Mal heute, triefen wir vor Wasser.

Der Regen und der dazwischen versteckte Hagel produzieren einen riesigen Lärm. Stark prasselt es auf das schmale Dächlein über uns. Allerdings glaube ich plötzlich, Stimmen aus dem Rauschen heraushören zu können. "Die auch?" ,höre ich eine der Stimmen gehetzt fragen.

"Ja!", antwortet eine Zweite. Ich spitze die Ohren.

"Wollen wir nicht endlich rein?", fragt mich Meilo drängelnd.

"Psst! Hör mal."

"Was denn?" Ich überhöre die Frage und strecke stattdessen den Hals. "Nic?" Von wo kommen die Stimmen denn nur? "Erde an Nic."

"Warte doch mal!" Ich wage mich wieder in den Schauer. Sie müssen von links kommen. Dort, wo immer die Tische und Stühle stehen, auf denen wir draußen des öfteren gegessen haben. Und dann sehe ich sie.

"Schnell!", ruft einer dem anderen zu.

"Ich mach ja schon!" Zwei Gestalten huschen im Regen umher. Nein, keine Gestalten. Das sind Henning und Heiko! Sie schleppen Tische und Stühle ins Trockene. Ein paar der Stühle sind schon Richtung See geweht worden. Es fehlt nicht viel, und sie landen in den Fluten.

Meilo hat sich inzwischen auch an meine Seite gewagt. "Wir müssen ihnen helfen", sage ich zu ihm. "Bis die alles eingesammelt haben, sind sie bis auf die Knochen aufgeweicht."

"Na schön", seufzt Meilo. "Beeilen wir uns."

In geduckter Haltung rennen wir auf die davon gewehten Stühle zu, schnappen uns je zwei, und eilen so schnell es geht, auf den Kellereingang zu, in dem Henning und Heiko alles unterzustellen scheinen. Wir rennen sie beinahe um den Haufen, als wir ins Trockene stürmen. "Was macht ihr denn hier draußen?", fragt ein überaus überraschter Henning uns.

"Nach was sieht es den aus?", frage ich ihn retour. "Wir wollen euch schnell helfen."

"Ähm ... Aber das müsst ihr nicht! Ich meine, ihr seid doch Gäste!" Ach, wie habe ich Hennings Ähm vermisst!

"Wir sind eh schon nass", wirft mein Schatz ein. "Und zusammen geht es schneller." Gegen die Logik meines Schatzes hat wohl keiner was einzuwenden, denn Henning nickt dankbar und klopft mir auf den Rücken, ehe er wieder nach draußen marschiert.
 

Zu viert bekommen wir relativ schnell alles ins Trockene, und keiner der Stühle ist in der Zwischenzeit im See verschollen. "Danke, für eure Hilfe", japst Henning, der an seinem nassen Hemd herumzupft. Ein weißes, enganliegendes, nasses Hemd, das keinen Raum für Spekulationen frei lässt. Heiko kann sich glücklich schätzen, wenn ich das mal so sagen darf.

"Geht am besten schnell hoch und steigt aus den nassen Klamotten, bevor ihr euch noch was einfangt", meint Heiko, der ebenfalls tropft wie ein nasser Hund.

"Ist gut. Ihr aber auch." Ich zwinkere Henning zu. Die zwei können es sicher nicht erwarten, sich aus den Klamotten zu schälen. Nicht nur, weil diese triefend nass ist.

Meilo und ich steigen schnell unter die herrlich warme dusche, ziehen uns trockene Sachen an und landen erschöpft im Bett. "Ob der Sturm nochmal aufhört?", fragt er mich.

"Keinen Schimmer. Irgendwie wütet er hier länger als vorhin auf der Rodelbahn."

"Ja ..."

"Ach egal! Wir sind im Trockenen und liegen im Bett. Von mir aus kann da draußen die Welt untergehen." Ich fläze mich wie ein fetter, vollgefressener Kater in den Laken und brumme wohlig. "Wie gemüdli... hä?" Plötzlich sitzen wir im Dunkeln. "Wieso ist ...?" Rumms! Ein lauter Donner grollt von der Ferne.

"Da hat es irgendwo eingeschlagen", vermutet mein Herzblatt und rutscht vom Bett.

"Och na toll! Lass uns pennen." Ich brauche eh kein Licht beim Schlafen. Ich rolle mich unter die Decke und schließe die Augen. Doch mein Meilolein steht weiterhin am Fenster und glotzt in den Regen. "Meilo, komm her. Ich will kuscheln." He he.

"Alles dunkel", murmelt er, als würde er mit sich selbst reden.

"Und? Nachts muss es dunkel sein. Jetzt komm schon!" Zufrieden höre ich, wie er auf das Bett zukommt, doch irgendwer meint es heute nicht gut mit mir. Es klopft an der Zimmertür.

"Ich geh schon", meint Meilo und läuft zur Tür.

Notgedrungen setze ich mich auf und starre auf das schwarze Rechteck, von dem ich vermute, dass das die Tür ist. Als Meilo sie öffnet, erhellt ein kleines Licht die Szenerie. "Alles in Ordnung bei euch?" Wieder ist es unser strammer Bayer Henning.

"Ja. Und bei euch?"

"Der Strom ist ausgefallen." Ach ne! "Ähm ... Heiko und ich dachten uns, ihr wollt vielleicht auch einen Tee? Das Wasser ist schon heiß."

Meilo dreht seinen Kopf zu mir. "Wollen wir?"

Ich überlege. Tee hört sich gut an. Aber was sich noch besser anhört: Tee zusammen mit Henning und Heiko. Vielleicht plaudern die zwei Schnuckel ein bisschen aus dem Nähkästchen. Ich würde ja zu gern wissen, ob die beiden jetzt auch ganz offiziell zusammen sind. "Ja. Gerne", antworte ich und springe aus dem Bett. Für Schlafen ist auch nachher noch Zeit.
 

Henning führt uns in den Gastraum, wo eine einzelne Kerze einen der Tische erhellt. Heiko sitzt schon dort und brüht sich einen Tee auf. "Wie gemütlich. Ein Stromausfall hat auch Vorteile", befinde ich das Ganze.

"Und sei es nur, um Tee mit Freunden zu trinken", lacht Henning. Ach? Wir sind schon Freunde? Wow. Das macht mich jetzt leicht sprachlos.

Ich setze mich gegenüber von Heiko, da sich Henning bestimmt neben seinen Liebsten setzen möchte, und warte auf Meilo, der sich den Stuhl neben mir krallt. Henning setzt sich ebenfalls, und nun sitzen wir uns alle vier gegenüber. Heiko schenkt uns allen Tee ein, dann wird es ruhig, sieht man vom Tosen des Windes draußen ab. "Also … Nochmal danke, dass ihr uns geholfen habt", sagt Henning leise und trinkt an seinem Tee.

"Nichts zu danken", winke ich ab. "Wir konnten doch nicht zulassen, dass ihr beide vom Sturm weggeweht wird, jetzt, wo ihr endlich ein Paar seid." Ja, ich lehne mich weit aus dem Fenster, aber irgendwie muss ich das Gespräch ja in die gewünschten Bahnen lenken.

Heiko räuspert sich und schaut mich verlegen an. "Ich habe gehört, dass wir das zum Teil auch dir zu verdanken haben." Nur zum Teil?!

"Henning hat dir davon erzählt?", frage ich Heiko.

"Ich musste. Heiko war immer noch sauer auf dich", erklärt Henning.

"Als er mir sagte, dass du ihm nur geholfen hast, um über seinen eigenen Schatten springen zu können, da war ich es natürlich nicht mehr", lacht Heiko. "Ohne dich würden wir vielleicht jetzt noch unentschlossen umeinander herumkreisen." Die beiden schauen sich verliebt an, während sich ihre Hände miteinander verflechten. Was für ein schönes Bild. Nicht nur Wetterblitze fliegen durch die Luft. Man sieht auf dem ersten Blick, dass die zwei sich lieben. Das wiederum bringt mich auf meine eigentliche Frage zurück.

"Habt ihr es schon offiziell gemacht?" Unsicherheit spiegelt sich in ihrem Gesicht. "Also noch nicht?"

"Nein", fiepst Henning. "Meine Eltern wissen nicht, dass ich … Nun ja …"

"Auf Kerle stehst?", hilft ihm mein Schatz auf die Sprünge.

"Ja." Henning nickt. "Deswegen wollte ich euch fragen … also … weil ihr ja so unbeschwert miteinander umgeht und … ähm …" Nicht wieder stottern, Henning!

"Du willst wissen, wie es bei uns war?"

"Ähm … Ja." Er nickt. "Ist ein Outing schlimm?"

"Puh!" Ich lehne mich zurück. "Das kommt drauf an. Meine Eltern waren da sehr locker. Und eigentlich habe ich mich nicht wirklich von mir aus vor ihnen geoutet, sondern meine Mutter hat es herausgefunden." Peinliche Story. Die will niemand wissen.

"Bei mir war es ähnlich", erklärt Meilo. "Irgendwie wussten sie es." Meilo grinst. "Es war auch nicht schwer zu erraten." Das verstehen die zwei natürlich jetzt nicht, aber Meilo spielt bestimmt auf seinen damaligen Make-Up Faible an.

"Haben deine Eltern jemals was verlauten lassen, dass sie eine Abneigung gegen Homosexuelle haben?", möchte ich wissen.

"Nein. Soweit ich weiß nicht." Henning schüttelt den Kopf.

"Das denke ich auch nicht", wirft Heiko ein. "Es waren schon mehrmals gleichgeschlechtliche Pärchen hier, und nie haben sie ein böses Wort über sie verloren."

"Aber das heißt noch gar nichts!", sagt Henning ängstlich. "Selbst wenn sie nichts gegen Homosexuelle haben, vielleicht haben sie es, wenn sie erfahren, dass ihr einziger Sohn schwul ist!"

Heiko seufzt. "Das wissen wir aber nicht mit Sicherheit, wenn wir es ihnen erst gar nicht sagen."

"Du stellst dir das so einfach vor, aber ich kann das nicht mal so auf die Schnelle!"

"Das weiß ich doch, aber wir werden es nicht lange geheim halten können."

"Und du weißt, dass ich auf den richtigen Zeitpunkt warten will, bis …"

"Ähm Leute?", unterbreche ich den leisen Schlagabtausch der beiden, der sich so anhört, als hätten sie in der kurzen Zeit, in der sie ihre Liebe füreinander endlich miteinander teilen, schon einige hitzige Debatten über das Thema geführt. "Es bringt überhaupt nichts, wenn ihr euch gegenseitig ankeift."

"Nic hat Recht. Geständnisse nagen an einem, bis man sie gestanden hat, nicht wahr?" Meilo guckt mich an.

Dem pflichte ich natürlich bei. "Ja, genau! Je eher ihr euch Hennings Eltern stellt, desto besser."

"Das findest du also auch?", fragt Meilo mich.

"Ja, habe ich doch gesagt. Warum fragst du?"

"Nur so", antwortet Meilo und grinst schief. Hä? Habe ich was verpasst? "Es ist doch sowieso egal, wann ihr es ihnen sagt. Ihre Reaktion verändert sich nicht."

"Stimmt", murmelt Henning.

"Doch je eher ihr das tut, desto schneller seit ihr dieses ungute, nagende Gefühl los, dass euch plagt." Hört, hört!

Henning nickt und klammert sich an seine Tasse fest. "Morgen sage ich es ihnen" flüstert er, als würde er seine Entscheidung vor sich selbst geheim halten wollen.

"Morgen sagen wir es ihnen", korrigiert ihn Heiko. "Ich lasse dich das nicht alleine durchmachen."

"Danke, aber das musst du ni..."

"Doch, das muss ich! Das geht nicht nur dich was an." Henning erwidert daraufhin nichts mehr. Sie sehen sich verliebt an und keine Sekunde später liegen sie sich auch schon in den Armen.

Ich lehne mich an Meilo, der seinen Arm um mich legt und seufzt. "Du weißt, dass ich auf deine Schwester angespielt habe?", fragt er mich leise. Auf einmal verstehe ich es. Dieser Schuft!

"Das hatten wir doch besprochen."

"Hatten wir", bestätigt er. "Wir machen das auch zusammen." Meilos Hand legt sich auf mein Bein. "Sobald ich kann, fahre ich zu dir, und dann sagen wir es ihr."

"Machen wir", segne ich ab. Wohl ist mir bei dem Gedanken noch immer nicht.
 

******

Love bite 29 – Abschiedsschmerz

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 29 - Abschiedsschmerz (Ohne Adult)

Love bite 29 - Abschiedsschmerz (Ohne Adult)
 

"Aufstehen. Die Sonne lacht." Meilo verzieht das Gesicht und seine Augen bewegen sich unter den noch geschlossenen Lidern.

Schmunzelnd rutsche ich mit einem Bein über seine Hüfte und liege nun rittlings auf ihm. Er brummt müde und versucht sich zu strecken. Geht nur schlecht, solange ich auf ihm hocke, wie ein siegesgeiler Jockey auf der Zielgeraden. "Bin noch müde", murmelt er, legt jedoch seine Arme um meinen Rücken. Er zieht mich zu sich runter, sodass ich auf seiner Brust zum Liegen komme. Also echt! Diese Taktik merke ich mir für das nächste Mal, wenn er mich wieder versucht aus dem Bett zu zerren, obwohl ich noch müde bin. Sie ist sehr erfolgversprechend, wie ich mir neidvoll eingestehen muss. Besonders, wenn man die sanften Berührungen auf meiner Wirbelsäule bedenkt, die es doch tatsächlich schaffen, mich wieder einen Ticken müder zu machen.

Na gut, ich ergebe mich und bleibe noch ein Weilchen so liegen. Es ist ja für die nächste Zeit das vorletzte Mal, dass wir zwei zusammen aufwachen. … Oh verflucht! Ich könnte kotzen! Ich will nicht gehen, nicht ohne ihn zumindest, aber mir bleibt nichts anderes übrig. Die Arbeit im Weinkeller ruft ab nächste Woche wieder und ich will KP auch nicht länger im Stich lassen. Hinterher brauche ich gar nicht mehr dort zu arbeiten, und dass kann ich mir nicht erlauben, nicht nur des Geldes wegen, das ich endlich wieder verdiene, sondern auch, weil ich meine Kollegen alle so lieb gewonnen habe, einschließlich Clem natürlich.

Ich schließe meine Augen wieder, ziehe die Decke höher und präge mir das Gefühl ein, auf Meilo zu liegen. Tief sauge ich es in mir auf und … höre, wie Meilo leise schnarcht.

Empört über diese Dreistigkeit hebe ich den Kopf an. Er ist wieder eingeschlafen! "So was", murmle ich. "Pennt einfach weg." Die schönen Streicheleinheiten haben auch aufgehört. Na ja. Man muss Meilo zu Güte halten, dass es gestern Abend noch sehr spät geworden ist.

Henning, Heiko, Meilo und meine Wenigkeit haben uns noch lange miteinander unterhalten, haben Tee getrunken und sind danach auf andere Flüssigkeiten umgestiegen. Wir haben jetzt nicht gesoffen oder so, aber ich merke den Alkohol trotzdem ein klein wenig in meinen Schläfen pochen. Nachdem Heiko seine Aggression gegen mich abgelegt hat, hat er mir seine nette Seite gezeigt. Er ist echt ein super netter Kerl, und ich kann verstehen, dass Henning hin und weg von ihm ist. Die beiden passen richtig gut zusammen. Ich wünsche ihnen wirklich von ganzem Herzen, dass das Outing heute glatt geht.

Oh Shit! "Das Outing!" Ich fahre auf und schaue auf mein Handy. Viertel nach 10! "Meilo! Wach auf! Wir sind zu spät!"

"Was?" Stirnrunzelnd öffnet er die Augen. "Muss ich schon los?"

"Wie? Nein!" Meilo muss nachher noch weg. Doch zuerst "Wir wollten doch in der Nähe sein, wenn Henning und Heiko mit Hennings Mutter reden!"

"Oh Shit!" Sag ich doch.

In Rekordzeit haben wir uns einer schnellen Katzenwäsche unterzogen und angezogen. "Meinst du, es gibt noch Frühstück?"

"Weiß nicht", japse ich, da wir die Stufen hinunterjagen. "Aber wie gut, dass wir mit dem Koch befreundet sind."

"Das bringt uns auch nichts, wenn Hennings Mutter schlecht auf ihre Neuigkeiten reagiert hat. Hinterher hat sie ihn gefeuert."

"Jetzt mal den Teufel nicht an die Wand!" Was für ein furchtbarer Gedanke! "Immer das Beste hoffen."

"Muss ich dich wieder an deine Schwester erinnern?", fragt er mich einen Ticken zu besserwisserisch.

"Das ist was anderes." Warum reitet er wieder darauf herum? Ich belasse es dabei und schlucke den Kommentar, der mir auf der Zunge liegt, runter. Man sollte nicht noch Öl ins Feuer gießen.

Unten angekommen, ist es total ruhig. Die meisten Gäste sind schon außer Haus. Nur zwei ältere Pärchen sitzen noch beim Frühstücken. Meilo und ich suchen uns einen Platz mit Blickrichtung zur Rezeption. "Siehst du jemanden?", will Meilo wissen und reckt den Hals.

"Nein. Alles ruhig."

"Vielleicht zu ruhig ..."

"Sag mal, hast du heute Nacht apokalyptische Wahnvorstellungen gehabt, oder warum bist du so in Schlechtwetterlaune?"

Meilo verzieht den Mund und legt den Kopf schief. "Bin nur schlecht gelaunt."

"Hast du einen Kater?" Wäre kein Wunder, obwohl er noch weniger getrunken hat, als ich.

"Nein, das ist es nicht", flüstert er und zupft an der Tischdecke herum. Alle Alarmglocken in meinem Kopf schrillen auf.

"Was hast du denn? Machst du dir etwa wieder Gedanken um Keith und dem ganzen Tralala?" Warum frage ich noch? Was soll es sonst sein?

"Tralala?", lacht Meilo amüsiert. "Mit Tralala hat meine Laune nichts zu tun."

"Dann mit Keith?" Ich wusste es!

"Nein Nic. Auch nicht mit Keith. ... Indirekt vielleicht, aber ..." Ich schnappe mir Meilos Hand, die immer noch Tischdeckenzupfen spielt.

"Ich liebe dich Meilo."

"Das weiß ich doch. Und ich liebe dich auch, aber ..."

"Und du musst dir nicht schon wieder Sorgen machen. Ich werde dich immer lieben."

"Das ist schön, dass du das sagst nur ..."

"Wir bekommen die restliche Zeit bis zum Jahreswechsel spielend rum. Du wirst schon sehen! Das geht ganz schnell, weil ..."

"Nic! Jetzt mach mal kurz Pause!" Ich verstumme. Habe ich eben etwa gequasselt? "Ich mache mir keine Sorgen", sagt er grinsend. "Ich bin nur traurig, dass wir morgen um diese Zeit schon wieder getrennt sind. Deswegen habe ich schlechte Laune, und nicht, weil ich wieder denke, dass der ganze Kram mit mir, dir irgendwann zu viel wird."

"Ach so", hauche ich und fühle mich leicht dämlich. "Entschuldige. Ich dachte nur ..."

"Dass ich wieder durchdrehe", beendet er meinen Satz. Ich nicke. "Das tue ich aber nicht. Dank dir." Erleichtert drücke ich Meilos Hand. "Manchmal muss man mir zwar den Kopf wieder zurechtrücken, aber soweit ist es noch nicht."

"Sag mir Bescheid, und ich rücke ihn dir jeder Zeit wieder zurecht", lache ich und strahle Meilo verliebt an.

"Beruhigend zu wissen."

Ich habe mir wieder unnötig Sorgen gemacht. Aber was soll's? Hauptsache, Meilo geht es gut. Und dass er traurig darüber ist, dass wir uns morgen wieder trennen müssen, kann ich sehr gut nachvollziehen.

Nachdem das nun geklärt ist, bleibt nur noch eins in Erfahrung zu bringen. "Wo sind Henning und Heiko denn bloß?"

"Gehen wir mal rüber zu Buffet. Vielleicht ist ja was aus. Dann hätte ich einen Grund zur Küche zu laufen."

"Gute Idee!", lobe ich meinen schlauen Schatz und stehe auf. "Zur Not leere ich den Brotkorb aus."

"Das will ich sehen!"

"Ich mach das! Ehrlich."

"Und wo stopfst du das Brot dann hin?"

"Das juble ich unter deine Koffer."

"Bloß nicht!" Lachend laufen wir rüber zum Frühstücksbuffet und untersuchen das Angebot. "Die Eier sind aus."

"Echt? Dabei wollte ich heute so gern ein schönes Frühstücksei!", jammere ich.

"Soll ich es dir besorgen, Schatz?" Himmel noch eins! Bei dem Blick, den Meilo mir bei diesem Satz zuwirft, werden nicht nur die Eier hart!

"Ich bitte drum", krächze ich. "Aber ganz hart, ja?" Das musste jetzt sein! Kleine Sünden im Frühstücksraum bestraft der heilige Niclas sofort.

"Ich gehe mal dem Koch Bescheid stoßen", kichert Meilo und schlüpft an mir vorbei. Wem will er was stoßen?!

Ich fülle halbherzig einen Teller mit Brötchen und anderen Leckereien, und trolle mich zurück auf meinen Platz. Von dort aus sehe ich Meilo vor dem Empfang stehen. Ungeduldig späht er zur Küche. Ist denn da niemand? Dann jedoch, sehe ich, wie Heiko auf ihn zukommt. Sie unterhalten sich miteinander. Dass es dabei nicht um Frühstückseier geht, kann sich wohl jeder denken. Irre ich mich, oder sieht Heiko ernst aus? Oh nein! Hoffentlich ist das Outing nicht schief gegangen!

Mit ernster Miene kommt Meilo zurück an unseren Platz. "Und?!" Ich halte es nicht aus und rutsche unruhig auf meinen Stuhl herum. "Was ist jetzt?"

"Nichts."

"Wie, nichts?"

"Na, nichts nichts. Die beiden haben noch nicht mit Hennings Mutter reden können."

"Warum? Wegen uns?" Sind wir schuld daran? Schließlich haben wir ihnen versprochen, in der Nähe zu sein, wenn sie es ihr sagen.

"Nein. Es ergab sich noch keine Gelegenheit. Sie haben zu viel zu tun im Hotel. Henning macht gerade die Zimmer, Heiko schuftet in der Küche Hennings Mutter sitzt im Büro und sein Vater ist draußen etwas reparieren."

"Oh ... So ein Mist!" Nachdenklich starre ich auf meinen Teller. Hunger habe ich keinen. "Und jetzt?" Meilo zuckt mit den Schultern und schaut auf die Uhr.

"Ich muss mich bald fertig machen. Da müssen sie alleine durch."

"Ich bin ja auch noch da", überlege ich laut. "Dann iss erstmal was und mach dich fertig. Ich gehe derweil auf die Jagt nach Zimmermädchen Henning."

"Du kannst es nicht lassen, hm?", schmunzelt Meilo. "Du schwingst nicht nur Amors Pfeile durch die Gegend, sondern einst auch noch Familien."

"Und? Was dagegen?"

"Überhaupt nicht. Deine Hilfsbereitschaft hat mich uns ja erst zusammengebracht." Wie wahr ... Eine wirklich schöne Erinnerung, unser Kennenlernen. "Du hast mir geholfen und hast mich sogar bei dir schlafen lassen, obwohl ich dich fast über den Haufen gefahren hätte. Das hätte nicht jeder getan."

"Ach was", winke ich ab.

"Nein! Das ist wahr."

"Wenn du meinst ..." Gleich werde ich rot.

"Ja, das meine ich", grinst Meilo und stibitzt sich meine soeben geschmierte Brötchenhälfte. Ich muss wirklich zu gutmütig sein. Ich lasse ihm aber auch alles durchgehen, und es bereitet mir sogar Freude. Liebe ist ein komisches Ding, nicht?
 

Ich begleite Meilo noch hinauf zu unserem Zimmer und lasse ihn, nach einer kurzen, aber wilden Knutscherei, alleine. Bis er sich aufgetakelt hat, suche ich nach Henning. Erst ist unser Stockwerk dran. Nichts. Da unser Zimmer jedoch schon gemacht war, als wir es betreten haben, nehme ich mal stark an, dass Henning eine Etage höher gewandert ist. Dort oben gibt es nicht viele Zimmer, wie ich feststelle, nachdem ich auf der letzten Stufe angekommen bin. Dafür erblicke ich den Putzwagen, keine fünf Meter von mir entfernt.

Vorsichtig spähe ich in das Zimmer, vor dem er steht. Kann ja sein, dass es nicht Henning ist, der hier alles auf Vordermann bringt. "Hallo?" Ich klopfe gegen die offenstehende Zimmertür.

"Ja?" Eindeutig Hennings Stimme!

"Ich bin's. Niclas."

"Hallo", höre ich ihn überrascht sagen, ehe sein Kopf um die Ecke des Badezimmers linst. "Suchst du mich?"

"Ja", gebe ich zu und trete ein. Ein komisches Gefühl, in ein fremdes Hotelzimmer zu gehen. Darf ich das überhaupt? Da Henning allerdings nichts dagegen sagt, wage ich mich zu ihm. "Meilo hat eben mit Heiko gesprochen. Ihr konntet noch nicht mit deinen Eltern sprechen?"

"Nein", seufzt er und legt den Putzlappen weg. "Wir haben immer so viel zu tun über den Tag hinweg. Ich weiß gar nicht, wann überhaupt Zeit dafür sein soll."

"Habt ihr keine Mittagspause oder so?"

"Schon, aber meist wechseln wir uns ab. Die Arbeit im Hotel kennt keine Mittagspause."

"Was bedeutet, ihr habt so gut wie keine Sekunde übrig, euch miteinander zu unterhalten", schließe ich daraus.

"Genau. Das ist das Los der Selbstständigkeit. Arbeit immer und überall." Henning seufzt und schnappt sich wieder den Putzlappen. "Vielleicht klappt es heute Abend, wenn alles erledigt ist."

"Ich drücke dir die Daumen."

"Danke."

"Und falls was ist, sag mir Bescheid. Meine Handynummer hast du ja." Henning lächelt mich dankbar an, ehe ich ihn wieder weiterputzen lasse. Zeit, mich von Meilo zu verabschieden, obwohl ich es sehr ungern tue. Wie gern würde ich unseren letzten gemeinsamen Tag ganz in Ruhe mit ihm verbringen! Leider geht das nicht. Dämliche Plattenfirma! Dämlicher Manager!

Zurück im Zimmer höre ich, wie Meilo im Badezimmer herumhantiert. Ich lasse ihn werkeln und lege mich aufs Bett. Während Meilo sich im Bad verlustiert, checke ich meine Nachrichten und Emails. Beides eher langweilige Geschichten, weil eben nichts neues. Ich schreibe KP zurück, sende meiner Schwester, sie soll Mama ausrichten, dass ich morgen Nachmittag wieder zuhause bin, und wünsche Clem einen schönen Morgen, sowie Ingo, dem ich verspreche, ihm morgen Abend wieder sein Navi zu bringen. Mehr gibt es nicht zu erledigen, also wandert mein Handy wieder in der Versenkung meiner Hose.

"Hast du ihn gefunden?" Meilo betritt das Schlafzimmer. Nur mit einem Handtuch um seinen Hüften stolziert er um das Bett herum und stellt sich neben mich. Gleich fange ich an zu sabbern. "Erde an Nic", schmunzelt mein Schatz und stemmt die Hände in die Hüften.

"Ja, habe ich", antworte ich höchst abgelenkt. Das Handtuch sitzt aber auch tief ...

"Und? Was ist dabei herausgekommen?"

"Nicht viel", murmle ich und setze mich auf. Ganz sachte lüpfe ich den Rand des Handtuchs. "Sie müssen abwarten, bis sich ein Moment zum Reden ergibt." Mal sehen, was unter dem Frotteestoff verborgen ist ...

"Das ist schade. Ich wünsche den beiden wirklich, dass sie ... Sag mal, was soll denn das?" Ich spüre Meilos brennenden Blick auf meinem Hinterkopf.

"Nach was sieht es denn aus?", frage ich retour und löse das dunkelgraue Handtuch. Mit einem leisen Rascheln landet es auf dem Boden und gibt mir freie Sicht auf das, was es eben noch vor mir versteckt hat.

Meine Handflächen legen sich auf Meilos leicht hervortretende Hüftknochen. Langsam beuge ich mich nach vorn und vergrabe mein Gesicht in der linken Vertiefung daneben. Meilos Haut duftet nach Duschgel und nach einem Hauch seines ganz eigenen Geruchs. "Dafür haben wir keine Zeit Nic. So leid es mir tut", flüstert er und krault mich hinter dem Ohr. Fühlt sich aber gerade nicht so an, als wolle er mich aufhalten.

"Nur ein bisschen", wispere ich gegen seine Haut und wandere tiefer.

"Leider noch nicht mal ein bisschen, Nic. Das müssen wir auf nachher verschi... Ha!" Spitze Fingernägel drücken sich in meinen Nacken, denn ich habe Meilo einfach überrumpelt. Mit meinen Mund. Ihr versteht?
 

*
 

"Oh Nic! ... Verdammt!" Meilo zieht an meinem Hinterkopf und funkelt mich mit einer Mischung aus Zufriedenheit und Wut an. Ist er sauer auf mich? Ich komme gar nicht dazu, ihn das zu fragen, noch nicht mal zum Schlucken bleibt Zeit, da pressen sich plötzlich Meilos Lippen auf meine. Seine Zunge schiebt sich stürmisch in meinen Mund und plündert ihn. Als er sich wieder von mir löst, schaue ich perplex zu ihm auf und lecke mir über die Lippen. Was war das denn jetzt? "Du bist unmöglich", keucht er, bückt sich nach seinem Handtuch und läuft auf den Kleiderschrank zu. Als sei nichts gewesen, sucht er sich dort seine Kleidung heraus.

"Bist du wütend auf mich?" Ich muss es wissen!

"Was? ... Nein. Sollte ich?"

"Ich weiß nicht. Sag du es mir." Ich stehe auf und laufe zu ihm.

Seufzend wirf mir Meilo seine Kleidung entgegen. "Ich bin dank dir jetzt zwar spät dran, aber ich bin nicht sauer. Wie könnte ich auch?" Er grinst mich an und schnappt sich eine Shorts aus dem Schrank. "Sei das nächste Mal nur ein bisschen früher, damit wir beide es genießen können." Ach so ist das.

"Selbst wenn ich dich ein bisschen früher vernascht hätte, wäre es keine Garantie dafür gewesen, dass du dich danach nicht doch beeilen musst, weil du spät dran bist."

"Nicht?"

"Nein", raune ich ihm zu und begutachte Meilos runden Hintern in der engen Shorts. Habe ich schon erwähnt, dass ich durch das Ganze ziemlich erregt bin? "Sobald du leicht bekleidet vor mir herumtanzt, hält mich nichts mehr." Als Beweis für meine Worte, grapsche ich nach Meilos Hinterteil.

Lachend dreht sich Meilo um und legt seine Arme auf meine Schultern. "Es wäre wirklich schlimm, wenn es nicht so wäre", meint er und küsst mich. Als er sich wieder von mir lösen will, stutzt er allerdings kurz.

"Was?"

"Ich könnte schwören ...", flüstert er kryptisch und schiebt seine Nase an meinen Hals.

"Was könntest du schwören?" Ich bekomme eine Gänsehaut und in meinen Schoß setzt das erwartungsvolle Pochen ein, dass unausweichlich dazu führt, dass ich auf der Stelle über meinen Freund herfallen könnte. Ich darf leider nicht. So eine Scheiße! Ich muss mich beherrschen. Eine fast unmögliche Aufgabe für mich. Ich bin doch Meilosüchtig. Ich will meinen Stoff!

"Ich könnte schwören", antwortet er mir mit leiser, rauer Stimme "dass ich es riechen kann."

"Was riechen? Das ich noch nicht geduscht habe?" Ich nehme mir vor, das schnellstens nachzuholen.

"Das auch", gluckst Meilo, wofür er sich einen Klaps verdient. "Aber das meine ich nicht."

"Und was sonst?"

Wieder schiebt er seine Nase in meine Halsbeuge. Langsam werde ich wirklich scharf. "Ich schwöre, ich kann deine Hormone riechen." Äh, was?

"Die kann man nicht bewusst riechen", kläre ich ihn auf. "Das nimmt man nur unbewusst war."

"Ich kann sie aber deutlich riechen", ist er der festen Überzeugung, und saugt tief die Luft durch die Nase. "Du bist scharf auf mich."

"Um das zu wissen, musst du erst an mir schnüffeln?" Das kränkt mich nun aber.

"Quatsch", kichert er und lässt von meinem Hals ab. "Das du immer und überall scharf auf mich bist, weiß ich auch so."

"Ach ja?"

"Ja."

Wir grinsen uns dümmlich an, dann drücke ich ihm die Kleidung in die Hand. "Zieh dich besser an, bevor ich das Zimmer abschließe, den Schlüssel wegwerfe, und dich für den Rest unseres Lebens ans Bett fessle."

"Klingt verlockend", schmunzelt Meilo und zieht sich endlich was über. Wäre er noch ein paar Minuten länger nur in der Unterhose vor mir herumgehopst, hätte ich meine Drohung wahr gemacht. Ich schwöre!
 

***
 

"Was bläst du denn für einen Trübsal?" Henning schiebt sich in mein Sichtfeld und verdeckt mir damit die wundervolle Aussicht auf den See. Obwohl die Sicht auf Henning auch nicht die Schlechteste ist. Seine Lederhose sitzt aber auch eng ...

"Meilo ist wieder arbeiten", murmle ich und schlürfe an meinem Kaffee.

"Dein Liebster ist aber fleißig."

"Deiner aber auch", grinse ich. "Richte ihm aus, der Kuchen, der er mir gebracht hat, war richtig lecker."

Henning grinst schief. "Das mache ich gern, aber du solltest wissen, dass wir den Kuchen von einer Konditorei liefern lassen."

"Oh. Gut, dann sag ihm, es war sehr nett von ihm, dass er ihn mir extra raus gebracht hat.."

"Ich sag es ihm", lacht er.

"Und sonst? Schon einen Plan für nachher?"

"Nicht so wirklich." Henning wirkt mit einem mal leicht verloren. "Ich weiß noch nicht mal, ob es heute Abend klappt."

"Was? Wieso?"

"Meine Mutter fährt mit ihren Freundinnen in die Stadt und das kann spät werden."

"Oh nein!"

"Verschieben wir es." Henning zuckt mit den Schultern und lächelt schmal.

"Und jetzt geht es nicht? Es ist doch nicht viel los." Alle Gäste tummeln sich am See oder sind unterwegs. "Was macht deine Mutter?"

"Sie ist noch im Büro beschäftigt."

"Und dein Vater?"

"Der wollte die Reservierungen für nächsten Monat nochmal durchgehen, glaube ich."

"Und Heiko?"

"Er hat Pause." Na prima!

"Das ist doch gut! Trommle alle zusammen, dann könnt ihr reden."

"Das geht nicht", winkt Henning ab. "Ich muss den Stand öffnen." Er zeigt auf den kleinen fahrbaren Kühlwagen.

"Den übernehme ich solange", beschließe ich und stehe auf.

"Das geht doch nicht." Der gute, alte Henning ist ganz entsetzt.

"Stehen die Preise überall dran?"

"Ja, aber ..."

"Dann ist doch alles bestens."

"Niclas! Du musst nicht ..."

"Doch, ich muss und ich schaffe das. Ich habe Erfahrung im Kellnern und bedienen. Das bekomme ich hin. Geh du und hole Heiko, und dann ab mit euch zu deinen Eltern."

Der arme Henning sieht mich unsicher an. "Meinst du?"

"Meine ich. Ab mit dir." Ich winke mit meinen Händen.

"Okay. Gut." Na endlich! "Hier ist das Wechselgeld." Er drückt mir eine Geldbörse in die Hand. "Die Preise stehen auf einer Tafel, und der Flaschenöffner für die Glasflaschen hängt ..."

"Hängt an Band, das links am Wagen befestigt ist. Ich weiß." Als ob ich das nicht wüsste. "Nur nicht nervös werden. Ihr schafft das." Henning nickt abwesend, bedankt sich mit dünner Stimme bei mir und trabt davon. Jetzt heißt es Daumen drücken. "Dann mach ich mich mal ans Getränke verkaufen."

Kaum stehe ich hinter dem kleinen Verkaufstresen, rennt eine Horde Kinder auf mich zu. "Ich will ein Nusshörnchen!"

"Und ich ein Orangenwassereis!"

"Eine Cola!" Oh Gott! Was habe ich mir denn hier wieder eingebrockt?

"Sicher, dass du schon Cola trinken darfst?", frage ich den Knirps, der sich bei mir eine Koffeinbrause bestellen möchte.

"Ja!!!", schreit er und hüpft auf und ab. Als ob der noch zusätzlich Koffein zum herumhüpfen und schreien bräuchte. Zum Glück kommt die Mutter des Knirps angewetzt und übernimmt das Ganze. Leider nur eine Kräuterlimo für den plärrenden Jungen. Ob das besser ist, weiß ich jetzt auch nicht, aber wer bin ich, der Mutter zu widersprechen? Ich fertige den Kleinkinderansturm Profi-mäßig ab und habe ein paar Minütchen zum Durchatmen, als der nächste Schwung kommt.

Wie schon erwähnt, hängen nicht nur Hotelgäste an diesem See herum. Auch Jugendliche fläzen sich in der ungewöhnlich warmen Herbstsonne und bekriegen sich kreischend im Wasser. Müssten die nicht noch in der Schule sitzen? In ihrem Alter saß ich bis halb drei in der Lehranstalt und langweilte mich zu Tode. Eigentlich dachte ich immer, in Bayern sind die Schulen noch strenger, aber dem scheint nicht zu sein. Hier springen die Kids zur frühen Nachmittagsstunde im See herum. Alles Faulenzer! Und eben diese faulen Schüler kommen nun auf mich zu geschlichen. Alles Mädchen wohlgemerkt, und ich sehe schon an ihren dämlichen kichernden Gesichtern, dass sie nicht nur wegen der Getränke oder wegen des Eises zu mir rüber getänzelt kommen. Oh bitte lass diesen Kelch an mir vorüber gehen.

"Hallo", begrüßt mich eine von ihnen, die, die den Trupp der leicht bekleideten Bikinimädchen augenscheinlich anführt. Ich nicke ihnen zu und lächle freundlich. Immer höflich bleiben. "Wo ist denn der, der normal immer hier verkauft?" Der ist zusammen mit seinem schnuckeligen Freund bei seinen Eltern, um sich zu outen.

"Ich vertrete ihn kurz", antworte ich natürlich nur.

"Auch nicht schlecht", kichert eine der Anderen und klimpert mit den Wimpern. Wieso immer ich? Als ob Frauen riechen würden, dass ich schwul bin, es aber aus irgendeinem Grund nicht direkt merken, und mich deswegen immer anbaggern müssen.

"Was wollt ihr denn?", frage ich in die Runde, in der Hoffnung, sie trollen sich schnell wieder, wenn sie bestellt haben.

"Dich", säuselt die Rädelsführerin und lehnt sich an den Verkaufswagen. "Hast du eine Freundin?" Subtiler geht's nicht mehr, oder was?

"Nein", sage ich wahrheitsgemäß. "Ich habe einen Freund." Ebenso wie Henning. Aber das soll er ihnen mal schön selbst stecken. Oder auch nicht. Ganz wie er will.

Das dümmliche Lächeln und Wimpernklimpern verschwindet aus ihren Gesichtern. Dafür machen sie große Kulleraugen, bis die Rädelsführerin anfängt zu glühen. Ja, wirklich. Sie strahlt in zartem Rosa und beginnt zu grinsen. "Echt? Du bist schwul? So richtig?" Im Moment wäre ich viel lieber nicht existent, aber man kann nicht alles haben. Ich nicke wieder nur und verkneife mir einen dummen Spruch. "Wie krass! Ich habe noch nie einen Schwulen kennengelernt!" Du meine Güte! Mach ein Foto! Dann hast du länger was davon.

Ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich jetzt reagieren soll. Na ja, ich wüsste es schon, aber da ich 'arbeite', muss ich freundlich zu den Weibern sein. Daher bleibe ich ruhig stehen und warte ab. "Wie ist es denn so?", fragt eine, die bisher noch nicht gesprochen hat. Ich runzle die Stirn. "Na, schwul zu sein." Mir rattert die Kinnlade nach unten.

"Wie ist es denn, hetero zu sein?", schieße ich zurück. Das konnte ich mir einfach nicht verkneifen. Alles hat seine Grenzen.

"Ähm, normal eben." Normal?! Okay, jetzt reißt mir der Geduldsfaden!

"Ich kann euch eins mal sagen," grolle ich. "Bisher habe ich mich noch kein einziges Mal unnormal gefühlt. Für mich wäre es unnormal, mich mit einer Frau zu vergnügen." Betretene Gesichter. Ich atme tief ein. Warum rege ich mich so darüber auf? Das sind kleine Mädchen. Zwar älter als meine Schwester, aber immer noch klein und unerfahren. Sie wissen es nicht besser. "Wollt ihr was zu Trinken, oder nicht?", frage ich sie mit einem bemüht neutralen Tonfall und bringe sogar ein Lächeln zustande.
 

Am Ende waren die Mädels doch ganz nett und sind noch ein paar Mal an den Stand gekommen, um sich ein Eis oder sonstiges zu kaufen. Trotzdem bin ich froh und erleichtert, als Henning wieder auftaucht. "Wie hältst du das nur aus?", will ich von ihm wissen. "Die Mädels und Kleinkinder halten einen ganz schön auf Trab."

"Ich weiß", grinst er und nimmt meinen Platz ein. Er hat gute Laune. Das sieht man auf den ersten Blick.

Ich lehne mich gegen den Verkaufsstand und grinse ebenfalls. "Das Gespräch ist gut verlaufen?"

Henning grinst noch breiter und nickt. "Mehr als gut."

"Das freut mich für euch!", rufe ich und ziehe Henning in meine Arme. "Dann habt ihr den Segen deiner Eltern?"

"Mehr oder weniger."

Ich runzle die Stirn. "Was heißt das?"

"Heiko muss jetzt voll mit einsteigen, meinte meine Mutter. Als Schwiegersohn gehöre sich das so."

Ich fange an zu lachen. "Das ist nicht ihr Ernst!"

"Ich fürchte doch. Aber Heiko tut dies gern."

"Meinen Glückwunsch", sage ich zu ihm. "Damit hat eurer Familienbetrieb Zuwachs bekommen."

"Das fürchte ich auch." Ich freue mich für ihn.

"Du hast ein Glück. Heiko und du könnt ständig zusammen sein." Mit dem Mann, den man liebt, zusammenarbeiten zu können, muss wirklich schön sein.

"Wenn viel Betrieb ist, sehen wir uns auch nicht oft. Jeder hat seine Aufgaben, und Heikos besteht eben darin, immer in der Küche stehen zu müssen, wobei ich draußen alles regle."

"Aber ihr könnt abends zusammen sein. Ihr könnt ins selbe Bett schlüpfen, schlaft zusammen ein und steht zusammen auf. Das ist etwas, das Meilo und ich nicht immer können." Noch nicht.

"Noch nicht." Hä? Henning liest anscheinend Gedanken. "Meilo hat doch bald einen neuen Job. Hattet ihr das nicht erzählt gestern Abend?"

"Schon, aber bis dahin dauert es noch."

"Glaube mir", lacht Henning "es ist viel nervenaufreibender, seinen Angebeteten jahrelang vor der Nase zu haben, sich aber nicht zu trauen, ihm näher zu kommen."

Lächelnd stoße ich mich vom Verkaufswagen ab. "Das hätte alles nicht sein brauchen", erinnere ich ihn. "Ihr könntet schon lange wie ein altes Ehepaar draußen auf der Veranda hocken und Händchen halten."

"Das können wir alles nachholen", meint Henning und zwinkert mir zu, ehe er einen antretenden Gast begrüßt.

"Dann viel Spaß beim Nachholen. Ich hocke mich jetzt alleine auf die Veranda. Auf meinen Ehegatten warten."

"Tu das", ruft er mir nach. Und ich, ich tapse auf das Hotel zu und besetze meinen Stammplatz, der zwar nicht auf einer Veranda liegt, sich aber trotzdem dazu eignet, auf meinen Liebsten zu warten. Auch wenn es noch so lange dauert.
 

***
 

"Das war wirklich eine gute Idee."

"Finde ich auch", stimmt Meilo mir zu. "Und es war wirklich lecker." Und wie! Heiko ist wirklich ein hervorragender Koch.

"Irgendwie mussten wir uns doch bei euch bedanken, dass ihr uns so sehr geholfen habt", meint Heiko Henning nickt und legt seinen Arm um ihn. "Dank euch sind wir zusammen und das sogar ganz offiziell. Nochmal danke dafür."

"Bedankt euch doch nicht ständig. Ihr hättet das auch alleine hinbekommen." Da bin ich mir absolut sicher.

"Vielleicht. Nur hätte das sicher noch ein paar Jahre gedauert", lacht Heiko.

"Jahre?!", rufe ich entsetzt. "Das hättet ihr noch jahrelang ausgehalten?" Beide zucken mit den Schultern. "Ihr seit mir welche." Ich schüttle grinsend den Kopf und nehme das Weinglas zur Hand. "Auf euch beiden Blindgänger, die, Gott sei Dank, nicht mehr jahrelang umeinander herumschleichen müssen, wie zwei notgeile Teenager."

"Nic!" Meilo schenkt mir einen strengen Blick. "Konntest du das nicht anders ausdrücken?"

"Was denn?" So empfindlich heute, mein Schatz?

"Er hat doch recht", pflichtet Henning mit bei und stößt mit mir an. "Wir waren zwei notgeile Teenager-Blindfische."

"Einsicht ist der erste Weg zur Besserung", kichere ich und stoße ebenfalls mit Heiko, und zu guter Letzt, mit Meilo an. Er bekommt jedoch noch ein Küssen obendrauf.

"Und auf eine hoffentlich gute Freundschaft", sagt Henning. "Ihr müsst uns unbedingt wieder besuchen. Aber das nächste Mal nicht als Gäste. Ihr bekommt dann unsere Prominentensuite."

"Wirklich?" Wie geil ist das denn? "Wie sieht die denn aus?"

"Das ist eine Schlafcouch in seiner Wohnung", lacht Heiko. Öhm ...

"Das stimmt doch gar nicht." Henning wirft seinem Freund einen bösen Blick zu. "Ich habe ein richtiges Gästezimmer."

"Ja. Mit einer ausziehbaren Schlafcouch."

"Die ist aber bequem und war nicht billig."

"Was du alles als bequem bezeichnest ..."

Meilo und ich fangen gleichzeitig an zu lachen. "Wie ein altes Ehepaar", findet mein Schatz. "Man merkt, dass ihr euch schon länger kennt."

"Aber erst seit kurzem liebt", füge ich hinzu. "Wir schlafen gerne auf der Klappcouch. Aber falls zufällig eins der Zimmer frei ist, nehmen wir lieber das."

"Sicher ist sicher", kichert Heiko. "Zur Not mache ich euch eins frei."

"Pff! Meine Schlafcouch ist bequem." Jetzt ist Henning eingeschnappt. Wie gut, dass Heiko ihn schnell wieder besänftigt. Aus dem Besänftigen wird allerdings schnell eine wilde Fummelei.

"Ich glaube, wir gehen mal ins Bett. Nicht, dass ihr zwei noch vor unseren Augen loslegt." Das hatten wir ja schon ...

"Oh." Henning räuspert sich und lächelt verlegen. "Ihr müsst früh raus, richtig?"

"Richtig", nicke ich.

"Leider. Ich würde noch gern länger mit euch zusammensitzen", seufzt mein Meilolein. "Aber das wiederholen wir irgendwann."

"Auf jeden Fall!", meint Heiko. "Kommt aber mal im Sommer. Hinten im Wäldchen haben wir einen Grillplatz. Den nutzen wir nur privat."

"Hört sich gut an", finde ich. "Wir kommen mit Sicherheit." Ich nehme es mir zumindest fest vor. Nächstes Jahr im Sommer. Wenn es nur schon soweit wäre!

Wir umarmen uns alle nacheinander, bedanken uns für das leckere Essen, dass die beiden nur für uns gezaubert haben, und verschwinden dann in unserem Zimmer. "Wir müssen unbedingt wieder hier her zurückkommen", sagt Meilo, der sich aus den Klamotten pellt. "Ich vermisse die zwei jetzt schon."

"Ich auch. Ich werde sie auf jeden Fall öfter mal anrufen. Wir müssen ja auf dem Laufenden bleiben." Ich wackle mit den Augenbrauen und spiele auf ein nicht ganz ernst gemeintes Gespräch an, das vorhin am Tisch gefallen ist.

"Du nun wieder", lacht Meilo. "Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass die beiden das Hotel speziell für Homosexuelle umwandeln."

"Warum denn nicht?", lache ich. "Das ist eine Marktlücke. Und am See könnte man wunderbar Nacktbaden."

Meilo schüttelt den Kopf und legt mir seine Handfläche auf die Stirn. "Fieber hast du nicht."

"Sehr witzig. Das war doch nur ein Scherz." Über das Thema Schwulenhotel haben wir doch nur aus Spaß geredet. "Mir reicht es, wenn ein ganz bestimmter Schwuler bei mir im Hotel ist."

"So? Welcher denn?"

"Clem", antworte ich wie aus der Pistole geschossen. Meilo verzieht den Mund und patscht mir erneut auf die Stirn. "Du verstehst heute keinen Spaß, oder?"

"Doch, aber du bist mir heute einfach zu spaßig." Wie kann man denn zu spaßig sein? "Kommst du? Ich will das Licht ausmachen. Bin total müde."

"Jawohl, Meister", antworte ich gestelzt, schlüpfe noch schnell aus meiner Hose und geselle mich an Meilos Seite.

Dicht an ihn gekuschelt, fallen mir bereits nach wenigen Minuten die Augen zu. Leider, denn ich wünsche mir so sehr, dass der nächste Morgen noch ganz lange fern bleibt.

Das dem nicht so ist, muss ich nicht extra noch erwähnen, oder?
 

Der grauenhafte Morgen ist viel zu schnell da und der Wecker klingelt uns unbarmherzig aus den warmen Federn. Ich will noch nicht aufstehen, und ich will erst recht nicht, dass Meilo und ich uns trennen müssen. Deshalb umklammere ich ihn wie ein Ertrinkender an einer Hochseeboje, und versuche ihn am Aufstehen zu hindern. "Sweetheart? Es bringt nichts, mich festzuhalten."

"Ich kann es aber wenigstes mal versuchen", murmle ich gegen seinen Hals. Er lacht leise und schlingt seine Arme um mich. Fest knuddelt er mich an sich, dann werde ich weggeschoben. Heul!

"Duschen, anziehen, frühstücken", sagt er, als er vor dem Bett steht und mir die Hand hinhält.

"Ins Bett legen, klappe halten, nie wieder aufstehen", ist mein Gegenangebot.

"Nic. Los jetzt. Ich will doch selbst nicht, aber es muss nun mal sein." Oh wie ich seine Plattenfirma in diesem Moment hasse. Mehr noch, als sowieso schon.

Ich gebe klein bei, weil es sowieso nichts bringt, mich dagegen zu wehren. Dann doch lieber die restliche Zeit mit Meilo verbringen, und duschen hört sich da doch richtig verlockend an.

Meilo geht vorneweg und stellt die Temperatur ein, während ich Handtücher bereitlege. Mein Liebling steht schon drunter, als ich mich zu ihm geselle und hinter uns die Kabinentür schließe. "Liegt das nur an mir, oder wird die Dusche mit jedem Mal kleiner?", frage ich ihn und versuche mich so hinzustellen, dass ich unter keinen Umständen die kalte Duschwand berühre.

"Vielleicht wächst du ja."

"Daran wird es liegen", lache ich. "Teile von mir wachsen eben hin und wieder." Schnurrend lehne ich mich gegen Meilos Brust. "Soll ich dir das mal zeigen?"

"Liebend gern", raunt er mir zu und packt meinen Hintern.

Wie zwei Magneten prallen unsere Lippen aufeinander. Seufzend überkreuze ich meine Hände hinter Meilos Nacken und reibe mich an seiner verführerischen Nacktheit. Blut rauscht pulsierend durch meinen Körper. Ich verdränge den Gedanken, dass das hier vorerst das letzte Mal sein wird, wo wir uns so nahe kommen werden.
 

*
 

"Oh Nic", japst er und schwankt kurz. "Ich will hier ... nicht weg." Wie sehr ich deinen Wunsch doch verstehen kann. Ob sie uns hier finden würden? Wir könnten uns einen geheimen Unterschlupf im Schuppen bauen. Überwachungskameras, einen stummen Alarm, sobald ein Auto auf den Parkplatz fährt. Ich muss grinsen. Was für eine dumme Idee! Das müssen die Hormone sein.

"Noch sind wir hier", sage ich leise und löse unsere Verbindung, um mich mit butterweichen Beinen in seinen Armen herumzudrehen. Wir liegen uns schnaufend in den Armen und halten uns fest. Warmes, dampfendes Wasser prasselt auf uns nieder. Es könnte doch so schön sein ...
 

Nach der Dusche stehen wir nun im Hotelzimmer und sammeln unsere Habseligkeiten ein. Keiner sagt was. Ungewöhnlich. Meist quatschen wir ohne Unterlass miteinander, fragen nach jenem oder diesen, wo sind meine Socken? Wo war nochmal mein linker Schuh? Doch diesmal nichts. Ich bin in Gedanken, Meilo anscheinend ebenfalls. Traurigkeit legt sich über uns. Das halte ich nicht aus! "KP gibt mir bestimmt nochmal für zwei, drei Tage frei. Dann komme ich zu dir. Egal, wo du gerade bist." Das meine ich ernst.

Meilo schaut auf und lächelt. "Das wäre toll."

Seufzend lasse ich das Shirt fallen, das ich soeben in meine Tasche legen wollte, und gehe auf ihn zu. In inniger Umarmung schauen wir uns in die Augen. "Nie wieder werde ich vier Wochen auf dich warten. Lieber kündige ich und laufe den ganzen Weg bis zu dir. Das kannst du mir glauben!"

Meilo schmunzelt leise. "Du bist süß."

"Wehe, dass verrätst du jemanden. Das schädigt meinen Ruf."

"Du hast einen Ruf?"

"Was denkst du denn? Es ist nicht leicht, der coolste Typ in unserer Straße zu sein." Meilos rechte Augenbraue zuckt nach oben. "Du glaubst mir nicht?"

"Ohne meinen Anwalt sage ich nichts", kichert er. Boha!

"Du Schuft!" Aus Rache knuffe ich ihn in die Seite, doch Meilo weiß das abzuwehren, indem er mich in eine ausgedehnte Knutscherei verwickelt. Kluger Schachzug, Herr Haug. Er weiß nur zu gut, dass ich dem nicht widerstehen kann. Als sich unsere Lippen wieder trennen, ist mein Kopf wie leergefegt. Wieso habe ich ihn nochmal geknufft?

"Wir haben kaum noch Zeit", meint Meilo und seufzt. "Lass uns schnell packen. Dann können wir noch ein bisschen unten am See sitzen."

"In Ordnung", murmle ich traurig und mache mich wieder ans Packen.

Alles erledigt, checken wir aus und laden die Tasche in mein Auto. Nachher fahre ich Meilo noch in sein Hotel. Dort heißt es dann Abschied nehmen. Doch zuvor gehen wir nochmal zurück und setzen uns an unseren Tisch. "Das hier werde ich wirklich vermissen."

"Nicht nur du", nicke ich und schiebe meine Hand in seine. "Diese riesigen Hotels, in denen du immer absteigst, sind so furchtbar unpersönlich. Hier gibt es zwar keinen großen Luxus, aber man fühlt sich wohl."

"Und man lernt nette Pagen und Köche kennen", ergänzt Meilo.

"Das will ich aber auch hoffen!", poltert eine Stimme hinter uns. Heiko.

Neben ihm steht Henning, der die Hände in die Hüfte gestemmt hat, und uns leicht verstimmt anschaut. "Ich dachte schon, ihr wärt einfach abgehauen, ohne euch von uns zu verabschieden."

"Das hätten wir uns doch niemals gewagt", lacht Meilo und steht auf. Ich tue es ihm gleich. "Wir haben nur schon mal das Zimmer für die nächsten Gäste frei gemacht."

"Dann sei euch verziehen", erbarmt sich Henning und umarmt meinen Schatz. "Das ihr euch ja meldet!"

"Tun wir", verspricht ihm Meilo, dann bin ich an der Reihe.

"Und pass ja auf, dass dein Liebster nicht zu viel arbeitet, und auch genügend Zeit für dich hat."

"Daran erinnere ich ihn schon", gluckse ich. "Ihr macht aber das Selbe, ja? Nicht nur arbeiten, kümmert euch auch mal um euch."

"Darüber werde wiederum ich Henning erinnern", sagt Heiko, der mich als nächstes an sich drückt. Ich werde die zwei echt vermissen. In den paar Tagen sind sie mir dermaßen ans Herz gewachsen, dass sie schon wahrhaftig zu Freunden für mich geworden sind.
 

***
 

Wehmütig steige ich aus meinem Auto. Ich bin KO! KO und wehmütig. Ein bescheuerter Gefühlsmischmasch, sage ich euch. Am liebsten würde ich wieder umdrehen, Meilo einsammeln und zu dem kleinen Hotel zurückfahren. Doch das ist unmöglich.

Ich krame die Tüten mit den neu gekauften Anzügen vom Rücksitz und latsche die Einfahrt entlang, bis ich vor unserer Haustür stehe. Kennt ihr diese komische Stimmung in einem, wenn man nach dem Urlaub wieder Zuhause ankommt? Es ist genauso mies, wie die Wehmut und die Traurigkeit in mir. Ich will nicht ins Haus rein, andererseits schon. Wahrscheinlich bin ich nur Müde, und ich fantasiere, aber ich kann eine leise Stimme hören, die mir zuflüstert, ich soll wieder umkehren. Verführerisch ... "Niclas?" Ich wurde entdeckt. "Du bist ja wieder da!"

"Habe ich doch gesagt, Mama." Sie steht oben am Treppensatz und strahlt mich an. Vergessen sind die merkwürdigen Gefühle. Trotz allem ist es schön, wieder hier zu sein.

"Du hast eingekauft?" War ja klar, dass sie die Tüten sofort entdeckt.

"Ja ... ein wenig." Sie darf auf keinen Fall die Perücke sehen! Ich stiefle hoch und drängle mich an ihr vorbei. "Muss mal dringend", sage ich und flüchte in die Wohnung.

"Hast du Hunger? Es gibt bald Abendessen."

"Nein, danke. Ich habe noch was vor."

"Oh. ... Na gut." Damit hat sie nicht gerechnet. "Du willst doch nicht schon ausziehen?"

Seufzend lege ich die Tüten in meinem Zimmer ab und schließe die Tür von außen. "Erstmal nicht."

"Erstmal?" Erzähle ich es ihr eben. Sie erfährt es ja sowieso.

"Das WG-Zimmer wurde an einen anderen vergeben."

Ihre Augen fangen Feuer und sie schaut mich hochnäsig an. Wie nett! "Siehst du? Das war ein Zeichen. Bleib solange bei deiner Mama, bis du mit Meilo zusammenziehen kannst." Uwah! Mich überläuft eine eiskalte Gänsehaut.

"Das wird nichts", nehme ich ihr den Wind aus den Segeln. "Ich suche ab sofort eine Wohnung für Meilo und mich. Und wenn ich eine gefunden habe, und sie Meilo auch gefällt, ziehe ich dort schon mal ein."

"Hm ..." Sie denkt kurz nach. "Das ist doch ein guter Kompromiss." Bitte?!

"Findest du?"

"Ja." Sie nickt. Und ich dachte, sie würde deswegen eingeschnappt sein. "Ich habe doch gesagt, es wäre gescheiter, wenn ihr gleich zusammenzieht. ... Wolltest du nicht Pipi?"

"Mama!" Pipi?! Bin ich fünf Jahre alt, oder was?! Sie lacht schallend und lässt mich einfach stehen. "Gott! Mütter!"

"Das habe ich gehört."

"Gut!"
 

Erleichtert und ein wenig ausgeruht, mache ich mich auf den Weg zu Ingo und Ed. Ich habe ja noch ihr Navi. Aber nicht nur dieser Grund lässt mich sie noch heute Abend aufsuchen. "Unser verschollener Sohn!", kreischt Ingo lachend, als ich die Werkstatt betrete. Er steht neben Ed, der an einem Vergaser herumschraubt.

"Ich habe wieder nach Hause gefunden. Dankt dem hier." Ich halte das Navi hoch. "Danke nochmal fürs ausleihen."

"Für die Liebe tut man das doch gern." Noch ein Amor. Guck an. "Wie war dein Kurzurlaub?"

"Schön", grinse ich.

"Ah ja. Hat dir der Hintern bei der Heimfahrt sehr wehgetan?"

"Ingo!" Ed ist aufgewacht.

"Nein hat er nicht", antworte ich und tätschle Eds Rücken. Ruhig Brauner. "Alles reine Übungssache."

"Mann! Ihr seid schlimm." Ed lässt sein Werkzeug fallen. "Immer nur das eine im Kopf."

"Du nicht?", will ich von ihm wissen.

"Es gibt wichtigeres."

"Lügner!", lacht Ingo auf. "Wer hat mich den heute morgen in die Werkstatt zitiert, weil er ..."

"Ingo! Sei ruhig!"

"Scheiße Jungs. Ich hab euch vermisst", gröle ich los. Meine beiden Chaoten. Ed spielt Tomate und beugt sich wieder über den Vergaser und Ingo grinst weiterhin so dreckig, dass er mir gar nicht erst erzählen muss, was er mit Ed zusammen heute morgen in der Werkstatt veranstaltet hat. Ich fasse hier mal lieber nichts an ...

"Ingo? Ich wollte dich noch was fragen, bevor ich euch wieder alleine 'schrauben' lasse." Ich schiele zu Ed, doch der rührt sich nicht.

"Was denn?", fragt Ingo neugierig.

"Könntest du mich morgen begleiten?"

"Wohin?"

"Das wüsste ich gern von dir." Er runzelt die Stirn. Dann werde ich ihn mal in meinen Plan einweihen.
 

******
 

Könnt ihr euch schon denken, was das für ein Plan ist? Nein? Dann müsst ihr warten, bis Niclas das Geheimnis lüftet. ^^

Und bis dahin gehen wir nochmal alle aufs Klo. Pipi machen XDDDDDD

Love bite 30 - Überraschung!

Halli hallo.

Etwas spät, aber ich habe es noch hinbekommen, den heutigen Tag, mit dem passenden Kapitel zu würdigen. Niclas' Geburtstag!!!!! ^^

Ich hoffe, ihr habt viel Spaß an seiner Feier. Ich halte mich, schwer beschäftigt, weiterhin zurück.

Meiner Molly geht es immer noch nicht so berauschend. Ehrlich gesagt geht es ihr so schlecht, dass ich, falls sich ihr Zustand morgen nicht bessert und das Antibiotikum nicht endlich anschlägt, am Montag gleich in die Praxis fahre und sie einschlafen lasse ;____; Vielleicht fahre ich auch morgen noch zum Notdienst. Wird sich zeigen. Mal schauen wie es meiner Kleinen morgen geht. Könnte ja sein, dass das Antibiotikum doch noch Wirkung zeigt. Dämliches Mistzeug. Ich mags ja eigentlich nicht, aber ohne geht’s eben nicht immer. Und es hat ihr ja zu Anfang richtig gut geholfen.

Och Mann. Mein armes Kätzchen …
 

Ich will euch jetzt aber nicht weiter die Ohren volljammern. Ihr wollt sicher gleich anfangen zu lesen und ich lege mich noch ein bisschen zur Molly. Ich hasse den Gedanken, aber der Kapitelname des vorigen Kapitels könnte gerade auch über meinem Kopf schweben.

Sowas dämliches! Warum wachsen diese kleinen Fellkneule einem auch so sehr ans Herz, hm?
 

P.S.: Wieder einmal vielen lieben Dank für all eure Reviews. Ich versuch so bald wie möglich euch wieder darauf zu antworten. Der Herbst ist immer so stressig bei mir, dass ist schon teilweise echt ärgerlich. Am meisten ärgert es mich, dass ich nicht zum schreiben komme. *grrrr*

Aber es kommen auch wieder ruhigere Zeiten. ;-)
 

Eure Fara
 


 

Love bite 30 - Überraschung!
 

"Nicole! Weg mit dem Kram jetzt!"

"Ach Mama!" Nicole seufzt genervt.

"Hilf mal lieber, anstatt die ganze Zeit über Zeitung zu lesen!" Ja Mama! Gib's ihr! Meine Schwester glotzt jetzt erst so richtig sauer aus der Wäsche, steht aber schlussendlich vom Küchentisch auf und klappt die Zeitschrift zu. "Du könntest mir mal die Eier aus dem Vorratsschrank unten holen und dann die große Waage heraussuchen." Wieder ein lautes, äußerst genervtes Seufzen seitens meiner Schwester. "Los jetzt!" Mamas Ton duldet keinen Widerspruch.

"Ja, ja."

"Nix ja, ja! Gleich setzt es was, Fräulein!" Sie droht ihr mit dem Holzlöffel, Nicole gibt einen grantigen Laut von sich und verlässt geschlagen die Küche.

Meine Oma, die heute morgen extra für meinen Ehrentag aus Bonn angereist ist, schaut ihr skeptisch hinterher. "Sie ist in einem schwierigen Alter, nicht?"

"Oh ja!", seufzen Mama und ich gleichzeitig, was meine Oma zum Lachen bringt.

"Manchmal glaube ich, das Kind will nie erwachsen werden." Ich könnte meiner Mutter jetzt recht geben, aber es fällt mir schwer, denn trotz allem kann ich Nicole verstehen. Besonders heute.

"Sei nachsichtig mit ihr. Ich würde jetzt auch viel lieber Zeitung lesen", sage ich schmunzelnd. Besonders, weil mein Schatz darin abgebildet ist, und mich die Sehnsucht nach ihm quält.

"Jetzt fang du nicht auch noch an! Ich werde ganz bestimmt nicht alles alleine für deinen Geburtstag herrichten."

"Was heißt denn hier alleine? Ich bin doch auch noch da!", empört sich meine Oma.

Ich mache es ihr nach und stemme ebenfalls meine Hände in die Hüfte. "Genau! Außerdem bin ich auch hier und will dir helfen."

Mama legt den Kopf schief, mustert uns und grinst dann. "Fein. Dann schlag du mal bitte die Sahne. Zwei Becher." Sie zeigt auf mich. "Und du Mama, du kannst die Hälften der Nüsse für die Garnierung sortieren."

Einträchtig nicken wir und gehen an die Arbeit. Sahne schlagen kann ich. Das bekomme ich hin. Ich leere die beiden Sahnebecher in eine Schüssel, Zucker dazu und noch zwei Päckchen Sahnesteif. Jetzt brauche ich nur noch den Handrührer. Während ich im Schrank danach suche, stellt sich meine Oma neben mich und sucht alle unversehrten Walnusshälften aus der Packung. Sie grinst mich an. Ich grinse zurück. "Erzähl schon", fordert sie mich auf. Ich weiß genau, was ich ihr erzählen soll.

Die Sahne ist vergessen. Ich lehne mich gegen die Küchenzeile und fummle die Rührstäbe in das Handrührgerät. "Er heißt Meilo", beginne ich ihr von meinem Liebling zu erzählen.

"Das weiß ich doch schon! Erzähl mir was über ihn." Typisch Oma. Immer so neugierig. Darin ist sie noch schlimmer, als meine Mutter.

"Da gibt es nicht viel zu erzählen." Ich zucke mit den Schultern. "Er ist wundervoll und ich liebe ihn." Ja, so einfach ist das.

Oma blickt mich grimmig an und verputzt eine der Walnusshälften. Ey! Hier wird nicht genascht! Ich darf das schließlich auch nicht. Aber Omas haben da anscheinend so etwas wie einen Freifahrtschein fürs Naschen, denn Mama sagt nichts. "Dir muss man immer alles aus der Nase ziehen, oder?", fragt Oma mich und schnappt sich gleich noch eine Walnuss. Diesmal eine Zerbrochene, die nicht für die Garnierung herhalten muss. Brav.

"Ich weiß nicht, was du meinst." Unschuldig stöpsle ich den Stecker in die Steckdose.

"Wie habt ihr euch kennengelernt?"

"Auf einem Parkplatz", antworte ich wahrheitsgemäß, muss dann jedoch anfangen zu lachen, als ich Omas entsetztes Gesicht sehe. "Nicht auf diese Weise", kichere ich. "Was denkst du denn von mir?" Aber vor allem würde mich mal interessieren, woher sie weiß, was an manchen Parkplätzen des nachts so alles abgeht. Oder lieber doch nicht. Ich muss auch nicht alles wissen.

"Und wie war es dann?"

"Er hatte eine Panne und ich habe ihn abgeschleppt."

"Ah, du warst sein Retter."

"So ähnlich", nicke ich. Dabei hat er eher mich gerettet, wenn man es im Nachhinein betrachtet.

"Und so seid ihr euch näher gekommen?"

"Ja. Er hat hier übernachtet, weil das Ersatzteil erst noch geliefert werden musste, und dann ist es passiert."

Oma lächelt mich an. "Das freut mich so für dich. Nach der Pleite mit Kilian hat du das auch verdient." Wem sagt sie das? "Kommt er heute auch?" Falsches Frage Oma.

"Leider nicht. Er muss arbeiten."

"Er hat sich nicht freigenommen?" Als hätte ich Schuld daran, dass Meilo arbeiten muss, guckt sie mich empört an.

"Meilo hat einen anstrengenden Job. Er fährt im ganzen Land herum", erklärt meine Mutter ihr, sieht mich dabei allerdings irgendwie merkwürdig an. "Wo bleibt meine Sahne?" Oh. Die habe ich jetzt wirklich beinahe vergessen.

Oma lässt das Thema Meilo vorerst brachliegen. Sie kann auch gar nicht anders, denn der Handrührer ist verflucht laut. Doch auch nach meiner Schlagsahnenaktion fragt sie nicht weiter nach. Zu sehr ist sie damit beschäftigt, mit tief gesetzter Lesebrille in einem von Mamas Rezeptbüchern zu lesen. Ihre Lieblingsbeschäftigung.

So bleibt es ziemlich ruhig in der Küche, bis auf das wütende Aufstampfen meiner kleinen Schwester mal abgesehen, als sie mit der Waage und einem Päckchen Eiern zurück zu uns zurückfindet. Dennoch spüre ich Mamas Blicke immer noch auf mir kleben. Irgendwas liegt ihr auf dem Herzen. "Dafür, dass Meilo heute nicht herkommen kann, bist du aber ganz schön fröhlich." Und da haben wir es.

Ich zucke mit den Schultern. "Das war abzusehen. Außerdem hat er gesagt, dass ich mir für heute Abend nichts vornehmen soll, weil er ausgiebig mit mir telefonieren will." Ich grinse dreckig und hoffe, dass Oma das jetzt nicht mitbekommen hat. Die ist zum Glück noch ganz ins Rezeptebuch vertieft.

"Wäh!", zischt Nicole. "Das will doch keiner wissen!"

"Ruhe auf den billigen Plätzen!" Als ob die wüsste, von was ich rede.

"Wieso kann dein Lover eigentlich nicht kommen? Du kannst ihm ja nicht sehr wichtig sein, wenn er sich nicht für deinen Geburtstag freinehmen kann." Kann es sein, dass wir ständig vom selben Thema reden? Nicole büßt immer mehr von ihren zuvor gesammelten Sympathiepunkten ein, wenn sie so weiter macht.

"Arbeit ist Arbeit, Nicole. Das ist bei Papa doch genauso", erklärt ihr meine Mutter.

"Er ist aber immer zu unseren Geburtstagen zuhause", meckert sie.

"Ja, abends nach der Arbeit. Meilo kann aber nicht schnell zu uns fahren. Er arbeitet bis spät Nachts und das auch noch sehr weit weg." Leider.

"Was arbeitet er denn jetzt eigentlich?", fragt Nicole. Mir bleibt kurz die Luft weg. Da haben wir den Salat.

"Äh Nicole? Geh mal schnell in den Keller Getränke hochholen ja?" Meine Mutter rettet mich. Sonderbar. Sehr, sehr sonderbar ...

"Aber die packe ich doch gar nicht alleine!"

"Nicole! Geh!" Uh. Eisiger Wind zieht von der Mutterfront auf.

"Ich helfe dir, Liebling", rettet Oma die Situation und schlägt das Buch zu. "Dann unterhalten wir uns mal von Frau zu Frau. Wie wäre es?" Äh ... was will meine Oma?

Nicole sieht mit dem Vorschlag auch nicht besonders glücklich aus, fügt sich aber und lässt sich von Oma mitziehen. Frauengespräche. Oma will sie doch nur ausfragen, ob sie einen Freund hat. Da kann sie sich aber auf was gefasst machen, denn ich wette, Nicole redet mit ihr nur über Keith. Wie gut, dass Oma nicht weiß, dass Nicole und ich von dem selben Mann schwärmen. Schluck. Das klingt sonderbar.
 

Nachdem Nicole mit meiner Oma in den Keller verschwunden ist, schaue ich meine Mutter fragend an. "Du hilfst mir, obwohl du mir schon ewig predigst, dass ich Nicole das von Meilo sagen soll? Womit habe ich denn das verdient?"

"Du hast doch gesagt, du willst es ihr gemeinsam mit Meilo sagen." Habe ich das? "Die Idee ist ganz gut, dann solltest du das auch so machen."

"Ah ja", murmle ich. "Dann Danke."

"Bitte, Schatz." Sehr merkwürdig. "Und außerdem", lacht sie "willst du ihr das bestimmt nicht vor Oma sagen."

"Auch wieder wahr", grinse ich. "Wohin mit der Sahne?" Ich deute auf die Schüssel.

"Stell sie in den Kühlschrank." Ich tue wie angeordert und stelle mich wieder neben meine Mutter. Jetzt darf ich endlich das tun, was beim Backen das Allerbeste ist: Das Rührbesteck ablecken. Hmmm ... Backen macht Spaß.

"Und was jetzt?", will ich wissen, als alles blitzblank geleckt ist.

"Hn .. Das war es erstmal. Ruh dich doch ein bisschen aus. Wird bestimmt ein langer Abend heute." Äh ... Was'n nu los? Ausruhen?!

"Ist alles in Ordnung mit dir?", will ich wissen.

"Ja. Warum fragst du?"

"Ich soll mich ausruhen? An meinem Geburtstag."

"Warum denn nicht?"

"Sonst muss ich doch immer helfen." Das müssen wir alle. Jeder packt mit an. Selbst das Geburtstagskind.

"Es gibt eben nichts mehr zu tun. Das Essen brauche ich nachher nur in den Ofen zu schieben und die Torte mache ich doch immer selbst."

"Na dann ..." sage ich achselzuckend. "Ruf mich, wenn was ist."

"Mach ich Schatz." Sehr, sehr merkwürdig.

Immer noch verwirrt über meine Mutter, trabe ich aus der Küche. Dabei komme ich jedoch nicht umhin, mir die Zeitschrift genauer anzuschauen, in der Nicole geblättert hat. Natürlich ein Keith Kandyce Fanzine. Das Cover ziert ein singender Keith, der breitbeinig und voller Power auf der Bühne steht, und mit zusammengekniffenen Augen in das Micro schreit, das er über seinem Kopf erhoben hält. Und ich wie feststellen muss, ist seine Hose ganz schön eng ... Ich überlege nicht lange und schnappe mir die Zeitschrift. Nicole wird sie nicht vermissen. Die hat Unmengen davon. Außerdem hat mich die Titelstory ziemlich neugierig auf dieses kleine Schriftstück gemacht: Wie gut kennst du dein Idol?! Das möchte ich doch auch gern mal wissen.

Mit der zusammengerollten Zeitschrift in der Hand, schleiche ich in mein Zimmer. Unentdeckt von meiner Schwester komme ich dort an und haue mich aufs Bett, doch bevor ich anfange es zu lesen, nehme ich mein Handy zur Hand und suche das erste Geburtstagsgeschenk raus, das ich heute morgen bekommen habe. Meilo hat es mir zugeschickt. Um Punkt zwölf Uhr heute Nacht.

Er überraschte mich mit einer Mp3-Datei der besonderen Art. Einem Geburtstagsständchen. Einem sehr, sehr privaten obendrein, das niemand anderer zu hören bekommt. Ein Song nur für mich, und ich muss sagen, dass ich mich wirklich sehr darüber freue. Mehr noch: Ich liebe den Song, und ich summe schon den ganzen Tag die Melodie vor mich hin, so auch jetzt.

Ich drücke auf Play, lege das Handy neben mir auf die Matratze und zücke das von meiner Schwester gemopste Heft. Dann wollen wir doch mal sehen, was ich über mein Schätzchen alles weiß, das heißt, falls überhaupt all das stimmt, was die über ihn schreiben, denn wie ich weiß, haben sie Keith Kandyce einen Extralebenslauf verpasst. Sein Geburtsdatum zum Beispiel. Der Tag und der Monat stimmt zwar, doch das Jahr nicht. Keith ist vier Jahre jünger als Meilo. Macht sich wohl besser bei den kleinen Teenagern.

Ich blättere zum besagten Test und ziehe mir einen Notizblock nebst Stift heran. Die ersten Fragen sind noch leicht. Geburtsort, wie schon gedacht das Geburtsdatum und selbst das Datum seiner ersten Single kenne ich, doch dann hört es mit meinem Wissen auch schon auf. Alle weiteren Fragen drehen sich um seine Musik, um Auftritte und sonstigen Scheiß. Davon habe ich natürlich null Ahnung, aber ich versuche mir das alles zu merken, schließlich bin ich Meilos 'Berater'. Also lege ich den Stift hin und blättere zu den Antworten, die ganz hinten im Heft stehen, aber schon bald interessiert mich das auch nicht mehr sonderlich. Ich überfliege das Heft, finde nichts interessantes, bis auf ein, zwei Bilder, die sogar mir gefallen, doch danach fliegt die Zeitschrift Richtung Fußende meines Bettes. Das macht keinen Spaß!

Gelangweilt wippe ich mit dem Fuß auf und ab. Das ist echt eine Weltpremiere. Ich langweile mich an meinem Geburtstag! Ich schiele zur Uhrenanzeige meiner Anlage. Bis meine Freunde kommen, dauert es noch gut drei Stunden. Wie lahm! Ob ich rüber zu Ed und Ingo gehen soll? Doch wozu? Die erscheinen nachher ja ebenfalls. Meilo anrufen? Besser nicht. Er sagte heute Morgen, nachdem er mir zum Geburtstag gratuliert hatte, dass er viel zu tun hat heute. Mein armer Schatz! Ich wünschte mir wirklich, er könnte jetzt bei mir sein. Dann könnte er jetzt neben mir liegen und sich entspannen, und ich hätte was zu tun, nämlich Meilo betrachten, und nicht Keith Kandyce in 2D.

Nach einer weiteren viertel Stunde des Langweilens, stehe ich auf und laufe zu meinem Schrank. Ich kann mir ja schon mal was zum Anziehen heraussuchen. Meine Wahl fällt auf meine Lieblingsjeans und einen langen Pullover, der mir bis über die Handballen reicht. Auch wenn meine Mutter meckert, den muss ich unbedingt anziehen. Ich will auf keinen Fall, dass jemand mein linkes Handgelenk sieht. Nicht, bevor Meilo es gesehen hat. Besonders Nicole darf es nicht zu Gesicht bekommen. Sie würde mich sofort mit Fragen durchlöchern, wie zum Beispiel, was das zu bedeutet hat, und dann komme ich in Erklärungsnot. Und das wollen wir doch nicht.

Ich lege den Stapel Kleidung auf das Bettende und verlasse mein Zimmer wieder. "Mama? Brauchst du noch Hilfe, oder kann ich schon mal duschen gehen?"

"Geh ruhig", antwortet sie mir und schiebt die Kuchenboden in den Ofen. "Ich bin hier so gut wie fertig."

"Okay." Wenn sie das sagt.

Dann gehe ich mich nun für die Feier fertig machen. Obwohl ich finde, dass sie sich immer noch sehr merkwürdig verhält. Muss am Alter liegen.
 

***
 

Klaus-Peter, Clem (Kilian wollte ihn nicht begleiten, wohl aus Angst vor meinen Eltern), Jean, Ed, Ingo, meine Tante mütterlicherseits mit Kind und Kegel, der Bruder meines Großvaters von väterlicher Seite her, meine über alles geliebte Oma, selbstverständlich meine Eltern und meine Schwester, sowie noch ein Paar von meinen anderen Freunden, haben sich inzwischen bei uns eingefunden. Wir hocken alle im Wohnzimmer, wo wir die Couch und den Tisch an die Wand geschoben haben, damit in der Mitte genügend Platz für den großen, ausziehbaren Esstisch ist, der sonst immer in der Küche steht.

Es ist laut und es wird viel geredet. Mein Vater ist auch schon da und meine Mutter tischt uns gerade die Torte auf. Ein Raunen geht durch die Reihen. Ein ganzer Haufen Kerzen brennt darauf, und ich bekomme leichte Panik, dass wir damit gleich die ganze Bude abfackeln werden. "Wie viele Kerzen sind das?", möchte ich empört wissen. "So alt bin ich doch noch gar nicht!" Ich will sie gar nicht zählen.

"Die Anzahl stimmt haargenau", lacht meine Mutter. "Ich musste sogar zwei Pack kaufen."

"Oh Gott!", stöhne ich.

Ingo lacht auf. "Du weißt erst, dass du alt bist, wenn deine Mutter zwei Pack Kerzen für deine Geburtstagstorte kaufen muss", ärgert er mich.

"Danke auch! Das merke ich mir für deinen Geburtstag. Wie alt wirst du nochmal? Vierzig? Wenn das mal nicht nach drei Packungen Kerzen schreit."

"Ey!" He he. Hat er davon!

"Hört auf euch zu zanken", geht Mama dazwischen und weist mich an, endlich die Kerzen auszupusten.

"Die Menge an Kerzen packt er nicht. So viel Luft passt in keine Menschliche Lunge." Na warte Ingo!

Entschlossen hole ich tief Luft und ... Puste das gesamte Bataillon Kerzen aus. "HA!", rufe ich. "Geschafft!" Meine Oma, die neben mir sitzt, lacht, umarmt mich und verpasst mir einen ihrer feuchten Wangenküsse.

"Dann wünsch dir schnell was", kichert Clem. "Ich glaube, ich weiß auch schon, was du dir wünschst."

"Ist auch nicht schwer zu erraten, oder?" Alles was ich mir wünsche ist Meilo. Schade, dass er nicht hier sein kann.

"Wer möchte ein Stück?" Meine Mutter schwingt das Kuchenmesser. Jeder bekommt ein Stück, auch ich, doch Hunger habe ich plötzlich keinen mehr. Ich sitze hier umringt von meinen Freunden und meiner Familie, aber freuen kann ich mich nicht groß darüber. Eigentlich dachte ich, es würde mir nicht allzu viel ausmachen, dass Meilo nicht herkommt. Und ich verstehe es ja auch, doch auf einmal macht es mich verdammt traurig. Meilo ist einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben, und er kann nicht bei mir sein. 'Nächstes Jahr wird alles anders', sage ich mir selbst, was tatsächlich meine Laune etwas steigert.

"Der Kuchen ist richtig lecker", lobe ich meine Mutter, die daraufhin strahlt wie ein glasiertes Honigkuchenpferd. Als ob sie nicht wüsste, dass der Kuchen gut schmeckt. Das ist schließlich mein Lieblingskuchen.
 

So geht das Geburtstagsbrimborium weiter. Jeder unterhält sich gut, es wird viel gegessen und über das ein und andere Geschenk gelacht, dass mir gemacht wurde. Manchmal frage ich mich wirklich, ob ich meinen Freunden was schlimmes angetan habe, dass ich das verdient habe. Kamasutra der Frösche? Hallo?! "Das konnte ja nur von dir kommen", grunzte ich Ingo an, der sich den Bauch vor lachen halten musste, als ich das Geschenkpapier von diesem mehr als erlesenen Stück Literatur weggerissen hatte.

"Möchte denn noch jemand Kaffee?", fragt meine Mutter in die Runde und wedelt mit der Kanne. Einige nicken, weshalb sie sich auf den Weg in die Küche macht. Just in dieser Sekunde klingelt es an der Haustür. "Niclas? Machst du mal auf?"

"Mach ich!" Wer kann das sein? Es sind doch alle hier. Vielleicht kommt Kilian ja doch. Soll mich das jetzt freuen?

Mit gemischten Gefühlen steuere ich die Wohnungstür an und drücke auf den Knopf. "Ja?" Keine Antwort. "Hallo? Ist da jemand?" Immer noch nichts. Wird nur ein Klingelstreich gewesen sein. "Arsch!", zische ich und schüttle den Kopf. Ich drehe mich um, um wieder zu meinen Gästen zu kommen, da klingelt es aber schon wieder. "Ja? … Hallo!" Wieder nichts. "Langsam reicht es aber!" Ich widerstehe dem Drang, jetzt nach unten zu stürmen. Ich habe was besseres vor. Mal abwarten, ob die Klingel ein weiteres Mal geht.

Ich öffne leise die Wohnungstür und schaue hinab zur Haustür. Da steht doch wirklich jemand davor! Ich kann nur den Schatten erkennen, aber das genügt. Auf Zehenspitzen schleiche ich die Treppe runter, höre es ein drittes Mal klingeln und lache mir eins ins Fäustchen. Gleich habe ich dich, mein Freund! Und dann kannst du was erleben! Mich einfach verarschen. An meinem Geburtstag!

Meine Hand legt sich um die Türklinke, doch ich warte noch. Komm schon. Klingle nochmal! Yes! "Hab ich dich!", rufe ich und reiße die Tür auf. Allerdings glotze ich gleich darauf ziemlich dumm aus der Wäsche. Vor meinem Gesicht taucht ein Blumenstrauß auf, sodass ich den Klingelterroristen nicht erkennen kann. Alles was ich sehe, sind rote Rosen. Was soll denn das?!

Verdattert starre ich vor mich und versuche mir einen Reim daraus zu machen. Ein leises Lachen ertönt jenseits des Straußes. "Hat es dir die Sprache verschlagen?" Ich blinzle und bin froh, dass ich mich momentan an der Tür festhalte.

"Das trifft es noch nicht mal annähernd", gebe ich flüsternd zu Antwort. Der Strauß ruckt nach unten und zum Vorschein kommt "Meilo!"

"Überraschung!", lacht er und breitet die Arme aus. Ich rausche ihm in die Arme und kann es gar nicht richtig glauben. Er ist hier! "Alles, alles liebe zu deinem Geburtstag, Sweety", säuselt er an meinem Ohr und drückt mir danach einen Kuss drauf.

"Du bist hier", wiederhole ich meine Gedanken laut. Da soll nochmal jemand behaupten, wünsche beim Kerzen ausblasen würde nicht in Erfüllung gehen!

"Natürlich bin ich hier. Ich lasse dich doch an deinem Geburtstag nicht alleine."

Ich lasse ihn los und ziehe ihn mit mir in den Hausflur, damit ich die Tür wieder schließen kann. "Aber wie kannst du denn hier sein?", will ich wissen. "Du hast doch gesagt, dass du arbeiten musst.

"Kleine Notlüge", grinst er. "Ich wollte dich überraschen."

"Das ist dir gelungen", lache ich und nehme den Strauß entgegen. "Ist der für mich?"

"Nein, für deine Mutter." Och. "Klar ist der für dich!"

"Mir hat noch keiner rote Rosen geschenkt", überlege ich laut.

"Dann wird es ja mal Zeit. Und weißt du, für was es noch Zeit wird?"

"Für was?"

"Für das", wispert mein Meilo-Schatz, umfasst mein Gesicht und küsst mich. Ich bin im siebten Himmel! Am liebsten würde ich den Strauß in die nächste Ecke werfen, Meilo schnappen, in mein Zimmer zerren und abschließen. Dass das nicht geht, weiß ich zwar, aber der Gedanke daran ist einfach zu verlockend.

"Lass uns ... wegfahren", keuche ich gegen seine Lippen.

"Wegfahren?"

"Ja ... Weit weg."

"Jetzt?" Ich nicke. "Und deine Gäste?"

"Mir egal. Ich will mit dir alleine sein."

Meilo lacht auf, schüttelt aber leider den Kopf. "Aber ich will endlich mal deine Freunde kennenlernen. Keine Widerrede!" Och Menno!

"Von mir aus. Aber danach ..."

"Danach bekommst du dein Geschenk von mir."

"Geschenk?" Wie verlockend. "Was ist es?"

"Wird noch nicht verraten", sagt er und bringt mich dazu, ihn schmollend anzuschauen. "Das wirkt nicht."

"Mist!" Aber ich habe da ja noch was in der Hinterhand ... "Vielleicht änderst du deine Meinung, wenn ich dir sage, dass ich auch eine Überraschung für dich habe."

"So?"

"Ja." Ich bekomme meine Mundwinkel gar nicht mehr runter, als ich einen Schritt zurück trete und meinen linken Ärmel hochziehe. "Das habe ich mir machen lassen", sage ich bloß und zeige Meilo das Tattoo, das mein Handgelenk ziert. Die selbe Stelle, an der Meilo es hat, nur auf der linken, anstatt wie bei ihm, auf der rechten Seite.

Meilos Augen werden so groß wie Untertassen. "Wie hast du das denn hinbekommen? Das sieht ja genau so aus wie meins!"

"Berufsgeheimnis", lache ich.

"Nun sag schon!", drängelt er mich und vergleicht unsere beiden Tattoos. "Das ist nahezu identisch!"

"Außer, dass ich ein M habe." Wäre ja auch idiotisch, mit dem Anfangsbuchstaben meines Namens herumzurennen.

"Verrate es mir. Bitte." Och, na schön! Ich kann Meilos flehenden Blick einfach nicht lange widerstehen.

"Ich habe heimlich ein Foto von deinem Tattoo gemacht, als du geschlafen hast. Und im Tattoostudio konnten sie es nachzeichnen und mir ann stechen."

Meilo grinst schelmisch. "Du ausgekochtes Schlitzohr."

"Also gefällt es dir?"

"Gefallen?", fragt er mich und zieht die Augenbrauen hoch. "Ich liebe es! Ich fürchte nur, dass mein Geschenk für dich dagegen total abstinkt."

"Glaube ich nicht. Denn solange du es mir persönlich überreichst, kann es gar nicht abstinken." Ich umarme ihn, den Strauß immer noch in der Hand, und küsse diesmal ihn.

"Danke Nic. Du weißt gar nicht, wie viel mir es mir bedeutet, dass du dir das hast stechen lassen", flüstert er.

"Doch, das kann ich", antworte ich. "Es wurde mir zwar erst später bewusst, aber ich weiß was das bedeutet." Meilos grüne Augen leuchten richtig. Ein besseres Ergebnis nach meiner Tattooenthüllung hätte ich mir gar nicht wünschen können. "Ich liebe dich Meilo, und ich will für immer mit dir zusammen sein."

"Das will ich auch", antwortet er mir, ehe wir erneut in einem innigen Kuss versinken. Was für ein Tag! 'Happy Birthday tooo meee …'
 

"Wollen wir hinaufgehen?" Meilo nickt, hält dann jedoch inne und runzelt die Stirn. "Was ist?"

"Warum hast du dir es eigentlich an der linken Hand stechen lassen?" Er hat es also gemerkt.

"Willst du das wirklich wissen?"

"Ja."

"Deswegen", grinse ich und nehme Meilos rechte Hand in meine. "Das ist ein Pärchentattoo, und Pärchentattoos gehören doch zusammen, nicht?"

Mein Schatz lacht leise und haucht mir einen Kuss auf. "Du kommst auf Ideen."

"Auf die komme ich nur, weil du mich dazu inspirierst."

"Solange nur ich dich inspiriere, ist alles in Ordnung." Das finde ich auch.

Händchenhaltend steigen wir die Stufen hinauf. Es wird wirklich Zeit, Meilo meinen Freunden ganz offiziell vorzustellen. Ganz zu schweigen von meiner Tante, die leicht Homophob angehaucht ist, es aber niemals zugeben würde. Trotzdem mag ich sie irgendwie und sie hat noch niemals ein schlechtes Wort gegen mich gesagt. Bei mir macht sie wohl eine 'homophobe Ausnahme'.

Wie ich mich freue! Endlich lernen sie Meilo kennen! Meine Freunde, meine Verwandten, Nicole ...
 

"Nicole!" Ich bleibe wie vom Donner gerührt stehen.

"Ist was?" Meilo guckt verwundert.

"Nicole ist da drinnen!", japse ich.

"Und?"

"Und?! Was heißt hier und?!" Mein Herzschlag verdreifacht sich vor Panik.

"Beruhige dich Nic. Wir hatten doch miteinander besprochen, dass wir es ihr sagen, wenn ich mal wieder bei dir bin."

"Aber nicht heute!", fiepse ich aufgebracht. "Nicht an meinem Geburtstag!"

"Und wann sonst? Wenn wir alt und grau sind, und auf dem Sterbebett liegen?"

"Ja! Ja, das ist 'ne gute Idee!" Kann es sein, dass ich grade ziemlich am Rad drehe?

"Nic. Jetzt mach dich nicht lächerlich. Wir sagen es ihr. Gemeinsam." Ich schüttle hektisch den Kopf. Ich will das nicht! Nicht jetzt, nicht heute! "Ich bin doch bei dir. Es wird nichts passieren."

"Das sagst du, weil du sie nicht kennst."

"Vielleicht nicht, aber ich kenne meine Fans." Er zwinkert mir zu. Ich glaube, ich sehe nicht richtig!

Unbarmherzig zerrt mich Meilo die letzten beiden Stufen hoch und schlüpft durch die halb offenstehende Wohnungstür. Mein Herz bollert immer noch wie bescheuert. Lachen und laute Stimmen von meinen Gästen hallen durch den Flur. Als wir an meinem Zimmer vorbeilaufen, bleibe ich stehen. "Ich kann das jetzt nicht", sage ich leise. "Geh bitte in mein Zimmer und ..."

"Mama! Ich habe nur eine Dose Kaffeesahne gefunden!" Oh Scheiße! Nicole kommt aus der Küche geschossen und steht keine zwei Meter von uns entfernt. Natürlich bemerkt sie uns. "Hallo", begrüßt sie Meilo, stutzt dann allerdings. Ihre Augen mustern Meilo. Erst verwundert, dann leicht verschreckt.

Mir rutscht das Blut in die Beine und mir wird ganz schwindelig. Sie erkennt ihn! "Du musst Nicole sein, richtig?", fragt Meilo sie. "Ich bin Meilo. Nics Partner. Ich freue mich, dich endlich kennenzulernen." Ich will hier weg!

"Meilo?", krächzt sie und lacht dann gezwungen. "Und ich dachte eben, du wärst ..." Sie bricht ab. Mir wäre gerade auch nach brechen. "Du siehst ihm so ähnlich ... Und deine Stimme ... Das ..." Sie schüttelt den Kopf. "Verrückt!" Treffender hätte ich es nicht ausdrücken können.

Ich spüre, wie Meilos Hand mich fest drückt. Ich schaue ihn an. Sein Blick sagt alles, nämlich, dass ich es ihr sagen soll, aber ich kann nicht. Meine Kehle fühlt sich an, als habe jemand Beton rein gekippt. Als ich dann noch mit Schrecken feststelle, dass Nicole auf uns zukommt, erstarre ich gänzlich zur Betonsäule. "Nic hat mir schon viel von dir erzählt."

"Hat er das?", fragt ihn meine Schwester skeptisch.

"Oh ja!", lacht Meilo und sieht mich wieder an. Seine Augen versuchen Zuversicht auszudrücken, doch ich komme gar nicht dazu, mich von ihnen dazu überreden zu lassen, denn plötzlich poltert was auf den Fußboden. Die Kaffeesahne, die Nicole eben noch in der Hand gehalten hat, ist ihr aus den Händen gerutscht.

"Du ... Du bist ...", stottert sie. "Dein Lachen ... Das ... Du ... Oh Gott!" Ihr Gesicht wechselt von knallrot zu kreideweiß. Ich denke noch, das kann nicht gesund sein, da verdrehen sich auch schon ihre Augen.

Meilo reagiert zum Glück geistesgegenwärtig und prescht nach vorn um sie aufzufangen. "Mann!", keucht er und hebt sie auf seine Arme. "Dass sie mich auf Anhieb erkennt, hätte ich echt nicht für möglich gehalten."

"Was glaubst du denn?", frage ich ihn leicht hysterrisch. Endlich ist der Beton in meinem Hals zerbröselt. "Sie ist dein größter Fan unter der Sonne! Ich habe doch gesagt, das geht schief!" Meilo verdreht die Augen und stapft mit Nicole auf den Armen an mir vorbei. Zielsicher steuert er ihr Zimmer an und legt sie dort aufs Bett. "Ich sage schnell Mama Bescheid."

"Ist gut. Ich bleibe bei ihr." Ob das eine so gute Idee ist?

"Mama? Kommst du mal?" Ich führe sie zu Nicoles Zimmer und erkläre ihr alles.

"Sie ist ohnmächtig geworden?"

"Ich fürchte ja." Sie ist schneller an ihrem Bett, als ich gucken kann.

"Mein armes Kind", flüstert sie und streichelt ihr durchs Haar. "Sie muss einen ganz schönen Schrecken bekommen haben. .. Hättet ihr es nicht schonender beibringen können?", zischt sie uns an und guckt böse.

"Wir haben gar nichts gesagt!", verteidige ich uns. "Sie hat Meilo ganz von alleine erkannt."

"Oh je." Meine Mutter seufzt und streichelt über Nicoles Wage. "Nicole? Schätzchen? Aufwachen."

Angespannt lehne ich gegen den Türrahmen und beobachte alles aus sicherer Entfernung. Meilo hockt immer noch neben ihr, während sie langsam wieder zu Bewusstsein kommt. "Mama?"

"Wieder wach?" Meine Mutter lächelt sie liebevoll an.

"Ich hab geträumt, dass Keith hier ist", flüstert Nicole mit dünner Stimme.

"Das hast du nicht geträumt", klärt sie Mama auf. "Er ist hier." Sie deutet auf Meilo. Nicoles Augen fliegen zu ihm und werden erneut riesig. Wenn sie wieder ohnmächtig wird, ist das dieses Mal aber Mamas Schuld.

"Aber ... ab...aber ... Seit wann ...? Wieso ...?" Sie verstummt, sieht dann zu mir, dann wieder zu Meilo. "Du und mein Bruder?!" Nicoles Augen werden feucht. Oh Shit! Das habe ich kommen sehen. Erst heult sie, dann geht sie wütend auf mich los.

Ich räuspere mich und laufe auf die drei zu. Dabei sehe ich meine Schwester an und hoffe, dass sie nicht allzu wütend auf mich wird. "Ich wollte es dir schon viel eher sagen, aber ich konnte nicht." Höre ich mich weinerlich an? Vielleicht ein bisschen. Nicoles Geheul steckt an!

Ausdruckslos schwirrt ihr Blick zu mir. Was jetzt? Sie schluckt hart, dann geht ein Ruck durch ihren Körper. "DU ARSCH!", schreit sie, greift sich ein Kissen und wirft es in meine Richtung. Ich ducke mich, und es erwischt bloß den Schreibtisch hinter mir.

"Nicole!" Mama versucht sie zu beruhigen, aber sie hört nicht und wütet weiter. "Geh lieber raus", meint sie zu mir. "Los!" Ich gehorche. Notgedrungen.

Vor dem Zimmer lehne ich mich gegen die Wand mit Blickrichtung auf Nicoles Zimmertür. Sie heult. Ohne Scheiß. Irgendwie habe ich mir schon gedacht, dass sie ausflippt, aber so ganz wollte ich meiner Vermutung nicht trauen. Jedenfalls nicht, dass sie so abgeht.

Ich mache mir Sorgen um Meilo, der noch immer da drin ist. Sie wird ihm doch nichts tun? Bestimmt nicht. Und meine Mutter ist ja auch noch da. "Shit!", zische ich und atme tief durch. Ich habe soeben einen Teenagertraum zum Zerplatzen gebracht.
 

Nach und nach wird es ruhiger in Nicoles Zimmer, bis die Tür aufgeht, und meine Mutter hinaustritt. "Und?" Sie zuckt mit den Schultern und schließt die Tür wieder hinter sich. "Wo ist Meilo?"

"Er redet mit ihr."

"Was?!" Nicht ihr Ernst?!

"Vertraue ihm. Er wird ihr alles erklären und wenn Nicole auf einen hört, dann doch wohl auf ihr Teenieidol."

"Toll", brumme ich und verschränke die Arme vor der Brust.

"Jetzt schmoll nicht und komm wieder mit rein ins Wohnzimmer."

"Ich warte hier auf Meilo", beschließe ich. "Vielleicht braucht er mich."

Mama seufzt und tätschelt mir den Arm. "Meilo schafft das schon." Sie verzieht sich zurück ins Wohnzimmer. Hoffentlich schafft er es, Nicole zu besänftigen. Eigentlich wäre das meine Aufgabe, aber sie will mich jetzt bestimmt nicht sehen. Wegen ihrer Teenagerhormone ist sie total empfindlich.

Nach einer Weile jedoch, packt mich die Neugier. Was bereden die beiden da drinnen? Ich schleiche mich zur Tür und drücke mein Ohr daran. Bis auf undeutliche Laute verstehe ich aber nichts. Die meisten Laute sind dunkel und gehören eindeutig Meilo. Er redet wohl auf sie ein. Ich hasse mich dafür, aber ich gehe in die Hocke und linse durch das Schlüsselloch. Viel erkenne ich nicht. Nur die hintere seitliche Kopfansicht Nicoles. Sie nickt manchmal. Das ist gut, oder?

Weil mir dieser Lauschangriff nicht viel bringt, schlurfe ich wieder zu meinen Platz an der Wand. Dann warte ich eben weiter. Dabei geht es mir allerdings schon etwas besser, als noch vor einigen Minuten. Meine Mutter hat Recht. Wenn es jemand schafft, ihr alles zu erklären und ihr klar zu machen, dass Keith nur ein Kunstprodukt ist, und ganz anders als Meilo ist, dann er. Sie wird es hoffentlich verstehen, und begreifen, dass Meilo eben Meilo ist. Mein Meilo. Mein unglaublich liebevoller, lustiger und wunderbarer Meilo.

Als die Tür dann endlich ein weiteres Mal aufschwingt, stehe ich kerzengerade davor und warte aufgeregt ab. Meilo tritt heraus. Ohne Nicole. "Wie geht es ihr?", möchte ich von ihm wissen und laufe auf ihn zu.

"Sie ist arg ... geschockt."

"Scheiße."

"Und sauer."

"Auf mich?"

"Auf wen sonst?"

"Scheiße!"

"Du solltest dich bei ihr entschuldigen." Oh no! "Sie hat sich beruhigt, keine Sorge, aber ich rate dir, ihr nochmal selbst zu erklären, warum du es ihr nicht schon eher gesagt hast."

"Du hast recht", gebe ich zu, wenngleich nicht gern. "Ich stelle dich erstmal den anderen vor, dann gehe ich zu ihr."

Ich nehme seine Hand, aber er tritt einen Schritt zurück. "Geh gleich zu ihr", sagt er. "Ich stelle mich alleine vor."

"Aber ..."

"Nichts aber." Meilo lächelt frech, tupft mir einen Kuss auf die Lippen und verschwindet ohne einen weiteren Kommentar im Wohnzimmer.

"Danke auch", grummle ich. Ich wollte ihn doch allen vorstellen und mit ihm angeben. Heute klappt aber auch gar nichts! Na gut, fast nichts. Wollen wir mal hoffen, dass das Gespräch mit Nicole jetzt klappt.
 

Bevor ich eintrete, klopfe ich an. Da ich keinen Mucks höre, betrete ich ihr Zimmer einfach. "Hey", grüße ich sie leise und versuche zu lächeln. "Darf ich?" Nicole nickt schwach.

Sie sitzt auf ihrem Bett, die Beine hochgelegt, und guckt mir traurig-grimmig an. Da muss ich jetzt durch. "Hast du dich gut mit Meilo unterhalten?" Dumme Frage, aber wie soll ich sonst anfangen?

"Habe ich", flüstert sie. "Er ist wirklich Keith, nicht? Ich bilde mir das alles nicht ein."

"Ich fürchte nein. Meilo ist dein Lieblingssänger." Vor ihrem Bett bleibe ich stehen. Mich zu ihr zu setzten traue ich mich nicht. Hinterher kommt wieder ein Kissen geflogen. "Ich konnte es dir vorher nicht sagen, obwohl ich es probiert habe."

Sie lächelt schmal. "Ich hätte dir sowieso nicht geglaubt."

"Hätte mir das jemand vorher gesagt, hätte ich es auch nicht geglaubt", gebe ich zu.

"Wie hast du es herausgefunden?", fragt sie mich.

"Hat er dir das nicht erzählt?"

"Nein. Er meinte, das sagst du mir lieber selbst." Schön. Wenn sie es wissen möchte, dann erzähle ich ihr von dem Konzert.

"Es ist mir beim Konzert aufgefallen. Wie bei dir, habe ich ihn an der Stimme erkannt. Ich dachte, mich trifft der Schlag."

"Dich hat er bestimmt nicht so fest getroffen, wie mich vorhin."

"Da könntest du recht haben", schmunzle ich. "Ich wollte nicht, dass du es so erfährst. Wir wollten es dir gemeinsam sagen, aber du hast ihn von selbst erkannt." Nicole kaut nervös auf ihrer Unterlippe herum. "Verzeihst du mir, dass ich es dir bis jetzt nicht gebeichtet habe?"

Sie sieht mich lange an. Dabei fällt mir auf, wie ähnlich sie doch unserer Mutter inzwischen sieht. Nicole wird langsam erwachsen. "Ich weiß nicht, was ich davon halten soll Niclas", sagt sie schließlich. "In meinem Kopf schwirrt alles wild durcheinander."

"Das kenne ich." Das Gefühl hatte ich auch oft. "Aber das lässt nach", verspreche ich ihr.

Sie seufzt laut und schwingt die Beine aus dem Bett. Ich widerstehe dem Drang zu Flüchten. "Eins weiß ich aber genau", meint sie, steht auf und stellt sich vor mich. "Ich habe wegen ist Keith hier. ... Ähm Meilo!" Nicole runzelt die Stirn. "Das muss ich erst auf die Reihe bekommen."

"Das kenne ich ebenfalls", lache ich und tue dann etwas ganz untypisches für mich. Ich umarme meine kleine Schwester, die sich noch nicht mal dagegen wehrt. Zwei Weltpremieren auf einmal. "Kannst du mir eins versprechen?", frage ich sie.

"Was?"

"Niemand darf wissen, dass Meilo Keith ist."

"Glaubst du, ich bin blöd!", knurrt sie mich an und flutscht aus meinen Armen. "Ich will ja nicht, dass Kei... Meilo sauer auf mich ist." Uff! Glück gehabt. "Es wird aber schwer. Ich meine, ich kenne Keith Kandyce, und ich darf es niemanden sagen. Irgendwie gemein."

"Dafür bekommst du aber weiterhin so tolle Sachen wie die Pappaufsteller", gluckse ich und zeige auf einen der Pappkameraden direkt neben uns.

"Und Freikarten. Ich habe Meilo schon gefragt." Nicole strahlt mich an. Sowas. Die hat sich ja schnell von dem Schock erholt. "Apropos Meilo. Wo ist er überhaupt?"

"Im Wohnzimmer", antworte ich. Kaum ausgesprochen, rast sie schon von dannen. "Das kann ja was werden", seufze ich und zockle ihr nach. Sie klebt jetzt bestimmt die ganze Zeit an ihm. "Das kann ja heiter werden."
 

***
 

"Oh Mann!" Erleichtert schließe ich die Tür meines Zimmers hinter uns. "Das war ja nicht zum Aushalten!"

"So schlimm waren deine Freunde doch gar nicht", kichert Meilo, der sich von hinten an mich schmiegt. "Wir haben uns doch alle ganz gut miteinander verstanden, und deine Familie ist auch voll nett. Besonders deine Oma. Sie ist einsame Spitze!"

"Wenn du bei meiner netten Familie Nicole ausklammerst, dann könntest du recht behalten. Und meine Freunde sind alle nett." Mehr oder weniger.

"Stimmt. Selbst Clem, was mich ehrlich überrascht hat. Außerdem fand ich, dass deine Schwester sich recht lieb verhalten hat."

"Lieb?!" Nicht sein Ernst?! "Sie hat dich den ganzen Nachmittag über belagert!" Nicole war gar nicht mehr von Meilo wegzubekommen. Bei allem Verständnis, es hätte noch gefehlt, dass sie ihm mit auf die Toilette gefolgt wäre!

"Eifersüchtig?" Meilo gluckst leise.

"Niemals! Nur genervt." Ich drehe mich um und ziehe meinen Schatz dichter an mich.

"Das sah aber fast danach aus. So fest, wie du die ganze Zeit über meine Hand umklammert hast."

"Das musste ich tun! Einer muss ihr doch zeigen, dass du zu mir gehörst."

"Du kleiner, süßer Spinner." Was?! "Als ob ich mit deiner Schwester durchbrennen würde."

"Du vielleicht nicht, aber ihr traue ich nicht." Meilo lacht erneut und fährt mir mit einer Hand durchs Haar. "Ich sehe dich so selten. Da möchte ich dich nicht noch teilen müssen."

"Du musst mich nicht teilen. Ich bin doch bei dir", wispert er, ehe er meinen Mund verschließt. Und wie er das ist.

Leise seufzend bewege ich meinen Körper gegen seinen und versuche ihn Richtung Bett zu schubsen. Das klappt nur leider nicht so ganz, wie ich mir das vorstelle. "Was ist?", frage ich ihn atemlos. "Keinen Sex?"

"Noch nicht", schnurrt er. "Erst bekommst du deine Überraschung."

"Ich dachte, Sex gehört zu meiner Überraschung."

"Hältst du mich für so einfallslos?"

"Nein ... Aber die Überraschung würde mir sehr gefallen", grinse ich. Meilo hebt nur eine Augenbraue und rutscht aus meiner Umklammerung. "Was ist es denn nun für eine Überraschung?" Langsam werde ich wirklich neugierig.

Meilo antwortet mir allerdings nicht, grinst bloß, und läuft zu meinem Kleiderschrank. "Was tust du da?" Verwirrt beobachte ich ihn dabei, wie er Kleidung heraussucht und sie auf meinem Schreibtisch ablegt. Pullover, Hosen, Shirts, Unterwäsche, Socken. "Meilo?" Immer noch keine Antwort. Stoisch macht er weiter damit, den Inhalt meines Schrankes zu durchforsten, bis er den Schrank wieder schließt und sich streckt, um an die Sporttasche zu kommen, die obendrauf liegt. "Du packst für mich?" Mir fällt alles aus dem Gesicht.

"Ja", antwortet er und räumt alles rausgelegte in die Sporttasche. "Wir machen einen Ausflug."

"Wohin?" Die Frage kommt wie aus der Pistole geschossen.

"Lass dich überraschen." Wie fies ist das denn?!

"Und wann fahren wir? Morgen?"

"Nein. Heute Abend noch." Heute Abend? Dann kann es unmöglich nach Bayern gehen. Das war nämlich meine erste Vermutung. Zurück zu Henning und Heiko, aber das ist eher unwahrscheinlich.

"Jetzt bin ich aber gespannt." Aber echt jetzt! "Verrätst du mir wenigstens, wie lange wir weg sein werden?"

"Bis morgen Mittag. Am Samstag muss ich wieder weg. Länger habe ich nicht frei bekommen." Ich rechne kurz nach. Heute ist Donnerstag, was heißt, ich habe zwei Nächte und mindestens noch einen ganzen Tag mit meinem Schatz! Jey!

"Wie hast du das angestellt?", möchte ich wissen und stelle mich neben ihn, um ihm zur Hand zu gehen.

"Ich habe gesagt, es sei was Familiäres", schmunzelt Meilo.

"Du kleiner Lügner."

"Schlimm?"

"Ganz und gar nicht!" Ich schnappe mir Meilos Oberteil und ziehe dran. "Was wäre das Leben ohne Notlügen?" Ohne sie würden wir uns noch weniger sehen. Das mag ich mir gar nicht vorstellen.

"Nicht mal halb so schön", beantwortet er meine Frage und schmust mit der Hand über meinen Handrücken. "Ich denke, wir können losfahren. Was meinst du?"

"Je eher, desto besser." Ich freue mich schon riesig auf die Überraschung. Was es wohl ist?
 

Wir fahren mit Meilos Flitzer. Ruhig rauschen wir dahin. Wohin, das weiß nur er. Nach einiger Zeit höre ich auf, auf die Ortsschilder zu achten. Das wird mir zu blöd. Lieber lehne ich mich an Meilo, so wie er es sonst immer gemacht hat, wenn ich gefahren bin, und lausche der leisen Musik im Radio. Wir müssen beide schmunzeln, wenn einer seiner Songs gespielt wird, was sogar ziemlich oft geschieht. "In einem Jahr bin ich vergessen", meint Meilo, als erneut einer seiner Songs losdudelt.

"Glaube ich nicht. Deine Fans werden dich nicht vergessen." Besonders Nicole nicht.

"Sei dir da mal nicht so sicher. Die vergessen mich schneller als du denkst. Mein Nachfolger steht schon bereit und wartet nur darauf, dass ich endlich von der Bildfläche verschwinde."

"Wirklich? Die haben schon einen Ersatz für dich?"

"Nicht nur ich bin bei meiner Plattenfirma unter Vertrag. Wenn ich weg bin, pushen sie das nächste vielversprechende Talent."

Ich seufze und schüttle den Kopf. "Eine richtige Popstar-Trimmmaschinerie ist das."

"Jeder muss Geld verdienen. Und je mehr, desto besser. Mich hat es, nebenbei bemerkt, auch lange nicht gestört. Bis das große Erwachen kam, war ich glücklich damit." Wieder tut mir Meilo leid. Klar, er hat sich selbst in diese Lage gebracht, indem er den Vertrag unterschrieben hat, und muss damit jetzt leben, doch dass er nicht einfach aussteigen kann, grenzt fast schon an Sklaverei.

Ich nehme seine Hand und verschränke meine Finger mit seinen. "Wir sind gleich da", verkündet er allerdings, und bremst ab.

Vor wenigen Minuten sind wir in eine Stadt eingebogen. Welche genau, darauf habe ich wieder nicht geachtet. Jetzt fahren wir in eine kleine Seitenstraße, im Schritttempo wohlgemerkt. "Suchst du was?", möchte ich wissen.

"Ja. Einen freien Parkplatz."

"Dann sind wir da?"

"Ja. Gleich." Bin ich gespannt!

Nach einigem Herumfahren findet Meilo einen Platz zum Halten und zwängt sich in die Parklücke. "Und wo sind wir jetzt?" Warum sagt er mir denn nicht endlich, was das für eine Überraschung ist?

"Bei einem alten Freund von mir", sagt er und steigt aus.

Na toll! Das sagt mir jetzt viel. "Ein alter Freund?" Ich bin ebenfalls ausgestiegen und stelle mich neben Meilo, der unsere Taschen aus dem Kofferraum holt. "Und was wollen wir bei dem?"

"Übernachten." Was? Meilo lacht und drückt mir die Tasche in die Hand. "Ich dachte, das wäre mal was anderes, als wieder in einem Hotel zu pennen", erklärt er scherzhaft.

"Und was machen wir bei deinem alten Freund?" Eine Geburtstagsüberraschung sieht meiner Meinung nach aber anders aus, als bei einem mir unbekannten Typen abzuhängen.

"Schlafen. Habe ich doch schon gesagt."

"Ja aber ..."

"Hör auf Fragen zu stellen und folge mir einfach, ja?" Er grinst, schließt den Kofferraum, schließt ab und stiefelt davon. Hey!

"Warte doch!" Jetzt renne ich ihm auch noch hinterher! Wehe, das war schon die Überraschung! Dann fahre ich wieder nach Hause!
 

******
 


 

Ob Meilo noch mehr geplant hat? Wir werden es erfahren. ^^

Love bite 31 - In allen vier Ecken soll ewige Liebe drin stecken

Guten Morgen.

Habs immer noch nicht geschafft, eure Reviews zu beantworten. *laut seufzt* Bei mir ist zurzeit einfach zu viel los. Nicht nur arbeitstechnisch.

Anfang der Woche musste ich mein armes Kätzchen leider gehen lassen. ;__;

Ich bin immer noch ganz traurig und es ist ein wirklich komisches Gefühl, dass niemand mehr auf einen wartet, wenn man die Wohnung betritt. Aber das geht nicht nur mir so. Wir wollen ständig nach ihr gucken und ich denke ständig, dass ich noch ihre Medizin fertig machen muss. Das wird sicher noch eine Weile so gehen.
 

Nun aber zur Story.

Nicht nur Niclas wird heute überrascht, sondern ihr auch.

Wir besuchen einen ganz besonderen Ort und ich freue mich schon richtig drauf, Meilo und Niclas dort herumschweifen zu lassen. ^^

Ob ihr euch schon denken könnt, welcher Ort das ist? *ggg*
 


 

Love bite 31 - In allen vier Ecken soll ewige Liebe drin stecken
 

Nervös knete ich den Haltegriff meiner Tasche durch, als ich feste Schritte jenseits der Tür vernehme. Ich werde immer unruhig, wenn ich mich den Freunden meines Partners stellen muss. Bei Kilians Freunden war das genauso. Ich mache mich immer total verrückt, doch am Ende verstehe ich mich meist gut mit ihnen. Also tief durchatmen Niclas. Was soll schon passieren, außer, dass sie mich hassen könnten? ... Ich will hier weg!

Doch für einen Rückzug ist es bereits zu spät. Die Tür wird aufgerissen und vor uns steht ein Kerl mit blonden Haaren. Er strahlt breit und breitet die Arme aus. Nicht für mich, sondern für "Meilo! Wie schön, dass du mich mal wieder besuchst!" Sie umarmen sich und ich stehe peinlich berührt daneben. "Und du musst Niclas sein, richtig?" Der Kandidat hat 100 Punkte.

"Der bin ich", antworte ich brav und erstarre, da ich ebenfalls umarmt werde.

"Endlich lerne ich dich mal kennen. Meilo hat mir schon viel von dir erzählt."

"So?" Hat er das? Und vor allem, wann hat er das?

"Ich bin übrigens Nikolai. Aber nenn mich ruhig Niko*."

"Freut mich dich kennenzulernen, Niko." Er scheint ein netter Typ zu sein. Etwas ausgeflippt, aber nett. Die Anspannung in mir weicht langsam.

"Kommt mit rein. Lars ist auch da. ... LARS?!" Oh Gott!

"JA?!"

"DER BESUCH IST DA!"

"KOMME!" Was geht denn hier ab? Brüllen die immer so?

"Sorry, aber Lars ist oben und arbeitet noch. Er hört mich sonst nicht", erklärt Niko sein Gebrülle.

"Ach so ..." Das beruhigt mich. Ich dachte schon, die beiden hätten eine leichte Vollklatsche und wären dezent ... wie drücke ich das jetzt am besten aus ... asozial. Wenngleich die Wohnung der beiden etwas ganz anderes erzählt, wie ich auf den ersten Blick feststelle. Sie ist riesig und schick möbliert. So leben sicher keine Asozialen. Nehme ich zumindest mal stark an.

"Ich zeige euch gleich das Gästezimmer. Ihr wollt doch bestimmt gleich weiterziehen, oder?" Niko guckt uns fragend an. Wollen wir das?

"Wollen wir", sagt Meilo, was bei mir noch mehr Fragen aufsteigen lässt. Wohin wollen wir? Und warum weiß Niko darüber Bescheid, aber ich nicht? Und wo zum Teufel bleibt dieser Lars, der noch um kurz vor elf Uhr abends oben arbeitet?

Die Fragen bleiben erst einmal unbeantwortet und Niko führt uns in ein geräumiges Gästezimmer, das fast so groß ist, wie Nicole und mein Zimmer zusammen. "Schaut euch erstmal um, ich habe ein paar Leckereien gemacht. Ihr hat doch sicher Hunger?"

"Und wie", lacht Meilo.

"Dann packt aus und kommt in die Küche."

"Machen wir." Machen wir?

Niko schließt die Gästezimmertür hinter sich. Wir sind allein. "Meilo?"

"Hm?" Er ist schon am Auspacken.

"Was zum Donnerwetter mache ich an meinem Geburtstag in einem Gästezimmer einer deiner Freunde?"

"Gefällt es dir hier nicht?"

"Das ist es nicht", winke ich ab. "Aber ich wüsste jetzt endlich gern mal, was du mit mir vorhast."

Meilo lässt die Tasche los und kommt auf mich zu. "Mit dir deinen Geburtstag feiern. Was soll ich sonst mit dir vorhaben?"

"Hier?"

"Nicht hier", lacht er. "In einem Club."

"In einem Club", brumme ich und ziehe die Stirn nach oben. "Du? Der, der behauptet, dass ihn solche Geburtstage nerven?"

"Das ist nicht irgendein Club", sagt er und zieht mich an sich. "Dir wird er gefallen. Gute Musik, leckere Getränke, viele Schwule ..." Meilo lächelt frech.

"Was soll ich mit vielen Schwulen? Hast du was mit denen geplant?"

"Ja", kichert er und mir fällt das Herz in die Hose. "Dich schick ausführen und allen zeigen, dass du mein Mann bist." Ich muss sehr dämlich aus der Wäsche glotzen, denn Meilo lacht laut auf und lässt mich wieder los. "Gehen wir schnell Nikos Leckereien genießen, damit wir los können." Verdattert schaue ich ihm nach. Erst als er das Gästezimmer verlassen hat, kommt Bewegung in mich. Verstehe einer diesen Mann!
 

Auch die Küche ist großzügig geschnitten. Lars, ein sportlicher Typ mit braunen Haaren, sitzt schon parat, als wir sie betreten, woraufhin es wieder eine große Begrüßungsorgie gibt. "Heißer Fang", lacht Lars, als er mich sieht. "Wo hast du denn den her?"

"Von einem Autorastplatz", klärt ihn Meilo auf, was zu lauten Lachattacken führt. Das ist gemein, und ich fühle mich wahrhaftig gekränkt.

"Aber nur, weil ihm sein Kühler gerissen ist, und ich ihn abschleppen musste", verteidige ich mich. Auch nicht besser. Warum musste ich auch das Wort abschleppen benutzen?

Ich warte, bis sich alle wieder abgeregt haben und verdrücke noch eins dieser unglaublich leckeren Mini-Häppchen. Niko hat einen Partyservice, daher diese ganzen Köstlichkeiten, wie er uns zuvor erklärt hat. "Ich wäre auch ohne seine Abschleppstange mit ihm gekommen", schnurrt Meilo und schmieg sich an mich. Ich verschlucke mich dabei fast am Essen.

"Na, na. Scheint ja leicht schüchtern zu sein, dein Herzchen?" Niko lacht sich eins ins Fäustchen.

"Eigentlich nicht. Ich weiß auch nicht was er hat."

"Hab mir nur verschluckt. War ein wenig zu scharf für mich."

Niko runzelt die Stirn. "Wirklich? Die sollten doch gar nicht scharf sein." Gewissenhaft probiert er alle Häppchen durch. "Komisch. Sind doch alle okay."

"Weiß auch nicht", lüge ich. "War vielleicht nur das eine." Ich sehe Niko an, das er mir nicht glaubt. Warum ich überhaupt nach einer Ausrede gesucht habe, kann ich selbst nicht sagen. Ich will mich eben nicht noch mehr vor Meilos Freunden blamieren. Zudem ich eigentlich gar nicht schüchtern bin.

Ich trinke schnell einen Schluck Sekt, den Lars extra für uns geköpft hat, und lächle in die Runde. Ablenkung ist angesagt. "Wie habt ihr euch denn kennengelernt?" Ich deute auf Niko und Lars.

"Wir sind schon ewig miteinander befreundet gewesen, bevor wir uns näher kamen", erklärt Niko. "Tausend Mal berührt, tausend Mal is nix passiert, sage ich nur, aber dann ... KAWOOM!" Er breitet die Arme aus und möchte damit wohl eine Explosion nachahmen. "Plötzlich steckten wir ineinander", kichert er und nippt an seinem Glas.

"So kann man es auch ausdrücken", brummt Lars. "Aber so einfach ist es dann doch nicht gewesen. Niko hat noch ganz schön herumgezickt, bis ich ihn soweit hatte."

"Herumgezickt?! Ich?! Du hast doch die beleidigte Leberwurst gespielt!"

"Dazu hatte ich ja auch jedes Recht! Du hast mich ja nicht mehr mit dem Arsch angeguckt, nachdem wir es miteinander in der Umkleide getrieben haben!"

"Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte! Du weißt doch, wie schüchtern ich bin." Wieso glaube ich dem nicht ganz? Aber Moment mal!

"Ihr wart das, die in einer Umkleide zusammengekommen seid?", frage ich die beiden. "Meilo hat mir davon erzählt."

"Hat er?" Nikos rechte Augenbraue rutscht nach oben.

"Ja. Kurz nachdem wir uns kennengelernt haben und in diesem Kaufhaus waren und ..." Ich breche ab. "Nicht so wichtig." Jetzt hätte ich mich doch fast verplappert!

"Was und?", fragt Niko natürlich. "Heißt das etwa … ihr auch?" Sein Zeigefinger deutet abwechselnd auf Meilo und auf mich.

"Ich wollte es mal ausprobieren." Danke Meilo! Niko lacht auf und schlägt doch tatsächlich mit Meilo ein.

"Mach dir nichts draus. Niko ist immer so überschwänglich, und Meilo macht meistens mit", flüstert Lars mir ins Ohr. Ich lächle Lars an. Er muss es schließlich wissen.

"Was tuschelt ihr da?" Nikos giftiger Blick trifft uns. "Redet ihr über mich?"

"Ja", grinse ich. "Tun wir." Ich kann nämlich auch anders.

"Boha! Ihr Traschttucken!" Niko bläst sich auf und ich kann nicht anders, als ebenfalls laut loszulachen. Niko ist genau so, wie ich mir Keith Kandyce immer vorstellt habe, bevor ich wusste, wer er wirklich ist.

"Jetzt weiß ich, woher Meilo diese Allüren auf der Bühne hat!", kichere ich, solange, bis mir klar wird, was ich da eben gesagt habe. Dann gefriert mir das Lachen augenblicklich und ich schaue von Niko zu Meilo. Scheiße! Habe ich eben was verraten, was ich nicht hätte verraten sollen?!

"Er weiß davon?", höre ich Lars fragen.

"Tut er", bestätigt Meilo.

"Sag jetzt aber nicht, dass er einer deiner Groupies war." Niko zieht die Augenbrauen nach oben.

"Er nicht, aber seine Schwester."

"Ach", zischt Niko staunend.

"Jetzt mal langsam", unterbreche ich sie, da ich nach dem anfänglichen Schock, ich hätte mich verplappert, endlich wieder meine Stimme gefunden habe. "Ihr wisst von Keith?"

"Natürlich Schatz. So haben wir ihn kennengelernt", nickt Niko. "Er trat in einer kleinen Spelunke im Schwulenfirtel auf. Er war richtig goldig!" Er lacht und zwinkert Meilo zu. "Nach der Show trafen wir ihn vor dem Schuppen, kamen miteinander ins Gespräch und luden ihn kurzerhand ein, bei uns zu übernachten, da er doch wirklich in seinem Auto übernachten wollte."

"Im Auto?" Das ist mal was neues. "Keine sündhaft teure Suite?"

"Damals war ich noch nicht unter Vertrag", erklärt mir Meilo. "Ich war noch eigenständig als Keith unterwegs."

"Er war ja noch so unschuldig!", fiepst Niko. "Zum Fressen, sage ich dir!"

"Ich finde ihn heute noch zum Fressen", lache ich und stehle mir einen Kuss von meinem süßen Schatz.

"Zu der Zeit war er aber noch süßer. Fast noch ein Welpe." Meilo schenkt Niko ein grimmiges Knurren. "Ich habe noch Fotos davon. Lust, sie zu sehen?"

"Oh ja!" Und wie!

"Nein! Bitte Niko. Wir wollen doch gleich los."

"Ach, nur eine Minute." Und schon stiefelt er davon.

"Super", schmollt Meilo. "Da hast du was ins Rollen gebracht."

"Was denn? Dauert doch nur eine Minute", wiederhole ich Nikos Kommentar und grinse breit. Jugendfotos von Meilo. Ein besseres Geburtstagsgeschenk gibt es doch gar nicht!

"Die Meisten sind von seinen Auftritten, aber ich habe auch ein Paar am See gemacht, wo wir sehr oft hinfahren."

"Da fahrt ihr immer noch hin?", fragt Meilo Niko schmunzelnd, und nimmt ihn das Kästchen ab, in denen die Fotos verstaut sind.

"Natürlich tun wir das. Zelten, Grillen und schwimmen ... Leider ist es dazu schon wieder zu kalt."

"Wem sagst du das", seufze ich. "Kaum ist der Sommer vorbei, sehnt man sich schon nach dem Nächsten."

"Amen", pflichtet mir Niko bei.

"Wer sind die anderen auf den Bildern?", möchte ich wissen, und starre auf die Fotos, die Meilo nun in den Händen hält.

"Das sind Basti, Tarik, Walter, Dirk, Stefan und Russel", erklärt er mir und deutet auf die Gesichter. "Dabei fällt mir ein, Russel habe ich lange nicht mehr gesehen. Was treibt der so?"

"Russel ist zurück nach Amerika", sagt Lars. "Keine Ahnung, wie lange er dortbleiben will, aber er hat sich lange nicht mehr bei uns gemeldet."

"Wie schade", seufzt Meilo. "Mit ihm war es immer lustig."

"Stimmt. Weißt du noch, wie er sich an diesen scharfen Italiener rangemacht hat, und am Ende mit ihm und seinem Freund in der Kiste gelandet ist?", gackert Niko.

"Das glaube ich ihm bis heute noch nicht!", lacht Meilo. "Ich gehe jede Wette ein, dass er eine Abfuhr kassiert hat, und dann seinen Kummer darüber im Suff ertränkt hat. Das hat er sich alles nur zusammenphantasiert."

"So wird es gewesen sein", nickt Niko. "Nur lass das nicht Russel hören".

"Niemals!" Meilo hebt abwehrend die Hände.

Das muss ja ein ganz schön illustrer Haufen sein, Meilos Freunde. "Lerne ich die anderen auch noch kennen?", frage ich in die Runde.

"Nur, wenn ihr uns mal übers Wochenende besucht", meint Lars. "Die arbeiten alle. Wir sehen uns selbst wenn nur Samstags oder Sonntags."

"Ja, die Tage sind vorbei, wo man bis spät nachts feiern, und danach gleich zur Arbeit brausen konnte", trällert Niko theatralisch. "Heute ist man froh, wenn man an einem Samstagabend vor der Glotze liegen, und sich dann um halb acht mit einer Wärmflasche und dicken Socken ins Bett verkriechen kann."

"So schlimm?", gluckse ich. "Da bekomme ich ja Angst vor meinem nächsten Geburtstag."

"Stell dich schon mal drauf ein. Das Älterwerden ist kein Zuckerschlecken." Oh weia.

Wir schauen noch ein paar der Fotos an, auf denen Meilo wirklich noch sehr Kückenhaft aussieht, und ich regelmäßig zwischen Lachattacken und Ausrufen wie "Ach warst du da süß!" schwanken lässt, dann machen wir uns auf den Weg.

"Viel Spaß euch beiden. Und macht nicht so viel Lärm, wenn ihr nach Hause kommt, ja? Mama braucht ihren Schönheitsschlaf."

"Keine Sorge Niko. Wir werden leise sein. Deinen Schönheitsschlaf brauchst du dringender als wir."

"EY!" Meilo schiebt mich schnell durch die Haustür und schlägt sie lachend hinter uns zu.

"Das war nicht nett", finde ich.

"Das kann er ab. Niko würde etwas fehlen, wenn er sich nicht über mich beschweren könnte."

"Wenn du das sagst, dann will ich dir das mal glauben. Nicht, dass er nachher das Schloss ausgetauscht hat, und wir im Auto übernachten müssen." Mich fröstelt allein der Gedanke daran.

"Keine Sorge", schmunzelt Meilo und legt seinen Arm um mich. "Selbst wenn, ich halte dich schön warm." Er kennt mich zu gut!
 

Anstatt mit dem Auto zu fahren, neben wir die U-Bahn. Das ginge schneller und wir sparen uns das Parkplatzproblem, meint Meilo. Ich widerspreche ihm nicht. Drei Stationen weiter, sind wir auch schon da. "Und wohin jetzt?", frage ich ihn, als wir oben, vor der Treppe zur U-Bahn, auf einem kleinen Platz stehen.

"Da lang." Meilo zeigt nach rechts. "Es ist nicht weit."

"Okay." Ich drücke mich an Meilos Seite und ergreife seine Hand. Man merkt, dass wir nicht weit von dem Szeneclub entfernt sein müssen. Erstens hört man schon leise die bassgeschwängerte Musik und zweitens rennen hier überall gleichgeschlechtliche Pärchen herum. "Warst du früher oft hier?"

"Gelegentlich. Die Szene ist groß und ich konnte ganz gut Geld machen mit meinen Auftritten."

"Kann ich mir gut vorstellen." Hätte ich damals einen Ort wie diesen vor der Nase gehabt, ich wäre jeden Abend auf der Rolle gewesen. "Bei uns gab es nur zwei Kneipen und eine kleine Disko", erinnere ich mich. "Meist waren immer die Selben dort."

"Dorfdisse?"

"Eher weniger, aber die Szene war nicht so groß."

"Hier ist sie riesig. Der Club ist bestimmt das Geilste, das du jemals gesehen hast, und es gibt haufenweise Bars und Cafés. Kleinere Läden mit Kleidung, Sexshops ..."

"So, so. Du kennst dich aber aus", feixe ich.

"Logisch. Jede noch so kleine Ecke." Sehr interessant.

"Gut, dann zeig mir mal die Szene. Mal sehen, ob du nicht übertreibst."

"Bestimmt nicht. Dir wird es gefallen." Darauf bin ich wirklich gespannt. Aber nicht nur auf die Szene, sondern auch darauf, mehr über Meilo zu erfahren. Über seine Vergangenheit und der Anfangszeit Keiths. Hier hat es also begonnen, oder eher gesagt, Fahrt aufgenommen. Und bald wird es enden. Bald gibt es nur noch Meilo. Meilo und mich.
 

Der Bass wummert schon ganz schön, als wir in einen Straßenzug einbiegen, der in grellen Farben beleuchtet ist und dazu noch verdammt gut besucht ist. "Wahnsinn", staune ich und beschaue die ganzen unterschiedlichen Leute. Bunt ist gar kein Ausdruck. "Gibt es hier auch was, was es nicht gibt?" Eine riesige Dragqueen stiefelt an mir vorbei. Sie trägt ein goldenes Paillettenkleid, Schuhe, die höher sind als alles, was ich vorher zu Gesicht bekommen habe, und zieht kokett an einem Glimmstängel, ehe sie mir frech zuzwinkert. Ich zwinkere zurück. Sie ist mir einfach sympathisch. Dicht neben ihr läuft ein junger Mann, abgewetzte Lederjacke und Spitzbärchen. Ein ulkiges Pärchen, falls sie denn eins sind.**

"Hier findest du alles", antwortet mir Meilo. "Und wenn du was suchst, findet sich immer jemand, der es dir 'besorgen' kann."

"Damit kennst du dich aus?" Ich bleibe stehen. "Hast du es dir hier oft 'besorgen' lassen?"

"Manchmal", gibt er zu. "Aber jetzt sag bloß nicht, du warst damals ein braver Junge, und hast dir auch nur die kleinste Chance entgehen lassen."

"Nein, das nicht", druckse ich herum. "Ich habe doch nur gefragt." Er hat ja recht. Warum stößt es mir dann jedoch so sauer auf, wenn ich dran denke, dass Meilo sich hier vergnügt hat?

"Hey Nic? Du brauchst nicht eifersüchtig zu sein."

"Bin ich nicht!"

"Dann ist ja gut", grinst er und stellt sich vor mir. "Aber lass dir eins gesagt sein, ich bin nicht mit dir hier her gekommen, um mich an vergangene Zeiten zu erinnern. Ich will mit dir hier neue Erinnerungen schaffen. Und weil du mir mal gesagt hattest, Geburtstage müssen ordentlich gefeiert werden, dachte ich, das hier ist der beste Ort dafür. Zum Feiern gibt es nämlich nur einen Club, in dem man das richtig kann." Er dreht sich zur Seite und zeigt auf ein Gebäude, schräg neben uns. Velvet steht in verschnörkelter Schreibschrift darüber, die in violetten Neon leuchtet. Ein ziemlich kleines, unscheinbares Schild, für einen so großen Club, wie ich finde.

Meilo packt mich, und gemeinsam laufen wir auf den Eingang zu. Eine kleine Treppe führt zur Tür hinauf, doch wir kommen erst gar nicht so weit. Es stehen eine Menge Leute davor. "Bist du hier auch mal aufgetreten?", frage ich ihn, in der Hoffnung, so vielleicht etwas eher hineinzukommen.

"Ein mal. Das war für eine Wohltätigkeitsshow."

"Kennst du hier jemanden, der uns das Warten verkürzen könnte?" Meilo lacht, verneint aber und meint, das sei schon zu lange her. "Mist!"

"Das geht hier schnell. Wirst schon sehen." Ich seufze und lehne mich gegen ihn. Wenigstens stehe ich bequem.

Schritt für Schritt nähern wir uns dem Eingang. Auf der Treppe geht es dann endlich schneller voran, da die bulligen Türsteher einen ganzen Schwung auf einmal reinlassen. Wir müssen dann allerdings wieder warten. Genau vor der Tür. "Das ist fies!", empöre ich mich. "Wenigstens uns könnt ihr doch noch durchlassen."

Einer der beiden Türsteher zuckt noch nicht mal mit der Wimper als er sagt, wenn sie das bei jedem machen würden, wäre der Club gleich überfüllt. Er hat einen russischen Akzent und ist mir auf Anhieb unsympathisch. Nicht, weil er Russe ist, sondern weil er uns nicht durchlässt. "Wir haben unsere Anweisungen", fügt der andere Kerl hinzu und baut sich vor uns auf.

"Ich habe heute aber Geburtstag", versuche ich es ein letztes Mal.

"Und wenn du der Kaiser von China wärst, du musst warten."

"Wenn ich der Kaiser von China wäre, würde ich hier sicher nicht stehen", schieße ich zurück. "Da hätte ich meinen Privatclub."

"Du kannst auch gleich wieder nach Hause fahren, wenn du unbedingt willst." Öh was?! Wie sind die denn hier drauf?

"Er hat nur einen Scherz gemacht", mischt sich Meilo nun ein. "Er ist das erste Mal hier und ist aufgeregt." Was soll ich sein?!

"Dann sieh zu, dass er sich abregt und nichts anstellt da drinnen."

"Das wird er schon nicht." Ich knirsche mit den Zähnen.

Was bildet sich dieser bullige Kerl eigentlich ein?! Sehe ich so aus, als würde ich randalieren? Ich zeig ihm gleich mal, wie ich randalieren kann! Dieser miese, arrogante ... "Ihr könnt rein." Mr. arroganter Türsteher stemmt die Eingangstür für uns auf. "Schön brav sein", murmelt er, als ich an ihm vorbeigehe. Meilo zieht mich weiter, ehe ich ihm einen giftigen Spruch rein drücken kann.

"Warum ziehst du mich von dem weg?", maule ich ihn an.

"Reg dich nicht auf. Er wollte dich sicher nur provozieren um zu testen, ob du überreagierst. Das machen die ganz gern mal."

"Was machen die? Was ist denn das hier für ein Club?!"

"Einer meiner Lieblingsclubs, und bitte Schatz, vergiss ihn. Die sind eigentlich alle total nett hier."

"Das habe ich gemerkt." Meilo versucht mich weiter zu beruhigen, aber meine Laune ist erstmal verhagelt.

Das ändert sich auch nicht, als er uns zwei Drinks organisiert und mich auf die Tanzfläche schleift. Angepisst schlürfe ich am Strohalm und stehe da wie eine Salzsäule. "Tanzen Nic! Beweg dich doch!", lacht mein Meilolein und kreist mit seiner Hüfte herum. Ja ... gut ... Das könnte mich milde stimmen. "Wir wollen doch feiern!" Na schön. Er hat gewonnen. So übel ist es hier nicht, und der Cocktail schmeckt auch gut. Ich ergebe mich und lege meinen freien Arm um Meilos Taille. "Geht doch!", lacht er und umarmt mich ebenfalls. "Happy Birthday, Sweety. Auf dass all deine Wünsche in Erfüllung gehen." Oh Meilo, das sind sie schon. Und du bist mein Hauptwunsch.

Während wir uns miteinander im Takt der Musik wiegen und dabei versuchen, nicht unsere Drinks zu verschütten, tauschen wir immer wieder heiße Küsse miteinander aus. Was die anderen können, können wir nämlich noch viel besser!

"Wollen wir uns erstmal setzten?", schlägt Meilo nach einer Weile vor.

"Und wo?"

"Dort." Er nickt nach links. Ich folge seinem Nicken und mache eine Reihe von kleineren Sofas aus, die an der Wand stehen. Auf einer ist sogar noch ein freier Platz.

Wir quetschen uns durch die Gäste und kommen gerade noch rechtzeitig an dem kleinen Sofa an, und schnappen den Platz zwei anderen Kerlen weg. Ääätsch! Geburtstagskind hat Vorrang! Siegreich kuschle ich mich an Meilos Seite und nippe an meinem Drink. "Wir haben noch gar nicht auf dich angestoßen", sagt er nachdenklich und hält mir sein schon halbleeres Glas hin. "Auf dich, deinen Geburtstag und auf diese Nacht."

"Auf uns", beschränke ich mich auf das Wesentliche seiner Aussage und stoße mit ihm an. Kaum einen Schluck getrunken, nimmt mir Meilo das Glas aus der Hand und stellt sie neben auf einen kleinen, runden Tisch. "Das macht man aber nicht. Man sollte nie sein Getränk unbeaufsichtigt lassen."

"Ich kaufe uns neue", raunt er mir zu, packt mein Kinn und küsst mich auf eine nicht gerade keusche Art. Knutschen in aller Öffentlichkeit. Wo geht das besser, als in einem Schwulenclub?

Aus unserem wilden Herumgeknutsche wird bald mehr, womit ich meine, unsere Hände sind unter das Oberteil des anderen gerutscht und versuchen dort so viel nacktes Fleisch zu berühren, wie nur irgend möglich. Da wir uns fast zwei Wochen lang nicht mehr gesehen haben, und ich Meilo heute schon den halben Tag lang wie eine verführerische Pastete, die auf dem Fenstersims auskühlt, vor mir habe, fällt es mir im Moment extrem schwer, mich zurückzuhalten. Am liebsten würde ich mich auf ihn setzen, ihm die Kleidung vom Leib reißen und ihn reiten, bis wir beide ausgepumpt und am Rande der Erschöpfung auf diesem kleinen Sofa liegen. Tja, aber auf Zuschauer habe ich leider keine große Lust, also, halt dich zurück Niclas! Nur naschen. Gegessen wird nachher, wenn wir unter uns sind. Doch bei aller Vernunft, in mir flüstert ein kleines Stimmchen eine höchst interessante Frage: Gibt es hier einen Ort, an dem wir ungestört sein können?

"Meilo?"

"Ja?" Ich keuche auf und vergesse kurz, was ich fragen wollte. Meilo hat begonnen, an meinem linken Ohrläppchen zu knabbern. "Was denn?"

"Gibts hier ... könnten wir ... irgendwo ungestört ... oh Mann!" Sein Daumen kreist über eine meiner Brustwarzen. Heiße Stiche schlagen in meinem Schoß ein.

"Vielleicht in den Toiletten", murmelt er und arbeitet sich mit seinem Mund zu meinem Nacken vor. Toiletten? Hört sich nicht wirklich sexy an.

"Wo sind die?" Ich muss bescheuert sein! Aber das ist immer so, wenn mein Schwanz das Denken übernommen hat. Dann wird aus einem rationaldenkenden Niclas ein dummer, notgeiler Junge.

Ich höre, wie Meilo ein leises "Wirklich?" kichert, und dann aufsteht. "Ganz wie du willst, aber ich muss dich warnen. Es wird nicht gern gesehen, wenn man sich dort miteinander vergnügt."

"No risk, no fun", sage ich nur und lasse mich von Meilo hochziehen. Darauf haben die beiden Kerle, die es zuvor ebenfalls auf unseren Platz abgesehen habe, nur gewartet. Viel Spaß euch. Wir haben was besseres vor.
 

An der Hand zieht mich Meilo hinter sich her, bis wir an den besagten Toiletten ankommen. Ein kurzer Blick genügt, um zu wissen, dass dort schon genug Vergnügungen stattfinden. "Und jetzt?", frage ich ihn. "Da gehe ich sicher nicht rein." Ich war einmal in meinem Leben in einem Darkroom. Es war überhaupt nicht meins, und nach kurzem Umschauen, habe ich ihn wieder verlassen. Das da drinnen, hört sich genau so an.

"Entweder hier, oder ..."

"Oder?"

"Oder wir bleiben hier", flüstert Meilo mit einschmeichelnder Stimme und bugsiert mich in eine dunkle Ecke.

"Oh nein!", lache ich entrüstet auf. "Auch wenn es noch so dunkel hier ist, wir werden hier nicht ..."

"Hey! Ihr da!" Ich zucke furchtbar zusammen. Auch Meilo dreht sich erschrocken um. Ein kleines aber helles Licht blendet uns. "Vögelt gefälligst wo anders!"

"Aber wir haben nicht ...", wagt Meilo einen Versuch, dem langhaarigen Kerl zu erklären, dass wir doch gar nicht dabei waren zu vögeln, auch wenn wir es eigentlich vorhatten, doch der Typ lässt ihn nicht ausreden.

"Mir egal", brummt er. "Sucht euch einen anderen Platz zum Rummachen." Das Licht schwenkt zu den Toiletten, die er kurz nach seiner Ansprache betritt, und dann dort ebenfalls seine Stimme erhebt.

"Ich sag doch, es wird nicht gern gesehen, wenn man sich in den Toiletten vergnügt."

"Das kann man aber auch freundlicher sagen", finde ich. Langsam geht mir das Personal des Velvets echt auf den Zeiger. "Weißt du was? Wir gehen jetzt Tanzen, trinken noch was, und dann fahren wir wieder zu Niko und Lars. Und wenn wir angekommen sind, werde ich dich auf der Stelle vernaschen."

"Hört sich gut an", schmunzelt mein Schatz, küsst mich und zerrt mich danach wieder vor in den Club, wo wir uns sofort auf die Tanzfläche wagen.
 

Einige Songs lang halten wir ganz gut durch. Bis uns die Puste ausgeht. Geschafft und ausgedörrt schlagen wir uns zur Bar durch, wo uns Meilo zwei große eiskalte Bier bestellt. "Boha! Hatte ich einen Brandt", stöhne ich, nachdem ich beinahe die ganze Flasche auf einmal hinuntergekippt habe. "Tanzen strengt an."

"Wie wahr."

"Habe ich lange nicht mehr gemacht", überlege ich laut. "Als ich mit Kilian zusammengekommen bin, gingen wir zwar hin und wieder aus, aber das war ganz anders als das hier. Und nach unserer Trennung, hatte ich keine Lust auf Party machen."

"Kann ich verstehen. Nachdem ich mich von Benedikt getrennt habe, waren mir teilweise sogar die Konzerte zu viel. Ich hätte mich am liebsten verkrochen, aber das ging natürlich nicht."

"Wie hast du das durchgestanden?" Ich wäre verrückt geworden, wenn ich mich, statt in meinem Selbstmitleid hätte suhlen dürfen, stattdessen bei fremden Menschen gut Wetter machen müssen.

"Ich habe mich in meine Arbeit gestürzt. Irgendwie hat das auch geholfen."

Bedauernd lege ich meine freie Hand in seinen Nacken und schmuse mit meiner Nase über seine. "Nie wieder Liebeskummer", verspreche ich ihm. "Du wirst mich nicht wieder los."

"Das hoffe ich doch", lacht er auf und küsst mich. "Habe ich dir schon mal gesagt, wie glücklich du mich machst?"

"Ja, das hattest du schon ein paar Mal erwähnt", erinnere ich mich. "Aber es tut gut, es nochmal zu hören." Das er mich genauso glücklich macht, brauche ich nicht noch extra laut auszusprechen. Ich glaube, dass kann ich auch ganz gut ohne Worte rüberbringen.

Meilo lächelt mich verliebt ab und nimmt mir zum wiederholten Mal mein Getränk ab. "Was ...?"

"Komm mit. Gehen wir wo hin, wo es ein bisschen ruhiger ist." Er will doch nicht etwa wieder zu den Toiletten? Scheint nicht so, denn er zerrt mich die Stufen zum Ausgang hinauf.

"Warum gehen wir denn schon?", frage ich ihn draußen.

"Wir gehen nicht, wir siedeln nur um", ist seine Erklärung und führt mich auf eine Bar zu. M steht über der Tür. Sehr einfallsreich. Lesben dürfen da wohl nicht rein?

In der Bar, die im eigentlichen Sinne eher eine Kneipe ist, herrscht beinahe Ruhe, nach der lauten Bassmusik im Club. Meilo und ich setzen uns an einen der freien Tische und schauen uns um. "Hier hat sich gar nichts verändert", grinst er. "Sogar das Geschmiere ist noch da." Er deutet auf die Tischplatte vor sich. Erst jetzt bemerke ich, dass das gar kein hässliches Muster ist, sondern tatsächlich Geschmiere. "Bier?"

"Gern", segne ich ab und schaue Meilo kurz hinterher, wie er zur Bar geht. Dann wandert meine Aufmerksamkeit wieder zu den Schmierereien. Neben ziemlich obszönen Zeug, stehen dort auch viele Liebesbekundungen. Bestimmt sind die Meisten davon im Suff draufgekrakelt worden.

"Bitte sehr. Frisch gezapft."

"Danke." Durst!

"Und sieh mal, was ich mir ausgeliehen habe." Meilo hält zwei schwarze Edding-Stifte in die Höhe.

"Was hast du mit denen vor?" Eigentlich kann ich es mir schon denken. Ich weiß aber nicht, ob mir das auch gefällt. Ich will auf keinem Kneipentisch verewigt werden.

"Einen für dich, einen für mich."

"Und dann?"

"Dann krabbeln wir mit ihnen unter den Tisch." Wie bitte?

"Sollen wir uns damit lustige Bildchen auf den Bauch malen, oder wieso meinst du dich mit mir unter dem Tisch verstecken zu müssen?" Meilo ist manchmal wirklich seltsam.

"Komm mit drunter, dann zeige ich es dir", meint er nur, grinst, und taucht ab. Ich schaue mich um. Was denken die anderen Gäste von uns, wenn wir beide unter den Tisch kriechen? "Nic? Runter mit dir!" Oh Mann, na schön!

Ergeben rutsche ich vom Stuhl und gehe in die Knie. Ich vermeide es tunlichst, dabei den Boden mit mehr als mit meinen Schuhsohlen zu berühren. Wer weiß schon, was sich alles auf einem Kneipenboden tummelt? Ich möchte das klebrige Geheimnis jedenfalls nicht lüften.

Unter dem Tisch grinst Meilo mich spitzbübisch an und reicht mir einen der Stifte. "Damit könnte ich dir einen prima Bart unter die Nase kritzeln", ziehe ich ihn auf und öffne die Kappe.

"Versuche es, und du bist der Nächste, der einen Schnauzer verpasst bekommt." Wie gemein! "Aber mal im Ernst", spricht Meilo weiter. "In dieser Bar gibt es einen kleinen Brauch."

"Unterm Tisch am Edding-Stift schnüffeln?"

"Quatsch!" Böh! "Wir werden jetzt unsere Namen an jedes der Tischbeine schreiben."

"Ähm … Und das soll was bezwecken?"

Meilo lächelt mich an. "Der Brauch besagt, dass jedes Pärchen, das dies macht, bis ans Ende ihrer Tage glücklich miteinander zusammen sind."

Ich bin von Natur aus ein skeptischer Mensch. Sehen statt glauben ist mein Lebensmotto. Sonst könnte ja jeder daherkommen und mir einen Bären aufbinden. Meilo ist zwar nicht jeder, aber dennoch frage ich ihn: "Gibt es dafür auch Beweise?"

"Brauchst du unbedingt einen?"

"Es wäre schon interessant zu wissen, ob das stimmt." Bleibt noch die Frage, wieso es gerade den Pärchen vergönnt ist, auf Ewig miteinander glücklich zu sein, die ihre Namen an die Tischbeine eines Kneipentisches krakeln. Warum nicht an die Kanten der Tischplatte? Genau das möchte ich von Meilo wissen.

"Weil die Tischbeine wichtig sind", erklärt er Oberschulmäßig. "Ohne ihn bricht der Tisch zusammen, nicht? Wenn wir unsere Namen an jedes Tischbein schreiben, symbolisiert es, dass unsere Beziehung auf stabilen Beinen steht." Eins muss man diesem Kneipen-Brauch lassen, irgendwie ist er ganz goldig.

"Das ist fast genau so, wie wenn man seine Initialen in einen Baumstamm ritzt", sinniere ich. "Schön, machen wir es." Bei länger Betrachtung, ist die Sache eigentlich ganz süß. Wir zwei, an meinem Geburtstag, in einer kleinen Kneipe, schreiben unsere Namen auf einen Kneipentisch, der für die ewige Liebe garantieren soll. Meilo kommt auf Ideen!

"Du schreibst meinen Namen, ich deinen", bestimmt Meilo und beginnt an Tischbein Nummer eins.

"Ist das auch so Brauch?"

"Ja. Sonst funktioniert es nicht. Und du darfst keine der anderen Namen überschreiben." So viele Regeln.

"Du musst ja oft hier gewesen sein, um das zu wissen", lache ich.

"Eigentlich nicht, aber ich habe mal mitbekommen, wie ein Pärchen sich hier verewigt hat."

"Und hast dir vorgenommen, dies auch mal zu tun", sage ich in der Überzeugung, dass er dies wirklich wollte. Wieso sonst wären wir sonst hier.

"Unbedingt!"

Ich halte inne, Meilos Namen unter ein Pärchen zu schreiben, das David & Jack heißt. Stellt euch vor. Das I von David ziert ein Herzchen! Ist das zu fassen?*** "Hast du etwa mit deinem Exfreund hier …?"

"Habe ich nicht", antwortet er prompt. "Dazu kam es gar nicht."

"Was für ein Glück. Stell dir vor, ihr hättet euch hier verewigt. Dann wärt ihr immer noch zusammen." Meilo grinst schief und rutscht zu mir rüber.

"Ich bin überzeugt davon, dass es Schicksal war, dass ich jetzt mit dir hier hocke, und nicht mit …"

"Dann bin ich aber beruhigt", schnurre ich leise und beuge mich zu ihm, um ihn zu küssen, doch er hält mich auf.

"Noch nicht. Erst müssen unsere Namen in allen vier Ecken stehen."

Ich ziehe eine Augenbraue nach oben. "Gehört das ebenfalls zum Brauch?"

"Ich habe die Regeln nicht gemacht", lacht Meilo und zückt wieder seinen Edding, um meinen Namen neben seinen zu schreiben. "Fertig", verkündet mein Liebling, nachdem wir alle Ecken mit unseren Namen verziert haben.

"Weißt du, an was mich das erinnert?"

"An was denn?"

"An diesen Spruch, denn man manchmal in Poesiealben findet. In allen vier Ecken soll Liebe drin stecken, oder so ähnlich."

Meilo schaut mich an, als hätte ich eine dicke Hummel auf der Nase sitzen. "Du hattest ein Poesiealbum?"

"Doch nicht ich!" Was denkt er denn von mir? "Meine Schwester hatte eins, und hat es mir damals ständig vorgelesen." Vor ihrer Pubertät hing sie beinahe jede Sekunde an meinem Rockzipfel, sobald ich das Haus betrat. Die Zeiten ändern sich. Jetzt wird sie an Meilos hängen, wenn ich nicht aufpasse.

"Ach so", schmunzelt Meilo. "Ich hab schon Angst bekommen."

"Pff! Idiot!" Er lacht immer noch. "Hör auf und küss mich lieber endlich, damit die vier Ecken auch anfangen können zu wirken."

"Zu Befehl."

Tja. Und so kommt es, dass wir unter einem Kneipentisch knien, zwei schwarze Stifte in der Hand, und uns leidenschaftlich Küssen. Was für ein Geburtstag!
 

"Jetzt ist es besiegelt. Du gehörst ab jetzt bis in alle Ewigkeit zu mir."

"Welch eine Ehre", antworte ich. "Woher wusstest du, was ich mir zu meinem Geburtstag gewünscht habe?"

"Ich wusste es einfach", grinst Meilo.

Ich lege einen Arm um Meilos Nacken. "Mein süßer Hellseher ..." Ob ein zweiter Kuss unter dem Kneipentisch mehr Wirkung erzielt? Testen wir es.

Es dauert nicht lange, da entfällt mir ganz und gar, wo wir uns befinden, lehne mich gegen Meilos Oberkörper und schwebe mit ihm davon. Wahrscheinlich würden wir hier unten total die Zeit vergessen, würde nicht plötzlich jemand Meilos Namen rufen.

"Ähm ... ja?" Verwirrt schaue ich Meilo an, der sich von mir entfernt und unter dem Tisch hervorlugt. Seufzend rutsche ich ebenfalls nach hinten und stelle mich auf.

"Du bist es ja wirklich!", lacht eine mir unbekannte Stimme, eben jene Stimme, die Meilos Namen gerufen hat. "Mensch! Was für eine Überraschung!" Der Typ, ungefähr in unserem Alter, braunes Haar, eine kleine Zahnlücke und braune, fast bernsteinfarbene Augen, breitet grinsend die Arme aus und was tut Meilo? Er geht auf die Einladung ein und drückt den Fremden an sich.

"Robin! Wie schön dich mal wieder zu treffen." So fremd ist der Kerl dann wohl doch nicht. Meilo ist ja ganz schön begeistert diesen Robin hier zu treffen. Ich überlege fieberhaft, ob dieser Typ mit auf den Fotos war, die Niko uns vorhin gezeigt hat, komme aber zu dem Schluss, dass Robin dort nicht drauf war.

"Wir haben uns ja ewig nicht mehr gesehen."

"Mindestens", lacht mein Schatz und dreht sich zu mir herum, behält allerdings einen Arm um Robins Schulter gelegt. "Robin? Das ist Niclas. Mein Partner." Ja, genau! Niclas dein Partner ist auch noch da.

"Nic? Das ist Robin. Ein alter Bekannter von mir."

"Hallo Robin", lächle ich. "Schön dich kennenzulernen." Oder auch nicht.

"Alt? Hallo?! Ich bin nicht alt!" Der beachtet mich gar nicht! Grrrr! "Und das ist dein Freund? Du hast endlich einen abgekommen?" Bitte? Was heißt hier endlich abbekommen? "Das freut mich für dich." Er klopft Meilo auf den Rücken. "Darf ich mich setzen?" Nein!

"Gerne." Meilo ist leider nicht einer Meinung mit mir.

"Hab ich richtig gesehen? Ihr habt euch der ewigen Tischbein-Treue-Zeremonie unterzogen?" Robin sieht erst mich, dann Meilo an.

"Haben wir", bestätigt mein Liebling ihm.

"Es ist was Ernstes zwischen euch?"

"Allerdings", sage ich. "Sehr ernst."

Robin glotzt traurig. "Schade", schmollt er. "Und ich hatte eben noch auf einen Dreier mit euch gehofft." WAS?! "Bock?"

"Nein!", japse ich, vielleicht ein kleines bisschen zu panisch. Aber mal ehrlich: Was denkt der sich?

"Holla!" Dieser aufdringliche Robin hebt abwehrend die Hände. "War doch bloß eine Frage." Tss!

"Danke Robin, aber wir lehnen ab", kichert Meilo. Ich weiß nicht, was es da zu kichern gibt, weshalb ich ihn auch eingeschnappt anschaue.

"Du warst schon immer einer der treuen Sorte, nicht? Trotzdem schade. Hätte sicher Spaß gemacht." Ihm sicher. Der soll ja seine Finger von Meilo lassen. Wieso sitzt der eigentlich neben ihm?

"Wie ich sehe, bist du immer noch so umtriebig wie damals?", fragt ihn Meilo. Der war schon immer so?

"Die meiste Zeit über schon", lacht dieser Robin. "Beziehungen sind nicht so mein Ding."

"Du hast es mal versucht?"

"Oh ja! Aber leider ... konnte ich der Versuchung nicht widerstehen." Das ist ja ein tolles Früchtchen. Ein Fremdvögler. "Aber bevor ihr mich verurteilt, der, mit dem ich zusammen war, hatte mich nur als Ersatz für seinen Ex. Jetzt ist er wieder mit ihm zusammen, und alle sind glücklich."

"Das heißt wohl, hier vögelt jeder mit jedem, oder was?", frage ich nach.

"Was mich betrifft, klar, warum nicht?" Ich kann diesen Typen nicht ab. Nicht, dass ich was gegen zwanglosen Sex habe, aber er bringt mich irgendwie auf die Palme. Ich mag ihn nicht.

Das scheint auch Meilo zu bemerken, der meine Hand umfasst und aufsteht.

"Robin? Es war schön, dich mal wieder zu sehen, aber wir wollen nochmal rüber in den Club."

"Verstehe", nickt Robin und steht zusammen mit mir auf. "Viel Spaß euch noch."

"Dir auch Kleiner", schmunzelt Meilo und umarmt ihn zum zweiten Mal. Von mir darf er keine Umarmung erwarten. "Bye!"

"Tschau! Und tut nichts, was ich nicht auch tun würde." Ganz sicher nicht!

Draußen vor der Kneipe halte ich es nicht aus. "Wer war denn das?", frage ich Meilo zischend. "Was für Szenehuschen kennst du denn?"

"Als Sänger, der in Glitzerfummeln und mit Schminke im Gesicht auftritt? Eine Menge!" Ha ha. "Ich hatte mal was mit ihm." Kaboom! Eben hat mich was am Kopf getroffen. Jedenfalls fühlt es sich so an, weshalb ich stehen bleibe, und Meilo sprachlos anstarre. Dabei halten wir uns noch immer an den Händen. "Schau nicht so. Es war nur für eine Nacht."

"Du und der? Ohne Scheiß?" So recht will ich das nicht glauben. Die passen doch gar nicht zusammen!

"Ohne Scheiß", gluckst mein Liebling.

"Konntest du nichts besseres finden?" Da überläuft es einen ja richtig!

"Doch, habe ich. Dich." Er dreht sich zu mir und grinst mich verdorben an.

"Ich meinte doch damals! Als du noch hier warst und ..."

"Du sagst es Nic. Es ist damals passiert. Keinen Grund, die beleidigte Leberwurst zu spielen." Verflucht! Wie es manchmal hasse, wenn er recht hat! "Robin ist ein netter Kerl, wenn auch wirklich ein wenig szenehuschig angehaucht." Szenehuschig. Das Wort steht bestimmt demnächst im Duden. Und daneben ist ein Bild von Robin. "Nach dieser Nacht haben wir öfter zusammen einen getrunken. Mehr nicht. Wir wurden Freunde. Eigentlich eher Bekannte."

"Trotzdem hätte ich dir einen besseren Geschmack zugetraut. Auch damals schon." Meilo lacht bloß wieder, dreht sich um, und schleift mich zurück ins Velvet. Hoffentlich treffen wir dort nicht noch mehr von seinen ehemaligen Bettgeschichten. Robin hat mir vollkommen gereicht.
 

******
 


 

Und? Überrascht? ^^

Nur falls Fragen aufkommen, die Story von Niko und Lars steht auch noch auf meiner Liste. Sie tauchen bis jetzt nur in einer noch nicht veröffentlichten Story als Nebenpersonen auf. Die Betonung liegt auf noch ;-)
 

*Niclas, Nicole, nicht zu vergessen Knilch-Niklas und nun Niko.

Nein, die Autorin hat keine Namensfindungsschwierigkeiten. Jedenfalls nicht mehr als sonst xD

Niko gab es schon vor Niclas und seiner Schwester. Schreibtechnisch gesehen ^^
 

** Jo Niclas. Sind sie :-P
 

*** Bei genauerer Überlegung muss Jack ja Davids Namen auf das Tischbein geschrieben haben. Was bedeutet, Jack malt Herzchen über den I's! *laut lach*

Jack: David wollte das so!

Fara: Ja, ja. Versuch dich nur raus zu reden. Das klappt eh nicht.

Love bite 32 - Friends will be Friends

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 32 - Friends will be Friends (Ohne Adult)

Love bite 32 - Friends will be Friends (Ohne Adult)
 

"Möchtest du noch einen?"

"Ich glaube nicht." Lalle ich etwa? "Ich hatte genug." Definitiv! Meilo sieht mich genau an, lächelt dann und trinkt den letzten Rest seines Getränkes aus. Er denkt anscheinend genauso wie ich.

Wir hocken an der Bar des Velvets und sind doch tatsächlich zwei den letzten Gästen hier. Ein paar vereinzelte Pärchen tanzen noch eng umschlungen auf der Tanzfläche, sonst ist nicht mehr viel los. Die Barkeeper sind indes schon am Aufräumen, und die Musik ist auch schon leiser gedreht. "Wie lange ist eigentlich geöffnet?"

"Keine Ahnung." Meilo zuckt mit den Schultern. "Aber ich würde sagen, wir machen uns langsam mal auf den Weg."

"Ja", gähne ich. "Nicht, dass wir noch in der U-Bahn einschlafen."

"Könnte passieren." Mein Schatz winkt den Barkeeper heran und bestellt sich noch einen Kaffee. "Du auch?"

"Ich trinke einen Schluck von dir mit." Von Kaffee muss ich nur wieder die ganze Nacht aufs Klo rennen.

Müde stütze ich den Kopf auf meinen Handballen ab, während Meilo sich seinen Kaffee schmecken lässt. Irgendwie habe ich die leise Befürchtung, dass mit mir heute Abend nicht mehr viel los ist. Na ja, Abend ist gut. Es ist schon halb drei Uhr morgens.

"Hey ihr zwei Süßen. Wir schließen gleich ab." Ein kleiner Knilch steht plötzlich vor uns. Ein Barkeeper mit rote gefärbten Haaren und so groß wie ein Gartenzwerg. Die roten Haare sollen wohl die rote Gartenzwergmütze darstellen. Bei der Vorstellung wandern meine Mundwinkel kurz nach oben.*

"Wir sind gleich verschwunden", antwortet ihm Meilo, was bei dem Zwerg strahlendes Augenleuchten hervorruft. Dieses Leuchten kenne ich nur zu gut.

"Ich will euch nicht verjagen, aber wir haben eben unsere Öffnungszeiten."

"Kein Ding", krächze ich. "Wir wollen sowieso ins Bett." Ich grinse in mich hinein, denn mit diesen Worten habe ich Meilos Hand ergriffen und behalte dabei den kleinen Zwerg vollstens im Blick. Manchmal bin ich eben besitzergreifend. Aber nicht sehr oft. … Echt nicht! … Warum glaubt mir den keiner?

"Na dann viel Spaß. Mein Freund wartet auch schon auf mich", zwinkert's Zwerglein und zischt grinsend davon.

"Sowas", murmle ich. "Ich dachte, der wollte dich anmachen."

"Was? Der?" Ich nicke. "Du träumst schon, oder?"

"Wieso?"

"Na deswegen." Meilo zeigt mit dem Zeigefinger verstohlen hinter dem Zwerg her. Dieser hängt doch wirklich in den Armen dieses pöbelnden Türstehers, der mich vorhin dumm angemacht hat!

"Sachen gibt's", wundere ich mich. "Die passen doch gar nicht zusammen."

"Woher willst du das denn wissen? Wo die Liebe hinfällt, sage ich nur." Meine Hand wird fester umfasst und mit einem beherzten Ruck seitens Meilo, lande ich an seiner Brust, wobei ich fast vom Barhocker geflogen wäre, hätte er mich nicht aufgefangen. "Fall nicht", kichert er. "Ich will doch nicht, dass meine Liebe hinfällt."

"Wow, wie schlagfertig", lobe ich ihn nicht ganz so begeistert, wie er es sich eventuell erhofft hat.

"Es ist spät", redet Meilolein sich raus. "Lass uns gehen." Nichts dagegen einzuwenden. Ehe noch schlimmere Wortspiele aus seinem zuckersüßen Mund purzeln.
 

Ich schwanke ganz schön, bemerke ich, als wir die Stufen erklimmen. Wie gut, dass ich mich an Meilo festhalten kann. Draußen an der Nachtluft wird es nicht viel besser. "Ich bin betrunken," lalle ich und reibe mir die Stirn. "Du bist schuld!"

"Ich?", kichert meine zweite Hälfte.

"Ja! Du hasd als die Drings angeschle-lebbd!" Oh Kacke! Kennt ihr das Gefühl, noch so weit nüchtern im Kopf zu sein, um zu merken, wie besoffen der Rest eures Körpers ist? Kein schönes Gefühl, wenn man all die Dämlichkeit eines Alkoholrausches mitbekommt.

"Du verträgst nur nichts. Mir geht es gut, und ich habe genau soviel getrunken wie du."

"Angeber!" Wieder lacht er. "Ich bin müde." Mein Kopf kippt auf Meilos Schulter. "Trag mich."

"Soll ich?"

"Ja." Als ob er das machen wür... "AHH!" Der Boden unter meinen Füßen verschwindet. Mit meinem alkoholvernebelten Augen schaue ich mich um, und stelle fest: Meilo hat mich wirklich auf seine Arme gewuchtet! "Du schpinnst!", quietsche ich und klammere mich an Meilos Nacken.

"Du wolltest doch, dass ich dich trage."

"Ja aber, ich dachte nich, dass su das machst." Ich halte lieber die Klappe. Das betrunkene Geschwätz bringt mich dazu, mich über mich selbst zu schämen.

"Langsam solltest du mich besser kennen", lacht Meilo und schleppt mich bis zur U-Bahn Treppe. Erst dann setzt er mich wieder ab. "Die Treppen gehen wir besser zu zweit." Na schön.

An ihn gelehnt schleppe ich mich bis zum U-Bahnbahnsteig. Keine zwei Minuten später rauscht sie heran. "Da hatten wir Glück", meint Meilo. "Die Nächste kommt erst in einer halben Stunde."

"Wie schön ..." Ich kann seinen Worten nicht mehr ganz folgen, aber was soll's? Wenn Meilo meint, wir hätten Glück, dann ist das doch schön, oder?

In der Bahn falle ich müde auf einen der Sitzplätze. Kaum habe ich den Sitzplatz berührt, rasseln meine Augenlider nach unten. Shit! Das war's dann offenbar mit einer heißen Nacht in Meilos Armen. Das wird viel mehr eine lauwarme Nacht unter der kuscheligen Bettdecke. Kein Geburtstagssex für klein Niclas. Ich reiche Beschwerde ein! Bei wem, dass muss ich mir noch überlegen. Vielleicht beim Gartenzwerg und dem Türsteher-Grobian. Ich lache leise auf. Grobian und Gartenzwerg. Hört sich an wie ein Märchen der Gebrüder Grimm.

"Nic? Aufwachen. Wir müssen gleich raus." Meilo rüttelt mich am Arm. Ich knurre unwillig, stemme dann doch meine Augenlider nach oben. "Schaffst du es noch bis zu Lars' und Nikos Wohnung?"

"Ich muss ja." Eine warme Hand krault über meine Wange. Wenigstens etwas Trost für mich müdes, betrunkenes Geburtstagskind.

Bis zur Wohnung muss mich Meilo regelrecht mit sich schleifen. Ich schwanke immer stärker und stolpere sogar ein, zwei Mal. "Ich will ins Bett", quengle ich.

"Wir sind gleich da", beruhigt mich mein Schatz. Was er jetzt bloß von mir denkt? Ich mag es eigentlich gar nicht wissen.

Als wir endlich in Nikos und Lars' Wohnung angekommen sind, suche ich gleich das Gästezimmer auf, in dem ich schwankend auf das Bett zu hechte und mich einfach drauf fallen lasse. "Schlafen", seufze ich und dämmere weg, während sich das Bett um seine eigene Achse zu drehen scheint.

Das Nächste, das ich mitbekomme ist, wie mich jemand aus den Klamotten befreit und unter die Bettdecke legt. Eindeutig Meilos Werk. "Schlaf gut, meine süße Schnapsdrossel", höre ich ihn leise schmunzeln, dann wird es ruhig. Nur die leisen Atemgeräusche neben mir lassen mich wissen, das er ganz in meiner Nähe ist.
 

***
 

Es ist zum in die Luft gehen! Verdammt, wer wagt es mich aus dem Schlaf zu klingeln?! Dank meiner Wut ist das Hämmern hinter meine Stirn zu ertragen, als ich die Augen öffne und nach meinem piepsenden Handy angle. "Was?!", knurre ich den Störenfried ungehalten an.

/Brüll mich nicht so an!/ Nicole! War ja klar.

"Was willst du?"

/Ist Meilo in deiner Nähe?/

"Keine Ahnung." Ich weiß es wirklich nicht. Neugierig blinzle ich neben mich und da liegt er. Das Gesicht im Kissen vergraben. "Er schläft noch."

/Oh. Wann ist er denn immer wach?/ Boha, nerv nicht!

Ich schlucke meine erneut aufwallende Wut runter und drehe mich auf die Seite, weg von Meilo, den ich unter keinen Umständen aufwecken möchte. "Weiß nicht. Ist spät gestern geworden."

/Wo seit ihr?/

Auch hier wieder meine heutige Lieblingsantwort: "Keine Ahnung. Bei Freunden von Meilo."

/Wann kommt ihr wieder?/

"Keine Ahnung." He he. Nicole seufzt genervt. "Ich weiß es echt nicht. Meilo hat mich entführt."

"So? Habe ich das?", raunt es leise hinter mir. Ich halte schnell die Hand vor die Sprechmuschel. Nicole scheint nicht mitbekommen haben, dass Meilo wach geworden ist, und so soll es auch bleiben.

Die Matratze bewegt sich unter mir, da sich Meilo an mich robbt mir sich an meinen Rücken schmiegt. Ja aber hallo! Guten Morgen Mr. Morgenlatte! Schön, Sie schon so früh am Morgen gesund und munter zu erleben. Einen Moment, ich werde Ihnen gleich ausgiebig die Hand schütteln. "Nicole? Ich muss auflegen. Hab 'nen Kater."

/Ja, aber .../ Und aufgelegt. Jetzt noch schnell das höllische Handy ganz ausschalten und fertig.

"Das war aber nicht nett", findet Meilo, knabbert mir aber am Nacken herum.

"Soll ich dabei sie zuhören lassen, wenn du mir 'das da' an den Hintern reibst?" Das möchte bestimmt keiner von uns beiden.

"Eher nicht", pflichtet mir mein eindeutig schon sehr wacher Freund bei. "Bei so etwas bin ich lieber alleine mit dir."

"Gute Antwort", lobe ich ihn und strecke den Hals durch. "Tut mir leid, dass ich gestern einfach weggepennt bin." Das war ganz schön peinlich, so im Nachhinein betrachtet.

"Mach's wieder gut, wenn es dir leid tut", schlägt Meilo mir vor und lässt eine Hand über meine Seite bis zu meinem Bauch gleiten, wo sie jedoch leider untätig liegen bleibt. Allerdings bringt es diese kleine Berührung zustande, das nervige Hämmern in meinem Kopf zu verjagen und beschwört dafür das erregende Pochen in meinen Nervenbahnen herauf, das mich immer erfasst, wenn Meilo mir so eindeutig klar macht, dass er mich will.

"Okay", sage ich gedehnt. "Lass es mich wiedergutmachen."
 

*
 

"Du schnaufst ... wie ein Walross."

"Du aber ... auch", schieße ich japsend zurück und patsche Meilo auf den Hintern.

"Ich hatte ja auch ... die meiste ... Arbeit." Meilo dreht sich auf den Rücken und zieht mich mit sich.

"Hast du ... gut gemacht." Ein wenig Lob muss hin und wieder sein.

"Danke", lacht er und rückt sich wieder seine Unterhose zurecht.

"Eine Retropantie?", frage ich und begutachte das grün-schwarz karierte, hautenge Teilchen.

"Erkennst du sie?"

"Sollte ich sie denn erkennen?"

"Die hatte ich an, als wir unsere erste Nacht miteinander verbracht haben."

"Ach so." Das weiß er noch? "Darauf habe ich nicht geachtet. Außerdem war es dunkel, als du zu mir ins Bett geklettert bist." Ich schwelge leicht in den Erinnerungen unseres Kennenlernens dahin. "Mir ist fast das Herz in die Hose gerutscht, als du mich so hinterrücks überfallen hast."

"Mir auch", schmunzelt Meilo. "Ich dachte, wenn er mich jetzt zurückweist, schnappe ich mir meinen Kram und penne im Auto."

"Wirklich?"

"Ungelogen. Ich hätte es gemacht."

"Und wenn ich dich nicht hätte gehen lassen?"

"Egal. Das wäre mir zu peinlich gewesen." Ich entdecke doch immer wieder neue Seiten an meinem Meilo. "Eine weitere Abfuhr von dir hätte ich nicht verkraftet."

"Ich habe dir vorher eine Abfuhr erteilt?" Habe ich das? Ich überlege und überlege, aber mir fällt nichts dergleichen ein.

"Sag bloß, du erinnerst dich daran auch nicht mehr?"

Ich schüttle reumütig den Kopf. "Was habe ich denn gesagt?"

"Diese Pyjama-Party Sache. Ich meinte, dass ich keinen habe und sowieso nur in Unterwäsche schlafe, oder nackt." Jetzt erinnere ich mich wieder! Wie könnte ich das auch vergessen? "Du meintest, das sei auch nicht schlecht, was ich für eine eindeutige Anmache hielt, doch dann hast du mich wieder abgeblockt und hast gesagt, dass du auf Party keine Lust hast. Das hat mich echt getroffen, nachdem ich dachte, du stehst ebenfalls auf mich." Ups.

"Sorry", murmle ich. "Ich war mir nur nicht sicher, was ich wollte. So kurz nach der Trennung und dann war ich auch noch total aus der Übung was solche Dinge wie Flirten anging. Ich wusste selbst nicht, glaube ich, was ich wollte. Doch als du zu mir gekommen bist, ging plötzlich alles wie von selbst."

"Und du ahnst nicht, wie froh ich darüber war."

"Oh doch!", lache ich und schiebe mich auf Meilos Brust. "Mindestens so froh wie ich."

"Könnte sein", gluckst mein Schatz und zieht meinen Kopf zu sich. Knutschen am Morgen, nachdem man miteinander geschlafen hat. Besser kann der Tag doch gar nicht beginnen. "Was hältst du von Frühstück? Hunger?"

"Schon ein bisschen", gebe ich zu. "Aber hier mit dir zu liegen ist viel zu schön." Ich schließe seufzend die Augen. "Nur noch ein wenig liegen bleiben."

"Na schön. Aber nicht wieder einschlafen."

"Bestimmt nicht." Aber von wegen nicht einschlafen. Natürlich schläft man nach dem wieder Sex ein. Das ist doch ganz normal. Nach einer Nacht wie der Letzten sowieso.

Irgendwann wache ich wieder auf und stelle fest, Meilo ratzt noch tief und fest. "Meilo?" Ich tippe mit dem Zeigefinger auf seiner Brust herum. "Meilo? Wach auf." Er räkelt sich müde und kräuselt die Nase. Einfach zu putzig! So putzig, dass ich ihn küssen muss. "Öffne deine Äugelein, mein Schatz." Ein Grinsen erscheint auf seinen Lippen und langsam kommt Leben in ihn. "Du bist eingeschlafen", kichere ich und verschweige, dass ich ebenfalls weggenickt bin.

"Bin ich?"

"Ja."

"Das bin ich allerdings nur, weil du vor mir eingepennt bist."

"Gar nicht wahr!"

"Wohl wahr. Du hast geschnarcht."

"Lügner! Ich schnarche nicht." Immer diese gemeinen Unterstellungen!

"Wenn du meinst ..." Bah!

Aus Rache petze ich ihn in die linke Brustwarze und sehe zu, das ich Land gewinne. "Bin duschen!", trällere ich und verschwinde ins angrenzende Badezimmer. Meilo antwortet etwas, das ich nicht verstehe. Ich frage lieber nicht nach. Zudem habe ich das dumpfe Gefühl, dass er es mir gleich nochmal von Angesicht zu Angesicht erklären wird.

Ich schlüpfe aus meiner Shorts und dann fix unter die Dusche. Noch die Glastür hinter mir zu, dann stelle das Wasser an. "Kalt!" Scheiße!

"Geschieht dir recht", lacht Meilo jenseits der Glasfront. Er hat die Arme vor der Brust verschränkt und sieht mich beinahe überheblich an. Dabei grinst er schadenfroh. Er sieht aus, als wäre er einem Katalog für Unterwäsche entsprungen, mit seinen Retropanties.

Ich drehe am Wärmeregler, bis das Wasser angenehm warm wird. "Viel besser", seufze ich zufrieden und strecke den Kopf nach oben.

Wie lange es dauern wird, bis Meilo ... "Mach mal Platz." Das hat definitiv nicht lange gedauert.

"Endlich", feixe ich. "Ich dachte schon, du begnügst dich allein damit, mich beim Duschen zu bestaunen."

"Das wäre mir zu eintönig", haucht er mir gegen den Nacken und schiebt sich dicht an mich. Sofort fällt mir was auf, was hier nicht hingehört.

"Hast du etwa vergessen, dir die Pantie auszuziehen?"

"Möglich."

"Willst du sie anlassen?"

"Nicht wirklich." Seine Lippen schmusen über mein linkes Schlüsselbein.

"Soll ich mich darum kümmern?", frage ich ihn kichernd.

"Wenn du magst." Und ob ich mag! Es gestaltet sich etwas schwierig, aber ich bekomme die feuchte Pantie über Meilos Hintern gezogen. Mit einem leisen Patsch landet sie auf dem Boden der Dusche.

Sofort mache ich mich an Meilo ran, lege ihm meine Arme um den Nacken und fange seine Lippen ein, doch er wehrt mich ab! Ernsthaft! Ohne Scheiß! "Meilo?" Ich kann euch gar nicht sagen, wie verdattert ich gerade bin.

"Rache", flüstert er leise mit einem selbstgefälligen Grinsen auf den Gesichtszügen. Upsala. Das habe ich doch glatt vergessen.

"Bitte tu mir nicht weh", fiepse ich und presse die Augen fest zu. "Bitte, bitte, bitte lieber Meilo." Ich höre, wie er leise lacht und seine Hand sich auf meine Taille legt. Mein Herz schlägt schneller, aber nicht nur aus Lust, sondern auch aus Nervosität auf das Kommende.

"Geht ganz schnell", sagt Meilo, wobei die Hand höher wandert. Als sie auf Brusthöhe angekommen ist, keuche ich erschrocken auf. Er hat mir in die Brustwarze gezwickt! "Das war's schon."

Ich öffne die Augen wieder. "Wie? Mehr nicht?" Ich grinse anzüglich. "Jetzt bin ich enttäuscht."

"Alter Nimmersatt."

"Das alt verbitte ich mir!" Meilo erwidert nicht darauf, sondern dreht einfach das Wasser weiter auf und legt seine Hände auf meinen Po, woraufhin ich fest an ihn gepresst werde. Auch nicht schlecht ...
 

Ordentlich geduscht und noch ordentlicher befummelt, sitze ich wenige Zeit später in der Küche. Meilo kramt unterdessen Teller, Tassen und Besteck hervor. "Du kennst dich aber gut hier aus", stelle ich fest. "Warst du früher oft hier?"

"Kann man so sagen", bestätigt er mir das Offensichtliche. "Ich habe bei Lars und Niko mal gewohnt."

"Wirklich?" Davon hat er mir nie was erzählt!

"Ja."

"Wie kam es dazu?"

"Na ja, ich hatte eine Vereinbarung mit einem kleinen Club über drei Wochen. Ich trat jeden zweiten Abend dort auf, und anstatt in ein Hotel zu gehen, nahmen mich die beiden kurzerhand bei sich auf."

"Ach so", brummle ich. "Ich dachte, du wärst richtig hier eingezogen."

"Für drei Wochen war ich das ja auch." Meilo zwinkert mir zu, stellt mir eine Tasse vor die Nase und läuft zum Kühlschrank. "Ich habe mich bei Niko und Lars richtig zuhause gefühlt. Auch wenn es nur drei Wochen gewesen sind."

"Du siehst sie nicht oft, hm?" Man hört richtig, wie sehr er seine Freunde vermisst haben muss. Aber nicht nur die. Seine Familie vermisst er nicht minder, wie ich weiß.

"Nein", antwortet er mir traurig. "Es beleibt einfach keine Zeit dafür, um sich zu treffen und mal einen schönen Abend miteinander zu verbringen. Und wenn ich mal Zeit habe", sagt er und schließt die Kühlschranktür wieder, um voll bepackt mit Käse, Wurst und Brotaufstrichen zu mir an den Tisch zu treten "verbringe ich die immer mit dir." Meilo lächelt mich an und beugt sich zu mir runter. Kurz berühren sich unsere Lippen.

"Wenn du möchtest, können wir ja öfter zu den beiden fahren. Ob wir im Hotel, bei mir oder hier schlafen, ist doch egal."

"Dazu wird meist die Zeit viel zu knapp sein", meint er und setzt sich neben mich. "Und ich werde nicht oft in der Nähe sein."

"Stimmt", antworte ich und denke nach. Was wäre eigentlich, wenn ...? "Sag mal, wann hattest du geplant, wieder zu mir fahren?"

"So um die Mittagszeit."

"Und wann musst du morgen wieder losfahren?"

"Auch so um den Mittag rum." Sehr gut.

"Was hältst du davon, wenn wir noch eine Nacht lang hierbleiben?", frage ich ihn.

Meilo ist sichtlich erstaunt. "Willst du das wirklich?"

"Sonst hätte ich nicht gefragt." Denkt Meilo etwa, ich könnte seine Freunde nicht leiden? "Ich würde deine Freunde gerne noch ein wenig besser kennenlernen, und du könntest noch etwas mehr Zeit mit ihnen verbringen. Zwei Fliegen mit einer Klappe." Und es hält Meilo von meiner Schwester fern. Ein netter Nebeneffekt, wie ich finde.

"Hn ... Das ist jetzt doof", sagt Meilo und wirkt gar nicht glücklich über meinen Vorschlag. Da ist doch was faul!

"Sag mit jetzt nicht, dass du nicht willst, dass ich deine Freunde besser kennenlerne."

"Doch! Natürlich will ich das, nur ..."

"Nur?" Eindringlich schaue ich Meilo an. "Was ist? Ich dachte, dich würde der Vorschlag freuen?"

"Tut er ja auch", gibt er zu. "Es ist nur so, dass ich für uns heute Abend einen Tisch in einem Restaurant bestellt habe."

"Du hast was?" Ich versuche nicht zu lachen, weil Meilo mir dies mit ernster Miene erzählt hat. Das war demnach kein Scherz, sondern ernst gemeint. Ein Tisch in einem Restaurant! Er hat wirklich einen Tisch für uns reserviert!

"Ich wollte nochmal ganz in Ruhe auf deinen Geburtstag anstoßen", ist seine Erklärung. "Und dir dein eigentliches Geschenk übergeben." Ich beiße mir auf die Unterlippe. Irgendwie ist es ja schon drollig. "Aber wenn du hier blieben willst, bestelle ich ihn wieder ab."

Jetzt stecke ich in der Zwickmühle. "Wäre es schlimm für dich, wenn du den Tisch wieder abbestellst?"

"Nein." Er schüttelt den Kopf. "Ich würde auch lieber hier bleiben, aber ich dachte, vielleicht wäre es dir zu viel." Ach, mein liebenswerter Schatz!

"Wann kommt Niko wieder?"

"Ich schätze so um halb sechs heute Abend."

"Hervorragend!" Ich stehe auf und laufe zum Kühlschrank, wo einige Speisekarten hängen.

"Nic? Was tust du da?"

"Wir essen heute Abend hier", beschließe ich. "Mit deinen Freunden." Die Idee gefällt mir viel besser, als nach Hause zu fahren und in einem, 'tschuldige Meilo, versnobten Restaurant zu hocken. "Und du lädst uns ein." Ich grinse breit.

"Schön. Das mache ich", nickt Meilo. "Aber dann laden wir auch noch die anderen ein. Die musst du schließlich auch noch kennenlernen." Meilo zückt sein Handy.

"Abgemacht. Aber ohne diesen Robin." Mein Schatz grinst und verspricht mir, dass Robin nicht zu denjenigen gehört, mit denen er einen schönen Abend unter Freunden verbringen möchte. Das beruhigt mich. Und was die anderen aus Meilos Freundeskreis angeht, ich freue mich wirklich schon darauf, sie zu treffen. Nach all den Erzählungen und den Fotos, bin ich richtig gespannt auf sie. "Und in der Zwischenzeit", säusle ich und umarme Meilo, der am SMS schreiben ist, "genießen wir die Ruhe vor dem Sturm."

"Gute Idee", findet er. "Aber glaub mal ja nicht, dass nicht auch die Ruhe stürmisch werden kann." So so ... Da bin ich aber mal gespannt ...
 

***
 

"Lass das."

"Ich dachte, das magst du." Meilo grinst spitzbübisch.

"Schon, aber ..."

"Meilo?! Niclas?!"

"Siehst du?", tadle ich Meilo und winde mich aus seiner Umklammerung. "Man wartet auf uns." Ich schenke meinem überaus aufdringlichen Freund einen frechen Augenaufschlag und schnappe mir die Ketchupflasche, ehe ich zurück zu den anderen in das große Wohnzimmer gehe.

"Musstet ihr erst noch die Tomaten pflücken?", fragt uns Basti lachend.

"Ich habe ihn nicht gleich gefunden", rede ich mich raus.

"Verstehe. Und Meilo musste suchen helfen." Das war Tarik, Bastis Partner.

"Ohne mich findet Nic doch nichts", lacht Meilo, tätschelt meinen Hintern, wofür er einen Stupser mit dem Ellenbogen von mir bekommt, und nimmt mir die Flasche ab. "Bitte sehr." Er reicht sie Stefan, der sie sich schnappt und eine ordentliche Portion davon über seine Pommes gibt. Würg!

"Hmm ... Lecker!", schmatz er und verzieht genussvoll das Gesicht. Gut, dass man sich über Geschmack streiten kann.

Wir nehmen wieder Platz und vervollständigen die kleine Essensrunde, die neben uns aus Lars, Niko, Basti, Tarik und Stefan besteht. Meilos Freunde.

Alle waren ganz begeistert, als sie von unserem Vorschlag mit dem gemeinsamen Essen erfuhren, und haben gleich zugesagt.

Da Niko bis zum späten Nachmittag arbeiten war, und Lars oben ebenfalls über irgendwelchen Dokumenten hockte, hatten Meilo und ich bis dahin noch genügend Zeit nur für uns. Faul miteinander auf der Couch herumlümmeln, dann im Bett miteinader lümmeln ... Was für ein schöner, entspannter Tag!

Als Niko schließlich von der Arbeit zurückkam, brachte er auch gleich Basti und Tarik mit. "Guckt mal, wenn ich auf dem Gehweg unten aufgegabelt habe!", teilte er uns mit.

Zu sagen, dass ich doch nicht nervös gewesen war, wäre gelogen. Aber das legte sich schnell. Die beiden sind wirklich nett und belagerten mich gleich mit einer Menge Fragen. Woher ich komme, was ich mache und sowas alles. Wir gut, dass ich nicht noch arbeitslos bin, denn diese Antwort wäre mir ganz schön peinlich gewesen. So konnte ich auch das Thema Programmieren umgehen, über das ich zwar gerne rede, aber es kommt immer nerdig und langweilig rüber für jemanden, der nichts damit am Hut hat. Kein gutes Gesprächsthema für ein erstes Kennenlernen. Na ja, Meilo war da wohl eine Ausnahme.

Kurz nachdem die drei hier aufgeschlagen sind, erschien auch Stefan. Waren Basti und Tarik mir auf Anhieb sympathisch, war es bei Stefan ... nun ja, er ist etwas merkwürdig, obwohl ich noch nicht mal genau sagen kann, woran das liegt, und wieso ich das empfinde. Er hat mich freundlich begrüßt und war in keinster Weise feindselig, dennoch kommt er mir unsympathisch rüber. Stefan und ich liegen anscheinend nicht auf der selben Wellenlänge. So etwas gibt es eben.

Hinterher, nach der großen Begrüßungs- und Vorstellungsarie, ging das Chaos jedoch erst so richtig los. Bei uns in der Familie ist es schon ein richtiges Durcheinander, wenn wir uns mal was zu Essen bestellen, aber das hier übertraf alles. Jeder quasselte laut durcheinander, riss die Speisekarte aus den Händen des anderen und so weiter und so fort. "Wie gut, dass wir vorhin schon mal einen Blick drauf riskiert haben", flüsterte ich Meilo zu, mit dem ich mir das Gewusel anschaute.

"Jetzt weißt du auch, warum ich sie dir in die Hand gedrückt habe. So ist das immer."

Bis sich jeder was auf der Karte rausgesucht, und aufgeschrieben hatte, dauerte es. Ich fasse es noch immer nicht, wie fünf Leute eine solche Aufruhr veranstalten können. Wie ich danach feststellen musste, ist die Meute nicht nur bei der Auswahl an Speisen so laut. Meilo musste in einen anderen Raum gehen, um in Ruhe bestellen zu können, und während er weg war, wurde ich von allen belagert. Frage um Frage prasselte auf mich ein. Ob es eine Steigerung von Neugierde gibt? Falls ja, dann haben Meilos Freunde dieses Level schon lange erreicht.

"Wie lange seid ihr schon zusammen?"

"Wie habt ihr euch kennengelernt?"

"Hast du Hobbys?"

"Stehst du auch so auf Musik wie Meilo?"

"Wer von euch liegt unten?" Glaubt ihr mir, wenn ich euch sage, dass das noch die harmlosesten Fragen waren? Natürlich habe ich nicht alle beantwortet und habe sie mit ein paar frechen Gegenfragen und Sprüchen abgeblockt, was sie nur noch mehr kichern und grölen ließ.
 

Und nun sitzen wir hier, im Wohnzimmer von Lars und Niko, unser Essen vor uns, und es geht munter weiter. "Wie lange seit ihr denn jetzt schon zusammen?", fragt Tarik neugierig. "Darauf haben wir immer noch keine Antwort." Wie auch, wenn alle durcheinander plappern, als wären wir auf einem Hühnerhof.

"Seit Mitte August", antwortet ihm Meilo. "Kennengelernt haben wir uns aber schon vorher."

"Auf diesem Rastplatz? Stimmt das?" Basti wollte es vorhin schon nicht recht glauben.

"Ja, das stimmt. Da hätte er mich beinahe mit seiner Rostlaube umgenietet."

"Von wegen Rostlaube! Mein Kühler war defekt." Meilo guckt ganz beleidigt aus der Wäsche. "Und wäre das nicht passiert, säßen wir jetzt nicht hier." Kaum vorstellbar, aber so wäre es tatsächlich, obwohl man dieses hätte-wäre-Spiel noch viel weiter spinnen könnte. Wenn man es genauer betrachtet, führten all die kleinen und großen Ereignisse dazu, dass wir jetzt hier gemeinsam als Paar sitzen.

Ich kann nicht anders, lasse die Gabel sinken und lehne mich an Meilo. Dabei lächle ich ihn an und beuge mich vor. "Jetzt knutschen sie wieder!", nörgelt Niko nicht ganz ernst gemeint. "Wir haben es ja kapiert. Ihr seid verknallt, aber können wir jetzt weiter essen?" Die anderen lachen, plaudern aber gleich wieder drauf los. Ich höre nur halbherzig zu. Irgendwelche Geschichten, die sie miteinander erlebt haben. Meilo hört natürlich interessiert zu, lacht und stellt Fragen, ich dagegen mustere heimlich Stefan aus den Augenwinkeln. Er beteiligt sich gar nicht so sehr an den Gesprächen. Echt ein komischer Kauz. Nachher frage ich Meilo, was es mit ihm überhaupt auf sich hat.

"Wie war es eigentlich gestern im Velvet? Hat es dir dort gefallen?" Die Frage ging an mich. Lars hat sie mir gestellt und sieht mich nun neugierig an.

"Bis auf die Türsteher war es ganz nett." Wieder lachen alle.

"Manche kommen extra nur wegen ihnen dorthin", feixt Basti und sieht dabei zu Stefan. Ach? Unglücklich verliebt?

"Halt doch die Klappe! Das ist längst rum."

"Bind uns keinen Bären auf! Du stehst immer noch auf diesen Kerl", gackert Niko.

"Gar nicht! Und jetzt halt die Klappe." War es etwas das, was mich an Stefan so irritiert hat? Weil er Liebeskummer hat, und ich das irgendwie gespürt habe? Jedenfalls empfinde ich nun Mitleid mit dem armen Kerl. Ich kann nachempfinden, was in ihm vorgeht.

"Liebeskummer ist beschissen", murmle ich. Plötzlich wird es ruhig und alle schauen mich an. "Was?"

"Du sprichst aus Erfahrung?"

"Hat die nicht jeder?", stelle ich Niko die Gegenfrage.

"Ich meine ja nur. Du hast dich eben so traurig angehört. Dabei bist du doch glücklich liiert. Oder doch nicht?" Was soll denn der Scheiß jetzt?

"Ich bin sehr glücklich", sage ich eindringlich. "Aber ich weiß nur zu gut, wie es sich anfühlt, von jemanden das Herz gebrochen zu bekommen."

"Nic hatte eine Trennung hinter sich, bevor wir uns getroffen haben", erklärt Meilo kurzerhand.

"Dann bist du von der einen Beziehung gleich in die Nächste?" Tarik hebt die Augenbrauen. "Meilo ist doch hoffentlich keiner dieser Tröstaffairen, mit der man sich über eine gescheiterte Liebe hinwegtrösten will?"

"Tarik!" Basti verpasst seinem Freund einen Stoß mit dem Ellenbogen und starrt ihn böse an.

Meilo und ich nehmen seine Aussage gelassener hin. Mein Schatz lacht sogar. "Kilian und ich haben von Anfang an nicht zusammengepasst", wische ich Tariks Bedenken beiseite. "Das ist mir klargeworden, nachdem ich mit Meilo zusammengekommen bin. Das mit Meilo und mir ist keine Tröstaffaire."

"Dann bin ich beruhigt. Meilo ist ein toller Kerl und hat es nicht verdient, wieder einen Tritt in den Arsch zu bekommen."

"Du redest von Benedikt, oder?" Es kann ja nur um Meilos Ex gehen.

"Auch", meint Tarik. Was heißt hier auch?

Ich drehe meinen Kopf zu Meilo, doch er stochert in seinem Salat herum. "Habe ich was verpasst?", frage ich ihn.

"Du hast es ihm noch nicht erzählt?"

"Was hat er mir noch nicht erzählt?", richte ich mich an Niko. Mir wird ganz mulmig zumute.

"Ich hatte mal was mit einem Typen von hier", höre ich Meilo sagen. "Nichts weltbewegendes."

"Nichts weltbewegendes?!", empört sich Niko. "Du warst total in ihn verschossen! Es hat dir das Herz gebrochen, als er dich weggeworfen hat wie ein ..."

"Ist gut jetzt Niko", unterbricht ihn Meilo. "Das ist Jahre her."

Okay, jetzt bin ich neugierig. "Wann war das denn? Vor oder nach diesem Benedikt?"

"Davor", antwortet er mir, weicht meinem Blick allerdings aus.

Du meine Güte! "Sag nicht, dass das dieser Robin war!" Bitte nicht!

"Robin?!", japst Niko. "Du hattest mal was mit Robin?!" Hopla. Habe ich jetzt was verraten, was ich nicht hätte verraten sollen?

Meilo verdreht die Augen und stellt den Salat vor sich auf den Tisch. Es tut mir leid Schatz! Ehrlich! "Ich hatte mit Robin mal einen ONS."

"Mit DEM?" Ich muss grinsen. Ich denke also nicht nur alleine so, Niko wohl auch.

Meilo seufzt nur. "Jedenfalls", spricht er weiter "hat das nichts mit Robin zu tun." Das ich darüber froh bin, sage ich mal lieber nicht.

"Und der andere Typ? Den, in den du so verschossen gewesen warst?" Auch auf die Gefahr hin, dass ich zu neugierig bin, ich muss ihn das einfach fragen.

"Der war ein Arsch!", knurrt Basti. "Das wussten wir alle, aber Meilo wollte nicht auf uns hören."

"Ist ja gut jetzt! Ich habe keine Lust den alten Kram wieder aufzuwärmen. Es ist vorbei, und gut so." Meilo schnappt sich wieder seinen Salat und sticht fest mit der Gabel in eine der Tomaten. Die Sache nimmt ihn immer noch mit, oder irre ich mich?

Scheint so, als wäre ein anderes Thema angesagt. "Als ich zur Berufsschule ging, hatte ich mal was mit einem älteren Mann am Laufen", beginne ich. Augenblicklich habe ich jedes Quäntchen Aufmerksamkeit im Raum auf mich gelenkt.

"Wie alt?", fragt Basti atemlos.

"Ich war neunzehn und er einunddreißig." Die Augen der anderen werden immer Größer. "Ich hatte ihn auf einer Party kennengelernt und wir kamen schnell zur Sache. Hinterher tauschten wir Telefonnummern aus und trafen uns nicht mal eine Woche später wieder. So lief das zwei Monate lang. Nichts verbindliches, einfach nur Sex und manchmal gingen wir auch gemeinsam weg. Es kam, wie es kommen musste und ich begann Gefühle für ihn zu entwickeln. Erst sagte ich ihm nichts davon, doch irgendwann konnte ich es nicht mehr für mich behalten. Als wir nach einer gemeinsam verbrachten Nacht zusammen im Bett lagen, gestand ich es ihm."

"Und dann? Was hat er gesagt?" Darauf wäre ich ja gleich zu sprechen gekommen Basti, wenn du mich nicht unterbrochen hättest.

"Er hat gesagt, ich soll mich anziehen und verschwinden. In drei Stunden würde seine Frau nach Hause kommen."

"WAS?" Ungläubige Gesichter starren mich an. "Der Kerl war verheiratet?" Tarik schüttelt den Kopf, ich dagegen nicke.

"Und ich habe nichts davon bemerkt. Damals habe ich mich dafür in Grund und Boden geschämt. Ich hatte mich in einen verheirateten Kerl verliebt! Ich hätte mich ohrfeigen können. Es dauerte, bis ich darüber hinweg war, aber es war mir eine Lehre. Seitdem passe ich auf, mit wem ich ins Bett gehe. ... Aber das brauche ich ja jetzt nicht mehr", lache ich und lege meine Hand auf Meilos Bein.

"Davon hast du mir noch nie was erzählt", sagt er leise zu mir.

Ich zucke mit den Schulter. "Alte Kamellen. Wenn ich dir von jedem Typen erzählen würde, mit dem ich was hatte, hätten wir keine Zeit mehr für die wichtigen Dinge." Besonders, da unsere gemeinsame Zeit meist knapp bemessen ist.

"Manche Männer sind eben doch Arschlöcher", seufzt Niko theatralisch auf und hebt sein Glas. "Auf uns! Die Einzigen noch treuen Männer!" Lachend ergreife ich mein Glas. Niko ist echt eine Klasse für sich!
 

***
 

"Es war wirklich schön. Super, dass ihr gekommen seid", bedanke ich mich bei Basti und umarme ihn kurz.

"War doch selbstverständlich. Wenn Meilo uns seinen Liebsten vorstellen will, ist es doch unsere heilige Pflicht zu kommen."

"Wenn ihr mal wieder hier her kommt, dann sagt uns Bescheid."

"Unbedingt!", schwöre ich Tarik und umarme ihn ebenfalls. Auch Stefan bekommt eine Umarmung, obwohl er den ganzen Abend über total still war. "Tschau!"

"Tschüschen!" Und weg sind sie.

"Ist ganz schön spät geworden. Wollt ihr noch mit uns ins Wohnzimmer, oder gleich in die Falle?" Lars deutet hinter sich Richtung besagtes Wohnzimmer. "Wir könnten noch einen Film gucken."

Ich werfe Meilo einen fragenden Blick zu, doch er zuckt nur mit den Schultern, was so viel heißt wie: Ich würde gern, aber nur, wenn du auch willst. "Ein Film hört sich gut an", beschließe ich, grinse dabei Meilo an und laufe voran.

Niko sitzt schon und drückt auf der Fernbedienung herum. "Was schauen wir denn?", will Meilo wissen.

"Was ihr wollt. Romantik, Action, Horror, alles da." Lars steht vorm DVD-Regal, das tatsächlich gut gefüllt ist. "Der hier ist gut!" Er zieht einen Film hervor.

"Dann schauen wir den." Eigentlich ist mir der Film schnurzegal. Hauptsache ich kann dabei unter der Decke an Meilo herumfummeln. Hihi.

Lars holt noch schnell ungesunden Knabber- und Trinkkram, dann kann es losgehen. Der Film startet, und wir verteilen uns auf der großen Sitzecke. Meilo und ich unter einer Decke, Niko und Lars ebenfalls unter einer.

Nach einer Weile des stillen Zuschauens, zischt neben mir eine der Colaflaschen. Niko bedient sich und bietet mir auch etwas an, doch ich winke ab. "Das gilt nicht. Jeder muss bei einem Filmabend Zuckerwasser trinken, damit auch jeder dick wird."

"Das hat mir vorher niemand gesagt", schmolle ich.

"Pech. Hättest eben das Kleingedruckte lesen müssen."

"Hilfe Meilo!"

"Mitgegangen, mitgehangen", lacht er bloß. Sehr freundlich. "Aber mal was anderes Niko. Wie geht es Stefan denn im Moment? Ich dachte, er wäre über diesen Türsteher hinweg." Ich werde hellhörig. Habe ich mich doch nicht getäuscht!

"Sah es für dich danach aus, als wäre er es?", fragt ihn Niko, woraufhin Meilo verneint. "Da hast du deine Antwort. Stefan trauert ihm immer noch nach."

"Und da ist nichts zu machen?"

"Wie denn? Der Kerl hat einen festen Partner, und das hat er Stefan zu genüge klar gemacht."

"Der Arme", seufzt Meilo. "Immer hat er so ein Pech."

"Er war doch selbst Schuld. Er wusste, dass der Typ vergeben ist, und hat trotzdem einen auf gut Freund gemacht, sich dabei aber nur noch mehr in ihn verliebt. Jeder andere wäre auf Abstand gegangen, doch nicht unser Stefan, oh nein! Er lernt es einfach nicht."

"Sieht so aus." Meilo greift nach den Chips an denen ich mich ebenfalls bediene.

Nachdenklich wandert ein Chip nach dem anderen in meinen Mund. Liebeskummer, sich in den Falschen verlieben, all das habe ich Gott sei Dank hinter mir. Was machen da schon die paar Tage, die wir uns nicht sehen? 'Ja, ja. So denkst du jetzt, aber wehe Meilo ist wieder weg, dann ist das Geheul groß.' Klappe Hirn! Es gibt Schlimmeres. Gibt es wirklich.

Ich kuschle mich näher an Meilo heran, lege meinen Arm um seinen Bauch und verfolge desinteressiert und leicht müde das Geschehen auf dem Bildschirm. Irgendein Sci-Fi Zeug. Interessiert mich nicht. Dafür aber der warme Körper neben mir. Wie gut, dass die Decke alles verbirgt, und ich meine Hand auf Wanderschaft schicken kann. Aus den Augenwinkeln sehe ich Meilo heimlich grinsen. Die Müdigkeit verfliegt. In meinem Bauch stellt sich ein aufgeregtes Kitzeln ein.

Ganz vorsichtig lasse ich meine Finger unter den Hosenbund meines Schatzes gleiten und befühle dort die weiche Haut. Meilo zieht ein Bein auf den Sitz, sodass ich mehr unauffälligen Spielraum habe. In meinen Lenden zieht es heiß und mein Herz pocht schneller. Wenn Niko und Lars jetzt nur nicht hier wären ... Aber gerade das reizt mich zusätzlich.

Bevor ich mich allerdings weiter wage, öffne ich den Knopf und ziehe ganz langsam den Reißverschluss nach unten. Dank des lauten Fernsehers hört das niemand, weshalb ich gleich wieder unter den Hosenbund gleite. Meilo atmet tief ein. Die Chips hat er total vergessen. Mit den Fingerspitzen wage ich mich weiter hinab und fühle die leicht kratzige Haut. Ich beiße mir auf die Unterlippe und robbe höher, wo ich meine Wange gegen Meilos schmiege. "Du könntest dich mal wieder rasieren", murmle ich.

Seine Augen schnellen zu mir und ich muss mich arg beherrschen, nicht loszulachen. "Stört dich das?"

"Ein wenig", gebe ich zu. "Ich hab's gern weich und zart."

"Reichlich und hart? Also hör mal! Nicht hier bitte!" Niko wieder! Ich erschrecke furchtbar und fühle mich für wenige Sekunden ertappt. Doch er hat glücklicherweise nichts von meiner Fummelei mitbekommen. Wenn er es aber wüsste ... Ich mag es mit gar nicht näher vorstellen.

"Ich habe weich und zart gesagt", berichtige ich ihn, nachdem ich mich wieder von dem anfänglichen Schrecken erholt habe.

"Hast du? Mir wäre das, was ich verstanden habe zwar lieber, aber jedem das seine."

"Ist denn mal Ruhe jetzt?" Lars, der den Film augenscheinlich als Einziger von uns wirklich sehen möchte, wird langsam sauer. Wir entschuldigen uns und sind wieder still. Verbal gesehen, denn meine Hand hat sich erneut in Bewegung gesetzt.

Meilo schluckt hart, als ich ihn an einer ganz speziellen Stelle berühre und rutscht mit dem Hintern hin und her. Ich warte ab, bis er sich wieder beruhigt hat, und mache weiter. Ich höre, wie Meilo leise ausatmet. Kein Anzeichen dafür, dass ich aufhören soll. Sein Blick ist stur auf den Fernseher gerichtet, doch mit den Gedanken ist er ganz bei mir.

Ich gebe mir große Mühe, dass Niko und Lars nichts von alledem mitbekommen. Meilo wird indes immer unruhiger. Das merke ich an seiner Körperspannung und daran, wie er sich immer wieder auf die Unterlippe beißt, um ja keinen Ton von sich zu geben. Hauptsächlich jedoch, merke ich das an dem, was ich in der Hand halte. Ich gönne ihm eine kleine Pause. Nicht, dass noch ein Unglück passiert.

Ich lasse ihn also los und nehme mir eine andere Stelle vor, während ich Meilos schnellem Herzschlag zuhöre, den ich nach einer kleinen Verlagerung meines Kopfes vernehmen kann. Unterdessen dröhnt aus dem Fernseher unheilvolle Musik. Ein schneller Blick zu Niko und Lars: Beide sehen gebannt auf die Glotze.

Unauffällig rutsche ich sein Stückchen höher und schmuse mit meinen Lippen über Meilos Hals. Zärtlich beginne ich an ihm zu saugen. Das leise Seufzen seinerseits zeigt mir, dass ihm meine Bemühungen mehr als gut gefallen.

"Müsst ihr schon wieder herumknutschen?", poltert Nikos Stimme durchs Wohnzimmer.

Kichernd lasse ich von Meilos Hals ab und schiele zu Niko rüber. "Stört dich das?", frage ich ihn.

"Es lenkt ab." Liegt es wirklich nur daran?

In meinem Kopf ploppt die Frage auf, ob vielleicht zwischen den beiden irgendwas nicht stimmt, doch die Frage verschwindet wieder so schnell, wie sie aufgetaucht ist. "Lass dich doch lieber von mir ablenken", raunt Lars Niko zu, zieht ihn am Kinn zu sich, und presst seinen Mund auf Nikos. Jetzt hat Niko keinen Kopf mehr dazu, sich bei uns zu beschweren, denn er ist viel zu sehr von Lars Kusskünsten abgelenkt. Hervorragend!

Erneut lasse ich meine Hand in Meilos Schritt gleiten, doch er packt sie und hält sie fest. "Nicht?", frage ich ihn stumm.

"Nachher." Okay. Wenn er nicht möchte, dann warte ich eben.

Ich ziehe meine Hand aus seiner Hose, die er daraufhin gleich zuknöpft und zu meinem Erstaunen aufsteht. "Ich bin müde", verkündet er, was Lars und Niko dazu veranlasst, ihre Knutscherei zu unterbrechen. "Nacht ihr zwei."

"Nacht ..." Sie gucken ihm verdattert hinterher. "Haben wir was falsch gemacht?", will Lars von mir wissen.

"Nein, nein", beruhige ich ihn. "Ich glaube, ihm wurde nur ein wenig zu ... warm." Ich kann beim besten Willen nicht aufhören zu grinsen. "Ich gehe dann auch mal. Nacht."

"Schlaf gut."

"Ihr auch." Jetzt aber nichts wie hinter Meilo her!
 

Im Gästezimmer finde ich ihn wieder. Er zieht sich gerade das Oberteil über den Kopf. "Soll ich abschließen?"

"Mach wie du willst." Ich runzle die Stirn.

"Bist du sauer auf mich?" Er schüttelt den Kopf. Wieso ist er dann so komisch drauf? "Was ist los Meilo? War es dir unangenehm eben auf der Couch?"

Er beugt sich runter, um in seiner Tasche zu kramen. "Nicht im Geringsten", antwortet er mir. "Aber bevor wir da weiter machen, wo wir gestoppt haben, möchte ich dir noch etwas geben." Meilo steht wieder auf, dreht sich zu mir und hat dabei ein bunt eingepacktes Paket in der Hand. "Du hast noch nicht alle Geburtstagsgeschenke von mir bekommen." Meine Mundwinkel ziehen sich nach oben, während Meilo sich mit dem Päckchen aufs Bett setzt. "Mach's schon auf", fordert er mich auf. Das lasse ich mir kein zweites Mal sagen! "Ich hoffe, es gefällt dir auch."

"Bestimmt!" Da bin ich mir ziemlich sicher. Trotzdem: Dass er überhaupt zu mir gekommen ist, toppt sowieso alles. Das ist das beste seiner Geschenke.

Ich zupfe das Geschenkpapier an den festgeklebten Stellen auf, was Meilo zum Lachen bringt. "Reiß es auf!"

"Nein, das macht man ordentlich."

"Hmhm. Und hinterher wird das Papier noch gebügelt, oder wie?"

"Logisch. Das bekommst du nächstes Jahr dann zurück."

Meilo stürzt die Lippen. "Ausgerechnet ich habe mir einen Pfennigfuchser angelacht." Idiot!

Ich schenke ihm einen grimmigen Augenaufschlag und ratsch! Adieu Geschenkpapier. "Besser?"

"Schon. Aber jetzt kannst du es aber nicht mehr verwenden." Manchmal könnte ich ihn ...

Egal. Diesmal gehe ich nicht auf seinen Spruch ein, mustere stattdessen mein Geschenk. "Ein Pappkarton?"

"Du musst ihn aufmachen."

"Doppelt verpackt hält besser, was?"

"Das war einfacher als alles einzeln einzupacken." Einzeln?

"Was ist denn da alles drinnen?"

"Mach es auf, dann siehst du es."

Neugierig ziehe ich die Laschen des Kartons auf. Darin "Zeitungspapier?"

"Du musst schon nach deinen Geschenken suchen."

"Zuerst muss ich das Zeitungspapier bügeln, und ..."

"Nix da!", lacht Meilo. "Such jetzt deine Geschenke."

"Ist ja gut", grinse ich. "Mach mal nicht so einen Aufstand." Sowas aber auch.

Zeitungspapier fliegt durchs Zimmer, bis ich etwas in dem ganzen Papierwust ausmache. "Schokolade?" Eine Packung M&Ms.

"Nicht irgendeine Schokolade", verkündet Meilo. "Das sind N&Ms." Wie? Ich schaue genauer hin und fange an zu lachen. Meilo hat das M&M Logo mit N&M überklebt.

"Für Niclas und Meilo. Verstehe."

"Genau. Die konnten mir leider die Packung nicht so drucken, aber" Meilo hebt den Zeigefinger "innen drin ist noch eine Überraschung."

"Ein Spielzeug?"

Meilo legt den Kopf schief. "Nein."

"Was dann?"

"Guck nach." Sehr mysteriös.

Ich ziehe ergeben an der Packung, bis die zusammengeschweißten Teile auseinandergehen. "Da sind nur M&Ms", stelle ich fest.

"Guck genauer." Na schön. Wenn er unbedingt will.

Ich nehme eine Hand voll und nehme die kleinen Schokopastillen genauer unter die Lupe. Ich muss die Augen zusammenkneifen, aber ich erkenne endlich, was er meint. "Das sind wir!", stelle ich fest. "Wie hast du das denn gemacht?" Is ja geil!

"Die kann man bestellen. Einfach Fotos hinschicken und dann drucken die das drauf."

"Aber dann kann ich die ja gar nicht essen." So etwas isst man doch nicht.

"Ein paar schon", meint Meilo und mopst sich eins.

"Hey! Lass das!" Frechheit! "Sind da noch andere Motive?"

"Ja. Fünf Stück müssten es sein." Ich suche alle raus und staune nicht schlecht. Trotz des kleinen Formates kann man erkennen, dass wir es sind.

"Dankeschön. Damit gebe ich vor Nicole an." Die wird dumm aus der Wäsche glotzen! Meilo schüttelt bloß lachend den Kopf. Jetzt will ich aber wissen, was er mir noch so schenkt.

Ich lege die Packung N&Ms vorsichtig beiseite und krame weiter in den Zeitungsknäulen. Als nächstes kommt eine Wärmflasche zum Vorschein, auf der 'Schatzersatz' steht. "Weil du doch so schnell frierst und ich dich nicht immer wärmen kann", ist Meilos Erklärung dafür.

"Du hast dir ja wirklich Gedanken gemacht", grinse ich.

"Ich musste. Dein Geschenk zu meinem Geburtstag ist schwer zu überbieten, und eigentlich bin ich 'ne Vollniete im Geschenke aussuchen."

"Kenne ich. Das bin ich auch." Furchtbar, wenn man keine Ideen hat, was man dem anderen schenken könnte. "Aber die ist wirklich schön. Danke." Und so kuschelig weich. "Ist da noch was drinnen?"

"Eins müsste noch versteckt sein", nickt Meilo. Weitersuchen ist angesagt.

Ganz unten werde ich schließlich fündig. "Was ist denn das?"

"Zwei Schlüsselanhänger", erklärt Meilo.

"Das sehe ich auch, aber wofür ist das?" Ich deute auf die schwarze Platte, worauf die zwei Anhänger (zwei Herzen, auf denen unsere Initialen eingraviert sind) hängen.

Meilo nimmt mir die kleine Platte ab und zupft an einen der Anhänger, der sich davon löst. "Die sind magnetisch. Die Platte kommt in an die Wand, und der Schlüsselbund dann da dran."

"Sind die schon für unsere Wohnung?" Eigentlich brauche ich gar nicht zu fragen. Ich weiß, dass die nur dafür sein können.

"Sind sie."

Ich schiebe den Karton, der zwischen uns steht, zur Seite und falle in Meilos Arme. "Das ist echt süß", flüstere ich. "Danke."

"Sobald wir eine passende Wohnung gefunden haben, kommt der Schlüsselhalter dran", verspricht er mir.

"Ich kann es kaum erwarten."
 

******
 


 

*Jascha: Ich bin kein Gartenzwerg!! òó

Nic: Ruhig Kleiner. Nicht gleich mit der Gartenschippe drohen.

Jascha: Ich geb dir gleich Gartenschippe! … JOE! DER KERL MACHT MICH DUMM AN!

Nic: Joe? Bekomme ich jetzt Bananen? *fg*

Joe: Wenn du Jascha nicht in Ruhe lässt, schiebe ich dir gleich eine ganze Bananenstaude in den Ar…

Meilo: Ähh … Sorry. *lächel* Komm Nic. Abgang.

Nic: O___O Oky *flüster*
 

Höhöhö. Ja, ja. Vor Joe muss man sich in Acht nehmen. Aber das werdet ihr irgendwann aus erster Hand erfahren ;-)

Love bite 33 - Süßer Apfelstrudel

Love bite 33 - Süßer Apfelstrudel
 

"Schlafen die immer so lange?"

"An Wochenenden schon", schmunzelt Meilo. "Sie werden sicher bald aufstehen."

"Hoffentlich. Ich würde mich noch gerne von ihnen verabschieden, bevor wir wieder fahren müssen." Ich schnappe mir noch eine Scheibe Toast und schmiere dick Butter drauf. Meine Laune ist, nun ja, sagen wir, bescheiden. Heute muss mein Schatz wieder fahren und das raubt mir beinahe den Appetit. Aber nur fast. Mein Magen hat meine schlechte Laune noch nicht mitbekommen, und knurrt wie verrückt. Allerdings ist es nicht nur das, was mein Gehirn beschäftigt. "Meilo? Kann ich dich was fragen?"

"Klar." Ob es immer noch klar geht, wenn er meine Frage hört? Ich wage es einfach! Was soll schon groß passieren?

"Wegen gestern", beginne ich und stochere im Nutellaglas herum. "Diese Anspielung auf den Kerl, der dir das Herz gebrochen hat ..."

"Was ist damit?" Ich riskiere einen Blick auf Meilo, doch der sieht ganz entspannt aus.

"Stimmt das?", rücke ich mit der Sprache raus. Meilo beißt in sein Brot und sieht mich kauend an. "Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst", winke ich nervös ab. "Ich bin halt nur neugierig."

"Ist doch okay", sagt er mit vollem Mund. "Ich wollte es dir sowieso erzählen, nur nicht gerade vor den anderen. Mit ihnen habe ich dieses Thema schon oft genug durchgekaut." Ich bin erleichtert. Nicht, weil er es mir erzählen möchte, sondern weil er nicht sauer auf mich ist, weil ich überhaupt nochmal gefragt habe. "Die ganze Geschichte fing an, nachdem ich hier eingezogen bin", beginnt er.

"Du meinst, die drei Wochen, in denen du bei Lars und Niko gewohnt hast?"

"Genau", nickt Meilo. "Ich hatte noch am selben Abend meines Einzugs jemanden im Club kennengelernt. Wir waren auf der selben Wellenlänge und ich nahm ihn mit hier her."

"Du gehst gleich aufs Ganze, was?", gluckse ich. Das kommt mir doch bekannt vor.

"Wieso lange zögern, wenn man sich sicher ist?" Grinsend leckt er sich über die Lippen.

"Dann dachtest du, du und er Kerl, das könnte was Festes werden?"

"Ich sah eine Chance dazu, ja." Oh. Ich trinke einen Schluck Kaffee, um meine aufkeimende Unsicherheit zu verbergen. Aus irgendeinen Grund behagt es mir nicht, dass Meilo von Anfang an anscheinend genau das gleiche für diesen Typen gefühlt hat, wie für mich. "Bei dir war das anders", sagt er, als wüsste er um meine Gedanken. "Damals war ich noch unerfahrener und malte mir gleich die große, ewige Liebe aus." Meilo lacht leise auf. "Ich war jung und blauäugig. Niko hatte mich zwar vor ihm gewarnt, aber ich wollte das nicht hören. Ich sah nur rosarot."

"Niko kannte ihn?"

"Flüchtig", sagt er. "Maximilian hatte einen schlechten Ruf, aber ich sah mehr in ihn. Keine Ahnung, was ich sah, aber ich war mir sicher, dass Max nur auf den Richtigen wartete. Dass ich nicht derjenige war, bekam ich früh genug zu spüren. Wir gingen eine kurzweilige Beziehung miteinander ein. Im Nachhinein bin ich mir sicher, dass er das nur zugelassen hat, weil er wusste, dass ich nur für drei Wochen in der Stadt war."

"Hattest du etwa Pläne für danach mit ihm gemacht?" Wenn ja, dann wäre es damals ja fast wie bei uns gewesen.

"Ich schon, aber für ihn war von Anfang an klar, dass er mich abserviert, sobald ich weg bin. Das erfuhr ich aber natürlich erst hinterher."

"Was für ein Arsch!", zische ich. "Es gibt wirklich Idioten da draußen."

"Wem sagst du das?" Wir wechseln traurige Blicke miteinander, wobei ich selbst ein ein paar unschöne Erinnerungen denken muss. "Aber das ist ja jetzt vorbei", sagt Meilo leise, greift nach meiner Hand, die neben meinem Teller liegt, und streichelt mit dem Daumen über das Tattoo. Auf der Stelle schlagen unzählige Schmetterlingsflügel in meinem Bauch herum.

"Wem sagst du das?", wiederhole ich seinen Satz von eben, was ihn zum Lachen bringt. "Und wie ging es weiter?" Jetzt bin ich erst recht gespannt auf die Story.

"Die drei Wochen vergingen, und er verschwand."

"Wie, er verschwand?"

"Ich versuchte ihn zu erreichen, doch seine Handynummer gab es laut der freundlichen Computerstimme am anderen Ende der Telefonleitung nicht mehr. Er machte nicht auf, wenn ich an seine Haustür klopfte, er reagierte auch nicht auf meine E-Mails und niemand den ich kannte, hatte ihn gesehen, oder konnte mir sagen, wie ich ihn erreichen konnte. Er war wie vom Erdboden verschluckt."

"Das kann doch nicht sein", erwidere ich stirnrunzelnd. "Hast du denn nie erfahren, was mit ihm passiert ist?"

"Doch. Von Niko. Der hat ihn ein paar Monate später getroffen und zur Sau gemacht. Max hat alles mit einem Schulterzucken abgetan und gemeint, dass er nie was Festes gesucht hatte, und angeblich hätte er mir das auch gesagt."

"Hat er aber nicht?"

"Nein. Niemals." Meilo schüttelt den Kopf.

"So ein Schwein."

"Es ist vorbei. Ich bin schon lange darüber hinweg."

"Das hoffe ich aber", sage ich "denn jetzt hast du ja mich."

Meilo lächelt glücklich. "Was Besseres gibt es gar nicht." Das hört man doch gerne.

"Was meinst du?", frage ich ihn und befeuchte meine Lippen. "Solange wir noch ungestört sind, könnten wir doch nochmal ins Gästezimmer und ein letztes Mal ..."

"Ihr seid ja schon wach." Niko kommt plötzlich durch die Tür geschlurft. Ausgerechnet jetzt!

"Morgen Niko", begrüßt ihn Meilo, der mich wissend angrinst und leicht mit den Schultern zuckt.

"Was heißt hier schon? Es ist halb zehn", lache ich, noch leicht betrübt, dass wir meinen Plan nicht mehr in die Tat umsetzen können. "Ihr habt verschlafen, das ist alles."

Niko kratzt sich am Kopf und guckt uns durch schmale Augenschlitze an. Der Anblick entschädigt mich. "So spät schon? Fuck!" Er lässt sich neben Meilo auf den Stuhl fallen, schnappt sich eine Tasse und schüttet sich Kaffee ein.

"Ist wohl spät geworden gestern?", frage ich nach. Niko wackelt mit seinen Brauen auf und nieder und schlürft seinen Kaffee. "Verstehe. SO spät war es also."

"Noch später", brummelt Niko in die Tasse. "Aber bei euch anscheinend auch." Er deutet auf meinen Hals. Dort prangen natürlich wieder die dunkeln Knutschflecken, die mir Meilo so gern verpasst. "Die waren gestern Abend noch nicht da."

"Kann sein", murmle ich und spüre das leichte Erschaudern in mir, wenn ich an die letzte Nacht und den heutigen Morgen zurückdenke. Ich verdränge sie allerdings wieder schnell, denn mit diesen Erinnerungen muss ich sparsam umgehen. Wenigstens, bis Meilo und ich wieder neue Schaffen können.
 

Kurze Zeit später taucht dann auch endlich Lars auf, der nicht weniger verschlafen aussieht wie sein Partner. Will ich wissen, was die zwei die ganze Nacht über getrieben haben? Nein! Auf keinen Fall! So neugierig bin ich dann doch nicht.

Nach dem Frühstück packen wir unsere Sachen. Leider müssen wir schon bald los. Ich wäre gern noch etwas länger geblieben, aber für Meilo wird es sonst noch zu knapp, und ich möchte nicht, dass er Ärger bekommt. Deswegen stehen wir zur Mittagszeit mit unseren gepackten Taschen vor Nikos und Lars Wohnungstür und verabschieden uns von ihnen. "Macht's gut, und meldet euch. Auch du Nic! Gehörst ja schließlich jetzt zur Familie." Niko zwinkert mir zu.

"Sicher, dass du das willst?", lache ich. "Denn wenn ich dazugehöre, dann auch meine Familie, und die ist anstrengend."

"Hör nicht auf ihn", geht Meilo dazwischen. "Seine Familie ist total in Ordnung."

"Schlimmer als Lars Familie können die bestimmt nicht sein."

"Hey!" Lars zieht die Augenbrauen zusammen, was Niko geflissentlich ignoriert und mich stattdessen in den Arm nimmt.

"Gute Fahrt."

"Danke."

"Und kommt bald mal wieder."

"Bestimmt."

Als wir um die Ecke gehen, winken wir den beiden nochmal zu, und traben dann das Treppenhaus hinunter. Im Auto stellt sich unweigerlich eine leichte Wehmut bei mir ein. "Abschiede sind furchtbar", seufze ich. "Ich kenne deine Freunde zwar erst seit gestern, aber sie sind mir schon richtig ans Herz gewachsen."

"Freut mich zu hören."

"Weißt du was? Wie wäre es, wenn wir mit ihnen zu Henning und Heiko fahren? Und Ingo und Ed nehmen wir auch mit!" Plötzlich werde ich ganz aufgeregt. "Clem würde sich auch sicher freuen und Kilian ..." Die Euphorie in mir bricht ab. "Kilian bleibt mit Clem besser zuhause." Shit! Wieso habe ich damit auch angefangen, ohne vorher richtig darüber nachzudenken?

"Wie kommst du eigentlich mit Kilian inzwischen zurecht?", fragt mich Meilo zögernd. Seit dem Tag, an dem er mir den kurzen Überraschungsbesuch abgestattet hat, hat er das Thema Kilian weitgehend umschifft.

"Ganz gut", antworte ich wahrheitsgemäß. "Wir kommen miteinander aus, beschränken unsere Kommunikation aber auf das Nötigste. Bei Clem ist das anders. Ich mag ihn." Lächelnd schüttle ich den Kopf. "Das hätte ich niemals für möglich gehalten. Nicht nachdem, was vorher alles passiert ist."

"Aber das ist doch gut."

"Findest du?" Erstaunt schaue ich Meilo an, der sich auf die Fahrbahn konzentriert und den Blinker setzt, um einen LKW zu überholen.

"Ja. Du hast damit abgeschlossen. Du bist nicht mehr wütend auf ihn, und das ist gut."

"Du bist also nicht mehr eifersüchtig?"

Meilo verzieht das Gesicht. "Eifersüchtig ist so ein furchtbares Wort."

"Das ändert nichts daran, dass du eifersüchtig warst."

"Ja, ja", brummt er.

"Wann und wo?", frage ich ihn glucksend. "Hier und jetzt?"

"Wehe!" Lachend rutsche ich tiefer in den Sitz. "Ich habe kapiert, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche."

"Gut. Das musst du nämlich auch nicht. Ich liebe dich."

Kurz huscht sein Blick zu mir, ehe er sich wieder auf die Straße heftet. "Ich dich auch."

"Ich weiß."

"Ist das so?"

"Ja."

"Dann muss ich dir das in Zukunft ja auch nicht mehr sagen", grinst er frech und gibt auf freier Strecke Gas.

"Das glaubst auch nur du", blaffe ich ihn an und lasse meine Handfläche auf seinen Oberschenkel knallen.

"Aua!"

"Sag es!"

"Was?" Und wieder segelt meine Handfläche auf sein Bein. "Ey! Nicht beim Fahren!"

"Sag es! Los!" Ich rücke näher an ihn ran. "Sag es ..."

"Ich liebe ... es, wie du mich mit allen Mitteln versuchst herumzubekommen." Ich ziehe die Nase kraus und lehne mich mit verschränkten Armen auf meinem Sitz zurück. "Schmollst du jetzt etwa?" Ich zucke mit den Achseln. Meilo kichert. "Du bist doch nicht wirklich beleidigt?" Nix da! Ich sage keinen Ton. "Och Nic. My Sweetheart, mein Schatz, mein Schnuffel, mein süßer Apfelstrudel."

"Apfelstrudel?!" Dahin ist mein beleidigtes Stummsein. Meilo lacht sich einen vom Ast, und ich verzeihe im schneller, als mir lieb ist. "Ich kann einfach nicht sauer auf dich sein", schimpfe ich und drehe das Radio lauter. "Wie kann man auch, bei dieser Stimme." Es passt mal wieder wie die Faust aufs Auge, das gerade in diesem Moment einer von Meilos Songs im Radio anfängt zu spielen. "Langsam gewöhne ich mich an dieses Pop-Einerlei", sage ich in meinem besten Plauderton.

"Boha! Was für ein Lob!" Geschieht ihm recht, würde ich mal behaupten. "Dafür hast du dir ja glatt ein Ich liebe dich verdient."

"Ach? Die muss ich mich jetzt auch noch verdienen?" Es wird ja immer besser!

"Warum denn nicht?", fragt er mich doch tatsächlich.

"Warte nur", knurre ich und lasse den Rest unausgesprochen.

"Auf was denn?"

"Das wirst du schon noch sehen", grinse ich und überlege mir, mit was ich ihn für seine Frechheit ein wenig ärgern kann.
 

***
 

"Meilo!!!" Mein Gehör verabschiedet sich. Nicole kommt aus ihrem Zimmer gestürmt, kaum dass wir über die Türschwelle sind. "Wo wart ihr denn so lange?! Und warum ist dein Handy seit gestern Morgen aus?!" Nicole sieht wütend aus. Wie schön, endlich wieder zuhause zu sein.

"Damit hast du dir deine Frage schon selbst beantwortet", schnarre ich sie an und zwänge mich an ihr vorbei. "Meilo? Kommst du?" Nichts wie in mein Zimmer!

"Wartet doch mal! Meilo? Wie lange bleibst du noch?" Ich verdrehe die Augen. Kann die nicht mal Luft holen?

"Ich muss bald los, Schatz", vertröstet Meilo meine kleine Schwester. Bei dem Wort Schatz wird mir leicht übel. Wieso sagt er das zu ihr und nicht zu mir? Tzäh!

"Was?! Wann ist bald?", fiepst meine Schwester entsetzt.

"Bald!", zische ich und werfe meine Tasche aufs Bett. "Und jetzt raus aus meinem Zimmer! Ich muss noch was mit Meilo besprechen."

"Aber ..."

"Nichts aber!" In Nicoles Augen sehe ich mein Abbild, wie es in tausend Stücke explodiert. Noch nie konnte ich Nicoles Gedanken so deutlich vor mir sehen.

"Ich komme gleich wieder raus ja?" Wie kann Meilo nur so ruhig bleiben? Mich bringt ihre bloße Anwesenheit schon auf die Palme. Ich bin genervt!

"Na gut", murrt sie und trollt sich endlich.

"Mann!" Ich plumpse neben die Sporttasche aufs Bett. "Ich habs gewusst! Kaum weiß sie, wer du bist, hängt sie an dir wie eine Klette!"

"Lass sie doch. Das wird sich irgendwann legen." Meilo setzt sich neben mich.

Seufzend kippe ich gegen seine Schulter. "Bis dahin dauert es bestimmt noch eine Weile. Sie liebt dich abgöttisch."

"Sie liebt Keith Kandyce, nicht mich."

"Für sie ist das das Gleiche." Ihr das begreiflich zu machen, wird dauern und mich noch einige Nerven kosten. "Aber jetzt zu dir!", raffe ich mich auf und schaue Meilo fragend an. "Was wolltest du mir noch sagen, bevor du losfährst?" Ihm ist eben im Auto was eingefallen, was er mich noch fragen wollte. Was es ist, das hat er bis jetzt noch für sich behalten.

"Es dauert noch eine Weile, aber im Dezember feiern meine Eltern silberne Hochzeit."

"Wie schön für sie", finde ich. "Und was wolltest du mich fragen?"

"Liegt das nicht auf der Hand?", fragt er mich schmunzelnd.

"Sorry, aber die Fahrt hat mich geschlaucht. Mein Hirn schläft noch."

Mein Schatz streichelt mit über den Kopf. "Dann wecke es mal auf, denn ich brauche eine Antwort von dir."

"Eine Antwort?"

"Ja."

"Und die Frage?" Wie oft soll ich denn noch fragen, um die Frage gefragt zu bekommen. Was 'ne Fragerei!

"Begleitest du mich?"

"Wohin?" Ich stelle mich wirklich dämlich an, glaube ich, denn in der Sekunde, in der ich nachgefragt habe, wird es mir klar. "Moment! Du willst, dass ich mit zu deinen Eltern fahre?"

"Ja", nickt Meilo. "Ich würde dich gern allen vorstellen."

Mit aller Mühe versuche ich meinen Denkapparat anzuschmeißen. Ich brauche deine Hilfe da oben! "Hältst du das für eine gute Idee? Mich auf einer großen Feier allen vorzustellen?"

"Das ist die beste Idee. Alle sind da und können dich an meiner Seite bestaunen." Mir wird ganz schummerig. "Wenn es dir zu viel ist, verstehe ich das."

"Ja ... Nein! Also ... Ich weiß noch nicht." Jetzt stammle ich schon genauso wie Henning. "Ich tue mich immer so schwer bei Familienvorstellungen." Bei Meilos Freunden war es schon schwer, aber seine gesamte Familie auf einem Haufen ist schon arg beängstigend. Besonders, da ich damals bei Kilians Eltern gar keine gute Erfahrungen sammeln konnte. Ich sage nur homophob und manipulativ.

"Wir würden auch einen Tag früher anreisen. Dann kannst du meine Eltern in aller Ruhe kennenlernen." Das hört sich schon mal ganz gut an.

Da wäre aber noch eine klitzekleine Kleinigkeit. "Aber werden dann nicht alle wissen, dass Keith Kandyce mit einem Mann zusammen ist?"

"Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Bis auf meine Eltern und meine Tante weiß niemand von meinem Alter Ego."

"Echt nicht?" Das wundert mich jetzt aber.

"Du weißt doch, dass ich damit nicht hausieren gehe."

"Ich dachte ja nur", murmle ich. "Wenn das so ist, dann komme ich gerne mit."

"Klasse!" Meilo zieht mich an sich, und ich? Ich mache mir vor Panik fast in die Hosen. Ich lerne Meilos Familie kennen! Oh Gott! "Die Feier ist am 12.12. Wir fahren am 11ten schon hin und fahren am 14ten wieder zurück."

"Okay." Das heißt, mindestens zwei Tage bei Meilos Family. Schluck. Andererseits heißt das auch, vier Tage mit Meilo.

"Ich freue mich ja so!" Wieder werde ich fest umarmt.

"Ich mich auch", nuschle ich gegen Meilos Schulter. Dass dem nicht ganz der Wahrheit entspricht, muss er ja nicht wissen. Er kann sich sicher selbst denken, dass mich das furchtbar nervös macht.

"Da das nun geklärt ist, gehe ich nochmal schnell zu deiner Schwester."

"Ist gut." Ich knirsche mit den Zähnen. "Beeil dich aber! Ich will auch noch etwas Zeit mit dir verbringen!" Meilo lacht und schlüpft aus meinem Zimmer. "Meilo nimmt mich mit auf eine Hochzeit", sage ich zu mir selbst. "Ich werde seine Eltern kennenlernen. Seine Eltern und seine gesamte Familie." Prost-Mahlzeit Niclas. Mach dich auf was gefasst!

Unruhe erfasst mich, weshalb ich aufstehe und in die Küche laufe. Ich hoffe meine Mutter dort anzutreffen, doch Fehlanzeige. Auch im Wohnzimmer ist sie nicht. Einen Blick aus dem Fenster gibt mir Gewissheit: Sie ist im Garten. "Mama?!" Sie hält inne und schaut sich um. "Hier oben! Wohnzimmer!" Sie folgt meiner Anweisung und hält sich die Hand über die Stirn.

"Niclas! Seid ihr wieder da?!"

"Nein! Wir tun nur so!" Wer blöd fragt ...

"Ist Meilo auch da?"

"Ja! Er ist bei Nicole." Leider.

"Gott sei Dank", seufzt sie theatralisch. "Sie hat mich das ganze Wochenende genervt, wo du ihn hingeschleppt hast."

"Ich?! Meilo hat mich entführt!"

"Sag ihr das selbst. Mir glaubt sie nicht." Und was lässt Mama glauben, dass Nicole gerade mir Glauben schenken würde? "Ich komme gleich hoch, ja?"

"Ist gut!" Ich schließe das Fenster wieder und haue mich auf die Couch. Ich unterdrücke den Drang, in Nicoles Zimmer nachzusehen, was sie gerade mit Meilo anstellt. Hoffentlich fesselt sie ihn nicht, und versteckt ihn dann unter ihrem Bett. Zuzutrauen wäre es ihr …
 

"Hier steckst du." Meilo! "Ich habe dich schon gesucht."

"Wieso? Alles in Ordnung?" Ich springe auf. Sie hat ihn doch nicht wirklich versucht was anzutun?

"Alles bestens", stutzt er. "Was soll den sein?"

"Ach, nichts." Ich lächle verlegen. Ich und meine Fantasie! "Musst du los?"

"Ja." Bitte nicht! "Komm her." Ich fliege in Meilos Arme und versuche mit ihm zu verschmelzen. Wie immer funktioniert das leider nicht. "Wir sehen uns bald wieder."

"Und wann?"

"Spätestens am siebten November. Ihr kommt doch?"

"Ja. Aber ich versuche davor nochmal zu dir zu kommen, in Ordnung?"

"Das wäre schön, auch wenn es knapp wird." Er hat recht, bis zum 7ten ist es ja zum Glück nicht mehr lange. Meilos Hand wischt über meine Stirn. "Du hast ja all meine Daten."

"Habe ich." Ich kann sie sogar auswendig. "Ich sehe zu, dass ich nach deiner Signierstunde bei KP nochmal ein paar freie Tage rausschlagen kann."

"Das wäre toll. Du kannst ihm ja ein bisschen davon vorschwärmen, wie nett ich es von finde, dass er dir so oft frei gibt, damit ich dich sehen kann."

"Ich versuche es", kichere ich. "Das klappt bestimmt."

"Schön." Meilo beugt sich zu mir vor und küsst mich sanft. Ich lehne mich gegen ihn und koste jede Millisekunde davon aus. Und ich hätte noch mehr auskosten dürfen, wenn nicht meine kleine nervige Schwester um die Ecke gerannt käme.

"Meilo... Oh." Sie bleibt neben uns stehen und läuft rot an. Ja, guck es dir genau an. Der gehört mir! Meiner! Nix dir! Alles mir! Fast wie früher: 'Das ist mein Spielzeug! Nimm deine klebrigen Finger davon!' "Ich wollte euch nicht stören", flüstert sie, macht auf dem Absatz kehrt und saust davon.

"Was war denn das?", frage ich verblüfft und schaue ihr nach.

"Ich habe doch gesagt, dass ich mit ihr rede", brüstet sich mein Freund stolz.

"Wie hast du das geschafft?!" Ist er ein verdammter Teenieflüsterer, oder was? Lernt man sowas als Popidol?

"Ich habe ihr die Wahrheit gesagt, dass ich sie mag und auch gerne Zeit mit ihr verbringe, aber dass du das Wichtigste in meinem Leben bist."

"Mehr nicht?"

"Was hätte ich denn noch sagen sollen?"

"Keine Ahnung." Ich zucke mit den Schultern. "Irgendeinen Beschwörungsspruch, mit dem sie sich bannen lässt."

Meilo lacht leise. "Du wieder", kichert er. "Rede einfach mit ihr, wie mir einer Erwachsenen. Sie ist kein Kind mehr."

"Sagt wer?"

"Sage ich." Er ist wirklich ein Teenieflüsterer. "Und jetzt komm mein Apfelstrudel. Ich muss langsam wirklich los."

"Ich geb dir gleich Apfelstrudel."

"Wann und wo?" Ey! Das ist mein Spruch!
 

***
 

Die Chance! Das muss klappen! Es muss einfach!

Ich renne durch den Keller auf KPs Büro zu. "Klaus-Peter?! Klaus!"

"Ja?" Ich stürme das kleine Kabuff. "Du liebe Güte! Was ist denn mit dir los? Hat dich wer gebissen?"

"So ähnlich", schnaufe ich. "Meilo hat ... er hat mich gerade ... angerufen."

"Bedeutet: Du willst ein paar Tage frei haben", kombiniert er blitzschnell.

"Ähm ... nein." So komisch es sich anhört, aber deswegen bin ich diesmal nicht bei meinem Boss. "Der Makler, du weißt noch?"

"Den Makler, den Meilo engagiert hat?"

"Ja!" Ich bin aus allen Wolken gefallen, als Meilo mir vor zwei Tagen gesagt hat, er habe einen Makler damit beauftragt, für uns eine Wohnung zu suchen. Er gab mir alles Wissenswerte über ihn, und meinte, er würde sich mit mir in Verbindung setzten, sobald er was habe. Tja, und das hat er soeben, oder besser gesagt, er hat sich bei Meilo gemeldet. "Er ist in einer Stunde in einer Wohnung, die für uns in Frage kommen würde", erkläre ich KP. "Meinst du, ich könnte meinen Mittag verschieben?" Bitte sag ja!

"In einer Stunde?" Ich nicke. "Und wann musst du los?"

"So in einer Halben."

KP guckt nachdenklich. "Geht in Ordnung", sagt er schließlich. "Bis dahin habe ich meinen Papierkram erledigt und kann vorn mithelfen."

"Oh Danke! Du bist der Größte!"

"Ich weiß", lacht er. "Ein anderer Chef hätte dir schon längst in den Arsch getreten."

"Keiner ist eben wie du", schleime ich noch ein klein wenig mehr, bedanke mich nochmal und mache mich dann zurück auf den Weg in den Laden.

In einer Stunde treffe ich den Makler. Bin mal gespannt, wie der so ist. Ich hatte noch nie mit einem Makler zu tun. Aber es war im Nachhinein nicht schlecht, dass Meilo sich darum gekümmert hat. Die Kosten werden zwar dadurch um einiges höher, aber sei's drum. Hauptsache, wir finden bald was passendes. In spätestens zwei Monaten brauchen wir eine neue Bleibe. Meilo muss bis spätestens ende Dezember seine Wohnung leer haben, und ich werde ihn in der Zwischenzeit ganz sicher nicht bei meinen Eltern wohnen lassen, sollten wir bis dahin noch nichts haben. Ich bekomme allein schon von dem Gedanken daran einen Hautausschlag.

Die Türglocke des Laden klingelt. "Guten Tag", sage ich gewohnheitsmäßig.

"Tagchen der Herr. Ich hätte gerne eine schöne Spätlese aus der Toskana." Die Stimme kenne ich doch!

"Was suchst du denn hier Clem?" Hat er nicht frei?

"Dich besuchen", feixt er. "Nein, quatsch! Ich brauche Nudeln."

"Mehr nicht? Das macht mich jetzt aber traurig. Du bist nicht wegen mir gekommen?"

"Entschuldige." Clem tätschelt meine Schulter und geht auf das Nudelregal zu. "Und? Wie läuft's mit Meilo?"

"Gut. Heute schaue ich mir gleich eine Wohnung an. Der Makler hat sich gemeldet."

"Echt? Cool. Kann ich mit?" Die Frage überrumpelt mich jetzt aber.

"Ähm ... Klar. Wieso nicht?"

"Klasse! Ich liebe Hausbesichtigungen!" Clem läuft an mir vorbei und bunkert sein Nudelpäckchen hinter der Theke. "Wann geht's los?"

"In zwanzig Minuten."

"Super! Dann warte ich hier mit dir solange." Eigentlich kommt es mir ganz gelegen, dass Clem mitkommt. So muss ich mich dem Makler nicht alleine stellen. Aber warum ist er so scharf drauf, mit mir die Wohnung zu besichtigen? Das frage ich ihn auch. "Halt mich für bekloppt, aber für mich ist es total spannend, in anderen Wohnung herumzuschnüffeln."

"Das ist wirklich bekloppt!", lache ich. "Was soll daran denn spannend sein?"

"Na alles!" Mir will noch nicht mal ein Grund einfallen, warum das spannend sein soll, geschweige denn alles daran. "Wie haben die Vormieter gewohnt? Wie ist alles eingerichtet? Wer wohnt hier noch, oder wer wird hier mal einziehen? Ich linse auch voll gern in fremde Fenster rein. Besonders im Winter, wenn es immer dunkel ist, und in den Häusern die Lichter brennen. Dann schaue ich immer, wie die eingerichtet sind, und so."

"Du bist verrückt!" Ist das zu fassen? Clem hat echt leicht beängstigende Züge an sich. "Weiß Kilian von deiner Wohnungsobsession?"

"Klar. Wir gehen zusammen immer auf Besichtigungen." Das schlägt dem Fass ja beinahe den Boden aus.

"Er muss dich wirklich lieben", sage ich.

"Tut er." Clem grinst breit. Da haben sich zwei gefunden! Und ganz ehrlich? Ich freue mich für die beiden. Für Clem mehr, als für Kilian, aber mehr darf man von mir auch nicht verlangen, oder?
 

So kommt es also, dass ich keine zwanzig Minuten später mit Clem im Schlepptau in mein Auto steige, und zu der mir geschickten Adresse fahre. "Hübsche Gegend", pfeift Clem. "Was habt ihr den für ein Budget angegeben?"

"Weiß nicht genau", gestehe ich. "Ich habe Meilo gesagt, was ich monatlich entbehren kann, und er hat bloß genickt. Keine Ahnung, was er dazugibt." Ich werde es ja gleich erfahren.

"Billig ist die Gegend sicher nicht. Er muss ja viel verdienen."

"Kann sein", weiche ich aus. Ich weiß natürlich nicht, wie viel er wirklich verdient und noch verdienen wird, aber dass das nicht wenig ist, kann ich mir schon denken. Bin ja nicht blöd. Dennoch bekomme ich leichte Bedenken, als ich anhalte, und mir das Gebäude anschaue, in das mich der Makler bestellt hat. Meilos Anteil muss immens sein, so wie ich das sehe. Das schmeckt mir gar nicht. Ich will nicht, dass er so viel bezahlt, und ich nur einen Bruchteil davon. Ich glaube, wir müssen uns nochmal miteinander unterhalten.

Clem ist schon ausgestiegen, und überquert die Straße. Staunend schaut er an der Fassade hinauf. Seufzend steige ich ebenfalls aus, schließe ab und laufe ihm nach. "Boha! Hammer!"

"Is ganz nett", gebe ich zu.

"Ganz nett?! Alter! Wehe, du nimmst mich bei der nächsten Besichtigung nicht auch mit! Wenn das immer so Hammer Gebäude sind, will ich die unbedingt sehen!"

"Verstanden", grinse ich, obwohl ich nicht glaube, dass die nächsten Wohnungen hier heranreichen können. Nicht, nachdem ich die Budgetfrage mit Meilo geklärt habe. "Der Makler müsste gleich hier sein", überlege ich laut und schaue auf mein Handy. "Wir sind etwas zu früh."

"Besser als zu spät." Auch wieder wahr.

Ich behalte recht, und nach noch nicht mal fünf Minuten kommt der bestellte Makler um die Ecke gezischt. Kein Mann, wie ich angenommen hatte, sondern eine Frau in einem eng sitzenden Kostüm kommt auf uns zugestöckelt, lächelt freundlich, wirkt dennoch steif dabei, und hält mir die Hand hin. "Sie müssen Herr Isninger sein", begrüßt sie mich.

"Der bin ich." Wenigstens scheint sie nett zu sein. "Und das ist Clemens. Ein Freund von mir." Auch ihm reicht sie die Hand, dann geleitet sie uns ins Haus.

"Wow!" Clem kommt einfach nicht aus dem Staunen heraus. Mir geht es aber nicht anders. Allein der Flur ist schon beeindruckend, dabei haben wir die Wohnung noch gar nicht betreten.

"Das Haus wurde komplett saniert und hat dadurch eine hervorragende Klimabilanz." Was sie nicht sagt. "Herr Haug legte großen Wert darauf, wenn ich mich recht entsinne?"

"Öhm ..." Tut er das? "Wenn er das gesagt hat, wird es stimmen." Die Maklerin wirkt für eine Millisekunde leicht konfus, sammelt sich aber wieder, lächelt ihr Maklerlächeln und schreitet voran. Dabei zählt sie schon mal alle Daten auf, welche die Wohnung betreffen. Ich höre kaum hin, weil es mich nicht sonderlich interessiert. Ich muss mich einfach in der Wohnung wohlfühlen. Ob sie jetzt groß oder klein ist, drei oder vier Wohnräume hat, ist mir relativ schnuppe.

Wie betreten einen Aufzug und sausen ins sechste Stockwerk. "Gibt es auch einen Garten?", frage ich die Maklerin. Im sechsten Stockwerk gibt es den sicher nicht, aber ich will sie ein bisschen ärgern.

"Im Hinterhof gibt es eine Gartenanlage. Jede der Mietparteien hat ein abgegrenztes Stück." Damit hätte ich nicht gerechnet.

"Schön. Da könnten wir grillen", sage ich und schaue Clem an, der mich verschmitzt angrinst. Grillen ist immer ein heiß diskutiertes Thema, wie ich weiß.

"Oh ja, das könnten Sie. Im hinteren Bereich der Gartenanlage gibt es einen großen Grill, den alle Mieter benutzen können. Man sollte sich aber vorher besser absprechen." War wohl nichts mit ärgern. In gewissen Preisklassen ist wohl alles möglich.

Die Maklerin führt uns einen breiten Flur entlang, der etwa die gleichen Maße wie der unten hat, und bleibt vor einer Tür stehen. Doch nicht vor irgendeiner Tür. Hier gibt es nur eine! "Gibt es auf dieser Etage nur eine Wohnung?", frage ich nach. Eigentlich kann das doch nicht sein, oder?

"Nein." Sag ich doch. "Gegenüber wäre noch Platz für das benötigte Tonstudio. Die Tür befindet sich auf der anderen Seite des Treppenhauses." Sie zeigt hinter sich. Tatsächlich kann man weiter hinten um den Fahrstuhl herumgehen.

"Ach so", überlege ich laut. Meilo hatte das ja erwähnt.

"Tonstudio?", zischt Clem mir ungläubig zu. "Für was braucht ihr ein Tonstudio?" Oha! Langsam kommt in mir die Erkenntnis hoch, dass es vielleicht gescheiter gewesen wäre, Clem doch nicht mitzunehmen.

"Meilo braucht eins", antworte ich. "Für seinen neuen Job."

"Was arbeitet er denn?"

"Na Tonstudiosachen eben …" Sehr einfallsreich Niclas! Bravo! "Frag ihn lieber selbst. Ich kenne mich da nicht so gut mit aus." Immer schön ausweichen. Lass Meilo deine Suppe auslöffeln.

Um Clem auszuweichen, latsche ich eilig der Maklerin nach, die schon die Wohnung betreten hat. Ein großer heller Raum tut sich vor mir auf. Alles modern und in hellen Farben gehalten. "Die Möbel sind nur Vorschläge. Sie können die Wohnung einrichten wie Sie möchten." Wenn's sonst nichts ist. Die Maklerin plaudert weiter, doch ich höre nicht zu. Ich schaue mich leicht eingeschüchtert um und weiß nicht, ob mir das hier gefallen soll, oder nicht. Die ganze Bude mag ja schön und modern sein, aber sie kommt mir so verdammt kalt vor! Das liegt nicht daran, weil sie modern ist. Sie wirkt eben so. Ich muss nicht erst die gesamte Wohnung sehen, um zu wissen, dass ich mich hier nicht mit Meilo sehe. Ich möchte hier nicht leben. Clem allerdings ...

"Wahnsinn! Schau doch mal! Die Fenster! Wie hoch! Und hier! Das Bad musst du gesehen haben! Schau doch mal Niclas!"

"Möchten Sie sich in Ruhe einen Überblick verschaffen?" Die Maklerin strahlt mich an. Ein falsches Strahlen, das nicht bei ihren Augen ankommt.

"Ja, das wäre schön", nicke ich und gehe mit Clem ins Badezimmer.

"Ein Wirlpool! Geil oder?"

"Ich mag die Wohnung nicht", platzt es aus mir heraus.

"Was? Wie kann man das hier nicht mögen?" Clem versteht es nicht.

"Sie ist so ... unpersönlich."

"Klar ist sie das. Sie ist ja noch weitgehendst leer."

"Das meine ich nicht", erkläre ich. "Sie ist kalt und irgendwie gefühllos." Genau das ist es! Gefühllos.

"Du hast Probleme", lacht Clem. "Wenn Kilian und ich uns so eine Wohnung leisten könnten, würde ich die hier sofort nehmen."

"Aber das ist es ja. Ich kann sie mir nicht leisten." Liegt es vielleicht daran, weil ich mir die Bude nicht leiden kann? Teilweise, ja. Aber wie gesagt: "Ich sehe mich nicht mit Meilo nicht hier drinnen."

"Hm. Dann musst du eben weiter nach einer Wohnung suchen."

"Muss ich wohl."

"Aber vorher", gluckst Clem "gucken wir uns alles noch ganz genau an, ja?" Clems Gesicht strahlt unternehmungslustig.

"Du bist wahrhaftig bekloppt!", lache ich.

"Das nehme ich mal als Kompliment."

"Tu das." Verrückter Kerl!
 

Da die Wohnung für mich nicht in Frage kommt, sind wir relativ schnell mit der Besichtigung durch. Zu den angrenzenden Räumen, die Meilo als Tonstudio vorgesehen hat, konnte ich sowieso nichts zu sagen. Sie ist wie die Wohnung gegenüber, nur etwas kleiner. Als Tonstudio eine komplette Verschwendung, wie ich finde.

"Danke", bedanke ich mich bei der Maklerin und schüttle brav ihre Hand zur Verabschiedung. "Ich bespreche das mit Meilo und dann melden wir uns bei Ihnen."

"Geht in Ordnung. Ich halte weiter die Augen auf nach einer geeigneten Bleibe."

"Das wäre nett." Aber erst nachdem Meilo und ich uns nochmal miteinander unterhalten haben.

"Soll ich dich nach Hause fahren?"

Clem schüttelt den Kopf. "Ich habe doch noch die Nudeln im Laden."

"Gut, dann musst du eben mit der Bahn fahren."
 

Als ich am Nachmittag selbst zu Hause bin, versuche ich sofort Meilo zu erreichen. /Hallo mein süßer Apfelstrudel/, meldet er sich nach wenigem Tuten lachend. Den Spruch hat er seit Tagen zu seinem Lieblingsspruch erkoren.

"Hallo meine süße Mohnschnecke", erwidere ich wie jedes Mal darauf. Meilo lacht daraufhin, so wie er es nach meinem Spruch immer macht, und fragt mich dann, wie die Besichtigung war. "Nicht schlecht", murmle ich ins Handy. "Über das geplante Tonstudio kann ich leider nichts sagen, aber die Wohnung war ganz in Ordnung." Ich weiß, ich habe keine Eier in der Hose. Aber ich will ihm auch nicht gleich auf die Nase binden, dass die Wohnung kacke war.

/Also hat sie dir gefallen?/ Nein!

"War ganz okay", murmle ich.

/Du hörst dich aber nicht gerade begeistert an./ Er hat es gemerkt. Das macht vieles leichter.

"Sie war vielleicht etwas zu groß für uns, und außerdem ..." Wie sage ich es denn am besten? "Ich kann sie mir nicht leisten." Ich kneife die Augen zu und warte ab, was Meilo sagen wird.

/Darum mach dir mal keine Sorgen. Ich zahle den Rest von der Miete./ War ja klar!

"Das will ich aber nicht!", rege ich mich prompt auf.

/Wieso nicht?/

"Na weil ich mir dämlich dabei vorkomme, wenn ich nur einen Bruchteil von der Miete zahle, während du den Rest stemmen musst!" Ist doch logisch, oder?

/Du vergisst aber, dass ich mehr Platz brauche wie du. Das Tonstudio alleine muss schon eine gewisse Größe haben. Es wäre unfair, dich das zahlen zu lassen./

"Das ändert aber nichts daran, dass die Wohnung furchtbar war!" Nun ist es raus. Ich höre, wie Meilo seufzt. "Entschuldige, aber sie hat mir nicht gefallen. Und das hatte nicht nur was mit dem Mietpreis zu tun." Mich fröstelt allein schon der Gedanke an diese Wohnung.

/Du brauchst dich nicht entschuldigen. Dafür machen wir doch die Besichtigungen. Um die richtige Wohnung für uns zu finden./ Er schmunzelt, was mich beruhigt. Er ist nicht sauer über meinen Ausbruch.

"Ich mache sie", korrigiere ich ihn. "Du siehst sie ja nur auf Bildern." Und wieder etwas, das mir gar nicht behagt.

/Sobald eine in die engere Wahl kommt, schaue ich sie mir auch an. Das haben wir doch besprochen./

"Ich weiß", schmolle ich. "Trotzdem würde das Besichtigen mit dir viel mehr Spaß machen." Ich höre mich schon an wie eine Ehefrau, die sich darüber beschwert, dass ihr Mann viel zu viel arbeitet. Dass das streng genommen auch so ist, das verdränge ich mal. Ich will nicht noch deprimierter werden, als ich sowieso schon bin.

/Vielleicht ergibt sich ja mal die Gelegenheit dazu", probiert mich Meilo aufzuheitern. /Jetzt muss es halt mal so gehen./

"Du hast ja recht", seufze ich und versuche wieder runterzukommen. "Wir bekommen das schon hin." Sich immer schön selbst Mut zusprechen. Braver Niclas.

/Sehe ich auch so. Jetzt aber mal was anderes. Ich habe euch ein Doppelzimmer reservieren lassen./

Ich brauche ein paar Momente, bis ich verstehe, was Meilo damit meint. "Für den siebten?", frage ich nach.

/Für wann denn sonst?/, lacht Meilo. /Ich dachte mir, es wäre dir lieber, wenn Nicole ihr eigenes Bett hat, damit du dich nachts heimlich zu mir schleichen kannst. Oder ich zu dir. Je nachdem .../ Was für ein ausgefuchster Bengel er doch ist!

"Du denkst auch an alles", kichere ich mit einem warmen Gefühl im Bauch.

/Wenn es um dich geht, ja, tue ich./

Ich sage es sehr oft, und denke es noch viel mehr, aber "Ich kann es nicht mehr erwarten, dich endlich wiederzusehen."

/Geht mir auch so. Ich freue mich schon auf euch./

"Auf uns?", harke ich nach.

/Ja, aber besonders auf dich./ Das wollte ich hören. /Die Autogrammstunde ist mittags. Am frühen Abend habe ich noch einen kleinen Auftritt in einem Club. Wenn ihr vorbeikommen möchtet, besorge ich euch Karten./

Ich überlege kurz. Nicole würde mich umbringen, wenn ich jetzt nein sage, deshalb "Gerne."

/Super! Ich kümmere mich darum und lasse sie auf euer Zimmer bringen./

"Geht klar." Eine Frage hätte ich aber noch. "Soll ich als Logan auftauchen, oder als dein trotteliger Kumpel?"

/Trotteliger Kumpel?/ Meilo lacht laut. /Mir wäre heißblütiger Liebhaber lieber./ Nicht nur ihm. /Aber wenn ich wählen muss, dann als mein trotteliger Kumpel. Wie willst du das sonst Nicole erklären?/

"Ich hätte ihr die Wahrheit gesagt", antworte ich. "Das hast du mir doch geraten."

/Sehr löblich./ Ui, ein Lob. /Aber ich denke, es ist geschickter, wenn Logan nur als Notlösung herhalten muss./

"Wie du meinst. Dann spiele ich mich diesmal ich selbst. Plus anhänglicher Schwester."

/Und wenn du dann nachts zu mir kommst, bekomme ich dann den heißblütigen Liebhaber vorgespielt?/, fragt er mich säuselnd.

"Den muss ich dir nicht vorspielen. Der kommt von ganz allein, sobald ich auch nur in deiner Nähe bin." Meilo schmunzelt leise. Heiß-kribbelnde Schauer fegen über mich hinweg. Ich stehe auf und schließe meine Zimmertür ab. "Hast du noch ein wenig Zeit zum Telefonieren?"

/Habe ich. Warum?/

"Och. Nur so ... Mein innerer Liebhaber möchte das wissen."
 

******

Love bite 34 - Groupie-Tours

Love bite 34 - Groupie-Tours
 

"Bitte Niclas. Biiiiiiitte!"

Ich seufze genervt und sehe Nicole wütend an. "Das geht nicht Nicole! Das weißt du doch!"

"Aber sie werden sich benehmen. Versprochen. Außerdem würden auch nur Penelope und Wendy mitkommen. Kathrin darf nicht."

"Darum geht es doch gar nicht, und das weißt du auch."

"Sie werden nichts erfahren! Ich verrate nichts!" Ich werde langsam aber sicher wirklich sauer. "Und du hast doch gesagt, dass wir ein großes Doppelzimmer für uns haben. Wir drei schlafen in einem Bett und du hast deine Ruhe. Außerdem schläfst du doch sowieso bei Meilo, habe ich recht?"

"Das hat damit nichts zu tun!", begehre ich auf. Woher weiß sie das wieder? Wahrscheinlich konnte sie sich das schon selbst denken. "Meilo hat für uns extra Karten für diesen Club besorgt. Was sagst du deinen Freundinnen, wenn sie nicht mitkommen können? Tut mir leid, aber nur wir beide werden reinlassen, weil der Hauptact zur Familie gehört?"

Nicole macht große Augen, grinst dann jedoch entrückt. "Keith Kandyce gehört zur Familie", flüstert sie ehrfürchtig. "Wahnsinn!"

"Ach Nicole!" Ich sacke förmlich in mir zusammen. Mir ihr vernünftig über dieses Thema reden zu wollen hat gar keinen Sinn.

"Hör auf, einen auf Tucke zu machen! Ich frag Meilo einfach, ob er noch an zwei Karten rankommt. Er kann uns ja auch auf die Gästeliste setzen. Geht bestimmt!" Schon rauscht mein Schwesterherz davon, während sie sich ihr Handy ans Ohr hält. "Meilo? Hallo, ich bins! Ich hab mal 'ne Frage." Oh bitte nicht! Sag nein Meilo!

"Gibt sie immer noch keine Ruhe?" Mama gesellt sich zu mir ins Wohnzimmer.

"Nein. Jetzt quengelt sie bei Meilo weiter, und so wie ich ihn kenne, sagt der noch ja zu dem ganzen wahnwitzigen Plan."

"Was wäre so schlimm daran?"

Entsetzt starre ich meine Mutter an. "Was daran so schlimm wäre?" Sie nickt, als wüsste sie nicht, dass von unserer Beziehung auch nicht das geringste durchsickern darf. "Vergessen, dass von Meilos Zweitleben nichts rauskommen darf?"

"Wie könnte ich das vergessen?", pustet sie. "Wie soll das rauskommen?"

"Da gäbe es viele Wege!" Mir schwirrt der Kopf, wenn ich auch nur darüber nachdenke! "Aber das ist noch nicht alles, was schlimm an der ganzen Sache ist. Ich darf dann nämlich drei Groupies im Teenageralter hüten, obwohl ich viel lieber bei Meilo wäre!"

"Du kannst doch bei ihm sein, was spricht dagegen?"

"Da gibt es tausende von Gründen", sage ich, wobei sich meine Stimme fast überschlägt. "Erstens muss einer auf die Bande aufpassen, damit ihnen nichts passiert. Zweitens dürfen sie Meilo nicht zu Gesicht bekommen, weil sonst die Gefahr besteht, dass eine von ihnen, so wie Nicole, erkennt, wer er ist. Drittens stellen sie mit Sicherheit so viel Unsinn an, dass ich nicht dazu komme, ein klitzekleines Bisschen wertvolle Zeit mit meinem Schatz zu verbringen. Viertens ..."

"Beruhige dich und hol mal Luft. Nicht, dass du mir noch von der Couch kippst", unterbricht mich meine Mutter. Mir rasselt der Unterkiefer nach unten. Hat sie grade gesagt, dass ich mich beruhigen soll?! "Meinst du, Nicole und ihre Freundinnen wollen, dass du sie wie eine Glucke rund um die Uhr bewachst?"

"Eher nicht."

"Na siehst du!"

"Soll ich sie etwa alleine herumrennen lassen?"

"Nein", brummt meine Mutter. "Aber es ist doch ganz einfach." Ach ja? Ganz einfach also? Da bin ich jetzt aber mal gespannt, was da so einfach dran sein soll. "Nach der Autogrammstunde werdet ihr was Essen gehen und dann müsst ihr schon zum Club. Danach ins Hotel, da kannst du sie im Zimmer lassen und zu Meilo gehen. Was ist daran so schwer?"

Bin ich im falschen Film?! "Woher weißt du so gut über den Zeitplan Bescheid?"

Jetzt lächelt meine Mutter wissend und leicht überheblich. "Nicole hat ihn mir schon hunderte Male vorgepredigt. Du bist nicht der Einzige, der sich das ständig von ihr anhören muss. … Jetzt schau nicht so. Das klappt schon. Und wenn Nicoles Freundinnen mitfahren, hat deine Schwester genügend Beschäftigung. Du bist somit aus dem Schneider", sagt sie mit hoher Stimme und macht eine wischende Geste mit ihren Händen. So habe ich das noch gar nicht gesehen.

Bleibt noch die eine Ungewissheit. Diese kleine Kleinigkeit, die unser aller Leben um einen Schlag verändern kann. "Was ist, wenn Nicole sich verplappert?"

"Wird sie nicht." Mama schüttelt den Kopf.

"Was macht dich da so sicher? Es kann alles passieren, bei ihrem hormongesteuerten Teenagerhirn." Hinterher ruft sie noch durch den ganzen Saal, das sie Keith Kandyce kennt, und dass ihr Bruder mit ihm in die Kiste steigt.

"Sei mir jetzt nicht böse, aber Nicole liebt deinen Freund mindestens genauso sehr wie du ihn."

"Und was soll das schon wieder heißen?", knurre ich.

"Das heißt, sie wird alles für ihn tun." Toll!

"Als ob das uns vor einer Katastrophe bewahren könnte!" Ich überkreuze meine Arme vor der Brust und spiele beleidigtes Muttersöhnchen.

"Weißt du, Nicole redet sehr oft mit mir darüber, seit sie über Meilo Bescheid weiß."

"Wirklich?"

"Ja." Sie nickt. "Sie versteht, warum ihr es geheim halten müsst, und sie weiß auch, was passiert, wenn alles rauskommt. Was das für uns, aber auch für Meilo bedeutet. Du musst dir keine Sorgen machen. Nicole ist kein kleines Mädchen mehr." Hatte Meilo mir das nicht auch schon gesagt? Aber wieso traue ich dem Frieden dann nicht? Ober besser gesagt, ich traue Nicole nicht. Früher hat sie mich immer verraten, wenn ich was ausgefressen hatte. Sie hat es geliebt, mir eins auszuwischen, und diese Zeiten sind noch nicht mal lange her. "Du musst lernen ihr zu vertrauen", redet Mama weiter auf mich ein. "Legt endlich euren Streit beiseite. Ihr spielt im gleichen Team." Na das wüsste ich aber!

Doch so sehr es mir auch gegen den Strich geht, tief in meinem Inneren weiß ich, dass Mama recht hat. Mütter haben immer recht. So ein Mist! "Wenn sie was verrät, dann lege ich sie übers Knie. Das schwöre ich dir!", grolle ich und stehe auf.

"Das wird sie nicht. Glaube mir." Ich glaube bald gar nichts mehr. Vielleicht sollte ich wirklich über meinen eigenen Schatten springen, und Nicole etwas mehr Vertrauen entgegenbringen. Und eins muss ich ihr lassen, in letzter Zeit war sie nicht mehr ganz so nervig, wie all die Jahre zuvor.
 

Entschlossen, ihr gegenüber offener und vertrauensvoller zu werden, klopfe ich an ihre Zimmertür. "Komm rein", ruft sie freundlich. Das fängt doch schon mal ganz nett an. Vielleicht zu nett …?

Ich trete ein und sehe sie in ihrem Zimmer umher rennen. Dabei weicht sie ständig den Keith Kandyce Pappfiguren aus. Ein ulkiges Hindernisrennen. "Was tust du?"

"Na packen! Morgen geht es doch los!" Sie stopft einen Stapel Zeitschriften in ihren Koffer.

"Die willst du wirklich mitnehmen?"

"Ich brauche doch Lesestoff und Dinge zum Unterschreiben."

"So viele? Meilo gibt dir nur eine Unterschrift. ... Während der Autogrammstunde jedenfalls."

"Ich weiß noch nicht was ich unterschrieben haben will", meint sie und rast wieder zu ihrem Schreibtisch.

"Ist das nicht egal?" Ich frage mich wirklich, wieso sie so einen Aufstand deswegen macht. Ihr Zimmer platzt doch schon vor lauter Unterschriften. Allein auf den Pappaufstellern sind genügend davon. Mal ganz abgesehen davon, dass sie ja sowieso an der Quelle sitzt.

"Ist es nicht! Oder willst du, dass Wendy und Penelope Wind davon bekommen, dass ich Keith kenne?"

"Sie kommen also mit?"

"Ja. Meilo besorgt noch zwei Karten. Ist das nicht toll?!" Ganz toll.

Ich atme innerlich tief ein. Ruhig bleiben. Du wolltest ihr doch vertrauen. "Wenn Meilo damit einverstanden ist, bin ich es auch", sage ich zu ihr, was mir mehr abverlangt, als es vielleicht den Anschein macht.

"Super! Sie kommen morgen früh zu uns und dann können wir gleich los. Halb sieben ist Abfahrt, richtig?"

"Richtig."

"Ach, ich freue mich ja schon so!", quietscht Nicole und zappelt vor mir auf und ab.

"Yippie", brumme ich mürrisch.
 

***
 

Ich komme gerade aus der Dusche, mit nicht am Leib, außer einem Handtuch, da tauchen Nicoles Freundinnen auf. Ich sehe zu, dass ich Land gewinne, hilft aber nicht, Wendy, die Stillere des Trios, hat mich entdeckt und läuft prompt rot an. Ich lächle einfach und schlängle mich durch den offenen Türspalt in mein Zimmer. Das nennt man wohl einen klasse Start hinlegen! Ab jetzt kann es nur noch schlimmer werden.

Angezogen, und mit meiner kleinen Sporttasche bepackt, verlasse ich mein Zimmer wieder, stelle die Tasche neben die anderen (wie der ganze Kram in mein Auto passen soll, weiß ich zwar nicht, aber nun gut) und geselle mich zu meiner Familie und Nicoles Freundinnen in die Küche.

Meine Mutter wirbelt dort herum, tischt das Frühstück auf, und schnattert dabei in ihrer gewohnten Art wild drauf los. "Kinder, wie aufregend das für euch sein muss! Heute trefft ihr euren Star!" Lautes Mädchenquietschen. Musste das sein, Mama? Die Weiber sind schon aufgekratzt genug. Ich darf es wieder ausbaden.

Mein Vater sieht auch nicht wirklich begeistert aus, ist aber still. Seine Predigt, dass wir ja brav sein sollen, und dass ich auf die Weiber aufpassen soll, hat er gestern Abend schon vom Stapel gelassen. "Ist noch Kaffee da?"

"Aber klar mein Schatz." Mama schenkt mir was ein. Welch Service. "Wendy, Liebes. Magst du nicht auch was essen?"

"Keinen Hunger", fiepst sie.

"Aber das geht doch nicht! Du musst was essen, oder willst du bei der Autogrammstunde umkippen?"

"Nein." Sie schüttelt ihre blonden Löckchen, was meine Mutter als Startschuss sieht, und ihr ein Brötchen auf den Teller legt.

"Ich habe euch noch Brötchen und Obst für unterwegs fertig gemacht", klärt sie uns auf. Ich grinse still vor mich hin. Meine Mutter wie sie leibt und lebt.

Als sie uns ihrer Meinung nach alle zu genüge gefüttert hat, dürfen wir aufstehen und sind endlich bereit, aufzubrechen. Alle schnappen sich ihr Gepäck und los geht's.

Wie schon bei der Fahrt zum Konzert, setzt sich Nicole zu mir nach vorn und die anderen beiden nach hinten. "Willst du nicht hinten sitzen?", frage ich sie.

"Vielleicht nachher", gähnt sie. "Will noch ein bisschen schlafen." Ich kann sie verstehen. Hinten geht schon das Gekicher und Gequietsche los. Kann es sein, dass Nicole sich tatsächlich verändert hat?

Sonst ist sie doch immer eine der Ersten, die herumkichert und herumquietscht. Insgesamt wirkt sie viel ruhiger. Hoffentlich fällt das ihren Freundinnen nicht auf.

Ich starte den Wagen. Sicher mache ich mir darüber unnötig Sorgen. Sobald wir bei Meilo sind, zappelt auch Nicole wieder herum. Ich lege den Rückwärtsgang ein, und will aus der Hofeinfahrt fahren, da zucke ich zusammen. Meilos Demo-CD läuft! Shit!

Nicole schaltet verdammt schnell, holt die CD raus und guckt mich perplex an. "War das Keith?", fragt Penelope.

"Äh ... ja", stottert Nicole. "Tut mir leid Niclas. Ich hab vergessen, dass die da noch drin war."

"Schon gut", nuschle ich.

"Was war das für ein Lied. Das kannte ich gar nicht." Oh verdammt! Warum lass ich Idiot die CD auch im Auto?

"Das war Shine. Eine Unplugged-Version", sagt Nicole. Also ganz ehrlich. Ich muss sie bewundern. Sie schaltet echt verflucht schnell.

"Wirklich? Hat sich gar nicht so angehört."

"War es aber", behaart Nicole. "Du kennst die Version auch."

"Wenn du das sagst, wird es stimmen." Halleluja! Mein Schwesterchen hat's geschafft! "Keiner kennt sich bei Keith so gut aus wie du."

"Stimmt", grinst Nicole und steckt die CD in mein Handschuhfach. "Erinnere mich daran, dass ich meine CD hier drinnen habe." Das war mir sowas von klar, dass sie sich die jetzt krallen will! Aber sie hat es verdient.

"Mach ich", sage ich und fahre los. Wir wollen ja nicht zu spät zur Autogrammstunde kommen.
 

***
 

Viereinhalb Stunden später stehen wir geschafft und müde vor dem Elektromarkt, in dem die Signierstunde stattfinden soll. Überall kreischende Mädchen und Jungen, wohin man blicken kann. "Stehen die bis hier an?", fragt Penelope panisch.

"Sieht so aus", schnaufe ich. Ich bin KO und will ins Hotel!

"Da kommen wir ja nie bis zu Keith!"

"Nur die Ruhe. Wir laufen mal vor und schauen nach." Nicole übernimmt das Ruder. Langsam mausert sich mein Schwesterherz zu einer ganz netten Person. Wirklich erstaunlich.

Wir dackeln ihr nach, bis vor zum Eingang des Elektromarktes. "Ey! Hinten anstellen!", zickt uns ein höchstens fünfzehnjähriger Knilch von der Seite an. Sein Outfit spricht Bände.

Nicole, ganz meine Schwester, drückt ihm einen blöden Spruch rein, ehe sie sich zu uns umdreht. "Es ist noch geschlossen."

"Das kann doch nicht sein", sage ich. "An einem Samstag haben die um halb zwölf noch geschlossen?"

"Sonderöffnungszeiten wegen der Autogrammstunde." Was es alles gibt. Die müssen sich ja einen schönen Verdienst ausmalen, wenn sie die regulären Öffnungszeiten dafür streichen. "Gehen wir wieder hinten hin und stellen uns an. Nicht, dass das Pickelgesicht hier noch einen Tobsuchtsanfall bekommt", sprichts, wirft ihr Haar zurück und schreitet an besagtem purpurfarbenen Pickelgesicht vorbei.

Mir kommen die Tränen. Meine Schwester, verehrte Damen und Herren! Das hier ist meine Schwester! Es ist schön, wenn ich mal nicht im Fadenkreuz ihrer üblen Laune stehe.

"Wenn die noch zu haben, dann haben wir ja doch ganz gute Chancen da rein zu kommen", überlegt Penelope, gibt dann vor Aufregung ein gurgelnd-pfeifendes Geräusch von sich und zittert wie ein kleiner Chihuahua.

Da mir das Anstehen zu dumm ist, frage ich die Mädels, ob ich ihnen was zu Trinken holen soll. Sie bejahen, also latsche ich von dannen und suche einen Laden in der Nähe, der Getränke anbietet. An einem kleinen Imbiss werde ich fündig. Ich berappe einen ungeheuren Preis für vier Miniflaschen Coke und mache mich wieder auf den Weg zurück, da sehe ich aus den Augenwinkeln einen Wagen vorfahren. Aber nicht irgendeinen Wagen, nein! "Meilo", flüstere ich fassungslos. Das da ist tatsächlich Meilos Karre, der hinter dem Elektromarkt hält!

Ich schaue hinüber zur Schlage bestehend aus unzähligen Keith-Fans, dann wieder zu Meilos Wagen. Neben ihm hat ein weiteres Auto gehalten. Sein Manager steigt aus, sowie zwei bullige Kerle, die ganz nach Security aussehen. Dann ist Meilo schon im Keith-Outfit. Das bestätigt sich auch gleich, als ich ihn erblicke. Geschminkt, gestylt und mit neuer Frisur (er hat sich seine Seiten ganz kurz rasiert und die oberen Haare nach hinten gekämmt, was nicht schlecht aussieht, muss ich zugeben), läuft er mit ausholenden Schritten auf eine große Tür zu, die augenscheinlich in den Lagerbereich des Marktes führt. Neben ihm bauen sich die beiden Sicherheitsmänner auf, gefolgt von Gerd. Weg sind sie. Keinen Grund mehr für mich hier zu bleiben.

Zurück bei den Mädels verteile ich die Flaschen und zücke mein Handy. *Groupie-Tours ist gelandet. Übrigens: Schickes Outfit*, sende ich auf Meilos Handy. *Und schicke Sicherheitsleute hast du da ;-)* Ob er meine Nachricht noch vor der Signierstunde lesen wird, bezweifle ich, aber einen Versuch ist es wert.

"Schreibst du Meilo?" Nicoles neugierige Nase schiebt sich rüber zu mir.

"Ja."

"Ist er ... angekommen?"

"Ja, eben. Hab ihn gesehen", sage ich leise zu ihr.

"Cool", haucht Nicole. Cool? So kann man es auch sehen.

Was aber leider nicht cool ist, ist die Warterei. Wie lange es dauern wird, bis Meilo bereit ist, für den Ansturm an unterschriftgeilen Teenagern, weiß nur er. Dass die Signierstunde nicht pünktlich beginnen wird, dürfte schon jetzt klar sein. Es ist zehn nach Zwölf. "Wollen die nicht bald mal aufmachen da vorn?", quengel Penelope. Auch Wendy sieht sehr unzufrieden aus. Sie trullert ständig eine ihrer lockigen Strähnen um ihren Zeigefinger.

"Wir könnten Keith ja anrufen und nachfragen", lacht Nicole. Mir bleibt das Herz stehen!

"Schön wäre es", seufzt Penelope. Ein Joke! Sie denken, Nicole hat einen Joke gemacht! Ist doch logisch. Immer locker bleiben Niclas.

Nach dem Schrecken, kratze ich gelangweilt an der Innenseite meiner Hosentasche herum. Ich hasse es zu warten! Ich hasse, hasse, hasse, hasse, hass...e? Mein Handy vibriert. Das kann nur er sein!

Ruck zuck habe ich es aus meiner Jackentasche gezogen und schaue nach. *Du hast mich gesehen? Warum hast du dich nicht bemerkbar gemacht?* Witzbold! Wie denn mit, Nicoles Freundinnen im Rücken und so bewacht, wie er war? Soll Gerd gleich auf mich Aufmerksam werden?

*Ging nicht. WIR warten auf Keith*, schreibe ich ihm allerdings bloß. Mal hoffen, dass ihm das als Antwort reicht.

Sekunden später seine Antwort. *Ach so. Dauert nicht mehr lange. Geht gleich los ;-* Bussi* Hui! Ein Kuss-Smiley und ein Bussi!

Ich zeige die Nachricht Nicole, die daraufhin lächelnd zu mir aufblickt. Glaubt sie etwa, der Kuss wäre für sie?! Nix da! Guck wo anders hin, Püppi! Ich stecke mein Handy wieder weg, und weiter geht das Warten.

Als vorne endlich Bewegung in die ganze Sache kommt, fangen die Ersten an zu schreien. Die Türen sind noch nicht ganz offen, da stürmen die Teenager schon los. Plötzlich komme ich mir sehr, sehr albern vor. Ich stehe zwischen lauter Teenagern! Ich schaue mich um und erkenne, dass noch mehr 'Erwachsene' ihre Sprösslinge behüten. Es beruhigt mich, dass ich nicht der Einzige bin, der über sechzehn ist.

"Es geht los! Oh mein Gott! Ich kann's nicht fassen! Gleich treffen wir Keith!" Penelope zittert aufgeregt. Wohl zu viel Coke genascht? Auch Wendy gibt einen aufgeregten Laut von sich. Nicole dagegen wirkt gelassen. Man könnte es auch mit einer Schockstarre verwechseln, was gut ist, denn sonst wäre das Verhalten meiner Schwester heute doch ganz schön auffällig.

"Was lässt du unterschreiben?", möchte Penelope von meiner Schwester wissen. "Hast du dich schon entschieden?"

"Ja. Die neue DVD."

"Für was brauchst du die eigentlich noch? Du hast doch schon so viele Unterschriften dank Niclas' Freund, der dir alles besorgen kann." Oha. Geht jetzt etwas das eifersüchtige Gekeife zwischen Fans los? Muss ich schlichten?

"Das ist doch nicht das Gleiche", antwortet Nicole gelassen. "Jede Unterschrift bedeutet nichts, solange man sie nicht selbst ergattert hat." Weise Worte, mein Schwesterchen. Ich habe heute allen Grund, stolz auf sie zu sein. Woll'n mal sehen, ob das auch so bleibt.
 

Die Schlange schreitet relativ schnell voran. Anscheinend werden die Fans im Hochgeschwindigkeitsmodus an Meilo vorbeigeschleust. Massenabfertigung eben. Vielleicht noch schnell ein Foto, dann aber nichts wie weg von Mr. Kandyce. Der Nächste bitte!

Im Elektromarkt schwillt der Lautstärkepegel um ein Vielfaches an. Dachte ich, draußen wäre das Geplapper und Geschreie schon laut, ist es drinnen noch viel schlimmer. Aus unzähligen Boxen kreischt Keith Kandyce, der Bass wummert hart. "Hat jemand von euch zufällig eine Kopfschmerztablette dabei?", frage ich in die Runde. Einstimmiges Kopfschütteln. Damm muss ich eben weiter leiden.

Ich schlürfe an meiner mittlerweile schal gewordenen Coke und schaue mich um. Meilo ist noch nicht in Sicht. Die Schlange von aufgeregten und teilweise flennenden Fans biegt in ungefähr fünf Metern nach rechts ab. Dort, wo sie das tut, fangen die Wartenden an zu kreischen und einige neigen zu regelrechten zusammenbruchartigen Anfällen. Ich gehe jede Wette ein, dass Keith der Grund dafür ist. An der Biegung angekommen, gewinne ich meine imaginäre Wette. Dort sitzt er. Keine zehn Meter von uns entfernt. Die Sicherheitsmänner stehen nicht unweit von ihm entfernt und gucken jeden grimmig an. Eine große Wand, bestehend aus bunten Bildchen seinerseits und dicken Schriftzügen seines Künstlernamens, steht hinter seinem Sitzplatz. Autogrammkarten stapeln sich neben ihm und Keith CDs und DVDs sind geschickt daneben platziert. Die perfekte Verkaufs-Maschinerie.

"Oh Gott! Oh-mein-Gott!" Die arme Penelope klammert sich an Nicole fest. "Er ist es! Er ist es wirklich, oder? ... Oder?!" Wendy winselt ein Ja und Nicole gibt ein Seufzen von sich.

"Ist er nicht wundervoll?", flüstert meine Schwester verträumt. Ja, ist er. Trotz dieser lächerlichen Siebzigerjahre-Gedenkschuhe und dem goldenen Flitter im neu frisierten Haar. Was hat er sich denn dabei wieder gedacht? Nachher klebt dieser ganze Zauber-glimmer-glitzer-Kram wieder an mir, denn mit einmal duschen geht das Zeug nicht weg. Tragischerweise kenne ich mich damit aus. Wenn euch nach einem guten Blow Job Glitzer im Schritt klebt, dann wisst ihr, ihr hattet gerade was mit einem Popstar. (Oder seid beim Karneval stockbesoffen von einem männlichen Elfen verführt worden, aber das ist eine andere Geschichte.)

Je näher wir dem aufgebauten Podest kommen, an dem Meilo sitzend hinter einem Tisch thront, desto hibbeliger werden Nicoles Freundinnen. Aber auch meine Schwester wird zusehends aufgeregter. "Geht's?", frage ich sie grinsend. Sie nickt, schenkt mir einen Blick, der sagt: Das wird schon, und geht wieder einen Schritt vor. "Wenn wir vorne sind, stelle ich mich auf die Elternparkbank."

"Von mir aus." Hm ... Obwohl ... Meilo könnte meinen Arm signieren. Wäre das nicht ein Spaß?

Ich scanne die Umgebung nach Gerd ab, sehe ihn aber nirgends. Lauert er im Hintergrund? Falls er mich erkennen würde, wäre das nämlich mal so gar nicht gut. Dann halte ich mich mal lieber im Hintergrund auf. Sicher ist sicher. Doch mit jedem Schritt, den ich Meilo näher komme, wird die Versuchung größer es doch zu tun. Andererseits sind Nicoles Freundinnen dabei. Sie werden sich fragen, warum ich mir den Arm bekritzeln lasse. Aktion abgeblasen, würde ich sagen. Ich lächle Nicole an, wünsche den drei Mädels viel Spaß bei meinem Freund (das sage ich so natürlich nicht), und dackle zu der kleinen Versammlung an Eltern, die fleißig Bilder machen, sobald ihr Sonnenscheichen bei meinem Loverboy angekommen ist. Geht das nur mir gerade so, oder hörte sich das leicht pervers an?

"Ganz schön was los hier, nicht?", frage ich einen älteren Herren, der dem Spektakel grimmig zuschaut.

"Pff!", pustet er und guckt noch grimmiger drein, was schon an ein Wunder grenzt. "Sowas hätte es früher nicht gegeben!", spottet er.

"Aber Berthold. Die Zeiten ändern sich." Die Dame, die neben ihm steht, höchstwahrscheinlich Bertholds Frau, lächelt milde.

"Eine Schande ist das!" Berthold ist ja ein ganz entzückendes Exemplar von einem Mann. "Schwuchteln!" Ja aber hoppla! Der Arsch hat gerade meinen Freund, mich und die gesamte homosexuelle Gemeinschaft beleidigt!

"Haben Sie etwa was gegen Schwuchteln?", frage ich ihn angriffslustig und drehe mich zu ihm. Seine Augen fliegen zu mir, er grunzt, und guckt wieder nach vorn. Ich hätte nicht übel Lust, ihm hier und jetzt die Meinung zu geigen, aber ich beherrsche mich. "Mutig, so etwas zu sagen, wo so viele von uns 'Schwuchteln' hier sind", zische ich bloß, lasse den Kerl stehen und suche mir ein freundlicheres Plätzchen zum Warten.

Ich finde eins neben einer pummeligen Frau in greller Kleidung. Sie hat sich in ihr wasserstoffblondes Haar pinke Strähnchen färben lassen und knipst unermüdlich Fotos von meinem Schatz und ihrem Sohn, der nur noch drei aufgelöste Teenies vor sich hat, bis er bei Keith ist. "Schatz! Schahatz!" Die stolze Mama fuchtelt wild mit ihrer freien Hand.

"Lassen Sie das lieber", rate ich ihr. "In diesem Alter halten uns die Teenies für peinlich." Dass sie mir selbst in meinem Alter noch peinlich wäre, lasse ich unausgesprochen.

"Glauben Sie?"

"Nein. Ich weiß es sogar. Sehen sie die das Mädchen mit der DVD in der Hand?" Ich nicke in Nicoles Richtung. "Das ist meine Schwester."

"Ach ist die goldig!" Hä?! Na wenn sie meint.

"Und jetzt passen Sie mal auf. ... Nicohoool! Juhu!" Ich winke ihr zu und grinse dümmlich, was bei ihr pure Verwirrung und peinlich berührte Blicke hervorruft. "Sehen Sie? Ich bin total peinlich."

Die pink-strähnige Mutter guckt nicht weniger dumm aus der Wäsche als mein Schwesterherz. "Aber ich bin doch so aufgeregt!", japst sie und knipst erneut drauf los.

"Das ist Ihr Sohn auch." Ich glaube, meine guten Ratschläge gehen bei ihr in Schall und Rauch auf. Sie hört nicht weiter auf mich, was daran liegen mag, das ihr Kleiner nun bei Keith angekommen ist. Langsam frage ich mich, wer von beiden der größere Fan ist.

Egal. Ich beschließe, keinen der Verrückten hier mehr anzusprechen und lehne mich gegen eins der Verkaufsregale hinter mir. Dabei beobachte ich die Groupies, die meinen Schatz anhimmeln, und selbstverständlich auch ihn. Meilo lächelt all seine Fans freundlich an, stellt sich für Selfies zur Verfügung und schreibt überall seine Unterschrift drauf. Im Stillen bedauere ich ihn. Das muss ein Höllenjob sein. Mir ginge das ganze Spektakel nach einer Minute schon auf den Sack.

Ich bedaure ihn weiter, beobachte still und gucke den strahlenden Gesichter nach, die an mir vorbeilaufen, nachdem sie sich ihre Fotos und Unterschriften abgeholt haben. So lange, bis meine Schwester und ihre Freundinnen dran sind. Als Meilo Nicole erkennt, lächelt er breit, spielt auch hier Fotomodel und zückt den Edding, um die DVD zu unterschreiben. Unwillkürlich muss ich an die Kneipe M denken. Wie wir unter dem Tisch gehockt haben, um dieses höchst seltsame Ritual zu vollziehen. Ein warmes Pochen überzieht meine Bauchregion. In solchen Momenten fehlen mir einfach die Worte, um zu beschreiben, wie sehr ich diesen Mann liebe.

Das Pochen verstärkt sich plötzlich. Mein Blick saust von ganz allein von Nicole zu Meilo und trifft auf seinen. Er hat mich entdeckt. Zu dem Pochen gesellt sich eine Gänsehaut. Verstohlenes Lächeln, eindeutige Blicke, viel zu kurz, als dass sie jemand anderer außer ich bemerken könnte. Auf der Stelle schiebt mein Herz Überstunden und in mir wächst das Verlangen. Ich will zu ihm! Jetzt sofort!

Leider weiß ich nur zu gut, dass das nicht geht. Ich werde mich bis nachher gedulden müssen, weiterhin hier dumm herumstehen, den anderen zuschauen, wie sie quietschend und hechelnd vor meinen Mann stehen und so tun, als ginge mich das alles gar nichts an, und das behagt mir gar nicht.

"Hätte ich auch Fotos von dir schießen sollen?", frage ich Nicole, als diese zu mir läuft.

"Nö. Ich habe was besseres." Was genau sie besseres hat, das kann ich mir sehr gut vorstellen. "Aber ich mach mal welche für Wendy und Penelope." Mit erhobenen Handy steht sie da, knipst, wechselt dann jedoch zum Videomodus und hält schon auf Meilo und ihre Freundinnen drauf.

Die beiden sind auch schnell abgespeist und kommen schließlich auf uns zu geschwebt. "Das war so ... so ... AHHH!" AHHH! Meine Ohren! Darauf hätte ich gefasst sein müssen. Die Einzige, die verbal gesehen ruhig bleibt, ist Wendy. Auch wenn sie so aussieht, als hätte sie sich ihr Leben lang bloß von Tomaten ernährt. "Können wir noch bleiben?", quengelt Penelope, doch einer der Marktangestellten versucht uns schon zu verscheuchen.

"Gehen wir dort rüber", schlage ich vor und zeige auf die Rolltreppe. "Von oben könnt ihr auch noch was sehen, wenn ihr mögt." Ich bin heute verdammt kinderfreundlich, was? Vor der Rolltreppe bleibe ich jedoch stehen. "Geht ihr hoch, ich will noch was erledigen. Aber dass ihr mir den Markt nicht verlasst!"

"Solange Keith hier ist, bekommt uns niemand weg", lacht Nicole.

"Fein. Dann bis gleich. Und falls was ist, ruft mich an."

"Jaha", schnaubt Nicole genervt und rollert nach oben. Ihre aufgelösten Freundinnen im Schlepptau. Und was tue ich? Getrieben vor Verlangen und Sehnsucht nehme ich die Beine in die Hand, und verlasse den Elektromarkt.

So unauffällig wie es geht, schleiche ich mich zu Meilos Auto. Was ich tun werde, wenn ich da bin, weiß ich noch nicht. Erstmal sehen, was da so alles ist. Vielleicht kann ich mich ja irgendwie einschmuggeln und in irgendeinem Kämmerlein auf ihn warten. Dass das zeitlich gar nicht möglich ist, verdränge ich. Allein der Gedanke daran, es vielleicht tun zu können, ist schön.

Ich bin noch nicht ganz angekommen, da sehe ich einen bulligen Kerl, der ein paar Teenager verscheucht. Die hatten wohl ähnliche Gedanken wie ich. "Macht, dass ihr weg kommt. Hier gibt's nichts zu sehen", grantet der Sicherheitsmann und macht einen auf dicke Eier. Er wartet, bis die enttäuschten Balgen weg sind, stemmt seine dicken Arme in die Hüfte und tut noch ein paar Sekunden auf Mr. Wichtig. Dann dreht er sich um und stampft breitbeinig auf die große Eisentür zu, in die Meilo vorhin verschwunden ist. Dort platziert er sich und sieht sehr gefährlich aus.

Na wunderbar! Mich bis zu Meilos Karre heranzupirschen ist somit unmöglich. Der Typ wird mich auch verjagen, falls ich es versuche. Mein Plan geht in Luft auf. Ich muss wohl oder übel warten, bis heute Abend, es sei denn, mir fällt noch was ei.. "Hey, Sie da!" Ich zucke furchtbar zusammen. Hinter mir ist jemand! Ich drehe mich wie vom Blitz getroffen einmal um die eigene Achse und erschrecke noch mehr. Ach du Scheiße! Das ist Gerd! "Was tun Sie hier hinten?" Giftig glotzt er mich an. Erkennt er mich?

"Muss pissen", grolle ich mit möglichst dunkler Stimme.

"Was?"

"Ich hab Druck. Zu viel Bier." Gerd verzieht angeekelt das Gesicht.

"Aber nicht hier verstanden? Hier wird gleich alles abgeriegelt, also such dir 'ne andere Ecke zum Pinkeln." Er lässt mich einfach stehen und ich bete stumm dreißig Ave Marias. Er scheint mich nicht erkannt zu haben! Uff!

Die Lage wird mir zu brenzlig, und mein Plan, Meilo irgendwie und irgendwo für nur ein paar Sekunden nur für mich zu haben, geht endgültig in Rauch auf. Rückzug, meine Herrn. Heben wir uns den Sturm auf Meilo für nachher auf.
 

***
 

"Ich will nur meine Schwester und ihre Freundinnen holen."

"Sie kommen hier nicht rein. Stellen Sie sich hinten an."

"Aber ich war doch schon da drinnen!" Der rafft es nicht!

"Ja, ja. Das kann ja jeder sagen." Aaahrrg! So ein Pisser! Ich knirsche mit den Zähnen und balle die Hände zu Fäusten, mache notgedrungen auf dem Absatz kehrt und zerre mein Handy hervor. "Nicole? Ich komme nicht mehr ins Geschäft rein. Ich warte draußen auf euch", berichte ich meiner Schwester.

/Warum bist du denn raus gegangen?/ Weil ich Dummarsch geglaubt habe, so irgendwie in Meilos Nähe zu kommen.

"Brauchte mal frische Luft." Die Wahrheit kann ich ihr unmöglich sagen. Ich komme mir auch so schon oft genug vor wie ein liebesblinder Volltrottel. "Sehr einfach zu, dass ihr raus kommt, bevor alle anderen auch gehen wollen."

/Wendy möchte sich aber noch eine CD kaufen./

"Dann soll sie sie kaufen und dann kommt her. Wir müssen noch ins Hotel ehe wir in den Club fahren."

/Ist gut. Bis gleich./ Aufgelegt. Das mit dem Club hat gewirkt.

Jetzt muss Nicole nur ihre Freundinnen dazu überreden, mit ihr zu gehen, denn die wissen noch nichts von heute Abend. Nicole möchte sie überraschen, also lasse ich ihr das Vergnügen.

Ungeduldig trete ich von einem Fuß auf den anderen, bis schließlich eine entspannt wirkende Nicole und zwei schmollende Freundinnen aus dem Elektromarkt kommen. "Na endlich!", schnaufe ich. "Wird auch mal langsam Zeit."

"Warum konnten wir noch nicht bleiben?", mault Penelope. "Keith ist noch da!"

"Seid lieber mal froh, dass ich euch überhaupt mitgenommen habe, und jetzt los!" Ich scheuche die drei zum Auto, ziehe Nicole allerdings etwas Abseits. "Sag es ihnen endlich. Die reißen mir sonst noch den Kopf ab."

"Nachher", zischt sie. "Die Karten liegen doch im Hotelzimmer, oder?"

"Ja."

"Dann überleg dir lieber mal eine Ausrede, warum die da liegen", spricht's und lässt mich einfach stehen.

"Oh Shit." Wie konnte mir denn das entgehen? Diese ganze Aktion artet echt in Arbeit aus, kann ich euch sagen! Und es macht überhaupt keinen Spaß, mit drei Teenies eingepfercht in einem Auto zu sein, während sie dir mit den Augen tödliche Blitze entgegenschleudern, obwohl du dir dringend was einfallen lassen musst, warum Eintrittskarten auf dem Hotelzimmer hinterlegt worden sind, in denen du gleich mit eben jenen drei Teenies einchecken möchtest. Ich will nach Hause!

Im Hotel warte ich nervös an der Rezeption, bis man mir die Schlüsselkarte übergibt. "Einen schönen Aufenthalt Ihnen und ihren ... Begleitungen."

"Danke", schnaube ich und sehe zu, dass ich Land gewinne, damit sie mich nicht weiter so anklagend anstarren kann. Die Tusse denkt sich jetzt bestimmt sonst was. Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass ich schwul bin. Hinterher steht morgen früh die Polizei vor unserer Hoteltür. Wie gut, dass ich dann bei Meilo sein werde! Soll Nicole das ausbaden.

Als wir vor der Zimmertür stehen, ist mir immer noch keine geeignete Ausrede für die Karten eingefallen. Die Zeit wird knapp. "Mädels? Wollt ihr mal das Video sehen, dass ich gemacht habe?", höre ich Nicole hinter mir fragen.

"Du hast eins gemacht?! Echt?!"

"Oh, zeig mal."

Ich drehe mich um und schaue die drei an. Sie hängen an Nicole und starren wie hypnotisiert auf ihr Handy. 'Na los!', formen Nicoles Lippen und sie zieht die Augenbrauen hoch. Ich verstehe. Ausgekochtes Ding! Sie hat doch meine Gene. Und sie scheinen frischer zu sein als meine, was aber auch nicht schwer ist, nachdem, was ich heute schon alles über mich ergehen lassen musste. Kein Wunder, dass meine grauen Zellen nicht mehr wollen. Sie möchten nur noch bei Meilo sein, sich in seinen Armen ausruhen und genesen. Ich kann sie verstehen.

Ich schiebe die Karte durch den Schlitz und trete ein. Schnell orientiert, das Zimmer ist riesig, schon habe ich das Hauptschlafzimmer gefunden. Und Bingo! Da liegen sie. Ich beeile mich und klaube sie von der Bettdecke. Keine Sekunde zu spät. Nicole plus Anhang kommen ins Hotelzimmer gestürmt. "Wahnsinn! Ist das riesig!", staunt Penelope. "Hier pennen wir heute Nacht?"

"Ja. Ihr könnt das große Bett haben." Bin ich nicht edel und uneigennützig? "Ich schlafe nebenan."

"Geil!" Ich kann gerade noch zur Seite springen, als Penelope sich auf das große Bett wirft. "Hätten wir doch jetzt Keith bei uns", kichert sie. Oh Kleines. Er wird gar nicht mal so weit entfernt sein. Zwei Türen weiter, und du bist in seinem Zimmer.

Apropos. "Habt ihr Hunger?" Ein einstimmiges Ja ertönt. "Wollt ihr hier essen, oder unten?"

"Hier!", schreit es aus drei Hälsen.

"Dann bestellt euch was. Ich bin noch mal kurz unten was klären." So. Die wären beschäftigt.

Ich dagegen quetsche mich wieder in den Aufzug, rausche mit ihm nach unten und laufe wieder zur Rezeption. Diesmal passe ich auf, dass ich nicht wieder bei der misstrauischen Frau lande. Ich habe Glück. Ein junger Mann kommt zu mir. "Es müsste eine Schlüsselkarte für Ed Towing hinterlegt worden sein."

"Ich schaue mal nach."

"Danke."

Der Rezeptionsfuzi tippt auf seiner Tastatur herum. "Oh ja. Da haben wir es. Zimmer 314. Eine zweite Zimmerkarte für Ed Towing."

"Genau."

"Einen Moment bitte, ich hole sie."

"Ist gut." Gib schon her!

Als sie mir endlich übergeben wird, flitze ich so schnell wie möglich wieder hoch, steuere Zimmer Nummer 314 an und trete ein.

Erleichtert lehne ich mich an die geschlossene Tür. "Endlich allein", flüstere ich und fühle mich noch ein Stück besser, als ich Meilos Koffer in der Ecke stehen sehe. Ein warmes Gefühl des Zuhauseseins stellt sich bei mir ein. Wo Meilo ist, da bin ich zuhause. Dieses Gefühl merke ich mir für die weitere Wohnungssuche.

Ich stoße mich von der Tür ab und steure das Bett an, auf das ich mich seufzend drauf fallen lasse. Es duftet frisch und rein, und ich meine sogar Meilo zu erschnüffeln.

Ein paar Minuten bleibe ich so liegen, gönne meinen malträtierten Ohren etwas Ruhe und drehe mich dann auf den Rücken, um Meilo eine Nachricht zu schreiben. *Bin angekommen. Hat alles geklappt.* Er weiß, was damit gemeint ist. Jetzt noch eine Kleinigkeit essen, dann gehe ich wieder rüber zu den Mädels. Ich schätze, uns allen tut es gut, wenn ich fürs erste in Meilos Suite bleibe.
 

******

Love bite 35 - Glitter in der Kimme

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 35 - Glitter in der Kimme (Ohne Adult)

Love bite 35 - Glitter in der Kimme (Ohne Adult)
 

"Nicole? Penelope? ... Wendy?!" Wo sind die denn alle?!

Mit wachsender Panik schaue ich mich im Hotelzimmer der Drei um. Niemand zu sehen. Gegessen haben sie, das sieht man an dem dreckigen Geschirr, das überall verteilt herumsteht, aber wo sind die Mädels? "Nicole?!"

"Hier! Im Bad!" Oh Gott sei Dank! "Was denn?" Die Badezimmertür öffnet sich. Dicke Dunstschaden folgen ihr.

"Ich wollte nur wissen, ob ihr noch lebt", antworte ich und vermeide es tunlichst, ins Badezimmer hineinzusehen.

"Tun wir", antwortet mir mein Schwesterlein. "Wir machen uns für nachher fertig."

"WIR SEHEN KEITH LIVE!!!" Ich fasse es nicht, aber Penelope ist noch lauter als Nicole.

"Du hast es ihnen gesagt?"

"Sieht so aus, was?" Man hört es eher, aber naja.

"Dann macht euch mal hübsch. Ich suche mir auch was raus und gehe wieder rüber."

"Ist er da?", fragt sie mich leise.

"Nein. Aber er lange wird es nicht mehr dauern." Laut seiner SMS ist er schon unterwegs.

"Dann viel Spaß." Nicole zwinkert mir zu und verschwindet wieder im Bad.

"Danke", erwidere ich verblüfft und starre auf die geschlossene Badezimmertür.

Das nimmt sie ja sehr locker. Wahrscheinlich hat sie sich schon dran gewöhnt, dass ihr heißgeliebter Keith schwul, und mit ihrem dämlichen Bruder liiert ist. Schön. Das freut mich. Endlich Ruhe und Frieden. Warum glaube ich mir nur nicht?
 

Ich suche mir eine helle Jeans raus, ein Shirt und frische Unterwäsche. Im Club ist es bestimmt ordentlich warm. Da brauche ich nicht noch einen Pullover. Meine Sweatshirtjacke reicht vollkommen. Mit allem beladen, tapse ich zurück in Meilos Zimmer und lege den Stapel aufs Bett, ehe ich mich ausziehe und ins Badezimmer gehe. Eine heiße Dusche wird mich wieder auf Trab bringen.

Weil ich von dem Hotelduschkram nichts nehmen will, greife ich mir welches von Meilo, das ich mir vorhin schon aus seinem Koffer stibitzt habe. Entspannt schließe ich die Augen und lasse das warme Wasser seine Wirkung entfalten. Herrlich! "Werde ich ab jetzt immer so in meinem Hotelzimmer begrüßt?"

Mir rasselt das Duschgel aus der Hand. Mir einem lauten Schlag landet es auf dem Boden der Dusche. "Meilo?!" Starr vor Schreck schaue ich durch die Glasscheibe der Duschwand. Meilo steht grinsend davor, die Arme überkreuzt, und trägt immer noch sein Keith Kandyce Outfit, in dem er so wundervoll überheblich-frech aussieht, dass ich für einen Moment die ganzen Fans verstehen kann, die ihn in diesem Aufzug vergöttern.

Der Schrecken legt sich fix wieder und wird von Freude und Erleichterung ersetzt. "Meilo!", wiederhole ich, diesmal glücklich und überschwänglich.

Die Tür ist schneller offen, als man Keith Kandyce aussprechen kann. "Bist du schon fertig, oder wartest du kurz, bis ich mich ausgezogen habe?", fragt er mich.

"Ich warte schon so lange auf dich, da kann ich es die paar Sekunden auch noch tun", grinse ich.

"Tut mir leid, aber es ging nicht schneller."

"Kein Ding", winke ich ab und verfolge jeder seiner Bewegungen mit gierigen Blicken.

Stück für Stück entkleidet er sich, bis er nackt vor mir steht. Nur noch die Schminke und der Glitzerkram in seinem Haar erinnern noch an sein Alter Ego. Er tritt ein, schließt die Tür hinter sich und endlich liegen wir uns in den Armen. Fest pressen sich seine Lippen auf meine. Wir beenden den Kuss erst wieder, als wir knapp davor sind, an akutem Sauerstoffmangel zu ersticken. "Wie hat euch die Signierstunde gefallen?" Will er das jetzt wirklich wissen?

"Sie war eindeutig zu lang", keuche ich und reibe meine erwachte Erregung an seinem Oberschenkel. "Viel, viel zu lang ..." Erneut küssen wir uns, liegen uns eng umschlungen in den Armen und haben nicht vor, uns so schnell wieder loszulassen.
 

***
 

"Jetzt können wir nochmal duschen", murmle ich überaus erschöpft gegen Meilos Oberarm.

"Zusammen?"

"Haben wir dafür noch genug Zeit?"

"Ich fürchte nicht."

"Dann lieber nacheinander." Zusammen brauchen wir länger beim Duschen, als getrennt. Der Grund dafür dürfte auf der Hand liegen.

"Schade. Ich hätte dich so gern nach der Seife bücken lassen."

Ich hebe den Kopf und mustere mit zusammengezogenen Augenbrauen Meilos Gesicht. Er grinst mit geschlossenen Augen. "Noch nicht genug?"

"Von dir doch nie, das weißt du doch."

Jetzt zucken auch meine Mundwinkel nach oben. "Richtige Antwort mein Lieber", lobe ich ihn.

"Ich weiß eben, was mein Apfelstrudel gerne hört."

"Dein süßer Apfelstrudel", korrigiere ich ihn. "Wenn schon, dann richtig."

"Oh Verzeihung!", lacht Meilo und öffnet die Augen. "Das hatte ich vergessen."

"Ein schöner Freund bist du mir." Ich ziehe einen Schmollmund. "Vergisst einfach, wie süß ich bin."

"Keine Sorge. Das vergesse ich garantiert niemals." Seine Hand legt sich auf meine Wange. Zärtlich fährt Meilos Daumen über meine Lippen und fängt an leise zu lachen. "Du glitzerst."

"Wo?"

"Hier. Am Mund." Na supi!

"Daran bist nur du schuld", maule ich und schaue Meilo genauer an. Tatsächlich glitzert er auch noch überall. "Irgendwann hängt mir das Zeug noch in der Kimme." Meilo prustet los. "Das ist nicht witzig!"

"Wer sagt denn, dass du dort noch nie geglitzert hast?" Mir bleibt der Mund offen stehen.

"Nicht wirklich?"

"Doch."

"Nein!"

"Hab's gesehen."

"Wann?"

"Weiß nicht mehr." Er zuckt mir den Schultern.

Ich setze mich auf und schaue an mir runter. "Da! Noch mehr!" Mein ganzer Bauch ist voll! Nicht nur davon, aber lassen wir das.

"Zeig mal." Meilo rappelt sich ebenfalls auf und streichelt mit der Hand über meinen Oberkörper.

"Verreib es nicht noch! Ich geh schnell duschen." Ich will gar nicht wissen, wo das Zeug sonst noch klebt. Meilos Erzählung von eben reicht mir vollkommen.

"Du? Sweetheart?", ruft Meilo mir nach, als ich schon vor der Dusche stehe.

"Was ist?"

"Das Bett ist auch voll." War ja klar.

"Lass es neu beziehen!"

"Wieso denn? Das kommt nachher noch mehr dazu." Ich hätte es mir denken können, dass er sich heute Abend wieder mit Glitzer und Glamour dekoriert. Das kann ja heiter werden!

Ich höre, wie er durchs Zimmer läuft und einen seiner Koffer öffnet. "Beeilst du dich? Ich muss mich fertig machen."

"Neuen Glitzer auflegen?" Meilo lacht und ich ergebe mich in mein Schicksal. "Ja, ist gut. Ich beeile mich."

"Danke Sweety!" Ich kann ihm einfach nicht böse sein, und wenn er noch so glitzert und mich damit bestäubt.

Trotz meines Versprechens, mich zu beeilen, sehe ich zu, dass ich jeden Winkel meines Körpers ordentlich mit der Brause abdusche. Weg mit dem Zeug! Als ich fertig bin, steht Meilo schon in den Startlöchern. Nackt, wie man ihn erschaffen hat, steht der vor dem großen Badezimmerspiegel über dem Waschbecken. Skeptisch begutachtet er sein Gesicht im Spiegel. "Na? 'Ne Falte entdeckt?"

"Nein", antwortet er nachdenklich. "Ich überlege, wie ich heute Abend auftreten werde."

"Dabei kann ich dir nicht helfen", sage ich, wickle mir ein Handtuch um die Hüften und umarme ihn anschließend von hinten. "Ohne Glitzer fände ich mal nicht schlecht." Ich grinse ihn im Spiegel an.

"Der kommt aber immer so gut."

"Er kommt? Kein Wunder. Wenn ich ein Glitzerflöckchen wäre, und die Ehre hätte, an dir kleben zu dürfen, würde ich auch kommen." Meilo grinst sich einen ab, wobei mich seine grünen Augen amüsiert anschauen.

"Du bist unmöglich, Nic."

Lachend reibe ich meine Nase über die Stelle hinter seinem Ohr. Die kurz geschorenen Seiten fühlen sich wundervoll weich an meiner Wange an. "Deine neue Frisur gefällt mir", teile ich ihm mit.

"Ja?" Ich nicke und kann es nicht lassen, mich weiterhin an ihm zu reiben. Zu meinem Bedauern dreht Meilo sich von mir weg, das heißt, seinen Oberkörper zur Seite und fasst mir an den Hinterkopf. Na schön, dann eben anders. Ich beuge mich ein Stück vor, um ihn zu küssen. Schon viel besser!

Meilos Unterlippe schiebt sich zwischen meine. Träge saugt er an meiner Oberlippe, während ich das Selbe mit seiner Unterlippe mache.

"Ich muss bald los", seufzt Meilo nach einer Weile, erobert meinen Mund allerdings gleich wieder.

"Ich weiß", hauche ich, umarme ihn fester und schiebe mein Becken vor.

"Dann sollten wir aufhören."

"Sollten wir." Das sollten wir echt, denn sonst endet das hier nur wieder damit, dass ich ein drittes Mal unter die Dusche muss, und Meilo wird wahrscheinlich wirklich zu spät kommen. Aber ich kann nicht aufhören! Und als sich Meilo in meinen Armen auch noch ganz umdreht, mich ebenfalls an sich zieht, ist alles andere vergessen.
 

*
 

Mit wackeligen Knien rapple ich mich auf und falle gegen Meilos Brustkorb. "Hab doch gesagt, dass es ganz schnell geht", flüstere ich, was Meilo zum Lachen bringt.

Wir genießen noch einen kurzen Moment lang die gemeinsame Nähe, ehe mein Schatz sich endgültig von mir löst und sich in die Dusche begibt. Ich suche derweil das Schlafzimmer auf und ziehe mich an. Meilo hat sich in Rekordzeit fertig geduscht, rast nackt an mir vorbei und steigt in die schon bereitgelegte Unterhose. "Wie spät?", fragt er mich.

"Fünf."

"Geht ja noch." Seine Hektik legt sich schlagartig. "Wann fahrt ihr eigentlich los?"

"Da das Konzert um acht beginnt, um neunzehn Uhr, schätze ich."

"Um neunzehn Uhr ist Einlass."

"Passt doch."

"Die Mädels wollen sicher schon früher los, damit sie als erste drinnen sind", meint Meilo.

"Ich habe die Autoschlüssel und ich bestimmte wann es los geht." Und damit basta!

"Dann willst du ganz hinten stehen? Du willst nicht in meiner Nähe sein?" Meilo macht ein überaus trauriges Gesicht und kommt schleichend auf mich zu.

"Was würde das bringen?", frage ich ihn ungerührt.

"Was das bringen ...? Also hör mal!" Ich lache auf und nehme Meilos Hände in meine. "Habe ich dir heute schon mal gesagt, dass du unmöglich bist?"

"Hast du", nicke ich. "Aber mal im Ernst. Wenn ich ganz vorn stehe, und dich vor mir herumhüpfen sehe, wie du mit deiner engen Hose den Hintern wackeln lässt ... glaubst du, ich würde mich da noch zurückhalten können?"

"Hm ... Nein?"

"Genau. Nein, könnte ich nicht. Deswegen gehe ich kein Risiko ein und bewundere dich von weitem, mein Schatz."

"Na schön", seufzt Meilo. "Aber die Mädels wollen trotzdem ganz nach vorn." Er lässt mich wieder los und schlüpft in eine schwarze Röhrenjeans mit, Achtung, Glitzersteinen bestückt. Aber wenigstens kleben die fest am Stoff und fliegen nicht durch die Gegend, und bleiben vorzugsweise an mir hängen.

"Ach mal sehen", gähne ich. "Wenn sie mir zu sehr auf die Nerven gehen, lade ich sie schon eher vor dem Club ab."

Meilo grinst und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. "Sind sie so schlimm?"

"Schlimmer. Besonders Penelope. Endlich ist Nicole aus dem Gröbsten raus, dann taucht die auf und schreit wie eine hysterrische Weihnachtsgans." Es ist wie verhext! Als wolle mich ein rachsüchtiger Gott mit pubertären Teenagern quälen.

"Mit deiner Schwerster läuft es also gut?" Ich nicke. "Das ist schön. Ich habe doch gesagt, dass man mit ihr reden kann."

"Scheint so. Vorhin hat sie mir viel Spaß gewünscht, als ich ihr gesagt habe, dass ich zu dir gehe."

"Na da schau an", gluckst Meilo. "Siehst du? Sie hat es dir nicht lange übel genommen, dass du mich 'ihr weggenommen' hast."

"Anfangs hat es sie schon mitgenommen, aber dank deiner aufopfernden Geschenke, die du ihr ständig zukommen lässt, ist sie schnell darüber hinweggekommen. Letztens hatte sie riesige Herzchen in den Augen, weil ihr klar wurde, dass du jetzt zur Familie gehörst. Schwager Keith Kandyce scheint ihr auch ganz gut zu gefallen."

"Schwager Meilo Haug", verbessert mich mein Liebling. "Keith ist bald Geschichte."

"Ich kann es kaum erwarten", hauche ich, schiebe meine Arme um seine Taille und klaube mir einen langen, feuchten Kuss, bevor ich ihn gehen lasse, damit er sich weiter fertig machen kann. "Du Meilo? Wird Gerd eigentlich auch da sein?" Eine wichtige Frage, wie ich finde.

"Nein." Was für ein Glück! "Er ist schon unterwegs zum nächsten Termin. Warum fragst du?"

Ich setzte mich aufs Bett und ziehe mir die Fernbedienung des Fernsehers heran. "Ich hatte heute Mittag eine unschöne Begegnung mit ihm. Er hat mich erwischt, wie ich in der Nähe deines Wagens herumgelungert habe."

Meilo kichert. "Du wirst ja schon wie meine Groupies."

"Ja, ja lacht nur", grante ich ihn an. "Ich fand es gar nicht witzig. Stell dir vor, der hätte mich als Logan enttarnt!"

"Hätte er schon nicht. Als Logan siehst du doch ganz anders aus."

"Schon, aber ich wollte kein Risiko eingehen und habe mich als ungehobelter Wildpinkler ausgegeben."

Jetzt bricht Meilo vollends in schallendes Gelächter aus. "Was hast du?! ... Haahaa! ... Wildpinkler?!"

"Ich musste doch irgendeine Begründung dafür haben, hinter dem Elektromarkt herumzuschleichen. Als Keith-Fan hätte er mich garantiert aufmerksamer gemustert."

"Kann sein", gluckst mein Schatz. "Aber ... Hahah!"

"Ochh! Ist ja schon gut. Lach mich nur aus."

"Entschuldige, aber sich das vorzustellen ... brppffft." Wie nett!

Meilo entschuldigt sich ein weiteres Mal und kann sich endlich beherrschen. Das lachen verstummt, was ich ihm aber auch geraten haben will! Während er vor seinem Schminkspiegel hockt, und sich bepinselt, lege ich mich ganz aufs Bett und zappe durchs TV-Programm. Den Ton habe ich ausgeschaltet, ist einfach angenehmer. Es läuft nichts interessantes, bis ich auf einen Musiksender schalte. Und wie soll es anders sein? Ein Keith Kandyce Musikvideo läuft.

Inzwischen kenne ich sie alle, nicht, weil Nicole sie dauernd laufen lässt, mitnichten. Ich habe mich eines schönen Nachmittags vor meinen Lapi gesetzt und Youtube durchforstet. Wieso ich das getan habe? Mir war langweilig und ich schmachtete nach Meilo, der zu der Zeit nicht mit mir telefonieren konnte. Youtube war für mich sozusagen meine Ersatzbefriedigung. Und ein klitzekleinesminibisschen war ich auch neugierig.

Ich lasse den Sender und schaue dem Mini-Keith dabei zu, wie er singender weise durch eine abgewrackte Industriehalle hüpft. Backgroundtänzer inklusive. "Ich wusste gar nicht, dass du auch Choreographien tanzen kannst", sage ich, gespannt auf Meilos Reaktion.

"Hm?" Er tuscht sich gerade die Wimpern. Früher, als ich meiner Mutter dabei hin und wieder zugeschaut gabe, dachte ich immer, dass das doch unglaublich weh tun muss.

"Ich wusste gar nicht, dass du auch Choreos tanzen kannst", wiederhole ich.

"Woher weißt du das?" Anstatt zu antworten schalte ich den Ton an. Meilo dreht sich zum Fernseher. "Ach so", brummt er. "Bis ich die drauf hatte, hat es ewig gedauert. Eigentlich bin ich gar nicht so ein toller Tänzer. Aber mit der richtigen Anleitung bekomme ich das auch hin. Und für was gibt es Leute, die die Videos zusammenschneiden?"

"Ich hätte mir schon beim ersten Schritt die Fußgelenke demoliert." Sieht schwer aus. "Oder das Genick gebrochen", überlege ich, und sehe den Tänzern zu, wie sie ihre Hälse verrenken. "Das muss doch höchst ungesund sein."

"Dabei wird man Fit", lacht Meilo. "Und gelenkig." Der Bildschirm gerät in den Hintergrund.

Ich schaue Meilo an, der mich über den Spiegel hinweg angrinst. "Gelenkig?", frage ich nach.

"Ja ... Sehr gelenkig."

"Was hältst du davon, wenn wir nächstes Jahr ein paar Tanzstunden nehmen?" Meilo kichert, schüttelt jedoch den Kopf. "Warum nicht?"

"Gelenkigkeit kann ich dir auch selbst beibringen. Ganz in Ruhe und ganz ... intim." Intim hört sich doch vielversprechend an, oder?

Wir belassen es dabei, denn Meilolein muss sich ja schließlich fertig bemalen. Als er endlich fertig ist, und zu mir aufs Bett kommt, brumme ich unzufrieden. "Glitzer", zische ich und zupfe an Meilos Haaren. "Das rieselt jetzt schon alles voll."

"Beschwere dich beim Glitzerhersteller", sagt er bloß, küsst mich und beugt sich nach vorn, um sich seine Schuhe anzuziehen.

Ich rolle mich auf die Seite, rapple mich auf und knie mich aufs Bett. So, dass ich Meilos Hintern mit meinen Oberschenkeln einfasse. Schnurrend lehne ich mich gegen den breiten Rücken vor mir. Er trägt ein ärmelloses Shirt, das vorn verdammt tief ausgeschnitten ist. Wenn ich mich über seine Schulter beuge, kann ich bis zu seinem Hosenbund hinabsehen.

Ich kann einfach nicht anders, schiebe meine Hand von oben in das Shirt und kraule über Meilos feste Brustmuskeln. "Du musst dir was anderes anziehen", raune ich ihm ins rechte Ohr. "So kann ich unmöglich meine Finger von dir lassen."

"Ich ziehe noch was drüber."

"Und was?"

"Ein Jackett."

"Nur? Da sieht man doch trotzdem noch alles." Unter meinen Fingerkuppen verhärten sich die rosigen Brustwarzen. Ich werde sofort wieder scharf.

"Ich ziehe mir noch Ketten an."

"Ketten?"

"Ja, Ketten."

"Perlenketten?"

"Was?", lacht Meilo. "Doch keine Perlen! Wir sind nicht in New Orleans."

"Warum? Trägt man die da?"

"Zu Mardi gras schon." Hmm ... Mardi gras. Zusammen mit Meilo. Das wäre was.

"Fliegen wir mal nach New Oreans?"

"Wenn du magst. Aber nicht sofort, oder?"

"Wieso eigentlich nicht?", überlege ich. "Wir könnten im French Quarter feiern, dann ein schmutziges Hotelzimmer beziehen und alle Hemmungen fallen lassen."

Meilo, der seine Stiefel fertig geschnürt hat, richtet sich wieder auf. Halb dreht er sich zu mir um und sieht mich mit gerunzelter Stirn an. "Du weißt, wie man Männer verführt."

"Klar", lache ich.

"Spinner." Er beugt sich zu mir. Wieder landet ein Kuss auf meiner Stirn, dann steht er auf und gleitet aus meinen Armen. Jetzt hocke ich da, breitbeinig und verlassen. "Ich werde gleich abgeholt. Willst du noch hier bleiben?"

"Nein. Ich gehe rüber zu den Mädels. Nicht, dass die noch was anstellen."

"Bestimmt haben sie schon das ganze Hotelzimmer auseinander genommen", scherzt Meilo.

"Darüber macht an keine Scherze!", schimpfe ich, was Meilo nur belustigt dreinblicken lässt. "Das ist nicht lustig!"

"Ist es wohl", trällert er und zieht sich das Jackett über. Er muss die Suppe ja auch nicht ausbaden, wenn es dazu kommen würde. Aber lassen wir das.

"Und wo sind deine Perlen?"

"Im Auto. Die ziehe ich später an."

"Das heißt, du läuft gleich so auf die Straße?!" Höre ich mich gerade wie meine Mutter an, die mir früher sehr oft diese Frage gestellt hat?

"Mich begleiten zwei Sicherheitsleute. Zufrieden?"

"Muss ich ja wohl", brummle ich.

"Sie warten schon in der Lobby und begleiten mich zum Hintereingang. Mir passiert schon nichts."

"Dass will ich aber auch schwer hoffen!" Ich stehe auf und umarme Meilo. "Die sollen schön auf dich aufpassen. Und wehe, einer von denen glotzt dir auf die Titten!"

"Äh ... Du verwechselst da gerade was."

"Sorry, aber das wollte ich schon immer mal sagen", kichere ich.

"Du bist un..."

"Unmöglich, ich weiß."

"Eigentlich wollte ich unglaublich sexy und heiß sagen, aber gut, das geht auch." Oh, dieser freche Kerl! Man muss ihn einfach lieben, oder?
 

***
 

Gedankenverloren schaue ich dorthin, wo eben noch Meilo war. Er ist runter in die Lobby, wo die Sicherheitsleute auf ihn warten. Ich stehe vor der Zimmertür der Mädchen und seufze. Ich will mir das jetzt nicht antun! Aber alles Jammern und Wimmern hilft nichts. Ich muss da jetzt rein!

Schon beim Eintreten höre ich sie lachen und aufgeregt miteinander plappern. Der erste Blick ins Zimmer bestätigt: Hier haben Teenager gehaust. Überall liegt Kleidung verstreut, Schminke, Schuhe, Fan-Zeitschriften und was weiß ich noch alles, und mitten in diesem Chaos sitzen die drei Mädels und blättern in den Magazinen herum. "Wie sieht es denn hier aus?", poltere ich los. "Bevor es los geht, wird das Chaos aber beseitigt!" Es fehlte noch, dass mich die Zimmermädchen schief anschielen.

"Ja, ja", winkt Nicole ab. "Gleich."

"Nicht gleich! Macht hier Ordnung, damit wir los können. Oder wollt ihr ganz hinten stehen bei Keiths Auftritt?"

"Du meinst, wenn wir hier aufgeräumt haben, fahren wir gleich los?" Ich nicke Nicole zu. "Warum sagst du das nicht gleich?!" Zeitschriften fliegen, ebenso die Mädchen.

Sie springen vom Bett und sind plötzlich sehr erpicht darauf, das Hotelzimmer wieder herzurichten. "Los schnell!", japst Penelope. "Ich muss mich auch noch fertig schminken!" Ich verdrehe die Augen. Weiber! Meilos Geschminke zählt nicht, der muss das machen.

Ich verdünnisiere mich lieber mal und flüchte in das zweite Schlafzimmer. Das laute Gepolter und Geschnatter der Mädchen höre ich dennoch. Na egal. Hauptsache, ich habe sie so zum Aufräumen bekommen. Inzwischen ist es halb sechs, bis die fertig sind dürfte die Stunde voll sein. Dann werden wir um halb sieben unten am Club sein. Perfekt!
 

Und genau so kommt es auch. Punkt halb sieben stehen wir in der übersichtlichen Schlange vor dem Club, in dem Meilo ... äh Keith ... heute auftritt. "Ist ja gar nicht so viel los", staunt Wendy.

"Das ist nur ein kleines Clubkonzert. Mit kleiner Zuschauerzahl", erklärt ihr Nicole.

"Echt? Ist ja unglaublich!" Ich grinse in mich hinein. Endlich kommt Wendy mal aus sich raus. Sonst ist sie immer still und ruhig, aber heute Abend ist sie richtig hibbelig.

"Wann lassen die uns denn rein?" Nicole stellt sich auf Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Die anderen beiden tuscheln miteinander.

"Hättest du deine Freundinnen daheim gelassen, könnten wir jetzt Backstage sein", flüstere ich ihr zu. Sie brabbelt etwas Unverständliches und zieht eine beleidigte Miene. Selbst schuld, kann ich da nur sagen.

Weil Warten immer noch langweilig ist, und selbst nach dem langen und intensiven Training heute Mittag noch immer nicht mein Ding ist, tippe ich Meilo eine SMS. *Stehen vor dem Club und ich kann es kaum erwarten, dich in Aktion tanzen zu sehen.* Noch ein Zwinker-Smiley und weg damit. Seine Antwort folgt prompt in Form eines Fotos seiner ausgestreckten Zunge.

Ich schaue mich verstohlen um. Keiner guckt mich an. Schnell die Lippen gespitzt und klick. "Was war denn das bitteschön?!" Nicole hat mich bei meiner Missetat erwischt.

"Das war nur für Meilo bestimmt", rechtfertige ich mich.

Sie verdreht die Augen. "Sich über mich beschweren, aber sich selbst benehmen wie ein frisch verliebter Teenager." Das hat sie eben nicht wirklich gesagt? Oder? Oder?!

"Finde du erst einmal einen Freund und verlieb dich, dann kannst du mitreden." Kleine Göre! Noch grün hinter den Ohren und keine Ahnung, wie es ist, mit jemanden zusammen zu sein.

"Ich war schon oft verliebt."

"Keith zählt nicht", schieße ich zurück.

"Nicht?" Ich schüttle den Kopf. "Das erzähle ich Meilo", flüstert sie gehässig und betont das O ganz komisch.

"Mach doch." Soll sie ruhig.

"Mach ich auch." Olle Zicke.

Unsere kleine Keiferei verstummt, da vorne die Clubtür aufgeschlossen wird. Sofort entsteht eine allgemeine Unruhe. Die ersten Eintrittskarten werden kontrolliert und es geht geordnet voran. Das mag vor allem daran liegen, weil das Publikum heute relativ alt im Vergleich zu dem letzten Konzert ist, bei dem ich mit den Mädels war. Die Karten waren auch ziemlich teuer, hätte ich sie denn bezahlen müssen. Das gibt das Taschengeld kleiner Mädchen und Bübchen eben nicht her.

"Oohh! Es geht los!" Penelope popelt an ihrer Karte herum. "Wie groß ist der Club denn? Gibt's da eine Bühne?"

"Das werden wir gleich sehen", antwortet meine Schwester.

Im Gänsemarsch watscheln wir langsam auf den Eingang zu, bekommen unsere Eintrittskarten halb zerrupft, wobei der Typ uns genau mustert, dann dürfen wir rein.

Drinnen ist es eng und dämmrig. Die Kunstbeleuchtung gibt nur das Nötigste her. Dumpfe, monotone Basstöne sind zu hören, ansonsten ist es ruhig, was mich erstaunt. Wir geben unsere Jacken ab und laufen den Flur entlang, der voll plakatiert mit Bandpostern und Aufklebern ist. Ganz hinten links ist eine offenstehende Flügeltür, hinter der man bunte Lichter herumschwirren sieht. Von dort kommen auch die Basslaute.

Die Mädels laufen schneller und sind schon um die Ecke, als ich neben mir ein leises "Psst!" Höre. Ich bleibe stehen und schaue mich um. Genau neben mir auf der rechten Seite steht eine Tür einen Spalt breit offen und ich kann sehen, wie jemand mit dem Finger winkt, die Hand jedoch wieder wegzieht. Nanü?!

Neugierig wie ich bin, stehe ich meine Nase durch. "Hallo?"

"Beeil dich!" Freude macht sich in mir breit. Das ist Meilo!

Fix nach rechts und links geschaut, keiner nimmt Notiz von mir, und weg bin ich. "Hey Sweety!" Meilo fällt mir um den Hals, noch bevor ich die Tür hinter mir geschlossen habe.

"Hey." Verwundert drücke ich ihn an mich, rücke nach einigen Sekunden jedoch wieder von ihm ab. Wenn uns einer sieht! "Sind wir hier sicher?" Wir stehen in einem Treppenhaus, aber außer uns ist niemand zu sehen.

"Fast. Komm mit." Meilo nimmt meine Hand und geht mit mir die Stufen nach unten. Allerdings bleibt er plötzlich stehen und sieht mich fragend an. "Kannst du die Mädchen alleine lassen?"

"Äh ... Denke schon." Sie sind ja keine Kleinkinder mehr. "Ich schreibe Nicole aber lieber schnell eine SMS."

"Tu das", grinst mein Meilolein und zieht mich weiter, während ich Nicole informiere, dass ich bald wieder bei ihnen bin.

Eine Etage tiefer, schleift Meilo mich in einen kleinen, stickigen Umkleideraum. "Nett hier. Was exklusiveres hatten sie nicht mehr?", frotzle ich.

"Nein, die Luxusumkleide war schon belegt", schnurrt mein Liebling, zieht mich an seine tief ausgeschnittene Brust und schmust mir über die Lippen.

"Hast du eigentlich auf mich gelauert, oder wie hast du es geschafft mich abzufangen?"

"Ich habe zufällig Nicole im Flur vorbei flitzen sehen, da dachte ich, wenn Nicole da ist, ist mein Sweetyheart nicht weit."

"Wie schlau du doch bist."

"Ich weiß." Meilo keilt mich zwischen Wand und einem hohen Regal ein, das neben uns steht, und reibt sich an mir.

"Was wird das? Musst du nicht gleich auf die Bühne?"

"Ein paar Minuten habe ich noch. Lass und die gemeinsam genießen." Überredet!
 

Kleine Seufzer lösen sich aus meiner Kehle, als Meilo mich hingebungsvoll küsst und seine Hände unter mein Oberteil schmuggelt. Gute Idee, denke ich, und wende die selbe Technik bei ihm an.

Mit den Fingerspitzen streichle ich über die kleinen Knospen, die sich umgehend verhärten. Die langen Ketten, die Meilo inzwischen wie vorausgesagt trägt, klimpern dabei leise. Ich angle mir eine davon und ärgere mit ihr die festen Knöpfchen. Meilo keucht leise. Sehr, sehr sexy.

"Ich dachte, dir gefallen meine Perlen nicht", kichert Meilo.

"Das sind ja auch keine Perlen", erwidere ich mit einen kurzen Blick auf Meilos Geschmeide. Goldketten! In den verschiedensten Ausführungen. Dabei drängt sich mir ein ganz bestimmtes Bild in den Kopf. "Ich wollte mich schon immer mal an Mister Ts starke Brust lehnen."

Meilo fällt alles aus dem Gesicht. "Du vergleichst mich mit Mister T?!"

"War der heute nicht dein Vorbild für das heutige Bühnenoutfit?" Das könnte man tatsächlich annehmen. Das Jackett, das er trägt, ist in Natogrün, dazu die schwarzen Stiefel und natürlich die goldenen Ketten runden das Gesamtbild ab.

Das scheint mein blitzgescheiter Freund nun auch zu bemerken. Sein Lachen hallt durch die kleine Umkleide. "Das ist mir vorher gar nicht aufgefallen", gackert er. "Ich bin Mister T!"

"Ein ziemlich schwuler Mister T", korrigiere ich ihn. "Und ... na ja ..." Ich fuchtle mit meinem Zeigefinger vor seinem Gesicht herum. "Du bist nicht so dunkelhäutig wie er, um es politisch korrekt auszudrücken." Obwohl er immer noch eine recht ansehnliche Bräune hat.

"Vielleicht sollte ich die Ketten doch ausziehen", meint er nach seinem Lachflash und macht Anstalten, sie sich über den Kopf zu ziehen.

"Lass die mal lieber wo sie sind", halte ich ihn auf. "Sonst stehst du ja fast halb nackt auf der Bühne und die Leute können dir bis sonst wohin gucken." Ich patsche auf Meilos Brust. "So ist es mir lieber."

"Och Schatz", säuselt er. "Die dürfen ruhig gucken. Aber anfassen, das darfst nur du." Hach, isser nicht kitschig-romantisch?
 

Fünfzehn Minuten, mehr haben wir nicht. Aber ich will mich nicht beschweren. Nachher, im Hotel, gehört er die ganze Nacht mir.

Nach einem höchst delikaten Kuss, der eigentlich nach Mehr schreit, als nach Abschied, verabschiede ich mich trotzdem von Meilo und verlasse die Umkleide, damit ich noch in den Club komme, eher Meilo auf die Bühne muss. Ein "Bis nachher Mister T", konnte ich mir dennoch nicht verkneifen.

Oben im Club gehe ich auf Schwester-suche. Ich finde sie auch recht bald und natürlich, wie sollte es auch anders sein, steht mein Schwesterherz zusammen mit ihren beiden Freundinnen ganz vorne. Direkt vor dem Mikroständer.

Die Bühne ist nicht mehr als ein leicht erhöhter Teil im hinteren Bereich des Clubs. Ich kann mir denken, wie aufgeregt Penelope und Wendy sein müssen. Es gibt keine Absperrgitter, keine Sicherheitsmänner, die davor stehen. Zwar sehe ich welche links und rechts an den Seiten, bereit, einzuschreiten, falls was sein sollte, aber sonst geht's hier ganz schön locker zu. Ob mir das jetzt gefällt, weiß ich noch nicht. Ist Meilo hier sicher?

Wieder schaue ich mir das Publikum an. Diesmal noch genauer, doch wohin ich auch sehe, Nicole, Wendy und Penelope sind hier die jüngsten Zuschauer. Viele sehen sogar so aus, als hätten sie ungefähr mein Alter. Mein Alter und ... mein Geschlecht. Mein schwules Geschlecht.

Okay. Das ist jetzt doch beunruhigend. Ich meine, mit kreischenden Teenagern kann ich umgehen. Kein Ding. Aber schwule Mittzwanziger, die hier sind, um meinen Meilo zu sehen? Was ist das hier überhaupt für ein Club? Wie hieß der nochmal? Irgendwas englisches ... Stud. Ja, ich glaube so heißt der Schuppen hier. Ich krame in meinen Englischkenntnissen herum, überlege und überlege und ... Hengst! Zuchthengst, glaube ich. Ein Club mit Namen Zuchthengst. Eindeutiger geht es nicht!

Deswegen hat der Typ draußen uns auch so dumm angegafft. Weil ich mit drei minderjährigen Mädchen hier hineinspaziert bin! Wie dem auch sei, in dem Laden scheint nichts vorzugehen, was die Mädchen nicht sehen dürfen, sonst hätte man uns A: nicht reingelassen, und B: hätte mir Meilo keine Karten hierfür gegeben. Demnach alles halb so wild. Keine Aufregung. Die Mädels sind sicher. Und Meilo? Der hoffentlich auch, und die Kerle werden es auch hoffentlich unterlassen ihm schöne Augen zu machen. Sonst ... Ach, was denke ich da wieder? Meilo würde A: nicht darauf anspringen, und B: ... Nun fällt mir kein B ein, doch Punkt A reicht auch vollkommen, finde ich.

Auf diesen Schrecken erst einmal was zu Trinken! Ich stelle mich an der kleinen Bar an und ordere mir ein schönes, kaltes Bier. Erfrischend rinnt es meine Kehle hinab und ich fange gerade an, mich doch ganz wohl hier zu fühlen, da dringt eine Stimme an mein Ohr, die mir eiskalte Freuden der ganz anderen Art beschert. Knilch-Niklas! "Niclas! Du bist auch hier!", brüllt er mit seiner nasalen Stimme und fällt mir, ohne, dass ich was machen kann, um den Hals.

"Ja. Sieht so aus", hasple ich.

"Ist ja lustig. Wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen!" So ewig ist gar nicht her, aber von meiner Seite aus hätte unsere nächste Begegnung noch ewig auf sich warten lassen können. "Besuchst du mal wieder Meilo?"

"So ungefähr", antworte ich und versuche etwas Abstand zwischen mir und ihm zu bringen, aber diese kleine Zecke klettet sich an mir fest. Husch! Weg! Geh, und such Stöckchen, oder mach sonst was, nur nerv mich nicht.

"Wirklich ein Zufall", labert er und grinst dabei wie ein debiler Gartenzwerg. "Seit unserer letzten Begegnung habe ich noch was gut bei dir." Er hat was?! Davon wüsste ich aber was! "Ich weiß, wo es hier ein stilles Örtchen gibt und ..."

"Sorry, aber ich bin inzwischen vergeben", unterbreche ich ihn rüde.

"Oh. Echt?"

"Echt." Ich nicke und trinke hastig ein paar Schlucke. Jetzt habe ich ihn hoffentlich vom Hals.

"Ist er auch hier?"

"Nein." Ist er ja auch nicht. Er ist noch in der Umkleide.

"Dann zählt das auch nicht", kichert dieser aufdringliche Knilch und schuppert sich wie ein unkastrierter Terrier an mir. Wahhh!!!

"Fass mich nicht an!", zische ich und verpasse ihm einen Stoß. "Ich gehe nicht fremd."

"Sag bloß, du bist einer der treuen Sorte."

"Bin ich", nicke ich eifrig. "Und ich liebe meinen Partner. Bei dir würde ich sowieso keinen hochbekommen." Kawoom! Der hat gesessen!

"Na dann eben nicht, du eingebildete Schwuchtel!", keift er mich an und dampft zornig ab. Darf ich ihnen vorstellen: Knilchileins wahres Gesicht: Ein rüpelhaftes Rumpelstilzchen. Warum trampelt er nicht so fest auf den Boden auf, dass er durch ein tiefes Loch unter ihm verschwindet? Manches bleibt eben doch nur ein Märchen. Wenigstens habe ich meine Prinzen bekommen.

Zufrieden mit mir und meiner Umwelt, lehne ich mich locker gegen die Theke und schlürfe mein Bier. Ein angesäuerter Knilch ist mir dann doch viel lieber, als einer, der mir das Bein rammelt. Soll er sich mal schön ein anderes Bein zum Begatten suchen. Laufen ja genug hier rum.
 

***
 

Laute Pfiffe, versaute Zwischenrufe. Meilo lächelt und tut geschmeichelt. Was bleibt ihm auch anders übrig? Ich überlege schon eine ganze Weile, ob ich ihm auch was zurufen soll, aber nein. Das ist nicht meine Art. Ich schaue lieber zu, lasse alles auf mich wirken und habe ein Auge auf die drei Grazien vorne, die Meilo anschmachten und unermüdlich ihr Handy vor sein Gesicht halten. "Danke! Ihr wart wirklich toll!" Meilo winkt in die nicht ganz so große Zuschauermenge. Wieder Pfiffe und aufbrandender Applaus. Das Konzert ist vorbei. Ganze zwei Stunden hat es gedauert und war nicht ganz so kitschig-poplastig, wie das letzte Konzert, auf dem wir waren. Nein, es war sogar richtig gut. Teilwese. Meilos Stimme hat den Rest jedoch vollends wett gemacht. Außerdem hat er Love bite gesungen.

Der Applaus ebnet langsam ab. Sie scheinen zu begreifen, dass Mr. Kandyce nicht noch eine Zugabe spielen wird. Drei Stück reichen ja auch. Die Lichter auf der Bühne gehen aus, dafür geht das Schwarzlicht, das zuvor gebrannt hat, wieder an. Feierabend. Das Konzert ist vorbei und ich begebe mich auf die Suche nach meinen drei Schützlingen.

Mir einen Weg durch die Leute banend, finde ich sie. Sie stehen noch immer vor der Mikrophon. Penelope kichert und Wendy spielt rotes Ampelmännchen. Was hecken die denn wieder aus? "Kommt schon! Das bemerkt doch niemand!", wispert Penelope.

"Ich weiß nicht ..." Wendy.

"Das können wir nicht machen! Das ist Diebstahl!", höre ich Nicole sagen. Jetzt werde ich hellhörig.

"Was ist Diebstahl?", grolle ich und baue mich vor den Mädchen auf.

"Äh .. äähhh ..." Penelope ist mal sprachlos? Wunder geschehen, wenn auch nicht oft.

"Nichts", zischt Nicole und packt mich am Arm. "Gehen wir? Ich bin KO."

"Öhm, okay." Was war denn hier bloß los?

Ist ja auch erst einmal egal. Ich will jetzt endlich ins Hotel, deshalb scheuche ich die Mädchen vor mir her nach draußen. Dabei quietschen sie immer wieder, kichern und zeigen verstohlen auf zwei sich knutschende Kerle, die es in Clubs wie diesen wie Sand am Meer gibt. "Hört auf damit, die Leute anzustarren", herrsche ich sie an.

"Ich war noch nie in einem Schwulenclub", zwitschert Penelope. "Wenn ich das Mama erzähle!" Bloß nicht!

"Das hier ist ein ganz normaler Club, sonst wärt ihr erst gar nicht reingekommen." Gute Ausrede, was? "Und Schwule gibt's überall." Besonders auf einem Keith Kandyce Konzert, aber das sage ich mal besser nicht. "Los jetzt! Auf ins Hotel!"

Im Auto stelle ich die Bande noch einmal zur Rede, und frage, was es mit dem Diebstahlgequatsche auf sich hatte, aber sie schweigen eisern. "Wehe, ihr habt was von Keith mitgehen lassen! Dafür könnt ihr ganz schön Ärger bekommen."

"Wir haben nichts mitgehen lassen. Ehrlich", schwört mir Nicole.

"Fein." Dann will ich ihnen das mal glauben.
 

Im Hotel lasse ich den Mädels den Vortritt im Bad. So kann ich wenigstens alles zusammenraffen, was ich für nachher brauche, wenn ich mich in Meilos Zimmer schleiche. Ich haue mich aufs Bett und warte. Schon wieder! Heute bin ich nur am Warten. Wenigstens kann ich diesmal im Liegen warten. Ich darf nur nicht einschlafen. Eine schwere Angelegenheit, denn ich bin so KO, dass mir ständig die Augen zufallen, doch ich schaffe es, bleibe wach und als es vor meiner Zimmertür still wird, schnappe ich meine Sachen und die Zimmerkarten, und schleiche mich hinaus. Auf Zehenspitzen geht's an dem Schlafzimmer der Mädchen vorbei, dort brennt immer noch Licht, und schaffe es ungehört hinaus.

Eilig flitze ich zwei Türen weiter, schließe auf, und atme durch, als ich die Tür hinter mir wieder schließe. Jetzt habe ich es gepackt! Der Tag ist vorbei und nun gibt es nur noch eins: Meilo und ich!

Ich dusche mich nur notdürftig ab, ziehe mir eine Unterhose an und lege mich ins Bett. Ich berühre kaum das Kissen, schon bin ich weggedriftet.

Wach werde ich erst, als ich eine Tür höre, die leise geschlossen wird. "Meilo?"

"Nic? Habe ich dich geweckt?"

"Halbwegs", gähne ich. "Ich habe auf dich gewartet."

"Es wurde später. Ich musste noch auf mein Taxi warten."

Weil Meilo das Licht beim Eintreten nicht eingeschaltet hat, betätige ich den kleinen Lichtschalter für die Wandlampe über dem Bett. Meilo sieht total geschafft aus. "Mein armer Schatz", murmle ich. "Du siehst fertig aus."

"Bin ich auch. Ich musste Niklas trösten, während ich auf das Auto gewartet habe." Ach du ...! "Hast du mir was zu sagen?" Meilo grinst und steigt aus seinen schweren Tretern.

"Ich habe ihm lediglich klar gemacht, dass ich einen Freund habe, den ich über alles liebe und ihn nicht betrügen werde." Jawohl! "Dadurch hat er sich wahrscheinlich angegriffen gefühlt."

"Angegriffen?" Ich nicke, was ein Rascheln des Kissens unter meinem Kopf erzeugt. "Er meinte, du seist ein Arschloch, und hättest gesagt, er sei hässlich." Upsala. "Hast du das wirklich zu ihm gesagt?"

"Na ja ... nicht direkt." Meilo seufzt und macht einen gequälten Gesichtsausdruck. "Was denn? Er hat versucht mein Bein zu besteigen! Ich habe ihn nur in seine Schranken gewiesen."

"Und jetzt hasst er dich und redet vor mir schlecht über dich."

"Als ob er das vorher nicht gemacht hätte", erinnere ich ihn.

"Ich meine ja nur. Ich mag es nicht, wenn jemand schlecht über dich redet." Er beugt sich zu mir runter und fährt mir seinen Fingern durch mein Haar. Wie schön ... "Ihr beiden werdet nie Freunde, oder?"

"Wohl eher nicht", gähne ich. "Erst hasst er mich, dann will er mich, und jetzt hasst er mich wieder. Der Typ weiß nicht was er will." Meilo schmunzelt, küsst mich, und richtet sich wieder auf.

"Ich mache mich schnell bettfertig, dann stoße ich zu dir."

"Stoßen hört sich gut an", schmunzle ich. "Beeil dich." Er zwinkert mir zu und verschwindet im Bad.

Leider glaube ich, dass stoßen heute nicht mehr drin ist. Na, mal schauen.

Wieder muss ich gähnen, schalte dabei das Licht aus und drehe mich auf die andere Seite. Ich muss erneut eingepennt sein, denn ich schrecke auf, als die Matratze unter mir auf und ab wippt. "Du schläfst ja schon wieder", flüstert Meilo mir zu.

"Gar nicht." Der Klang meiner Stimme sagt da aber was anderes.

Meilo zieht mich an sich und kuschelt sich an meine Schulter. Seine Haare sind nass, aber das juckt mich nicht. "Schlaf gut Sweety."

"Du auch", krächze ich leise und drücke meine Nase in sein Haar. Ich will mal hoffen, dass Meilo das ganze Glitzerzeug aus seinen Haaren, und wo er es sonst noch überall hatte, abbekommen hat, ansonsten klebt mir der Kram morgen wieder im Gesicht.

Dabei muss ich an unser Gespräch von heute Nachmittag denken, und trotz allem schleicht sich ein Grinsen auf meine Mundwinkel. Glitter in der Kimme. Irgendwie ist das schon lustig.

Meilo atmet tief ein und seufzt leise. Hört sich an, als wäre er vor mir eingeschlafen. Ich spitze meine Lippen und schmuse durch sein feuchtes Haar. Heute Nacht gibt es anscheinend keinen Glitter in meiner Kimme. Auch gut. Dann aber vielleicht morgen Früh ...
 

******

Love bite 36 - Übler Nachgeschmack

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 36 - Übler Nachgeschmack (Ohne Adult)

Love bite 36 - Übler Nachgeschmack (Ohne Adult)
 

Meilo rollt sich von mir und bleibt neben mir auf dem Rücken liegen. Meine Augen noch geschlossen, kann ich nur seine schnellen Atemzüge ausmachen. "Mensch Nic", japst er "wegen dir ... bin ich schon ... nach dem Aufstehen ... KO."

Innerlich teste ich, ob wieder alle Gliedmaßen an Ort und Stelle sind. Sind sie. Also wage ich den Versuch, mich zu bewegen.

Ich stemme mich auf die Seite und falle ebenfalls in Rückenlage. Blind angle ich nach Meilos Hand, mir der ich meine Finger verschränke, nachdem ich sie gefunden habe. "Dito", schnaufe ich und drücke seine Hand.

"Das eben war …" Er bricht ab, gibt aber ein überrascht klingendes Schmunzeln von sich.

"Dito", erwidere ich erneut, was uns beide zum Lachen bringt.

Eine Weile lang bleiben wir so liegen und regen uns nicht. Wir hören einfach nur unseren immer ruhiger werdenden Atemzügen zu, dann kommt langsam wieder Leben in unsere wie erschlagen daliegenden Körper. "Magst du bei mir Frühstücken?", Meilo sieht mich an. Das sehe ich zwar nicht, fühle es aber, weshalb ich auch meinen Kopf zu ihm drehe und die Augen öffne.

"Unbedingt. Ich muss nur kurz nach den Mädchen sehen." Eigentlich will ich das gar nicht, aber was muss, das muss.

"Ist gut. Dann lasse ich uns was hochbringen, in der Zeit kannst du Duschen." Von neuer Energie ergriffen, springt Meilo vom Bett und kümmert sich um die Bestellung.

Ich dagegen rolle eher von der Matratze, als dass ich aufstehe, und schlurfe ins Badezimmer. Ich bin immer noch ganz erschlagen. Das war aber auch ein strammes Morgenprogramm heute. Und ein höchst … unerwartetes. Mir ist immer noch ganz schwindelig.

Unter dem warmen Wasser werde ich zum Glück schnell wieder fit und vor allem wach. Der Tag gestern war vielleicht doch ein klein wenig zu nervenaufreibend gewesen, weshalb mich Meilos Weckmethode heute Morgen ein bisschen zu sehr mitgenommen hat. Ist auch nicht verwunderlich, wenn man aufwacht, und seinen Liebsten erwischt, wie er an einer ganz gewissen Körperstelle herumsaugt.

Mit einem Handtuch um den Schultern verlasse ich das Bad und setze mich aufs Bett, um mich anzuziehen. Meilo ist gerade dabei, seine Sachen aus dem Koffer zu kramen. "Nach dem Frühstück muss ich leider wieder los", sage ich zu ihm.

"Ich weiß. Du kannst die Mädels ja schlecht alleine nach Hause schicken." Meilo grinst mich über seine Schulter hinweg an.

"Ich wünschte, ich könnte es", seufze ich. "Unser Treffen war viel zu kurz, obwohl das Konzert nicht schlecht war."

"Dir hat es gefallen?"

"Ja", gebe ich zu. "Es war nicht so gestellt, wie das erste, das ich von dir besucht habe."

"Das ist bei den größeren Konzerten immer so. Die kleineren mag ich deswegen auch viel lieber Es ist fast wie früher, als ich noch durch die kleinen Clubs getingelt bin."

Ich laufe zu Meilo rüber und knöpfe mir im Gehen noch fix die Hose zu. "Besonders die in Schwulenclubs, hm?"

Erstaunt zucken seine Augenbrauen nach oben. "Back to the roots", meint er schließlich lächelnd. "Hat es dir dort etwa nicht gefallen?"

"Schon, aber du hättest mir vorher Bescheid geben können, in welchen Kreisen wir uns bewegen. Die Mädchen hatten ihre helle Freude daran."

Meilo lacht dreckig und steht auf. "Ich hätte euch nicht die Karten geschickt, wenn ich mir nicht sicher gewesen wäre, dass es in Ordnung geht. In diesem Club treten viele Bands und Künstler auf. Dort geht nichts Unanständiges vor."

"Das habe ich auch bemerkt. Aber eine Warnung wäre das nächste Mal nicht schlecht."

"Ich werde daran denken", schmunzelt Meilo und küsst mich.

Mir fallen die Augen zu und ich lege die Arme um ihn. Bedauerlicherweise klopft es plötzlich an der Zimmertür. "Unser Frühstück", erklärt Meilo. "Machst du auf? Ich gehe schnell Duschen." Wenn es sonst nichts ist.

Ich ziehe mir noch ein Shirt über und lasse dann den Hotelangestellten ins Zimmer. Während er den Tisch eindeckt, schaue ich schnell bei den Mädchen vorbei. Meine Mutter erwürgt mich, wenn ich mich nicht auch um ihr leibliches Wohl kümere. Blechern klingende Musik dröhnt aus Nicoles Handy, das auf dem Bett liegt. Die drei haben sich drum herum gruppiert und starren auf das Display. "Die Aufnahmen sind voll gut geworden!", quietscht Penelope.

"Moin", rufe ich. "Habt ihr schon gefrühstückt?"

Drei Köpfe rucken zu mir. "Wo kommst du denn her?" Ein einfaches guten Morgen hätte mir gelangt, Penelope.

"Ich war spazieren", lüge ich. "Und? Habt ihr schon was gegessen?"

"Noch nicht", gähnt Nicole. "Dürfen wir uns wieder was aufs Zimmer kommen lassen?"

"Klar."

"Super!" Penelope greift gleich zum Hörer. Dieses Weib ist unfassbar!

"Willst du auch was?", möchte meine Schwester wissen.

"Nein danke. Ich bin nochmal schnell weg." Sie grinst wissend und ich mache mich wieder aus dem Staub.

Kurz vor Meilos Zimmertür höre ich jedoch Nicoles Stimme. "Warte!" Sie hechtet mir nach. "Ich will Meilo noch einen schönen guten Morgen wünschen." War ja klar!

Ich schließe auf und lasse Nicole den Vortritt. "Nic? Wollen wir im Bett ess... Oh. Morgen Nicole."

"Äh ... Morgen", höre ich meine Schwester haspeln und als ich um die Ecke biege, sehe ich auch warum. Meilo kommt just in diesem Augenblick aus dem Badezimmer gestiefelt, hat sich aber glücklicherweise ein Handtuch um die Hüfte geschlungen. Für Nicole ist diese Begegnung dennoch ein Grund, große Augen zu machen und in eine Art sabbernde Schockstarre zu verfallen.

Meilo nimmt dies mit Humor, grinst sein Meilogrinsen und läuft in den angrenzenden Raum, wo das Frühstück steht. Er klaubt sich eine Cherrytomate, schiebt sie sich in den Mund und wendet sich wieder Nicole zu. "Und? Wie hat euch das Konzert gefallen?"

"Ähm gut! Es war gut! Sehr gut." Ich muss die Hand vor meinen Mund halten, sonst fange ich noch an zu lachen, was meine Schwester nur wieder auf die Palme bringen würde. Dann lieber eins ins Fäustchen grinsen und Meilo dabei amüsiert anblinzeln.

"Das freut mich. Ihr seid ganz schön abgegangen." Pffffff! Nicht lachen Niclas! Wer sagt denn heute noch abgegangen? Niemand, außer Meilo höchstwahrscheinlich.

"Danke", antwortet ihm meine Schwester und weiß noch immer nicht, wohin sie als erstes starren soll. Ja, schau es dir an. Alles mir. Bis auf das letzte bisschen Haut, das du erblicken kannst, und noch so einige bedeckte Stellen mehr.

"Möchtest du mit uns frühstücken? Dann lasse ich noch einen Teller bringen." Moment mal! So nicht mein Freund!

"Die Mädchen haben sich schon was bestellt, stimmts?" Ich packe Nicole an den Schultern und lächle sie freundlich an. Ihre Augen schwirren kurz zu mir, dann haften sie sich wieder auf Meilos leicht bedeckte Nacktheit. Scheint so, als müsse ich mit mehr Nachdruck ran. Ich lege zusätzlich meinen Arm um sie und ziehe sie von meinem Meilolein weg. "Deine Freundinnen vermissen dich bestimmt schon", sage ich zu ihr, und sie folgt mir erstaunlicherweise ganz brav.

"Ja ... Kann sein", wispert sie und wirft immer wieder einen Blick über ihre Schulter. "Meine Freundinnen ..."

"Ja, deine Freundinnen. Geh mal wieder zu ihnen."

"Ich geh mal wieder ...", brabbelt sie mir konfus nach. Die Arme. Meilos Anblick hat ihr die Festplatte zerspringen lassen.

Ich führe sie bis zur Hotelzimmertür, öffne ihr, und warte so lange, bis sie sicher bei den anderen beiden angekommen ist. "Nicole? Ich geh wieder ja?"

"Ja." Oh weia. Hoffentlich bekommt sie keinen Nervenzusammenbruch und plaudert dabei alles aus. Ob ich lieber noch ein paar Minuten hier bleiben soll? "Ich bin mal im Bad", verkündet Nicole jedoch und dampft ab. So ist es gut. Beruhige dich erst mal, Schwesterherz.

Ich winke den anderen Mädels zu und trolle mich wieder. Nicole wird nicht so blöd sein, und ihnen erzählen, was sie eben gesehen hat. ... Hoffe ich.

Zurück bei Meilo setze ich mich nachdenklich an den Tisch. "Äh Sweetheart? Ich bin hier." Hä? Ich schaue auf, doch kein Meilo. "Bett", hilft er mir auf die Sprünge. "Ich dachte, wir essen hier." Jetzt bekomme ich Maulsperre. Meilo lüpft sein Handtuch und wirft es auf den Boden.

"Was gibt es denn zu Frühstücken?", frage ich heiser.

"Alles, was dein Herz begehrt." Das sehe ich.

"Hab ich einen Hunger!" Ich stehe schwungvoll auf, was Meilo natürlich zum Lachen bringt, und eile ins Schlafzimmer gegenüber. Essen fassen!
 

***
 

Wir sollten definitiv öfter im Bett frühstücken, wenn wir ein eigenes gemeinsames Heim haben. Allerdings hat das Hotelbett den Vorteil, nicht zu sehr aufpassen zu müssen, dass wir nichts verkleckern. Erdbeermarmelade aus weißen Laken zu bekommen, dürfte nicht einfach sein. Stirnrunzelnd stehe ich vorm Bett, mustere den Fleck und fackle nicht lange. Ich drehe die Bettdecke einfach um, dann sieht man es nicht sofort.

"Ich vermisse dich jetzt schon", nuschelt Meilo in meinen Nacken, der sich soeben von hinten an mich geschlichen, und meinen Bauch umschlungen hält.

"Frag mich mal", seufze ich, richte mich auf und lehne mich gegen ihn. Meine Hände legen sich auf seine und ich drehe den Kopf so weit es geht nach hinten. "Ich will nicht fahren."

"Dann setz die Mädels in den nächsten Zug und bleib bei mir."

"Wie soll das denn gehen?", schmunzle ich. "Meine Mutter bringt mich um, wenn ich das mache." Mal ganz abgesehen von den Eltern ihrer Freundinnen.

"Schade. Ich muss erst morgen früh abfahren." Ohhhh Fuck! Das hätte er nicht sagen dürfen.

"Wenn ich die drei zuhause ablade und wieder her fahre?"

"Dann bist du mindestens acht Stunden unterwegs und der Tag ist gelaufen." Ohhhh Fuck!

"Scheiße", grummle ich, schlüpfe aus Meilos Umarmung und drehe mich zu ihm um. "Kannst du mir mal sagen, warum wir nachgegeben haben, als Nicole gefragt hat, ob sie ihre Freundinnen mitnehmen ka... Was guckst du so?" Den Blick kenne ich. Er heckt was aus.

"Ich brauche eine Landkarte!", verkündet mein Schatz und zischt zum Schreibtisch, Schrägstrich, Schminktisch, und schnappt sich sein Handy.

"Was ist denn?", will ich neugierig wissen und schaue ihm über die Schulter, während er in Google Map herumwischt.

"Die Route für den nächsten Gig ... Irgendwo hatte ich doch ... Da!" Er wischt so schnell auf dem Display herum, dass ich nicht kapiere, was er da nachschauen möchte. "Das geht!", japst er. "Nur zwei Stunden. Wer sagt es denn?!" Das Handy segelt auf die Tischplatte und ich bekomme Meilos Arme um meinen Hals geschlungen. Aua!

Feuchte Küsse landen auf meinem Gesicht. "Was geht?", frage ich keuchend. Was für ein Überfall!

"Ich muss packen!", meint Meilo hektisch, lässt mich so schnell los, wie er mich angefallen hat, und springt vom Stuhl auf. Eilig wirbelt er durch das Hotelzimmer und sucht seinen Kram zusammen.

Ich dagegen verstehe nur noch Bahnhof. "Könntest du mir mal sagen, was los ist?"

Meilo, der gerade ein Shirt in seinen Koffer stopft, hält inne und schaut zu mir auf. "Ich das nicht offensichtlich?"

"Nein." Ich schüttle den Kopf.

"Ich komme mit!" Er kommt was? "Keine Sorge. Die Mädels bekommen mich nicht zu Gesicht. Ich fahre euch nach." Nur langsam sickert die Info in meinen Verstand. Meilo will mitkommen?!

"Geht das denn?", frage ich ihn aufgeregt. Ich will mir die Freude über seine Entscheidung nicht vermiesen, aber ich muss ihn das unbedingt fragen.

"Natürlich geht das. Sonst würde ich es nicht tun." Meilo stopft weiter fröhlich sein Zeug in die Koffer, und macht sich anschließend an seinen Schminksachen zu schaffen. "Es sind morgen nur zwei Stunden länger zu fahren. Warum ist mir das nicht schon vorher aufgefallen?"

"Und für wie lange? Du musst doch morgen nach Wiesbaden, richtig?"

"Richtig. Aber es reicht, wenn ich morgen Mittag von dir aus losfahre." Oh Meilo! Du bist der Größte!

Mich hält nichts mehr, und ich umarme meinen Schatz. "Dann schläfst du heute Nacht bei mir?"

"Darauf kannst du Gift nehmen", lacht Meilo und küsst mich gierig. Hmm ... Mehr davon.
 

Mehr gibt es von Meilos Küssen erst einmal nicht, denn auch ich muss packen. Ich beeile mich, treibe die Mädchen dazu an, sich ebenfalls die Füße wund zu rennen, und schon nach nur einer halben Stunde stehen unsere Koffer gepackt und hübsch aufgereiht im Flur der kleinen Suite. "Bin gleich wieder da, dann checken wir aus", verspreche ich den Mädchen und flitze zurück zu Meilo.

Der hat ebenfalls schon gepackt und steht in den Startlöchern. "Bis nachher. Und fahr vorsichtig."

"Du auch", rate ich ihm. "Ich fahr zuerst noch die Mädchen heim, dann komme ich zu dir."

"In Ordnung." Weitere Küsse folgen. Sie enden erst, als ich schon fast aus der Zimmertür raus bin.

"Da bist du ja endlich", schnarrt Nicole im Hotelflur. Sie ist zum Glück alleine. "Ich will mich auch noch von Meilo verabschieden."

"Musst du nicht. Er kommt ..." Ich verstumme. Wenn ich ihr jetzt sage, dass Meilo bei uns übernachtet, schneide ich mir selbst ins Fleisch.

"Was denn?" Nicole wartet darauf, dass ich weiterspreche.

"Äh ... er wollte gleich rauskommen", stammle ich. "Aber da du ja hier bist ..." Ich klopfe an Meilos Tür, da ich ihm meine Zimmerkarte schon übergeben habe.

"Nic! Du schon wieder", grinst Meilo, und will mich ins Zimmer ziehen, da sieht er allerdings meine Schwester.

"Nicole wollte sich von dir verabschieden", erkläre ich ihm und schaue ihn eindringlich an. "Weil wir uns ja nicht mehr sehen." Bitte, bitte versteh, was ich dir sagen will!

"Ach so. Ja, dann." Zu meiner Erleichterung scheint er es verstanden zu haben und sagt nichts von unseren Plänen zu meiner Schwester.

Nicole, die sich von Meilos Auftritt heute morgen erstaunlich gut erholt hat, drückt ihn an sich, fiepst was von danke, für das tolle Konzert und all sowas, dann entlässt sie meinen Freund wieder aus ihrem Klammergriff. "Tschau", flüstere ich Meilo zu und zwinkere verschwörerisch.

"Nic? Kann ich dich nochmal ganz kurz sprechen?"

"Natürlich", sage ich, warte, bis Nicole wieder bei ihren Freundinnen im Zimmer ist, und schmiege mich dann an meinen Mann ran. "Was gibt es denn?", schnurre ich und krabbele mit meinen Fingern an seinem Bauch herum.

"Ich will deine Euphorie ja nicht schmälern, aber wie willst du mich vor deiner Schwester geheim halten, wenn ich bei dir übernachte?" Öhhhm ... Ups! "Schon einen Plan?"

Ich kaue deprimiert auf meiner Unterlippe herum. Wir würden jetzt nicht in dieser Bredouille stecken, wenn ich das dämliche WG-Zimmer bekommen hätte. Mist! "Vielleicht ein Hotel?", nuschle ich verlegen.

"Nein. Kein Hotel."

"Dann schlafen wir im Auto?"

Meilo lacht und schüttelt den Kopf. "Ich fürchte, dein Plan ging soeben nach hinten los."

"Scheiße!" Ich mal wieder mit meinen Ideen!

Schmunzelnd fährt mir Meilo durchs Haar. "Vorschlag: Wir treffen uns in der Stadt. Wieder an dem großen Kaufhaus, haben einen schönen Tag zusammen und fahren dann zu dir."

"Und Nicole? Was sagen wir der?"

"Ich wollte dich mit meinem Besuch überraschen und habe dich von einem Freund in die Stadt locken lassen."

Ich puste laut. "Wegen mir haben wir wieder so einen Stress."

"Wieso wieder wegen dir? Meistens bin ich es doch, der für den Stress sorgt." Auch wieder wahr.

"Trotzdem. Ich wäre lieber mit dir allein, als in der Stadt oder bei meiner Schwester." Ich bin sowas von egoistisch, nicht? Aber ich darf das. Ich bin verliebt.

"Zieh nicht so ein Gesicht. Für was gibt es Umkleidekabinen?"

"Du Teufel", japse ich grinsend und klaube mir einen letzten Kuss. Den letzten für die nächsten vier bis fünf Stunden.

Ich sterbe!
 

***
 

Im Nachhinein war es gut, dass Meilo nicht gleich zu mir gefahren ist, denn Nicoles Freundinnen wollten nach diesem Erlebnis noch nicht nach Hause, sondern sind mit zu uns gefahren, um mit Nicole ihre gemachten Videos, Fotos und was weiß ich noch alles zu sichten. Als ob sie das nicht schon genug getan hätten, als sie im Hotel waren, aber nun gut. Mir kann es Wurst sein, denn mein Schatz ist aus der Schusslinie und wartet auf mich in der Stadt.

Dort bin ich auch fast angekommen, habe nur noch die Rotphase der Ampel vor mir, dann kann ich auf Parkplatzsuche gehen. Meilos Demotape trällert fröhlich aus den Lautsprechern (ich konnte sie Nicole vorhin noch schnell abluchsen, denn das Aas hatte sie sich heimlich in den Rucksack gesteckt, aber ich hab's mitbekommen) und ich summe noch fröhlicher mit. Gleich bin ich wieder bei dir mein Schatz!

Ich ergattere einen freien Parkplatz, der zwar ziemlich schmal bemessen, aber wenigstens meiner ist. Mit schnellen Schritten laufe ich den Gehweg entlang und biege in die Fußgängerzone ein. Das Kaufhaus sieht man schon von hier aus, und meine Beine bewegen sich ganz von selbst schneller. "Wohin des Weges?", spricht mich plötzlich jemand von der Seite an. Mich durchfährt es heiß. Das ist Meilo! Ich bleibe stehen und schaue mich um. Aber wo ist er? "Hier Sweetheart." Eine Hand hebt sich in die Höhe und winkt mir freudig zu. Diese Hand gehört zu Meilo, der im Außenbereich eines Café sitzt und es sich unter einem Heizstrahler bequem gemacht hat.

Das kann auch nur ihm einfallen. Mich würden keine zehn Pferde im November dazu bringen, mich in die Kälte zu setzen. Das schafft nur ein Meilo, oder besser gesagt, mein Meilo, denn ich laufe zu ihm und setzte mich ihm gegenüber.

"Wartest du schon lange?"

"So zirka einen Kaffee lang", antwortet er mir und zeigt auf eine leere Tasse. "Schön, dass du endlich da bist."

"Finde ich auch. Die Fahrt war der Horror!"

"Die Mädchen?"

"Wer sonst?", jammere ich. "Stell dir vor, du quälst dich über eine dicht befahrene Autobahn, hast kichernde und quietschende Mädchen neben und hinter dir, und zu allem Überfluss dröhnen dir noch blecherne und übersteuerte Aufnahmen eines Keith Kandyce Konzertes ins Ohr. Ich wäre am liebsten aus dem Auto gesprungen."

"Gut, dass du das nicht gemacht hast", tröstet mich Meilo und nimmt meine Hand. "Was würde ich denn ohne dich tun?"

"Einen zweiten Kaffee bestellen?", scherze ich. Lachend drückt er meine Hand, da kommt auch schon die Bedienung angelaufen.

Ich bestelle mir ebenfalls wie Meilo einen heißen Kaffee und natürlich noch ein Stück Schokotorte. Da habe ich jetzt mal Hunger drauf!

Während wir auf die Bestellung warten, sitzen wir einfach nur da, halten Händchen, und grinsen uns an. Ja, manchmal tun Verliebte solche schwachsinnigen Dinge. Aber ich bin so froh, dass wir endlich Ruhe haben und nur für uns sind, ohne hetzen zu müssen. Da reicht mir fürs erste dämlich grinsen und Händchenhalten vollkommen aus.

Als mein Kuchen kommt, kommt auch wieder Leben in uns. "In zwei Wochen habe ich für drei Tage frei. Bis jetzt jedenfalls noch", bremst mich Meilo gleich aus und stibitzt mit seinem Löffel ein Stückchen der Torte.

"Und wo bist du da?"

"Passau."

"Wow. Das ist weit. Das ist unten an der deutsch-österreichischen Grenze, oder?"

"Genau."

"Wäre eine ganz schön lange Fahrt", überlege ich laut.

"Wäre es." Meilo übt sich in Welpenaugen machen. Leider kann er das noch besser als meine kleine Schwester.

"Und was bekomme ich von dir, wenn ich mich wieder bei KP unbeliebt machen würde, weil ich ihn um ein paar freie Tage bitte?", grinse ich ihn an.

"Was möchtest du denn?", säuselt mein Liebling. Sein Daumen reibt mir vielversprechend über den Handrücken.

"Als ob du das nicht wüsstest." Allein sein Blick sagt mir, dass er schon Ideen in seinem Köpfchen austüftelt.

"Mir würde da schon was einfallen", bestätigt er mir auch gleich.

"Wusste ich es doch." Ich versinke in Meilos grünen Augen, reiße mich dann allerdings davon los. Wir sitzen in einem Café. Da wäre es nicht ratsam, mich zu vergessen.

Meilo denkt offensichtlich genau so, denn er räuspert sich und trinkt einen Schluck Kaffee, ehe er mit seine Erzählung fortfährt. "Du könntest auch mit dem Zug nach Passau fahren", meint er.

"Und wie komme ich zurück?"

"Auf dem Rückweg könnte ich dich nach Hause fahren. Ist nur ein kleiner Umweg."

"Das hört sich immer besser an", finde ich. "Ich bin dabei, im Falle Gerd dich nicht wieder mit Zusatzterminen belagert."

"Diesmal nicht", verspricht er mir. "Ich habe auf ein paar freie Tage bestanden, weil ich nämlich langsam auf dem Zahnfleisch krieche." Mein armer Liebling! Mitleidig schaue ich ihn an und nehme seine Hand fester in meine. "Es geht mir wieder besser", beruhigt er mich daraufhin. "Das du immer zu mir kommst, macht es erträglich." Ein taubes Gefühl macht sich in meinem Bauch breit. Es wird aller höchste Eisenbahn, dass das Jahr endlich vorbei ist!

"Nicht mehr lange", flüstere ich.

"Ich weiß."

Ganz versunken in die schöne strahlende Zukunft nach Keith Kandyce, lässt mich ein Tippen auf meiner Schulter erneut vor Schreck zusammenfahren. "Niclas!"

"Clem?" Verdattert blinzle ich neben mich. Da steht doch wahrhaftig Clem. Und wen hat er an der Hand? "Kilian?" Sehe ich richtig? Kilian hält Händchen? In aller Öffentlichkeit?!

"Das ist ja eine Überraschung! Hallo Meilo!"

"Hallo Clem", begrüßt mein Schatz meinen Arbeitskollegen freundlich. Weniger freundlich jedoch, kommt mein Ex weg. "Kilian", brummt Meilo nur und versucht einen neutralen Gesichtsausdruck aufzulegen. Funktionieren tut es allerdings nicht wirklich.

"Ist ja lustig, dass wir euch hier treffen! Dürfen wir uns zu euch setzen?" Anscheinend bemerkt Clem die Anspannung zwischen Kilian und Meilo nicht, oder es interessiert ihn schlicht und einfach nicht. Wenn ich länger darüber nachdenke, wird es wohl Letzteres sein. Clem hat sich nämlich schon länger in den Kopf gesetzt, uns vier zu allerbesten Freunden zu machen. Ich stehe dem noch relativ skeptisch gegenüber, aber versuchen können wir es ja mal, vor allem, wenn der Zufall es so möchte.

"Klar", antworte ich deswegen. Weil die Sitzordnung, wie sie momentan ist, nicht ganz die perfekte Lösung ist, stehe ich auf und setze mich neben Meilo. So können Clem und Kilian uns gegenüber Platz nehmen, und wir haben durch die Tischplatte zwischen uns etwas Abstand zwischen uns. Ich schätze, Meilo wäre nicht so scharf drauf, sich neben Kilian zu setzten, und ich bin es, nebenbei bemerkt, auch nicht sonderlich.
 

"Das ist aber schön, dass du hier bist Meilo. Hast du frei?", beginnt Clem den Smaltalk, kaum dass er sich gesetzt hat.

"Bis morgen Mittag", gibt Meilo monoton zur Antwort und mustert Kilian, der das Gleiche bei Meilo tut. Oh weia!

"Schön ... Sehr schön." Clem fällt das Starren unserer Partner ebenfalls auf. "Kilian? Was willst du denn Trinken?"

"Wie immer", knurrt er.

"Ist gut. ... Ähm Fräulein?" Hektisch winkt Clem die Bedienung herbei, die an dem Wort Fräulein sichtlich zu kauen hat. Ich unterdrücke ein Grinsen. "Zwei Milchkaffee mit Süßstoff bitte." Das Fräulein notiert sich Clems Bestellung und dampft ohne einen Ton zu sagen ab.

Eine unangenehme Stille folgt. Man hört nur das Plappern der anderen Gäste und das leise Summen des Heizstrahlers neben unserem Tisch. "Echt witzig, was?", gluckst Clem hilflos. "Wir vier an einem Tisch. Wer hätte das gedacht?"

"Ich sicher nicht", nuschle ich und stopfe mir eine Gabel voll Schokikuchen in den Mund. Wie gut, dass ich mir den bestellt habe!

Clem lacht verkniffen. "Ist aber doch schön, oder? So können wir uns mal alle kennenlernen und ein bisschen unterhalten."

Ich schaue zu Meilo, der immer noch Kilian anstarrt, jedoch ruhig bleibt. Mein Ex dagegen presst die Kiefer aufeinander. "Unterhalten?", knurrt er. "Du willst, dass wir uns unterhalten?"

"Warum denn nicht?" Clem wirkt leicht verloren.

"Reicht es nicht, dass ich versuche damit klar zu kommen, dass du mit meinem Ex zusammenarbeitest? Muss ich mich jetzt noch mit seinem Neuen herumschlagen?" Da haben wir es. Kilian explodiert. Und das schon nach so kurzer Zeit des beieinandersitzens.

Doch nicht nur er wird sauer. "Ich dachte, wir hätten das unter uns geklärt?", frage ich ihn eingeschnappt. "Wir haben doch ausgemacht, einen Schlussstrich zu ziehen." Jetzt sind es nicht mehr Meilo und Kilian die sich mit finsteren Blicken bekriegen, sondern Kilian und ich.

"Und? Das heißt noch lange nicht, dass ich mit euch beiden einen illustren Kaffeeklatsch abhalten muss!" Ich gebe es ungern zu, aber Kilian hat recht. Ich bin auch nicht scharf auf einen Viererkaffeeklatsch mit den beiden. "Das ist mir wirklich zu blöd!", keift Kilian, steht auf und packt Clem am Arm.

Der will aber so gar nicht das tun, was Kilian von ihm verlangt. "Beruhige dich doch mal!", zischt er ihn an. "Flipp doch nicht gleich wieder aus!"

"Ich flippe nicht aus!"

"Doch, tust du!" Clem entreißt ihm seinen Arm und fechtet einen stummen Streit mit Kilian aus. Wer wird gewinnen?

"Ach Scheiße!" Clem ist der Sieger, und Kilian setzt sich wieder. "Ich fasse es nicht!" Wie ein schmollendes Kleinkind verschränkt mein Ex seine Arme vor der Brust. Meine Hochachtung. Ich hatte Kilians aufbrausendes Gemüt noch niemals so gut unter Kontrolle bringen können, wie Clem das gerade geschafft hat. Die beiden sind wohl wirklich füreinander bestimmt. Jedenfalls mehr, als Kilian und ich es waren.

"Einigen wir uns darauf, dass wir vier keine besten Freunde werden", seufze ich, um die Lage ein wenig zu entspannen.

"Schade", murmelt Clem. "Ich mag euch beide sehr." Bei diesen Worten schielt er zu Kilian, doch er reagiert nicht.

Der Milchkaffee kommt. Es herrscht wenig Konversation am Tisch, als die Zwei ihn trinken. Eigentlich unterhalten sich nur Clem und ich miteinander, und es ist auch kein Wunder. Clems Versuch ist gescheitert. Kilian macht dicht, und ich kann ihn verstehen. Als mir Clem über den Weg lief, ging es mir genauso. Es ist überhaupt nicht schön, den Neuen seines Exfreundes zu treffen. Da ist es egal, ob man eine neue, glückliche Beziehung hat.

Was Meilo von dieser kleinen Viererrunde hält, kann ich nicht sagen. Er hat bis jetzt noch kein einziges Wort gesagt. Will er sich etwa raushalten? Oder ist er verstimmt? Verärgert? Stinkesauer? Ich werde weiter Vermutungen anstellen müssen, solange, bis die Zwei uns wieder alleine lassen. Nachdem sie ihre Tassen geleert haben, ist es auch schon soweit. Clem hat wohl eingesehen, dass er auf verlorenen Posten kämpft. Kluger Junge.

Kilian, der seine leere Tasse von sich schiebt, zückt seinen Geldbeutel, doch ich halte ihn auf. "Lass nur. Ich übernehme das."

"Das musst du nicht", grunzt Kilian.

"Ich will aber", blaffe ich zurück, lächle ihn jedoch an. "Du hast früher immer bezahlt, jetzt bin ich mal dran." Früher. Wie sich das anhört. Als wäre das Leben mit Kilian Jahrzehnte her, und so kommt es mir tatsächlich auch vor.

"Na gut. ... Danke. Und ich glaube, du hattest recht. Wir werden ganz sicher keine Freunde, aber ... lass uns einfach ..."

"Flüchtige Bekannte bleiben", beende ich den Satz für meinen Ex.

"Genau."

"In Ordnung."

"Fein." Kilian, der sich ein klitzekleines bissen kleinlaut anhört, lächelt schmal und steht dann auf, gefolgt von Clem.

"Man sieht sich", sagt mein Arbeitskollege, wünscht uns noch einen schönen Tag und eilt dann Kilian hinterher, der sich schon auf den Weg gemacht hat.

"Man könnte ja fast meinen, die seien auf der Flucht", scherze ich, und mustere Meilo dabei unsicher. Er hat sich immer noch nicht großartig bewegt. "Meilo? Ist alles okay mit dir?" Ich bin schon fast versucht, mich bei ihm zu entschuldigen, obwohl ich nicht genau weiß, wofür eigentlich.

Meilo greift nach seiner Tasse, trinkt den Inhalt mit wenigen Schlucken leer, und stellt sie leise klimpernd wieder auf den Untersetzer. Danach lehnt er sich zurück, fährt sich durch die Haare und räuspert sich. "Nic?"

"Ja?" Gespannt gucke ich ihn an.

"Versprichst du mir, wenn ich dich jetzt das frage, was ich dich gerne fragen würde, dass du mir deswegen nicht böse bist?"

"Äh ... Okay. Ich werde nicht böse auf dich sein." Was kommt denn jetzt?!

In meiner Fantasie stellt er mir eine Menge unangenehmer Fragen, wie zum Beispiel, ob ich kündige, damit ich Clem sowie Kilian nie wieder sehen werde, aber es kommt ganz anders. "War dieses Treffen von dir geplant gewesen?"

"Hä?"

"Ob du das Treffen mit deinem Ex eingefädelt hast?"

"Nein! Wie kommst du jetzt da drauf?" Und vor allem: "Wie soll ich das überhaupt gemacht haben?"

"War doch nur eine Frage", meint er. "Es kam mir so vor."

Ich atme laut aus und tätschle Meilos Oberschenkel. "Das Treffen war Zufall. Clem hatte allerdings schon länger die Idee, dich und Kilian einander vorzustellen. Also so richtig. Nicht wie bei unserem ersten Treffen im Kaufhaus. Ich hielt das von Anfang an für Schwachsinnig."

"Und wieso? Wegen mir? Hattest du Angst, dass ich wieder anfange zu spinnen?"

Mir fällt alles aus dem Gesicht. Ich schaue Meilo ernst an, suche nach irgendeinen Anzeichen von Wut oder Verletzung in seinen Gesichtszügen, finde aber nur mein altbekanntes heißgeliebtes Meilogesicht vor, das mir aufmerksam anstarrt. "Quatsch!", winke ich auf der Stelle ab. "Um dir habe ich mir keine Sorgen gemacht!"

"Sondern?"

"Um Clem und Kilian!" Ist das nicht offensichtlich gewesen? "Du hast doch gesehen, wie Kilian sich aufregen kann. Aber Clem hat ihn gut im Griff, muss ich zugeben. Kilian war schon immer ein sturer Bock, und ich wusste gleich, dass er nichts mit dir zu tun haben will."

"Hm." Meilo sieht immer noch nicht glücklich aus.

"Ich hätte Clem gerne gesagt, dass der Versuch nichts bringen wird, aber er war so erpicht darauf. Er mag dich und mich auch, da dachte er eben, es wäre schön, wenn wir uns alle gut verstehen."

"Und was ist mit dir? Fändest du das auch schön?" Endlich sieht mich Meilo wieder direkt an.

Ich schüttle den Kopf. "Nein. Fände ich nicht. Clem mag ich, keine Frage, aber Kilian ... Immer, wenn ich ihn sehe, bleibt so ein übler Nachgeschmack." Ich ziehe die Stirn kraus. "Ich kann das Gefühl nicht besser beschreiben." Vielleicht legt sich das irgendwann mal, aber im Moment bin ich froh, wenn ich Kilian nicht sehen muss.

"Schon gut", lächelt Meilo. "Das reicht mir als Antwort." Seine Hand legt sich um mein Kinn und bevor ich überhaupt reagieren kann, küsst er mich.

"Wofür war der denn?"

"Dafür, dass du einen üblen Nachgeschmack bei deinem Exfreund bekommst." Das ist so typisch Meilo! Gott, ich liebe ihn!

"Kannst du mich nochmal küssen?", frage ich ihn süßlich. "Der Geschmack ist immer ganz leicht da."

"Nichts lieber als das." Hmm ... Ja, der Geschmack in meinem Mund wird schon viel, viel besser ...
 

***
 

"Leise! ... Pssst! ... Hihihi!"

"Nic? Kann es sein, dass du leicht angetrunken bist?"

"Nein! Ups." Jetzt war ich selbst viel zu laut.

"Doch, bist du." Och menno! "Gib mir mal den Schlüssel, sonst wird das hier nie was." Meilo entreißt mir meinen Haustürschlüssel und sperrt die Haustür auf.

"Tada!!! Offen!", rufe ich und reiße die Arme in die Höhe.

"Psst!"

"Ja, ja", pampe ich. "Das weiß ich selbst." Meilo lacht und schiebt mich in den Hausflur. Als mein Augenmerk auf all die Stufen fällt, die zu unserer Wohnung hinaufführen, werden meine Beine ganz schwer. "Trägst du mich hoch?"

"Im Leben nicht. Aber ich kann meinen Arm um dich legen, damit du mir nicht die Treppe runterpurzelst."

"Runterpuse...purzle...puu..."

"Sei schon ruhig, Nic. Ab einer handvoll Cocktails kann man runterpurzeln nicht mehr sagen."

"Sagst du!" Ich zeige mit dem Finger auf ihn. Schwankt er so, oder bin ich das? "Ich will noch mehr Cockta... Cocks!" Ja! Cocks! "Lass uns nach Bremen fahren!"

Wieder lacht Meilo, schließt die Tür hinter uns und legt wie versprochen seinen Arm um mich. "Wir fahren nicht nach Bremen, mein Schatz." Och. Schade. "Wie konntest du mich auch nur dazu überreden, mit dir in diese kleine Bar zu gehen?", kichert er.

"Ich wollte unsere Namen an die Tischbeine schreiben", erkläre ich ihm.

"Das darf man aber nur in einer Bar."

"Dann lass uns da hinfahren!"

"Psst Nic. Du weckst noch alle auf. Und ich fahre jetzt nicht mit dir ins M."

"Och." Ich schiebe meine Unterlippe vor.

"Schmoll nicht. Beeil dich lieber, damit du ins Bett kommst."

"Bett?"

"Ja. Bett."

"Ich gehe gern mit dir ins Bett", kichere ich und bleibe stehen. Meilo riecht so gut ... Besonders hinter seinem Ohr.

"Das kitzelt Nic!"

"Kiselt?" Obwohl sich unser Treppenhaus in einer Art, in Seenot geratenes Schiff befinden muss, schiebe ich zielsicher meine Hände unter Meilos Oberteil. "Oh Meilo. Ich bin so verdammt scharf auf dich", zische ich und lasse ihn meine Fingernägel spüren.

"Das ist schön Sweety, aber bitte erst oben im Bett."

"Spielverderber."

"Nein, ich bin bloß über unsere Sicherheit besorgt. Die Treppenhaus ist in deinem Zustand nicht der beste Ort zum Kuscheln."

"Hihi ... Kuscheln." Was für ein lustiges Wort. "Kuuuuschääääln. Ich will jetzt Kuuuuschäääln!"

"Niclas?" Oh Oh! Erwischt! Das Licht im Treppenhaus geht an.

"Mama!" Ich winke ihr zu. "Hallo!!! Da sind wir wiedehmm." Nanu? Da ist eine Hand auf meinem Mund.

"Es tut mir leid, Cora. Nic hatte wohl ein paar Drinks zu viel." Ich hatte was?

"Ach du liebes bisschen. Kommt schon hoch!"

"Ich versuche es, aber der kleine Suffkönig hier wehrt sich mit allen Mitteln dagegen."

"Muffgönig?", frage ich empört gegen Meilos Handfläche. Warte mal! Handfläche? Meine Zungenspitze schiebt sich zwischen meine Lippen hindurch.

"Warte, ich helfe dir. ... Niclas?"

"Ey!" Meine Mutter zieht mich von Meilos leckerer Handfläche weg. "Ab mit dir in die Falle!"

"Aber Mama!"

"Hörst du schlecht? Es wird jetzt geschlafen!" Mamas unbeugsamer Blick trifft mich.

"Och Mann! Ich will aber noch mit Meilo kuscheln. Kuuuschääääln!"

"Das kannst du ja auch, aber mach das im Bett." Unbarmherzig werde ich die restlichen Stufen hochgeschoben. Oben steht plötzlich Papa. Der sieht gar nicht erfreut aus.

"Hallo Papa", flüstere ich. "Hab die Uhrzeit vergessen." Papa wird immer wütend, wenn ich spät nachts nach Hause komme. "Tut mir leid."

Eine seiner Augenbrauen zuckt nach oben. Sieht das lustig aus! "Ich erinnere dich dran, wenn dir morgen der Schädel brummt", sagt er und tritt zur Seite. Was will er mir denn damit sagen?

"Was ist denn los? Warum ist es so laut hier?" Nicole schiebt sich müde aus ihrem Zimmer.

"Nicole!!! Schwesterherz!" Ich reiße mich von Mama los, und will zu meinem lieben Schwesterlein, aber jemand fängt mich auf.

"Nicht jetzt Nic. Komm mit in die Heia." Meilo ist es, der mich festhält.

"Oh Meilo ... Wie schön du bist ..." Ich wirble herum (warum schwankt hier eigentlich alles so?), und presse meinen Mund auf den meines Schatzis.

Ich werde in die Höhe gehoben und weggetragen. Hui!!! "Schlaft gut ihr zwei", höre ich Mama kichernd sagen. Ich winke ihr zu, wenngleich ich gar nicht genau weiß, wo die Gute steht. Egal. Hauptsache Meilo knutscht mich weiter so heiß ab.

"So mein Süßer", keucht er und setzt mich ab. Wir sind in meinem Zimmer. "Kannst du dich alleine ausziehen?"

Ich grinse. "Nein! Das musst du machen!" Ich hebe die Arme. "Los! Zieh mich aus!"

"Oh Mann Nic. Morgen kannst du dir was von mir anhören."

"Was denn?"

"Nichts. Vergiss es. Schlaf erstmal deinen Rausch aus." Was? Ich soll schlafen?

"Ich will noch nicht schalfen!", quengle ich, bekomme aber keine Luft, weil Meilo mir den Pullover über den Kopf zieht. Nach Luft schnappend gibt mich der fiese Kragen wieder frei. "Bitte Meilo! Noch nicht schlafen."

"Ich bin aber müde."

"Ich aber nicht!"

"Nic?"

"Hm?"

"Versprich mir, dass du dich nie wieder betrinkst."

"Wieso?"

"Weil ich keine Kinder will." Hä?

"Wieso?"

"Egal", winkt Meilo ab und fummelt den Reißverschluss meiner Hose auf. Interessant ... "Ich ziehe dich jetzt aus, dann legst du dich ins Bett und wartest auf mich, ja?"

"Oh ja! Und dann tun wir's?"

Meilo sieht mich komisch an. Sein Mund steht offen. Ist ihm schlecht? "Ja, dann tun wir's, Sweetheart. Aber zuerst legst du dich ins Bett."

"Jawohl!" Guter Plan! Meilo hat immer so tolle Pläne!

"Heb mal dein rechtes Bein", weißt mich Meilo an und geht vor mir in die Knie.

"Oky."

"Jetzt das andere."

"Mach ich."

"Und jetzt zum Bett."

"Du musst mich wieder tragen!"

"Wie du willst." Juhu!

Ich springe Meilo an, der fängt mich und trägt mich zum Bett. "Ich hab dich so lieb Meilo", schnurre ich und vergrabe meine Nase in seinem Haar. "Und du bist so weich."

"Du kleiner Spinner", schmunzelt er und lässt mich ins Bett gleiten. "Ich liebe dich." Das Schiff schwankt stärker.

"Ich dich auch Meilo." Ich strecke mich ihm entgegen.

Der Kuss, der folgt, ist leider viel zu kurz, weshalb ich anfange zu quengeln, doch Meilo verspricht mir, dass wir gleich weiter machen. "Ich will mich auch nur schnell ausziehen, ja?"

"Okay." Ich werde zugedeckt, dann steigt Meilo aus seinen Kleidern. Meine Augenlider werden immer schwerer. Ob ich sie zu machen soll? Sicher weckt mich Meilo, wenn er fertig ausgezogen ist, und wir loslegen können.

Ganz bestimmt ...
 

******
 

Ihr fragt euch, wie es zu Nics Besäufniss kommen konnte? Ich mich auch! Vielleicht erfahren wir es ja im nächsten Kapitel. ;-)

Auf jeden Fall ist ein betrunkener Niclas ein unglaublich putziger Niclas, oder? *ggg*

Love bite 37 - Missgeschicke

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 37 - Missgeschicke (Ohne Adult)

Ihr seid sicher alle total gespannt, was mit Nic am Abend los war. *gg* Heute werdet ihr es erfahren! ;D

Viel Spaß mit meinem verkaterten Niclas *lach*

Eure Fara
 


 

Love bite 37 - Missgeschicke (Ohne Adult)
 

Oh mein Gott! Was ist denn mit mir los?

Auf der linken Seite liegend, hoffentlich in meinem Bett, das Gesicht im Kissen versunken, spüre ich, dass meine Wange sich irgendwie feucht anfühlt. Entweder, ich liege in etwas Nassem, oder ich habe mich selbst vollgesabbert. Beides keine schönen Aussichten. Dazu kommt noch der stechende Schmerz in meinem Kopf und meine Glieder, die sich anfühlen, als hätte einer Beton hineingegossen. Wie komme ich denn bloß in diese missliche und wirklich unschöne Lage?

Ich bewege meinen Mund, in dem wohl eine Pelzfarm eröffnet hat, lecke mir über meine trockenen Lippen und schlucke den Fellballen hinunter, doch er weicht nicht von meiner Zunge. Langsam hebe ich den Kopf, was mir meine Kopfschmerzen sehr übel nehmen. Auch mein Nacken ist total verhärtet und knackt laut. "Au", krächze ich. Ich fasse es nicht, aber ich habe einen Kater!

Angewidert ziehe ich mein Kissen ein Stück weiter an die Wand ran. Natürlich habe ich es vollgesabbert, aber wenigstens nicht vollgekotzt, was gut hätte sein können, so, wie ich mich im Moment fühle.

Ganz, ganz vorsichtig drehe ich mich auf den Rücken, lasse die Augen aber noch geschlossen. Wer weiß, was geschieht, wenn ich sie öffne? Hinterher explodiert mein Hirn noch. Doch ausgerechnet jetzt meldet sich meine Blase. Sie ist übervoll, was nicht verwunderlich ist, nach meinem abendlichen Alkoholexzess, den ich allem Anschein nach hatte.

Warum habe ich das eigentlich getan? Und vor allem wo und mit wem? Ich erinnere mich an absolut nichts mehr. So etwas hatte ich noch nie. Ein Blackout. Und das in meinem Alter.

Trotz voller Blase, bleibe ich liegen und leide weiter vor mich hin. Bis ich meine Zimmertür leise knarren höre. "Mama?" Scheiße, höre ich mich weinerlich an. Aber bei Mama darf ich das. "Mama, mir geht's schlecht."

Sie sagt nichts, sondern kommt auf mich zu, was ich an den leisen Schritten ausmachen kann, die auf dem Fußboden widerhallen. Die Matratze neben mir senkt sich und eine wundervoll kühle Hand legt sich auf meine Stirn. Wie schön ... Ich seufze ein Stück weit erleichtert. Wenn es einem schlecht geht, hilft Mamas Pflege immer noch am besten. Zärtlich streichelt sie meine Stirn, legt ihre Hand dann auf meine Wange, ehe ich ihre Lippen auf meine Stirn fühle. Obwohl es mir immer noch nicht gut geht, muss ich grinsen. "Das hast du ewig nicht mehr gemacht", krächze ich. Ein leises Schmunzeln. "Weißt du noch, wenn ich krank war? Dann hast du das immer gemacht und gesagt, dadurch geht mein Fieber weg." Und es hat geholfen. Ehrlich.

Die Hand rutscht tiefer und legt sich auf meine Brust. Ich atme tief ein und entspanne ein wenig. Ich stutze erst, als sich erneut ihre Lippen auf meine Stirn legen, aber nicht kurz, sondern dort verharren und hinab bis zu meiner Schläfe wandern. "Mama?" Was soll denn das?

"Schht", macht sie leise, was mich nur noch mehr aus der Bahn wirft.

Jetzt muss ich doch die Augen öffnen, um zu erfahren, was denn nur in meine Mutter gefahren ist. Doch als ich das tue, sehe ich ... nichts. Meine Rollläden müssen unten sein. Inzwischen sind die Lippen an meiner Wange angekommen, gefährlich nahe an meinem Mund. Mir bleibt das Herz stehen. "Mama!" Ich weiche erschrocken von ihre weg, vergesse dabei sogar meinen pochenden Schädel. "Was soll das?!" Meine Stimme überschlägt sich. Die Matratze erschaudert. Klettert sie etwa gerade auf mein Bett! "Lass das! Mama! Geh weg!" Das ist ein Albtraum! Ich schlafe noch! Ja, bestimmt!

"Wehr dich nicht dagegen, mein Schatz", flüstert eine leise Stimme. In meinem alkoholgetränkten Hirn drehen sich quietschend alle Räder. Das ist Meilo!

Kaum gedacht, geht das kleine Lämpchen neben meinem Bett an. Breit grinsend hockt dieser Schuft neben mir und tut so, als könne er kein Wässerchen trüben. Ich schwanke zwischen Ärger und Erleichterung. "Du Idiot!", krakele ich. "Willst du, dass ich einen Herzkasper bekomme?" Zischend fasse ich mir an den Schädel. Hallo Kopfschmerzen. Da seid ihr ja wieder. "Musst du mich so veräppeln?" Meilo lacht sich einen ab. "Ha ha. Selten so gelacht."

"Das hast du verdient, mein Freund." Bitte?! "Nach dem Abend gestern, hättest du sogar noch mehr verdient." Äh .. hä? "Du erinnerst dich nicht mehr?" Ich schüttle den Kopf, halte aber gleich wieder zischend inne. Autschi! "Ach je", seufzt Meilo, kickt sich die Schuhe von den Füßen und legt sich neben mich. "Du hast dich in einer Bar zugeschüttet. Klingelt's?"

"In einer Bar?" Ich glaube, es dämmert langsam.

"Ja. Nachdem wir Kilian und Clem getroffen hatten, sind wir doch noch Bummeln gewesen."

"Stimmt! Und danach waren wir in diesem kleinen Laden mit den Süßigkeiten, und dann sind wir nochmal in das Kaufhaus, wo wir unser erstes Date hatten."

"Richtig. Und danach ..."

"Danach war es draußen schon dunkel und ich wollte noch nicht heim, also habe ich dich dazu überredet, in die kleine Bar am Stadtplatz zu gehen." Die machen irre gute Cocktails.

"Und dort hast du dir ordentlich die Kannte gegeben", spricht Meilo die unumstößliche Wahrheit aus.

"Mist", fiepse ich. "Das war so nicht geplant gewesen."

"Du sagst es. Eigentlich wollte ich den Abend mit dir im ganz in Ruhe und mit dir allein verbringen, aber du musstest dir einen Cocktail nach dem anderen reinziehen."

'Cockta... Cocks! Lass uns nach Bremen fahren!' Oh verflucht! Ich schäme mich ja so! Alles fällt mir wieder ein. "Ich habe mich wie ein kleiner Junge benommen", heule ich.

"Hast du."

"Oh Gott!" Ich ziehe mir die Bettdecke über den Kopf. "Das ist mir so peinlich!"

Meilo lacht und zieht die Decke wieder runter. "Ich fand's eigentlich ganz lustig." Grimmig starre ich Meilo an. "Aber kannst du mir mal verraten, warum du dich so abgeschossen hast? Du hast dir einen Drink nach dem nächsten rein gekippt. Das machst du doch sonst nichts." Ich will nicht antworten, denn dann schäme ich mich garantiert noch mehr. "Sag es mir Nic. Sonst muss ich die Rollläden hochziehen, und ich warne dich. Die Sonne scheint."

"Du bluffst."

"Willst du drauf wetten?" Da ich nur wette, wenn ich weiß, dass ich zu 100% gewinne ...

"Ich wollte nicht nach Hause", flüstere ich.

"Warum nicht?"

"Wegen Nicole." Schon irgendwie kindisch, oder? Aber so war es. Ich wollte noch nicht so früh nach Hause, und damit auf Nicole stoßen, die mir Meilo aus meinen Armen entrissen hätte, deswegen habe ich darauf bestanden, noch ein bisschen in dieser Bar rumzuhängen, und da ist es dann irgendwie mit mir durchgegangen. Der erste Drink ging noch, der zweite auch, aber nach dem dritten konnte ich nicht mehr aufhören. Die waren aber auch lecker! Doch wenn ich es mir recht überlege, wird mir von dem Gedanken an die Dinger leicht übel. "Ich wollte spät nach Hause, wenn Nicole schon am schlafen war", gebe ich Meilo gegenüber zu. "Ich hab's übertrieben."

"Hast du. Und falls es dich tröstet, Nicole und ich haben einen schönen Vormittag miteinander verbracht." Habe ich richtig verstanden? Vormittag?!

"Wie spät ist es?", möchte ich panisch wissen.

"Halb zwölf. In spätestens einer Stunde muss ich los."

"Oh Gott!!!" Kann es denn noch schlimmer kommen?!

Es kann.
 

Meilo hat mich dazu überredet, mich aus dem Bett zu quälen. Nach einem Besuch im Bad und einer Katzenwäsche, hocke ich nun am Küchentisch. Mama hat schon reichlich gedeckt und der Duft nach Essen treibt mir die Galle hoch. Mir geht es so mies, dass ich noch nicht mal meiner Schwester böse Blicke entgegenschleudern kann, die gerade im Begriff ist, sich an Meilo festzukrallen. Unaufhörlich packt sie ihn an, quasselt ihn voll und tut so, als könnte sie flirten. Ich muss gleich wirklich kotzen!

"Das war so toll! Meine Freundinnen sind richtig ausgeflippt und ich musste mich so zusammenreißen, ihnen nicht zu sagen, dass wir uns kennen. Aber ich hab's dir ja versprochen. Ich verrate keinem was."

"Das freut mich." Meilo strahlt meine Schwester erfreut an.

"Niclas? Möchtest du einen Happen?" Meine Mutter wedelt mit dem Soßenlöffel vor mir herum.

"Bloß nicht", würge ich.

"Du bist ganz schön grau im Gesicht Niclas. Das kommt davon, wenn man zu viel säuft." Danke, du verräterische, sich an Meilo zeckende, Schwester. "Alles in Maßen, sagt Mama doch immer."

"Genau Schatz. Und von Alkohol lassen wir aber trotzdem schön die Finger. Du siehst ja, was dabei raus kommt." Alle lachen. Sogar Meilo grinst.

"Verräter", knurre ich. Er legt den Kopf schief und greift nach meiner Hand, die ich ihm allerdings entziehe. Strafe muss sein. Dafür klammert sich Nicoles Hand in Meilos Unterarm. Was zu viel ist, ist zu viel. "Ich geh pennen." Ich muss hier weg.

Meine Zimmertür knallt hinter mir laut zu. Lange bleibt sie jedoch nicht geschlossen. Meilo ist mir gefolgt. Ich wusste es. Er lässt mich nicht einfach so abhauen. Er hält eben doch zu mir.

Ich falle in mein Bett, wickle mich in meine Bettdecke und drücke das Gesicht ins Kissen. "Ach Sweetheart", säuselt Meilo und setzt sich neben mich. "Wir veralbern dich doch nur. Das ist nicht böse gemeint."

"Ich weiß", nuschle ich.

"Hm wenn das so ist. … Es geht wieder um deine Schwester, richtig?" Getroffen, mein Schatz. Sanft kraulen seine Finger durch mein Haar. Eine Wohltat für meinen Kater. "Ich fasse es nicht, dass du immer noch eifersüchtig auf sie bist."

"Was?" Die Decke fliegt. "Ich bin nicht eifersüchtig!"

"Nicht?"

"Nein! Ich bin nur angepisst, weil ich hier liege, und halb am Verenden bin, während sie mit dir Zeit verbringen kann! ... Aua!" Ich greife mir an die Stirn. "Scheiß Kater!"

"Da bist du selbst dran Schuld", tadelt mich Meilo. "Hättest du nicht so viele Cocktails vertilgt, hätten wir heute Vormittag noch was unternehmen können. Und was wir gestern Abend noch alle miteinander hätten machen können …" Er seufzt wehmütig.

"Tritt noch in die Wunde." Meilo legt sich schmunzelnd neben mich und nimmt mich in den Arm. Sehr tröstlich. "Ich weiß doch selbst, dass ich Mist gebaut habe", murmle ich gegen seine Schulter. "Du bist extra mit zu mir gefahren, und ich habe alles vermasselt."

"Hast du nicht."

"Habe ich doch!" Wieder fasse ich mir an den Kopf. Wenn der doch nur nicht so hämmern würde! Aber mit kommt eine Idee. Noch ist nicht alles verloren und noch haben wir ein wenig Zeit!

Ich löse mich von Meilo und drücke ihn an der Schulter nach unten, bis er auf dem Rücken liegt. "Nic? Was hast du vor?"

"Dich entschädigen", antworte ich und knie mich über Meilos Beine.

"Das musst du nicht. Dir geht es nicht gut." Er versucht meine Hände, die sich an seiner Hose zu schaffen machen, zu fassen, aber ich bin zu allem entschlossen.

"Mir geht es schon besser", lüge ich. "Und ich will dich wenigstens noch ein mal in meinem Bett vernaschen!" Jawohl! Seit unserer ersten Nacht, hatte ich ihn nicht mehr in meinem Bett. Und dass ist beinahe schon beängstigend, wenn man bedenkt, wie oft wir schon ... Ihr wisst schon.

"Wehe, du kotzt."

Empört halte ich inne. "Geht's vielleicht noch romantischer?" Mein Witzbold von einem Freund lacht, und ich mache mich wieder an die Arbeit.
 

*
 

Immer noch über Meilos Schoß gebeugt, lasse ich ihn erstmal runterkommen. "Oh Sweety", haucht er. "Du bist einfa..."

"Meilo?! Wann fährst d... AHHH!" Hinter mir bricht die Hölle los. Nicole! Was hat die hier verloren?!

Ich bin so erschrocken, dass ich mich der Länge nach auf Meilo werfe, damit meine Schwester ja nichts von Meilo zu sehen bekommt, und ihr dann sauer den Kopf zudrehe. "RAUS HIER!", schreie ich sie an. "RAUS!"

"Äh ... äh ..."

"MACH SCHON!" Ihr Mund klappt zu und dann kommt endlich Bewegung in sie.

"Tut mir leid", wimmert Nicole und verkrümelt sich zum Glück wieder.

Wie gut, dass die Rollos noch unten waren! "Shit", zischt Meilo.

"Sie hat bestimmt nichts gesehen", beruhige ich ihn. "Ich habe ihr die Sicht versperrt."

"Trotzdem ..."

Ich schaue Meilo an, der sich die Hände vors Gesicht hält. Das ihm mal was peinlich ist, geschieht eher selten. Das letzte Mal war, glaube ich, auf den Weg zu dieser Sommerrodelbahn, wo ich es ihm im Auto besorgt habe. "Wir können froh sein, dass sie nicht ein, zwei Minuten früher aufgekreuzt ist", grinse ich.

"Hmmm ..." Meilo findet das nicht so lustig wie ich.

"Ach Schatz. Komm schon. Ist doch halb so wild." Ich ziehe ihm sanft die Hände vom Gesicht. "Ich falte Nicole gleich zusammen."

"Das macht es auch nicht besser. Sie hat uns gesehen!" Er schämt sich tatsächlich!

"Viel konnte sie nicht sehen", raune ich ihm zu. "Klein Meilo war sicher behütet in meinem Mund versteckt." Jetzt nicht lachen Niclas!

Ich beiße mir auf die Unterlippe, was zwar gegen das aufkeimende Lachen hilft, allerdings nicht gegen meine zuckenden Mundwinkel. Wenn ich jetzt fies wäre, würde ich gar behaupten, ich freue mich darüber, dass Nicole uns erwischt hat. Nun weiß sie, dass Meilo ganz mir gehört. Ist das fies, dass ich mich deshalb ein klitzekleines bisschen freue?

"Oh Mann, Nic!", seufzt Meilo. "Das kann auch nur wieder uns passieren." Er kann nicht anders, und fängt selbst an zu lachen.

"Wieso? Bisher sind wir doch nicht erwischt worden." Man denke nur an die Umkleide, den See und an meinem Geburtstag bei Niko und Lars.

"Das zwar nicht", kichert er und wischt mir eine Strähne von der Stirn "aber es ist irgendwie doch wieder typisch für uns." Ich lege den Kopf schief, erwidere jedoch nichts darauf. Wenn er eben meint, es sei typisch für uns, dann soll er das eben glauben. "Ich denke, ich fahre jetzt besser. Bevor noch schlimmeres passiert." Unbarmherzig schiebt mich Meilo von sich und steht auf.

"Egal was passiert, ich beschütze dich", verkünde ich ihm feierlich.

"Das weiß ich, aber ich muss trotzdem langsam mal los." Bedauernd sieht er mich an und knöpft sich seine Hose zu.

"Ich hasse Keith", knurre ich und presse mein Gesicht ins Kopfkissen. Es duftet nach Meilo.

"Lass das nicht Nicole hören."

"Das kann sie ruhig hören." Ich glaube, das weiß sie sogar. "Wenn es ihn nicht gäbe, müsstest du jetzt nicht gehen." Ich höre mich an, wie ein trotziges Kind, aber das ist mir vollkommen egal. Mein Kater kehrt mir voller Macht zurück und die schlechte Nachricht, dass mein Liebster nun geht, hat ihn nur noch mehr aufgepeitscht. Mir geht es zum Kotzen!

"Hey Sweety." Die Matratze senkt sich. Zärtlich legen sich warme, kraulende Finger in meinen Nacken, die mein Katerchen zu besänftigen versuchen. Es klappt nur bedingt. Störrischer, alter Kater. "Wir sehen uns in zwei Wochen wieder."

"Ja", nuschle ich ins Kopfkissen. "Aber auch nur, wenn Gerd dir nicht wieder Termine aufdrückt."

"Falls er das tut, streike ich."

"Als ob du das so einfach könntest." Ich werde immer niedergeschlagener. Meilos Hand reibt inzwischen über meinen gesamten Rücken. Ich entspanne etwas, aber meine Laune hebt das nicht.

"Ich brauche diese Auszeit, und das weiß Gerd."

Ich hebe meinen Kopf an und drehe mich umständlich zu Meilo. Er guckt gedankenverloren auf einen unsichtbaren Punkt an meiner Wand. "Was heißt das?", will ich wissen. Meilo reagiert nicht. "Meilo! Was hat das zu bedeuten, Gerd weiß es?"

Endlich schenkt er mir wieder Beachtung und lächelt mich leicht an. "Nur, dass ich ihm gesagt habe, dass ich dieses Tempo nicht mehr lange durchhalte. Er muss mir geglaubt haben, sonst hätte er mir heute Morgen nicht das Okay für den kleinen Urlaub gegeben."

"Du hast ihn gefragt?" Ich rolle mich auf die Seite und setze mich auf. "Wirklich?"

"Habe ich", nickt er. "Ich wollte alles in trockenen Tüchern haben. Die Fahrt ist lange und ich will unter keinen Umständen, dass du sie umsonst antrittst."

"Oh Meilo! Das sind wirklich gute Neuigkeiten!" Ich falle ihm um den Hals und fühle mich auf der Stelle wieder besser. Nicht nur, weil ich mich freue, Meilo für ein paar Tage nur für mich zu haben, sondern auch, weil ich weiß, dass mein Schatz diese kleine Auszeit wirklich braucht. Und ich werde alles dafür tun, das er sich in diesen paar Tagen vollkommen entspannen kann. Das schwöre ich!

Lachend erwidert er meine Umarmung und tupft mir einen Kuss auf die Nase. "Kümmere dich schon mal um ein Zugticked. Ich warte dann am Bahnhof auf dich." Mein Herz hüpft vor Freude und schlägt wilde Saltos.

"Ich muss erst KP fragen, aber ich denke, das geht klar."

"Super!" Weitere Küsse folgen, dann muss mein Herzblatt leider aufbrechen.
 

Draußen, vor seinem Auto, verabschiede ich mich von ihm. "Bis in zwei Wochen", flüstert er mir zu.

"Auf jeden Fall." Komme was wolle! Ich werde zu ihm fahren!

"Äh Meilo?" Nicole steht plötzlich neben uns. Mit der habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen, fällt mir dabei ein. "Darf ich dir auch noch tschüs sagen?" Kleinlaut steht sie da, knetet ihre Hände und hat rosig-rote Wangen vor lauter Scham. Geschieht ihr recht!

"Klar darfst du das", grinst Meilo, lässt mich los und umarmt mein peinlich berührtes Schwesterlein.

"Tut mir leid wegen vorhin", höre ich sie leise zu Meilo sagen.

"Schon gut. Das nächste mal klopfst du an, ja?" Sie nickt eifrig.

"Wehe wenn nicht", knurre ich. "Dann setzt es was." Aber so was von!

Meilo schenkt mir ein nicht wirklich ernst gemeintes Augenrollen, küsst mich noch einmal zum Abschied und steigt dann ein. "Bis dann Sweety", ruft er mir noch zu, hupt, und düst davon.

"Ich zähle die Sekunden", sage ich zu mir selbst, aber natürlich hat Nicole das mitbekommen. "Guck nicht so! Ich darf das sagen."

"Seit wann stehst du auf kitschiges Liebesgedöhnse?", fragt sie mich, starrt aber immer noch hinter Meilos Auto her.

"Seit ich den richtigen Mann dafür gefunden habe", antworte ich ihr, drehe mich um, und lasse sie im Hof stehen. Ich will jetzt alleine sein.
 

***
 

Okay ... Das haut nicht hin. Da muss ein Fehler sein. Aber wo? Ich scrolle ganz bis nach oben, wo ich heute Morgen angefangen habe, und gehe jede Zeile, jeden Buchstaben und jedes Zeichen noch einmal durch. Dabei vergleiche ich alles mit meinen Notizen und schaue zur Sicherheit noch ein paar Mal in meinem schlauen Buch nach. "Ah! Da bist du ja!" Ich habe nur zwei Buchstaben vertauscht. Jetzt müsste es funktionieren. Hach, programmieren macht Spaß!

Samstag Morgen. Ich habe frei, draußen fällt der erste, bescheuerte Schnee und ich darf im gemütlich warmen Zimmer hocken. Das Leben kann ja so schön sein. Besonders, weil es nur noch eine Woche dauert, bis ich Meilo wiedersehe. Das Zugticket ist gekauft (für eine unverschämt hohe Summe, finde ich), wo ich überall umsteigen muss, ist genaustens notiert, und von KP habe ich frei bekommen. Himmlisch! Wären jetzt draußen noch sommerliche 30 Grad, wäre alles beinahe perfekt.

Fröhlich pfeife ich vor mich hin, ganz vertieft in meine Arbeit. Das habe ich lange nicht mehr gemacht. Im Weinkeller habe ich ordentlich vorgearbeitet, habe Clem ein paar Stunden abgenommen, damit er für mich nächstes Wochenende einspringen kann. Deshalb genieße ich das hier gerade so sehr, dass "Niclas?"

"Hä?!" Mein Kopf fliegt zu meiner Zimmertür. Nicole steht dort und glotzt mich an.

"Du sollst essen kommen."

"Oh. Okay. Bin gleich da." Nur noch die Zeile, dann ...

"Sag mal, das ist doch ein Song von Keith, den du da singst, oder?"

"Was?"

"Na die Melodie, die du da pfeifst. Hört sich wie Raindrop an."

Ich stutze. "Tut es das?"

"Ja."

"Keine Ahnung." Ich zucke mit den Schultern. "Hab die Melodie einfach im Kopf."

Nicole grinst breit. "Dir gefällt Keiths Musik."

"Nein! Ich pfeife den Song sicher nur, weil du ihn ständig laufen lässt." Dämliche Ohrwurmmusik!

"Den habe ich schon ewig nicht mehr gehört", lacht sie. "Du machst mir nichts vor. Du hörst heimlich Keith Kandyce!"

"Tue ich nicht!", wehre ich mich. "Und jetzt geh essen, damit ich das hier noch schnell fertig machen kann." Sie lacht überheblich, dampft aber zum Glück ab. "Ich und Keith Kandyce hören", knurre ich. "Pah!" Dass das gar nicht mal so unwahr ist, verrate ich ihr nicht.

Manchmal suche ich tatsächlich im Internet nach ihm, aber nur, weil ich wissen will, was es Neues von Meilo gibt. Nicht, dass er es mir nicht abends erzählen würde, aber ich weiß ganz gern, was er alles für Termine hat. Ich möchte ja nicht, dass er zu viel Arbeitet und unter irgendwelchen gesundheitlichen Problemen dadurch leidet. Bestimmt habe ich diesen Song dabei gehört. Auf den ganzen Fanwebsides trällern ja ständig Lieder von ihm.

Nichtsdestotrotz speichere ich meine Arbeit schnell ab und trete zum Essen an. Mein Vater ist heute auch anwesend, Samstag muss er ja nicht arbeiten, weshalb das Mittagessen viel gesitteter zugeht. Damit fertig, hocke ich mich gleich wieder an den Schreibtisch. Eine gute Arbeitsphase sollte man ausnutzen.
 

Ich sitze keine halbe Stunde, bin wieder total vertieft in meiner Arbeit, da trappelt schon wieder Nicole durch meine Tür. "Hier", sagt sie und legt mir eine CD auf den Tisch. "Mit besten Dank zurück." Bei genauerem Hinsehen erkenne ich, dass es Meilos Demo-CD ist.

"Hast du Meilo gefragt?"

"Habe ich und ich durfte sie mir brennen."

"Gut. Dann brauchst du meine nicht mehr." Schnell wegstecken. Nicole hat sie mir die ganze Woche über ständig gemopst.

"Ich habe aber noch was für dich", verkündet sie. "Und bevor du herummeckerst, ich habe Meilo gefragt, ob ich dir Kopien geben darf." Ein USB-Stick landet auf meinem Schreibtisch.

"Sind das Keith Kandyce Songs?"

"Auch", bestätigt sie mir.

"Und was will ich damit?"

"Sie dir anhören", kichert Nicole und verlässt mein Zimmer wieder.

"Sie mir anhören? Wo bin ich denn? Tse!" Ich schiebe den Stick ins hinterste Eck meines Schreibtisches und programmiere weiter. ... Jedenfalls würde ich das gern, denn aus irgendeinen mit unbekannten Grund, kann ich mich nicht mehr konzentrieren, sondern starre die ganze Zeit über diesen vermaledeiten Stick an. "Verflucht!" Jetzt bin ich neugierig!

Ich schließe alle Fenster, schnappe mir den Stick und stecke ihn ein. Vorsichtshalber, ich will ja nicht, dass Nicole mich erwischt und dabei in widerlicher Schadenfreude badet, schließe ich meine Tür ab. Inzwischen hat sich auch der USB-Stick auf meinem Bildschirm bemerkbar gemacht, und wartet darauf, von mir in Augenschein genommen zu werden. Dann wollen wir doch mal sehen, was Nicole mir alles da drauf gemacht hat, von dem sie glaubt, das es mir gefallen könnte.

Drei Ordner befinden sich auf dem Stick. Ganz profan beschriftet mit Bilder, Musik und im Letzten scheinen Videos zu sein. "Na schön", sage ich zu mir selbst. "Zuerst die Bilder." Als ich ihn öffne, trifft mich allerdings fast der Schlag. Der Ordner ist nochmal unterteilt in Livebilder, Promobilder, Sonsiges, Twitter und Zeitungsausschnitte. Jetzt ist es amtlich! "Meine Schwester hat 'nen Knall!" Wer mit klarem Verstand sammelt denn all den Kram und sortiert ihn auch noch so agribisch?!* Ich bin schon kurz davor, den Stick wieder rauszuziehen, klicke dann doch auf den ersten Ordner. Livebilder. "Ich brech ab", stöhne ich. "Das gibt's nicht. Das ist ... komplett verrückt!" Auch hier Ordner. Beschriftet mit Datum vom Konzert, wo es war und was sonst noch alles

Das wird mir jetzt zu blöd! Ich gehe zurück. Promobilder! Gehen wir die mal an. Doch hier das selbe Spiel. Ich scrolle bis ganz nach unten und öffne den Ordner mit dem spätesten Datum. Ganze fünf Bilder sind darin. Darauf zu sehen Meilos Alter Ego, wie es vor einer Industrieruine in Pose steht. Eindeutig die Location eines der Musikvideos, das dort gedreht wurde. Interessiert mich nicht. Meilo geschminkt und in bunte Fummel gesteckt brauche ich ganz sicher nicht. Einzig die Twitterbilder von ihm lassen mich schmunzeln. Meilo blödelt vor der Kamera, immer als Keith natürlich, aber in seinen Augen erkenne ich seinen unverwechselbaren schelmischen Blick. Diese Bilder gefallen mir ausnahmsweise, und werden umgehend auf meine Festplatte kopiert. Dabei frage ich mich, warum er mir nie solche Bilder schickt. Vielleicht sollte ich mal öfter auf Twitter mein Unwesen treiben ...

Als nächstes sind die Songs dran. Ich höre mal rein, aber den Nerv, sie mir genauer anzuhören, habe ich nicht. Auch auf die Videos werfe ich nur flüchtige Blicke. Wenn ich Keith so über die Bühne spazieren sehe, werde ich ganz wehmütig. Das kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen. Dennoch kommen die Songs mal auf meinem Mp3-Player. Heute Abend will ich noch joggen gehen. Vielleicht höre ich sie mir da mal an.
 

Vor dem Abendessen besuche diesmal ich meine Schwester. "Hier. Mit bestem Dank zurück", grinse ich, und gebe ihr den Stick wieder.

"Du hast dir schon alles angesehen?", fragt sie mich erstaunt.

"Nicht alles", gebe ich zu. "Ist nicht mein Ding."

Nicole guckt mich verstört an, schüttelt den Kopf und dreht den Stick in ihrer Hand. "Du kennst ihn gar nicht richtig", murmelt sie. Ich glaube, jetzt schlägt es dreizehn!

"ICH kenne ich nicht richtig?" Meine Stimme überschlägt sich fast. "Ich soll meine Freund nicht richtig kennen?!" Wenn ihn hier jemand nicht richtig kennt, dann ja wohl sie.

"Ich meine nicht Meilo", blafft sie zurück. "Sonder Keith!"

"Was? Wieso soll ich ihn richtig kennen müssen?"

"Weil Keith ein Teil von Meilo ist. Ein wichtiger Teil. Willst du nicht wissen, wie dieser Teil von ihm ist? Wer Keith ist?"

"Wozu muss ich das wissen? Keith ist bald gestorben. Auf nimmer Wiedersehen in der Versenkung verschwunde..." Oh, oh. Ich schlucke hart. Scheiße!

In Zeitlupe entgleisen Nicoles Gesichtszüge. "Was hast du da gesagt?", krächzt sie. "Was ist mit Keith?" Verdammt, verdammt, verdammt! Ich hab's verraten!

Ich atme tief ein und versuche meine Stimme ruhig klingen zu lassen. "Hör mal Nicole, es ist noch nicht öffentlich gemacht, aber Meilos Vertrag endet am Jahresende und dann ... dann wird es keinen Keith Kandyce mehr geben." Es wird still. Ich schwöre, Nicoles Atmung setzt ein paar Sekunden lang aus. Man könnte Grillen zirpen hören, wären denn welche da. Die Ruhe vor dem Sturm. "Aber er geht dir ja nicht verloren", versuche ich das Unvermeidliche abzuwenden. "Meilo ist ab jetzt ein Teil unserer Familie und ..."

"AHHHHH!!!" Ich habe es befürchtet. Nicole rastet aus. "DU LÜGST! KEITH HÖRT NICHT AUF! DAS IST EINE LÜGE!!!" Sie steht auf und pfeffert mir den USB-Stick um die Ohren. Er trifft mich zum Glück nicht, aber meine Schwester wütet weiter und kommt mit wutverzerrten Gesicht auf mich zu.

"Nicole! Beruhige dich doch! Meilo macht doch weiterhin Musik, und ..."

"AHHHH!!!"

"Nicole!" Mama eilt zu uns, Papa im Schlepptau. "Was ist denn um Himmels Willen hier los?"

"RAUS HIER!", keift Nicole. Erste Tränen rinnen an ihren Wangen runter. "RAUS!!!"

Ich dränge meine Mutter rückwärts durch die Tür. Wir kommen noch gerade so raus, als Nicole die Tür vor unserer Nase zuschmeißt und abschließt. Es wird ruhig, doch man kann Nicole weinen hören.

"Niclas Ittninger! Was hast du nun wieder angestellt?" Mama guckt mich böse an. Als ich hilfesuchend Papa anschaue, der hinter ihr steht, zuckt er bloß mit einer Augenbraue. Löffle das selbst aus, Junge.

"Mir ist herausgerutscht, dass Meilo Keith an den Nagel hängt", plätschert es aus mir, während ich wieder die Tür anstarre, an dem das geklebte Keith-Poster hängt, das ich unlängst zerrissen hatte.

"Was? Wie konntest du das tun?!"

"Ich habe doch gesagt, es ist mir herausgerutscht!"

"Ach Niclas! Konntest du nicht aufpassen was du sagst?" Wie bitte?

"Du predigst mir doch immer, ich solle ihr die Wahrheit sagen! Jetzt habe ich es, und es ist auch wieder nicht recht."

"In dem Fall wäre es aber besser gewesen, Meilo hätte ihr das selbst gesagt. ... Jetzt haben wir den Salat." Meine Mutter macht Anstalten, zurück zu Nicole zu gehen, doch ich halte sie auf.

"Lass sie. Sie wird jetzt sowieso nicht auf dich hören." Außerdem habe ich das Gefühl, dass sie schon bald mit Meilo reden wird.

"Na gut", gibt meine Mutter nach. "Dann mache ich das Abendessen fertig. Danach sehen wir weiter."

"Gute Idee. Und ich werde dir helfen."

"Du?"

"Ja. Irgendwas muss ich ja tun, bis Nicole wieder ansprechbar ist." Mama seufzt und tätschelt mir den Arm. Ja, tröste mich bitte, denn ob ich will oder nicht, ich fühle mich ganz schön mies. Das hätte mir wirklich nicht herausrutschen dürfen. Ich Volltrottel!
 

***
 

Nicole kam nicht zum Abendessen raus, was mich auch nicht gewundert hat. Papa war deswegen allerdings stinkesauer, nicht auf mich, sondern auf Nicole, die sich strickt weigerte, ihre Zimmertür aufzusperren. "Alles nur wegen diesem Hippie!", hat er vor sich hingebrummelt, ehe er ihr ihren Willen gelassen hat. Das dieser 'Hippie' mein Freund, und damit sein 'Schwiegersohn' ist, erschien ihm wohl nebensächlich.

Ich jedenfalls wollte mir die miese Stimmung im Haus nicht weiter antun. Erstens, weil ich sie eh nicht ändern kann, zweitens, weil ich einen freien Kopf dringend nötig hatte. Deswegen zog ich mich um, stöpselte mir meinen Mp3-Player in die Ohren, und joggte durch die Dunkelheit. Der Schnee war zu meinem Glück schon wieder geschmolzen. Dafür gab es aber eine Menge Schmelzwasser, das mir die Füße und Waden aufweichte, aber das war mir relativ egal. Ich lief stur meine Lieblingsstrecke, die mich hinauf auf einen gut ausgeleuchteten Weg neben einem kleinen Waldstück entlang führte. Dabei dachte ich nach, über diese ganze Keith Kandyce Scheiße, über Nicole, und warum es sie so aufregt, dass Meilo damit Schluss macht. Er geht ihr ja nicht verloren. Im Gegenteil. Würde ich nicht mit ihm zusammen sein, hätte sie gar nichts mehr von ihm, es sei denn, ihr würde ein Licht aufgehen, wenn sie eines Tages einmal Meilos neue Songs hören würde. So hat sie aber beides. Warum also so einen Aufstand?

Während ich die Songs von Keith hörte, die ich mir von Nicoles Stick auf den Player gezogen hatte, dachte ich über all das nach, kam aber zu keinem Ergebnis. Ich werde mit ihr reden müssen, wenn ich Klarheit haben möchte.

Und das möchte ich, auch jetzt noch, wo ich wieder zuhause bin, mich geduscht und umgezogen habe. Ich will wissen, was hinter dem Ganzen steckt. Ich will wissen, warum sie so vernarrt in Keith ist, so erschüttert darüber, dass er aufhört, obwohl sie ihn doch persönlich kennt. 'Ihn kennen ...' "Du kennst ihn gar nicht richtig", hat sie zu mir gesagt. Ich würde Keith nicht kennen, womit sie recht hat, aber was spielt das für eine Rolle? Für Nicole wohl eine große, sonst hätte sie es nicht gesagt. Das zu wissen heißt aber nicht, dass ich dahinter komme, wie genau sie es gemeint hat. Es hilft nichts, ich muss mit ihr reden. Hoffentlich hat sich sich wieder etwas beruhigt.
 

Bevor ich aber mein Zimmer verlassen kann, klingelt mein Handy Sturm. Meilos Klingelton. "Hey Schatz", melde ich mich und setze mich aufs Bett.

/Hey Sweety./ Da hört sich aber jemand ernst an.

"Du weißt es schon, oder? Nicole hat mir dir geredet", schließe ich aus seinem Tonfall.

/Ja/, antwortet er schlicht. /Du solltes mit deiner Schwester reden./

"Glaub es oder nicht, das hatte ich gerade vor. Ich wollte ihr nur etwas ... Luft lassen, nachdem sie sich so aufgeregt hat."

/Nett von dir./ Bin ich auch der Meinung.

Doch was viel, viel wichtiger ist "Bist du jetzt auch sauer auf mich?"

Nervenaufreibende Sekunden vergehen, bis er mir endlich ein /Nein/ ins Ohr haucht. /Was passiert ist, ist passiert./ Erleichterung!

"Ich wollte es nicht! Es ist mir einfach herausgerutscht." Irgendwie wiederhole ich mich heute ständig.

/Das glaube ich dir, aber Nicole geht es trotzdem schlecht deswegen./

"Konntest du sie wenigstens ein wenig aufmuntern?"

/Etwas, aber nicht viel. ... Für sie ist eine Welt zusammengebrochen, und das wird nicht nur ihr so gehen./ Meilo hört sich nicht gut an. So als ob er ...

"Du willst doch jetzt nicht sagen, dass du doch nicht aufhören willst?", platzt es aus mir raus, und schon wieder würde ich die Worte am liebsten wieder in meinen Mund zurückzwingen. Heute rede ich, bevor ich denke. Es ist zum Mäuse melken!

/Will ich nicht/, schmunzelt mein Schatz leise. Und nochmal: Erleichterung! /Mir ist nur bewusst geworden, was das für all meine Fans bedeutet. Sie werden am Boden zerstört sein./

"Das legt sich auch wieder."

/Hm. ... Damals, bei dieser einen Band, da haben sich nach ihrer Auflösung sogar ein paar Fans das Le.../

"War das was ganz anderes!", unterbreche ich ihn rüde. Er soll noch nicht mal an sowas denken! "Du bist nicht verantwortlich dafür, wenn labile Teenager am Rad drehen!"

Er seufzt laut in den Telefonhörer. /Ich weiß. Trotzdem nimmt es mich mit. Wenn deine Schwester schon so traurig deswegen ist, dass ich aufhöre, wie werden dann erst die anderen darauf reagieren?/

Nun ist es an mir zu seufzen. "Was soll ich dir sagen?" Ja, was? "Du kannst es nicht ändern. ... Aber vielleicht kann dein Management sich was überlegen?"

/Und was?/

"Na ja, einen guten Grund, weshalb du nicht mehr singen wirst."

/Hm ... Vielleicht. Mal sehen./ Meilo hört sich immer noch niedergeschlagen an. Wenn ich doch nur etwas für ihn tun könnte!

"Wir sehen uns nächste Woche ja. Dann reden wir darüber ganz ihn Ruhe."

/Ist gut./

"Und ich rede jetzt erst einmal mit meiner Schwester. Es wird schon halb so schlimm sein. Nach dem ersten Schock wird sie merken, dass die Welt nicht stehen bleibt, nur weil es Keith bald nicht mehr geben wird."

/Ja, wahrscheinlich./ Oh Mann! Ich könnte mir echt in den Arsch treten! Meilo ist nur wegen mir und meinem vorlauten Mund so bedrückt!

"Kopf hoch, Schatz. Das wird schon. Liebe dich."

/Ich dich auch Nic./
 

Nachdem ich mich von Meilo verabschiedet, und ihm versprochen habe, dass ich mich nochmal bei ihm melde, mach meinem Gespräch mit Nicole, fühle ich mich noch schlechter als zuvor. Ich mag es nicht, dass Nicole wegen ihrem Idol leidet, aber noch weniger mag ich es, dass Meilo deshalb ein schlechtes Gewissen bekommt. Es war doch vorauszusehen, dass der Rückzug von Keith zu heulenden Teenies führen wird. "Bitte mach keinen Rückzieher, Meilo", flehe ich in die Stille meines Zimmers. Soweit ich weiß, nervt ihn die Plattenfirma immer noch mit einer Vertragsverlängerung. Hoffentlich knickt er jetzt nicht ein, und wer daran Schuld wäre, das ist ja wohl klar. Ich.

Ich werfe mein Handy aufs Bett und stehe auf. Jetzt kommt es auf mich an. Ich muss das gerade biegen. Ich muss Nicole aufbauen, damit Meilo nicht wieder ins Grübeln gerät. Ich kenne ihn inzwischen zu gut, um nicht gemerkt zu haben, dass er sich wieder in seine Hirngespinste hineinsteigert. Wie damals in der Hütte und im Hotelzimmer, wo er sich Sorgen gemacht hat, ich würde ihn irgendwann betrügen, weil er so viel unterwegs ist. Der Kerl hat eine viel zu lebhafte Fantasie! Solange er sie für mich gebraucht, ist das auch gut so, aber lässt man ihn zu lange alleine, verselbstständigen sie sich, und das ist nicht gut. Also auf zu Nicole, um ihr den Kopf zu waschen!
 

An ihrer Zimmertür horche ich zuerst, ob sie immer noch heult, oder USB-Sticks durch die Gegend wirft. Da nichts dergleichen zu hören ist, trete ich vorsichtig ein. Nicht abgeschlossen. Super! "Nicole?"

"Verschwinde!" Das fängt ja schon mal gut an.

"Meilo hat gesagt, ich soll mit dir reden."

"Mir doch egal!" Mist! Und ich dachte, das würde helfen. Auch gut, dann anders. Ich trete einfach ein und schließe die Tür hinter mir. "Ich hab gesagt, dass du abhauen sollst!"

"Ich will doch nur mit dir reden", sage ich ruhig, aber sie interessiert das nicht.

"Hau endlich ab und lass mich allein!", schreit sie mir entgegen.

"Nein, meine Liebe, das werde ich nicht", zicke ich sie an. Wenn es mit Verständnis und gutem Zureden eben nicht klappt, dann muss ich es halt mit dem Gegenteil probieren. "Wegen dir ist Meilo total betrübt."

Ihre Augen schnellen kurz zu mir, dann starrt sie wieder geradeaus auf den Bildschirm ihres PCs. "Pech für ihn", grantet sie. Okay, jetzt werde ich sauer. Niemand redet so über meinen Freund!

"Nein, Pech für dich! Wenn es Meilo wegen dir schlecht geht, ist das nämlich dein Pech, denn ich werde nicht zulassen, dass du oder sonst irgendwer meinem Schatz was antut, auf welche weise auch immer!" Jawohl!

"Ja, ja", blafft sie mich unerschrocken an. "Dein toller Schatz! Dein toller Meilo! Fahr doch zu ihm und tröste ihn, wenn er auch-so-schrecklich traurig ist wegen mir! Ich hab andere Probleme!" Hier läuft aber was gehört falsch. Hat sich in ihrem Teenie-Hirn eine Synapse falsch vernetzt vor lauter Schock, dass Keith Kandyce bald sterben muss?

"Dir ist es egal, dass Meilo sich Sorgen um dich macht? Das müsste dich doch eigentlich glücklich machen. Meilo hat dich gern, verdammt!"

"Mich?! Er hat mich gern?" Sauer feuert sie die Maus gegen die kleinen Lautsprecher ihres Computers. "Scheiße, du raffst auch gar nichts!" Trotzig verschränkt sie die Arme vor der Brust.

"Ehrlich gesagt raffe ich wirklich nichts mehr. Was ist dein Problem? Meilo hört doch nicht auf zu existieren! Er will weiterhin Musik machen, aber eben andere Musik. Du kannst so oft mir ihm telefonieren wie du willst, oder uns besuchen, wenn wir zusammenwohnen." Ich verstehe es echt nicht. "Was ist dein Problem damit?", will ich von ihr wissen. "Sag es mir Nicole! Warum glaubst du, dass die ganze Welt zusammenbricht, wenn es Keith Kandyce nicht mehr gibt?!"

"WEIL ER ALLES IST, WAS ICH NOCH HABE!", schreit sie mich an, wird dann plötzlich kreideweiß und fällt unvermittelt heulend in sich zusammen.

Mir fehlen die Worte. Meine Gedanken überschlagen sich. Was soll das bedeuten? Er ist alles, was sie noch hat?

Auf eine Antwort werde ich wohl oder übel noch warten müssen. Zuerst muss ich zusehen, dass Nicole nicht heulend vom Stuhl kippt. Ich überbrücke die kurze Distanz bis zu ihr und nehme sie einfach in den Arm, ob sie will, oder nicht. Zu meiner Erleichterung lässt sie es zu. "Ganz ruhig", tröste ich sie. "Das wird schon." Habe ich nicht das Selbe zu Meilo gesagt?

"Gar nichts wird", schnieft sie. "Wenn es Keith nicht mehr gibt, habe ich gar nichts mehr." Das kann sie doch nicht erst meinen?

"Aber Meilo geht doch nicht weg", sage ich zu ihr, weil ich nicht weiß, wie ich ihr sonst helfen kann.

"Darum geht es ja!" Sie löst sich von mir und wischt sich mit dem Ärmel über die Nase. Lecker. "Meilo gehört zu dir! Aber von Keith wolltest du nie was wissen. Er gehörte mir!"

"Was redest du da?", frage ich sie stammelnd. "Das ist doch totaler Unsinn!"

"Ich sag doch, du kapierst es nicht!" Mit einem beherzten Stoß rollt sie mit ihrem Bürostuhl nach hinten und steht auf, um sich, erneut unter einem Heulkrampf, auf ihr Bett zu werfen.

Ich hocke erst nur da, schaue sie an und versuche mir einen Reim auf ihr Gerede zu machen. Nur langsam kommt mir die Erleuchtung. Die ganzen Keith Bilder an Nicoles Wand helfen mir dabei. Es ist fast wie bei Meilo, der nicht will, dass ich ihn Keith nenne, weil diese Kunstfigur immer irgendwie über uns schwebt, uns voneinander zu trennen versucht.

Ich stehe auf und laufe zu Nicole, wo ich mich kurzerhand ebenfalls aufs Bett lege. Mit dem Rücken ans Kopfende gelehnt, schaue ich auf sie nieder. "Es tut mir leid für dich", fange ich an.

"Du lügst!"

"Tue ich nicht. Für dich ist Keith immer noch real, was er ja auch auf eine gewisse Art ist, aber Meilo ist aus Keith ... herausgewachsen. Verstehst du? Er will einen anderen Weg einschlagen." Nicole zieht die Nase hoch und dreht sich zu mir. "Er kann das nicht mehr. Er ist nicht mehr der Mann, der sich gern in dieses Kostüm zwängt und das tut, was die Plattenfirma und sein Manager von ihm verlangen."

"Er muss das tun? Er muss Keith sein?", fragt sie mich leise.

"Ja. Die haben ihn damals sozusagen als Keith Kandyce eingekauft und Meilo muss ihn weiterhin mimen. Früher hat es ihm Spaß gemacht, aber inzwischen ist ihm das alles zu viel."

"Das hat er mir gar nicht gesagt."

"Es ist schwer für Meilo." Nicht nur für ihn. "Er arbeitet bis zum Umfallen und bekommt immer mehr Termine aufgedrückt. Sie wollen nochmal alles aus ihm rausholen, jeden Cent, den sie mit ihm verdienen können, krallen sie sich."

Eine Weile lang herrscht stille. Bis Nicole sie bricht. "Das klingt furchtbar", flüstert sie und starrt auf die Keith-Bilder an ihrer Decke.

"Ist es auch. Die Beziehung, die er vor mir hatte, ist daran kaputt gegangen." Ich weiß nicht, ob es Meilo recht ist, dass ich ihr das alles erzähle, aber er war ja auch derjenige, der mir geraten hat, mir ihr wie mit einer Erwachsenen zu reden.

Nicole rappelt sich wieder auf und setzt sich, wie ich, gegen das Kopfende ihres Bettes. Sie sieht nachdenklich aus. Nachdenklich und ernst. "Wie oft habt ihr euch eigentlich gesehen, seit ihr zusammen seit?" Die Frage kommt jetzt aber überraschend.

"Ähm ... Da muss ich überlegen ..." Ich versuche mich zurückzuerinnern und zähle alle Treffen auf. "Unser Kennenlernen, dann nach dem Konzert, Bremen ..." Ich zähle alle Treffen auf. Auch Meilos Kurzbesuch im Weinkeller. "Alles in allem haben wir uns acht Mal gesehen." Hört sich wirklich wenig an, oder? Und meist waren es ja nicht mal mehr als zwei, drei Tage. Und die noch nicht mal alle an einem Stück. Wie deprimierend! Jetzt fange ich gleich an zu heulen!

"Und wie lange seit ihr jetzt nochmal zusammen?" Was die alles wissen will.

"Morgen werden es drei Monate." Kaum zu glauben, was?

"Und da habt ihr euch nur so wenige Male gesehen?"

"So ist das eben. Meilo hat viel um die Ohren."

"Hm ... Das habe ich alles nicht gewusst. Ich dachte immer, Keith würde das alles Spaß machen. Und seine Fans seien ihm wichtig ..."

"Aber das sind sie!", schwöre ich Nicole. "Er freut sich immer auf Fanpost und an seinem Geburtstag hat er sich auch riesig über all die Glückwünsche gefreut."

"Du warst da?"

"Ja."

"Als er sie ausgepackt hat?"

"Ja."

"Auch, als er mein Geschenk ausgepackt hat?"

"Er hat extra danach gesucht." Nicole bringt ein Lächeln zustande. Etwas, das mich selbst lächeln lässt. "Soll ich dir davon erzählen?" Sie bejaht. "Gut", nicke ich. "Es fing alles in diesem Club an, in dem er gefeiert hat. Und ..."

"Erzähl mir alles von Anfang an", unterbricht sie mich. "Wie du Meilo kennengelernt hast." Nun bin ich aber echt baff.

"Das willst du wissen? Du kennst die Geschichte doch schon."

"Ja, von Mama. Aber nicht von dir. Erzählt mir von Meilo. Vielleicht hilft es gegen meine Keith-Depression."

Ich muss anfangen zu lachen. "Willkommen im Club. Eine Keith-Depression habe ich schon, seit ich wieder hier wohne."

"Ha ha", grummelt Nicole und schlägt mit ihrer Faust auf mein Bein. Autschi! "Nun erzähl schon. Ich will es wirklich wissen." Nicole überrascht mich doch immer wieder. Meist im negativen Sinne, aber die positiven Seiten an ihr nehmen langsam zu. Das gibt doch Grund zur Hoffnung, oder?
 

******
 

Arme Nicole. Nic ist aber auch ein Idiot.

Aber wer weiß? Vielleicht war es ja ganz heilsam für Nics kleine Schwester. ;-)
 

* Ich! Hier! Ich habe das immer gemacht! Ihiiich! Ordnung muss schließlich sein. :-p

Love bite 38 - Piep piep: Willkommen in Passau

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 38 - Piep piep: Willkommen in Passau (ohne Adult)

So. Und damit wir endlich mal zu potte kommen, und ich die verdattelten Kapitel, die ich eigentlich schon lange hochgelanden haben wollte, auch mal endlich online bekomme, gibt’s heute gleich zwei Kapitel.

Also falls jemand hier anfangen möchte zu lesen: STOPP! Einmal ein Kapitel zurück bitte xD

Für alle anderen, viel Spaß beim zweiten Kapitel des heutigen Tages ;-)
 


 

Love bite 38 - Piep piep: Willkommen in Passau (ohne Adult)
 

Müde strecke ich mich und reibe mir übers Gesicht. Wie gut, dass die Zugansage mich geweckt hat, sonst würde ich immer noch pennen.

Die Bremsen des Zuges quietschen laut. Ich schaue aus dem Fenster und erkenne weiter vorn den Bahnhof. Schön ist anders. Wenigstens das Wetter ist ganz passabel. Strahlender Sonnenschein und eine dünne Schneedecke, die die Dächer und die Umgebung bedeckt, was jedoch über die drückende Ausstrahlung des Bahnhofs nicht hinwegtäuschen lässt. Eigentlich sahen die Bilder von Passau doch so schön aus im Internet. Davon hat der hiesige Hauptbahnhof wohl nichts abbekommen. Na ja, ich muss ja zum Glück nicht hier bleiben, sondern werde gleich von Meilo abgeholt.

Ich werde augenblicklich wacher. Mein Meilo! Gleich sehe ich ihn wieder!

Unruhe und Vorfreude erfassen mich. Ich kann nicht mehr ruhig sitzen bleiben, geschweige denn warten, bis der Zug in den Bahnhof eingerollt ist. Ich stehe auf, versuche das Gleichgewicht zu halten, und hole meine große Sporttasche aus dem Handgepäckfach über mir. Damit schlage ich mich bis zum Ausstieg durch und lehne mich daneben an die Zugwand. Ich will raus zu meinem Meilolein!

Als der Zug endlich zum Stehen kommt, bin ich einer der ersten, die aussteigen. Ich laufe ein paar Meter, um der Flut an Passagieren zu entkommen, und schaue mich um. Wo ist er? Er wollte doch am Bahnsteig auf mich warten! Und dann sehe ich ihn. Er steht weiter vorn, bei einer Reihe von Sitzbänken. Eingepackt, in einem dicken Norwegerpullover, einer schwarzen Jeans und hellbraunen Lederboots, steht er da und winkt mir zu. Wegen des Beanies, das er auf dem Kopf trägt, sowie der dicken Sonnenbrille, habe ich ihn erst gar nicht erkannt. Ich nehme die Beine in die Hand. Auch er kommt auf mich zu, und schließt mich fest in die Arme, als wir uns endlich erreichen. "Meilo", hauche ich leise.

"Hey du." Ist das schön, wieder bei ihm zu sein! Die letzte Woche war so verdammt lang! "Wie war die Zugfahrt?", fragt er mich, nachdem er mich losgelassen, und mir meine Tasche abgenommen hat.

"Lang und anstrengend. Wäre das viele Umsteigen nicht gewesen, hätte die Fahrt angenehmer sein können."

"Ich hätte dich doch mit dem Auto abholen sollen", seufzt mein Schatz.

"Ja genau. Und weil der Sprit so billig ist, hätten wir gleich noch einen kleinen Umweg über Italien nehmen können", sage ich und verdrehe die Augen. "Spinn nicht rum. So schlimm war es nun auch nicht. Ich konnte im Zug schlafen und mich ausruhen. Jetzt bin ich voller Tatendrang." Ich grinse Meilo breit an.

"Ist das so?" Ich nicke. "Okay", sagt er gedehnt und legt mir den Arm um die Schultern. "Dann bringen wir schnell deine Tasche ins Hotel und legen gleich los."

"Und mit was?"

"Lass dich überraschen", meint er, grinst sein Meilogrinsen und dirigiert mich zu seinem Auto.
 

***
 

Das Hotel ist der Wahnsinn. Also noch wahnsinniger, als die Schuppen, in denen er sonst so absteigt. Nicht nur, dass es mitten in der Altstadt steht, nein, es hat auch noch einen unglaublich schönen Blick auf einen der Flüsse. Ob das jetzt die Inn, oder die Donau ist, weiß ich gar nicht. "Da hat deine Plattenfirma aber was springen lassen", staune ich. "Ist ja fast wie in einem Schloss hier."

"Ja, ganz nett." Er mal wieder. Ganz nett ist diesmal echt eine Untertreibung. Meilo wirft meine Tasche auf das große Doppelbett, einem Himmelbett wohlgemerkt, und schmust sich von hinten an mich. "Was hältst du davon, wenn wir den restlichen Vormittag hier bleiben, und andere Dinge besichtigen, als die Stadt?", schnurrt er in mein rechtes Ohr.

"Andere Dinge?", kichere ich.

"Hmhm."

"Und die währen?"

"Pieep piep piep pieeep." Ähm ... bitte was?

"Alles in Ordnung mit dir Meilo?", frage ich sicherheitshalber nach. "Du klingst so komisch."

Er lacht und schiebt frecherweise eine seiner Hände unter meinen Pullover. "Mit mir ist alles bestens", beruhigt er mich.

"Und was sollte das eben mit dem Gepiepe?"

"Kommst du nicht von selbst drauf?"

"Nein."

"Was macht denn piep?"

"Ein Handy?"

"Doch kein Handy!", lacht er auf. "Nein, etwas Lebendes."

"Öhm ... Hühner?"

Meilo gluckst und schüttelt den Kopf. "So ähnlich."

"Kücken", rate ich weiter.

"Oh Nic! Die Kälte hat dein Hirn einfrieren lassen."

"Ey!" Das war jetzt aber gar nicht nett. "Dann verrate mir doch mal bitte schön, was piep piep macht, Mister."

"Vögel", antwortet er prompt.

"Vögel? Und was haben Vögel mit de... Ah!" Soeben geht mir ein Licht auf. "Vögeln!"

Meilo grinst und lässt mich los, nur um meine Hände zu schnappen und mich zum Bett zu ziehen. "Endlich hast du es kapiert", kichert er dabei.

"Warum hast du das denn nicht gleich gesagt?"

"Ich dachte, dir wäre das zu vulgär." Ach?

Ich runzle die Stirn und lande auf Meilos Schoß, der sich kurz zuvor aufs Bett gesetzt hat. "Ich meine mich wage daran zu erinnern, dass du derjenige welcher warst, der sich darüber echauffiert hat." Wir schauen uns in die Augen, während ich mich an seinem Hosenverschluss zu schaffen mache.

"Kann nicht sein", meint er.

"Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass es so war."

"Echt?" Ich nicke. "Wenn das so ist, dann vögeln wir eben nicht."

"Was?" Der scherzt doch! Oder?

"Sex wäre auch nicht schlecht", grinst er frech und schlüpft wieder unter mein Oberteil.

"Oh du Idiot!", lache ich auf, gebe ihm einen Schubs, sodass er mit dem Rücken auf dem Bett landet, und beuge mich über ihn. "Jage mir nie wieder so einen Schrecken ein."

"Mal sehen", flüstert er frech und sieht mich lüstern an. Na schön. Er hat es so gewollt.

Ich rutsche von Meilos Schoß, was ihm sichtlich ratlos zurücklässt, und stelle mich vor ihn. "Nic?" Er macht Anstalten aufstehen zu wollen, doch ich halte ihn auf.

Mit einem einfachen "Bleib liegen", bekomme ich dazu, dass er abwartend im Bett liegen bleibt und mich fragend anschaut.

Kommentarlos ziehe ich mir den Pullover über den Kopf. Das Shirt darunter fliegt gleich danach und die Schuhe sind ebenfalls schnell weggekickt. Meilo hat sich inzwischen lächelnd zurückgelehnt und mustert mich gründlich. Sein Blick brennt auf meiner Haut. Ein geiles Gefühl!

Aufmerksam beobachtet er mich dabei, wie ich meine Hose öffne. Langsam und ohne Hast, harke ich den Knopf aus und ziehe den Reißverschluss runter, bevor ich sie mir Stück für Stück von den Hüften streife. Meilo keucht leise auf. "Oh Nic."

"Was denn?" Ich kann auch frech sein, wenn ich will.

"Komm endlich zu mir."

"Hm ... Nö." Von wegen! "Komm du doch zu mir", fordere ich ihn auf. Und was tut er? Natürlich ist er gleich darauf auf den Beinen und will nach mir greifen. Ich hebe die Hand und winke mit meinem Zeigefinger hin und her, was nein bedeutet soll. Wie ein alleingelassener Hundewelpe blinzelt er mich nun an. Och.

"Wieso nicht?", möchte er wissen. Ich lächle ihn bloß an und befreie mich aus meiner Shorts. Meilos Hundewelpenblick wird gierig und ähnelt nun viel eher dem eines hungrigen Wolfes.

Ich streichle mich selbst und stöhne dabei leise. Ich sehe Meilo an, wie geil ihn das macht, aber er bleibt brav dort stehen, wo er ist. Guter Junge. Vielleicht darf er nachher noch mit meinem Knochen spielen. ... Oder ich mit seinen.
 

*
 

Erschöpft, aber zu tiefst befriedigt, liegen wir nebeneinander im Himmelbett und starren auf den weißen Stoff über uns. "Willkommen in Passau", hechelt Meilo.

"Oh ja", schnaufe ich. "Hier werde ich sicher ... öfter kommen."

"Das arme ... Bett."

"Wieso?"

"Nicht gemerkt?" Ich verneine.

"Du hast den Himmel ... zum Beben gebracht."

"Echt?"

"Und wie."

"Dich auch?"

"Oh, und wie!", lacht er angestrengt. Ich stimme mit ein.

Meilos Hand sucht meine und verschränkt seine Finger mit meinen. "Was jetzt? Aufstehen?", fragt er mich nach einer Weile.

Oh Gott nein! Bis mich meine Beine wieder tragen können, wird es noch etwas dauern, fürchte ich. Sie fühlen sich an wie wabbliges Gelee.

"Nein", sage ich lediglich und drehe meinen Kopf zu ihm. Er sieht mich ebenfalls an. "Wir bleiben noch etwas liegen."

"Ist gut."

Ich schließe die Augen wieder und halte glücklich Meilos Händchen. Meine feuchte Haut kühlt sich schnell ab, was heißt, ich friere nach einiger Zeit. Kurzerhand wühle ich mich unter die Bettdecke, ziehe Meilo ebenfalls darunter und kuschle uns beide in die warme Daunendecke. An ihn geschmiegt, schaue ich aus dem Fenster. "Es schneit", stelle ich fest. "Wie schön."

"Ich dachte, du magst keinen Schnee."

"Mag ich auch nicht. Aber hier im Warmen, ist er schön." Besonders, wenn Meilos Finger durch mein Haar kraulen.

"Wir könnten nachher durch die Altstadt bummeln", schlägt Meilo vor.

"Könnten wir", antworte ich. Meine Augen fallen zu.

"Uns in ein Café setzen und einfach nur dasitzen und zusammen sein."

"Hört sich schön an ..."

"Ohne Stress und Zeitdruck."

"Himmlisch."

"Weißt du, dass ist das erste Mal, dass wir ganze drei Tage nur für uns haben." Das habe ich auch schon gedacht. "Drei ganze Tage ..."

"Plus die Heimfahrt", ergänze ich. Die dauert nämlich auch fast einen Tag. Am 24. Fahren wir zurück, suchen uns ein Plätzchen zum Übernachten, dann geht es morgens weiter. Meilo setzt mich zuhause ab, dann düst er wieder los, weil er am Abend ein Konzert in ... Keine Ahnung wo, hat. "Ich freue mich schon so auf die kommenden Tage."

"Und ich erst. Gerd hat versprochen, mich weder anzurufen, noch vorbei zu kommen."

"Das sind ja mal ganz neue Töne von ihm", staune ich. "Meinst du, er hält sein Versprechen?"

"Denke schon", meint Meilo. "So, wie ich ihm den ausgebrannten, leeren Musiker vorgespielt habe ..."

Ich fange an zu lachen. "Das hast du gemacht?"

"Was glaubst du denn? Ich musste noch nicht mal groß Schauspielern. Ich durfte nur nicht an dich denken, sonst hätte ich mich noch verraten."

"Du bist wirklich wundervoll", gurre ich und richte mich ein Stück auf, damit ich Meilo ins Gesicht schauen kann. "Ich liebe dich, habe ich dir das heute schon gesagt?"

"Nein, aber in deiner letzten SMS stand so etwas in der Art."

"Daran kann ich mich gar nicht erinnern", rätsle ich. "Wirklich?"

"Meinst du, ich lüge dich an?"

"Nein, aber ... warte mal! Ich habe doch geschrieben, dass ..."

"Du mir die Kleider mit den Zähnen vom Leib reißt, sobald wir uns wiedersehen", nimmt er mir großzügigerweise die Worte aus dem Mund.

"Und in diesem Satz hast du ein Ich liebe dich gelesen?"

"Natürlich. Das bedeutet es doch im Großen und Ganzen auch." Meilo grinst wie ein kleiner Lausbube.

"Ah ja, verstehe. Das heißt, deine Antwort, jeden Quadratmillimeter meiner Haut abzulecken, wenn es soweit ist, bedeutet, dass du mich ebenfalls liebst?"

"Absolut."

"Wenn das so ist", schnurre ich und klaube mir einen Kuss, ehe ich weiter rede "dann werde ich dich gleich mal meine Zähne spüren lassen."

Meilo strahlt mich frech an. "Und ich werde überall auf deiner Haut kleine Love bites verpassen", sagt er und dreht sich mit mir im Arm einmal herum, sodass ich unter ihm liege.

Küssend liegen wir aufeinander. Nach einer Weile löst sich Meilo wieder von mir und sieht mich aus verklärten Augen an. "Nic?"

"Ja?"

"Piep piep."

Ich fange an zu lachen. "Nichts lieber als das!"
 

***
 

Hand in Hand schlendern wir durch die Altstadt. Es schneit schon wieder, oder immer noch, je nachdem, wie man es sieht. Zwar nur leicht, aber es bleibt auf den Straßen und Gehwegen liegen. "Meine Mutter freut sich schon auf dich. Sie plappert mir am Telefon jedes Mal das Ohr ab, weil ich ihr unbedingt mehr von dir erzählen soll", sagt Meilo.

"Das tut sie?"

"Jepp", nickt er.

"Hm." Ich vergrabe meinen Mund im Schal, den ich um habe.

"Was hm?"

"Nichts."

"Das nehme ich dir nicht ab. Was ist los? Ich dachte, es würde dich freuen, das zu hören."

"Ja schon, aber ... Es macht mich auch nervös." Ich habe schon richtig Muffensausen vor der silbernen Hochzeit. Ich tue mich immer schwer mit solchen Feierlichkeiten. Erst recht, wenn ich dort niemanden kenne. Niemanden, bis auf Meilo natürlich.

"Das musst du nicht sein. Ich bin doch bei dir und werde dir nicht von der Seite weichen."

"Na das will ich dir auch geraten haben! Deine gesamte Familie wird da sein! Wehe, du lässt mich da irgendwo einfach stehen." Meilo lacht. Kleine Wölkchen steigen empor. "Ich finde das gar nicht witzig."

"Ich schon", giggelt er und bleibt stehen. "Schau doch nicht so verbissen." Ich brumme missmutig. Seine Hand, die meine hält, drück leicht zu. "Sie werden dich lieben."

"Hoffentlich!" Nicht auszudenken, wenn die werten Schwiegereltern mich nicht leiden könnten.

"Und auch falls nicht, wäre es mir egal." Nun schleicht sich doch ein Grinsen auf mein Gesicht. Die Vorstellung, wir gegen den Rest der Welt, hat was. Aber was denke ich da? Eigentlich befinden wir uns ja schon in so einer ähnlichen Situation, und sie ist nicht mal halb so romantisch, wie es sich vielleicht anhören mag.

"Wäre es dir nicht", sage ich deshalb. "Und mir auch nicht. Die Familie ist wichtig."

"Dann ist es ja gut, dass ich mir absolut sicher bin, dass meine Familie dich ebenfalls lieben wird", lacht er und zieht mich weiter.

"Aber nervös darf ich dennoch sein, oder?"

"Darfst du. Ich wette aber, dass du das nach wenigen Minuten bei meinen Eltern nicht mehr bist."

"Ich erinnere dich dran", kichere ich.

Schweigend laufen wir weiter, bleiben mal hier, mal da vor einem Schaufenster stehen, und gucken in die kleinen Lädchen. "Schon richtig weihnachtliche Stimmung", findet Meilo nach einer Weile.

"Man hat das Gefühl, Weihnachten fängt mit jedem Jahr früher an."

"Ist ja auch ein dickes Geschäft, mit dem ganzen Weihnachtsfirlefanz. ... Für die Kinder ist es trotzdem schön." Meilo deutet auf einen kleinen Jungen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Er steht, wie sollte es auch anders sein, vor einem Spielzeuggeschäft.

"Noch einmal jung sein", seufze ich theatralisch. "Waren das noch Zeiten."

"Wie wahr."

"Wie habt ihr Weihnachten immer verbracht?"

"Ganz normal, denke ich", antwortet Meilo schulterzuckend. "Einen Tag vor dem 24ten haben wir den Baum geschmückt, dann durfte keiner mehr in das Zimmer. Bis Heiligabend."

"So lief das bei uns auch noch, als meine Schwester noch klein war", lache ich. "Bis Nicole nicht mehr an den Weihnachtsmann glaubte und protestierte, weil sie einen Tag lang kein Fernsehen schauen konnte."

"Wie festlich", schmunzelt Meilo.

"Und wie!" Wir marschieren weiter. Durch das Thema Weihnachten, ist mir noch eine andere Frage in den Sinn gekommen. "Was machst du eigentlich an Weihnachten?", frage ich Meilo. "Bist du zuhause?"

"Nein. Dieses Jahr nicht."

"Oh. Arbeit?"

"Nicht direkt, aber es wäre zu umständlich, über die Feiertage zu meinen Eltern zu fahren."

"Wo bist du denn die Feiertage über?"

"In München." Weihnachten in München. Hört sich nicht schlecht an. "Ich bin in einer Weihnachtsshow, die zwar schon einen Tag früher aufgezeichnet wird, aber am 24ten muss ich morgens noch zum Radio um Werbung dafür zu machen."

"Shit. Diese Sklaventreiber-Plattenfirma!"

"So schlimm ist es auch nicht", sagt mein Schatz. "Dafür habe ich den 25ten frei. Dann muss ich wieder bis Silvester weiterschufften, und danach ..." Er grinst breit.

"Danach bist du frei", beende ich seinen Satz.

"Oh ja. Frei und zu allen Schandtaten bereit." Mein Herz klopft schneller.

"Ich kann es gar nicht mehr abwarten", flüstere ich Meilo zu.

"Ich auch nicht ..." Ich werde in eine Seitengasse hineingezogen. Meilos Lippen sind so schnell auf meinen, dass ich kaum Zeit zum Luftholen habe, doch das ist mir egal. Ich öffne meine Mund, schon schlüpft Meilos Zunge hindurch. Ich umspiele sie mit meiner und seufze leise. Traurigerweise endet unser Kuss viel zu schnell, aber hier in dieser Gasse ist auch nicht gerade der beste Ort, um von seinem Freund vernascht zu werden. "Wir sollten lieber wieder weitergehen."

"Denke ich auch", lächle ich Meilo an.

Unser Spaziergang in der Altstadt endet in einem kleinen Café, von dem aus man auf die Donau blicken kann. Wir sitzen etwas abseits, was uns gar nicht mal so unrecht ist, und trinken Tee. Es dämmert bereits. Lichter spiegeln sich im Wasser. "Wunderschön", staune ich.

"Ja."

"Im Sommer muss es noch viel schöner sein."

Meilo lacht leise. "Du findest doch alles im Sommer viel schöner."

"Ja und? Im Sommer ist ja auch alles viel schöner."

"Nicht alles", wendet Meilo ein.

"Was denn zum Beispiel?"

"Die Stimmung. Im Winter ist alles so heimelig und kuschelig."

"Im Sommer kann man es sich auch heimelig und kuschelig machen."

"Ja, aber nicht so wie im Winter."

"Nächstes Jahr beweise ich dir das Gegenteil", schwöre ich ihm.

"Fein. Tu das. Bin schon gespannt."

"Das kannst du auch sein."

"Aber zuerst werde ich dir zeigen, dass der Winter auch seine schönen Seiten hat."

Wir schauen uns beide siegessicher in die Augen. "Wenn du es unbedingt versuchen willst ... Am Winter gibt es keine schönen Seiten."

"Jetzt sag nicht, dass der Spaziergang eben furchtbar war!", empört sich mein Liebster.

"Er war ganz okay", gebe ich zu. "Er wäre aber noch schöner gewesen, wenn es dabei warm gewesen wäre."

"Ich wusste es. In Wirklichkeit bist du total unromantisch."

"Wer? Ich?"

"Ja, du", sagt er rotzfrech.

"Bin ich nicht!"

"Finde ich schon, wenn du der Meinung bist, der Spaziergang war dir zu kalt. Ich fand ihn nämlich ziemlich erwärmend." Heimlich stiehlt sich eine Hand auf meinen Oberschenkel. "Sehr, sehr erwärmend." Gespannt schaue ich Meilo dabei zu, wie er sich langsam zu mir vorbeugt. Aber dann bricht er ab, lehnt sich seufzend wieder nach hinten gegen seinen Stuhl und schlürft an seinem Tee. Belämmert starre ich

ihn an. "Ist was?" Meilos Augen sprühen vor Schalk. Rotzfrech! Ich sag's doch!

"Nein, es ist nichts", säusle ich und tue es ihm gleich. Gelassen lehne ich mich zurück, und nippe an meinem Tee. Dabei fällt mir siedend heiß ein: "Ich soll dich von Nicole grüßen."

"Danke. Grüß sie zurück."

"Werde ich tun, wenn sie dich nicht vorher wieder telefonisch belästigt." Die zwei sind richtige Tratschweiber am Telefon. Echt schlimm!

"Das kann sie gar nicht, weil mein Handy aus ist."

"Wegen Gerd?"

"Erraten." Weise Entscheidung, mein Herr.

"Aber was ist, wenn er dafür stattdessen ins Hotel kommt?" Zutrauen würde ich es diesem Frettchen.

"Das kann er gar nicht", grinst Meilo verschwörerisch. "Er weiß nicht, wo ich bin." Da klappt mir aber jetzt der Unterkiefer nach unten.

"Du Schlitzohr!", lache ich laut.

"Tja, ein Mann muss eben tun, was ein Mann tun muss, wenn er ungestört mit seinem Mann sein möchte."

"Hört, hört", proste ich ihm mit der Teetasse zu.

"Ich habe mich sogar unter einem ganz neuen Pseudonym eingecheckt."

"Das hast du?" Meilo nickt. "Unter welchem?"

"Niclas Ittninger." Ich stutze.

"Du hast das Zimmer auf meinen Namen gebucht?"

"Schien mir am logistischen. Und auch am sichersten. Dich kennt er nicht. Jedenfalls nicht mit Namen."

"Du kluges, scharfes Ding", kichere ich.

"Dankeschön."

"Ehre, dem Ehre gebührt", kann ich nur sagen.
 

Wir bestellen uns noch je eine Tasse Tee und ein paar dieser sauleckeren Macarons. An denen könnte ich mich glatt überfressen!

"Nic?"

"Hm?" Schmatz, schmatz.

"Wie geht es deiner Schwester eigentlich?"

"Gut ... wieso?", will ich kauend von ihm wissen.

"Na wegen der Nachricht, dass ich ab nächtens Jahr aufhöre. Ist sie darüber inzwischen hinweg?" Meilo sieht besorgt aus.

"Hat sie nicht mit dir darüber geredet?"

"Nein. Es kam nie zur Sprache und ich wollte sie auch nicht fragen, weil ich sie nicht aufregen wollte." Ah ja. Wer ist jetzt der Feigling, der Angst vor Nicoles Reaktion hat? Ich weiß, ich bin gemein.

"Sie hat es hingenommen", beruhige ich ihn. "Außerdem gefallen ihr deine neuen Songs so gut, dass sie sich schon auf weitere freut." Das ich ihr versprochen habe, dass sie ganz bestimmt mal Mäuschen spielen darf, wenn Meilo musiziert, muss er nicht wissen.

"Dann hat dein Gespräch mit ihr geholfen?"

"Hat es. Aber das habe ich dir doch schon erzählt." Er nickt und lächelt mich schmal an. "Was ist los Meilo? Dir liegt doch wieder was auf der Seele." Ich stibitze mir eins der lilafarbenen Macarons und beiße rein. Heidelbeere. Lecker!

"Ich mache mir nur Sorgen um sie. Das ist alles. Am Telefon hört sie sich zwar an wie immer, aber man weiß ja nie. Du bekommst das eher mit als ich."

Leicht überrascht, aber dennoch grinsend, blicke ich Meilo an. "Du hast sie richtig lieb gewonnen, kann das sein?"

"Logisch habe ich sie lieb gewonnen. Nicole ist ein tolles Mädchen, und das sage ich nicht nur, weil sie deine Schwester ist." Mein süßer, lieber Meilo. Ist er nicht ein Herzchen?

"Nicole versteht es, dass du mit der Keith-Sache Schluss machst", sage ich zu ihm.

"Sie versteht es?"

"Ja." Wir haben uns die letzten Tage oft darüber unterhalten. Und es hat mich wirklich erstaunt, dass sie schließlich so einsichtig war, und Meilos Beweggründe sogar verstanden hat.

"Dann musst du ein wahres Erklärwunder sein", staunt Meilo. "So deprimiert, wie sie war, dachte ich, sie knabbert immer noch an der Neuigkeit. Wie hast du das geschafft?" Was genau ich alles Nicole erzählt habe, weiß Meilo noch gar nicht. Ich habe ihm lediglich gesagt, dass ich mit ihr geredet habe, und dass es ihr wieder besser geht. Das hat ihn richtig erleichtert, weshalb ich nicht weiter darüber gesprochen habe. Am Telefon ist das sowieso immer schlecht. Die wenigen Minuten, die wir zum telefonieren haben, nutzen wir auch meist anders.

"Nachdem sich Nicole etwas beruhigt hatte, hat sich mich gefragt, wie das mit uns begonnen hat. Deshalb habe ich ihr alles erzählt. Unser Kennenlernen, wie ich dich auf dem Konzert erkannt habe, wie wir immer alles dafür tun, um uns so oft wie möglich zu sehen. Dann habe ich ihr auch noch gesagt, wenn du nicht mehr als Keith unterwegs bist, sieht sie dich auch öfter." Mehr oder weniger. "Das hat wohl am meisten geholfen", lache ich.

"Das glaube ich." Auch Meilo schmunzelt. "Aber schön, dass ihr euch endlich besser versteht." Kaum zu glauben, aber das stimmt. Mit jedem Tag sogar noch mehr, was mich wirklich immer noch am meisten erstaunt.

"Nicole kann richtig nett sein, wenn sie will. Das ist ganz was neues für mich."

"Ist doch schön", gluckst Meilo und mopst sich eins der rosa Macarons. "Hm. Erdbeere."

"Fast. Himbeere", verbessere ich ihn.

"Ist doch fast das Selbe."

"Wenn du meinst", grinse ich und versuche ebenfalls noch eins dieser hundsgemeinen Leckereien. Im nächsten Jahr mache ich wieder mehr Sport. Soviel steht fest.

"Darf ich dich noch was fragen?", wendet Meilo sich an mich, nachdem er das kleine runde Ding vertilgt hat.

"Was denn?"

"War das heute Mittag eigentlich ernst gemeint? Mit den Fotos aus allen Winkeln?" Ich muss mich einen Moment lang sammeln.

"Wie kommst du denn von meiner Schwester zu dem, was wir heute Mittag miteinander gemacht haben?", will ich von ihm wissen, aber er zuckt bloß mit den Schultern. Gut, dann anders. "Würdest du es tun, wenn ich jetzt ja sage?" Ich kann nur schwer meine auferlegte, ernste Miene aufrechterhalten.

"Antwortest du immer mit einer Gegenfrage?"

"Nein. Du?" Okay, jetzt muss ich doch wieder grinsen. "Nein, war es nicht", beruhige ich Meilo. "Es kam mir nur in den Sinn, als ich vor dir gekniet habe. Vergiss es." Ich winke ab.

"Es kam dir in den Sinn. So so ..." Seine Mundwinkel zucken nach oben.

"Was?" Sein Blick brennt sich in mich, während er sich über die Unterlippe leckt. "Was denn?" Oh, ich ahne, was in seinem Köpfchen vor sich geht. "Sag schon", fordere ich ihn auf und lehne mich auf den Tisch. "Sag's."

Meilo tut es mir gleich, ehnt sich ebenfalls vor, fischt sich jedoch tonlos ein braunes Makaron, beißt hinein und kaut genießend. Gott sieht das lecker aus! Damit meine ich nicht zwingend das Macaron. Meilo sieht auch verdammt lecker aus, wie er auf dem kleinen Backwerk herumkaut, wie sich seine Kiefermuskeln an- und wieder entspannen. Sein brennender Blick klebt währenddessen auf mir und immer wieder blitzt seine Zungenspitze hervor. Diese verführerisch rosafarbene Zunge, die jetzt hundert pro köstlich süß schmeckt, dank des Macarons. Ich bekomme riesigen Appetit. Appetit, auf meinen Schatz.

Als er heruntergeschluckt hat, hält er mir den angebissenen Rest vor die Nase. Da greife ich doch nur allzu gern zu. "Nic?" Weil ich den Mund voll habe, gucke ich ihn bloß fragend an. "Piep piep."

Ich verschlucke mich fast, als ich hastig schlucke. "Ober? Wir würden gerne Zahlen!" Aber flott!
 

******
 


 

Piep, piep! XD

Bestimmt nehmen die beiden Zuckerschnätzchen noch ein paar der Makarons mit. Wird sicher eine klebrige Nacht *feix*

Love bite 39 - Kulturprogramm vs. Verwöhnprogramm

Love bite 39 - Kulturprogramm vs. Verwöhnprogramm
 

"Wollen wir los?"

"Moment!" Meilo saust ins Badezimmer. Ächzend lasse ich mich aufs Bett fallen. Immer diese Konfirmandenblase! "So! Wir können", verkündet Meilo nach ein paar Minuten startklar und rauscht an mir vorbei.

"Ähm Meilo? Willst du dir keine Jacke anziehen?" Ich deute auf seinen Pullover, der zwar dick und wärmend aussieht, ihn jedoch bei dem Schneegestöber da draußen kaum richtig warmhalten wird.

"Ah ja! Fast vergessen."

Ich fange an zu lachen. "Was ist denn mit dir heute nur los? Du bist total aufgedreht." Das hat heute Morgen beim Frühstücken schon angefangen. Er konnte gar nicht ruhig sitzen bleiben und aß auch viel weniger als sonst. Nervöser Magen, war seine Ausrede gewesen, die ich ihm langsam sogar abnehme. Er ist definitiv nervös. Nervös und aufgekratzt.

"Ich freue mich nur so!", japst er und zieht den Reißverschluss seines dicken Parkas zu. Olivgrün. Das Teil steht ihm unglaublich gut. Dazu die dicken Winterstiefel und die helle Jeans. Mein Mann sieht zum Anbeißen aus! "Noch zwei wundervolle Tage nur mit dir", schnurrt er. Dabei legen sich seine Hände auf meine Wangen, dann werde ich von einem stürmischen Kuss überrumpelt. "Los! Gehen wir!"

"Oka...hey!" Meilo hat meine Hand ergriffen und zerrt mich zur Zimmertür. "Nicht so schnell", lache ich und lecke mir über die Lippen. "Wir haben doch genügend Zeit." Manchmal ist er so ein Kindskopf!

"Ich weiß, aber ich will jetzt endlich mit dir da raus!" Meilos Augen leuchten richtig. Mir wird ganz anders.

Bevor er mich durch die Tür ziehen kann, werfe ich mich gegen ihn und küsse diesmal ihn ohne Vorwarnung. "Ich liebe dich", hauche ich gegen seinen Mund. "Verdammt! Ich schwöre, ich habe noch niemals jemanden so sehr geliebt wie dich."

Meilo scheint kurz nach Fassung zu ringen, lächelt dann jedoch breit und küsst mich. "Ich liebe dich auch, Sweetheart", raunt er mir zu, dann rast er auch schon wieder los.

Sicher, dass er jetzt mit mir da raus will? Ob ich Piep piep sagen soll? Wohl besser nicht. Meilo ist gar nicht mehr zu bremsen. Wahrscheinlich würde ihm deshalb der Sinn unseres neuen Codewortes sowieso entgehen. Dabei haben wir es gestern so fleißig benutzt. Ich darf gar nicht genauer darüber nachdenken, sonst sage ich es vermutlich doch noch und bin dann enttäuscht, wenn Meilo keine Lust hat, mit mir zu piepen. 'Wenn man mir so zuhört, könnte man meinen, ich sei notgeil', überlege ich. Aber was will man machen? So oft getrennt von seinem Partner. Da ist es doch nur logisch, dass ich am liebsten gar nicht mehr aus dem Bett will, sobald ich wieder bei ihm bin.

Doch so schön es auch wäre, wieder mit Meilo zurück ins Hotelzimmer zu gehen, ich freue mich auch auf unsere Erkundungstour durch die Stadt. Wohin genau es geht, wissen wir noch nicht. Mal schauen, und wozu gibt es Internet?
 

Draußen herrscht trübes Winterwetter und immer wieder treffen uns eiskalte Windböen. Kein schöner Tag, um spazieren zu gehen. Ich ziehe die Schultern hoch und laufe dicht neben Meilo her. Den scheint der kalte Wind gar nicht zu stören. Er trabt gut gelaunt den Gehweg entlang und guckt sich die Fassaden an. "Wir könnten uns auch hier eine Wohnung suchen", sagt er plötzlich. "Was für schöne Altbauten."

Ich versuche meine tiefgefrorenen Lippen auseinander zu bekommen. "Sonst noch wünsche? Hier ist es schweinekalt!"

"Im Sommer nicht."

"Aber im Winter. Ergo will ich hier nicht leben." Punkt.

"Bei euch wird es aber auch kalt", lacht er.

"Aber nicht so! Außerdem gibt es kaum einen Winter, in dem der Schnee über längere Zeit liegen bleibt. Ideal zum Leben, sage ich dir."

"Meine kleine Frostbeule", kichert Meilo und legt den Arm um mich. "Egal wo wir später wohnen werden. Ich sorge schon dafür, dass du mir nicht erfrierst." Wie verlockend.

"Dann hast du aber viel zu tun. Du weißt, ich fange schnell an zu frieren."

"Umso besser." Piep, piep, piep, piep, piep! "Oh schau mal! Lass uns dort rein gehen!" Noch ganz gebannt von dem, was gerade in meinem Kopf vorgeht, folge ich verträumt Meilos ausgestrecktem Arm.

Der zeigt ausgerechnet auf "Eine Kirche?"

"Fast. Der Stephansdom."

Ich bleibe stehen und schaue mich um. "Sind wir bis nach Wien gelaufen?"

Meilo schüttelt grinsend sein Haupt. "Hier gibt es auch einen Stephansdom."

"Ach so." Denen sind wohl die Heiligen zum benennen ihrer Kirchen ausgegangen. "Und da willst du rein?"

"Natürlich. Wenn wir schon mal hier sind, können wir uns auch alles ansehen." Kulturprogramm mit Meilo.

"Auch wieder wahr", gebe ich nach und stiefle mit Meilo zum Dom hinüber. Ein paar Fotos schieße ich auch noch, damit meine Mutter auch etwas von unserer Reise hat (sie steht voll auf Kirchen und dergleichen), dann betreten wir auch schon das Innere.

"Nicht viel los", flüstere ich Meilo ins Ohr.

"Im Winter gibt's nicht viele Touristen. Und bis der Adventsmarkt anfängt, dauert es auch noch ein paar Tage."

"Du hast dich ja gut informiert", muss ich feststellen.

"Ich wusste nichts anderes mit mir anzufangen, bis du endlich bei mir warst."

"Das bedeutet, du hast nur im Hotelzimmer gehockt, und dich über Passau informiert?"

"Ja." Gibt's denn so was?

"Nicht mal shoppen warst du?"

"Nein. Apropos. Das müssen wir auch noch." Ich habe es geahnt!

"Wann?"

"Heute. Wann denn sonst?" Eiseskälte draußen, stickige Heizungsluft in den Geschäften. Dazu noch Tüten schleppen.

"Ich brauch 'ne Pause", seufze ich und setzte mich auf eine der Kirchenbänke. Meilo scheint einen Moment lang unentschlossen, dann rutscht er neben mich.

"Eine Pause? Wir haben doch noch gar nicht angefangen." Mach mir doch noch Mut!

"Die Kälte erschöpft mich", wispere ich äußerst leidvoll und lege meinen Kopf auf Meilos Schulter.

"Solange du dich bewegst, spürst du die Kälte doch gar nicht."

"Sagt wer?"

"Sage ich", klugscheißert mein lustiger Freund. Ich brumme mürrisch. "Okay Nic. Machen wir einen Kompromiss."

"Einen Kompromiss?"

"Genau."

"Wie sieht der aus?" Gespannt lausche ich seinem Vorschlag, während ich das Schiff der Kirche betrachte und über die hohen Säulen links und rechts staune. Ich muss gleich noch unbedingt ein paar Fotos für Mama knipsen.

"Heute Vormittag machen wir die Stadt unsicher, gehen dann irgendwo Mittagessen, und nachmittags nutzen wir das Wellnessangebot des Hotels. Sauna, Massagen, Whirlpool ..."

"Hört sich gut an", finde ich.

"Und morgen fahren wir Schiff."

"Schiff?"

"Ja. Hab 'ne Broschüre in der Hotellobby gefunden", feixt Meilo und steht auf. Da ist er wieder. Mein Broschürenkönig. "Schauen wir uns ein bisschen hier um, was meinst du?"

"Was soll man auch sonst in einem Dom tun", antworte ich ächzend und stehe mit neuem Elan auf. Ich freue mich schon total auf die versprochene Sauna! Nach dem Kulturprogramm mit Meilo kommt schwitzen mit Meilo. Einer meiner Lieblingsbeschäftigungen.
 

Gemütlich schlendern wir den Mittelgang des riesigen Bauwerks entlang. "Ist schon erstaunlich, was die damals schon alles geschafft haben", sage ich leise, während ich für meine Mutter genügend Fotos schieße, um sie bis nächstes Jahr damit beschäftigen zu können. "Wie alt der Dom wohl ist?"

"Erbaut wurde er zwischen 1221 und 1662, ist aber nach einem Brand neu aufgebaut worden. Das war zwischen 1668 und 1693."

Ich bleibe stehen. "Stand das auch in einer Broschüre?"

"Ja", antwortet Meilo unbeeindruckt.

"Und du weißt noch, was da drin gestanden hat?"

"Ich merke mir so etwas eben."

"Du Nerd!" Ist ja nicht zu fassen! Mein Schatz, das Popidol tausender sabbernder Teenager, ist ein Kulturnerd!

"Ich bin doch kein Nerd", beschwert sich Meilo.

"Bist du wohl! Kein Mensch merkt sich so was, nur, weil er es in einer Broschüre gelesen hat."

"Ich schon. Ich merke mir viele Dinge. Besonders Geschichtliche."

"Und welche wären das?"

"Früher habe ich mich sehr für die Römer interessiert, dann für die Kelten und ..."

"Merkst du dir auch mal was wichtiges?", frage ich ihn, um aufs Wesentliche zurückzukommen. Was das ist, weiß ich nicht, aber ich will mir jetzt keinen Vortrag über die Kelten anhören müssen.

"Ich merke mir nur wichtige Dinge." Ich hab's gemerkt. "Zum Beispiel, an welchem Tag wir uns kennengelernt haben."

"Das ist einfach", winke ich ab. "Es war der zwölfte Juli." Und es war auch der Tag, an dem wir das erste Mal miteinander geschlafen haben. Aber das mal nur so nebenbei bemerkt.

"Und wann haben wir uns danach wiedergesehen?"

"Ähm ..." Wann war das nochmal?

"Wann hast du mir die allererste SMS geschickt? Wann haben wir das erste mal miteinander telefoniert? Uns am Telefon heiße Worte zugeflüstert?"

"Äh ... also das war ... ähm ..." Henning lässt grüßen. Ich bringe nur Gestotter raus.

Meilo grinst siegessicher. "Die erste SMS war am 21. Juli. Telefoniert haben wir am darauffolgenden Freitag den 24ten. Unseren ersten Telefonse..." Er bricht ab, schaut sich um und räuspert sich. "Du weißt schon. Den hatten wir am 29. Juli."

Jetzt ist es an mir zu grinsen. "Ja, ich weiß schon", antworte ich. "Du weißt wirklich noch all die Daten?" Irgendwie ist das süß. Süß und leicht verdreht. Doch hauptsächlich süß.

"Wie könnte ich die jemals vergessen?", fragt er mich leise. Oh, ich liebe diesen Mann einfach! "Und weißt du noch, wann wir uns das erste mal gesagt haben, dass wir uns lieben?" So leid es mir tut, aber ich muss den Kopf schütteln. Daten sind echt nicht mein Ding.

"Das genaue Datum nicht, aber ich weiß, dass es einen Tag nach dem Konzert gewesen ist."

"Richtig. Das war am 15. August."

Meine Mundwinkel ziehen sich nach oben. "Danach hatten wir beide überall knallroten Lippenstift im Gesicht."

"Nicht nur da", raunt er mir zu und legt seine Arme um meine Taille. Meine Wangen fangen an zu glühen. Leider ist schon wieder weder die richtige Zeit, noch der richtige Ort, um sich in ausschweifenden Liebesbekundungen zu verlieren.

Das wird mir auch gleich bestätigt, denn neben uns marschiert ein Rentnerpärchen vorbei. Der Mann wirft uns tödliche Blicke zu, und murmelt was von wegen widerlich, und wie können wir es nur wagen, in seinen Bart. Meilo und mich lässt das ziemlich kalt. Wir belächeln den alten Kerl bloß, gehen dennoch ein bisschen auf Abstand. Wären wir nicht in einem Dom, täten wir das sicher nicht. Aber manchmal muss man eben auch nachge... "Sie haben die Intoleranz mit Löffeln gefressen, was?" Meilo und ich drehen uns verdutzt um. Hinter dem Rentnerehepaar steht eine junge Frau, Mitte zwanzig schätze ich. Sie steckt in dicker Winterkleidung, trägt Schal und Mütze, die ihr ziemlich tief in der Stirn hängt. Ein paar hellblonde Strähnen lugen daraus hervor. Zudem schleppt sie einen dieser großen Reiserucksäcke auf ihrem Rücken spazieren. Die Hände in die Hüften gestemmt, hat sie einen mehr als feindlichen Blick aufgesetzt. Dieser gilt ganz eindeutig dem Mann, der uns eben als widerlich bezeichnet hat. "Sie sollten sich was schämen!", weist sie den Kerl sauer zurecht. "Und so etwas Beleidigendes brabbeln sie in einer Kirche daher!" Der Rentner bekommt einen knallroten Kopf. Wahrscheinlich aus Wut und Scham gleichermaßen. Geschieht ihm recht! Er murmelt was Unverständliches, dreht sich um und geht. So ist es gut. Ich komme aus dem Grinsen gar nicht mehr raus.
 

Meilo ist es, der die junge Frau anspricht. "Das war lieb von dir, aber bei solchen Idioten lohnt das Aufregen nicht." Er zwinkert ihr zu.

"Finde ich schon. Solch einen Verbalmüll muss mal gleich im Keim ersticken", antwortet sie ihm keck und vor allem so laut, dass der Rentner das noch hört. "Wo kommen wir denn hin, wenn jeder so denkt wie dieser Vollpfosten?" Scheiße, die Kleine gefällt mir!

"Ich bin Niclas", stelle ich mich ihr einfach mal vor und strecke ihr die Hand entgegen. "Und das ist mein Schatz Meilo."

"Anne." Sie lächelt uns freundlich an. "Seid ihr Touristen?"

"Ja", sage ich leicht irritiert.

"Schade", seufzt Anne. "Na ja. Kann man nichts machen. Tschau und viel Spaß euch noch." Sie rückt ihren Rucksack zurecht, winkt uns mit den Fingern zu und wendet sich zum Ausgang des Doms. Meilo und ich schauen uns verwundert an. Was war denn das?

Ehe ich mich versehe, läuft Meilo ihr schon nach, und auch ich sehe zu, dass ich nachkomme. "Warte mal!", ruft er ihr zu, als wir den Dom verlassen haben. "Anne?"

"Ja?" Sie bleibt stehen und dreht sich zu uns. "Macht der Typ wieder Ärger?", fragt sie lachend.

"Nein." Meilo schüttelt den Kopf. Wir bleiben neben ihr stehen, nachdem wir neuen Besuchern Platz zum Eintreten gemacht haben. "Was meintest du mit schade?", will Meilo wissen. Die Antwort darauf würde mich auch brennend interessieren.

"Es ist schade, dass ihr hier nicht wohnt", meint sie unvermittelt.

Meilo lacht. "Finde ich auch, aber meiner Frostbeule hier wäre schon längst was wichtiges abgefroren, wenn dem so wäre." Hey! Ich verpasse Meilo einen Ellenbogenstubser, was Anne zum kichern bringt.

"Warum ist es schade, dass wir nicht hier wohnen", frage nun ich sie weiter aus. Meilo reibt sich indessen seinen Arm und schielt mich grummelig an.

"Ich habe noch keinen Platz zum Pennen für heute Nacht. Hätte ja sein können, dass ihr mich bei euch hättet schlafen lassen."

"Hast du kein Hotelzimmer mehr bekommen? In der Stadt müsste es doch noch welche geben", sagt Meilo.

"Bestimmt", nickt Anne. "Is nur blöd, wenn man dafür nicht genug Kohle in der Kasse hat." Sie lächelt schmal. "Ist ja auch egal. Ich finde schon einen Einheimischen der mich aufnimmt." Und wieder lässt sie uns einfach stehen und zwängt sich durch die nächste Besucherschar.

Meilo und ich scheinen uns einig zu sein, dass wir ihr zum wiederholten Male nachlaufen wollen. Zu unserem Pech ist es leider eine große asiatische Reisegruppe, durch die sie entschwunden ist, weshalb wir ihr nicht gleich nach können. Wehe, ich lande auf einem der Bilder, dass die noch während dem Betreten des Doms knipsen. Ich will ganz sicher nicht in einem japanischen Familienalbum landen.

"Mann! Das ist ja wie auf dem roten Teppich gewesen", japse ich an der frischen Luft.

"Glaube mir, auf roten Teppichen ist es noch schlimmer." War ja klar, dass Meilo Ahnung davon hat. "Siehst du sie?"

"Nein." Ich recke den Hals. "Aber wollen wir ihr überhaupt nach?"

"Ich dachte schon."

Ich seufze. "Ist ja auch egal. Sie ist weg."

"Ja. Sieht so aus."

"Wollen wir wieder rein?" Mit dem Daumen deute ich hinter mich auf den Dom.

"Nein. Da ist es mir zu voll", grinst er und nimmt meine Hand. "Wie wäre es mit einem heißen Kaffee?" Dazu sage ich ganz sicher nicht nein.
 

***
 

Nach dem mehr als wohltuenden Kaffee, ging es gleich weiter mit Meilos Kulturprogramm. Er hat mich in zwei Museen geschleift, die ich beide, na ja, sagen wir mal, eher ermüdend fand, als informativ. Ich bin ganz bestimmt kein Kulturbanause, aber mich interessiert die hohe Kunst der Glasbläserei eben nicht ganz so dolle, wie zum Beispiel versteinerte Dinosaurierknochen. Die könnte ich mir Wochenlang anschauen. Gläser allerdings habe ich auch im Küchenschrank stehen, wenngleich sie nicht so aufwendig hergestellt wurden, wie die im Glasmuseum, aber anschauen muss ich sie mir nicht unbedingt. Einige waren ganz hübsch anzusehen, das muss ich zugeben, aber das war es auch schon.

Als Meilos Museumslust gestillt war, ging es zur Shoppingtour. Ratet mal, wer wieder Tüten schleppen durfte? Zeigen alle auf mich? Gut, denn damit liegt ihr richtig. Ein paar der erstandenen Dinge gehören zwar auch mir, doch das erklärt noch lange nicht, warum ich auch Meilos Kram halten muss. Es kann nur daran liegen, weil ich diesen einkaufssüchtigen Kerl wahrhaftig liebe. Ein anderer Grund fällt mir nämlich nicht ein, weshalb ich schon wieder für ihn den Packesel spiele.

In Sachen Kleidung und Schuhe kaufen, macht Meilo jeder Frau Konkurrenz. Wäre lustig mitanzusehen, wenn nicht ich, sondern Kilian mal mit ihm auf Klamottenjagt ginge. Dazu wird es wohl niemals kommen, was auch gut so ist. Im Grunde macht es mir ja ebenfalls Spaß, mit meinem Liebling durch die Läden zu tingeln, wären da nicht die Tausend Einkaufstäschchen und Tüten, die er mir nach jedem Ladenbesuch in die Hand drückt.

Und nun, im gefühlten hundertsten Laden, passiert es wieder. "Hältst du mal?" Meilo klemmt mir den Haltegriff einer weiteren Tüte an die Hand. "Ich bezahle nur schnell." Ja, wie bei den vorigen Malen. Du bezahlst, haust ab, und ich darf zusehen, wie ich nachkomme.

"Meilo?" Als wir aus dem Geschäft sind, reißt mir der Geduldsfaden.

"Ja?"

"Entweder, du nimmst jetzt auch mal ein Paar der Tüten, oder ich werfe den Kram auf den Gehweg und laufe zurück zum Hotel." Unschuldig guckt er mich mit erhobenen Augenbrauen an, als würde ihm erst jetzt auffallen, wie beladen ich bin.

"Oh."

"Nix oh! Nimm mir mal was ab!"

"Ja! Natürlich. Das ist mir gar nicht aufgefallen." Was habe ich gesagt? "Ich trage so selten Tüten", grinst er. Das ist nicht sein Ernst!

"Wie shoppst du denn sonst immer, wenn ich nicht dabei bin? Lässt du die Tüten in den Geschäften stehen, oder was?"

"Nein. Niklas geht meist mit und nimmt mir alle ab." War ja klar! Der Knilch mal wieder!

"Der versucht sich damit bei dir einzuschleimen", erläutere ich ihm ich die unausweichliche Wahrheit.

"Tut er nicht."

"Tut er wohl! Und ich leide darunter, weil er dir solch ein Fehlverhalten antrainiert." Meilo lacht laut.

"Ich habe wirklich nicht mehr an die Tüten gedacht. Das hat nichts mit Niklas zu tun."

"Glaubst du." Ich ziehe die Nase kraus, was Meilo dazu bringt, mir einen Kuss zu spendieren. Viel besser.

"Nachher bedanke ich mich gründlich bei dir, dafür, dass du die ganze Tour über für mich still gelitten hast."

"Das will ich dir aber auch geraten haben."

Noch ein Kuss landet auf meinem Mund. "Hunger?"

"Und wie!"

"Dann gib mir mal den Rest deiner Tüten, dann führe ich dich als aller erstes zum Essen aus."

"Das nenne ich mal einen tollen Plan!"

Der nächste Italiener gehört uns. Drinnen ist es gemütlich warm und das italienische Flair, sowie die leise Musik, die erschallt, lassen einen beinahe das ekelige Wetter draußen vergessen. Wir bestellen uns etwas zu Trinken, dann brüten wir über der Speisekarte. "Sieht alles lecker aus", überlege ich.

"Du findest doch immer alles lecker", schmunzelt Meilo, der neben mir auf der Eckbank sitzt.

"Besonders dich", raune ich ihm zu und schiebe eine Hand auf seinen Schoß.

"Ich glaube, das was du willst, steht nicht auf der Karte." Und weg ist meine Hand. Hat er mir eben einen Korb gegeben? "Nicht auf dieser Karte", korrigiert er sich umgehend. "Aber ich hätte eine für dich, wo du das hier" er greift nach meiner Hand und legt sie zurück in seinen Schoß "jeder Zeit bestellen kannst."

"Gut herausgeredet", lobe ich ihn. "Dann schreib dir das schon mal auf deinen Bestellblock. Für nachher, wenn wir wieder im Hotel sind."

"Ist notiert", säuselt Meilo und wendet sich wieder der Speisekarte zu. Ich allerdings, lasse meine Hand vorerst da wo sie ist und gebe Meilo einen Vorgeschmack auf den Nachtisch. Selbstverständlich alles im legalen Bereich außerhalb der Hose.

"Nic?"

"Was denn?", frage ich leicht abwesend. Ob ich doch ein klitzekleines bisschen unter den Bund seiner Hose soll ...?

"Ist das da vorn nicht Anne?" Anne wer?, überlege ich, da fällt es mir auch schon wieder ein.

Ich schaue nach vorn zum Eingangsbereich des Italieners und tatsächlich. Anne steht am Tresen und unterhält sich mit einem der Kellner.

"Das ist sie", bestätige ich Meilos Vermutung.

"Sollen wir ihr zuwinken?" Sollen wir?

Meine Antwort erübrigt sich jedoch, denn Anne scheint Ärger mit dem Kellner zu haben. Mit wütender Miene verweist er sie hinaus aus dem Restaurant. Anne gibt so schnell allerdings nicht auf und redet auf ihn ein. Sie ist wirklich ein hartnäckiges Mädchen. "Was hat das denn wieder zu bedeuten?", wundere ich mich.

"Finden wir es heraus", meint Meilo und ruft Anne. "Anne! Hallo!" Er streckt den Arm nach oben, dann sieht sie uns.

"Jungs!", lacht sie laut. "Was für eine Überraschung!" Sie beachtet den zeternden Kellner gar nicht mehr und kommt samt Riesenrucksack auf uns zu. Ungefragt setzt sie sich einfach uns gegenüber an den Tisch, nachdem sie den Rucksack abgesetzt, und neben den Tisch zu Meilos Tüten gestellt hat. Ich ziehe schnell meine Hand aus Meilos Schritt. "Wie klein die Welt doch ist", lacht Anne und macht es sich an unserem Tisch bequem. Über ihre leicht dreiste Art kann ich wirklich nur schmunzeln. Sie wird mir immer sympathischer.

Der Kellner teilt meine Meinung ganz offensichtlich nicht. Er schielt immer noch böse zu ihr rüber und überlegt sich sehr wahrscheinlich, ob es in Ordnung ist, dass sie einfach zu uns gekommen ist, und seine Gäste 'belästigt'. "Und? Hast du inzwischen einen Platz zum Übernachten?", frage ich Anne deshalb, um sie in ein Gespräch zu verwickeln.

"Noch nicht, aber bis jetzt hatte ich immer Glück, was das betrifft. Aber ich finde schon etwas." Sehr zuversichtlich, die Gute.

"Was war eigentlich das eben mit dem Kellner?", fragt Meilo sie leise.

"Ach der! Ich hatte ihn nur gefragt, ob die Preise verhandelbar sind, da fängt der an mich anzublöken." Sie verdreht die Augen. "Unfreundlichkeit lässt grüßen."

"Willst du mit uns mitessen? Wir haben noch nicht bestellt." Eine gute Idee, wie ich finde. Hätte Meilo ihr das nicht vorgeschlagen, hätte ich es getan.

"Würde ich gern, aber der Geldgeier da hinten gibt nicht nach."

"Du bist eingeladen", winkt Meilo ab.

"Wirklich?" Meilo bejaht. "Das ist ja nett von euch!" Sie strahlt vom einen bis zum anderen Ohr, dreht sich um und ruft fröhlich den mürrischen Kellner herbei. Ich lache mich halb Tod. Die Kleine ist zum Schießen!
 

Der Kellner nimmt ihre Bestellung auf und auch wir haben uns entschieden. Es dauert nicht lange, da sitzen wir vor dampfenden Nudeln, Pizzen und einem großen Salat, den wir für uns zusammen bestellt haben. "Macht ihr zwei hier Urlaub?" Anne blickt uns wissbegierig an und beißt anschließend wie ein hungriger Wolf in ihr Pizzastück. Wieso kommt es mir nur so vor, dass sie tatsächlich halb am Verhungern ist?

"So ähnlich", erklärt ihr Meilo. "Ich arbeite viel, reise ständig. Im Moment habe ich aber für ein paar Tage frei. Nic besucht mich sozusagen."

"Ihr führt eine Fernbeziehung?"

"Tun wir."

"Shit. Das ist hart." Oh ja!

"Das hat aber bald ein Ende", frohlocke ich. "Meilo wechselt ab nächstes Jahr den Job."

"Meinen Glückwunsch. Und als was arbeitest du?" Schluck!

"Ich bin in der Musikbranche."

"Echt? Ist ja Wahnsinn! Was tust du?" Doppelschluck!

"Roadie", lügt Meilo frei heraus. "Ich helfe wo ich kann."

"Cool. Und mit wem bist du gerade auf Tour?" Anne vergisst ihre Pizza und lehnt sich neugierig über den Tisch.

"Darf ich nicht verraten", flüstert Meilo. "Ist ein streng gehütetes Geheimnis."

"Och büdde."

"Nein." Anne zieht einen Flunsch, fragt aber nicht weiter nach, sondern stürzt sich wieder auf ihre Pizza.

"Und was machst du hier? Ganz ohne Obdach?", richte ich mich an sie.

"Hm ... seht mich als eine Art Rucksacktourist", schmatzt sie. "Ich ziehe durch die Gegend und schlage mich eben so durch." Nachdenklich nippe ich an meinem Wasser. Hatte ich etwa recht mit dem ohne Obdach sein? Ist sie Heimatlos und tingelt mal hier hin, mal dort hin, um sich über die Runden zu schlagen?

"Heißt das, du lebst auf der Straße?" Meilo spricht meine Gedanken aus.

"Was? Nein!" Anne lacht schallend. "Wie kommt ihr denn darauf?"

"Ähm ... Es sah nur so aus", stottert mein Schatz.

Anne hört auf zu kauen und sieht uns nacheinander verwundert an. Dann schluckt sie und legt den Rest des Pizzastücks auf den Teller. "Das sieht wirklich so aus, oder? Ich dränge mich euch einfach beim Essen auf und frage nach einem Schlafplatz. Entschuldigt ihr zwei. Ich bezahle die Pizza."

"Was? Nein, lass nur!" Meilo schüttelt energisch den Kopf. "Du bist eingeladen."

"Ich will mich nicht aufdrängen. Ich habe Geld, nur versuche ich soviel davon zu sparen wie es irgend geht."

"Du drängst dich nicht auf", sage ich. "Aber erzähl doch mal, wie es dazu kommt, dass du durch die Gegend reist und bei Fremden schläfst." Sie macht mich richtig neugierig. Ihre dreiste, aber doch freundliche Art lässt darauf schließen, dass sie das nicht erst seit kurzem macht.

Sie zückt die Gabel und stochert im Salat herum. "Alles hat im letzten Sommer begonnen", beginnt sie zu erzählen. "Ich hatte mein Abi in der Tasche und war auf der Suche nach einem guten Job."

"Und als was?", frage ich interessiert.

"Eigentlich war mir das egal. Das Arbeitsamt wollte aber genau wissen, was mir denn so liegen täte, aber das konnte ich ihnen nicht beantworten. Tja", sie zuckt mit den Schultern und piekst eine Tomate auf "und so dachte ich, warum sich nicht erst einmal darüber klar werden, was ich überhaupt will. Ich überlegte mir, wie ich das am besten anstelle, packte mir kurzerhand den Rucksack und zog los."

"Keine schlechte Idee", sagt Meilo. "Und das tust du jetzt? Suchst du etwas, was du in Zukunft machen willst?"

"Vielleicht." Wieder ein Schulterzucken. "Ich dachte, unterwegs begegnet mir eventuell irgendwas, was mich fesselt. Doch bis jetzt fesselt mich nur eins: Das Herumreisen."

"Dann tu doch das", schlage ich vor. "Geh doch in die Reisebranche."

"Habe ich mir auch schon überlegt, aber ich weiß nicht ... Ich habe noch nicht das Gefühl, alles gesehen zu haben. Als müsste ich noch warten, bis mich was packt und nicht mehr loslässt."

"Das Gefühl kenne ich", flüstert Meilo. "Da ist so ein Ziehen in dir, und du weißt nicht, wohin es dich zieht, bis dir plötzlich der Kühler explodiert und du auf einmal merkst, dass du angekommen bist." Mein Kopf ruckt zu Meilo. Er lächelt mich an. "Guck nicht so überrascht."

"Tue ich doch gar nicht", wehre ich mich. "Es ist nur verrückt, weil ich eben fast das Selbe gedacht habe."

"Ich weiß." Sein Grinsen wird breiter. Sanft legen sich Meilos Lippen auf meine, und ich fühle mich, als wäre ich noch immer frisch verliebt. Eigentlich bin ich das ja auch. Ich verliebe mich ständig neu in diesen großartigen Kerl!

"Ihr seit so süß", seufzt Anne. "Da wird man ja neidisch." Leicht verlegen rücke ich wieder von Meilo ab und kümmere mich wieder um mein Essen.

"Hast du während deiner Reise keine Romanzen gehabt?", will Meilo von ihr wissen.

"Doch schon, aber meist hielten die nur für eine Nacht."

"Männer!", knurre ich grinsend.

"Wer sagt denn, dass es Männer waren?" Frech grinst Anne mich an.

"Oh. Sorry. Ich wusste nicht, dass du ebenfalls ..."

"Ahhhaaha!" Hä? "Reingelegt!" Boha!

"Ich glaube, ich muss mir noch mal ganz genau überlegen, ob ich dich vielleicht doch nicht mag, Fräulein", grummle ich.

"Och ... Isser immer so schnell eingeschnappt?", fragt sie meine bessere Hälfte.

"Manchmal", antwortet Meilo doch tatsächlich. "Aber meist ist er ein ganz Lieber." Er legt seinen Arm um mich und lacht mit Anne um die Wette.

"Ja, ja. Macht euch nur lustig über mich." Ich armes, drangsaliertes Geschöpf!
 

Das Mittagessen zog sich, Dank Annes unterhaltsamer Art, ziemlich in die Länge. Als wir, einen Nachtisch und drei Kaffee später, draußen in der Kälte vor dem Italiener stehen, ist es bereits fünfzehn Uhr durch. "Überleg es dir nochmal, ja?" Meilo sieht sie beschwörend an.

"Mach ich. Aber nur, wenn mir keine andere Möglichkeit bleibt."

"Ganz wie du willst. Hauptsache, du schläfst bei der Kälte nicht im Freien."

"Werde ich schon nicht. Und danke für das Essen."

"Gerne wieder", sage ich bibbernd.

"Werd's mir merken. .. Bye!"

"Tschüss!" Dahin geht sie. Bepackt mit dem riesigen Rucksack.

"Wenn sie sich bei uns meldet, wo schläft sie dann?"

"Auf deiner Betthälfte", kichert Meilo.

"Mal im Ernst", seufze ich.

"Unsere Suite ist doch groß genug. Die Couch ebenfalls." Da hat er recht.

"Glaubst du, sie meldet sich?"

"Wer weiß. Sie ist sicher auch nicht scharf drauf, im Freien zu schlafen. Warten wir es ab. Mehr als anbieten können wir es ihr nicht." Ich nicke.

Langsam machen wir uns wieder auf den Rückweg. An Meilo geschmiegt, was gar nicht so einfach ist, mit den ganzen Tüten, hänge ich meinen Gedanken nach. Anne hat erzählt, dass sie nur von ihren Ersparnissen lebt, und sich ansonsten mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält. Richtig mutig, finde ich. Wenn ich da an mich und die Zeit denke, in der ich ohne Perspektive war ... Jetzt habe ich zwar einen Job, aber meinen Traumjob habe ich noch immer nicht. Werde ich ihn überhaupt bekommen? Bis jetzt habe ich noch keine Rückmeldungen bekommen. Ein paar Absagen, aber der Großteil meiner Bewerbungen im Programmierbereich läuft noch. Erkennt den niemand das Potenzial, dass in meiner Arbeit steckt?

"Nic?"

"Hm?"

"Träumst du?"

"Was?"

"Wir sind da."

"Oh." Vor mir tut sich der Eingang des Hotels auf. "Habe ich gar nicht mitbekommen."

"Das habe ich bemerkt." Upsala. "Du warst so schweigsam. Ist irgendwas?"

"Ach, nur wegen meinem Programm. Ich habe überlegt, wie es damit weitergehen wird."

"Hetz dich nicht. Du bekommst deine Chance noch." Ich nicke. "Jetzt lass uns rein gehen, die Tüten abladen, uns Handtücher schnappen und dann ab in die Sauna. Wie klingt das?"

"Gut", lächle ich.

"Nur gut?"

"Hervorragend!" Meilo lacht und bugsiert mich durch die Tür ins Warme.

Er hat schon wieder recht. Meine Chance wird irgendwann kommen. Nur wann?
 

***
 

Ein Gutes hat der Winter, muss ich zugeben. Die Sauna ist, bis auf Meilo und mich, komplett leer. "Ich mach nochmal einen Aufguss."

"Ist gut", flüstere ich. Die Holzbank knirscht, als Meilo aufsteht. "Das kannst du aber gut."

"Das ist nicht mein erster Saunabesuch."

"Ah. Du hast es dir abgeschaut."

"So ähnlich", schmunzelt er, stellt die Kelle und den Eimer voll Wasser wieder beiseite und kommt zurück zu mir.

"Was heißt, so ähnlich?", möchte ich wissen.

"Ich habe mal in der Sauna gearbeitet."

Überrascht mustere ich ihn. "In welcher Art von Sauna?"

"In einer ganz normalen", antwortet er schmunzelnd. Man wird ja noch fragen dürfen. "Nichts Unanständiges."

"Gut", seufze ich, lehne mich zurück und schließe die Augen.

"Angst, dass ich mich früher in umtriebigen Saunas ausgetobt habe?"

"Nein, es hätte mich aber überrascht. Das ist alles." Meilo lacht leise. Ich erkenne diese Art von Lachen. Und ehe ich mich versehe, liegt Meilos Hand in meinem Schoß. "Hier?"

"Es ist keiner da."

"Das ist aber nicht gesund. Viel zu heiß."

"Und wie heiß es hier ist", raunt er mir ins Ohr, bevor sich sein Mund mein Ohrläppchen einverleibt.

Kichernd halte ich still. Es ist ja nicht so, dass es mir nicht gefallen würde, und gegen ein bisschen Gefummel habe ich auch nichts, aber ich muss an unsere Gesundheit denken. Deshalb schiebe ich Meilos Hand wieder von mir runter, als sie an meinem Oberschenkel hinab in meinen Schoß gleitet.

"Lass uns das auf nachher verschieben, wenn mein Körper nicht gerade dabei ist, all meine Flüssigkeit zu verabschieden."

"Ist das nicht genau das, was passiert, wenn wir das hier machen?", wispert er und langt mir unvermittelt wieder in den Schritt.

"Das schon", keuche ich "aber nicht bei einer Raumtemperatur von gefühlten hundert Grad!"

Die Hand verschwindet wieder. "Erst frierst du, dann ist es dir zu heiß. Niclas Ittninger? Sie sind ein seltsamer Mann."

"Das sagt der Richtige", lache ich und drehe meinen Kopf zu Meilo.

"Nur ein bisschen ... bitte." In süß-schmollen ist er einsame Spitze! Seine Augenbrauen wackeln auf und nieder, was mich noch mehr zum Lachen bringt.

"Wehe, ich kippe Ohnmächtig um und lande in dem heißen Steinhaufen da vorn", drohe ich ihm und klettere auf seinen Schoß.

"Das wird nicht passieren", schwört er mir. "Nur ein wenig knutschen und fummeln, ja?"

"Wenn du das sagst ..." Ich weiß, worin das endet. Solange es in unserem Zimmer ist, habe ich auch nichts dagegen. Nur bitte nicht hier.

"Sage ich", gluckst mein Meilolein und umarmt mich.

"Du bist feucht", stelle ich in bester Detektivmanier fest.

"Und du erst", nuschelt Meilo, weil er schon längst dabei ist, meinen Mund zu erobern.

Für viel mehr als Knutschen und uns dabei über die feuchte Haut zu streicheln, reicht unsere Kondition bald sowieso nicht mehr. Es ist anstrengend, sage ich euch! "Wollen wir raus?", frage ich Meilo. Ihm läuft der Schweiß in Strömen über die Schläfen.

"Unbedingt!", keucht er.

Ich rutsche von seinem Schoß und schnappe unsere Bademäntel, die wir lieber schon hier drinnen anziehen, denn falls draußen jemand herumspaziert, muss er ja nicht unbeding sehen, dass wir zwei nicht nur von der heißen Saunaluft angeheizt wurden. "Was hältst du von dem Whirlpool?", will Meilo wissen, als wir aus der Sauna getreten sind.

"Nur, wenn niemand da ist, denn ..." Ich lüpfe kurz meinen Bademantel. Nur zur Info: Wir sind immer noch allein.

"Falls da jemand sein sollte, schmeiße ich ihn raus", seufzt Meilo begehrlich. Das will ich aber sehen!

Leider bekomme ich das nicht zu sehen, oder vielleicht ist es auch besser so, denn der Pool samt kleineren Whirlpool ist genauso leer wie die Sauna zuvor. "Wir haben auch immer Glück", finde ich. "Immer sind wir unter uns." Bis auf das eine Mal, wo Knilchilein aufgekreuzt war. Aber der ist nicht hier. Also ...

"Das Glück der Verliebten", trällert Meilo und zerrt mich zum Whirlpool. Dort angekommen, legen wir die Bademäntel ab und gleiten ins wohltuende Nass.

"Und falls doch jemand kommt?", frage ich Meilo. "Wir haben keine Hosen dabei."

"Dann bleiben wir so lange hier drinnen, bis sie wieder weg sind."

"Und wenn Kinder dabei sind? Kinder lieben Whirlpools."

Meilo legt den Kopf schief und wischt mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Hör auf dir darüber das Hirn zu zermartern und küss mich lieber." Guter Einwand.

Ich lehne mich zu Meilo rüber und schließe die Augen. Zungenküsse im sprudelnden Wasser haben was. Unsere Zungen umtanzen sich, während ich meine Hände über Meilos Körper gleiten lasse. Da die Luft recht schnell knapp wird, wandert Meilos Mund über meinen Hals. Ich muss nicht lange raten, was er dort vor hat. Ich wühle durch sein Haar und drücke ihn fester an mich. Mit leichten Druck umspielt Meilos Daumen meine rechte Brustwarze. Ich keuche leise und lehne mich weiter zurück. Das nutzt mein Schatz und hockt sich auf meinen Schoß. "Fass mich auch an", fordert er mich auf und macht weiter damit, mir dunkle Flecken zu verpassen. Diesmal genau unterhalb meines Brustbeins. Er will also, dass ich ihn ebenfalls anfasse? Das kann er haben.

Ich visiere seine Körpermitte an. Meilo stöhnt laut, lässt von meiner Brust ab und rutscht wieder an mir hinauf. "Lass uns lieber hoch gehen", wispert er rau, und spricht damit meine Gedanken laut aus. "Ich will Dinge mit dir machen, die ich unmöglich hier mit dir machen kann."

"Und was?", frage ich ihn spaßeshalber.

"Ich will dir mein Deluxe Verwöhnprogramm verpassen."

"Dann nichts wie hoch!", antworte ich und zwänge mich unter Meilo hervor.

Wir wickeln uns in unsere Bademäntel und sehen zu, dass uns niemand auf dem Weg nach oben begegnet.

Unbehelligt in unserem Hotelzimmer angekommen, falle ich sofort auf das Bett und warte darauf, dass Meilo endlich nachkommt. "Meilo?" Wo bleibt er nur?

"Komme!"

"Jetzt schon? Und ohne mich?" Er lacht.

"Habe nur schnell nachgeschaut, ob sich Anne gemeldet hat." Das er daran noch denkt. Ich kann gerade nur an eins denken.

"Hat sie?"

"Nein."

"Dann komm endlich zu mir!" Meilo sieht mich an, als wäre er am Verhungern und ich sein Abendbrot. Ich schiebe den Bademantel auseinander. "Komm her und vernasch mich." Nicht, dass mein Liebling noch verhungert. Das wollen wir ja nicht, oder?
 

******

Love bite 40 - Kulturproleten und andere Urlaubsfreuden

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 40 - Kulturproleten und andere Urlaubsfreuden (Ohne Adult)

Zuerst: Achtung! Heute gabs wieder zwei Kapitel. Wer also das vorige noch nicht gelesen hat, einmal zurück bitte ^^
 


 

Love bite 40 - Kulturproleten und andere Urlaubsfreuden (Ohne Adult)
 

Anne hat sich gestern nicht mehr bei uns gemeldet. Demnach wird sie einen Platz zum Übernachten gefunden haben. Jedenfalls haben Meilo und ich den Rest des gestrigen Tages zu zweit im Hotelzimmer genossen, haben schön im Warmen gelegen und unser Abendessen im Bett gefuttert. Was für ein Leben! Und jetzt, am nächsten Morgen, liege ich neben meinem Liebling im kuscheligen Bett, und schaue draußen den Schneeflocken beim Fallen zu. Heute bekommt mich niemand da raus! Wieso nur habe ich das Gefühl, dass das nicht klappen wird?
 

Des Betrachten des Schnees allmählich überdrüssig, wende ich mich meinem schlafenden Meilo zu. Er liegt auf der Seite, ein Arm unter dem Kissen, der zweite angewinkelt unter seinem Kopf. Ich liege noch immer so, wie ich aufgewacht bin. In Bauchlage mit einer mehr als amtlichen Morgenlatte, die mir in eben jenen Bauch drückt.

Ich habe von Meilo geträumt. Das kommt ziemlich selten vor, erst recht, wenn wir zusammen sind. Meist träume ich nur irgendeinen Unsinn, und erinnere mich kurz nach dem Aufwachen nicht mehr dran, doch an meinen heutigen Traum, an den erinnere ich mich noch haargenau. Aus diesem Grund weiß ich auch, dass meine Erektion rein gar nichts damit zu tun hat, dass meine Blase gefüllt ist. Ist sie nämlich nicht. Nein. Mein Ständer rührt voll und ganz vom Traum her, den ich kurz vor dem Aufwachen hatte.

Es ist schon erstaunlich, nicht der Traum an sich, das war ein ganz normaler feuchter Traum, sondern die Tatsache, dass ich einfach nicht genug von Meilo bekomme. Ich bin ihm mit Haut und Haar verfallen, und es macht mich immer noch ganz sprachlos, dass solche intensiven Gefühle überhaupt möglich sind.

Ich liebe diesen Mann, meinen Mann, mehr als alles andere auf der Welt. Ich will mit ihm zusammenleben, mit ihm alt und glücklich werden. Bis ans Ende meiner Tage. Und er ist der erste Mann, mit dem ich mir das auch wahrhaftig vorstellen kann.

Mit Kilian, oder den anderen Männern, mit denen ich vorher zusammen gewesen bin, dachte ich gar nicht wirklich darüber nach. Klar, irgendwie glaubte ich schon, dass wir zusammenbleiben werden, aber die ganze Tragweite dessen war mir nie wirklich bewusst gewesen. Noch nie hatte ich diese Zukunft so klar vor Augen, wie mit Meilo. Ich liebe ihn so sehr …
 

*
 

"Spinner", grinse ich.

"Hm? Nicht kuscheln?"

"Doch", erwidere ich und blicke ihn müde an. Sanft streichle ich mit dem Daumen über seinen Oberarm. "Ich hätte nicht gedacht, dass du einen so ausgeprägten Spieltrieb hast", kläre ich ihm auf und kicke das Ei aus dem Bett. Das Ding lag höchst ungünstig zwischen meinen Beinen.

"Dir hat es doch gefallen", sagt Meilo und sieht dabei aus, wie ein kleiner Lausbub, der etwas ausgefressen hat, was ihm aber ganz und gar nicht leid tut.

"Schon", antworte ich gedehnt. "Es war nicht schlecht."

"Was? Es war nur, nicht schlecht?" Meilo setzt sich auf und guckt mit ernster Miene zu mir hinab.

Ich fange an zu lachen. Er sieht echt zu putzig aus, wie er da vor mir hockt und mich mit seinem verstrubbelten Haaren, die ihm in alle Richtungen abstehen, versucht grimmig anzuschauen. Verspielt tripple ich mit meinen Fingerspitzen über seine Brust hinweg. "Es war der Wahnsinn", beruhige ich ihn. "Wirklich."

"Hn ... Gut." Scheinbar immer noch beleidigt legt er sich wieder zu mir. Meine Finger müssen sich einen anderen Platz zum Trippeln suchen. Sein Arm, den er mir soeben über die Brust schiebt, kommt ihnen da gerade gelegen.

"Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen?", möchte ich von ihm wissen.

"Nur so", gähnt Meilo.

"Sag schon. Hattest du das geplant?" Er schüttelt den Kopf. "Wirklich? Nicht, dass du findest, dass unser Sexleben langsam einschläft ..." Natürlich tut es das nicht. Nicht von meiner Warte aus, aber ich will Meilolein ein wenig aus der Reserve locken und die Wahrheit hören.

"Was ist mit unserem Sexleben?", fragt er auch sogleich und richtet sich wieder auf. "Stimmt irgendwas nicht damit?"

"Alles bestens", grinse ich, weil ich augenscheinlich Erfolg habe. "Ich frage ja nur." Meilo mustert mich, findet wohl nichts, was ihm Grund dazu geben könnte, an meiner Antwort zu zweifeln, denn er legt sich gleich darauf wieder hin. "Sagst du es mir jetzt?"

"Was?"

Ich verdrehe die Augen. Manchmal ist er nach dem Sex ein bisschen schwer von Begriff. "Wie du auf die Idee dazu gekommen bist."

Meilo seufzt leise, rückt sich in eine bequemere Lage. "Die kam ganz spontan", meint er, als er wieder ruhig daliegt. "Ich wollte nur das Gleitmittel holen, fand dann aber dieses Wärmegel. Daneben langen diese Seidentücher und so kam eins zum anderen."

Ah ja. "Und wie kommt man von Gel und Tüchern zu kleinen vibrierenden Spielzeugen?"

"Du willst es jetzt aber wissen, hm?"

"Unbedingt!", lache ich. "Du weißt doch, dass ich neugierig bin."

"Und wie ich das weiß", kichert Meilo. "Na schön. Diese Vibrationseier lagen an der Kasse und aus einer Laune heraus habe ich zugegriffen. Ich dachte, das könnte ganz spaßig werden."

Mit einem Grinsen im Gesicht drehe ich mich auf die Seite, schnappte mir Meilos Kopf und küsse ihn. "Das nächste Mal nimmst du mich aber mit, wenn du Shoppen gehst. Verstanden?"

"Alles was du willst. Aber nur, wenn du wieder die Tüten trägst", murmelt er grinsend an meine Lippen, ehe wir uns wiederholt in einem tiefen, innigen Kuss wiederfinden.

Ich sag's doch. Er ist und bleibt ein kleiner Spinner. Mein Spinner ...
 

***
 

Mir schwirrt der Schädel. Ich komme mir vor, als wäre ich wieder in der Grundschule und würde von meinem Lehrer, Herr Gundermann, mit lauter lahmen Fakten gequält. Allerdings glaube ich, nicht mal er hat uns armen Schülern jemals so viele Infos auf einmal in den Denk-Apparat gehämmert. "War das nicht toll? Wie gut, dass wir doch noch hier her gekommen sind", frohlockt Herr Gunderma... äh Meilo, der sie wie Bolle freut. Ich nicke einfach mal. Nicht jeder ist so begeistert von den Römern wie mein Meilo. Ich bin einer davon. Er hingegen war vollends begeistert von dem Museum, das wir nun endlich, zum Glück!, wieder verlassen.

Insgeheim frage ich mich, ob das jetzt immer so ablaufen wird. Ich meine, wenn wir irgendwann einmal zusammen in den Urlaub fahren, schleift mich Meilo dann auch in die hiesigen Museen und will was weiß ich noch alles für kulturelle Schätze mit mir besichtigen? Ist das seine Vorstellung von 'Urlaub'? Falls ja, dann haben wir ein gewaltiges Problem, den Urlaub bedeutet für mich: Sonne, Faulenzen, gutes Essen und nochmal Faulenzen. Vorzugsweise nach gutem Sex.

Es darf ja auch mal die ein oder andere Besichtigung darunter sein, ich meine, wenn man zum Beispiel nach Paris fährt, geht man ja auch mal zum Eiffelturm, aber man rennt doch nicht gleich danach zum Louvre und von da aus ins nächste Museum! Also ich jedenfalls nicht. Ich möchte mich danach in ein kleines französisches Café setzen, einen leckeren Café trinken und ein Baguette vernaschen. Das ist Urlaub! Ich glaube, ich muss mit Meilo mal darüber reden, nicht, dass unser erster richtiger Urlaub zur Katastrophe wird, weil mir die Füße abfallen und der Kopf vor lauter Wissen explodiert. Das könnte dann womöglich in einem unschönen Ehekrach enden.

Doch allen trüben Gedanken zum Trotz, wenigstens habe ich auch endlich mal einen Grund zur Freude: Mit Abschluss der Besichtigung des Römermuseums, ist der heutige Kulturtag vorbei. Jippie! "Meilo? Können wir uns da vorn kurz hinsetzen? Meine Füße bringen mich um."

"Ist gut." Oh danke!

Erschöpft lasse ich mich auf die kleine Bank fallen. Mir ist sogar egal, dass dort etwas Schnee drauf liegt. Einfach nur sitzen und Füße ausstrecken. "So viel wie heute bin ich schon ewig nicht mehr gelaufen", jammere ich und bewege meine Fußzehen in den dicken Schuhen. Autsch!

Meilo, der sich neben mich gesetzt hat, lächelt mich vergnügt an. "Und das, obwohl ich dir heute morgen die Füße massiert habe." Die Erinnerung an den heutigen Morgen zaubert mir doch gleich ein Lächeln auf die Lippen.

"Das kannst du nachher gleich noch einmal machen, denn nach diesem Tag haben sie es bitter nötig."

"Du warst ja so tapfer!" Meilo spendiert mir einen Kuss auf die Schläfe.

"Läuft das jetzt immer so, wenn wir Urlaub machen? Du schleifst mich zu einem Kulturhighlight zum nächsten?", will ich nun endlich von ihm wissen.

"Wieso nicht?"

"Das halte ich nicht aus!", stöhne ich und kippe gegen Meilos Schulter. "Das kannst du mir nicht antun. Wo bleibt denn da der Urlaub im Urlaub?" Danach muss ich mir noch einmal Urlaub nehmen. Urlaub vom Urlaub nämlich.

"Mein armer Spatz", lacht Meilo. "Wir müssen ja nicht die ganze Zeit über durch Museen tingeln."

"Nicht?"

"Nein."

"Und warum tun wir das hier?"

"Weil hier im Winter tote Hose ist", sagt er, womit er recht hat.

Ich richte mich wieder auf und schaue ihn triumphierend an. "Ha! Dann gibst du zu, dass es im Sommer viel schöner wäre!"

"Äh ... So habe ich das nicht gesagt", stammelt Meilo.

"Hast du wohl!"

"Na gut. Vielleicht mach Urlaub im Sommer mehr Spaß", grummelt er. "Das ändert aber nichts daran, dass wir jetzt in dieser Stadt sind. Alleine und ohne Zeitdruck. Nur wir zwei ..."

"Nur noch heute", ergänze ich. "Morgen müssen wir wieder losfahren." Meilo legt den Kopf schief. "Ist doch so."

"Dann lass uns die Zeit nutzen." Sein Blick taucht in meinen.

"Oh ja. Lass sie uns nutzen …" Die Kälte um mich herum ist vergessen. Mir wird urplötzlich ganz wunderbar warm und in meiner Leistengegend zieht es prickelnd.

"Super!" Meilo springt auf. Ich ebenfalls, denn die Aussicht, auf Mußestunden, statt Museumsstunden, erfüllt mich mit neuer Energie. "Auf zum Touristendampfer!" Äh … Was?!
 

***
 

"Jetzt guck doch nicht so."

"Ich gucke, wie ich will."

"Das macht Spaß! Wirst schon sehen."

"Hm. Davon merke ich noch nichts. Und mal ganz nebenbei bemerkt, meine Füße werden taub." Erst schmerzen sie, jetzt erfrieren sie vor Kälte. Heute Abend fallen sie sicher abgestorben und verschrumpelt von meinen Knöcheln.

"Das Schiff legt gleich an. Noch fünf Minuten."

Ich überkreuze die Arme vor der Brust. Schifffahren! Meilo will mit mir im Winter Schifffahren! Und nun habe ich das Glück, am Anleger in einer sehr übersichtlichen Schlange an Touristen zu stehen, und mir bei der Kälte alle Glieder abzufrieren. Ich sage euch, wenn Meilo das heute Abend nicht wieder gut macht, dann ist der Teufel los!

"Bist du jetzt sauer auf mich?" Meilo-Hundewelpen-Augen tauchen vor mir auf.

"Ja", grunze ich. Diesmal wirkt sein Hündchenblick nicht.

"Wie? Wirklich?" Ach je! Jetzt guckt er so bedröbbelt-treudoof, dass ich doch nicht mehr böse auf ihn sein kann.

"Nein, bin ich nicht", gebe ich nach. "Mir ist nur kalt." Und meine Füße tun weh.

Meilo legt seinen Arm um mich und drückt mich an sich. "Das Schiff hat einen beheizten Innenbereich."

"Woher weißt du das?"

"Stand in der Broschüre." In meinem Geiste knalle ich mit meinem Kopf gegen eine der Laternenmasten. Wieso habe ich auch gefragt?

"Meilo? Darf ich dich was fragen."

"Alles, was du willst."

"Wie verbringst du deine Urlaube? Wohin fährst du? Und was tust du da?" Ich muss es wissen, denn wenn unsere Ausflüge immer so aussehen, dann Prost Mahlzeit!

"Früher waren wir oft in Italien."

"Du und deine Familie?"

"Ja." Das hört sich schon mal gut an. "Wir waren in Rom, haben uns die Stadt angesehen, das Kolosseum durchstreift, waren am Trevi-Brunnen. So was eben." Schluck. Hört sich arg nach Bildungsreise an.

"Und wenn du alleine unterwegs bist? Mir Freunden?"

"Na ja. Keith kam, und dann ..." er zuckt mit den Schultern. "Ich trat in Bars und Clubs auf. Meine Freizeit bestand darin, Jobs zu suchen. Bis ich auf Niko, Lars und die anderen traf. Mit ihnen verbrachte ich viel Zeit am See."

"Ach ja?" Das hört sich doch schon mal entspannender an.

"Ja. Zelten, grillen, schwimmen. Doch als ich den Vertrag meiner Plattenfirma unterzeichnet hatte, gab's nur noch Arbeit und eben hin und wieder Städte besichtigen." Kein Wunder. "Wie ist das bei dir?"

"Mein letzter Urlaub war die Abschlussfahrt meiner Abiklasse nach Malle", erzähle ich ihm. "In der Sonne braten, trinken und Party."

"Mehr nicht?"

"Nope." Ich schaue Meilo grinsend an. "Hört sich prollig an, was?"

"Total!" Wir brechen in schallendes Gelächter aus. Uns doch egal, dass die anderen Touris sich daran stören. "Unsere Urlaube planen wir besser im Voraus", gillert Meilo.

"Sicher ist sicher", kichere ich. "Proll-Urlaub gegen Kultur-Ausflug!"

"Ob das im Reisebüro angeboten wird?"

"Fragen wir nach! Guten Tag, einmal eine Kulturprollreise bitte." Wir haben wirklich Glück, dass endlich das Schiff einfährt, denn die anderen, die mit uns darauf warten, über den Fluss zu schippern, schielen uns immer mürrischer an.

Meilo und ich kichern immer noch, als wir bezahlt haben, und auf das schwankende Ding geklettert sind.
 

Wie versprochen ist es drinnen angenehm warm. Es gibt Bänke, allesamt Viersitzer. In der Mitte ein kleiner, rechteckiger Tisch. Wir suchen uns einen Platz ganz hinten und setzen uns ans Fenster. "Auf welchem Fluss sind wir jetzt?"

"Donau. Und dann geht's in den Inn." Wieder legt er seinen Arm um mich. Seufzend schmiege ich mich an seine Brust. "Und? Ist das nicht romantisch?", fragt er mich, als wir schon eine Weile über den Fluss geschippert sind.

"Ja, ganz okay", gebe ich zu. "Alleine wäre es aber todlangweilig."

"Ohne dich ist für mich alles langweilig geworden", sagt Meilo. Kleine Blitze schlagen in meinen Bauch ein. Ich sage nichts, sondern lehne mich dichter an meinen Süßholz raspelnden Schatz und halte seine Hand.

Ruhig schippern wir dahin. Nur vereinzelt hört man die anderen Fahrgäste miteinander reden und die Motoren brummen leise, aber sonst ist es relativ still. Der perfekte Abschluss eines vollgepackten Vormittages. Apropos Vormittag, oder vielmehr Mittag: "Gehen wir nach der Schiffsfahrt irgendwo essen? Mein Magen knurrt."

"Nö", sagt Meilo, was mich dazu bringt, ihn schief anzuschauen.

"Wie, nö?"

"Schau mal." Er zeigt vor uns. "Hier kann man sich was bestellen." Wie praktisch!

Viel Auswahl gib es nicht, doch wir werden beide fündig. Als man uns zwei Kaffee und zwei dick belegte Sandwichs serviert, kann ich es gar nicht erwarten, in selbiges zu beißen. "Gar nicht mal so übel für ein Schiffssandwich", schmatze ich.

"Nicht wahr?" Meilo strahlt mich an. Er freut sich ganz offensichtlich, dass ich nun doch Gefallen an dem Schiffsgefahre finde. Ich stupse ihn grinsend an und beiße in mein Sandwitch. Ich glaube, so furchtbar weit gehen unsere Urlaubsvorstellungen dann doch nicht auseinander. Solange wir zusammen sind, ist alles andere egal. Ich muss nur auf Pausen bestehen, denn meinen Füßen wird es sicher egal sein, ob Meilo neben mir herläuft, während sie überbeansprucht werden. Vielleicht kann Meilo sie ja mit weiteren Massagen bestechen. Ein Versuch ist es wert, finde ich.
 

Die Fahrt dauert eine ganze Weile. Wieder knipse ich Fotos, werde dabei aber immer wieder von Meilo abgelenkt, der versucht, mit auf die Bilder zu kommen. Da ich am Fenster sitze, könnt ihr euch eventuell vorstellen, wie er sich dafür verrenken, und mich dabei gegen den Sitz drücken muss. Am Ende habe ich mehr verwackelte Fotos, als scharfe. Viele mit einem halben, verwackelten Gesicht geschmückt.

"Die kann ich meiner Mutter jetzt gar nicht zeigen", schmolle ich, als wir wieder am Anleger sind, und über die Rampe aufs Festland übersiedeln.

"Wieso nicht? Sind doch hübsch geworden", feixt Meilo.

"Hübsch?!" Ich halte ihm mein Handy vor die Nase. "Das sieht aus, wie eine Geistererscheinung!" Auf dem Bild ist nur Meilos Wange, sowie die halbe Mundpartie und ein halbes Auge zu sehen. Total verwischt und durch den Blitz, den er mir frecherweise angeschaltet hat, strahlend weiß.

"Stell es ins Internet oder verschicke es an einen Nachrichtensender. Damit lässt sich vielleicht Geld machen."

"Ja, wenn ich drunter schreibe, wer da zu sehen ist." Frech grinse ich ihn an.

"Das glaubt dir keiner."

"Aber eine Geisterstory schon?"

"Menschen stehen auf das Übernatürliche." Ich verdrehe die Augen. "Was?"

"Nichts", lache ich, stecke das Handy weg und schnappe mir statdessen Meilos Hand. "Lass uns am Fluss entlang zurück zum Hotel gehen. Einverstanden?" Natürlich ist er damit einverstanden.

Gemächlich schlendern wir den breiten Weg entlang und bewundern die Stadt. Im Sommer muss es hier wirklich wunderschön sein. Kein Wunder, dass Meilo meinte, sich hier niederzulassen, was für mich aus verschiedenen Gründen zwar nicht in Frage kommt, aber ich verstehe ihn.

Doch wo wir schon beim Thema Wohnung sind. "Hat sich eigentlich die Maklerin nochmal gemeldet?", möchte ich von Meilo wissen.

"Bis jetzt noch nicht." Na super.

"Für was haben wir die überhaupt, wenn die uns nichts passendes zeigt?"

Meilo lacht. "Sie hat uns doch schon einige Wohnung angeboten. Du wolltest sie ja alle nicht, oder warst dir nicht sicher."

Ich kaue mir auf der Unterlippe herum. "Das ist nur, weil du nie bei den Besichtigungen dabei sein kannst." Mit Clem ist es zwar ganz lustig, sich Wohnungen anzuschauen, aber eben nicht wirklich aufschlussreich. Ich will keine lustige Wohnungsbesichtigung, sondern eine, die auch zu einer passenden Wohnung für Meilo und mich führt.

Mein Schatz bleibt stehen und dreht mich zu sich. "Das nächste Mal versuche ich es. Versprochen."

"Das kannst du doch gar nicht", antworte ich. Das ist nicht böse gemeint, und das weiß er auch, aber nervig ist es schon. Ich bin mir bei jeder Wohnung unsicher, gefällt es Meilo, oder nicht? Und während ich mich das frage, vergesse ich dabei die eigentliche Frage: Gefällt es mir auch? Deshalb kann ich hinterher nie entscheiden, ob diese oder jene Wohnung in die engere Wahl fallen könnte.

"Ich werde zusehen, dass ich vor der silbernen Hochzeit meiner Eltern ein, zwei Besichtigungstermine organisiere. Das dürfte zu schaffen sein, und dann machen wir die Wohnungen gemeinsam unsicher."

"Echt? Das wäre ja klasse!" Ich freue mich so sehr über seinen Vorschlag, dass ich ihm um den Hals falle und meine Lippen auf seine lege. Er ahnt wahrscheinlich gar nicht, was es für mich bedeutet, dass er endlich mit zu einer Besichtigung geht. "Darauf freue ich mich jetzt schon", wispere ich gegen seinen Mund.

"Ich merke es", kichert Meilo. "Ich sollte mir doch überlegen, dich öfter mit einer Besichtigung zu überraschen, wenn du so reagierst."

"Überrasche mich aber besser, wenn wir unter uns sind", grinse ich und nicke zu einem älteren Ehepaar, das auf einer Bank sitzt, und uns entsetzt anstarrt.

"Man könnte glatt meinen, dass es hier nur so von homophoben Rentnern wimmelt", sagt Meilo. "Lass uns lieber weitergehen, bevor sie sich gegen uns zusammenrotten."

"Ja", antworte ich gedehnt und laufe mit Meilo im Arm weiter. "Nicht, dass sie mit ihren Rollatoren und Krückstöcken zum Angriff blasen."

Wir laufen an dem Pärchen vorbei und grüßen freundlich. Sie sagen nichts, schauen bloß weg und ignorieren uns. Ich weiß nicht wieso, aber ich muss an meine Großeltern denken. Dabei waren, oder vielmehr sind, sie gar nicht solche unfreundlichen Stinkstiefel wie diese beiden da. Zwar sind die Eltern meines Vaters schon früh gestorben, so früh, dass ich ihre Gesichter nur noch von Fotos kenne, aber laut meinem Vater waren die zwei ganz tolle Menschen. Und ich glaube ihm, denn mein Großonkel, also der Bruder meines Opas, hat mich nie für das verachtet, der ich bin. Eigentlich so gut wie niemand aus meiner Familie. Außer meine Tante, doch auch sie hat mich nie direkt angegriffen, würde sie auch nie, denn dazu mag sie mich zu sehr. Wer kann mir auch schon widerstehen, hm? ;-)

Jedenfalls, um zu meiner Familie zurückzukommen, mein Großvater, also der Vater meines Vaters, ist mit dem Auto verunglückt, da war mein Vater auch noch sehr jung gewesen. Meine Großmutter starb an einem Herzinfarkt. Ich kann mich kaum noch an sie erinnern, weil ich damals erst drei Jahre alt gewesen war. Wie gesagt, ich kenne die beiden eigentlich nur noch von Fotos.

Meine Großeltern mütterlicherseits kenne ich schon besser. Mein Opa lebt zwar auch nicht mehr, aber meine Oma. Opa hatte Krebs. Lungenkrebs um genau zu sein. Es war furchtbar gewesen, und ich will auch gar nicht viel darüber sagen. Nur, dass es eine schlimme Zeit gewesen ist, mit sehr, sehr schlechten Tagen, guten Tagen, dann kamen allerdings wieder die Schlechten, bis diese überwogen und mein Opa nicht mehr konnte.

Meine Oma hat das alles ziemlich mitgenommen. Ist ja auch verständlich. Inzwischen geht es ihr wieder ganz gut, von ein paar Wehwehchen mal abgesehen. Sie ist mit ihren 78 noch fit genug, um ihren kleinen Haushalt größtenteils selbst zu schmeißen, und sie hilft sogar noch ehrenamtlich in ihrer Kirche mit. Sie ist nicht unterzukriegen. Als sie erfahren hat, dass ich schwul bin, musste sie das erst einmal verdauen, aber dann hat sie mit den Schultern gezuckt und gesagt, wenn ich so fühlen würde, dann sei es eben so. Dafür bewundere ich sie wirklich.
 

"Kannst du mir mal verraten, über was du gerade grübelst?", holt mich Meilo ins hier und jetzt zurück.

"Ach", winke ich ab. "Ich dachte nur an meine Oma."

"Wegen den beiden da hinten?" Meilo nickt hinter sich.

"Ja."

"Hm."

"Was hm?"

"Na ja. Ich frage mich, wie du darauf jetzt kommst. Deine Oma ist tausendmal netter als diese zwei grimmigen Gesellen."

"Das stimmt", schmunzle ich. "Ich dachte auch nur, wie souverän sie reagiert hat, als meine Mutter ihr erzählte, dass ich auf Kerle stehe."

"Sie ist eine klasse Frau."

"Das ist sie", grinse ich. "Und wie war das bei dir? Von deinen Großeltern hast du mir nie was erzählt."

"Das ist auch kein Wunder. Ich habe schon lange keine Großeltern mehr." Oh Shit! Bin ich in ein Fettnäpfchen getreten?

"Das tut mir leid", flüstere ich und streichle mit dem Daumen über seinen Handrücken.

"Das muss es nicht. Ich kannte sie gar nicht. Bis auf den Vater meiner Mutter, aber vor dem hatte ich als Junge immer Angst." Ich mache große Augen. Wie kann man von seinem Opa Angst haben? Na gut, wenn ich recht überlege, kann man das schon, aber ich kann es mir schlecht vorstellen. "Bevor du fragst, er lebte in einem riesigen Anwesen und ich dachte, er so ein komischer, finsterer Burgherr."

"Was?!" Ich kann es nicht verhindern, dass ich anfange zu lachen. "Wirklich? Ein Burgherr?"

"Das war er auch irgendwie." Ich lach mich schlapp! Allein die Vorstellung, klein Meilo in einer riesigen, finsteren Burg, und sein Opa hockt in einem alten Holzthron gebieterisch vor ihm.

"Oh Mann! Sag schon! Los, erzähl!" Ich will alles wissen!

"Da gibt es nicht viel zu erzählen. Er lebte allein in der unteren Etage. Wir drei, also meine Mutter, mein Vater und ich, lebten nebenan. Ich sah ihn nicht oft, weil ich mich fürchtete dort rüber zu gehen. Ich war erst sechs Jahre alt, als er starb."

"Okay. Das reicht als Ausrede", kichere ich. "Da kann man schon mal Angst vor einem alten Mann haben." Ich kassiere einen Schulterstupser, der mich nur noch mehr zum Grinsen bringt. "Und seine Frau? Was ist mir ihr?"

"Sie kenne ich gar nicht. Sie ist ihm wohl weggelaufen. Irgendwohin ins Ausland. Da waren meine Eltern noch nicht zusammen."

"Wow. Hört sich wie eine Seifenoper an."

Meilo muss nun auch lachen. "Stimmt irgendwie. Darüber könnte jedenfalls ein tolles Drehbuch schreiben." Verrückt!

"Ist die Geschichte von deinen anderen Großeltern auch so spannend?", frage ich wissbegierig.

"Beinahe. Mein Vater kennt seine richtigen Eltern selbst nicht."

"Seine richtigen Eltern?" Das kann ja nur eins bedeuten.

"Er wurde adoptiert", bestätigt Meilo meine Vermutung.

"Oh. Das muss hart sein."

"Nicht wirklich", meint Meilo. "Nun ja, jedenfalls habe ich sie nie kennengelernt, weil sie beide bei einem Unfall verstorben sind."

"Wie furchtbar. Und die Adoptiveltern deines Vaters? Was ist mit ihnen?"

"Mit ihnen hat er keinen Kontakt mehr. Ihre Beziehung muss sehr schwierig gewesen sein. Seit er Volljährig ist, hat er sie kein einziges Mal mehr gesehen." Das ist ja … Unfassbar!

Ich bleibe stehen. Meilo stoppt kurz nach mir, dreht sich zu mir und sieht mich fragend an. "Du denkst dir das jetzt aber nicht aus, oder?"

Mein Schatz runzelt die Stirn. "Nein. Warum sollte ich?"

"Weil das krasser als jede Seifenoper ist."

Wieder ein Schulterzucken. "Thats life. Unfälle passieren, Kinder werden adoptiert und Großväter in alten Herrenhäusern werden von ihren Frauen verlassen." Mir bleibt nur, einen verwunderten Gesichtsausdruck aufzulegen, als er mich weiterzieht.

"Und wen gibt es noch in deiner Familie? Irgendwelche zickigen Großtanten? Hinterlistige Neffen, die dich töten wollen, um an dein Erbe zu kommen?"

"So schlimm ist meine Familie nun auch wieder nicht", lacht er. "Eigentlich ist meine Familie ganz normal."

"Hab's gemerkt", sage ich skeptisch.

Meilo ignoriert es, quittiert meinen Kommentar nur mit einem müden Lächeln. "Mein Vater hat noch eine Halbschwester. Sie ist meine Lieblingstante. Meine Mutter hat einen jüngeren Bruder und eine ältere Schwester. Papas Schwester ist verheiratet, hat 5 Kinder, 3 Jungs und 2 Mädchen. Mamas Bruder ist ebenfalls verheiratet, und ihre ältere Schwester ist schon drei mal geschieden, im Moment Single und ohne Kinder. Der Sohn meines Großonkels, also von dem Bruder meines furchteinflössenden Opas, den ich allerdings auch nie kennengelernt habe, plus seiner neuen Frau und dem Sohn aus erster Ehe, der nicht verheiratet ist, aber mit einem Mann zusammenlebt. Er musste mir schon immer alles nachmachen", lacht Meilo. Mir dagegen schwirrt der Kopf. Wer soll denn da mitkommen?

"Und die werden alle auf der silbernen Hochzeit sein?", frage ich panisch nach.

"Natürlich. Dazu kommen dann noch Freunde meiner Eltern, Nachbarn, frühere Kollegen und Angestellte, deren Partner und Kinder ... Es wird ein riesiges Fest!" Zum wiederholten Male bleibe ich stehen.

"Ich kann da nicht hin", hauche ich mit wild klopfenden Herzen.

Meilos Augen mustern mich teils belustigt, teils mitfühlend. "Klar kannst du das", sagt er mit einem beruhigenden Tonfall und nimmt mich in den Arm. "Sie freuen sich schon auf dich. Besonders meine Mutter, wie du weißt."

"Das macht es nur noch schlimmer!", japse ich. "Die erwarten doch bestimmt sonst was von mir!" Der Partner von Keith Kandyce muss doch ganz klar ein Superschuss sein. Natürlich weiß ich noch, dass so gut wie niemand von Meilos Verwandtschaft weiß, dass er Keith Kandyce ist, aber trotzdem könnten sie mich für nicht gut genug für ihn halten. Als wäre ich ein Nebendarsteller bei GZSZ und er der begehrteste Hauptdarsteller in Reich und Schön.

"Was die von dir erwarten ist doch vollkommen egal. Hauptsache, du erfüllst meine Erwartungen, und das tust du. Ganz und gar ..." Meilo schmust mit seiner Nase über meine, ehe er mich sanft küsst. Ich lasse mich ganz in den Kuss fallen und versuche das ungute Gefühl in mir zu verdrängen, dass die bevorstehende Feier in mir hervorruft. Es funktioniert.

Als wir uns von einander lösen und uns in die Augen blicken, erkenne ich sofort seine unkeuschen Gedanken dahinter. "Lass uns schnell zum Hotel gehen", schlage ich vor. Er widerspricht mir nicht, sondern zieht mich mit sich.
 

Noch nicht mal eine halbe Stunde später biegen wir in die Straße ein, in der unser Hotel steht. Es hat schon wieder begonnen zu schneien, und zwar so heftig, dass wir kaum etwas sehen können. Erst unter dem Vordach des Eingangs wird die Sicht klarer. "Was für ein Schneesturm!", japst Meilo. "Haben wir ein Glück, dass wir nicht noch unten am Schiffsanleger sind." Da stimme ich ihm uneingeschränkt zu. "Nichts wie rein!"

Wir klopfen unsere Kleidung notdürftig ab, und wollen gerade reingehen, als "Meilo? Nic?" Im dichten Schneegestöber sehen wir eine Person auf uns zukommen.

"Anne?", frage ich den Schemen. "Bist du das?"

"Ja! Ich bins!" Ächzend tritt sie zu uns unter das Vordach. "Mann! Was für ein Sauwetter!", schimpft sie und wischt sich über die schneebedeckten Arme. "Und kalt ist es!"

Verwundert beobachten wir sie, wie sie sich eine selbstgestrickte Mütze absetzt und ausschüttelt. "Wo kommst du denn auf einmal her?", möchte Meilo wissen.

Bevor sie antworten kann, nehme ich sie kurz in die Arme. Soviel Zeit muss sein. Dann ist Meilo an der Reihe, und danach antwortet sie ihm. "Hab auf euch in dem Café da drüben gewartet", erklärt sie und zeigt schräg hinter sich. Ich sehe weder ein Café, oder etwas, das wie eins aussieht. Ich sehe nur Schnee. Mir wird gleich noch eine Spur kälter, als mir sowieso schon ist. "Gilt euer Angebot noch? Hättet ihr ein Plätzchen für diese Nacht für mich?"

"Natürlich", sagt mein Schatz.

"Oh danke! Ihr rette mich", schnieft sie. Oh, oh. "Ich glaube, ich bekomme eine Erkältung." Als hätte ich es geahnt.

"Dann mal nichts wie rein mit dir ins Warme, Fräulein", brumme ich sie an und dirigiere sie vor uns durch die Tür.

"Ich will eich keine Umstände machen, aber ich weiß sonst niemanden, zu dem ich kann", fiepst sie heißer.

"Du machst uns keine Umstände", sagt Meilo und grüßt den Hotelangstelten an der Rezeption, der uns verlegen angrinst und dann schnell wieder wegschaut. Will ich wissen, was der denkt? Nope!

"Mit krank sein im Hotel kennen wir beide uns prima aus, nicht wahr Meilo?", plärre ich laut und lächle breit.

"Oh ja. Und wie!" Anne guckt verwirrt, doch wir schieben sie in den Aufzug. Wäre doch gelacht, wenn wir sie nicht wieder fit bekommen.
 

******
 

Nanü? Anne ist krank? Kein Wunder bei dem Wetter. Mich wundert es eher, dass Nic noch kerngesund ist, so, wie er ständig über die Kälte jammert. Müssen die Glückshormone sein. Die stärken das Immunsystem. ^^

Love bite 41 - Amors Liebespfeil die zweite, oder: *ick medi morning

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 41 - Amors Liebespfeil die zweite, oder: *ick medi morning (Ohne Adult)

Eigentlich sollte hier schon die Heimfahrt kommen, aber die beiden Holzköpfe haben mir mal wieder einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Na schön, dann fahren sie eben erst im nächsten Kapitel nach Hause. Was solls? Euch macht das sicher nichts aus xD
 


 

Love bite 41 - Amors Liebespfeil die zweite, oder: *ick medi morning (Ohne Adult)
 

"Bitte sehr."

"Oh danke. Ihr seid so lieb zu mir ... Hatschi! ... Tut mir leid", näselt Anne, die sich noch gerade rechtzeitig von uns abwenden konnte und es sogar noch geschafft hat, die Tasse Tee, die ihr Meilo gereicht hat, beim Niesen nicht noch auszukippen.

"Das muss dir nicht leid tun", sage ich zu ihr und lege die Schachtel Tabletten neben die Couch, welche noch von Meilos letzter Erkältung über sind. Was für ein Glück, dass er sie noch hat. "Willst du wirklich nicht im Bett schlafen?"

"Nein, nein. Das geht schon. Außerdem ist die Couch doch viel zu klein für euch beide." Wenn sie sich da mal nicht täuscht.

"Ich liege sowieso die ganze Nacht auf Nic", lacht Meilo auch schon und bekommt von mir einen Schlag gegen den Oberarm, was Anne zum Lachen bringt. Leider muss sie davon anfangen zu husten.

"Das hört sich nicht gut an", finde ich.

"Ach, morgen geht es mir wieder besser", winkt sie ab.

"Das sehe ich aber anders. Du hast dir da ganz schön was eingefangen." Da gebe ich Meilo recht. Sie ist total blass und ihre Nase ist leuchtend Rot. Sie sieht aus, wie ein Schneemann mit einer Radieschennase.

"Hast du für die nächsten Tage eine Bleibe?", will ich wissen.

"Vielleicht ... Hatschi! ... was ... ehh ..." Anne tupft sich die Nase mit einem Taschentuch, schnäuzt dann hinein und tupft erneut. "Mein Schädel brummt."

"Dann schlaf lieber. Und wenn was ist, komm rüber zu uns und weck uns ruhig."

"Is gut ...", krächzt sie, da fallen ihre Äugelein auch schon zu.

Ich komme nicht umhin, ihre Stirn kurz zu fühlen. Sie glüht!

Leise schleichen wir ins Schlafzimmer und schließen die Tür. "Sie kann unmöglich morgen vor die Tür, selbst wenn sie einen Übernachtungsplatz hat. Die ganze kommende Woche wahrscheinlich sollte sie nicht vor die Tür", sage ich sorgenvoll zu Meilo.

"Denke ich auch."

"Und was machen wir jetzt?"

"Sie bleibt hier, oder hast du eine andere Lösung?" Ich verneine.

"Aber geht das?"

"Das Zimmer ist noch frei. Hab schon gefragt."

"Darum geht es mir nicht. Sie hat doch kaum Geld. Wie will sie sich das Zimmer denn leisten können?"

Meilo legt den Kopf schief. "Die paar Euros habe ich auch noch über." Paar Euros?! Wieder einmal muss ich mir bewusst machen, dass ich hier vor einem gut betuchten Popsternchen stehe.

"Du willst ihr das Zimmer bezahlen?"

"Ich strecke es ihr vor", sagt er. "Sonst würde sie es wahrscheinlich auch gar nicht annehmen." Ich nicke.

"Okay. Bleibt aber noch zu klären, wer sich um sie kümmert."

"Der Zimmerservice natürlich", sagt Meilo wie selbstverständlich.

"Geht das denn überhaupt?" Wenn ich überlege, ich wäre krank, und einer der Hotelangestellten würde mich gesundpflegen ... Komische Vorstellung.

"Es muss. Aber vielleicht kennt Anne hier ja jemanden, der nach ihr sehen kann." Ich seufze, doch auch mir fällt nichts besseres ein.

"Dann lass uns wenigstens einen Arzt rufen. Der soll uns Medikamente aufschreiben, die wir ihr wenigstens noch holen."

"Ist vielleicht besser", nickt Meilo, greift nach dem Telefonhörer und spricht mit der Rezeption. "Sie schicken uns jemanden."

"Wenigstens etwas", finde ich. "Anne wird das aber weniger gefallen."

"Egal. Da muss sie jetzt durch." Meilo lächelt mich an.

"Das heißt, wenn sie sauer wird, legst du dich mit ihr an?"

"Ich werde mich opfern."

"Wie mutig von dir", raune ich Meilo zu und lege meine Arme um seine Taille. "Wenn sie dich lyncht, werde ich deinen Mut in der Trauerrede erwähnen lassen."

Lachend fährt er mir durchs Haar. "Das ist sehr nett."

"Nicht wahr?" Sanft schmuse ich mit den Lippen über Meilos. Sein Grinsen verstärkt sich, und ich kann mich nicht zurückhalten, drücke meine Lippen fester gegen seine fahre mit der Zunge über seine Unterlippe.

"Vergiss nicht, dass wir heute Nacht einen Übernachtungsgast haben", bremst Meilo die gerade in Schwung gekommene Stimmung aus.

"Meinst du, sie kann uns beim Küssen zuhören?", feixe ich.

"Wer weiß? Frauen sollen ein Supergehör haben."

"Das kann ich nicht beurteilen, obwohl meine Mutter wirklich viel aufschnappt ..." Lachend schiebt mich Meilo von sich, schnappt sich allerdings meine Hand und zieht mich zum Bett rüber. "Jetzt habe ich dich genau da, wo ich dich schon den ganzen Tag über haben wollte", schnurre ich ihm ins Ohr und lecke drüber. Meilo lächelt mich an. Mein Herz schlägt schneller. Noch immer hat er diese Wirkung auf mich. Ich kann mich ihm einfach nicht entziehen. Als ob ich das jemals wollen würde!
 

Meilos Daumen streichelt über meine Handinnenfläche. Doch das leichte Ziehen in meinem Schoß kommt nicht nur daher. Allein von Meilos Geruch werde ich schon wieder hart. Ich ziehe seine Hand in meinen Schritt. Soll er ruhig spüren, was er immer mit mir anstellt. "Mein kleiner Nimmersatt", gluckst er und reibt über den Stoff meiner Hose, was mich zum Seufzen bringt. Mehr! "Hoffentlich bekommst du niemals genug von mir."

"Niemals", schwöre ich ihm. "Und was ist mit dir? Wirst du irgendwann meiner überdrüssig?" Theatralisch hebe ich den Kopf in die Höhe und mache ein gequältes Gesicht.

"Bis jetzt noch nicht." What?! Ich muss sehr dumm und geschockt aus der Wäsche glotzen, denn Meilo fängt an zu kichern. "Oh Sweety! Wie könnte ich denn je genug von dir bekommen?", fragt er mich. Auf eine Antwort darauf darf er nicht warten. Pöh! "Och Babe. Guck nicht so. War doch nur ein Scherz." Er drückt fester gegen meinen Schritt. Ich knicke ein. Ich kann einfach nicht böse auf ihn sein.

Ich schließe die Augen und strecke den Kopf. Schnurrend schmiege ich mein Gesicht in seine Halsbeuge. Dort verteile ich postwendend hauchzarte Küsse, während ich versuche, ganz unauffällig auf seinen Schoß zu klettern. Es klappt, und als ich rittlings auf ihn sitze, schieben sich seine Hände auf meinen Hintern. Kichernd knabbere ich an seinem Ohrläppchen. Hab ich dich, mein Freund!

"Wie wäre es, wenn wir zwei uns ins Bad begeben, und uns eine schöne heiße Wanne gönnen?", frage ich ihn wispernd.

"Und Anne?"

"Ich glaube, in ihrem Zustand wäre Baden nicht das Beste." Meilo lacht und verpasst mir einen Klaps.

"Mein süßer Spinner. Ich wollte damit sagen, dass der Arzt sicher gleich kommen wird. Da können wir uns unmöglich in der Wanne miteinander vergnügen." Auch wieder wahr.

"Aber danach?", frage ich ihn mit großen Kulleraugen.

"Danach gern." Yes! "Aber jetzt rutschst du erst mal brav von meinem Schoß und lässt mich schnell auf Toilette gehen, bevor der liebe Onkel Doktor kommt." Wieso muss ich jetzt bloß an Doktorspiele mit Meilo denken?
 

Nachdem ich Meilo habe ziehen lassen, und er im Bad verschwunden ist, schlüpfe ich fix in etwas Bequemeres. Vorher ein schönes heißes Bad wäre zwar schön gewesen, aber so geht es vorerst auch. Danach packe ich einen Teil meiner Sachen in den Koffer, den ich hier nicht mehr brauchen werde. Viel ist es nicht, wohingegen sich auf Meilos Seite der Schrankes wahre Kleiderberge auftürmen. Die neu gekauften Klamotten noch nicht mitgerechnet. "Wie soll das alles ins Auto passen?", frage ich mich laut.

"Ganz einfach: Autotür auf, Koffer rein, Autotür zu", antwortet Meilo mir, der sich hinterrücks von hinten an mich angeschlichen hat.

"Wenn der ganze Kram im Auto ist, gibt es aber für mich keinen Platz mehr", gebe ich zu bedenken.

"Och Sweety, für dich mache ich schon genügend Platz."

"Beruhigend zu wissen", lache ich und wende mich von Meilos Kleidungschaos ab. "Aber wenn wir zusammenwohnen, gibt's mir im Kleiderschrank nicht so eine Unordnung, verstanden?"

"Meinst du, ich bin immer so unordentlich?" Ich zucke mit den Schultern. "Bin ich nicht", verteidigt sich mein Schatz.

"Wir werden sehen", scherze ich, was Meilo so gar nicht begeistert. Aber ich habe Glück, denn bevor er sich bei für den Spruch revanchieren kann, klopft es draußen an der Zimmertür. "Bestimmt der Arzt", überlege ich laut. Meilo nickt und stürmt aus dem Schlafzimmer. Ich behalte recht.
 

Ein älterer Mann steht kurze Zeit später vor dem Sofa, auf dem Anne liegt und tief zu schlafen scheint. "Anne?" Meilo rüttelt sie sanft. "Anne wach auf. Wir haben dir einen Doktor gerufen."

Flatternd heben sich ihre Augenlider. "Einen Doktor?" Es fällt ihr offensichtlich schwer, überhaupt etwas zu erkennen. Dann haften sich ihre Augen jedoch auf den Arzt. "Ich brauche keinen Doktor", krächzt sie.

"Ich will mir Sie nur mal ansehen. Ihre Freunde machen sich Sorgen um Sie", sagt der Arzt zu ihr und verweist uns danach des Raumes.

"Hoffentlich lässt sie ihn leben", murmelt Meilo.

"Sicher tut sie das. Sie hat doch kaum Kraft genug, um ihren Arm zu heben. Wie will sie ihn da umbringen?" Meilo wirft mir einen amüsierten Blick zu. Trotzdem sieht man ihm an, dass er sich Gedanken um Anne macht. Sie sah eben ganz furchtbar aus. Noch schlimmer als zuvor.
 

Im Schlafzimmer warten wir darauf, dass gegenüber die Tür aufgeht, und der Arzt heraus kommt. Es dauert, aber als er leise das improvisierte Krankenzimmer verlässt, stehen wir sofort vor ihm. "Und?", frage ich. "Hat sie sich was schlimmes eingefangen?" Bitte keine richtige Grippe oder gar eine Lungenentzündung!

"Nein, nein", sagt der Arzt zu unserer Erleichterung. "Lediglich eine Erkältung, aber sie braucht dringend Bettruhe."

"Dann lassen wir sie doch lieber im Bett schlafen", überlegt Meilo. Der Doktor nickt einträchtig. "Aber wie sieht es die nächsten Tage aus? Niclas und ich brechen morgen wieder auf. Würden Sie nochmal nach ihr sehen?"

"Sicher."

"Danke." Erleichtert lassen wir den Arzt wieder ziehen. Zuvor hat er uns allerdings noch ein Rezept in die Hand gedrückt. "Ich gehe das Zeug schnell holen. Bleib du hier und versuche sie zu überreden, doch das Bett zu nehmen." Schon streift er sich seine Jacke über.

"Ist gut." Bleibt aber noch eins zu klären. "Und wo schlafen wir?"

"Ich frage unten nach einer Liege oder so was. Zur Not Zelten wir einfach."

"Ha ha." Meilo lacht, verpasst mir einen Kuss und macht sich auf den Weg. "Dann wollen wir Anne mal rüber ins Schlafzimmer schleppen."

Als ich vorsichtig ins Zimmer spähe, sitzt Anne auf dem Sofa und trinkt einen Schluck Tee. "Hey du", kündige ich mich an.

"Hey." Ihr Kopf dreht sich zu mir. "Geh lieber. Ich will euch nicht anstecken."

"So schnell steckt man mich nicht an", winke ich ab. "Meilo hat mir den Auftrag erteilt, dich ins Bett zu schaffen."

"Vergiss es!", näselt sie, niest, und greift nach der Taschentuchbox. Ihr Schnäuzen hört sich so furchtbar an, dass es mir eiskalt den Rücken runter läuft. "Wenn ihr hier bleibt, steckt ihr euch unter Garantie an. Die eine Nacht auf dem Sofa überlebe ich schon. Morgen versuche ich bei Benedikt unterzukommen."

"Wer ist denn Benedikt?", frage ich sie neugierig. "Sag jetzt nicht, bei dem hast du dich angesteckt." Ich grinse dümmlich.

"Nein, habe ich nicht. Aber bei seinem Mitbewohner Thorsten ..." Ihre blassen Wangen bekommen doch tatsächlich so etwas wie Farbe.

"Ah ja! Mit einem Kranken herumgeknutscht. Kein Wunder, dass du unsere Taschentuchvorräte plünderst."

"So war das nicht!", quietscht sie und legt sich wieder hin.

"Wie war es dann?" Sagte ich schon, dass ich neugierig bin? Ich bin so vergesslich, dass ich es nicht mehr genau weiß.

Ich setze mich auf die Armlehne und komme gar nicht mehr aus dem Grinsen raus. Anne weicht meinem Blick aus. "Er hatte nur einen leichten Schnupfen. Ich ahnte ja nicht, dass er so eine Bazillenschleuder ist."

"Hat es sich wenigstens gelohnt." Ein Lächeln huscht ihr übers Gesicht. "Also ja", kommentiere ich. "War das etwas einmaliges, oder ...?"

"Denke nicht", unterbricht sie mich.

"Und wieso bist du jetzt hier, und nicht bei ihm?"

"Die beiden sind heute nicht da. Sie kommen erst morgen früh wieder. Sie sind auf irgendeiner Veranstaltung."

"Verstehe." Dann hätte sie sehr wahrscheinlich einen Schlafplatz für die nächsten Tage. Dennoch, bei dem Wetter lassen wir sie nicht gehen!

"Ich hoffe nur, ihm geht es nicht genauso mies wie mir."

"Hast du seine Nummer?" Sie nickt. "Ruf ihn an."

"Ich kann nicht."

"Wieso nicht?"

"Na weil wir miteinander geschlafen haben!"

"Das verstehe ich jetzt nicht", sage ich stirnrunzelnd.

"Ich will nicht anhänglich erscheinen." Gutes Argument. Bei Meilo ging es mir ähnlich. Sich nach einer gemeinsamen Nacht bei dem anderen zu melden, und das noch als erster, fühlt sich immer komisch an.

"Dann schicke ihm eine SMS und frage ihn, ob er auch krank ist."

"Nein", antwortet sie näselnd. Gleich muss sich bestimmt wieder niesen. "Das kann ich ge...he...he..."

"Gesundheit."

"Hatschi! ... Danke." Wieder schnäuzt sie ins Taschentuch. "Ich kann mich nicht bei ihm melden", murmelt sie erschlagen. "Mein Hirn fühlt sich an wie Matsch. Hinterher sage ich was Peinliches."

"Verstehe", wiederhole ich. "Dann schlaf noch etwas. Vielleicht geht es dir besser, wenn Meilo die Medis geholt hat." Sie nickt und schließt die Augen.

Leise schleiche ich mich aus dem Zimmer. Just in dieser Sekunde taucht Meilo wieder auf. Weiß wie ein Schneemann, stapft er auf mich zu. "Na? Es schneit wohl?", ziehe ich ihn auf.

Er legt den Kopf schief. "Wie kommst du denn da drauf? ... Hier." Mir wird eine Tüte von der Apotheke in die Hand gedrückt, damit sich Meilo aus der vollgeschneiten Jacke schälen kann. "Hast du sie ins Bett bekommen?"

"Nein, sie steht nicht auf schwule Jungs."

"Hä?" Ich fange an zu lachen. Meilo sieht zu niedlich aus, wenn er auf dem Schlauch steht.

"Sie will nicht", erkläre ich.

"Dann zwingen wir sie eben."

"Ich denke aber auch, dass es besser ist, wenn sie heute auf dem Sofa schläft." Meilo zieht die Augenbrauen zusammen. "Stell dir vor, wir schlafen da drüben und du steckst dich an. Du darfst nicht krank werden, vergessen?"

Meilo will was entgegnen, stoppt dann jedoch. "Wahrscheinlich hast du recht", gibt er nach. "Aber dann soll sie wenigstens auf der Liege schlafen. Die ist breiter und bequemer."

"Das lässt sich einrichten."

"Sie bringen heute Abend eine rauf." Meilo steigt aus seinen Schuhen. Ich beobachte ihn dabei. Der arme Kerl ist richtig durchgefroren. Da fällt mir was ein.

"Meilo?"

"Ja?"

"Ich bringe Anne schnell die Medikamente, und du kannst in der Zwischenzeit die Wanne füllen." Ich grinse meinen Schatz an. Er grinst zurück und in seinen Augen funkelt es richtig.

"Beeil dich", wispert er mir im Vorbeigehen zu, zwickt mir in den Hintern und tapst ins Schlafzimmer. Wie gut, dass diese Suite zwei Bäder hat.
 

"Anne?" Es raschelt, als ich die Tüte ausräume, und den Inhalt auf dem Tisch verteile. "Anne? Ich lege deine Medikamente hier hin ja? Wie du sie einnehmen musst, steht auf der Packung."

"Is gut", fiepst sie leise und dämmert wieder weg. Die Arme. Ich vertraue einfach mal darauf, dass sie schon alt genug ist, die Medis selbst einzunehmen. Aber wahrscheinlich ist Schlaf für sie jetzt viel Gesünder als die ganzen Medikamente. Das sagt meine Oma jedenfalls immer.

Als ich die Tüte ausgeräumt habe, und wieder gehen will, fällt mein Blick auf ihre Tasche. Aus dem Seitenfach lugt ihr Handy hervor. Mir kribbelt es in den Fingern. Also ich finde, dieser Thorsten sollte wissen, dass Anne wegen ihm krank ist. Andererseits ... Ich kenne Anne ja gar nicht. Wieso sich dann einmischen wollen?

Ich drehe mich um und vergesse die ganze Sache. Das ist Annes Sache. Und wer weiß? Vielleicht ist sie morgen wieder soweit fit, dass sie ihn selbst anruft. Ich würde es mir zumindest wünschen. Der Gedanke, sie hier allein und krank zurück zu lassen, gefällt mir nämlich ganz und gar nicht.
 

Zurück im Schlafzimmer schlurfe ich gedankenverloren ins Bad. "Da bist du ja endlich", höre ich Meilo sagen, doch der Sinn seiner Worte kommt nicht richtig bei mir an. "Willst du so in die Wanne?"

"Hn?"

"Ob du mit Klamotten in die Wanne willst." Es muss einfach einen Weg geben, dass Anne nicht allein bleiben muss. Vielleicht einen Krankenpfleger? Kann man die einfach zu sich bestellen? "Hey Nic! Hörst du mir überhaupt zu?"

"Was?" Ich schaue auf. Meilo sitzt schon in der Wanne, stelle ich fest. Das Wasser läuft noch, aber der Schaum türmt sich schon bis zu Meilos Brust. Wie einladend ...

"Mensch Nic! Was ist denn wieder? Geht es Anne schlechter?"

"Nein ..."

"Dann komm endlich zu mir." Eine Hand voll Schaum fliegt in meine Richtung. Allerdings fällt das Gebilde vor der Wanne auf den Boden. Das bringt mich zum Grinsen.

Ich bin schnell aus meiner Kleidung geschlüpft und zu Meilo in die Wanne geklettert. Seufzend lehne ich mich gegen seine Brust. "Und jetzt erzähl mal, was dich nun wieder beschäftigt", fordert er mich auf. Dabei wandern seine Hände beruhigend über meine Brust. Ist das schön ...

"Ich will Anne morgen nicht alleine lassen", erzähle ich ihm. "Es muss doch eine Möglichkeit geben."

"Ich wüsste keine", sagt Meilo leise und drückt sein Gesicht in mein Haar. "Versuch dir keine großen Gedanken darüber zu machen. Es findet sich schon eine Lösung."

"Aber welche?"

"Irgendeine", meint er, was mich ganz und gar nicht beruhigt. Doch weil ich sowieso nichts ändern kann, und mir nichts einfällt, lehne ich mich eben gegen Meilo und genieße seine Berührungen. Das warme Wasser entspannt mich allmählich, und der Schaum duftet wunderbar nach Früchten. Das alles lullt mich dermaßen ein, dass ich wegdämmere. Wie gut, dass Meilo mich hält.

Als er beginnt, meinen Hals zu küssen, und seine Hände immer tiefer gleiten, werde ich wieder wach. Das einsetzende Kitzeln in meinem Schoß lässt mir auch gar keine andere Wahl. "Meilolein? Was wird das?", brumme ich müde.

"Nichts", haucht Meilo gegen meine Wange. "Absolut nichts ..."

"Ich merke es."

"Soll ich aufhören?"

"Wehe!" Meilo gluckst leise. "Mach weiter." Ich strecke meinen Oberkörper, winkle meine Beine an und gebe einen wohligen Laut von mir. Meilos Fingerkuppen nehmen diese unausgesprochene Einladung an, und fahren mir hauchzart über die Leisten. Ich bekomme eine Gänsehaut, doch nicht nur meine Haare stellen sich auf.

In langsamen Bahnen, bewegt Meilo seine Hände über meine Beine, streichelt mich an den Innenseiten meiner Oberschenkel, dann wieder hinauf zu meinen Leisten, danach hinab zu meinem Hintern, bis er nicht mehr weiter kommt, und sich zu meinen Knien aufmacht.

Durch den Schaum kann Meilo das nicht sehen, aber ich bin mir sicher, dass er weiß, wie heiß mich seine Streicheleinheiten machen.

Ich rücke noch ein Stück höher und hebe die Arme. Weil ich in meiner Position schlecht an Meilo herankomme, begnüge ich mich mit seinem Hals und seinen Schultern, so gut ich eben dort drankomme, und versuche ihm es mit gleicher Münze zurückzuzahlen. Es bleibt lediglich bei dem Versuch, denn mal ehrlich: Wie will ich das toppen, was er mit mir macht? Eine andere Position muss her, aber als ich mich aufsetzen will, schlingt er besitzergreifend seine Arme um mich. "Bleib so", flüstert er.

"Aber ..."

"Nichts aber." Seine Lippen saugen an meinem linken Ohrläppchen, und ich vergesse jeden Einwand.
 

*
 

"Ohh ... Fuck! ... Niclas!" Grinsend hebe ich meinen Kopf. Meilos Gesicht leuchtet rot. Er sieht total fertig aus.

"Niclas? So hast du mich lange nicht mehr genannt."

"Nein?", schnauft mein Schatz.

"Nein", antworte ich.

"Schlimm?"

"Nein." Ein Lächeln huscht über sein Gesicht.

Ich strecke mich, rücke ein wenig von Meilo ab und lasse ihn los. Dabei betrachte ich mein Werk, sprich, den Knutschfleck genau neben seinem besten Stück. Bin mal gespannt, wann er ihm auffällt. Ich verrate vorerst nichts. "Jetzt hast du das Badewasser vollends eingesaut", lacht Meilo und zeigt auf mich.

Ich folge dem ausgestreckten Finger und gucke auf meine Brust. Langsam perlen die milchigen Spuren Meilos von meiner Haut ins Wasser. "Das warst du, nicht ich."

"Und ob du das warst!"

"Äh äh." Vehement schüttle ich den Kopf, während ich ans andere Ende der Wanne rutsche.

"Dohoch", gackert mein süßes Meilolein, rutscht wieder zrück in die Wanne und kommt mir nach. Der Schalk steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Ich ahne Fürchterliches.

"Wehe", hauche ich und stoße mit dem Rücken gegen die Seitenwand der Wanne. "Wage es ja nicht."

"Was soll ich nicht wagen?", fragt er mich grinsend.

"Das, was du vor hast."

"Ich habe nichts vor." Ah ja! Wer's glaubt wird selig!

"Lügner! Lass es!" Ich schlucke und schaue zu, wie Meilo die Arme unter Wasser taucht. "Meilo ... Hör auf!"

"Ich mache doch gar nichts."

"Tust du wohl! Wenn du das machst, setzt du das ganze Bad unter Wasser!"

"Glaube ich nicht."

"Ich wehre mich", verspreche ich ihm.

"Na wenn das so ist ..."

"AHHH!" Schaumiges Wasser schlägt mir ins Gesicht. Meilo lacht schallend, während ich schnaufe und mir mit den Händen über die Augen wische. "Du Arsch!", krächze ich, doch es hilft nichts. Meilo kringelt sich vor Lachen. "Menno!" Das gibt Rache!

"Nochmal?", will er frech wissen. Wasser plätschert. Der nächste Schwall trifft mich. Eben reicht es.

Ich tauche die Hände unter Wasser und hole aus. "Attacke!"

"AHHH!"

Wasser und Schaum spritzen durchs Badezimmer. Schreie, Lachen und das quietschende Geräusch, dass es macht, wenn nasse Haut über die Emaille der Wanne rutscht.

Irgendwann halten wir uns ausgepowert in den Armen, oder besser gesagt, wir halten uns gegenseitig fest, damit der andere den einen nicht wieder nassspritzen kann. "Gnade", winsle ich, obwohl Meilo angefangen hat. "Waffenstillstand?"

"Waffenstillstand", wiederholt Meilo und lässt mich los. Ich krabble aber gleich wieder zu ihm und lehne mich gegen seine Brust.

"Ich denke, eine Dusche täte uns jetzt ganz gut", schlage ich vor.

"Hört sich gut an."

"Und was machen wir damit?" Ich deute auf den Badezimmerboden. Wasserpfützen und Schaumberge, wohin das Auge reicht.

"Aufwischen."

"Och nööö!"

"Ach doch."

"Das machst du." Klarer Fall.

"Ich? Warum soll ich das alleine machen?"

"Du hast angefangen." Arme schlingen sich fest um meinen Oberkörper.

"Wir machen das zusammen, dann duschen wir, und dann bestellen wir uns noch was Leckeres zum Abendessen."

Ich seufze und kraule einen seiner Arme. "Na schön. Aber nur, wenn du mich noch einmal massierst. Als Entschädigung für deine Attacke eben."

"Abgemacht", schmunzelt Meilo, haucht mit einen Kuss auf den Kopf und lässt mich los. Etwas beleidigt schaue ich ihm dabei zu, wie er aus der Wanne steigt, mir die Hand hinhält und mich einladend anlächelt. "Komm. Beeilen wir uns."

Grinsend ergreife ich sie und lasse mich hochziehen. Aus der Wanne gestiegen, lande ich in seinen Armen. Sofort sind wir wieder im Kuschelmodus und lehnen uns aneinander. Mein Kinn wird umfasst und angehoben. Lippen legen sich auf meine. "Ich liebe dich", wispert Meilo. Anstatt zu antworten, lasse ich Taten sprechen.

Ich glaube, bis zur angekündigten Dusche dauert dann doch etwas länger als geplant ...
 

***
 

Vorsichtig stecke ich den Kopf durch den Türspalt. "Anne?" Totenstille. Die Vorhänge sind zugezogen. Nur wenig Licht fällt in den Raum. Es riecht nach abgestandener Luft, nach Tee und Krankheit. Das alles weckt unschöne Erinnerungen. Krank sein ist scheiße!

Ich wage mich dennoch in diese Brutstädte von Viren und Bakterien. Weshalb? Ich mache mir Sorgen um Anne. Gestern Abend habe ich immer mal wieder bei ihr vorbeigeschaut, doch sie hat gepennt wie ein Stein. Selbst als die Hotelangestellten die Liege aufgebaut haben, und ich die halb benommene Anne gestützt, und sie dort draufgelegt habe, war sie so gut wie nicht ansprechbar gewesen. Sie hatte eindeutig Fieber, nicht hoch genug, um Alarm zu schlagen, aber doch schon ordentlich. Das Fiebersenkende Mittel hat hoffentlich geholfen, und es geht ihr wenigstens schon ein wenig besser, als noch gestern Abend.

"Anne?" Ich beuge mich über die Liege, die vor dem Couchtisch und dem Sofa steht. Mit müden, verquollenen Augen starrt sie mich an. "Du lebst ja noch", schmunzle ich und prüfe ihre Stirn. "Und Fieber hast du auch so gut wie keins mehr."

"Hatte ich welches?", fragt sie mich heißer.

"Ja. Gestern Abend. Weißt du noch?" Sie schüttelt den Kopf. Bei ihrem Anblick bekomme ich Gewissensbisse. Wir können sie unmöglich alleine lassen! Aber wie soll das gehen? Seufzend setzte ich mich auf den Rand der Liege. "Wie fühlst du dich?"

"Wie gekaut und wieder ausgekotzt. ... Meine Augen brennen."

"Wo wohnst du eigentlich?"

"Warum willst du das ausgerechnet jetzt wissen?"

"Meilo und ich könnten dich nach Hause fahren." Das wäre das Beste für sie.

"Ich will nicht nach Hause."

"Aber du bist krank."

"Und? Ich werde auch wieder gesund."

Wieder seufze ich. "Wir müssen nachher fahren." Was machen wir nur mit ihr?

"Ja, verstehe. Ich packe meinen Kram und ..."

"Halt!" Ich drücke Anne nieder, denn dieses Aas hat doch tatsächlich Anstalten gemacht, aufzustehen. "Du bleibst hier! So lange, bis du wieder gesund bist."

"Sehr lustig", krächzt sie. "Als ob ich das könnte, wenn ihr auscheckt."

"Meilo hat nicht ausgecheckt", beichte ich ihr. "Das Hotelzimmer gehört noch eine Woche lang ihm." Ich habe ganz bewusst nicht dir gesagt. Das hätte sie erst recht nicht hören wollen, glaube ich.

Verständnislos sieht mich Anne an. Sie denkt nach, bis es ihr dämmert, was das zu bedeuten hat. "Niemals!", ruft sie, hustet dann aber und greift zur Teetasse. Ein, zwei Schlucke, dann hat ist der Hustenreiz gestillt. "Das nehme ich nicht an!"

"Doch, das wirst du", sage ich ihr im streng-väterlichen Ton. Den habe ich von meinem Vater abgeguckt. "Meilo hat gesagt, du kannst es später bei ihm abbezahlen, wenn du dich damit besser fühlst."

Sie schüttelt den Kopf. "Ich rufe Thorsten und Benedikt an! Die nehmen mich bestimmt auf."

"Und wir lassen dich so nicht in die Kälte stiefeln!" Aber halt! Thorsten anrufen fände ich gar nicht mal so übel. "Also höre auf mich, junge Dame und ruh dich aus! Ich lass dir Frühstück hochbringen, ja?" Sie nickt, doch ich sehe ihr an, dass sie gar nicht vor hat, auf mich zu hören. Ob mir mein Vater auch immer angesehen hat, wenn ich nicht auf ihn hören wollte? "Bis gleich", verabschiede ich mich von ihr und verlasse das Zimmer.

Meilo steht schon parat, ein Tablett mit Obst, Brötchen, Aufstrich und einer frischen Kanne Tee in den Händen. "Gleich", flüstere ich ihm zu und hebe meinen Zeigefinger an den Mund. Er kapiert gar nichts, sagt aber zum Glück nichts und lässt mich an der Tür lauschen. Als ich Annes Stimme höre, grinse ich siegreich. Ich hab's gewusst!

Ich warte, bis es still wird, dann klopfe ich an, nehme Meilo das Tablett aus der Hand und schwinge meinen Luxuskörper wieder in Annes Zimmer. "Zimmerservice!", trällere ich und werfe vor Meilos Nase die Tür wieder zu. Ich sollte ein Schild an die Tür hängen mit einem Foto von ihm und der Aufschrift: Wir müssen leider draußen bleiben.

Dafür muss ich mir jedes Mal, nachdem ich bei Anne war, die Hände desinfizieren. Was man nicht alles für einen Superstar tut, was?

"Iss einfach, auf was du Appetit hast."

"Ich hab Scheiße gebaut", flüstert Anne.

"Was?" Ich sage ihr natürlich nichts davon, dass ich genau weiß, was sie gebaut hat.

"Ich habe Thorsten angerufen."

"Oh. ... Du bleibst trotzdem hier!" Drohend starre ich sie an.

"Er ... er kommt hier her."

Ich stelle das Tablett auf den Tisch und setzte mich wieder an ihre Seite. "Ist er auch krank? Sollen wir hier ein Lazarett aufmachen?" Der Hotelleitung würde das sicher richtig gut gefallen.

"Nein, ihm geht es gut", sagt sie, ohne auf meinen Witz einzugehen. Ich fand ihn lustig.

"Worin liegt dann das Problem?"

Ein Zucken geht durch ihren Körper. Ängstlich sieht sie mich an. "Er darf mich nicht so sehen!" Darum geht es ihr? "Ich sehe furchtbar aus!"

Ich mustere sie. Wie ein Topmodel sieht sie gerade wirklich nicht aus. Strähniges Haar, dass ihr verstrubbelt vom Kopf absteht. Eine dicke rote Nase, bleiche Haut. Wenn ich mir vorstelle, Meilo hätte mich nach unserer ersten Nacht so gesehen, wäre ich auch durchgedreht. Allerdings weiß ich heute, dass ihm das nichts ausgemacht hätte. Auch damals nicht. Eben weil er mich schon seit Anfang an liebt. "So schlimm ist es nicht", beruhige ich sie aus diesem Grund, in der Hoffnung, dass dieser Thorsten kein Arsch ist und sie ebenfalls gern hat. Dass er hier her kommen will, spricht auf jeden Fall schon mal für ihn.

"Nicht?"

"Nein. Du siehst erkältet aus, und das ist auch in Ordnung." Ihre Äugelein sehen mich hoffnungsvoll an. "Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt", möchte ich von ihr wissen, um sie etwas abzulenken. Mit Erfolg. Sie lächelt, kaum als ich die Frage gestellt habe.

"Er hat mich einfach angesprochen", beginnt sie. "Ich stand auf dem Gehweg, war ganz vertieft in mein Handy, weil ich mir die nächste Sehenswürdigkeit heraussuchen wollte, da fragte er mich, ob er mir helfen könnte."

"Super Anmache", lache ich. "Aber sie hat augenscheinlich funktioniert."

"Hat sie", stimmt sie in mein Lachen ein. "Ich habe ja gesagt, und das ich gern mehr von der Stadt sehen würde. Da erklärte er sich dazu bereit, mich ein wenig herumzuführen. Eins kam zum anderen. Ich sagte ihm, dass ich keinen Schlafplatz habe, und da nahm er mich mit zu ihm und Benedikt. Ich dachte erst, oh nein! Die beiden sind bestimmt zusammen, aber da hatte ich mich zum Glück getäuscht." Sie zwinkert mir zu. Es ist schon erstaunlich, wie gut sie nun aussieht. Kann es sein, dass sie verknallt ist? Ich erwähne das besser nicht. "Er meinte, wenn er und Benedikt wieder hier sind, und ich keinen Platz zum Übernachten hätte, könnte ich mich bei ihm melden. So gingen wir auseinander. Und jetzt", sie seufzt "jetzt bin ich mit nicht sicher, wie er das gemeint hat. Hat er mir das nur aus Nettigkeit angeboten, oder ... Na du weißt schon."

"Oder will er, dass du ihm weiterhin das Bettchen wärmst", rate ich drauf los. Sie nickt. "Was hat er denn eben am Telefon gesagt", frage ich sie, ehe ich meine Vermutung anstelle.

"Das er sofort zu mir kommt."

"Und wie hat er dabei geklungen?"

"Hm ... weiß nicht. Besorgt, schätze ich. Aber ich kann mich auch irren!"

Ich grinse breit. "Weißt du, ich denke?"

"Was?" Sie wird ganz nervös.

"Dass er extra hier her kommt, könnte was bedeuten."

"Und was?"

"Weiß nicht." Anne stöhnt wimmernd. "Das wird sich zeigen, wenn er hier ist."

"Och Mann! Ich sterbe!"

"Das wirst du schon nicht", kichere ich.

"Doch! Sieh doch, wie ich daliege. Ich sieche dahin, während Thorsten zu mir kommt!"

"Beruhige dich. Wenn er da ist, sage ich ihm, dass du total krank bist, und dementsprechend vor dich hin vegetierst."

"Wehe", grantet sie mich an. "Ein Ton zu ihm, und ich erwürge dich!"

"Das glaube ich dir sogar", lache ich. "Keine Sorge. Ich werde nichts tun, dass deinen Thorsten vergrault." Sie gibt einen ächzenden Laut von sich. Ich stehe auf. "Iss ein wenig und dann schlaf noch ein wenig. Wenn dein Thorsten da ist, wecke ich dich, ja?"

"Ist gut. Und danke."

"Kein Ding."

"Doch. Das ist ein Ding. Ihr kümmert euch um mich und wollt mich sogar hier im Hotel bleiben lassen. Irgendwann revanchiere ich mich dafür. Darauf könnt ihr euch verlassen."

"Wir werden dich dran erinnern", grinse ich und lasse sie wieder allein.
 

Draußen im Flur steht Meilo. Die Fragezeichen stehen ihm praktisch ins Gesicht geschrieben. "Gleich", winke ich ab. "Ich muss nur schnell meine Pfoten waschen." Ich werfe ihm ein Luftkuss zu und verkrümle mich ins Bad. Meilo folgt mir. Irgendwie habe ich das geahnt. "Wir bekomme gleich Besuch", erkläre ich ihm auch sogleich. "Ein Bekannter von Anne kommt."

"Ein Bekannter? Dann ist sie nicht allein, wenn wir fahren?"

"Sehr wahrscheinlich nicht", trällere ich, trockne mir die Hände ab und drehe mich zu Meilo. "Und wenn Anne Glück hat, dann hat sie gefunden, wonach sie die ganze Zeit über gesucht hat."

"Ach?"

"Ja, ach", sage ich und nehme Meilos Mund in Beschlag.
 

Zu meiner Verwunderung, aber auch zu meiner Freude, taucht dieser Thorsten recht früh auf. Als ich ihn hineinbitte, sieht er total besorgt aus. Gutes Zeichen! "Hallo ich bin Niclas und das ist Meilo."

"Hallo. Ich bin Thorsten. Wo ist sie?" Da hat es aber jemand eilig. Ein noch besseres Zeichen!

"Gleich hier nebenan, aber ich muss dich warnen, ihr geht es gar nicht gut, auch wenn sie es nicht zugibt." Jetzt sieht er richtig ängstlich aus.

"Das gibt's doch nicht! Wie kann das denn sein? Ich habe noch nicht mal mehr einen Schnupfen, und sie liegt gleich flach? Wir haben noch Scherze darum gemacht, aber hätte ich gewusst, dass es sie so erwischt, dann hätte ich sie doch nie ... Oh Mann! Das tut mir ja so leid!" Ganz schön redselig der Gute, was? Eine richtige Plaudertasche. "Ich will jetzt zu ihr!"

"Geh nur." Ich mache ihm Platz.

So hektisch er eben noch gewirkt hat, so vorsichtig betritt er nun Annes Zimmer. Als die Tür sich geschlossen hat, will ich wieder an der Tür lauschen, doch Meilo hält mich auf. "Nicht schon wieder. Lass die beiden allein."

"Aber ..."

"Nichts aber. Lausch lieber wo anders." Sein Grinsen sagt alles.

Bereitwillig folge ich ihm ins Schlafzimmer. Wir klettern ins Bett. "Warte! Ich habe nicht abgeschlossen. Nicht, dass ..."

"Warum abschließen?", unterbricht er mich.

"Was?" Verwundert schaue ich Meilo an, dann ziehen sich jedoch meine Mundwinkel nach oben. "Meilo Haug. Du verdorbenes Ding." Ich schiebe mich auf ihn, doch was macht er? Guckt an mir vorbei, greift sich die Fernbedienung und schaltet den Fernseher an. Laut erwacht er zum Leben.

"Ist das laut genug zum Lauschen?"

"Du hinterhältiges Aas! Lockst mich mit vielsagenden Blicken ins Bett und dann das!"

Er fängt an zu lachen. "Du glaubst doch nicht, dass ich dich vernasche, während wir so viel Besuch haben, oder?"

"Wäre nicht das erste Mal, dass wir es an heiklen Orten machen", maule ich, rutsche von ihm runter und glotze in die blöde Glotze.

"Das war was anderes."

"Ach?"

"Ja, ach." Ach! "Uns hat dort niemand gekannt."

"Und was war bei Henning und Heiko? Die haben uns gekannt."

"Die sind selbst beschäftigt gewesen, wenn ich dich daran erinnern darf." Mist! Er hat schon wieder recht.

Aber wo wir grade bei Henning und Heiko sind. "Wir müssen die beiden mal wieder anrufen. Sie fehlen mir."

"Warum nicht gleich zu ihnen fahren?"

"Und wann?"

"Nächstes Jahr. Wir könnten sie Anfang nächsten Jahres mal für ein paar Tage besuchen." Keine schlechte Idee.

Aber "Hat das Hotel um diese Zeit nicht geschlossen?"

"Henning hat doch eine Klappcouch für uns", lacht Meilo. "Für uns haben die zwei immer geöffnet."

"Stimmt." Ich muss selbst lachen. "Das sind sie uns auch schuldig. Schließlich haben wir die zwei dazu gebracht, sich endlich anzunähern."

"Das warst du. Amor-Niclas."

"Aber auch nur, weil mir langweilig war, weil du nicht da warst."

"Ein gelangweilter Liebespfeil?"

"Ja. Mein Liebespfeil hatte Langeweile. Genau wie jetzt." Ich schiele zu Meilo rüber. Der hat seine Augen allerdings weiterhin auf den Fernseher gerichtet. "Langeweile", wiederhole ich.

"Dann such deinem Liebespfeil ein Pärchen zum Verkuppeln." Hm. Gar keine schlechte Idee.

"Na schön!", rufe ich und springe vom Bett.

"Äh ... Nic?"

"Bleib ruhig da und glotze ihn die Röhre. Ich spiele jetzt Amor!" Und schon bin ich durch die Tür.

"Warte mal! Nic!" Zu spät. Ich bin schon vor Annes Zimmertür und öffne sie vorsichtig. Meilo ist mir gefolgt und kommt hinter mir zum Stehen. "Lass das", zischt er leise, doch ich verjage ihn mit meinem Ellenbogen.

Ganz, ganz vorsichtig spähe ich ins Zimmer und halte die Luft an. Meine Augen müssen sich erst mal an das dämmrige Licht gewöhnen, doch was ich dann sehe, bringt mich dazu, sie ungläubig aufzureißen. Thorsten und Anne machen miteinander rum!

Meilo muss bemerkt haben, dass ich ganz perplex auf die Szenerie starre, und schiebt sich an mir vorbei, damit er auch ins Zimmer gucken kann. "Oh", macht er leise. Ich schließe die Tür schnell wieder. "Ob das gut für Annes Genesung ist?"

"Wenn nicht das, was dann?", kichere ich. "Besser als alles Wick MediNait der Welt. Sozusagen, Fick MediMorning."

Meilo verzieht den Mund und rollt mit den Augen. Dann sieht er mich verblüfft an. "Wie schafft das dein Liebespfeil eigentlich immer? Diesmal ging es ja sogar noch viel schneller als mit Henning und Heiko."

"Meinem Liebespfeil kann eben keiner widerstehen", gluckse ich. "Der hat magische Kräfte und bringt die Liebe dazu, wie verrückt in der Luft herumzuschwirren."

"Oh ja, das kenne ich. Mich zieht er auch immer wieder magisch an und lässt mich vor Liebe schwirren." Meilo zupft am Bund meiner Hose. "Was meinst du? Die zwei werden sicher noch eine Zeit lang dort drinnen beschäftigt sein und wir müssen nicht hetzen, weil wir das Zimmer nicht bis zum Mittag geräumt haben müssen. Wie wäre es, wenn ich deinem Liebespfeile eine Belohnung für seine fleißige Arbeit gebe?"

"Ach? Kein Fernsehgucken, weil soviel Besuch da ist?"

"Kein Fernsehgucken. Ich brauche mein Fick MediMorning."

Ich lache auf. "Hört sich verführerisch an", schnurre ich. "Und danach ist dein Liebespfeil dran." Meilo grinst und ergreift meine Hand. Als wir wieder im Bett landen, verstummt der Fernseher. Das wurde ja auch mal langsam Zeit!
 

******
 


 

Mann, Mann, Mann. Die zwei haben eine Ausdauer, was? Ständig nur am *piep piep*. ;-)

Love bite 42 - Road Trip

[style type="italic"]So meine Lieben. Der Trip nach Passau endet hier. Doch bevor sich die beiden vorerst wieder trennen müssen, hat Meilo noch eine kleine Überraschung für Nic parat ^^

Viel Spaß damit.[/style]
 


 

Love bite 42 - Road Trip
 

"Ich bin so froh!" Ich strahle Thorsten an. Der wirkt peinlich berührt, lächelt verschämt und weicht immer wieder meinen Blicken aus. "Das muss dir doch nicht peinlich sein!", lache ich. "Ist doch toll!"

"Ja, schon ...", murmelt er und kratzt sich am Hinterkopf. "Das kommt nur so überraschend."

"Das kenne ich", grinse ich. "Aber daran gewöhnst du dich schon."

"Bestimmt." Endlich lacht er ebenfalls. "Danke, dass wir hier bleiben können."

"Danke nicht mir, sondern Meilo. Der bezahlt die Bude hier."

"Anne zahlt ihm das zurück. Darauf besteht sie."

"Das sollen die beiden unter sich ausmachen", winke ich ab.

Hinter mir poltert es. Meilo kommt aus dem Schlafzimmer und schleppt seine Koffer mit sich. "Hab alles", schnauft er. Dann ist jetzt die Stunde des Abschieds gekommen.

"Machts gut, und pass gut auf sie auf", verabschiede ich mich von Thorsten, den ich schon besser glaube zu kennen, als ich es in Wirklichkeit tue. Vorhin haben wir uns für eine Viertelstunde miteinander unterhalten. Er ist wirklich ein netter Typ.

"Mach ich. Und euch gute Fahrt." Er winkt uns kurz zu, dann geht er zurück zu Anne, die er nach unserem Verschwinden gleich ins frisch bezogene Bett stecken will.

Ich helfe Meilo mit seinen Koffern, ich habe ja nicht viel dabei, und laufe mit ihm den Flur entlang. Von Anne haben wir uns zuvor schon verabschiedet. Meilo mit gebührenden Sicherheitsabstand, und ich konnte ihr leider nur die Hand drücken. Sie war total groggy. Kein Wunder eigentlich.

Ich muss immer noch schmunzeln, wie belämmert Thorsten ausgesehen hat, als wir uns in dem kleinen Flur der Suite plötzlich gegenübergestanden haben. Er wollte augenscheinlich das Badezimmer aufsuchen, und ich, ich wollte eigentlich nochmal heimlich an der Tür lauschen. Beide standen wir nur in Unterwäsche da.

"Äh ... hallo", stammelte Thorsten und lief rot an.

"Hallo", grinste ich ihn breit an. "Anne geht es besser?"

"Äh ... ja ... irgendwie schon."

"Das freut mich."

"Also ... ich muss mal ... also ..." Er deutete auf die Tür, die in das kleine Zweitbadezimmer führte.

"Tu das. Durst?" Er nickte schwach. "Ich hol dir eine Flasche Wasser und stelle sie dir auf das Sideboard."

"Danke ..." Und weg war er.

Natürlich ließ ich ihn nicht so einfach davonkommen. Ich holte die Wasserflasche und stellte mich neben das Sideboard. Als Thorsten wieder aus dem Bad kam, sah er mich erschrocken an. "Hat Anne dir gesagt, dass wir heute Mittag Passau verlassen?"

"Hat sie", bejahte er.

"Weißt du, normal würde ich dich jetzt in Ruhe lassen und abwarten, um einen besseren Zeitpunkt zu finden, um mit dir zu reden, aber ich habe keine Zeit, deshalb muss ich dich jetzt fragen, ob du vor hast, bei Anne zu bleiben." Ich sah ihm genau an, wie er nach einer Antwort suchte. Dass man meine Frage zweideutig sehen konnte, war mir durchaus bewusst und auch so beabsichtigt gewesen.

"Ich mag Anne", sagte er schließlich. "Sehr."

"Schön", lächelte ich.

"Wir ... wir kennen uns erst seit vorgestern aber ich habe sie gern bei mir." Der Arme. Er wusste beim besten Willen nicht, was er mir sagen wollte.

"Dann bleibst du hier bei ihr, bis es ihr wieder besser geht?", fragte ich ihn. Man konnte genau zusehen, wie ihm plötzlich ein Licht aufging.

"Ja!", japste er. "Natürlich kümmere ich mich um sie. Sie hat ja sonst niemanden hier."

"Sehr gut", grinste ich. "Das war alles was ich hören wollte. Dann kann ich ja beruhigt nach Hause fahren." Ich stieß mich von der Wand ab, klopfte Thorsten auf die Schulter und schlurfte zurück ins Schlafzimmer, wo Meilo schon auf mich wartete.

Dieser war auch froh, dass das Problem mit Anne geklärt war. "Meinst du, dieser Thorsten kümmert sich auch wirklich um sie?", harkte er dennoch nach.

"Hundert pro! Der Kleine hatte Herzchen in den Augen."

"Das hast du gesehen?", lachte Meilo.

"Logisch. Ich bin Amor, vergessen? Amor sieht sowas."

"So so ... Dann siehst du auch meine Herzchen?"

"Nicht nur die", raunte ich ihm zu, krabbelte zu ihm ins Bett und ... Es bliebt beim Kuscheln. Nicht, was ihr wieder denkt. Für andere Aktionen war auch gar keine Zeit mehr.
 

"So!" Laut knallt die Heckklappe von Meilos Wagen zu. "Siehst du? Alles untergebracht."

"Sicher?" Meilo nickt und lächelt siegessicher. "Und meine Tasche? Soll die aufs Dach, oder ...?"

"Oh." Typisch Meilo. Dem fällt jetzt erst auf, dass ich immer noch neben seiner Karre stehe und darauf warte, dass auch ich meine Tasche irgendwo darin verstauen kann. "Vielleicht geht die noch hinter den Sitz", überlegt er, öffnet die Beifahrertür und klappt den Sitz nach vorn.

Debil lächelnd lege ich den Kopf schief, und starre auf Meilos Hinterteil, als dieser sich mit dem Oberkörper ins Auto lehnt und darin seinen Kram umschichtet. Kurz umgeschaut, keiner in der Nähe. Leise schleiche ich mich von hinten an ihn ran und reibe mein Becken an seinem runden Hintern. Von drinnen kommt ein leises Schmunzeln. "Hör auf, sonst falle ich noch Kopfüber ins Auto", dröhnt seine Stimme.

"Dann falle ich dir hinterher." Der Gedanke hat was.

"Tasche her!" Meilos Hand taucht neben mir auf. Ich reiche ihm wie gewünscht mein Gepäckstück und er verstaut es unter leisem Ächzen und Fluchen. "Passt!", frohlockt mein Schatz und quetscht sich an mir vorbei. Strahlend stellt er sich vor mich. Soll ich ihn jetzt für seine Leistung loben?

"Gut gemacht", sage ich mit dunkler Stimme und tätschle seinen Kopf. "Braver Meilo."

"Ich würde zu gern wissen, was die dir heute Morgen in den Kaffee getan haben", brummt er.

"Das willst du sicher nicht wissen", gluckse ich, verpasse meinem Schatz einen dicken Schmatz und mogle mich an ihm vorbei, um einzusteigen. Galant wirft er die Tür zu, zwinkert und läuft um das Auto herum, um selbst einzusteigen.

"Wie lange fahren wir?", möchte ich wissen.

"Lange genug. Wenn wir genug haben, suchen wir uns was zum Übernachten."

"Ist gut. ... Brötchen?" Ich halte ihm ein zuvor geschmiertes Käsebrötchen vor die Nase.

"Nein danke", schmunzelt Meilo. "Bin noch satt vom Frühstück." Ich zucke mit den Schultern und beiße hinein. Selbst schuld, wenn er nix mag.
 

Gemütlich fahren wir dahin. Dank Meilos Navi finden wir schnell auf die Autobahn. Den Großteil des Rückwegs müssen wir auf der Autobahn hinter uns bringen. Geht einfach schneller, auch wenn eine schöne, entspannte Tour durchs Land uns besser gefallen hätte.

Nach einiger Zeit beginnt es wieder zu schneien. Dicke Flocken fallen vom Himmel. Meilo drosselt das Tempo. "In zwei Kilometern kommt eine Raststädte. Wenn nicht, halten wir dort, und warten, bis der Schnee nachgelassen hat", schlage ich vor.

"Geht schon", winkt Meilo ab. "Es wird nicht das letzte Mal schneien während der Fahrt, fürchte ich."

"Shit!" Falls wir Pech haben, stehen wir dadurch über kurz oder lang irgendwann im "Stau!" Warnblinker! Direkt vor uns.

Meilo geht in die Hemme und ich drücke hektisch den Warnblinker an, in der Hoffnung, das keiner hinter uns in uns hereinrasselt. Wir haben doppelt Glück. Meilo kann noch rechtzeitig bremsen und die Autos hinter uns haben auch schon die Warnblinker an und kommen zum Stehen.

"Was für ein Mist!" Meilo schlägt aufs Lenkrad. "Das hat uns noch gefehlt."

Ich tippe auf meinem Handy herum. "Von dem Stau ist noch nichts gemeldet, aber da ist eine Ausfahrt in fünf Kilometern." Ich zeige aufs Navi. "Es wäre vielleicht doch gescheiter, Landstraße zu fahren."

"Die sind aber oft nicht geräumt", gibt mein Schatz zu bedenken. "Warten wir ab. Wenn wir an der Ausfahrt ankommen, und es immer noch staut, fahren wir ab und sehen weiter."

"Guter Plan." Ich lehne mich zurück und schalte das Radio ein.

Geduldig hören wir Madonnas Like a Virgin zu. Ein Lied, dass ich gar nicht abhaben kann, aber Meilo schient's zu gefallen, er summt nämlich leise mit. Anfangs schmunzle ich noch darüber, doch als die Autos vor uns sich einfach nicht bewegen wollen, werde ich stutzig. "Das gibt's doch nicht!", meckere ich. "Wieso steht hier denn alles?"

"Da muss es gekracht haben." Ich stöhne genervt. Und als dann auch noch der Staumelder durchgibt, dass wir in einer Vollsperrung stehen, und diese voraussichtlich noch für zwei Stunden anhalten wird, sinkt meine Laune auf den Tiefpunkt. "Super!" Ich schiele auf die Tankanzeige. Wenigstens hat Meilo vollgetankt. Trotzdem schaltet er den Motor aus, nachdem er noch ein Stück weiter nach rechts gelenkt hat, um noch etwas mehr Platz für die Rettungsgasse zu machen. "Und die Heizung?"

"Wenn es zu kalt wird, schalte ich den Motor wieder an", beruhigt er mich. "Da hinten liegt deine Jacke." Er zeigt mit dem Daumen auf die Rückbank.

Ich schnalle mich ab und suche sie. Doch was ich finde, ist besser als jede Jacke. "Du hast hier eine Decke drinnen?"

"Ja. Für Notfälle. Falls ich mal im Auto pennen muss."

"Oder mit mir im dicksten Winter im Stau stehst", lache ich und zerre an der dicken Wolldecke. Sie endlich aus dem Wust aus Koffern, Tüten und Kleidungsstücken befreit, breite ich sie über uns aus.

"Jetzt noch Tee und Kecke, und ... Jetzt sag nicht, du hast Tee und Kecke dabei!" Meilo macht große Augen. Ich habe tatsächlich Tee dabei. Leider ist es Eistee und die Packung Kekse ist noch von meiner Hinfahrt übrig, aber besser als nichts.

"Kalter Tee, harte Kekse. Habe alles da", lache ich.

Lachend mopst sich mein Schatz einen Keks und knabbert daran herum. "Wenigstens verhungern wir nicht, dank deinem Gehamstere."

"Ich habe nicht gehamstert!", mucke ich auf. "Ich habe uns nur was für die Fahrt eingepackt."

"Danke Mami", schmatzt Meilo und grinst schelmisch.

"Mami legt dich gleich übers Knie."

"Ich frage mich, was die anderen Autofahrer dabei von uns denken würden", lacht er. Auch ich muss anfangen zu lachen.

"Das wäre mir egal", schnurre ich, nutze unsere Zwangspause, lehne mich gegen Meilos Schulter und suche seine Hand, die auf der Decke liegt. Ich verschränke meine Finger mit seinen und seufze.

"Müde?", fragt er mich.

"Eigentlich nicht."

"Was ist dann mit dir los?" Es ist unglaublich, aber sein Riecher heute ist unfehlbar. Mir bereitet immer noch die silberne Hochzeit Magenschmerzen. Ich bin so aufgeregt! Ich mag es nicht, mich fremden Leuten zu stellen. Besonders, wenn ich weiß, dass ich genaustens beäugt werde. Und das werde ich zweifellos, denn Eltern tun dies mit der neuen Eroberung ihres Sprösslings. Wenn da nur nicht all die anderen Verwandten von Meilo wären!

Natürlich sage ich das Meilo nicht. Er freut sich schon so sehr darauf, dass ich ihm unmöglich mit meinem Geheule die Laune verderben möchte. "Ich habe noch kein Geschenk für deine Eltern", sage ich allerdings bloß, was noch nicht mal gelogen ist. "Was schenkt man zu einer silbernen Hochzeit?"

"Lass dir was einfallen." Sehr witzig!

"Ich kenne deine Eltern doch gar nicht! Gib mir einen Tipp. Was schenkst du ihnen denn?"

"Eine Kreuzfahrt mit einem Luxuskreuzdampfer." Ich setze mich wieder auf und glotze Meilo wie ein Auto an. "Was?", fragt er doch allen ernstes ganz scheinheilig.

"Dagegen kann ich ja nur abstinken!"

Meilo lacht. "Willst du dich beteiligen?"

"Nein!" Das wäre ja noch schlimmer. Seine Eltern sollen nicht denken, dass ich keine Idee für ein Geschenk gehabt hätte. Was ich ja nicht habe, aber lassen wir das. "Haben sie denn irgendwelche Hobbys?", harke ich nach.

"Hm. Sie verreisen gern. ... Deswegen die Kreuzfahrt." Ha ha. "Italien lieben sie. Sie sind oft da. Sie haben Hunde und sind viel mit ihnen unterwegs. Früher sind sie Turnier geritten, aber heute gehen sie mit ihren Pferden lieber nur ins Gelände. Meine Mutter steht auf auch auf diese kleinen Goebel-Figuren. Kennst du die? Ach und mein Vater raucht Pfeife. Hilft dir das irgendwie weiter? ... Nic?" Nur mit Mühe kann ich verhindern, dass mir der Unterkiefer nach unten klappt. Meilos Eltern sind Snobs! "Nic? Alles klar?"

"Ja, ja!", japse ich. "Alles bestens." Meilo runzelt die Stirn. "Ich kaufe ihnen einfach je einen Pferdesattel, Hundefutter, Pfeifentabak und ein wenig teuren Nippes für die Vitrine." Ich rutsche zurück in meinen Sitz. Und ich wollte als Notfallgeschenk nur einen Blumenstrauß besorgen. Den kann ich mir ja jetzt wohl abschminken. Damit mache ich mich doch total lächerlich!

"Kann es sein, dass ich dich gerade verunsichert habe?"

"Nein! Wie kommst du denn darauf?" Wie nur?

"Ach Nic." Meine Hand wird gedrückt. "Meine Eltern sind total nett und Bodenständig. Und egal was du ihnen schenkst, es wird ihnen gefallen."

"Wenn du das sagst", murmle ich.

"Ja, das sage ich. Außerdem bist du für sie Geschenk genug." Wie soll ich denn das jetzt bitte verstehen? Das frage ich Meilo auch sogleich. Der lächelt leicht verschämt. Nanu? "Sie liegen mir schon lange in den Ohren, dass ich mich doch endlich binden soll. Als sie von dir erfahren haben, sind sie fast ausgeflippt." Da brat mir doch einer einen Storch! Unsere Eltern scheinen doch gleich zu ticken. Jedenfalls was meine Mutter angeht. "Meine Mutter dachte sogar, ich veräpple sie, als ich ihr das erste Mal von dir erzählt habe. Sie konnte es kaum glauben."

"Damals im Hotel? Im Badezimmer?", frage ich nach.

Meilo nickt. "Nach der Sache mit Benedikt war ich ganz schön down. Aber das weißt du ja." Jetzt ist es an mir zu nicken. "Ich bin damals für ein paar Tage zu meinen Eltern gefahren und mein Zustand muss sie wohl ganz schön geschockt haben. Ich wollte aufhören mit allem, konnte aber natürlich nicht. Meine Mutter meinte, dass ich sicher bald den Richtigen finden würde. Jemand, der bei mir ist, mich unterstützt und mir Halt gibt. Dann würde ich es schon schaffen, bis zum Ende meines Vertrages. Ich hätte niemals geglaubt, dass sie Recht behalten würde, doch dann standest du plötzlich vor mir." Mein Herz wummert laut.
 

Abermals lehne ich mich rüber zu meinen Schatz. Diesmal küsse ich ihn jedoch und schere mich nicht um die anderen Autofahrer, die uns eventuell dabei beobachten können. Sollen sie wo anders hinklotzen, wenn es sie stört!

"Ich liebe dich auch", flüstere ich gegen seine leicht geschwollenen Lippen. Ich sehe die Verwirrung in seinen Augen. "Das war es doch, was du mir damit sagen wolltest, oder?"

"Nun eigentlich ... Ja. Ja, das wollte ich damit sagen", grinst er und küsst mich zurück.

"Und was machen wir jetzt?", frage ich ihn und lehne mich wieder gegen seine Schulter.

"Warten", seufzt Meilo. "Warten und Tee trinken."

"Wie gut, dass ich welchen dabei habe."

"Ja. Und Kekse", erinnert er mich.
 

***
 

"Gleich gehe ich raus und verpass denen eine!"

"Lass sie doch. Sie tun doch keinem was."

"Tun sie wohl!", rege ich mich auf und suche die Umgebung nach den beiden kleinen Bälgern ab, die mitten auf der Autobahn herumrasen. "Wo sind ihre Eltern eigentlich? Vollsperrung schön und gut, aber man kann doch seine Kinder hier nicht herumrennen lassen!" Rabeneltern, kann ich da nur sagen!

"Die zwei sind nicht die Einzigen, die sich die Beine vertreten. Bestimmt sind ihre Eltern ganz in der Nähe und haben sie ständig im Blick."

"Pff! Das wäre ja noch schlimmer. Wären das meine, und die würden Schneebälle auf fremde Autos werfen, dann würde es aber Schläge hageln."

"Das meinst du nicht im Ernst", lacht Meilo.

"Doch!"

"Du würdest deine Kinder niemals schlagen."

"Stimmt. Weil ich meine Kinder erst gar nicht auf der Autobahn spielen lassen würde", schließe ich die Diskussion. "Da! Schon wieder!" Bamm! Direkt auf die Frontscheibe. Unsere Frontscheibe wohlgemerkt. Meilo schaltet gelassen die Scheibenwischer an. Ich kurble dagegen die Scheibe runter und brülle, dass die das gefälligst sein lassen sollen. "Die lachen mich einfach aus!", empöre ich mich.

"Je mehr du dich aufregst, desto mehr springen sie darauf an. Ignoriere sie, dann suchen sie sich ein anderes Auto zum Bewerfen." Ich knirsche mit den Zähnen, aber wahrscheinlich hat mein tiefenentspannter Freund recht.

"Dann lenk mich ab", fordere ich ihn auf.

"Und wie?"

"Ich wüsste da schon was", grinse ich und beuge mich zu ihm rüber.

"Hier ganz sicher nicht", kichert Meilo, erwidert aber meinen Kuss.

"Seit wann so prüde?"

"Ich bin nicht prüde, aber da draußen spielen Kinder."

"Das sind keine Kinder, das sind kleine Satansbraten!" Meilo lacht und legt seinen Arm um mich. "Lach nicht! Das ist so."

"Du bist so süß", gluckst er und küsst meine Nasenspitze. Meine Wangen werden rot.

"Du bist doof", krächze ich.

"Ich liebe dich auch." Oller Nachmacher!

Ich kuschle mich dichter an ihn und seufze zufrieden, als plötzlich Bamm! "Ey!"

"Schhht. Schön ruhig blieben." Meilo presst mich fester an sich. "Ignoriere sie." Leichter gesagt, als getan. Diese Gören! Einer müsste die mal übers Knie legen.

Aber Meilos Plan scheint aufzugehen. Sie haben sich einen anderen Wagen zum Bewerfen gesucht. Schadenfroh schaue ich ihnen dabei zu. Wenn es einen nicht selbst betrifft, macht das sogar richtig Spaß! "Denen muss echt langweilig sein", überlege ich laut.

"Kein Wunder. Wir stehen ja auch schon seit über einer Stunde hier."

"Das müssen die einzigen Kinder sein, die keine Computerspiele haben. Die anderen sitzen bestimmt in den Wagen ihrer Eltern und zocken sich die Finger wund, nur die beiden Gören nicht ..." Ich stutze. "Oh. Jetzt bekommen sie Ärger." Die Beifahrertür des Autos, das sie gerade bewerfen geht auf. "Ach du Schande!" Ein Schrank von einem Kerl steigt aus, und er sieht überhapt nicht glücklich aus.

"Der wird ihnen nur Angst einjagen wollen", meint Meilo.

"Sicher ..." Leicht besorgt setze ich mich auf und starre auf die Szenerie. Genau wie sicher alle anderen Leute in ihren Wagen. "Wo bleiben die Eltern denn nur?" Meilo zuckt mit den Schultern.

Kreischend rennen die beiden Jungs zwischen den Autos durch und was macht der Typ? Der setzt ihnen nach! "Das sieht nicht so aus, als wolle er ihnen bloß Angst einjagen", sage ich.

"Doch. Bestimmt. Jetzt haben die Kleinen so viel Angst, dass sie zu ihren Eltern fliehen."

"Wenn du meinst ... Oh! Jetzt ist einer gestolpert." Ich recke den Hals.

"Hat er sich weh getan?"

"Weiß nicht." Ich sehe nichts. Das Einzige, das ich sehe, ist der Schrank-Typ, der auf den gefallenen Jungen zuläuft. "Der will dem keine Angst einjagen, Meilo! Schau doch wie der guckt!" Mir wird ganz flau im Magen.

"Scheiße!" Meilo wirft die Decke von sich und schnallt sich ab.

"Was tust du?"

"Was glaubst du denn?", sagt er und steigt aus.

"Meilo! ... Fuck!" Mir bleibt nichts anderes übrig als ebenfalls auszusteigen.

Andere machen es uns nach, natürlich erst, nachdem Meilo schon fast bei dem Jungen ist. Ich hoffe inständig, dass die Eltern der zwei Rabauken ebenfalls dabei sind.

"Hey!", höre ich Meilo rufen. Er ist vor dem Kerl bei dem Kleinen angelangt. Der hockt heulend da und zittert. Meilo geht neben ihm in die Hocke, starrt aber den Typen an. "Das reicht doch jetzt. Sie haben ihm genug Angst gemacht."

Schlitternd komme ich bei Meilo an und stelle mich neben ihn. Wütend stapft der Schrank auf uns zu. "Der hat meinen Seitenspiegel abgebrochen!", schnaubt er. Ups. Das sieht nicht gut aus.

"Das lässt sich doch sicher klären", will Meilo ihn beruhigen und an den Kleinen gewandt: "Wo sind denn deine Eltern?" Doch der Knirps heult nur weiter. Ich schaue mich um. Wo ist überhaupt der andere Junge hin? Dann geht plötzlich alles ganz schnell.

Dieser Irre will sich doch tatsächlich den Kleinen krallen, aber Meilo stellt sich ihm in den Weg, ist im Begriff sich wieder aufzurichten, wird dann allerdings von dem Kerl an der Schulter getroffen und donnert seitlich gegen eins der Autos. Genau mit dem Gesicht. Das alles ging so schnell, dass ich nicht reagieren konnte, aber als ich sehe, wie Meilo sich die Hand vors Gesicht hält, brennt bei mir eine Sicherung durch. Dieses Arschloch hat meinen Liebling verletzt!

Ich handle ohne nachzudenken und werfe mich auf diesen Idioten. "DU ARSCH!", schreie ich, hole aus und Treffer. Genau gegen sein Kinn. In meiner Hand explodiert ein beißender Schmerz. Au! Ich hätte nicht gedacht, dass das so weh tut!

Ich schüttle meine Hand und ziehe zischend die Luft ein. Inzwischen sind auch die anderen bei uns angekommen, die ebenfalls ausgestiegen sind, und halten den Typen in Schach, bis auf einmal eine kleine, schmale Frau auftaucht und ihn beruhigt. Anscheinend seine Frau.

"Meilo?" Ich laufe besorgt zu meinem Schatz, der sich noch immer die Hand vor die obere Hälfte seines Gesichtes hält. "Alles in Ordnung?"

"Geht schon. Hab nur eine Schramme." Er lässt die Hand sinken, und da sehe ich es. Ein dickes Veilchen an seiner rechten Augenbraue und es blutet sogar. Zum Glück aber nicht allzu stark.

"Shit!" Ich schaue mir die 'Schramme' genauer an. "Das muss gekühlt werden."

"Wie praktisch, dass hier überall Schnee herumliegt", scherzt er doch wahrhaftig.

"Mama! Mama, Mama!" Ich zucke zusammen. An den kleinen Jungen habe ich ja gar nicht mehr gedacht.

Seine Eltern haben sich endlich her bequemt. Der Junge rennt schluchzend auf sie zu. Der Vater trägt den anderen bereits auf dem Arm. Wieder entsteht ein lauter Tumult. Der Schranktyp schreit die Eltern an, sie sollen ihm gefälligst den Seitenspiegel bezahlen. Der Vater brüllt zurück, er werde ihn anzeigen, weil er sich an seinem Sohn vergreifen wollte. Das wird mich echt zu viel. Ich schnappe mir Meilo und ziehe ihn mit mir.

"Wir können nicht weg", protestiert er.

"Doch, das können wir", wende ich ein und laufe einen Schritt schneller.
 

Nachdem wir wieder sicher im Auto sitzen, krame ich nach der Wasserflasche und irgendwas, das ich damit nass machen kann. In der Not muss eins meiner Hemden herhalten. Damit tupfe ich vorsichtig Meilos Augenbraue ab. "Ist dir schlecht?", will ich von ihm wissen. Man weiß ja nie. Vielleicht hat er eine Gehirnerschütterung, oder so was.

"Nein, mit geht es gut", winkt er ab.

"Auch keine Kopfschmerzen?"

"Nee. Die Stelle pocht nur ein bisschen. So hart bin ich gar nicht gegen das Auto gekracht. Eher entlanggeschrabbt."

"Dann bin ich beruhigt", seufze ich und lächle Meilo an.

"Was machen wir denn jetzt?", fragt er.

"Nichts", antworte ich. "Oder willst du den Kerl anzeigen?"

"Ich weiß nicht ..." Mein Schatz wirkt noch leicht mitgenommen. "Ich denke, er bekommt auch schon so genug Ärger."

"Denke ich auch." Der Tumult weiter vorn wird immer größer. Es dauert sicher nicht mehr lange, bis hier die Polente auftaucht. Einige hängen schon an ihren Handys.

"Gerd wird ausflippen, wenn er mein Auge sieht."

"Das bekommen wir schon hin. Es schwillt schon ab, glaube ich."

"Hoffentlich."

"Denk dir schon mal eine Geschichte aus, wie das passiert ist", grinse ich und greife noch einmal zur Wasserflasche.

"Mach ich ... Was ist denn das?" Seine Hand schnappt nach meiner Rechten. Genau nach der Hand, mit der ich dem Kerl eine gescheuert habe. Die Knöchel ganz geschwollen und rot. Jetzt, wo ich sie sehe, spüre ich auch wieder den Schmerz.

"Ach das", murmle ich. "Das ist von eben."

Meilos Kopf fliegt zu mir. Fassungslos starrt er mich an. "Sag nicht, du hast dem Typen eine verpasst!"

"Okay. Ich sag's nicht."

"Nic!"

"Was?", frage ich im gleichen Tonfall, doch er schüttelt nur den Kopf.

Dann, plötzlich, fängt er an zu grinsen. "Du hast ihm wegen mir eine runtergehauen?"

"Wegen wem denn sonst? Er hat dich gegen das Auto fliegen lassen, dieses Arschloch." Ich knirsche mit den Zähnen. Ich sehe wieder alles vor mir und ich hätte nicht übel Lust, wieder da raus zu gehen, und ihm noch eine ins Gesicht zu schlagen.

"Jetzt verstehe ich auch, warum du so schnell weg wolltest", grinst Meilo und streichelt sanft über die geschwollenen Knöchel. "Bevor er sich bei dir dafür revanchiert."

"Das war nur einer der Gründe", brumme ich. "Ich wollte dich aus der Schusslinie haben. Wer weiß? Vielleicht tickt der Typ total aus und schlägt um sich. Außerdem musstest du dringend verarztet werden. Apropos. Wo ist der Verbandskasten? Dann verpasse ich dir ein hübsches Pflaster."

"Unter dem Fahrersitz", kichert Meilo. Macht der sich etwa über mich lustig?

"Danke", murmle ich und krame nach besagtem Verbandskasten.

Ihn gefunden, suche ich nach dem Pflaster und einer Schere. Beides ausfindig gemacht, schnipple ich ein Stück ab und klebe es vorsichtig auf Meilos Augenbraue. Dabei grinst Meilo die ganze Zeit über weiter. "Was ist denn so lustig?", möchte ich wissen.

"Mein Held", gluckst er und schmust über meine Lippen.

"Ach, hör doch auf!" Das ist mir irgendwie peinlich. "Ich hab dich nur verteidigt. Und ich würde es wieder tun! Und hör auf zu grinsen!" Also echt!
 

Ich hatte recht mit meiner Vermutung, das bald die Polizei auftauchen würde. Anscheinend haben sie zwei Beamte vom Unfall vorne herbeizitiert, denn sie kamen von Richtung der Sperrung. Jetzt nehmen sie Aussagen auf und versuchen zu schlichten. Ich mache mich derweil ganz klein. "Wir sollten auch hin und erklären was passiert ist", meint Meilo.

"Und dann? Dann bekomme ich womöglich noch Ärger, weil ich dem eine geknallt hab."

"Du hast nur den Jungen und mich verteidigt. Da passiert schon nichts."

"Die können das auch ohne uns klären", brumme ich und rutsche tiefer in meinen Sitz.

Meilo lacht und tätschelt mir das Bein. "Wir warten einfach ab."

"Von mir aus." Und derweil versuche ich mir selbst beizubringen, wie man sich in Luft auflöst.

Nach einer Weile atme ich erleichtert auf. Die Polizisten hatten wohl genug mit dem zu tun, was sich vor ihrer Nase abgespielt hat, denn sie dampfen wieder davon, ohne dass wir irgendwelche Aussagen machen mussten. Es gab ja auch genug Zeugen. "Nochmal davon gekommen, mein kleiner Schläger", kichert meine Kichererbse neben mir.

"Sehr lustig."

"Jetzt schmoll nicht."

"Will ich aber."

"Ist doch alles nochmal gut gegangen. Nichts schlimmes passiert."

"Das nennst du nicht schlimm?", frage ich ihn und zeige auf sein blaues Auge.

"Mein Auge ist noch da. Also alles paletti."

"Tse!" Meilo will was erwidern, doch er kommt nicht dazu. Über uns herrscht lauter Radau. "Ein Rettungshubschrauber", stelle ich fachmännisch fest.

"Da muss es ganz schön gerummst haben." Ich nicke und muss meine Meinung von eben noch mal revidieren. Es hätte wirklich noch schlimmer kommen können, wie man sieht. Mir läuft es eiskalt den Rücken runter, lehne mich gegen Meilo und suche seine Hand. Ja, es hätte wirklich noch viel, viel schlimmer kommen können.
 

***
 

"Das zieht sich wie Gummi!"

"Hauptsache, wir fahren überhaupt wieder." Stimmt. "Die Abfahrt müsste bald kommen."

"Ich fürchte nur, die ist genauso verstopft."

"Abwarten." Meilo gibt Gas und überholt einen LKW. Ich schließe die Augen. Manchmal fährt er wie eine gesenkte Sau, und das trotz des Unfalls, an dem wir vor wenigen Minuten noch vorbei gefahren sind.

Viel sah man nicht mehr. Ein Abschleppwagen hat ein total demoliertes Auto aufgeladen. Rettungswagen sowie der Hubschrauber waren schon weg. Genau wie die Polizei. Was bin ich froh, wenn wir von der Autobahn runter sind!

Meilo schert wieder ein und drosselt das Tempo. Schon taucht ein Schild auf, das die Ausfahrt anzeigt. Noch ein Kilometer. Als wir auf die Spur für die Ausfahrt fahren, haben wir Glück. Kaum ein anderer Wagen vor uns. Selbst die Landstraße, auf der wir nun fahren, ist frei und geräumt. "Wie erholsam", lache ich.

"Und wie."

Der nächste Parkplatz gehört uns. Ich bin zuerst draußen, mich erleichtern. Dämlicher Eistee! Meilo hockt derweil noch im Auto und spielt am Navi herum. "Musstest du nicht auch?", frage ich ihn, als ich mich wieder in den Wagen steige.

"Doch, aber ich habe nur schnell was nachgeschaut", antwortet er, lächelt mich an, verpasst mir einen Kuss und steigt nun ebenfalls aus. Na dann ...

Während er austritt, rufe ich meine Mutter mal an. Sie wird schon sauer sein, dass ich mich nicht bei ihr gemeldet habe. "Hallo Mamilein. Ich bins."

/Das du dich auch mal wieder meldest!/, zetert sie auch gleich los. /Ich dachte schon, du wärst im Schnee verschollen./

"War ich auch fast", sage ich. "Hier unten schneit es wie die Hölle."

/Wie schön. Bei uns regnet es nur./

"Wollen wir tauschen?"

/Gern/, lacht sie. /Wie lange seit ihr noch unterwegs?/

"Bis Morgen Nachmittag bestimmt. Bei dem Mistwetter kommen wir nur langsam voran."

/Wie schade, dann bleibt Meilo nicht lange bei uns?/

"Eher nicht." Dass er gleich weiter fährt, nachdem er mich bei mir angesetzt hat, verschweige ich mal. "Du Mama? Ich muss Schluss machen. Wir sehen uns morgen." Meilo kommt zurück.

/Ist gut. Grüße an deinen Liebsten./

"Mach ich. Und grüß du die anderen beiden Pappnasen." Ehe sie wegen der Pappnasenbezeichnung herummeckern kann, lege ich schnell auf.

"Ist das kalt! Da friert einem ja alles ab", schnauft Meilo und schlägt die Tür hinter sich zu.

"Ach auf einmal friert der werte Herr? Immer mal was Neues." Meilo schenkt mir einen amüsierten Blick. "Einen schönen Gruß von deiner Schwiegermama."

"Oh. Danke." Hm. Er reagiert gar nicht auf das Wort 'Schwiegermama'.

"Alles in Ordnung bei dir?", harke ich nach.

"Klar. Was soll denn sein?"

"Ich weiß nicht. Sag du es mir."

Meilo legt den Kopf schief und stupst mir mit dem Zeigefinger gegen die Nasenspitze. "Alles bestens. Ich war nur am Überlegen."

"Über was?"

"Bin die Route nochmal im Kopf durchgegangen", sagt er schulterzuckend. Wieso glaube ich ihm das nicht? Aber sei es drum. Wäre es was Wichtiges, hätte er es mir gesagt. ... Oder?

Wir fahren weiter. Immer wieder schiele ich zu Meilo, doch dem scheint es gut zu gehen. Er summt die Musik im Radio mit und auch sonst ist nichts Auffälliges an ihm zu beobachten. Ich dachte erst, vielleicht hat er doch Kopfschmerzen von dem Vorfall vorhin, oder ihm ist übel, aber dann würde es ihm nicht so gut gehen. Nein, ich glaube, ihm geht es sogar ganz hervorragend. Als würde er was planen ... Tatsache! Jetzt erkenne ich es! Meilo führt was im Schilde! Aber was? Und vor allem wann? Viel Zeit bleibt ihm nicht dafür.

Was es wohl ist?
 

Immer wieder schiele ich unauffällig rüber zu ihm. Vielleicht verrät er sich ja durch irgendwelche Gesten. Tut er aber nicht. Er fährt seelenruhig weiter. Dennoch. Ich erkenne es an seiner Nasenspitze, dass er etwas im Schilde führt. Und von wegen, er geht die Route nochmal im Kopf durch! Wozu? Das Navi hat die Route bestens im Griff. Er verschweigt mir was! Ahrg! Ich will es wissen! "Du planst doch was", spreche ich ihn an, weil ich kurz davor bin zu platzen.

"Hm? Was meinst du?"

"Tu nicht so! Ich sehe dir an, dass da was im Busch ist."

"Was soll denn im Busch sein? Ich fahre Auto. Was kann ich dabei schon groß planen?"

"Ich weiß nicht. Sag du es mir." Ich verschränke die Arme vor der Brust.

Irritiert lächelnd huscht Meilos Blick kurz zu mir. "Leidest du schon an Verfolgungswahn? Ich habe nichts geplant! Ich will nur so viele Kilometer wie möglich hinter mich bringen, bevor wir uns ein Hotel suchen."

Nachdenklich zerkaue ich mir die Unterlippe. Doch es bringt nichts, außer leichte Schmerzen. Ich hasse es, es zugeben zu müssen, aber ich glaube ihm. Wie gesagt: was will er schon groß planen? Wir stehen unter Zeitdruck. "Entschuldige", murmle ich und lehne mich zurück. "War nur so ein Gedanke."

Meilo schmunzelt leise. "Das sind sicher die Nachwirkungen der Schlägerei. Du bist noch leicht paranoid."

"Ha ha." Wieder lacht er und nimmt meine Hand in seine. Schön ...

"Schlaf doch ein bisschen. Ich wecke dich, wenn ich nicht mehr fahren kann."

"Ist gut", gähne ich. Schlafen hört sich verführerisch an. Ich kann ja von Verschwörungen und geheimen Plänen träumen. Dann habe ich was zu tun, während ich meine Augen ausruhe.
 

***
 

"Sweetheart? ... Aufwachen. Wir machen Pause."

"Was?"

"Wir sind da", erklärt Meilo bloß, was mir auch nicht wirklich weiter hilft.

Ich strecke mich müde. Au! Mein Nacken! Im Auto pennen ist echt eine Qual! Obwohl ich nicht wirklich geschlafen habe. Es war eher ein Dahindämmern. Immer wieder war ich mal wach, hab was gegessen und getrunken, Meilo nebenbei ebenfalls gefüttert, und bin danach wieder weggeschlummert. Fahren kann ja sooo langweilig sein! "Wo sind wir denn überhaupt?", frage ich schließlich nach, nachdem ich meine Schultermuskeln weitgehend gelockert habe.

"An unserem Nachtquartier", klärt mich Meilo auf, was mich auch wieder kein Stück schlauer macht.

Verwundert öffne ich deshalb die Augen und sehe: Nur schwarz. "Es ist dunkel", stelle ich fest.

"Ist es. Deswegen legen wir eine Pause ein und fahren morgen früh weiter", lacht Meilo. Der Motor ist schon aus. Ruhe umgibt uns. Ruhe und Dunkelheit. Merkwürdig.

"In was für ein abgelegenes Hotel hast du uns denn gebracht?" Wir müssen irgendwo in der Pampa sein.

"Kein Hotel, Sweety."

"Sag jetzt bitte nicht, dass wir im Auto pennen, denn dann ..."

"Nein", unterbricht er mich. "Das würde ich uns nicht antun."

"Und wo sind wir dann, bitteschön?"

"Steig aus, dann weißt du es." Was für ein schlauer Spruch! Aber nun gut. Dann schnalle ich mich mal ab und bringe in Erfahrung, wo mich mein Göttergatte jetzt wieder hinverschleppt hat.
 

Draußen ist es bitterkalt. Ich schaue nach unten und knurre mürrisch. Ich stecke knöchelhoch im Schnee. Im Auto schlafen hört sich auf einmal gar nicht so schlecht an, wenn ich daran denke, mich gleich durch diese weiße Hölle quälen zu müssen. Hinter mir schlägt die Heckklappe runter. "Hast du deine Tasche?", höre ich Meilo mich fragen.

"Nein!"

"Dann hopp hopp! Man erwartet uns schon." Ich geb dir gleich hopp hopp! Hopp hopp am Arsch! Wehe, das Zimmer hat keine gute Heizung!

Müde, mürrisch und miesepetrig lasse ich den Beifahrersitz nach vorn rattern, greife mir meine Tasche, und stapfe auf Meilo zu. "Und jetzt?", will ich wissen.

"Bitte folgen", trällert er und marschiert los. Ich widerstehe dem Drang, ihm einen Schneeball ins Genick zu werfen. Unter Garantie bekomme ich danach auch einen ab, und darauf habe ich noch weniger Bock, als durch dieses weiße Mistzeugs zu waten. Warum ist hier nicht geräumt? Und wo zum Geier sind wir eigentlich?

Ich schaue mich um. Links neben mir ist eine Holzfassade. Supi! In was für eine Bretterbude schleift Meilo mich bloß? "Nun komm schon! Nicht so lahm!"

"Ja, ja", knurre ich und laufe auf Meilo zu, der auf mich wartet. "Wo sind wir hier denn jetzt? Wo hast du mich denn bloß wieder hingeschliffen?"

"Erkennst du es immer noch nicht?", fragt er mich grinsend. Ich schüttle den Kopf und bleibe stehen. "Dann schau dich um, du Blindfisch!" Okay. Der Schneeballplan gefällt mir immer besser. Trotzdem tue ich ihm den Gefallen und drehe mich nach links.

"Wozu, hier ist es doch stockdunke... Ach du Schande!" Ich glaub's nicht! "Wie kommen wir denn hier her?!" Zu sagen, ich wäre überrascht, wäre noch untertrieben. Mich haut es glatt von den Socken. Wir stehen vor der Hütte! Eben jener Hütte, in der wir schon einmal eine Nacht miteinander verbracht haben! Damals, als Meilo mir diese komischen Koordinaten geschickt hat. "Ich glaub's nicht!", japse ich und drehe mich zu Meilo um, der mich breit angrinst. "Du hattest doch was geplant!"

"Hatte ich", gibt er zu.

"Du Lügner!"

"Verklag mich." Oh, da fällt mir schon was besseres ein ...

Doch vorher: "Wie hast du das überhaupt hinbekommen?"

"Das erkläre ich dir auf den Weg nach drinnen", sagt er, legt seinen Arm um meine Schulter und läuft mit mir Richtung Eingangstür. "Mir kam die Idee, als ich mir während der Vollsperrung die Route nochmal angeschaut habe. Darauf war der kleine Ort verzeichnet, an dem ich war, als ich dir damals die Nachricht geschickt habe, in der stand, dass du hier her kommen sollst."

"Und da musstest du an die Hütte denken."

"Genau. Als du austreten warst, nutzte ich die Chance, rief bei der Besitzerin an, und fragte, ob die Hütte für heute Nacht noch frei sei. War sie, weshalb ich dachte, übernachten wir doch hier."

"Du Spinner!", lache ich. "Aber war das kein Umweg?"

"Kein großer. Wenn wir morgen eine Stunde früher aufstehen, schaffen wir das schon." Ich schüttle den Kopf und verpasse meinem Schatz einen Kuss auf die Schläfe. Er und seine Einfälle!
 

Bevor wir eintreten können, muss Meilo erst den Schlüssel aus einem vorbereiteten Versteck holen. Unter einer Diele der kleinen Veranda wird er fündig. Dort sollten wir auch das letzte Mal den Schlüssel deponieren, nachdem wir von hier weggefahren sind. Meilo schließt auf, und lässt mich als erster eintreten. Warme Luft heißt uns Willkommen. "Der Karmin ist ja an!", staune ich.

"Und der Kühlschrank ist auch gefüllt", ergänzt Meilo. "Ich hoffe, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit, mein Herr?"

"Voll und ganz", gluckse ich und lasse meine Tasche im Flur fallen. "Ach ist das schön, wieder hier zu sein!" Ich falle Meilo um den Hals. "Das war eine wahnsinnig gute Idee!"

"Ich weiß." Huh! Da ist aber einer von sich überzeugt. Aber das darf er auch. Ausnahmsweise.

"Und? Was machen wir jetzt?", will ich von ihm wissen.

"Essen! Ich habe einen mordsmäßigen Kohldampf!", sprach's, flutschte aus meinen Armen und eilte in die Küche. Eigentlich hatte ich was ganz anderes im Sinn. Na ja, aber Essen hört sich dann doch ganz gut an, weshalb ich mir die Jacke und die Schuhe ausziehe, und ihm folge.
 

Wie bei unserem letzten Besuch auch, kochen wir einfach wahllos drauf los, nehmen das, was im Kühlschrank ist, schneiden es klein und geben es in eine Pfanne. Als wir mit Kochen fertig sind, machen wir es uns auf dem kleinen Sofa bequem, das seitlich neben dem prasselnden Karmin steht. "Wie schön", seufze ich wohlig und lege meinen Kopf auf Meilos Schulter. Wie ich so essen will, weiß ich zwar noch nicht, aber was soll's?

"Ja. Nach der ganzen Fahrerei richtig erholsam."

"Hmhm." Mir steht plötzlich so gar nicht mehr der Sinn nach Essen. Ich beuge mich vor zum Tisch, stelle meinen Teller ab und rutsche dichter an Meilo heran. Meine Arme schiebe ich unter die Decke, in die wir uns gewickelt haben. Meilo beäugt mich neugierig, isst aber unbeirrt weiter. Ich lasse ihn ebenfalls keine Sekunde lang aus den Augen und beginne, mir unter der Decke die Hose aufzuknöpfen. Natürlich bekommt mein Meilolein das mit. Ich sehe das an dem Aufflackern in seinen grünen Augen und dem kurzen Stocken, das seine Hand vollführt, als sie die Gabel zu seinem Mund führen will.

Leise raschelnd rutschen Jeans und Unterhose unter der Decke hervor auf den Boden. Meilo hat inzwischen das Essen ganz aufgegeben. Die Gabel liegt auf dem Teller, während er mich weiterhin beobachtet. Etwas umständlich schlüpfe ich auch noch aus meinem Pullover. Ich bin froh, dass das Feuer so schön wärmt. Mir ist jetzt schon ziemlich heiß.

Ohne ein Wort zu sagen, nehme ich Meilo den Teller ab und stelle ihn zum anderen. Keine Spur von Einspruch, also darf ich weiter machen.

Das Feuer knistert, als ich die Decke höher ziehe, und mich auf Meilos Schoß setze. Grinsend schaue ich ihn an. "Der Nachtisch wird heute aber früh angerichtet", sagt er trocken.

"Für Nachtisch ist es doch nie zu früh", wende ich ein und beuge mich vor. Zärtlich beiße ich Meilo ins Kinn und fahre anschließend versöhnend mit der Zunge darüber.

"Da hast du recht", seufzt mein Liebling, legt seine Arme um meine Taille und streckt den Hals durch, damit ich dort weiter machen kann.
 

Pochend erwacht meine Körpermitte vollends zum Leben. Meilo knetet meinen Hintern durch und bringt mich dadurch immer wieder dazu, begehrlich gegen seinen Hals zu seufzen. "Nic? Rutschst du mal von mir runter?"

"Nein", knurre ich.

"Aber wie soll ich mich so ausziehen?"

"Sollst du nicht."

"Aber wie sollen wir dann ...?"

"Lass mich nur machen", unterbreche ich ihn.

Er lächelt mich daraufhin an und lehnt sich zurück. Sehr gut. Dann kann ich ja damit beginnen, auch seine Hose aufzuknöpfen, was ich auch umgehend in Angriff nehme.
 

******
 

Also ich weiß ja nicht. Ich hatte wirklich nicht vorgehabt, die zwei schon wieder in die Kiste, oder diesmal besser gesagt, aufs Sofa hüpfen zu lassen. Ich scheine hier zwei besonders liebesbedürftige Kerlchen zu haben. xD

Na ja. Man muss ihnen zu Gute halten, dass das vorerst ihre letzte gemeinsame Nacht ist. Lassen wir das mal als Entschuldigung gelten. ;-)

Love bite 43 - Vorbereitungen

Und weil heute der erste Advent ist, habe ich gleich noch ein Kapitel für euch.

Danke auch für all die lieben Reviews. Ich beantworte sie in den kommenden Tagen. Eigentlich wollte ich es heute machen, aber ich hab mir wohl eine kleine Erkältung eingefangen. Anne hat mich bestimmt angesteckt >____<

Euch noch ein schönes restliches Wochenende. Man liest sich ;-D
 


 

Love bite 43 - Vorbereitungen
 

"Sobald ich angekommen bin, rufe ich dich an."

"Das will ich auch schwer hoffen", murmle ich traurig. "Ich vermisse dich schon jetzt." So wie immer, wenn wir uns voneinander verabschieden müssen.

"Es ist doch nicht für lange", will mich Meilo trösten, was aber nicht wirklich klappt. Diese ganze Herumreiserei nervt mit jedem Tag mehr. Immer wieder diese vermaledeiten Trennungen. Ich hab die Nase voll! Ein Glück, dass es nicht mehr lange dauert, bis das ein Ende hat. Ein für alle mal. "Und bis wir uns wiedersehen, soll die Maklerin sich in der Zwischenzeit dahinter klemmen, und für uns ein paar wahnsinnig schöne Wohnungen finden." Ich lächle Meilo schmal an und umarme ihn zum Abschied. Die Wohnungen interessieren mich gerade herzlich wenig. "Hör auf so traurig zu gucken." Er lächelt mich an, was ich zu erwidern versuche. Ich denke nicht, dass ihn das überzeugt, aber besser bekomme ich es nicht hin. "Ich liebe dich", wispert er, küsst mich ein letztes Mal und steigt ins Auto.

"Ich liebe dich auch", sage ich und lehne mich durch die offene Fensterscheibe. "Fahr vorsichtig."

"Mach ich doch immer", grinst Meilo. Noch ein Kuss und ein anschließendes Zwinkern, dann fährt er davon. Bevor er um die Kurve ist, hupt er nochmal und winkt. Ich winke zurück, auch wenn er es nicht mehr sehen kann.

"Shit", zische ich, stehe einsam und verlassen auf dem verregneten Bordstein vor unserem Haus und halte meine Tasche in der Hand.

Meilo wollte noch nicht mal mit ins Haus kommen. Es war einfach keine Zeit mehr dafür. Und ich kann es verstehen. Wäre er mit rein gekommen, wäre er so schnell nicht mehr von hier weggekommen. Schade ist es trotzdem.

Seufzend reiße ich meinen Blick von der Straße los und strecke meine müden Knochen, ehe ich mich unsere Einfahrt entlang schleppe. All meine Muskeln sind verspannt. Heute war ich mit Fahren dran, da Meilo jetzt noch lange genug vorm Steuer sitzen wird. So ein Stress! Vielleicht hätten wir einen Tag eher zurückfahren sollen. Andererseits ... Was wäre dann aus Anne geworden? Glücklicherweise geht es ihr wieder besser. Thorsten hat mir heute Morgen eine SMS geschickt. Sie haben sich im Hotel verkrochen und lassen es sich gut gehen, solange sie es noch für sich haben. Ich gönne es den beiden. Und wer weiß? Vielleicht hat Anne ja endlich gefunden, was sie während ihrer Reise von Ort zu Ort gesucht hat. Wäre das nicht schön?
 

"Bin wieder da!", rufe ich, als ich die Wohnung betrete.

"Niclas?"

"Nein. Der Weihnachtsmann", pampe ich. Ich höre, wie meine Mutter lacht und dann sehe ich sie auch schon aus dem Wohnzimmer schweben.

"Wo ist Meilo?" Grummel. Ist es nicht schön, dass sich meine Mutter so sehr freut mich zu sehen, dass sie gleich nach Meilo fragen muss?

"Der ist gleich weitergefahren", erkläre ich.

"Was? Ach wie Schade!" Schade trifft es nicht mal annähernd.

"Ich bin in meinem Zimmer. Bin total KO", sage ich zu meiner Mutter und gehe flüchten, bevor sie mich in ein Gespräch verwickeln kann. Das muss erst einmal warten. Ich brauche Ruhe und Zeit für mich.

Gesegnete Stille empfängt mich in meinen vorübergehenden vier Wänden. Als aller erstes schleudere ich meine Tasche in die nächstbeste Ecke, ziehe mich um und werfe mich aufs Bett. Ich hasse dieses Gefühl der Leere und Einsamkeit, jedes Mal, wenn Meilo und ich uns wieder trennen müssen. Und mit jedem Mal wird es schlimmer. Ich fühle mich so allein ...

Plötzlich ist mir die Stille meines Zimmers unangenehm. Außerdem habe ich das Gefühl etwas machen zu müssen, damit ich nicht noch vor Einsamkeit vergehe. Um dieser bedrückenden Stimmung zu entkommen, schalte ich Musik an und stelle mich mitten ins Zimmer. Prüfend lasse ich meinen Blick schweifen. Wenn alles glatt geht, ziehe ich hier bald wieder aus. In einem Monat, um genau zu sein, vielleicht sogar noch eher. Draußen hat es wieder angefangen zu regnen. Wieso das miese Wetter und meine miese Laune nicht nutzen, und damit anfangen, meinen Kram auszusortieren? Das hatte ich schon lange vor, aber nach meinem Rausschmiss bei Kilian, war ich einfach nur froh, dass ich alles irgendwie untergebracht hatte, und wollte auch nicht wirklich in meinem Zeug herumwühlen und alten Ballast aussortieren. Doch jetzt scheint mir diese Idee ganz plausibel zu sein. Dann bin ich auch auf einen eventuellen schnellen Auszug vorbereitet, und muss nicht lange packen.

Der Großteil meiner Sachen ist noch in Kartons verstaut. Die Meisten davon lagern unten im Keller. Kleidung und Technikkram habe ich im Zimmer untergebracht. Davon werde ich das Meiste behalten. Zuerst geht es an die Klamotten. Von meiner Mutter lasse ich mir eine Rolle Kleidersäcke organisieren, dann geht es los. Einmal angefangen, werde ich von einer richtigen Arbeitswut gepackt. Systematisch gehe ich alles durch. Jedes Teil, das ich seit einem Jahr nicht mehr getragen habe, oder mich in irgendeiner weise an Kilian erinnert, wandert in den Sack.

Ich war schon immer ziemlich rabiat in solchen Dingen. Vollgestopfte Schränke stören mich, und ich will keinesfalls in der neuen Wohnung alles vollmüllen. Obwohl ... Sehr wahrscheinlich hat Meilo sowieso den größten Kleiderfundus von uns beiden. Ein Grund mehr, Platz zu schaffen, denke ich grinsend.

Unermüdlich kämpfe ich mich durch den Wust an Kleidung und höre dabei meine Queen-Platte, als es an meiner Zimmertür klopf. "Ja?"

"Ich bin's." Ich bin's hört sich schwer nach meiner Schwester an.

"Komm rein." Der nächste Sack muss dran glauben und wird zugeschnürt. Das ist schon der dritte. Man glaubt gar nicht, was sich immer anhäuft! Dabei kaufe ich eigentlich selten Kleidung ein.

"Mama hat gesagt, Meilo ist schon wieder weg?" War ja klar. Madame kennt nur ein Thema: Meinen geliebten Popstar.

"Jepp. Er hat heute Abend noch einen Auftritt", antworte ich.

"Ich weiß", sagt Nicole und hockt sich auf mein Bett. Auch das war klar. Nicole kennt Meilos Tour-Plan besser als er selbst. "Was tust du da?"

Mit hochgezogenen Augenbrauen schaue ich zu ihr rüber. Das erinnert mich an früher, als sie noch sehr klein war, und gerade mal ein paar Sätze sagen konnte. Ständig wackelte sie auf unsicheren Beinen hinter mir her, und wollte immer genaustens wissen, was ich mache. Und dann musste ich es ihr auch noch erklären. Mann, was hat die mich damals genervt! Unser Altersunterschied ist nicht gerade gering, weshalb eine nervige, neugierige kleine Schwester für mich der blanke Horror war. Aber lang, lang ist es her. Heute ist sie fast schon eine junge Frau. Hach ja ...

"Ich sortiere schon mal für den Auszug meine Sachen aus", erkläre ich ihr.

"Habt ihr schon eine Wohnung?"

"Nein, noch nicht. Aber hoffentlich bald."

Nicole grinst mich an. "Kannst es nicht mehr erwarten, von hier weg zu kommen, eh?"

"Kann ich nicht", gebe ich lächelnd zu.

"Aber ihr bleibt hier in der Nähe, oder?"

"Tun wir. Wir wollen uns was in der Stadt suchen."

"Cool. Dann habe ich einen guten Vorwand, um Shoppen zu fahren." Lachend schüttle ich den Kopf.

"Lass das nicht Papa hören."

"Ganz sicher nicht. Aber dann musst du mir auch immer ein Alibi geben."

"Kein Problem, solange wenigstens ich weiß, wo du dich herumtreibst. … Und mit wem!"

"Lässt sich einrichten", sagt sie. Ist es nicht erstaunlich, wie gut wir uns inzwischen verstehen? "Du sag mal ... Wie ist das eigentlich, mit jemanden zusammen zu sein? Also so richtig, meine ich." Oho! Da werde ich doch gleich hellhörig.

"Wieso?", will ich von Nicole wissen und lasse meine Kleidung, Kleidung sein. "Gibt es da etwas, das ich wissen müsste?" Sie legt den Kopf schief und wirft mir giftige Blicke zu. "Oh ja! Ich habe recht! Wie heißt er? Oder ist es eine Sie?"

"Blödmann!", kreischt Nicole. Ich fange an zu lachen und setze mich auf meinen Bürostuhl. Eine kleine Pause vom Aussortieren tut immer gut. Nicole wird tatsächlich rot um die Nasenspitze herum. "Ich bin nicht lesbisch", knurrt sie.

"Stell dir mal vor, du wärst es. Mama würde ausflippen." Und dann stände neben dem kleinen schwulen Plastiktortenpärchen bald auch ein Lesbisches.

"Ich kann es ja mal aus Spaß andeuten", lacht Nicole auf.

"Lenk nicht ab. Ich will seinen Namen wissen." Ihre Unterlippe zieht sich vor. Dann seufzt sie und fängt an, ihre Füße gegeneinander in ein tödliches Duell zu schicken. Sie ist nervös. Könnte denn wahrhaftig die Möglichkeit bestehen, dass sich meine Schwester in einen Jungen verguckt hat?!

"Er heißt Mark", murmelt sie leise. Ich hatte Recht! "Er ist aber zwei Klassen höher als ich."

"Ein Älterer also. Bleibst deinem Beuteschema also treu."

"Hör ja auf! Wenn er auch schwul ist, werde ich womöglich doch noch 'ne Lesbe!"

"Du glaubst, er könnte auch schwul sein?"

"Ich hoffe nicht", seufzt Nicole.

"Hast du ein Bild von ihm?", frage ich sie. Nicole nickt und holt ihr Handy aus der Hosentasche. Kurz tippt sie darauf herum, dann reicht sie es mir. "Hm ..." Ich vergrößere den Bildausschnitt etwas, um mehr zu erkennen. "Etwas unscharf, ich meine das Bild ... aber ..." Ich schaue noch genauer hin. Dieser Mark sieht ganz niedlich aus. Dunkelhaarig, relativ gut gebaut, wie es aussieht. Ähnlicher Typ wie Meilo, womit bewiesen wäre, dass meine Schwester und ich den gleichen Männergeschmack haben. "Nein. Nein ich denke nicht, dass er schwul ist", ist mein abschließendes Urteil. Obwohl man das nie weiß. Auch ich bin nicht allwissend. Jedenfalls springt mein Radar bei ihm nicht an. Aber dass er keine Schminke trägt, ist schon mal ein Anfang und sicherlich ein gutes Zeichen. Das lassen wir Meilo besser nicht hören ...

"Da bin ich aber beruhigt", schnarrt Nicole und mopst sich ihr Handy zurück.

"Sieht ganz nett aus, der Kleine."

"Er ist nicht klein! Er ist einen Kopf größer als ich."

"Ihr kennt euch?"

"Nein", sagt sie betrübt. "Für ihn bin ich nur ein kleines Mädchen aus der Babyklasse. Falls er mich überhaupt beachtet."

"Kann man nie wissen. Check ihn ab."

"Und wie mach ich das?"

"Rempele ihn im Flur 'ganz unbeabsichtigt' an."

"Das kann ich nicht machen!", krächzt meine Schwester und guckt mich an, als hätte ich ihr gerade vorgeschlagen, übermorgen mit ihr auf den Mond zu fliegen.

"Wieso nicht? Was soll schon groß passieren, außer, dass er eventuell auf dich aufmerksam wird?"

"Wird er eh nicht."

"Das kannst du nicht wissen."

"Kann ich wohl! Schau mich doch an. Auf Mark stehen total viele Mädchen. Auch die Älteren, Erfahrenen. Da kann ich nicht mithalten."

"Erfahrung ist nicht alles. Bei meinem ersten Mal zum Beispiel ..."

"Oh nein! Erspare es mir!"

"Was denn? Ich wollte nur sagen, dass ..."

"Niclas! Klappe!" Also sowas! Da will man helfen, und wird auf Stumm geschaltet.

"Soll ich dir lieber von meinem letzten Mal mit Meilo erzählen?", ärgere ich sie.

"Ahh!" Ein Kopfkissen kommt auf mich zugeflogen. "Hör auf damit! Ich will nichts davon hören!"

"Als ob ich dir von unserem Sex erzählen würde", lache ich.

"AHH! Klappe!" Sie hält sich die Ohren zu, was mich nur noch mehr lachen lässt.

"Schon gut, schon gut", gebe ich nach. "Ich bin schon ruhig."

"Danke."

"Aber wenn du mal so weit bist, und vor allem auch alt genug dafür, dann gebe ich dir gerne Tipps."

"Tipps? Du mir? Über Sex?"

"Warum meine Weisheit nicht mit meiner Schwester teilen?"

"Weil ich nicht hören will, wie du von Sex redest", blafft sie mich an und steht auf. "Außerdem weiß ich darüber schon eine Menge." Ich muss anfangen zu grinsen. "Lach nicht! Das ist wahr!" Abwehrend hebe ich die Hände und zwinge meine Mundwinkel nach unten. "Sag Meilo einen lieben Gruß, wenn du nachher mit ihm telefonierst", sagt sie noch, dann rauscht sie aus meinem Zimmer.

Aufklärungsgespräche mit meiner Schwester. Zum Glück habe ich bis dahin hoffentlich noch ein wenig Zeit, falls es überhaupt so weit kommen sollte. Obwohl …

Je eher sie einen Freund hat, desto besser für mich. Dann muss ich sie nicht mehr von Meilo fernhalten.
 

***
 

Eine Woche später lehne ich mich gelangweilt gegen die Theke des Weinkellers. Keine Kundschaft weit und breit.

Der Winter hat uns voll im Griff. Es liegt so viel Schnee, dass wir mit dem Räumen des Bürgersteigs kaum nach kommen. Clem streut gerade eine Fuhre Streusalz auf den frisch gefegten Bürgersteig. Mal sehen, wie lange das dieses Mal hält. Bei der Schneemenge nicht lang.

Wie bereits erwähnt, ist dementsprechend wenig los im Weinkeller. Weinproben sind für heute keine geplant, also bleibt nur der alltägliche Strom an Laufkundschaft. Oder sollte ich besser sagen, das kleine Flüsslein an Laufkundschaft. Seit ich heute im Laden bin, haben sich gerade mal zwei Leute zu uns verirrt. Und nur einer hat was gekauft. Eine Packung Nudeln und einen Löffel aus Olivenholz. Wie trostlos und langweilig.

"Sauwetter!", pustet Clem, der weiß wie ein Schneemann den Laden betritt. "Das Zeug nervt!"

"Armen", gähne ich.

"Das nächste Mal bist du wieder dran mit fegen."

"Ist gut."

Clem geht hinter und schält sich aus der feuchten Kleidung. Als er fertig ist, stellt er sich neben mich und lehnt sich, wie ich, gegen die Theke. "Du hast es gut. Du hast bald wieder frei." Clem macht ein beleidigtes Gesicht.

"Doch nur für ein paar Tage", wende ich ein.

"Und? Das reicht doch. Schön mit seinem Liebsten im Warmen verkriechen ... Hach, wäre das schön."

"Ich kann mich mit Meilo nicht im Warmen verkriechen. Wir müssen zu seinen Eltern gurken. Das bedeutet eine nervige Autofahrt durch Schneematsch, meine Nerven, die zum Zerreißen angespannt sind, weil ich mich seinen Eltern vorstellen muss, und danach treffe ich auch noch Meilos gesamte Familie. Wenn ich nur daran denke, bekomme ich Schweißausbrüche." Ich raufe mir die Haare. Am liebsten würde ich absagen, aber das kann ich natürlich nicht.

"Schweißausbrüche? Wie praktisch. Dann denk an deine Schwiegereltern, bevor du raus musst, Schnee schippen." Lachend verpasse ich Clem einen Ellenbogenstupser.

"Aber mal im Ernst. Ich habe wirklich Muffensausen wegen der Feier."

"Das schaffst du schon", sagt Clem. "Ich hab's ja auch geschafft."

"Ach stimmt ja! Wie war es denn?" Clem hat letztes Wochenende Kilians Eltern kennengelernt. Ich konnte sie noch nie leiden. Nach Kilians Outing sind sie lange Zeit auf Abstand zu ihm gegangen, haben nur das Nötigste mit ihm geredet. Ich glaube, deshalb war Kilian auch immer so zurückhaltend, sobald er mit mir in der Öffentlichkeit war. Dass das bei Clem und ihm nun anders ist, freut mich für ihn. Er scheint damit abgeschlossen zu haben, was zu einem gewissen Teil sicher auch Clems Verdienst ist.

Es verursacht mir schon leichte Stiche im Herzen, dass dies ausgerechnet mit Clem geschafft hat, und nicht mit mir. Wieder ein Beweis dafür, dass Kilian und ich eben nicht richtig zusammengepasst haben.

"Es war wie das Wetter: Frostig", berichtet er mir. "Zwei Stunden Kaffee trinken und das fast Kommentarlos. Ich war froh, als sie wieder weg waren. Und Kilian auch."

Ich nicke wissend. "Kilians Eltern sind schwierig. Aber es ist auszuhalten."

"Ja ... trotzdem schade. Meine Eltern würden sie auch gern mal treffen, so von wegen sich über ihre Sprösslinge unterhalten und so, aber ich glaube, das ist keine gute Idee."

"Warum nicht?"

"Ich will nicht, dass es Stress gibt."

"Aber vielleicht hilft es." Eigentlich glaube ich selbst nicht daran, nicht bei Kilians Eltern, aber man weiß ja nie.

"Mal sehen. Wahrscheinlich würden Kilians Eltern sowieso keinem Treffen zustimmen."

"Kann sein."

"Ich denke, sie waren auch nur anstandshalber zu Besuch. Mal den Neuen unter die Lupe nehmen und gut is. Hattest du viel Kontakt mit ihnen?"

"Nein." Und darüber bin ich froh gewesen. "Vergiss sie. Kilian täte auch gut daran. Hat er sich hinterher wieder über sie aufgeregt?"

"Ein wenig. Aber ich konnte ihn erfolgreich ablenken", grinst Clem.

Ich klopfe ihm auf die Schulter. "Mit dir hat Kilian einen Volltreffer gelandet. Du weißt ihn besser anzupacken, als ich es jemals gekonnt habe."

"Tja! Gewusst wie", lacht er. "So! Und da wir das nun geklärt haben, wie helfen wir dir jetzt weiter?"

"Wie willst du mir helfen? Da muss ich alleine durch."

"Das heißt aber nicht, dass wir dich nicht bestens auf das Treffen deiner Schwiegereltern vorbereiten können", meint er und stößt sich von der Theke ab. "Was ziehst du denn an?"

"Weiß nicht." Ich zucke mit den Schultern. "Ich muss Meilo noch fragen, was für ein Dresscode bei der Feier herrscht." Er hat schon mal anläuten lassen, dass er einen Anzug trägt. Kein Problem. Ich leihe mir einfach einen von Logan. Der hat ja genug.

"Doch nicht für die Feier!", ruft Clem. "Ich meine für das erste Zusammentreffen mit deinen Schwiegereltern!"

"Oh. Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht."

"Siehste? Gut, dass du mich hast." Er klatscht in die Hände. "Wie wäre es mit Shoppen? Nach der Arbeit?"

"Shoppen? Bei dem Wetter?" Ich zeige Richtung Schaufenster auf dieses Winter-Horror-Kotzland.

"Klar! In den Läden ist nichts los!"

"Ich weiß nicht ..." Ich hatte mich schon so auf eine heiße Wanne gefreut. Und auf mein Telefonat mit Meilo. Vielleicht hätte ich beides miteinander verbunden, so wie vorgestern ...

"Na los komm schon! Du kannst doch nicht in den zerlumpten Klamotten zu deinen Schwiegereltern, in denen du tagtäglich herumschlurfst!"

"Zerlumpt?!" Bitte?! Wo schlurfe ich denn bitte zerlumpt herum?

"Los! Gib dir einen Ruck. Für Meilo." Clems Augen funkeln, als wäre er ein Kind unterm Weihnachtsbaum.

"Na schön. Gehen wir einkaufen", gebe ich nach. Ganz unrecht hat er nicht. Nicht das mit dem zerlumpt sein (ich kleide mich zwar gern bequem, renne aber ganz sicher in keinen alten Lumpenklamotten herum), aber damit, dass ich vielleicht doch was Schickeres für das erste Treffen anziehen sollte.

"Klasse!" Er reißt die Hände in die Luft. "Aber das heißt Shoppen. Nicht einkaufen."

"Von mir aus", brumme ich, während Clem strahlt wie dreißigmillionen Lichterketten.

Warum habe ich nur so das dumme Gefühl, dass Clem nicht ganz uneigennützig handelt?
 

Nachdem wir endlich Feierabend gemacht, und uns dick eingepackt haben, geht es auch schon los.

Das Einkaufszentrum ist nicht weit vom Weinkeller entfernt, weshalb wir zu Fuß gehen. Mit der U-Bahn wäre schwachsinnig, wenngleich zwar wärmer, aber bis wir mit ihr auch nur einen Meter gefahren sind, sind wir auch schnell zum Einkaufszentrum gelaufen.

Dort angekommen, erschlägt uns die bullige Heizungsluft, die sie einem immer im Eingangsbereich entgegen pusten, beinahe. "Warum müssen die einen immer so einheizen?", krächze ich und schäle mich aus der Jacke.

"Damit sich schöne Männer wie wir sich ausziehen", kichert Clem.

"Genau daran wird es liegen." Spinner! "Wohin?" Wir stehen vor der Rolltreppe.

"Oben ist ein toller Laden", meint meine Einkaufsberatung und steht schon auf der Rolltreppe. Ich latsche hinter ihm her.

"Aber bitte nichts zu auffälliges, oder gar zu elegantes. Ich will nicht aufgesetzt rüberkommen."

"Keine Angst. Ich dachte eher an so eine Art norwegischer Winterschick." Was auch immer das ist, es klingt ganz okay.

Oben im zweiten Stock schleift Clem mich bis fast ganz nach hinten in einen recht großen Klamottenladen. Den Store kenne ich doch! "Clem?"

"Hm?"

"Hier waren wir schon mal."

"Echt? Wann?"

"Du weißt es nicht mehr?"

"Was denn?" Nicht zu fassen! Er erinnert sich nicht!

"Unsere erste Begegnung! Als du mit Kilian hier warst und Meilo gerade mit mir aus der Kabine gekommen ist."

"Ach ja!" Eben macht es Klick bei Clem. "War das peinlich gewesen!", lacht er.

"Oh ja." War schon irgendwie strange gewesen. Ich mit meinem Neuen, mein Ex mit seinem Neuen ... Das sind Begegnungen, die keiner gerne macht. Doch dass ich mal hier mit dem Neuen meines Exfreundes einkaufen würde, daran hätte ich damals noch nicht mal im Traum gedacht!

"Hmhm ... Aber was meintest du eben mit, als Meilo und du aus der Kabine gekommen seid? Wart ihr da zu zweit drinnen gewesen?" Ups! Ich hab mich verplappert.

"Äh ... Ich hatte was anprobiert und Meilo gefragt, wie es aussieht, und ..."

"Du wirst ja rot!" Shit! "Boha! Ihr Schweine! Im Kaufhaus?! Echt jetzt?"

"Psst!" Muss er das so laut herumbrüllen? "Wir waren frisch zusammen. Da hat man sich eben nicht immer unter Kontrolle", rede ich mich raus. Als ob wir uns je unter Kontrolle hätten. Aber lassen wir das.

"Ah ja", grinst Clem. "Und das ist jetzt anders?"

"Ja", schnaube ich und marschiere einfach an ihm vorbei, obwohl ich weiß, dass er mir nicht glaubt. Ich glaube mir ja selbst nicht. "Und Clem? Was soll ich jetzt deiner Meinung nach bei Meilos Eltern tragen?"

"Ich hätte da schon was im Auge", strahlt er und saust davon. Ich bin eben der König der Ablenkungsmanöver!

Als ich bei Clem ankomme, hat er schon einen Stapel voll Kleidung über seinem Arm hängen. "Schau mal! Die Hose und der Pullover. Wie findest du das?"

"Ganz nett", gebe ich zu.

"Nur nett? Dann nein!" Schon wandert das ausgewählte Outfit zurück auf die Verkaufsauslage. Ähm ... Ich glaube, das hier wird doch eine längere Aktion. "Auf jeden Fall brauchst du einen hellen Pullover! Oder was in Grau? In einem hellen Grau. Dazu eine schwarze Jeans, oder eine in Marineblau. Oh ja! Das wäre toll." Ob Clem es bemerken würde, wenn ich mich davonschleiche?

"Kilian geht nicht oft zusammen mit dir shoppen, oder?"

"Was? Nein. Nicht mehr so oft." Ich grinse in mich hinein. "Kilian ist so eine Spaßbremse! Mit ihm macht shoppen keinen Spaß. Er nörgelt nur, drängelt, und fragt: Brauchst du das wirklich? Das nervt!"

"Ich erinnere mich", grinse ich.

"Oh. Stimmt ja."

"Das konnte aber auch sehr praktisch sein", wende ich ein. "Unseren Wocheneinkauf hat Kilian immer unter einer halben Stunde hinter sich gebracht. Darin war er einsame Spitze."

"Ja, aber er kauft auch immer nur das, was auf dem Einkaufszettel steht. Und wehe, man weicht von ihm ab." Wir lachen leise. "Einmal habe vor lauter Wut darüber den Zettel geschnappt, einen Kugelschreiber aus meiner Jacke gezogen, und draufgeschrieben, was ich eben in den Einkaufswagen geschmissen habe. Da hat er blöd geguckt, sage ich dir!"

Ich fange an zu lachen. Das hätte ich zu gern gesehen! "Kilian hat eben so seine Eigenheiten", schmunzle ich.

"Die hat er. ... Ihm klingeln gerade sicher die Ohren, so, wie wir über ihn reden", kichert Clem.

"Das kann gut sein." Wäre es nicht lustig, wenn es wirklich so wäre? Sein Partner und sein Ex unterhalten sich über seine kleinen Schrullen. Wenn Kilian da mal nicht bald Kopfschmerzen hat.
 

Nach dem kleinen Ausflug in meine Vergangenheit und Clems Gegenwart, durchforsten wir gründlich die Männerabteilung, suchen aus, verwerfen wieder, halten Kleidungsstücke aneinander. Als wir die Auswahl schließlich auf sage und schreibe vier mögliche Outfits reduziert haben, suchen wir die Umkleiden auf. Selbstredend, dass ich die Hinterste ansteuere. "Probier schon mal eine der Hosen an, ich gehe nochmal vorn bei den Hemden gucken. Bin gleich wieder da."

"Hemden? Wozu denn noch Hemden?"

"Na für drunter! Das sieht schick aus." Ich stöhne genervt. "Jammere nicht! Hier geht es um deine Zukunft." Immer noch genervt schaue ich Clem nach, wie er um die Ecke biegt und zu den Hemden marschiert.

Mit einem lauten Surren ziehe ich den Vorhang zu und lege den Stapel Kleidung auf den Hocker. Bei dem Anblick der Plastiktrennwand in der altbekannten Holzoptik, werde ich ganz kribbelig. Schnell fummle ich mein Handy aus der Hosentasche und stelle mich vor den Spiegel. Noch ein dämliches Grinsen aufgesetzt und Knips, fertig ist das Erinnerungsfoto für Meilo, das ich ihm gleich zuschicke. Drunter noch ein *Rate mal, wo ich bin* und fertig.

"Schau mal!" Ratsch! Der Vorhang wird beiseite geschoben.

"Clem!"

"Was?"

"Du kannst doch nicht einfach so in die Kabine kommen!"

"Du siehst doch, dass ich das kann", grinst er, zieht den Vorhang wieder hinter sich zu und hält mir drei Hemden vor die Nase. "Wieso hast du noch keine Hose an?" Er zeigt auf mein Untergeschoss, das noch in meinen ollen 'zerlumpten' Jeans steckt.

"Ich war noch nicht so weit."

"Dann mach mal hin!"

"Jetzt?"

"Nee. Übermorgen. Klar jetzt!" Er verdreht die Augen.

"Ich ziehe mich sicher nicht vor dir aus."

Clem legt den Kopf schief, wobei eine seiner Augenbrauen nach oben wandert. "Als ob ich dir an die Wäsche gehen würde. Los jetzt! Hör auf zu zicken und runter mit dem Höschen. Ich suche derweil den passenden Pullover zur Hose und dann das passende Hemd zum Pullover." Verdattert schaue ich Clem dabei zu, wie er die Pullover vom Stapel nimmt und je zwei an die Harken der Umkleide hängt, um sie danach an die Hemden zu halten. Seufzend schüttle ich den Kopf, gebe aber nach. Wie gut, dass ich heute die langen Boxer angezogen habe!

Ich streife mir die Hose von den Beinen und schnappe mir die erstbeste Hose. "Nicht die! Nimm die Beige!"

"Jawohl, der Herr", feixe ich und falte das gute Stück auseinander.

Clem macht sich ganz schön breit in der engen Kabine, sodass ich Mühe habe, das Gleichgewicht zu halten, als ich in das erste Hosenbein steige. Aber es klappt und keine Minute später stehe ich in einer beige Hose vor Clem. "Sehr schick!", lächelt er. "Dazu jetzt dieses Hemd und den jeansblauen Pullover." Oberteil aus, Hemd an, Pulli drüber. Clem rückt mir noch den Kragen zurecht und fummelt am unteren Saum herum. "Passt! Mann, bin ich gut!"

"Ansichtssache", murre ich, wofür ich einen leichten Seitenhieb bekomme. "Au!"

"Nicht jammern habe ich gesagt. Stell dich mal gerade hin." Es blitzt.

"Hast du eben ein Foto von mir gemacht?", frage ich fassungslos.

Clem nickt. "Wie sollen wir sonst die Outfits miteinander vergleichen?" Mein Unterkiefer spannt sich an. Nicht aufregen Nic. Schön ruhig bleiben.

"Das hier passt und sieht gut aus. Ich nehme es." So kauft man Kleidung ein.

"Zuerst probieren wir noch die anderen an!", bestimmt Clem und zieht mir den Pullover über den Kopf. Und das ziemlich rabiat. Ich komme mir vor, wie in meiner Kindheit, als mich meine Mutter noch an- und ausgezogen hat. "Jetzt die schwarze Hose. Und trödle nicht, wir müssen noch Schuhe kaufen." AHHHHH!
 

Nachdem ich gezwungener maßen alle Outfits angezogen habe, und Clem auch brav ein Foto von jedem geschossen hat, ist die Wahl dann doch auf die erste Kombi gefallen. "Ich habe es doch gesagt", schnarre ich. "Das erste ist es."

"Aber das konnten wir vorher nicht wissen."

"Ich schon."

Clem tätschelt mir die Schulter. "Zieh dich wieder an, dann bist du erlöst."

"Oh Danke!", juble ich und klatsche in die Hände. Clem verzieht das Gesicht und fängt an, alles wieder ordentlich zusammen zu legen. Ich steige derweil aus der Hose und krame in dem Haufen nach meiner Eigenen.

Sie gefunden, will ich sie mir gerade anziehen, da geht der Vorhang auf. Erschrocken halte ich in der Bewegung inne. "Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?", fragt eine Angestellte des Ladens und sieht uns griesgrämig an.

Ich blinzle und versuche mir ein Bild von dem Gesamtbild zu machen, in dem wir uns befinden. Ich, unten herum fast nackt, in halb gebückter Haltung, den Fuß in einem Hosenbein steckend, und Clem, der auf dem Boden hockt, mir mehr als ungünstig zugewandt. Das könnte man jetzt wirklich falsch deuten, denke ich so bei mir. Aber was macht Glem? Der hebt der Angestellten die bereits zusammengelegten Pullover entgegen und sagt: "Die passen nicht. Wenn Sie so freundlich wären, und sie wieder zurückbringen?"

Stille. Die Augen der Angestellten wechseln zwischen mir und Clem hin und her, dann seufzt sie äußerst genervt, nimmt meinem Kumpel die Pullover ab und stampft davon. Ohne vorher den Vorhang zuzuziehen. "War die aber unfreundlich", mault Clem. "Und du? Zieh dich endlich mal an!" Oh Mann! Sklaventreiber!
 

Ich konnte Clem dann doch dazu überreden, keine Schuhe zu shoppen. "Zuhause habe ich genug, und da sind bestimmt auch welche drunter, die hierzu passen", sagte ich zu ihm. Und nun stehe ich, glücklich und froh, auf der Rolltreppe, auf den Weg nach unten.

"Nic? Kann ich dich mal was fragen?"

"Was denn?", erwidere ich und erschnuppere den Duft von Pizza. Irgendwo muss ein Stand sein. Mein Magen knurrt.

"Bald ist doch Weihnachten."

"Wie man unschwer erkennen kann", grinse ich und zeige auf einen hässlichen, dicken, aufblasbaren Weihnachtsmann, den sich ein Elektrogeschäft ins Schaufenster gestellt hat.

"Ja. Niedlich", kichert Clem. Niedlich? Geschmäcker sind eben verschieden. "Ich dachte, wo wir schon mal hier sind, könnte ich ja schon mal ein Geschenk für Kilian suchen", meint er, und lässt es so schön auffällig unauffällig klingen, dass ich hellhörig werde.

"Mit anderen Worten: Du hast keine Ahnung, was du ihm schenken sollst, und erhoffst dir von mir Hilfe", rate ich ins Blaue.

"Na ja ... Wenn du es so formulierst ... Ja! Hilf mir!" Da haben wir den Grund für Clems Einkaufs... äh Shoppinngsorgie. Er hatte doch Hintergedanken.

"Ich weiß nicht", murmle ich und trete von der Rolltreppe. "Wenn ich dir Tipps gebe, wird Kilian wissen, dass es von mir kommt."

"Biiiiitte!", fleht Clem und packt meinen Arm. "Ich habe wirklich null Ideen! Und er sagt mir nichts, obwohl ich ihn gefragt habe. Er meinte bloß, ich solle keinen großen Hype darum machen. Was soll ich mit dieser Info anfangen?" Ja, ja. Der gute, alte weihnachtshassende Kilian.

"Kilian mag Weihnachten nicht besonders", sage ich zu Clem. "Er ist froh, wenn er seine Ruhe hat und mit dir faul auf dem Sofa herumlümmeln kann. Mehr braucht er nicht."

"Was? Aber das geht doch nicht!"

"Geht schon. Und es ist nicht die schlechteste Art, Weihnachten zu verbringen." Da fällt mir ein, wie trostlos mein Weihnachten werden wird, ganz ohne Meilo. "Hauptsache, ihr seit zusammen. Das ist doch alles was zählt", murmle ich traurig.

"Du denkst gerade an Meilo. Hab ich recht?"

"Was hat mich verraten?"

"Da war erst das Leuchten in deinen Augen, das du immer hast, wenn du an ihn denkst. Und dann hast du traurig in die Ferne geschaut, was du immer tust, wenn dir klar wird, dass ihr euch vorerst nicht mehr seht." Nicht zu fassen!

"Du kennst mich aber schon verdammt gut."

"Logisch! Wir kennen uns ja auch schon eine Weile." Clem stupst mich an. "Reden?"

"Es gibt nicht viel zu reden. Meilo ist die Feiertage über unterwegs."

"Oh. Das ist doof." Ich nicke. "Aber ihr seht euch doch kurz danach, nicht?"

"Ja", strahle ich. "Und dann geht er auch nicht mehr weg."

"Besser als jedes Weihnachtsgeschenk."

"Und wie!" Das Beste überhaupt!

"Ich sollte vielleicht auch wegfahren und an Weihnachten wiederkommen. Das wäre dann Kilians Geschenk."

"Ich glaube, da finden wir was Besseres", grinse ich und lege meinen Arm um Clems Schulter.

"Das heißt, du hilfst mir?"

"Warum nicht? Und ich hätte auch schon eine Idee." Clem klatscht in die Hände und freut sich riesig. Kein Wunder. Es ist furchtbar, wenn man keine Idee für ein Geschenk hat.

Apropos. "Danach musst du mir aber helfen", sage ich zu ihm.

"Bei was?"

"Ich brauche noch ein Präsent für Meilos Eltern. Ich kann ja nicht mit lehren Händen ankommen."

"Das geht nicht."

"Siehste?" Ich steuere ein Reisebüro an. "Meilo hat gesagt, seine Eltern lieben Italien."

Clem runzelt die Stirn. "Eine Reise? Du schenkst ihnen eine Reise?"

"Was? Nein! Das wäre doch merkwürdig."

"Und wieso stehen wir vor einem Reisebüro?"

"Weil du jetzt für dich und Kilian ein paar Tage Entspannungsurlaub buchst. Genau über die Feiertage."

"Tue ich?"

"Jawohl. Damit machst du ihm nämlich die größte Freude. Eine weihnachtsfreie Zone." Das ich diese Idee schon selbst für ihn mich geplant hatte, verschweige ich. Ich wollte ihn schon letztes Jahr einladen, aber dank meiner plötzlichen Arbeitslosigkeit, die ich letztes Jahr genau um diese Zeit verkündet bekommen hatte, fiel der Plan ins Wasser.

"Kilian wollte schon immer mal nach Prag", überlegt Clem. "Wäre das was?"

"Sicher." Ich zucke mit den Schultern. "Wohin, das entscheide mal lieber du."

"Okay. Und morgen stellen wir dir im Weinkeller einen schönen Präsentkorb zusammen."

"Für mich? Das wäre doch nicht nötig gewesen."

"Doch nicht für dich du Doofie! Für deine Schwiegereltern." Hä? "Weißt du nicht mehr? Wir arbeiten in einem Laden mit den erlesensten Produkten aus den verschiedensten Ländern. Italien zum Beispiel." Clems Mundwinkel ziehen sich so weit nach oben, dass ich schon die Befürchtung habe, dass sein Gesicht in zwei Hälften geteilt wird. Aber er hat recht.

"Ich Idiot!", rufe ich und schlage mir vor die Stirn. "Das ich nicht selbst drauf gekommen bin."

"Tja. Wozu hat man Freunde?" Aber echt! Ohne meine Freunde wäre ich schon sehr oft ganz schön aufgeschmissen gewesen.
 

***
 

Clem buchte sofort die Reise. Einen Tag vor Weihnachten geht sie los und dauert bis zum darauffolgenden Sonntag. Ich versprach ihm, für ihn an Heiligabend einzuspringen und eine Doppelschicht zu schieben, damit KP nicht am Rad dreht, wenn Clem gerade am umsatzstärksten Tag fehlt. Das zusätzliche Geld kann ich gut gebrauchen, besonders für meine Weihnachtseinkäufe, die schon jetzt ein mein Konto halb geplündert haben. Doch wenigstens habe ich für jeden eine Kleinigkeit gefunden, na ja, bis auf Meilo. Für ihn muss ich mir was ganz Besonderes einfallen lassen, und mir schwebt da schon etwas im Kopf herum, aber das muss ich mir noch genauer überlegen. Jetzt muss ich erst mal die Silberhochzeit überstehen, dann sehe ich weiter.
 

Wieder zuhause, übergebe ich meiner Mutter die Einkaufstasche, die sie unbedingt durchstöbern möchte. "Wie hübsch!", jauchzt sie und breitet den jeansblauen Pullover vor sich aus. "Und die Hose! Mal ganz was Neues. Seit wann trägst du beige?"

"Seit Clem mich dazu genötigt hat."

"Er hat wirklich einen guten Riecher. Er sollte das beruflich machen."

"Ich schlage es ihm bei Gelegenheit mal vor", schmunzle ich. Eigentlich gar keine so schlechte Idee. Das wäre der Job für ihn.

"Berät er auch Frauen?"

"Solange er in Kaufhäusern herumwühlen kann, ist es ihm egal, mit wem er das tut."

"Er könnte mal mit mir shoppen gehen."

"Guter Einfall. Dann schleifst du nicht immer mich mit." Mama seufzt und rafft meine neuen Kleidungsstücke zusammen.

"Da habe ich schon einen schwulen Sohn und ausgerechnet er ist ein Einkaufsmuffel!"

"Hey!"

Mama lacht leise. "Ich stecke das gleich mal in die Maschine", sagt sie und steht auf.

"Tu das", brumme ich und weg ist sie. Praktisch, so eine Mutter. Wenn ich ausgezogen bin, muss ich wieder waschen. Es ist nicht so, dass ich hier nichts mache, oder es mir was ausmacht, selbst meinen Kram zu waschen, aber mit ihrer Waschmaschine ist Mama eigen. Gott weiß wieso, aber sie hegt und pflegt sie wie einen Goldschatz, und wir dürfen nur in Notfällen an sie ran. Dafür darf ich die Wäsche aufhängen und bügeln.

Unwillkürlich muss ich mir Meilo als Hausmann hinterm Bügelbrett vorstellen. Meine Mundwinkel zucken nach oben. Die Vorstellung hat was. Er, eingehüllt in heißen Dampf ... Ich runzle die Stirn. Meilo hat mir noch gar nicht geantwortet. Oder?

Ich zücke mein Handy. Es blinkt und als ich nachschaue, wer es blinken lässt, bin ich beruhigt. Meilo. Er muss mir zurückgeschrieben haben, als ich die Kleidung anprobiert habe. Mal sehen, was er mir auf das Foto geantwortet hat. Bin echt gespannt.

*Was machst du in der Umkleidekabine? Bist du allein?* Oho! Da ist aber jemand neugierig. Anstatt ihm per SMS zu antworten, rufe ich ihn gleich an.

Meilo geht schon nach dem ersten klingeln ran, als hätte er nur auf meinen Anruf gewartet, was er sehr wahrscheinlich auch hat. /Nic! Na endlich!/ Was hab ich gesagt?

"Dir auch einen wunderschönen guten Abend, mein Liebling", grinse ich. "Wie ich sehe, hast du mein Foto bekommen."

/Habe ich/, antwortet er. /Und wieso meldest du dich jetzt erst?/

"Ich habe nicht mitbekommen, dass du mir geschrieben hast. Hatte meine Hose nicht an." Es bleibt still am anderen Ende der Leitung. "Meilo?"

/Sag mir, dass du alleine in der Umkleide warst./ Ach her je! Er hat sich tatsächlich Sorgen gemacht?

Weil ich weiß, wie sensibel er manchmal darauf reagiert, beruhige ich ihn gleich. "Ich habe mit Clem ein Outfit für deine Eltern ausgesucht."

/Einen Anzug? Du hast doch welche./

"Nein, keinen Anzug", lache ich, weil er, genau wie ich vorhin, gar nicht an das Offensichtlichste gedacht hat. "Clem brachte mich darauf, dass ich beim ersten Zusammentreffen mit deinen Eltern nicht gerade in Jeans und Pulli antanzen sollte. Hinterher fragen sie sich noch, was ihr Sohn da für einen zerlumpten Typen anschleift." Ich schließe die Augen. Zerlumpt hat auch Clem gesagt.

/Du bist doch nicht zerlumpt!/, gluckst Meilo.

"Na du weißt, wie ich das meine. Ich will einen guten ersten Eindruck hinterlassen."

/Das wirst du, egal in welchen Klamotten du steckst. Bei mir hat es auch funktioniert./ Mir wird heiß.

"Wieso? War an meinen Klamotten damals was auszusetzen?" Soweit ich mich recht erinnere, hatte ich mich ziemlich aufgedonnert, weil ich Kilian eine gute Show liefern wollte.

/Gar nichts. Im Gegenteil/, raunt Meilos Stimme in mein Ohr. /Ich weiß noch, wie scharf deine Rückansicht ausgesehen hat, als du dich unters Auto gebeugt hast, um die Abschleppstange zu befestigen. Ich hätte dich am liebsten auf der Stelle vernascht./

"Darauf hatte ich es abgezielt", kichere ich. So ganz entspricht das nicht der Wahrheit, aber ich habe schon darauf geachtet, dass er auch ja meinen Hintern zu sehen bekommt.

/Hätte ich das nur vorher gewusst!/

"Was hättest du dann gemacht?"

/Bist du allein?/ Ich schaue zur Wohnzimmertür. Hier werde ich definitiv nicht allein sein.

"Noch nicht", antworte ich und stehe auf. "Aber gleich."

/Beeil dich/, haucht Meilo rau. Das muss er mir nicht zwei Mal sagen!
 

******

Love bite 44 - Herz aus Marzipan

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 44 - Herz aus Marzipan (Ohne Adult)

;____; Jetzt hinke ich mit den Kapitel doch schon wieder hinterher. Vor lauter Arbeit vergesse ich euch ständig >_< Aber ich habe mir fest vorgenommen, dass es jetzt erstmal jeden Tag ein neues Kapitel für euch gibt. Bis ich alle aufgeholt habe und wieder auf Stand bin xD Nicht, dass Weihnachten zu spät kommt O_O
 

Trotz allem, so langsam schlittern wir auf das Ende zu. Ob ich die 50 Kapitelmarke noch knacke? Lasst euch überraschen ;-)

Drückt Niclas jedenfalls schon mal die Daumen, dass ihn seine Schwiegereltern ins Spe auch gut leiden können, denn die tauchen sicher auch bald auf. ^^
 


 

Love bite 44 - Herz aus Marzipan (Ohne Adult)
 

Was ist denn jetzt los?!

Erschrocken reiße ich die Augen auf. Alles dunkel. Dafür klingelt mein Handy Sturm, weshalb mein Herz panisch gegen die Rippen schlägt.

Noch im Halbschlaf suche ich nach dem Scheißding, und überlege, dass es eigentlich nur einer sein kann, der mich nachts aus dem Schlaf klingelt. Wehe, es ist doch wer anders! Dann werde ich sauer.

Mein Handy gefunden (es lag auf dem Boden unter einer Socke. Wie es da hingekommen ist, weiß ich auch nicht), hebe ich ab, schließe aber die Augen wieder, weil das grelle Licht vom Display mich beinahe erblinden lässt. "Ja?"

/Habe ich dich geweckt?/ Logisch ist es Meilo, der mich aus dem Schlaf geläutet hat.

"Hast du", krächze ich müde und leicht mürrisch. "Und wenn ich jetzt vor lauter Schreck graue Haare habe, bist du auch dran Schuld." Dieser Schuft lacht auch noch! "Was ist? Ist etwas passiert?

/Nein./

"Wieso rufst du dann an? Kommst du gerade von einem Auftritt zurück? Wie spät ist es eigentlich?" Fragen über Fragen.

/Es ist halb vier./

"Halb vier? Spinnst du? Es ist noch mitten in der Nacht!" Fuck! Warum weckt er mich? Ich freue mich ja immer, wenn er mich anruft, aber nicht, während meiner Tiefschlafphase! Dabei hatte ich einen so schönen Traum ...

/Ich kann auch wieder gehen, wenn du mich nicht sehen willst/, sagt er mit einem schmollenden Unterton in der Stimme.

"Wir telefonieren morgen, ja? Leg dich hin und schlaf."

/Ja aber .../

"Nacht Meilo. Lieb dich." Ich lege auf. Was ist nur in ihn gefahren? Halb vier! Manchmal spinnt er wirklich! Ich lege das Handy wieder hin. Dieses Mal auf meinen Nachttisch, wo es auch hingehört.

Müde kuschle ich mich ins Kissen und döse dahin. Ob ich jetzt noch mal einschlafen kann? 'Ich kann auch wieder gehen, wenn du mich nicht sehen willst', höre ich in Gedanken Meilos Stimme. Mein armer Meilo. Ich hätte ihn vielleicht nicht so abwürgen soll... Moment mal!

Ich springe auf und starre in die Dunkelheit. "Wenn ich ihn nicht sehen will?" Hat er das wirklich gesagt? "Scheiße!" Ich greife zu meinem Handy, das just in diesem Moment piepst. Eine MMS von Meilo. Ein Foto von unserem beleuchteten Klingelschild. Meine Müdigkeit ist mit einem Schlag wie weggeblasen. "Scheiße!", rufe ich ein zweites Mal und falle halb aus dem Bett, als ich aufstehe, gehetzt in meine Hausschuhe schlüpfe und hinaus in den Flur rase, nachdem ich mein Handy noch schnell auf den Schreibtisch geworfen habe. Dort laufe ich leise weiter, stehle mich durch die Wohnungstür und tapse die Stufen nach unten, bis ich vor der Haustür stehe und sie aufreiße.

"Na endlich! Willst du, dass ich hier draußen erfriere?"

"Meilo! Wie kommst du denn hier her?" Total baff starre ich meinen Schatz an.

"Mit dem Auto", lacht er und zieht mich an sich.

"Kalt!", hauche ich. "Du bist schweinekalt!"

"Das ist nur deine Schuld."

"Sorry. Aber ich konnte ja nicht ahnen, dass du hier bist. Komm schnell rein." Ich lasse ihn an mir vorbeilaufen und schließe die Tür wieder eilig, damit die eisige Luft draußen bleibt. "Gehen wir erstmal hoch. Sei aber leise. Die schlafen alle." Meilo nickt und geht vor.

Noch immer leicht fassungslos über seine plötzliche Anwesenheit, laufe ich hinterher.

In meinem Zimmer stelle ich ihn schließlich zur Rede. "Du bist einen Tag zu früh hier."

"Schlimm?" Meilo lächelt verschmitzt.

"Nein! Gar nicht, aber du hättest mich auch mal eher Bescheid geben können, anstatt mich einfach so mitten in der Nacht zu überrumpeln!"

"Warum nicht? Das tust du doch auch öfter." Punkt für Meilo.

"Ach verdammt! Komm schon her!" Ich ziehe ihn an mich und ignoriere seine kalte Kleidung. Wie ein Süchtiger auf Entzug stürze ich mich auf seinen Mund. Selbst seine Lippen sind frostig, weswegen der Kuss kürzer ausfällt, als geplant. "Zieh dir schnell was Warmes an. In der Zwischenzeit mache ich dir einen Tee", schlage ich vor.

"Das hört sich gut an." Noch ein Kuss, dann schleiche ich mich in die Küche und setze Wasser auf. Ich glaub's nicht! Meilo ist da! Ist das nicht wahnsinnig schön?
 

Bewaffnet mit zwei Tassen Tee und eine Packung Schokoladenkekse, die ich unter meinen Arm geklemmt habe, gehe ich zurück in mein Zimmer. Meilo hat es sich in meinem Bett bequem gemacht. "Richtig kuschelig warm bei dir", sagt er und lächelt mich breit an.

"Gleich wird dir noch wärmer."

"So?"

"Jepp. Das ist Wintertee. Für gemütliche Stunden vor dem Karmin. Steht jedenfalls auf der Packung."

"Du hast einen Karmin?"

"Habe ich", kichere ich und rutsche zu Meilo unter die Decke. "Soll ich ihn dir zeigen?"

"Unbedingt ... Aber erst nach dem Tee", spricht's, mopst sich eine Tasse Tee sowie die Kekse und trinkt einen Schluck. "Lecker! Der wärmt von innen."

Ich nippe ebenfalls an meiner Tasse. "Erzählst du mir jetzt, was du schon so früh bei mir machst? Du wolltest doch erst morgen kommen." Ich rücke noch ein Stück dichter an Meilo ran und lehne mich gegen seinen Oberkörper.

"Mein Termin für heute Mittag wurde gecancelt. Da konnte ich einfach nicht mehr warten, habe meine Sachen gepackt und bin losgefahren."

"Weise Entscheidung", lobe ich ihn und stelle meine Tasse ab. Danach ist seine an der Reihe, die Kekse folgen.

"Ey! Die wollte ich noch essen!"

"Nachher", wispere ich und lösche das Licht meiner Nachttischlampe. "Jetzt begrüße ich dich erstmal ordentlich." Meilo schmunzelt, während ich mich auf ihn schiebe und mir einen innigen Kuss raube. Ein heißes Prickeln setzt in meinem Bauch und meiner Leistengegend ein.

"Begrüßt du jeden so, der euch besucht?", möchte Meilo nach dem Kuss belustigt wissen.

"Nur die, die es verdienen. Bis jetzt bist das nur du."

"Bis jetzt?"

"Sei brav, dann bleibst du der Einzige, der in den Genuss meiner Begrüßung kommt", gluckse ich und ziehe mit einem festen Ruck die Bettdecke über uns.
 

*
 

Stoßweise trifft mich Meilos schneller Atem an der Schulter. Mir rinnt der Schweiß über die Haut und ich fühle mich immer noch wie in einem Backofen gefangen. "Oh Mann!", rufe ich, ziehe meine Hand zwischen uns hervor und werfe die Bettdecke von uns. Wohltuend legt sich die Raumluft kühlend auf unsere Haut. "Ist dir auch ... so heiß?" Meilo nickt, bewegt sich aber nicht. Er schnauft einfach nur weiter. Wenn ich nicht so KO, und es nicht vier Uhr am frühen Morgen wäre, würde ich Meilo jetzt mit unter die Dusche schleppen. Hm ... Aber wieso eigentlich nicht? Wenn wir leise sind, hört uns keiner.

"Meilo? Steh auf."

"Nee."

"Komm schon. Du wirst schwer." Wird er nicht, aber das muss er ja nicht wissen.

Widerwillig schiebt er sich von mir runter. Ich setze mich auf und schwinge die Beine aus dem Bett. "Kommst du mit?"

"Wohin?"

"Ins Badezimmer."

"Jetzt?"

"Ja, jetzt. Ich muss duschen."

"Jetzt?" Lachend schüttle ich den Kopf und stehe auf.

"Bitte Meilo. Bei dem Wetter sollte man nicht verschwitzt im Bett herumliegen." Einladend halte ich ihm die Hand hin.

"Na schön. Aber nur, wenn du eine Flasche Wasser organisierst. Ich bin am Verdursten."

"Das lässt sich einrichten", verspreche ich ihm, ziehe ihn aus dem Bett, nachdem er mir seine Hand gereicht hat, und laufe mit ihm in den Flur hinaus. "Geh vor. Ich komme nach", flüstere ich. "Und sei leise!"

"Ja, ja."

"Ich geb dir gleich ja, ja."

"Hier und jetzt? Ich dachte, ich soll leise sein."

"Witzbold!", schnarre ich flüsternd und schubse ihn leicht in Richtung Badezimmer. "Bin gleich wieder bei dir."

"Beeil dich." Darauf kannst du wetten. Ich habe nämlich keinen Bock, mich von jemanden aus meiner Familie erwischen zu lassen, während ich nackt auf Wassserflaschenjagt gehe.

Ich tapse leise in die Küche, stibitze mir eine volle Flasche Wasser, die wir immer hinter der Tür in einem kleinen Schrank bunkern, und komme ungesehen im Badezimmer an. Meilo steht schon unter der Dusche, hat sie jedoch noch nicht angeschaltet.

"Hier."

"Die Firma dankt." Mit wenigen Schlucken hat er die Hälfte der Flasche geleert.

"Bekomme ich auch noch was ab?"

"Wenn du lieb bitte, bitte sagst."

"Bitte, bitte." Ich mache Kätzchenaugen und ziehe einen Schmollmund. Grinsend gibt Meilo mir die Flasche wieder zurück.

Nachdem ich auch davon trinken durfte, stelle ich mich zu ihm unter die Dusche. Das Wasser tut gut, auch wenn ich es nur ganz leicht aufgedreht habe. Wir beeilen uns, trocken uns ab, und schleichen mit je einem Handtuch um die Hüften wieder zurück in mein Zimmer. "Mission geglückt", lache ich und werfe mich aufs Bett. "Au!" Ich lande auf etwas Hartem. Die Geltube!

Sauer pfeffere ich sie aus dem Bett. "Na na na. Nicht so stürmisch. Vielleicht brauchen wir die noch."

"Ach ja?"

"Klar", gluckst mein Liebling, lässt das Handtuch fallen, und krabbelt zu mir ins Bett. Auch ich zupfe das Handtuch unter meinem Hintern hervor und werfe es über Bord. "Aber erst nachher. Jetzt will ich unbedingt schlafen." Kann ich verstehen.

"Warst du die ganze Nacht unterwegs?" Er nickt sichtlich erschöpft. "Du Armer. Komm her." Ich ziehe ihn an mich heran und lege die Arme um ihn. Sanft streichle ich durch sein noch nasses Haar, während er sich schnurrend an mich kuschelt. "Es ist so schön, dass du schon heute Nacht hergekommen bist."

"Hmhm."

"Dann haben wir einen ganzen Tag mehr. Nur für uns."

"Hmhm ..."

"Was hältst du davon, wenn wir nachher schön frühstücken gehen? Wir schleichen uns raus und düsen in die Stadt."

"Hm ..."

"Ich könnte uns auch was vom Bäcker holen. Du bleibst solange in meinem Zimmer und dann essen wir hier."

"Hm ..."

Ich drücke meine Nase in seinen Haarschopf. "Ich liebe dich."

"Hn ..." Hn? Mehr nicht?

"Schläfst du schon?"

"..." Ich lache leise. Antwort genug, würde ich sagen.

"Schlaf gut Schatz." Immer noch grinsend schließe ich die Augen. Schlafen hört sich gut an.
 

***
 

Draußen beginnt es zu dämmern. Trotz der kurzen Nacht sind wir bereits wach, liegen uns seitlich gegenüber und lassen unsere Finger verspielt miteinander rangeln. Dabei lächeln wir uns mit müden Augen an, schmusen hin und wieder miteinander und küssen uns. Aufwachen mit seinem Liebsten an der Seite kann ja so schön sein!

"Hey", kichere ich, weil Meilos Daumen plötzlich meinen gefangen hält. "Loslassen."

"Ich denk ja nicht dran", grinst er.

"Wenn du nicht loslässt, beiße ich dich."

"Das traust du dich nicht."

"Oh doch! Wetten?"

"Mit dir wette ich nicht."

"Feigling."

"Sprücheklopfer." Boha! Na warte!

Ich ziehe seinen Arm Richtung meinen Mund. Bevor Meilo reagieren kann, habe ich seinen Daumen schon zwischen meine Zähne genommen. Nicht fest natürlich, doch er soll sehen, dass ich es ernst gemeint habe.

Meilo gluckst vergnügt, und versucht seine Hand zu befreien, aber er hat keine Chance. Ich halte sie fest umschlossen. "Gnade!", fleht er. "Ich gebe auf!" Das wollte ich hören.

Ich lasse von ihm ab und beschaue mir das Ergebnis. Meilos Daumen ist feucht und leuchtet zart rosa. Man kann zwei kleine Halbmonde erkennen, die meine Zähne hinterlassen haben. Hm. So fest habe ich doch gar nicht zugebissen. "Autsch!", brummt mein Schatz. "Das war fies."

"Gar nicht ...", antworte ich und schaue unsere Hände an. So umschlungen, berühren sich die Tattoos an unseren Handgelenken, was mich auf eine Idee bringt.

Ich lasse Meilo los, klettere über ihn hinweg und springe aus dem Bett. "Nic?"

"Bleib so liegen! Bin gleich wieder da!" Mein Ziel ist der Schreibtisch, auf dem mein Handy liegt. Mit ihm in der Hand steige ich wieder über Meilo hinweg und lege mich an meinen Platz. "Hand her." Ich wedle mit meinen Fingern. Meilo reicht sie mir. Mit der anderen wähle ich die Kamerafunktion aus und stelle auf Automatik.

"Was wird das?"

"Ein Foto von unseren Tattoos. Das hatte ich schon lange vor", erkläre ich.

"Cool."

"Jepp." Sogar Obercool. Hypermegasupergeilocool. Gott! Haben wir früher wirklich so gesprochen?

Es gestaltet sich etwas umständlich, doch ich bekomme es hin, unsere Arme so auf die Matratze zu legen, dass unsere Hände noch miteinander verschlungen, und die Tattoos beide gut zu sehen sind. Die komische Verrenkung schmerzt zwar, aber egal. "Mach hin. Mein Arm wird taub", grantet Meilo.

"Moment ... Hab's gleich." Gar nicht so leicht. Da ich auf der rechten Seite liege, den Oberkörper halb aufgerichtet, meine linke Hand auf die Matratze drücke, und mit der Rechten versuche das Foto zu machen, muss ich erst einmal ein paar Probebilder schießen, aber dann habe ich es. "Geschafft!", freue ich mich und präsentiere Meilo das Ergebnis. "Noch einen Filter drauf und BAM! Ich habe endlich einen gescheiten Bildschirmhintergrund für mein Handy."

Meilo lacht. "Du nun wieder."

"Was denn?"

"Manchmal bist du echt wie eins meiner Fangirlies."

"Wer?! Ich?!" Hat der sie noch alle?

"Ja, du", lacht er, stiehlt mir einen Kuss und nimmt mir das Handy ab.

"Ey!" Ich versuche es ihm wieder abzunehmen, doch er hält es aus meiner Reichweite.

"Ich will das Bild nur an mich weiterschicken."

"Mach dir selbst eins! Gib her!"

Lachend rangeln wir miteinander, bis es von irgendwoher leise Piepst. "Hab es." Triumphierend übergibt er mir mein Handy wieder. Ich lege es auf den Nachttisch. "Jetzt will ich es nicht mehr", schmolle ich. Meilo schmunzelt und drückt mich an der Schulter nach hinten, bis ich auf dem Rücken liege. Im Nullkommanichts thront er über mir.

Er beugt sich hinab zu mir und schmust mit seinen Lippen über meinen Hals. Ich schließe die Augen und seufze wohlig. "Nic?", haucht Meilo mit sexy dunkler Stimme. Meine Bauchgegend fängt an, sanft zu kribbeln.

"Hm?" Das Schmusen endet. Ich sehe es zwar nicht, aber ich spüre, dass Meilo über mir aufragt und auf mich hinabblickt. Deshalb öffne ich die Augen wieder, und behalte recht. Meilos grüne Iriden fixieren mich. Das Kribbeln wird stärker und es zieht kräftig in meinem Schoß. "Was ist denn?", frage ich nochmal nach. Eigentlich kann ich mir schon denken, was er mir gleich sagen wir...

"Ich habe Hunger. Machst du mir Frühstück?"

Ich blinzle irritiert. Daran habe ich aber nicht gedacht. "Frühstück?"

"Ja. Du hattest mir heute Nacht versprochen, zum Bäcker zu gehen. Oder hast du das schon wieder vergessen?"

"Das habe ich nicht vergessen", sage ich. "Aber ..."

"Super! Ich nehme zwei Sesambrötchen und irgendwas Süßes. Mit Pudding oder Quark wäre toll! Oder etwas mit Früchten."

Das Bett wippt auf und ab. Meilo steigt wieder von mir runter und geht zu meinen Schrank rüber. Dort nimmt er sich eine meiner Shorts und zieht sie sich an. "Erst Durst, dann Hunger und nun mopst du dir auch noch meine Unterwäsche. Du bist ja ganz schön pflegebedürftig", murmle ich, stehe ebenfalls auf und trete an ihn heran.

"Meine Koffer sind noch im Auto", erklärt er mir. "Außerdem brauchen schöne Männer Pflege und Zuwendung. Deswegen kümmere ich mich immer so gut um dich." Meilo lacht und umarmt mich von hinten.

"Und wieso muss ich dann zum Bäcker?"

"Da gibt es mehrere Gründe", meint er.

"Und die wären?"

"Erstens: Du bist hier zuhause und ich dein Gast." Klingt logisch. "Zweitens: Du hast mir gesagt, dass du Brötchen holen willst." Stimmt. Das habe ich. "Und drittens: Du hast mir verboten dein Zimmer zu verlassen." Oh.

"Oh."

"Ja, oh. Du willst mich ja immer vor deiner Familie verstecken, also lebe mit den Konsequenzen und hol mir was zu Essen." Ich bekomme einen Kuss in den Nacken, dann werde ich wieder losgelassen. "Beeilst du dich? Mein Magen knurrt." Mit einem entspannten Ächzen legt sich Meilo wieder in mein Bett und tippt auf seinem Handy herum. Püüh! Irgendwie gemein, aber da ich ihm ein Frühstück versprochen habe, schlüpfe ich in meine Klamotten, sammle etwas Geld vom Schreibtisch und tigere los.
 

Im Flur höre ich Geräusche aus der Küche. Meine Family ist auch schon wach. Kein Wunder eigentlich. Papa ist sicher schon zur Arbeit, und Nicole muss bald zur Schule aufbrechen. Ich schaue auf die Uhr. Soweit ich weiß, hat sie heute zur dritten Stunde, das kleine Glückskind. Noch fünf Minuten, bis sie losmarschieren muss. "Nicole?" Ich stecke meinen Kopf durch den Kücheneingang. "Soll ich dich fahren? Ich will noch zum Bäcker."

"Öhm. Klar!" Sie steht auf. "Ich hole nur meine Tasche." Und weg ist sie.

"Wieso willst du zum Bäcker?", will meine neugierige Mutter auch gleich wissen.

"Nur so. Hab Hunger auf Brötchen."

"Ah so", grinst sie. Oh, oh. Ich ahne Fürchterliches. "Und das hat zufällig nichts mit dem Auto zu tun, das gegenüber auf Eds Hof steht?" Mist! Sie hat es spitz gekriegt!

"Zufällig nein", schnaube ich und sehe zu, dass ich Land gewinne.

"Lügen kannst du genauso schlecht wie dein Vater." Hey! "Bring ein großes Bauernbrot mit, ja?"

"Mach ich", rufe ich ihr zurück.

"Wir können", strahlt Nicole mich an. Weiß sie es auch? Wohl eher nicht, sonst wäre sie nicht so erpicht darauf, gleich mit mir zum Bäcker und zur Schule zu fahren, sondern würde mit Mama darum feilschen, heute doch mal krank machen zu dürfen. Bleibt nur zu hoffen, dass sie nicht Mamas Spürnase geerbt hat, und Meilos Auto erkennt.
 

Draußen die Erleichterung. Sie achtete gar nicht auf irgendwelche Autos in unserer Nähe. Sie plappert munter mit mir, erzählte was von ihrer Klassenlehrerin, die angeblich hundsgemein ist, und immer viel zu viele Aufgaben verteilt. Wie auch immer. Ich sagte nur, dass sie da durch müsse. Mussten wir doch alle, nicht?

Ich bin jedenfalls froh, als wir beim Bäcker ankommen, und Nicoles Schimpftirade über ihre Lehrerin endet.

Die Warteschlange ist nicht lang, doch die beiden Bedienungen sind nicht mehr die Jüngsten, weshalb wir geduldig vor der Auslage warten müssen, bis wir an der Reihe sind. In der Zwischenzeit suche ich gedanklich schon mal alles zusammen, was ich gleich bestellen werde. Zwei Quarktaschen für meine Quarktasche Meilo, ein paar Brötchen, Mamas Bauernbrot nicht zu vergessen, und für mich zwei Laugen-Croissants. "Weißt du schon, was du nimmst?", frage ich meine Schwester.

"Jepp." Braves Kind.

Da immer noch eine ältere Dame und zwei kleine Schulkinder vor uns sind, schaue ich mich gelangweilt in der Bäckerei um. Außer Brötchen, Brot und Stückchen bietet man hier auch Getränke, eine kleine Auswahl an Tageszeitschriften und anderen Süßkram an. Darunter auch in Cellofan eingepackte Pralinen. Handgefertigt, steht über dem Regal, auf dem sie angeboten werden. Darunter gibt es auch eine einzige Packung mit Marzipanherzchen. Mit weißer Schokolade und kleinen Verzierungen aus rotem Zuckerguss.

Hm. Soll ich? Marzipan ist ja eigentlich gar nicht mein Ding. Ganz zu schweigen in Herzform. Wie kitschig! Wie ekelhaft klischeehaft! Wie furchtbar unoriginell! "Nic? Wir sind dran." Meine Schwester piekst mir in die Seite.

"Oh ... ja!" Ich wende mich von dem Pralinenregal ab. Soll wer anders diese kitschigen Liebesbekundungen kaufen.

Ich bestelle alles, was ich mir zuvor auf meine imaginäre Bestellliste geschrieben habe. Danach ist Nicole dran. Ich höre nur mit halben Ohr zu, denn wieder irrt mein Blick zu den Herzchenpralinen. Himmel-Herr-Gott-nochmal! Warum gehen mir die Dinger nicht aus dem Sinn?! Wozu soll ich die kaufen? Ich weiß ja noch nicht mal, ob Meilo Marzipan mag! Ich könnte ihm eine SMS schreiben und fragen ... Sonst noch was?! Jetzt ist mal Schluss! Ich will diese Mistdinger doch gar nicht!

"Oh Mann! Kauf sie doch, wenn du schon als draufglotzt!", blökt meine Schwester.

Verwirrt starre ich sie an. "Was? Redest du mit mir?"

"Mit wem denn sonst? Du guckst die Pralinen an, als würdestt du sie gleich auf der Stelle auffressen wollen. Kauf sie endlich und bezahl. Andere wollen auch noch Brötchen kaufen." Zu meiner Verwirrung gesellt sich leichte Wut. Nicole hat bemerkt, dass mir die Pralinen nicht aus dem Sinn gehen. Jetzt fühle ich mich auch noch ertappt! "Och!", macht sie genervt, läuft zum Pralinenregal, zeigt auf die mit den Herzen, sieht mich fragend an, nickt dann (wobei ich nicht erinnere, ihr mit irgendeiner Geste bestätigt zu haben, dass ich ausgerechnet die will) und greift sie sich. "Die auch noch dazu", sagt sie zur Verkäuferin.

"Das macht dann 21,85 Euro bitte", trällert die Verkäuferin. Was für ein Glück, dass ich einen Zwanziger vorhin eingesteckt habe, und dass Nicole das Kleingeld beisteuern kann. Hätte ich jetzt diese dämlichen Pralinen nicht bezahlen können, wäre es nur umso peinlicher geworden. Ich könnte mir selbst eine klatschen!

Als wir endlich aus der Bäckerei sind, sehe ich Nicole aus den Augenwinkeln grinsen. "Hör auf zu grinsen", knurre ich. "Ich wollte die Pralinen eigentlich gar nicht."

"Und wieso hast du sie dann angestarrt, als hinge dein Leben davon ab?"

"Hab ich nicht!"

"Hast du wohl."

"Und wenn schon", zische ich. "Das heißt trotzdem nicht, dass ich sie wollte."

"Und ob du sie wolltest. Für Meilo. Gib's zu! Du willst ihn damit überraschen, wenn er morgen kommt." Ja genau. Wenn er morgen kommt.

"Denk doch was du willst." Sie kichert und bekommt von mir postwendend einen bösen Blick zugeworfen, bevor wir uns wieder ins Auto setzen.

Wenigstens auf dem Weg zur Schule ist sie ruhig und spielt schweigend auf ihrem Handy herum. Da fällt mir ein: "Wie läuft es mit deinem Schwarm?"

"Da läuft gar nichts", seufzt sie. "Und wird es auch nicht."

"Immer noch nichts unternommen?"

"Was denn? Dein supertoller Vorschlag, ihn anzurempeln?"

"Unter anderem. Du könntest ihn auch in der großen Pause ausrufen lassen, er möge sich doch bitte bei dir melden. Oder du gibt einem Klassenkameraden von ihm einen kleinen Zettel auf dem steht, dass ihr euch nach der Schule hinter der Sporthalle trefft." Hach, der Platz hinter der Sporthalle. Was dort früher immer alles geschehen ist. Wenn die alten Mauern sprechen könnten ... Gut, dass sie es nicht können.

"Du spinnst doch! Als ob ich das machen würde."

"Dann mach's auf die altmodische Art. Sprich ihn an."

"Das ist ja noch schlimmer!" Ich stürze die Lippen. Immer diese unerfahrene Jungend heutzutage. Kennen sich angeblich in allem aus, nur wie sie zueinander finden, dass bekommen sie nicht auf die Reihe. Daran ist nur das Internet schuld! Jawohl! Früher war es die Rockmusik und Drogen. Obwohl die uns so manches mal ziemlich nahe zusammen gebracht haben ... Ich schweife ab.

"Weißt du was?", frage ich sie rein hypothetisch. "Gib ihm doch einfach die Herzchenpralinen, schreib deine Handynummer hinten drauf und das war's. Das wäre doch mal ein Plan!" Ich trete auf die Bremse. Wir sind da.

"Du hast sie echt nicht mehr alle", grunzt meine Schwester eingeschnappt, legt die Tüte, in der die Pralinen sind, demonstrativ auf meinen Schoß und steigt aus. "Tschau und danke fürs Fahren." Wumms. Die Beifahrertür knallt laut zu.

"War mir wie immer eine Freude", lache ich, hupe nochmal und winke freundlich. Nicole zieht den Kopf ein. Jetzt sagt nicht, ich bin meiner Schwester peinlich! Sicher beneidet sie jeder, dass ihr supercooler, heißer Homo-Bruder sie zur Schule fährt. Ich würde es an ihrer Stelle tun.
 

Auf dem Nachhauseweg gebe ich Vollgas. Nach dem ganzen Herzchenkram, geile Typen und Rummachen hinter der Sporthalle, habe ich richtig Sehnsucht nach meinem Mann. Hoffentlich komme ich nicht zu spät, und meine Mutter hat ihn sich inzwischen unter die Nägel gerissen. So wie ich sie kenne, hat sie sicher schon einen Blick in mein Zimmer riskiert, oder Meilo war so Lebensmüde, und musste mal das Bad aufsuchen. Wenn ich mich beeile, kann ich ihn vielleicht aus ihren Klauen befreien. Also los!

Ich schaffe den Rückweg von der Schule bis zu uns in meiner persönlichen Bestzeit. Bleibt nur zu hoffen, dass ich nicht geblitzt worden bin.

Eilig steige ich die Stufen hoch, schließe auf und stolpere in den Flur. "Mama?" Atemlos komme ich in der Küche an.

"Ja?" Verwundert blickt sie von ihrer Zeitschrift auf. Sie ist allein!

"Hier. Dein Brot." Ich lege ihr die Tüte auf den Tisch. Die anderen lege ich auf die Küchenzeile. Dann beginne ich ein Tablett mit allerlei Frühstücksleckereien zu füllen.

"Wollt ihr nicht hier essen?", fragt meine Mutter.

"Nö. Heute essen wir im Bett."

"Im Bett?" Ich nicke. "Du isst nie im Bett. Wegen der Krümel."

"Muss eh neu bezoge..." Ich kneife die Augenlider zu. Verflucht!

"So so", kichert meine Mutter. "Gut, dass ich vorgewarnt bin. Ich leere schon mal die Waschmaschine. Stopf die Laken einfach rein, wenn ihr fertig gefrühstückt habt, ja?"

"Mach ich", murmle ich verlegen. Vor dem Frühstück schon so viele Schlamassel. Ob es noch schlimmer wird? Wenigstens verlässt meine Mutter die Küche, und ich kann in Ruhe alles für unser Frühstück vorbereiten.
 

Bepackt mit einem vollen Tablett, betrete ich kurz danach mein Zimmer. "Bin da", verkünde ich laut, halte dann jedoch die Klappe. Meilo telefoniert und er sieht nicht glücklich dabei aus.

"Ja, ich weiß ... Dann müssen wir nochmal darüber sprechen. ... Nein, das werde ich auf keinen Fall, und das weißt du." Soll ich raten, um was es geht?

Leise stelle ich das Tablett ab, schleiche wieder hinaus, schnappe mir die Tüten vom Bäcker und die Kanne Tee, und gehe wieder zurück. Meilo legt gerade auf, als ich die Tür mit meinem Hintern zudrücke. "Die Plattenfirma?", frage ich.

"Gerd", brummt Meilo und fällt auf's Bett. Für mich das Gleiche. Alles Gauner und Banditen.

"Was war denn?", frage ich besorgt nach.

"Niklas ist weg." Hä?

"Hä?"

Meilo seufzt. "Gerd wollte wissen, ob ich weiß, wo er ist." Ich runzle die Stirn. Der Knilch ist also verschwunden? Kann nicht behaupten, dass mir das etwas ausmachen würde. "Jemand aus der Truppe hat gesagt, Niklas hätte gestern überstürzt gekündigt und gemeint, er müsse was wichtiges erledigen. Deshalb sind einige Leute leicht angepisst."

Ich grinse schräg. "Hm … Irgendwie passt das zu ihm", überlege ich laut. "Und das war alles was Gerd wollte?"

"Nein", meint Meilo und schüttelt den Kopf. Wäre ja auch zu schön gewesen. "Wir sind uns noch uneinig, wie wir meinen Weggang erklären sollen."

"Mit anderen Worten, sie wollen immer noch nicht einsehen, dass du aufhörst?" Ich setze mich neben ihn, lege die Tüten ab und stelle die Teekanne auf meinen Nachttisch.

"So ungefähr."

"Oh Mann", seufze ich und ziehe Meilo an mich. "Nicht mehr lange, dann hast du es geschafft."

"Ich weiß. Aber das wird noch eine harte Strecke bis dahin."

"Das schaffst du."

"Nein", sagt er leise, wovon mir fast das Herz stehen bleibt.

"Nein?"

Er lächelt leicht und nimmt meine Hand. "Wir schaffen das zusammen. Ohne dich wäre ich nämlich schon längst wieder eingeknickt."

"Sag doch sowas nicht!" Nicht schon wieder!

"Doch", beharrt er. "Es stimmt. Gäbe es dich nicht in meinem Leben, hätte ich nur Keith." Traurig blickt er vor sich.

"Das stimmt doch gar nicht", rede ich auf ihn ein. "Du hast noch deine Familie, deine Freunde."

"Schon, aber ..."

"Nichts aber! Du redest dir wieder Zeug ein, dass gar nicht stimmt! Und das weißt du auch."

Meilos Mundwinkel zucken. "Du kannst sagen was du willst, hätte ich dich nicht, sähe ich alt aus."

"Meilo! Hör aummm ..." Mein Mund wird plötzlich verschlossen. Einfach ausgetrickst! Mit einem Kuss! Wirklich clever, Herr Haug.

Meilo schmeißt sich auf mich, pinnt mich auf die Matratze und raubt meinen Lungen den Atem. Als die Attacke wieder endet, ist mir ganz schwindelig und mein Hirn wie leergefegt. Bei was für einem Thema waren wir gerade? "Lass uns essen. Ich verhungere!" Meilo rollt sich von mir und schnappt sich das Tablett.

Mühsam kratze ich meine letzten Gedankenfetzen zusammen. "Du hast nicht nur Keith", ergreife ich das Thema wieder und setze mich neben ihn. "Auch bevor du mich kennengelernt hast, gab es doch sicher nicht nur ihn in deinem Leben."

Meilo kramt sich eine Quarktasche aus eine der Tüten. "Natürlich nicht", antwortet er. "Aber es kam mir so vor. Und dann kamst du, und plötzlich gibt es für mich nur noch dich." Grinsend beißt er in das Gebäckteilchen.

"Hm. War das ein Kompliment?"

"Kam es etwa nicht so rüber?"

"Nachdem, was du über Keith gesagt hast, irgendwie nicht." Als hätte ich Keith abgelöst, und irgendwann bin auch ich ihm zu viel. Oh Gott! "Versprich mir, dass ich die niemals zu viel werde, und du mir einfach nach Ablauf des Vertrages kündigst!"

Meilo runzelt die Stirn. "Was für einen Vertrag?"

"Na du weißt schon! Nach der ersten Verliebtheitsphase. Wenn nicht mehr alles so rosig-rot ist, wie zu Anfang, und du deswegen unseren Vertrag kündigst. Bildlich gesprochen", erkläre ich, doch mein quarktaschenfutternder Freund zuckt bloß mit den Schultern. "Kennst du das nicht? Wenn der Alltag einen einholt, und man anfängt, die kleinen Schrullen des Anderen zu bemerken?

"Nein."

"Nein?" Das kann doch nicht sein! "Du hattest doch auch schon längere Beziehungen."

"Hatte ich."

"Und da gab es nichts, was dich früher oder später an dem Anderen genervt hat?"

"Schon, aber das ist doch nicht wichtig. Darüber kann man reden und auch mal hinwegsehen."

"Ha", mache ich perplex. "Dich hat es niemals aufgeregt, wenn dein Partner, sagen wir mal, morgens unter der Dusche gepfiffen hat?"

"Nö. Ich mache das doch selbst", grinst er.

"Du weißt, wie ich das meine", grummle ich.

"Schon, aber wie gesagt. Das ist nicht wichtig. Mich stört selten etwas."

"Dann bist du aber einer der wenigen Ausnahmen, die ich kenne." Ingo kommt heute noch manchmal zu mir und kotzt sich aus, wenn Ed mal wieder seine ölverschmierten Schuhe mit ins Haus schleppt, obwohl Ingo ihm schon tausend Mal gesagt hat, dass er sie draußen stehen lassen soll. Solche 'Kleinigkeiten' regen einen nach einer gewissen Zeit eben auf. Das ist doch ganz normal.

"Stört dich denn was an mir?", fragt mich Meilo plötzlich und sieht mich abwartend an.

Ich überlege. Stört mich was an ihm. "Eins gäbe es da", gebe ich zu.

"Echt? Was denn?" Jetzt sieht er doch tatsächlich leicht ängstlich aus.

"Es stört mich, dass du mir nichts von dem Quarkteilchen anbietest. Das sieht verdammt lecker aus." Ich will nach dem schon halb aufgegessenen Stückchen greifen, doch er hält den Arm außerhalb meiner Reichweite.

"Sag schon Nic! Was stört dich an mir?"

Seufzend lege ich den Kopf schief. "Das weißt du doch schon", antworte ich.

"Nein. Sag's."

"Keith. Dieser Typ stört mich. Aber das dürfte ja nichts neues sein."

"Nein." Meilo lächelt schmal. "Wobei wir wieder beim Thema wären."

"Der lässt uns nicht in Ruhe, hm?"

"Nicht wirklich."

"Aber nicht mehr lange!" Ich springe auf und greife mir Meilos Arm, der das Stückchen hält. Herzhaft beiße ich hinein. Puderzucker stäubt auf. "Lecker!", schmatze ich.

Meilo schüttelt lächelnd den Kopf und wischt mir mit dem Daumen über den Mundwinkel. "Sehr lecker", haucht er und küsst mich. "Aber wenn du mein Frühstück isst, brauche ich was anderes, an dem ich knabbern kann. Das ist dir hoffentlich klar."

Ich nicke eifrig. "Hab noch was für dich!" Die Herzchen kommen mir in den Sinn. Sie sind in eine Extratüte verpackt. Als ich sie nehme, kommen mir jedoch wieder Zweifel. Die kann ich ihm unmöglich geben! Das ist selbst mir eine Spur zu kitschig.

"Was hast du denn noch für mich?", fragt er allerdings schon und will in die Tüte spähen.

"Nichts! Hab mich getäuscht!" Jetzt halte ich meine Arm aus Meilos Reichweite.

"Das klang eben aber noch ganz anders. Zeig schon! Jetzt bin ich neugierig."

"Nein! Geh weg."

"Nix da!", lacht Meilo, überwältigt mich ein zweites Mal und lässt mich seitwärts aufs Bett fallen. Das Tablett schwankt gefährlich, bleibt aber stehen. "Her damit!"

"Nein!", lache ich und winde mich dabei wie ein Aal. Leider bringt mir das auch nichts, denn Meilo hat die Tüte erwischt, sie dabei unten aufgerissen und die in Cellofan eingepackten Marzipanherzchen fallen neben mir aufs Bett. Mist!

"Marzipanherzen?", kichert Meilo auch gleich und nimmt die kleine Packung in die Hand. "Du wolltest mir Marzipanherzen vorenthalten?" Meine Wangen werden heiß. Ist das peinlich! Das ist nur Nicoles Schuld! Ohne sie hätte ich die Dinger gar nicht gekauft! "So etwas Süßes hat mir noch niemand vom Bäcker mitgebracht", schmunzelt Meilo und öffnet die Folie. Das erste der sechs Herzen landet in seinem Mund. Mir ist das immer noch irgendwie peinlich. "Die sind gut! Auch eins?"

Ich schüttle den Kopf. "Ich esse kein Marzipan."

"Kein Marzipan?!" Wieder ein Kopfschütteln. "Wie bist du denn drauf? Das ist doch saulecker!"

"Ich mag es eben nicht. Außerdem sind die für dich."

"Für mich, ja?"

"Hmhm."

"Und warum wolltest du sie mir erst nicht geben?" Meilos Augen verengen sich. Ein weiteres Herz findet den Weg in seinen Mund.

Ich weiche seinem Blick aus. "Weiß nicht", lüge ich.

"Das kaufe ich dir nicht ab." Ich hab's geahnt! "Sag es, sonst musst du eins essen." Drohend schwebt plötzlich Herzchen Nummer drei vor meinem Gesicht herum. "Los! Oder sag ahhh."

"Es war mir peinlich!", japse ich und drehe das Gesicht zur Seite. Allein der Geruch lässt mich die Nase rümpfen.

"Peinlich?", lacht Meilo auf. "Wieso?"

"Na weil man so etwas nicht seinem schwulen Lover schenkt."

"Tut man nicht?"

"Nein. Das ist doch einfallslos und kitschig und überhaupt. Das schenkt man seiner Mutter, aber doch nicht seinem Freund."

"Hm", macht Meilo nachdenklich und isst das Herzchen, dass er mir eben noch in den Mund schieben wollte. "Einfallslos und kitschig ... Stimmt." Ich hab's gewusst! Er machst sich lustig darüber! "Aber schmecken tut es grandios!" Hä? Meilos Mund verzieht sich zu einem frechen Grinsen. Ich denke gerade, das kann nichts Gutes bedeuten, da schmecke ich auch schon Marzipan. Ihhh! Wie kann er mich nur küssen, solange er dieses Zeug im Mund hat?! Hilfe!
 

******

Love bite 45 - Bauchgefühl

Love bite 45 - Bauchgefühl
 

"Ich bin satt!", tönt Meilo und reibt sich den Bauch. "Zu viel Marzipan."

"Ha ha. Wohl eher zu viel Nussnugatcreme", helfe ich seiner Erinnerung auf die Sprünge. Zwei Quarktaschen, zwei dick beschmierte Brötchen mit besagter Nugatcreme und sechs Marzipanherzen später, sitzen wir wie zwei gemästete Quarkbällchen auf meinem Bett. Umringt von Krümeln, klebrigen Messern und leeren Bäckertüten. Wie gut, dass mein Bett schon vorher eingesaut war, sonst bekäme ich jetzt die Krise. Krümel im Bett, wäh!

"Wie auch immer, ich zieh mich mal an", beschließt Meilo und steigt aus dem Bett.

"Tu das. Und ich räume hier mal auf."

Mit schlurfenden Schritten räume ich alles in die Küche, bevor ich mein Bettzeug abziehe und alles auf einen Haufen werfe. "Könnte deine Mutter den hier für mich aufbügeln?", fragt mich Meilo und hält mir einen dieser Schonbezüge für Kleidung entgegen. "Ich kann es auch selbst machen, wenn sie mir zeigt, wo alles steht."

"Klar macht sie das", sage ich. Für Meilo tut sich sicher alles. "Ist das für das Wochenende?"

"Ja."

"Da fällt mir ein, ich weiß gar nicht, welchen Anzug ich anziehen soll. Ist da Krawatte angesagt?"

"Quatsch! Ein Hemd reicht."

"Hoffentlich wird das nicht zu kalt."

"Wir feiern nicht draußen, du Dussel."

"Ahso." Hätte ich mir auch denken können. "Hilfst du mir, einen passenden Anzug herauszusuchen?"

"Mach ich. Aber zuerst gehe ich wo hin." Er meint das Badezimmer.

"Viel Erfolg", rufe ich ihm kichernd nach. Er schenkt mir einen Luftkuss, und draußen ist er. Dann suche ich in der Zwischenzeit mal meine Mutter auf und bringe ihr Meilos Anzug.

Da sie weder im Wohnzimmer, noch in der Küche ist, versuche ich es unten. Wir haben keinen Keller, weshalb das Erdgeschoss als solcher herhalten muss. Hier hat meine Mutter ihre heilige Waschmaschine, samt Bügelraum, Nähzimmer, Papas Hobbyraum nicht zu vergessen, einen Vorratsraum mit großer Tiefkühltruhe und die Garage, die dazu noch als Unterstand für die Gartengeräte, unsere Fahrräder und dergleichen dient. Wenn Mama nicht oben ist, ist sie meist hier und sitzt an ihrer Nähmaschine. Ihr zweites Heiligtum neben der Waschmaschine.

"Mama?"

"Hier!" Hab ich es doch gewusst.

"Meilo hat gefragt, ob du seinen Anzug fürs Wochenende noch mal auf Vordermann bringen könntest." Ich betrete das Nähzimmer.

"Das soll er mich gefälligst selbst fragen." What? "Seit er sich in unser Haus geschlichen hat, hat er sich noch kein einziges Mal bei mir blicken lassen. Das ist unhöflich. Sag ihm das." Sie wirft mir einen schnippischen Blick zu, der durch ihre Brille, die sie für die kleine Pfriemelarbeit an der Nähmaschine immer trägt, noch viel besser rüberkommt, als ohne, und macht weiter, irgendeinen, mit Spitze besetzten, Firlefanz zu nähen.

Die Maschine rattert laut, weshalb ich lauter mit ihr sprechen muss. "Das war meine Schuld", erkläre ich ihr. "Ich habe ihm gesagt, dass er sich vor euch verstecken soll."

Das Rattern verstummt. "Das du dahinter steckst, hätte ich mir ja denken können. Schäm dich! Und jetzt gib den Anzug her. So wie du ihn hältst, zerknittert er nur noch mehr." Sie steht auf und entreißt mir den Anzug. "Und was wirst du anziehen? So gehst du mir auf keinen Fall zu Meilos Eltern."

"Doch Mama. Genau das hatte ich vor", murre ich. "Ich gehe in Schlabberhose und einem mit Nutella bekleckerten Shirt auf die silberne Hochzeit meiner Schwiegereltern." Sie seufzt theatralisch und sieht mich mit schrägen Kopf an. Sie scheint irgendwie schlecht gelaunt zu sein.

"Geh hoch und such dir was raus, dann zeig es mir."

"Dir zeigen? Ich bin kein kleines Kind mehr!"

"Solange du Nutella auf deinem Shirt hast, siehst du aber wie eins aus."

"Das war Meilos Schuld!" War es wirklich. Er konnte sich nicht beherrschen und fiel abermals über mich her. Dabei kullerte ihm das Brötchen aus der Hand. Es kam, wie es kommen musste. Mit der beschmierten Seite landete es auf meiner Brust.

"Wie ich dich kenne, bist du nicht ganz unschuldig daran. Los! Ausziehen. Dann mache ich es in die Wäsche. Wo ist eigentlich dein Bettzeug?"

"Mist! Vergessen."

"Dann hopp hopp! Damit ich heute Vormittag noch eine Maschine voll bekomme." Oh Mann! "Und rasiere dich mal! Du siehst schon aus wie dein Vater!" What?!

Was bin ich froh, wenn ich von zuhause ausgezogen bin. Wieder einmal. Diesmal hoffentlich zum aller letzten Mal.
 

Mir frieren fast die Brustwarzen ab, als ich ohne Shirt die Treppen nach oben steige. Meine Mutter kennt auch keine Gnade! "Läufst du immer halb nackt durchs Haus? Falls ja, kann ich in Zukunft für nichts garantieren", raunt es hinter mir, als ich gerade in mein Zimmer will. Warme Arme legen sich um mich.

Schnurrend lege ich den Kopf zurück. "Eigentlich nicht, aber wenn du mich dann immer so umarmst, überlege ich es mir nochmal."

Zähne knabbern an meinem Hals. Ich drehe den Kopf leicht zur Seite und gebe Meilo mehr Spielraum. Der Duft von Rasierwasser steigt mir in die Nase. Meilo muss sich rasiert haben. Prüfend fahre ich mir mit der Hand übers Kinn. Meine Mutter hatte recht. Ich bin total kratzig. "Ich glaube, ich sollte mich auch rasieren", überlege ich laut und schäle mich aus Meilos Armen.

"Wieso? Sieht doch gut aus", meint er und streichelt mit den Fingerrücken über meine Wange.

"Findest du?" Er nickt. "Mama meinte eben, damit sehe ich aus wie mein Vater."

Meilo guckt mich nachdenklich an. "Stimmt. Irgendwie schon ..." WHAT?!

"Ich bin im Bad", knurre ich und rausche an Meilo vorbei. Ich höre, wie er leise lacht, mir, so wie ich ihm vorhin, viel Erfolg wünscht und in mein Zimmer geht.

"Geh lieber mal runter zu meiner Mutter! Die war schon sauer, weil du dich nicht bei ihr angemeldet hast!", rufe ich ihm zu und schließe schnell die Badezimmertür hinter mir. Hihi. Hat er nun davon.
 

Eine Rasur später, stehe ich wieder in meinem Zimmer. Meilo ist nicht da. Ob er noch unten ist? Ich stöhne genervt. Meine Mutter lässt ihn sicher nicht gehen und textet ihn zu, während sie ihm zeigt, was sie alles auf ihrer Nähmaschine fabriziert hat. Am besten, ich gehe ihn retten. Zudem muss die dreckige Bettwäsche noch runter. Also los!

Ich ziehe mir noch fix einen Pulli an, dann trapple ich auch schon nach unten. Ich bin noch nicht ganz unten angekommen, da höre ich meine Mutter auch schon lachen. Weshalb sie das tut, kann ich nicht sagen, aber sie scheint ja eine Menge Spaß mit meinem Schatz zu haben. Woll'n doch mal sehen, was die zwei so getrieben haben, während ich mir meinen Vater vom Gesicht rasiert habe.

Dadurch, dass ich so schwer beladen bin, biege ich zuerst in die Waschküche ein und stopfe alles in die Maschine. Anschalten tut meine Mutter sie später. Auf dem Weg ins Nähzimmer, lausche ich der Stimme meiner Mutter. Sie fragt meinen Schatz schon wieder aus, wie es scheint. "Und was hast du dann vor?", möchte sie wissen.

"Wenn alles klappt, richte ich mir selbst ein Tonstudio ein. Dann bin ich unabhängiger, und kann mir in Ruhe eine neue Plattenfirma aussuchen, die mich nicht in allem einschränkt." Ich bin kurz vor der Tür, doch ich wage mich nicht rein. Ich lehne mich gegen die Wand und lausche weiter. Das macht man nicht, ich weiß, aber ich kann nicht anders. Bei dem Thema schrillen bei mir eben alle Alarmsirenen auf.

"Nicole hat mir davon erzählt. Was die alles von dir verlangen. Das muss furchtbar sein."

"Ja."

"Aber können die das denn?"

"Es steht im dem Vertrag, den ich unterschrieben habe. Es war mein freier Wille, dem zuzustimmen. Nur wusste ich damals noch nicht, was das alles für mich bedeuten würde."

"Wie furchtbar!"

"Ich wusste es eben nicht besser. Ich dachte, so schlimm wird es schon nicht. Das sind halt Standartklauseln. Ich sah nur meine Chance vor Augen, endlich Geld mit dem zu verdienen, was ich am liebsten tue: Singen." Es tut mir so weh, wenn ich mir das alles vorstelle. Sie haben einen ahnungslosen Musiker hinters Licht geführt. Wer weiß, wie viele noch unzufrieden mit dem Deal ihrer Plattenfirmen sind. Alles nur Abzocke!

Ja, gut. Wahrscheinlich zocken nicht alle ihre Musiker so ab, aber das es ausgerechnet bei Meilo passiert ist, macht mich wütend. Den nächsten Vertrag unterzeichnet er hoffentlich nicht so schnell, und lässt noch mal jemanden drüber schauen, der sich damit auskennt.

"Wie gut, dass du da jetzt bald raus bist", sagt meine Mutter. Ich kann mir ganz genau ihr Gesicht dabei vorstellen, wie sie Meilo liebevoll anlächelt und ihm vielleicht sogar die Hand tätschelt.

"Ja", meint Meilo leise. "Ich hoffe nur, dass alles gut geht, wenn es soweit ist."

"Wie meinst du das?"

"Meine Fans. Trotz allem sind sie mir wichtig, und ich habe Angst, dass sie es nicht verstehen, wenn ich als Keith aufhöre." Ich höre, wie meine Mutter mitfühlend seufzt.

"Was wird denn der offizielle Grund für Keith Kandyce Rückzug aus dem Musikgeschäft sein?", möchte sie von ihm wissen. Da bin ich aber auch mal gespannt. Bis jetzt konnte mir Meilo noch nichts Konkretes sagen.

"Wahrscheinlich gesundheitliche Gründe. Das wird allerdings noch diskutiert."

"Aber das wäre gar nicht mal so schlecht. Das verstehen deine Fans sicher."

"Vor allem, weil es wahr ist." Das Blut in meinen Adern gefriert mir zu Eis. Wie bitte?

Ich kann gerade so verhindern, dass ich kopflos in das Nähzimmer stürme, und Meilo frage, was das bedeuten soll. Stattdessen höre ich weiter zu und schicke Stoßgebete gen Himmel, dass mit Meilo alles okay ist. "Bist du krank?" Mama klingt genauso besorgt, wie ich es bin.

"Nicht wirklich", sagt Meilo, und ich kann ihn leise schmunzeln hören. Mein schockgefrorenes Herz wird wieder leichter. "Mir ging es in letzter Zeit nur nicht so prickelnd. Ich war übellaunig und genervt, weil ich diesen ganzen Scheiß am liebsten viel eher beendet hätte, und bei Nic geblieben wäre." Och du süßer Kerl! Grinsend stoße ich mich von der Wand ab, mache mich aber noch nicht bemerkbar. "Das hat mein Manager natürlich mitbekommen und schob es kurzerhand auf ein Burnout. Er wollte mich sogar zu einem Arzt schicken, was ich aber noch verhindern konnte." Davon wusste ich ja gar nichts!

"Was hat Nic dazu gesagt?" Ja genau! Was habe ich denn dazu gesagt?

"Nichts, weil er es nicht weiß. Er macht sich auch so schon genug Gedanken darüber."

"Hat er dir das gesagt?"

"Nicht direkt. Aber ich sehe es ihm an. Na ja ... Einmal hat er es auch mitbekommen, wie down ich war. Deshalb möchte ich ihn nicht noch mehr beunruhigen." Nun muss ich mich doch wieder gegen die Wand lehnen.

Ich schlucke hart und atme tief durch. Ich wusste es, dass da noch mehr ist! Das Meilo mit viel mehr zu kämpfen hat, als er mir sagen will. Wie viel mag da noch sein? Ich ringe mit mir selbst. Sage ich ihm, dass ich gelauscht habe? Ich weiß es nicht. Es sind noch 22 Tage, dann hat er es hinter sich. Und von diesen 22 Tagen, wird er mindestens 5 nichts mit dem ganzen Dreck zu tun haben.

Ich werde nichts sagen. Wenn Meilo weiß, dass ich es weiß, macht er sich nur noch mehr Sorgen, weil er glaubt, ich mache mir auch Sorgen. Natürlich mache ich mir die, doch das muss er nicht wissen. Es hat bald ein Ende. Unnötig, sich darüber mehr aufzuregen, als nötig. Ich muss einfach zusehen, dass er die paar Tage noch gut rumbekommt. Und bis es soweit ist, werde ich solange auf ihn aufpassen. Jawohl!
 

Inzwischen unterhalten sich die zwei über ein weitaus weniger verzwicktes Thema. Und zwar über diesen 'Ersatzkünstler', den die Plattenfirma demnächst mit Meilo auf die Bühne schicken möchte.

Meilo hat mir beim Frühstück davon erzählt. Die erhoffen sich, dass die Fans auf den Anderen anspringen, und so Keith schneller vergessen und fleißig die Platten des Neuen kaufen, mit dem sie Keiths Sparte füllen möchten. Mir soll es recht sein. Meilo wohl auch, denn dann trauern seine Fans ihm nicht so lange nach, und er hört endlich auf, sich darüber Gedanken zu machen. Hauptsache der Kerl lässt die Pfoten von meinem Mann, sonst rauscht es!

"Mama?" Mit festen Schritten biege ich ins Nähzimmer ein. "Hab die Bettwäsche in die Maschine gesteckt", sage ich ihr. Und zu Meilo: "Ach hier bist du. Ich habe dich schon gesucht."

"Entschuldige. Wir haben uns ein wenig verquatscht", grinst mein Schatz.

"Kein Ding." Ich lege meine Arme auf seine Schultern und lehne mich gegen seinen Rücken. Sofort schmiegt er sich an mich. Das warme Kribbeln in meinem Bauch, das ich davon bekomme, lässt mich erschaudern. Und wie ich auf dich aufpassen werde, mein geliebter Schatz!
 

***
 

"Boha! Das Gesicht, das du die ganze Zeit über ziehst, ist ja nicht mehr feierlich. Kannst du auch mal lächeln?" Meine Augen zucken rüber zu Clem, der vorn neben dem Eingang des Weinkellers steht, und mich mit in die Seiten gestemmten Armen genervt anstarrt. Kurz ziehe ich die Mundwinkel hoch, doch sie bleiben nicht lange dort. Clem seufzt äußerst angepisst, wirft die Arme gen Decke und schüttelt den Kopf. "Eigentlich müsstest du himmelhochjauchzend hier herumhüpfen, oder habe ich da irgendeinen Denkfehler?"

"Warum soll ich hier herumhüpfen? Meilo ist nicht bei mir", brumme ich gegen meine Handfläche, mit der ich meinen Kopf abstütze.

"Mann, Mann, Mann. Häng ihn dir doch um den Hals!" Wenn das so einfach ginge. Ich würde es auf alle Fälle tun! "Was willst du denn noch? Er ist hier, oder? Sonst jammerst du immer, dass er so weit weg ist. Jetzt ist er es nicht, da jammerst du auch. Du weißt auch nicht was du willst, eh?"

"Ich will Meilo", gebe ich zur Antwort.

"Klaus-Peter. Sagt doch auch mal was dazu!"

KP, der nicht unweit von Clem entfernt steht, und eins der Weinetikette studiert, schaut auf. Erst zu Clem, dann zu mir. "Du wirst hier nicht fürs Rumstehen bezahlt. Tu mal was für dein Geld."

"Siehste!", lacht Clem schadenfroh und grinst mich breit an.

"Das gilt auch für dich." Nun darf ich grinsen.

"Ich meine doch das leidige Thema Meilo", zickt Clem allerdings weiter. Ich dagegen suche mir Arbeit, das heißt, Laden fegen ist angesagt. Wenn nicht viel zu tun ist, geht das immer.

"Was soll damit sein? Lass ihn doch. Der Junge ist verliebt."

"Und? Ich bin auch verliebt, rede aber nicht ständig von Kilian."

"Tust du wohl", meint KP gelassen.

"Aber nicht so!" Clem kann es nicht lassen. Nerve ich wirklich mit meinem Gerede über Meilo?

"Beruhige dich Clem. Ich bin doch schon am Arbeiten", sage ich zu ihm.

"Ach das meine ich doch nicht! Die Arbeit ist mir doch schnuppe!"

"Was?" KP hätte beinahe die Weinflasche fallen lassen. Mit großen Augen schaut er rüber zu Clem.

"So meinte ich das doch nicht!", wiederholt Clem, diesmal um KP zu beruhigen. "Ich will doch nur wissen, wo das Problem liegt, Nic. Meilo ist einen Tag eher angereist. Er ist hier, in dieser Stadt, wartet daheim auf dich. Und du schiebst 'ne Fresse wie drei Monate Dauerschneefall." Ganz unrecht hat er nicht, muss ich zugeben. Er weiß aber auch nicht, wie schwer es vorhin für mich war, Meilo bei meiner Familie zurückzulassen, während ich mich auf den Weg zum Bus machen musste. Und weil ich heute mit dem Bus in die Stadt fahren musste, musste ich sogar noch eher aus dem Haus als sonst. Ätzend! Ich habe heute Null Bock auf Arbeit!

"Genau deshalb schiebe ich 'ne Fresse wie drei Monate Dauerschneefall. Weil Meilo zuhause ist und ich nicht bei ihm sein kann. ... Ich will nach Hause", jammere ich und halte mich am Besenstiel fest.

Clem verdreht die Augen. "Man könnte glatt meinen, du seist süchtig nach ihm", gackert er und wendet sich wieder seiner Arbeit zu. Wenn der wüsste!

Ist es wirklich so verwunderlich, dass ich lieber bei ihm sein möchte, als hier? Wieso versteht Clem mich nicht? Und wieso sieht er so aus, als würde ihn etwas bedrücken? Moment mal! Ihn bedrückt offensichtlich wirklich was!

"Ähm Clem? Da fällt mir was ein. Kommst du mal mit hinter? Mir was helfen?", frage ich ihn, um mit ihm reden zu können, ohne dass KP zuhört.

"Ist gut", murmelt Clem und folgt mir. "Was soll ich denn helfen?", fragt er mich, als wir hinten im Pausenraum sind.

"Darf ich dich fragen, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist?"

"Was?"

"Komm schon. Ich sehe dir doch an, dass dir was auf der Seele liegt. Was ist los?"

Clem stürzt die Lippen, seufzt dann und lehnt sich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen. "Du merkst auch alles, was?"

"Nicht immer, aber ich lerne dazu. Und du musst zugeben, dein Herumgezetere war schon arg auffällig eben."

"Ja, gut. Mir geht was im Kopf herum." Wusste ich es doch!

"Ist was mit dir und Kilian?", frage ich prompt.

"Indirekt", gibt er zu. "Heute Morgen klingelte das Telefon. Kilian war schon auf der Arbeit, und ich noch unter der Dusche, weshalb der Anrufbeantworter darangegangen ist. Es waren Kilians Eltern."

"Oh ... Was wollten sie?"

"Sie wollen mit Kilian reden. Wegen mir." Ein ungutes Gefühl breitet sich in mir aus. Ich weiß, was das bedeutet. Diese Scheiße hab ich auch schon durchmachen müssen.

"Wieso hast du mir nicht gleich was davon gesagt?", will ich wissen.

"Weil du selbst so aussahst, als ginge dir was im Kopf herum."

"Und? Das heißt noch lange nicht, dass du nicht mit mir reden kannst. Du weißt, dass ich mich mit Kilians Eltern auskenne."

Hoffnungsvoll sieht er mich an. "Bedeutet das, du hast eine Ahnung, was die von Kilian wollen?"

"Ja, die habe ich", antworte ich.

"Und was?"

"Was wohl? Sie wollen, dass Kilian dich fallen lässt, und in den Schoß seiner Familie zurück kommt."

"WAS?!"

Ich hebe beschwichtigend die Hände. "Beruhige dich. Soweit wird es nicht kommen. Kilian hat mit Sicherheit aus dem gelernt, was damals geschehen ist."

"Was ist denn geschehen?", fragt Clem mich aufgeregt.

"Die ganze Geschichte erspare ich dir. Ich sage nur so viel, dass Kilians Eltern ihm ausreden wollten, mit mir eine Beziehung zu führen. Ich war nicht dabei, aber sie müssen ganz schön auf ihn eingeredet haben. Danach kam er total aufgelöst nach Hause, schimpfte und war nur schwer wieder zu beruhigen. Ich wurde auch sauer, nachdem, was er mir erzählt hatte, und na ja ... Sagen wir es so: Danach bekam seine Mutter einen unschönen Anruf von mir."

"Nein!", japst Clem ungläubig.

"Doch", nicke ich.

"Was hast du denn gesagt?"

"Ist doch egal." Das werde ich auf keinen Fall laut wiederholen. Ich habe mich danach ganz schön geschämt, und eine gute Idee war die ganze Sache auch nicht gewesen. "Fakt ist, Kilian wird nicht auf sie hören, egal was sie sagen. Mach dir keine Sorgen. Wahrscheinlich löscht er die Nachricht, sobald er sie hört und vergisst sie. Kilian wird ganz sicher nicht mehr zu ihnen fahren."

"Ich glaube nicht, dass er die Nachricht löschen wird", flüstert Clem schuldbewusst. heißt das etwa ...? "Das habe ich schon gemacht."

"Ups", sage ich. "Warum?"

"Weil ich Angst hatte!", ruft er.

"Ach Clem", seufze ich. "Was machst du nur immer?"

"Keine Ahnung", murmelt er. "Soll ich es ihm sagen?"

"Wenn du ihm vertraust, dann ja."

"Er wird sauer werden." Das glaube ich nicht, doch das sage ich Clem nicht. Da muss er jetzt durch.

"Und wenn, was macht das schon? Du weißt doch, wie du Kilian um den Finger wickelst", grinse ich, drehe meinen Zeigefinger in der Luft und meine das mehr als nur zweideutig.

"Stimmt. Dank dir weiß ich das."

"Damit meine ich nicht nur 'das'. Kilian hört auf dich, und er liebt dich. Vergiss das nicht."

"Danke", sagt er und umarmt mich plötzlich. "Und es tut mir leid, dass ich dich wegen Meilo so angeblökt habe."

"Schon gut. Jeder hat mal einen schlechten Tag. Besonders, wenn die Schwiegereltern einen piesacken." Oder die eigenen Eltern ...

"Falls du auf das Wochenende anspielst: Stell dich nicht so an. Schrecklicher als Kilians Eltern können die gar nicht sein." Oh wie wahr!
 

Nun, nachdem alles geklärt ist, gehen wir wieder voller Elan an die Arbeit. Na gut, ich weniger, weil mir immer noch Meilos Anwesenheit zuhause im Kopf herumgeistert. Vor meinem inneren Auge sehe ich ihn, wie sich alle an ihm hängen, besonders Nicole, mit ihm reden, lachen, und was weiß ich noch alles mit ihm tun. Ich bin neidisch! Und eifersüchtig. Mein Meilo. Ganz allein meiner. Himmel! Ich bin mehr als bloß süchtig. Ich bin besitzergreifend!

Das wird sich hoffentlich ändern, wenn wir endlich zusammen wohnen. Wenn ich mehr von Meilo habe, und wir endlich einen gemeinsamen Alltag haben. Einen gemeinsamen Alltag in unserem ganz eigenen Reich ... Und plötzlich freue ich mich. Wieso? Weil wir nachher zur Besichtigung fahren! Meilo und ich, zusammen in unserem vielleicht baldigen Heim. Ohhhh! Ich kann es nicht mehr abwarten! Wie spät ist es eigentlich? Ohhhh! Noch eine Stunde bis Feierabend. Verdammt!

Jetzt bin ich doch wieder mies gelaunt.

In Gedanken zähle ich die Minuten runter, starre immer wieder zur großen Uhr, die hinter mir über der Tür hängt, und wische gedankenverloren über den Tresen. Noch so viele Minuten ... Ganz zu schweigen von den Sekunden. "Ey! Da kommen Ingo und Ed!", ruft Clem auf einmal. Und tatsächlich. Lautes Motorengehäule, das mir nur allzu vertraut vorkommt.

Eine Maschine, Ingos Maschine um genauer zu sein, hält genau vor dem Laden. Darauf zwei Personen, was mich wundert, denn sonst fährt Ed doch immer selbst auf seiner restaurierten Honda. Bestimmt hat er sie wegen des Wetters stehen lassen. Sehr vernünftig.

Die beiden steigen ab und machen sich daran, sich die Helme vom Kopf zu ziehen. Ingo hat ihn zuerst ab, grinst mich dermaßen breit durch das Schaufenster an, dass ich nicht anders kann, als zurück zu grinsen. Ed, der hinter ihm steht, kämpft immer noch mit dem Helm. Nanu? Ingo hilft ihm. Mir wird ganz warm ums Herz. Die zwei sind so ein tolles Paar. Immer noch so verschossen ineinander, auch wenn sie sich manchmal in den Haaren lie... Ich blinzle perplex. Der Helm ist ab, doch das ist nicht Ed, sondern "Meilo?" Das gibt's nicht! Das da ist wirklich Meilo!
 

"Na da schau an. Er konnte es ohne dich offensichtlich auch nicht mehr aushalten, hm?", lacht Clem neben mir. "Wie süß."

Mein Herz schlägt schneller, so, als ob ich Meilo gerade nach Wochen wieder das erste Mal sehen würde. Doch dann legt sich die Freude wieder. "Hat Ingo sie eigentlich noch alle?", rufe ich sauer, pfeffere den Lappen auf die Theke und stürme los Richtung Ausgang. Clem folgt mir. "Was fällt dir ein?", zicke ich Ingo an, kaum dass ich draußen in der Kälte vor ihnen stehe.

"Hallo. Schön dich zu sehen, und gern geschehen, dass ich dir deinen Liebsten vorbeigebracht habe", schnattert Ingo.

"Auf dem Motorrad?! Mitten im Winter?!" Was da alles hätte passieren können! Ich mag gar nicht darüber nachdenken!

"Reg dich ab. Ich fahr die Maschine wie im Schlaf."

"Weiß das auch die eisglatte Fahrbahn, auf der du hier her gefahren bist?!"

"Ist doch nichts passiert", sagt Meilo, der sich neben mich gesellt, und seine Hand auf meinen Rücken gelegt hat. "Die Straßen sind gestreut und frei."

"Und?!", zische ich Meilo zu, und zu Ingo: "Im Winter mit dem dem Motorrad fahren! Das kann auch nur dir einfallen!"

"Reg dich ab", lacht dieser. "Mit nach Hause darfst du ihn wieder nehmen."

"Werde ich auch!" Ganz sicher lasse ich Meilo nicht wieder auf diese Maschine klettern! Ingo bedenke ich noch mit einem bösen Augenaufschlag, dann zerre ich Meilo mit mir in den Laden. "Wie konntest du dich da drauf setzen?", frage ich ihn aufgebracht.

Unschuldig zuckt er mit den Schultern. "Ich wollte schon immer mal Motorrad fahren, und ich wollte zu dir. Es hat einfach gepasst."

"Einfach gepasst? Und da bist du einfach zu Ingo rübermaschiert?"

"Nein. Er hat mein Auto erkannt und ist rüber gekommen. Wir haben gequatscht, Ingo schlug vor, mich zu dir zu fahren, und hier bin ich." Ich schnaube wütend und verdränge alle Horrorvorstellungen von Motorradunfällen auf schneeglatter Fahrbahn. "Sei nicht wütend", flüstert Meilo und schiebt seine Arme um meine Taille. "Ich bin gesund und munter."

"Das will ich dir aber auch geraten haben", knurre ich und lehne mich gegen ihn. Dafür bekommt Ingo noch sein Fett weg. "War Ed auch da?"

"Nein. Er war unterwegs, ein liegen gebliebenes Auto eines Bekannten wieder flott machen." So so. Na warte Ingo, bis Ed erfährt, dass du bei dem Wetter Motorrad gefahren bist. Der hustet dir was! "Und? Wie sieht es aus? Stellst du mir endlich mal deine Arbeitskollegen vor, oder muss ich das selbst tun." Ich weiß, dass das ein Ablenkungsmanöver ist, aber ich gebe nach. Es bringt nichts, noch wütend auf ihn zu sein. Ingo trägt sowieso die größte Schuld an allem.

"Viele sind nicht da", erkläre ich. "Clem kennst du ja schon." Ich deute auf ihn. Er steht immer noch neben dem Eingang, lächelt, als wir ihn ansehen und winkt, was mich selbst zum Grinsen bringt. "Und hinten ist noch Jean. Der kümmert sich um eine Weinbestellung. Und Klaus-Peter sitzt sicher wieder vor seinem Schreibtisch."

"Dein Boss?"

"Ja."

"Bei dem muss ich mich noch unbedingt bedanken", meint Meilo.

"So? Warum?"

"Na weil er dir immer frei gibt."

"Dann bedank dich lieber bei mir", flötet Clem. "Ich springe nämlich meist für deinen Lover ein, wenn er zu dir gurkt."

"Wenn das so ist", lacht Meilo, läuft rüber zu Clem und umarmt ihn. Fest klopft er ihm auf den Rücken. Etwas unwohl ist mir schon bei diesem Anblick, auch wenn ich das gar nicht will. Ich bin froh, als Meilo ihn wieder loslässt.

"Komm. Ich stell dir den Rest vor", locke ich meinen Schatz, weil ich schon wieder dieses leicht besitzergreifende Gefühl in mir aufwallen spüre. Ist das normal?
 

***
 

Eigentlich dachte ich, es lässt sich verdammt schwer arbeiten, solange ich weiß, dass Meilo zuhause auf mich wartet, doch das ist nichts im Vergleich dessen, was ich jetzt durchmache, wo Meilo in meiner unmittelbaren Nähe steht, und mich beobachtet, während ich einen Kunden bediene. Ich spüre seine Blicke regelrecht auf mir! Und das macht mich wahnsinnig! Ich kann mich kaum auf den Kunden konzentrieren, höre ihm nur mit einem Ohr zu und das ist gar nicht gut. Ich muss aufpassen, dass ich keinen Mist baue!

Zum Glück hat der Kunde keine speziellen Wünsche, sondern will nur wissen, ob die Nudeln auch Vegan sind, die er sich ausgesucht hat. Das bekomme ich zum Glück noch hin, bejahe und darf ihn zur Kasse begleiten.

Als er den Laden verlassen hat, drehe ich mich zu Meilo. "Du bringst mich total aus dem Konzept", sage ich zu ihm.

Er grinst dreckig und bleibt in seiner gewohnt locker-lässigen Art vor einem der Regale stehen. "Gut", raunt er. "Das hatte ich auch vor." Tzäh! "Wie lange musst du noch arbeiten?"

"Noch eine viertel Stunde. Dann gehen wir." Endlich! "Wann haben wir den Besichtigungstermin?"

"In einer halben Stunde. Müsste machbar sein."

"Das wird knapp", überlege ich. Die U-Bahn ist sicher voll. Die Stadtbusse ebenfalls.

"Wir schaffen das schon. Dann muss die Marlerin eben kurz warten."

"Die Makerlin wartet aber nicht gern", erkläre ich ihm. "Das durfte ich mir schon zwei Mal anhören." Sie wird dann immer ganz zickig. Was kann ich dafür, wenn Clem nie aus den Puschen kommt? Denn wie schon zur ersten Besichtigung, war Clem auch bei fast jeder anderen mit von der Partie. Bis jetzt. Heute ist er nämlich nicht mit dabei. Heute gehen nur Meilo und ich dort hin.

Lächelnd stoße ich mich von der Theke ab, laufe um sie herum und lande in Meilos Armen. Es ist im Moment kein Kunde da und Clem sowie Jean sind hinten, weshalb ich ungeniert Meilo meine Lippen aufdrücke.

Zärtlich bitte ich mit meiner Zunge um Einlass, welcher mir auch gewährt wird. Seufzend erkunde ich seine mir nur allzu vertraute Mundhöhle, lade Meilos Zunge zum Tanzen ein. "Ähäm!" Oh Shit!

Wir fahren erschrocken auseinander. Clem steht mit verschränkten Armen vor uns. Hinter ihm steht Jean, der uns breit angrinst. "Hopla", sage ich mich räuspernd.

"Schämt euch! Mitten im Laden!" Man sieht Clem an, dass er das nicht ernst meint.

"Mal nicht neidisch werden", ärgere ich ihn. Er will etwas erwidern, doch da geht die Türglocke. Kundschaft.
 

Zwei junge Kerle betreten den Laden. Clem begrüßt sie, weshalb ich Jean dabei helfe, die Regale wieder aufzufüllen. Es sieht eben nicht gut aus, wenn man als Angestellter vor der Kundschaft mit seinem Lover herummacht.

Während Jean mir die Flaschen reicht, steige ich auf die kleine Trittleiter und stelle den Wein schön in Reih und Glied nebeneinander. Nebenbei höre ich Clem zu, wie er sich mit einem der Kerle unterhält und ihn berät. Das macht er echt gut. Er kennt sich mit den verschiedenen Weinsorten fast so gut aus wie Jean. Jean erklärt uns immer alles, aber Clem kann sich die ganzen Besonderheiten einfach besser merken als ich. "Danach müssen wir noch das Tomatenpesto auffüllen. Schaffst du das noch?"

"Denke ja." Das müsste zu machen sein.

"Das war die Letzte. Ich hole schnell die Kiste mit dem Pesto."

"Ist gut." Ich steige von der Leiter und stelle sie an ihren Platz, bevor ich zu dem Pesto-Regal gehe. Doch auf dem Weg dorthin, bleibe ich mit meinem Blick an Meilo hängen. Er steht immer noch an Ort und Stelle, aber er ist nicht mehr alleine. Typ Nummer zwei steht bei ihm und unterhält sich mit ihm.

Erst denke ich mir nichts dabei, doch als Jean mir die Kiste mit dem Pesto hinstellt, damit ich die kleinen Gläschen einräumen kann, werde ich stutzig.

Von hier aus habe ich eine perfekte Aussicht auf das Ganze. Meilo ist es nicht, der mir Kopfzerbrechen bereitet, sondern der andere Kerl. Das sieht doch ein Blinder, dass er sich an meinen Schatz ran zu machen versucht! Ich erkenne die Anzeichen, das dümmliche Grinsen, den verlegen wirkenden Augenaufschlag und vor allem die gelegentlichen Annäherungsversuche, die sich in kleinen Berührungen äußern. Der widerliche Kerl versucht Meilo zu betatschen!

Ich werde grün vor Eifersucht, starre die ganze Zeit über zu den beiden rüber und versuche dabei die Gläser in geordneter Folge aufzustellen, was mir aber sicher nicht gelingt. Es ist mir auch vollkommen egal. Ich habe nur eins im Sinn: Der Typ soll sich vom Acker machen!
 

Ich kann nicht verstehen, über was sie sich unterhalten, so sehr ich es auch versuche. Immer wieder schaue ich Meilo an, aber er sieht einfach nicht zu mir. Es ist nicht so, als würde er auf die Anmachversuche anspringen, das wäre ja noch schöner, aber was dagegen unternehmen tut er auch nicht.

Und wieder tatscht die Hand des Anderen nach Meilos Arm. Okay. Das langt! Was zu viel ist, ist zu viel. Ich muss diesem Kerl klar machen, dass Meilo vergeben ist, sonst fliegt gleich eines Pestogläser auf dessen Hinterkopf zu. Gar keine schlechte Idee ...

Das kleine Wörtchen, das schon den halben Tag in meinem Kopf herumgeistert taucht auf: Besitzergreifend. Ja, das bin ich. Und es macht mir noch nicht mal was aus, so sauer bin ich auf diesen dreisten Typen.

Ich wiege das schwere Glas in meiner Hand. Natürlich werde ich es nicht werfen. Das gute Pesto wäre viel zu Schade dafür, aber es mir vorzustellen hat was.

Langsam erschrecke ich vor mir selbst. Schnell stelle ich das Glas an Ort und Stelle. Genau wie die restlichen Gläser. Dann falte ich den Karton zusammen, klemme ihn mir unter den Arm und gehe rüber zu Meilo, der mich plötzlich ansieht. Sofort strahlen seine grünen Augen und ich bekomme weiche Knie.

Ich bin so ein Idiot! Besitzansprüche schön und gut, aber das hier ist Meilo. Ich weiß, dass er nicht auf so eine plumpe Anmache reinfällt.* Und ich weiß auch, dass er ebenso fühlt wie ich. Also was soll der Scheiß, frage ich mich. Wieso gerät mein Körper dermaßen außer Kontrolle, wenn ich sehe, dass ein Anderer versucht, sich an Meilo ranzumachen? 'Weil der Kerl wissen soll, dass Meilo zu dir gehört', erklärt mir mein Verstand. Na wenn das so ist, dann werde ich das doch gleich mal tun, nicht?

"Das wär's dann", richte ich mich an Meilo und stelle mich neben ihn. "Feierabend. Wir können los."

"In Ordnung", sagt er, lächelt mich dabei verliebt an und legt seinen Arm um mich. Das dämliche Gesicht, dass der andere dabei zu Tage legt, ist Genugtuung genug für mich.

Ein knappes Tschüss, und weg sind wir, auf den Weg hinter in die Umkleide.
 

"Uff! Der hat mir vielleicht das Ohr abgequasselt", stöhnt Meilo, als wir unter uns sind.

"Hat er das?", frage ich nach und lasse es ganz beiläufig klingen, während ich mir die Schürze ausziehe.

"Und wie!"

"Wieso hast du nichts gesagt? Oder bist weggegangen?"

"Ich wollte vor euren Kunden nicht unhöflich sein", meint Meilo und setzt sich auf einen der drei Stühle, die hier stehen. "Zum Glück hast du dann doch bemerkt, dass ich in der Klemme stecke."

"Was?" Ich drehe mich zu ihm um.

"Ich habe die ganze Zeit zu dir rübergelinst, doch du hast mich nicht bemerkt."

"Das kann nicht sein! Ich hab doch ständig zu dir rübergeschaut, aber du hast nur diesen Typen im Blick gehabt."

"Das stimmt nicht. Immer, wenn ich zu dir gesehen habe, hast du entweder die Weinflaschen eingeräumt, oder die Gläser." Ich mag mich irren, aber kann es sein, dass Meilo leicht verärgert aussieht?

Sowas! "Heißt das etwa, wir haben das gleiche Gedacht?"

"Was hast du denn gedacht?", fragt er mich vorsichtig.

"Ich hab daran gedacht, dem Kerl eins der Pestogläser an die Rübe zu schmeißen, wenn er dich weiterhin so penetrant anbaggert." Nu ist es raus, aber das macht mir nichts, weil ich es im Gefühl habe, dass Meilo was ganz Ähnliches gedacht hat.

"Und ich habe mich gewundert, warum du so ruhig bleiben kannst, während sich ein Fremder an mich heranschmeißt", gibt Meilo auch schon zu.

Lachend schüttle ich den Kopf und setze mich rittlings auf Meilos Schoß. "Meins", flüstere ich, sehe belustigt, wie mein Schatz erst die Stirn runzelt, dann aber erleichtert grinst. "Alles meins", wiederhole ich und nehme seinen Mund ein. Meins, meins, meins ... Und alle sollen es sehen. Zum Beispiel an den kleinen dunklen Flecken an seinem Hals, die er leider noch verdecken muss.
 

Nachdem ich meine Besitzansprüche an Meilo ziemlich deutlich gemacht habe, verabschieden wir uns noch schnell von Clem, Jean und KP, dann machen wir uns auf den Weg zur U-Bahn.

Es ist doch nicht so voll, wie ich vorhin befürchtet hatte. Dennoch bleiben wir in der Bahn stehen und warten die vier Stationen, bis wir wieder aussteigen müssen. "Morgen früh zeigt sie uns noch eine Wohnung, die liegt etwas außerhalb. Danach fahren wir am besten gleich weiter zu meinen Eltern", sagt Meilo.

"Ist gut", nicke ich.

"Alles klar bei dir?"

"Ja. Was soll schon sein?"

"Du siehst wieder so abwesend aus", meint er.

"Es ist nichts", beteuere ich, wobei das nicht ganz stimmt. Bei dem Wort Eltern bekomme ich schon wieder leichte Angstzustände.

"Sie werden dich schon nicht fressen", schmunzelt Meilo, und wieder wundere ich mich, dass er so leicht erraten konnte, was mich beschäftigt. "Das übernehme lieber ich."

"Scherzbold!", lache ich und stoße ihm leicht in die Seite.

"Das war kein Scherz", gluckst Meilo.

Ich stupse ihn noch einmal, schaue ihn vielsagend an, dann stelle ich mich vor die Schiebetür. Die nächste Station gehört uns.

Das Haus, zu dem wir müssen, ist nicht weit von der U-Bahn entfernt. Ein Pluspunkt, finde ich. Nur ist die Gegend nicht gerade ein Traum. "Hochhäuser", seufze ich.

"Lass uns doch erst mal die Wohnung anschauen. Sie soll der Wahnsinn sein."

"Genau wie der schmuddelige Kiosk da drüben?", frage ich. "Der Typ, der da sein Bier trinkt sieht auch wahnsinnig aus."

"Wir schauen doch nur. Warten wir ab, wie die Wohnung ist."

"Schwulenfeindlich?", schlage ich vor. "Oder glaubst du, die empfangen uns mit offenen Armen?" Unauffällig nicke ich in Richtung einer Gruppe herumgammelnder Jugendlicher.

"Wer weiß?", meint Meilo. Ich verdrehe nur die Augen. Ehrlich gesagt, ich fühle mich hier unwohl. Und wenn die Wohnung aus puren Gold bestünde, ich werde unter Garantie nicht in so eine Gegend ziehen. "Na los! Wir besichtigen die Wohnung, dann sehen wir weiter, ja?"

"Von mir aus." Bleibt nur zu hoffen, dass das nicht Meilos Traumbude ist.

Wir laufen einige Meter, da sehen wir schon die Maklerin vor einem der Hochhäuser stehen. "Herr Haug! Wie schön, Sie endlich persönlich zu treffen", flötet sie und kommt uns breit lächelnd entgegen. Aufgeregt streckt sie ihm ihre Hand hin. Und mir bleibt nur wieder abermals mit den Augen zu rollen. Das gibt's nicht! Jetzt wird die in Gegenwart von Meilo scheinbar auch noch rollig. Was ist denn heute nur los? Ihre Wangen leuchten rosa, als sie ihn anschaut. Hat er heute irgendwelche Hormone an sich?

Mir egal, dass keine zehn Meter von uns entfernt diese Bande von Jugendlichen hockt. Ich nehme Meilos Hand in meine. "Können wir?", frage ich in die Runde.

"Ja natürlich", tönt die Maklerin und lässt uns eintreten. "Die Wohnung befindet sich im fünfzehnten Stock. Es gibt eine große, nach Süden ausgelegte Außenterrasse ..." Bla, bla, bla.

"Ist der Aufzug nicht ein bisschen zu klein?", stelle ich die Frage aller Fragen, denn: "Wie bekommen wir da unsere Möbel hoch?"

"Für sperrige Güter wie Schränke oder große Umzugskisten gibt es auf der anderen Seite einen Lastenaufzug. Den können Sie nutzen."

"Perfekt", erwidert Meilo, was Frau Maklerin zum Strahlen bringt. Nervt es euch, wenn ich sage, dass ich wieder mit den Augen rolle?

Irgendwie hatte ich mir die ganze Besichtigungsnummer mit Meilo anders vorgestellt. Die ganze Aktion fängt an mich zu nerven. Die Wohngegend ist scheiße, die Maklerin glotzt meinem Partner auf den Hintern, und ich hasse Aufzüge! Ganz besonders Lastenaufzüge.

In meiner Not packe ich Meilos Hand fester. Ich will hier weg! Doch er drückt mich bloß retour, lächelt mich bezaubernd an, sodass ich gar nicht anders kann, und zurück lächle. Wahrscheinlich verströmt er heute tatsächlich liebestolle Hormone, denn gegen sein Lächeln ist kein Kraut gewachsen.
 

Als wir die Wohnung betreten, dann die Ernüchterung. Sie ist wirklich der Hammer! "Wow", haucht Meilo. Wir stehen in einem großen, offenen Raum und blicken direkt auf die schon erwähnte Außenterrasse. Selbst von hier aus hat man einem wundervollen Blick über die Stadt.

Die Maklerin plaudert ihr gewöhnliches Wissen über die Wohnung runter. Quadratmeterzahl, Anzahl der Räume, die guten Klimabilanzen ... Bla, bla, bla. Und mir wird immer mulmiger zumute. Ich will hier nicht leben! Die Wohnung scheint ja toll zu sein, doch es fühlt sich immer noch nicht wie Zuhause an.

Zuvor hatte ich noch geglaubt, dass ich nicht so empfinde, würde daran liegen, dass Meilo nicht bei mir ist, aber dem ist offensichtlich nicht so. "Was hältst du davon?", fragt er mich. Ich zucke mit den Schultern. "Verstehe. Es ist immer noch die Lage."

"Nicht nur", murmle ich.

"Sag jetzt nicht, dir gefällt die Wohnung nicht."

"Doch, schon ... nur ..."

"Nur?"

Seufzend schaue ich Meilo an. "Ich sehe uns hier nicht. Verstehst du?" Er mustert mich eingehend. So sehr, dass ich doch glatt leichte Verunsicherung verspüre.

Dann allerdings nickt er. "Ich denke ja", sagt Meilo. "Es passt nicht." Erleichterung erfasst mich. Es passt nicht. Ja, genau das ist es. Das sind nicht wir. Was auch immer wir sind, beziehungsweise einmal sein werden, aber wir sind und werden auf jeden Fall nicht das hier. "Vielleicht hätten wir nochmal genauer darüber reden sollen, was wir wollen."

"Daran liegt es nicht", wende ich ein. "Die Atmosphäre muss stimmen." Besser weiß ich es nicht auszudrücken.

Meilo wendet sich der Makerlin zu und ruft sie zu uns.

"Ja?" Wimpergeklimper.

"Wir haben genug gesehen", sagt Meilo zu ihr.

"Sie nehmen es?" Ja. Und dazu noch eine Armbrust und drei Feldkanonen.

"Nein." Meilo schüttelt den Kopf und die Maklerin scheint ihren fast zu verlieren, so fassungslos glotzt sie meinen Schatz an. "Die Wohnung gefällt uns nicht." Man kann förmlich sehen, wie der Maklerin das Lächelns auf dem Gesicht gefriert.

"Oh", macht sie, nickt dann übertrieben und verfällt wieder ganz in den Geschäftsmodus. "Nun, dann brechen wir hier ab und sehen uns morgen wieder."

"Können wir nicht schon jetzt die Wohnung, die für morgen angesetzt ist, besichtigen?", frage ich. "Wir haben noch Zeit."

"Leider ist die Wohnung noch nicht frei", sagt die Maklerin. "Den Besichtigungstermin kann ich leider nicht kurzfristig umlegen."

"Schade." Dann hätten wir morgen Zeit gespart, aber was soll's.

"Hätten Sie noch etwas anders für uns, dass Sie uns jetzt zeigen könnten?", möchte Meilo wissen.

"So weit ich weiß, hatte ich nichts weiter für Sie im Hinterkopf ... Aber ich schaue nochmal nach." Sie zückt ihr Smartphone. "Ich hätte noch eine Immobilie im Stadtkern. Das wäre allerdings eine Eigentumswohnung."

"Das bedeutet, sie steht nur zum Verkauf?", harke ich nach.

"Das heißt es."

Unsicher schaue ich Meilo an, doch er sagt bloß: "Anschauen kostet nichts." Auch wieder wahr.
 

Wir fahren zusammen mit der Maklerin in ihrem schicken Angeberwagen, da wir ja mit der U-Bahn hergekommen sind, zu besagter Wohnung.

Die Gegend, zu der wir unterwegs sind, gefällt mir schon viel besser. Und der Clou: Der Weinkeller liegt keine drei Straßen weit von der angegeben Adresse entfernt. "Ich könnte zur Arbeit laufen", sage ich zu Meilo, als wir ausgestiegen sind. "Nur ein paar Minuten in diese Richtung, schon bin ich im Weinkeller."

"Schon ein Pluspunkt für die Eigentumswohnung", lacht er.

"Ja ...", sage ich leise und reibe mir den Bauch. Mein Magen spielt verrückt. Schon seit wir hier her unterwegs sind. Vielleicht mag er das Wort Eigentumswohnung nicht, aber davon lasse ich mich nicht abschrecken. Wie Meilo gesagt hat. Anschauen kostet nichts, und eventuell sind wir hiernach schlauer, was wir eigentlich genauer suchen.

Wir folgen der Maklerin, die über die Straße geht und an ein paar kleinen Häusern vorbeiläuft. Also wenn die Wohnung in einem dieser Häuser ist, dann ist sie viel zu klein, fürchte ich. Tja, und wo bleiben wir am Ende stehen? Vor eben einem dieser Häuser. Zwei Stockwerke und ein ausgebautes Dachgeschoss.

Es sieht alt aus, nicht alt alt. Eher liebevoll restauriert alt. Lange, schmale Fenster im Erdgeschoss sowie im ersten Stock, die dort jedoch doppelt so breit sind. Es sind keine dieser modernen Dinger, sondern diese Alten, in Vierecke unterteilten. Doch bei näherer Betrachtung sind sie nur auf alt gemacht. Sicher sind sie ebenfalls neu hergerichtet. Zartgelber Putz, auf dem sich die dunkelgrünen Fensterläden wirklich hervorragend machen.

Dem zweiten Stock sieht man das Alter fast gar nicht mehr an. Kernsaniert trifft es hier ganz gut. Ich weiß nicht genau, wie ich es beschreiben soll, aber ich versuche es mal. Wenn man, so wie ich, vor dem Haus steht, sieht man auf eine Hälfte der Schrägseite des Daches. In der Mitte allerdings ist so etwas wie ein Erker, nur viel größer. Er hat, passender weise, die Form eines Hauses und ist komplett verglast. Davor ein Balkon. Richtig hübsch, aber eben viel zu klein, wenn man die beiden Wohnhälften betrachtet.

In gewisser Weise beruhigt mich das. Keine Eigentumswohnung. Keinen riesigen Kredit aufnehmen, um die Wohnung abzubezahlen. Adé Eigentum, hallo du schöne, entspannte Mietwelt.

Trotz dem offensichtlichen Platzmangel, laufen wir weiterhin der Maklerin hinterher, gehen durch das kleine hübsche schmiedeeiserne Tor, tapsen über den kleinen mit roten Steinen gepflasterten Weg, der einen kleinen, gut gepflegten Vorgarten teilt, auf die Eingangstür zu "Das Haus wurde in den Zwanzigern erbaut, wurde allerdings 2010 komplett kernsaniert, umgebaut und auf diesem Wege auch modernisiert. Storm kommt von der eigenen Solaranlage, überschüssiger Strom wird ins öffentliches Stromnetz gespeist, geheizt wird mit Erdwärme."

"Hört sich wirklich gut an", sagt Meilo. Ich schweige und bestaune lieber die kleine Bank, die links neben der Eingangstür steht. Wie in der Waldhütte gibt es hier so eine Art Veranda. Nicht groß, aber ausreichend. Sofort sehe ich Meilo und mich dort sitzen.

Während die Maklerin aufschließt, drehe ich mich um. Der kleine Vorgarten ist eingefasst mit hohen Büschen. Nichts im Vergleich zu dem Wald, in besagter Hütte, aber auch nicht zu verachten. Ein perfekter Sichtschutz. "Nic?"

"Hm?" Ich drehe mich wieder um.

Meilo sieht mich grinsend an. "Träumst du? Komm schon mit rein."

"Oh ... Ja! Komme." Ich schüttle das komische Gefühl ab, das mich eben befallen hat. Mit Meilo auf dieser Veranda hocken. So weit wird es nie kommen. Aus vielerlei Gründen nicht. Obwohl die Gegend besser nicht sein könnte. Beinahe mitten im Viertel ...

Drinnen ist es trotz des diesigen Wetters hell und freundlich. Links neben mir geht eine Treppe nach oben. Vor uns Wohnung Nummer eins. Also schätze ich mal, dass das hier die freie Wohnung sein soll.

Etwas stutzig macht mich das schon. Wo sind die Türen? Die Leute über dieser Wohnung müssen doch sicher über die Treppe nach oben kommen. Die können dann ja in die Erdgeschosswohnung glotzen. "Fangen wir am besten hier unten an", sagt die Maklerin und bittet uns weiter hinein. Unten anfangen?

"Ähm Entschuldigung?", richte ich mich an sie.

"Ja?"

"Gehört der obere Stock etwa mit dazu?"

Die Maklerin lacht hell. "Das hoffe ich doch, oder würden sie ein halbes Haus kaufen?"

"Ein ... Haus?", japse ich. "Das ganze Haus ist zu verkaufen?" Ich rudere mit meinen Armen in der Luft.

"Sage ich das nicht bereits?"

"Sie sagten, es sei eine Eigentumswohnung", erinnere ich sie.

"Das hier ist ja auch eine Wohnung", meint sie schnippisch und macht mit ihrer Führung weiter. Mir bleibt die Spucke weg. Die hat uns angelogen!

Ich schaue neben mich, wo ich Meilo vermute, doch er ist ihr inzwischen munter gefolgt. Notgedrungen laufe ich ihnen nach, aber in der Sache ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!
 

Wieder rasselt sie die Einzelheiten des Hauses runter, zeigt uns jenes und dieses, erwähnt etwas von einem Gäste-WC. Wo dieses sein soll? Keine Ahnung, denn ich kann ihr nicht richtig zuhören. Ich stehe einfach mitten in diesem Wohnraum, der größer ist, als ich anfangs vermutet hätte, inklusive Terrasse und offener Küche, und spüre meinen Bauch ungnädig ziehen und gluckern.

Ich reibe ihn besorgt, während ich mich in dem unmöblierten Raum umschaue. Wie geschaffen für ein Wohnzimmer. Hier könnte man abends schön sitzen, eingekuschelt auf dem Sofa. Auf einem riesigen Sofa. Platz genug ist dafür allemal, trotz der angrenzenden Wohnküche.

Sie ist vom Eingang gesehen gleich rechts gelegen. Wenn man das Haus betritt, kann man sie nicht sehen, da sie eine Wand vom Eingangsbereich abtrennt. Das war's allerdings auch schon an Wänden. Bis auf die Treppe, von der aus man bis ganz nach oben schauen kann, und noch ein paar Stützbalken, behindert nichts die Sicht. Auf was? Na auf den beschissen schönen Garten, gleich jenseits der Glasfront, die zur Terrasse führt. Groß kann der Garten nicht sein, denn wir sind ja mitten in der Stadt, aber von hier aus könnte man meinen, er sei riesig. Überall Bäume und Büsche. Meine Mutter hätte ihre wahre Freude daran.

"Gehen wir in den ersten Stock", höre ich die Maklerin sagen, die sich anhört, als käme ihre Stimme von ganz weit weg. Mein Bauch zieht sich wieder zusammen.

Meilo ergreift plötzlich meine Hand. Er lächelt, und mir wird ganz leicht ums Herz. Er zieht mich mit sich, hinter der plappernden Maklerin her, die Treppe nach oben. Sie zieht sich nach rechts übers Eck, dann stehen wir mitten im ersten Stock.
 

Alle Fenster hier sind bodentief. Sie wirken von draußen viel kleiner. Überhaupt sieht das Haus von außen viel kleiner aus, als es von innen ist.**

Wieder ist der Raum ziemlich groß, wenngleich auch kleiner als unten, was daran liegen mag, dass der erste Stock in mindestens einen weiteren Raum unterteilt ist. "Hier wäre zum Beispiel Platz für ein Schlafzimmer. Im angrenzenden Raum, neben dem raumhehen, fest eingebauten Kleiderschrank, ist das große Badezimmer mit Wanne, Dusche und zwei Waschbecken." Was hab ich gesagt?

Meilo zieht mich mit sich vor die Fenster, von denen aus man nach unten in den kleinen Vorgarten schauen kann. Dahinter liegt die Altstadt mit ihren alten Gebäuden und den Linden, die dort überall stehen. Im Sommer ist das bestimmt noch viel schöner, denke ich. "Kannst du dir vorstellen, morgens aufzuwachen, und das hier zu sehen?", fragt mich Meilo.

"Nicht so beeindruckend wie die Wohnung zuvor", wende ich ein, obwohl die doch niemals zur Debatte stand.

"Wieder nichts?", frage mich Meilo auch sogleich.

Ich will antworten, doch ich bekomme keinen Ton raus. "Wir haben ja noch nicht alles gesehen", krächze ich und frage mich, ob Meilo denn wirklich in Betracht ziehen könnte, gleich ein ganzes Haus zu kaufen.

"Dann schauen wir uns das Badezimmer an, ja?"

"Hmhm", mache ich und halte mir abermals den Bauch. Was ist denn mit ihm bloß los?!

Das Badezimmer verbirgt sich hinter einer Schiebetür aus Milchglas, die sich, wenn man sie aufschiebt, hinter dem Kleiderschrank versteckt. Wer's mag. Dafür bietet das in die Länge gezogene Bad viel Platz, ist ebenfalls hell und besitzt alles Nötige, was ein Bad haben muss. Inklusive einer Wanne, in der man locker zu zweit hinein passt. Doch dies und die zwei Waschbecken sind für mich nicht ausschlaggebend für einen Hauskauf. ... Arg! Also falls ich mal vor hätte eins zu kaufen. Nur dann, versteht sich.

"Die Wanne ist schon mal groß genug für zwei", scherzt Meilo mit der Maklerin und schenkt mir einen eindeutigen Blick. Ich lächle schmal und höre erneut das ungesund klingende Gurgeln meines Bauches. Eine Gänsehaut überzieht mich. Das komische Gefühl in mir will einfach nicht weichen.
 

Nach der Besichtigung des Badezimmers und des Schlafzimmers, geht es noch einen Stock höher hinaus. Nämlich ins Dachgeschoss.

Um dort hin zu kommen, müssen wir wieder zurück, durchqueren das Schlafzimmer und steigen weiter die Treppe hinauf, die wieder nach rechts der Hauswand folgt und in einem breiten Flur endet. Am Ende dieses Flurs befindet sich jener ausgebaute Erker, den ich schon von Draußen bewundert habe. Im Winter könnte man dort gemütlich sitzen, und im Sommer sich einfach raus auf den Balkon setzen.

Links und rechts neben uns befinden sich zwei Türen. Die Maklerin zeigt uns das erste von diesen Zimmern. "Ich weiß nicht, ob es Ihnen vom Platz her genügen würde, aber ein Tonstudio hätte hier drinnen sicher Platz. Der andere Raum ist etwas kleiner geschnitten. Man könnte ein Arbeitszimmer daraus machen, oder ein Gästezimmer."

Meilo schaut sich interessiert um. "Wie sieht es mit der Isolierung aus? Wird es im Sommer hier oben nicht furchtbar warm?"

"Es ist alles bestens isoliert. Darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen", antwortet sie prompt.

"Das Zimmer müsste umgebaut werden. Die Fenster müssen auch Schalldicht sein", überlegt Meilo und betritt den Raum, den die Maklerin als Tonstudio auserkoren hat.

"Alles kein Problem. Sie können alles so umbauen, wie sie es bräuchten, denn es würde Ihnen gehören", lacht die Maklerin.

Ich lehne mich gegen die Wand und reibe mir fester über den Bauch. Es zieht heftig darin. Scheiße, hoffentlich habe ich mir nichts eingefangen!

"Falls Sie interessiert sind, kann ich Ihnen alles Wissenswerte per E-Mail zuschicken."

"Das wäre nett", sagt Meilo und in meinem Bauch fängt etwas an Rumba zu tanzen.

"Ich muss mal kurz ... ", krächze ich und stürme aus dem Raum. Ich brauche Luft!

Weil der Weg nach unten zu weit ist, gehe ich raus auf den Balkon. Glücklicherweise ist die Balkontür nicht abgeschlossen.

Ich lehne mich gegen die Brüstung und atme tief durch. Die Winterluft tut unglaublich gut und beruhigt meinen aufgewühlten Bauch ein wenig, bis ich hinter mir Schritte höre. "Nic? Geht es dir nicht gut?" Meilo ist sofort bei mir und legt seinen Arm um meinen Rücken. Dankbar lehne ich mich an ihn.

"Mir war nur kurz übel", flüstere ich.

"Übel? Wird du krank?"

"Hoffe nicht." Ich will ihm das Wochenende nicht versauen. Unter keinen Umständen.

"Du magst das Haus nicht", schließt er aus meinem Verhalten. Tue ich das? "War ja auch nur so eine Idee."

"Wessen Idee? Die von der Maklerin?", lache ich auf. "Die hat die dicken Eurozeichen in den Augen. Nur deshalb schleppt die uns hier her."

"Und wenn schon", winkt Meilo ab. "Hier geht es nicht um sie, sondern um uns."

"Das heißt, dir gefällt es hier?" Ich traue mich gar nicht Meilo anzuschauen. Ich will nicht seine Enttäuschung sehen, die ich sicher gleich aus seiner Stimme heraushören kann.

"Dir nicht, wie es aussieht."

"Das habe ich nicht gesagt!"

"Dann sag es mir jetzt. Findest du die Idee, hier zu leben, vollkommen absurd? Siehst du uns wirklich nicht hier?" Erneut zieht und grummelt es in meinem Bauch. Gut, dass ich mich an der Brüstung festhalten kann.

Ich überlege ernsthaft, gehe im Kopf all die Eindrücke durch, die ich von dem Haus habe. Die Veranda, auf der wir sitzen könnten; das Wohnzimmer, auf dessen Couch wir faul herumlümmeln; den Garten, in dem meine Mutter herumwerkeln kann, während wir ihr dabei helfen; das Schlafzimmer, in dem wir morgens aufwachen, mit Blick über die Stadt und die Linden; die große Badewanne, in der wir beide liegen; und zu guter Letzt der Balkon, auf dem wir gerade stehen. Hier könnten wir nach der Arbeit sitzen, zu Abendessen, nichts tun, außer beisammen zu sein.

So eine Scheiße! Und wie ich uns hier sehe! Schon die ganze Zeit über, und mein Bauch wusste das. Deshalb hat er die ganze Besichtigung über gezogen und gegurgelt, weil ich es vor meinem inneren Auge sehe, uns beide, und weil das alles gar kein Problem wäre, wenn wir das Haus einfach mieten könnten, anstatt es gleich zu kaufen.

"Nic?" Meilo wartet auf meine Antwort.

Unten, auf dem Gehweg, läuft ein Pärchen mit einem Hund spazieren. Zwei Männer! Verdammt, das gibt es nicht! Als soll es so sein. Klar, ich kann es darauf schieben, dass wir hier nahe am Viertel sind, aber das wäre zu einfach. Zu banal.

Mein Bauch gurgelt erneut. "Und wie ich uns hier sehe", flüstere ich und schaue weiter dem Paar hinterher, wie es langsam den Weg entlang schlendert.

"Auch mit einem Hund?", fragt Meilo mich lachend.

"Von mir aus auch mit einem Pony, wenn dich das glücklich macht."

"In Ordnung. Aber du mistest jeden Tag den Stall aus." Ich rümpfe die Nase.

"Lass uns darüber reden, wenn die Zeit dafür reif ist, ja?"

"Ist gut. Aber was ist jetzt? Wollen wir es wagen?" Wollen wir?

Mein Bauch sagt allem Anschein nach ja. Schon die ganze Zeit über. Doch was sagt mein Verstand dazu?
 

******
 


 

* Ah ja. Plumpe Anmache, ja? Man erinnere sich nur ans Abschleppen und an die lange Stange, nech? XDDD
 

**Das Haus ist bestimmt eine Tardis XD. Von innen größer als von außen. Oder von außen viel kleiner als von innen? :-P

Love bite 46 - Burg-Idyll

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 46 - Burg-Idyll (Ohne Adult)

Na endlich! Es geht zu Nics Schwiegereltern. Wurde auch mal langsam Zeit, was?

Zum Wohnort von Meilos Eltern, der ist von mir natürlich nur ausgedacht und allein der Geschichte dienlich. ;-)

Ansonsten euch viel Spaß ^^
 


 

Love bite 46 - Burg-Idyll (Ohne Adult)
 

"Was würde es denn überhaupt kosten?" Obwohl Meilos Frage gar nicht für mich bestimmt war, ließ sie mich zusammenzucken, denn ich wollte die Antwort der Maklerin gar nicht hören, und als sie kam, bliebt mir das Herz für wenige Sekunden vor lauter Schreck stehen.

"Das ist allerdings nur das Startgebot. Falls Sie an der Immobilie interessiert sind, müssen Sie bis zum elften Januar ein höheres Gebot abgeben. Derjenige, der dann am Meisten für dieses Schmuckstück bietet, bekommt den Zuschlag", erklärte die Maklerin.

"Das war es dann ja wohl mit dem Eigenheim", sagte ich zu Meilo, nachdem die Maklerin verschwunden, und wir auf dem Weg zur nächsten Bushaltestelle waren.

"Wieso?"

"Hast du den Preis nicht gehört, den sie genannt hat? Und das war gerade mal das Startgebot. Gott weiß, wie viel man überhaupt bieten muss, um den Zuschlag zu bekommen", antwortete ich mit sehr zwiespältigen Gefühlen.

Nachdem ich mir all die schönen Vorstellungen gemacht habe, wie Meilo und ich in diesem Haus unser Leben miteinander teilen, wünsche ich mir insgeheim nichts sehnlicher, als diese Vorstellungen in die Realität zu holen. Doch das ist unmöglich. Selbst die Hälfte des Startgebotes würde mich für Jahre ins Armenhaus stürzen. Na ja, wenigstens hätten wir unseren eigenen Strom und es immer schön warm. Essen wird sowieso überbewertet.

"Dann müssen wir eben so hoch bieten, dass kein Anderer uns überbieten kann", meinte Meilo plötzlich ganz locker und wenig beeindruckt.

Wie vom Donner gerührt blieb ich stehen und starrte meinen anscheinend übergeschnappten Freund an. "Und mit was bezahlen wir das? Ich habe keine Gelddruckmaschine zuhause."

"Die brauchen wir auch nicht. Wozu hast du mich?" Meilos Grinsen brachte meinen Verstand zum Kollabieren.

"Nein", hauchte ich fassungslos. "Du kaufst das nicht allein."

"Gut, dann zahle, was du beisteuern kannst."

"Ich kann gerade mal so viel beisteuern, um sich davon eine Fußmatte zu kaufen!" Und das war schändlicher weise noch nicht mal gelogen.

"Dann kauf eine Fußmatte", giggelte Meilo. "Ein Haus braucht schließlich eine."

"Ich meine es ernst!"

"Ich auch", schoss er zurück. "Es ist doch viel gescheiter, sein Geld in einer Immobilie anzulegen, als sich irgendwo einzumieten."

"Ich kann mir keine Immobilie leisten."

"Aber ich." Unsere Blicke verhakten sich ineinander.

Keine Ahnung, wie lange wir mitten auf dem Bürgersteig gestanden, und uns grimmig angestarrt haben. Irgendwann einigten wir uns darauf, das Gespräch bis zum nächsten Tag zu vertagen, uns erstmal die nächste Mietwohnung anzuschauen, und dann nochmal in Ruhe über alle Möglichkeiten zu sprechen.

Ich willigte ein, und nun stehen wir hier, einen Tag darauf, in einem Neubau aus Beton, Stahlträgern und Glasfronten, die so aussehen, als würden die Betonpfeiler und Stahlträger sie jede Sekunde zerquetschen.
 

"Es ist irgendwie ..."

"Kalt", beende ich Meilos Satz.

"Ja. So kann man es ausdrücken."

Wir stehen in dem großen Wohnzimmer, Schrägstrich, Wintergarten mit Plastikpflanzen. Die Decke über uns ist schräg, was einem den Eindruck vermittelt, hier sei beim Bau irgendwas gewaltig schief gelaufen. Als stecke das Haus schräg im Boden, aber nicht auf die moderne, spannende Art, sondern auf eine 'der Architekt hat zu viel geraucht' Art. Die Maklerin telefoniert, und bekommt unser Gespräch somit nicht mit.

"Hier sehe ich uns schon mal gar nicht", murmle ich und fahre mit dem Zeigefinger über das kalt-graue Betongemisch. Ekelhaft!

"Also das Häuschen im Viertel", säuselt Meilo.

"Das ist noch nicht in trockenen Tüchern! Darüber wollten wir erst noch reden."

"Dann tun wir das jetzt."

"Doch nicht jetzt!"

"Wann dann?"

"Im Auto. Da haben wir genügend Zeit." Meilo brummt unwillig.

"Und? Gefällt es Ihnen?" Laut hallt das Klackern der High Heels der Maklerin auf dem hübschen dreckig-grauen Betonboden wider, als sie auf uns zu kommt.

"Das Häuschen hat uns besser gefallen", erwidert Meilo.

"Dann möchten Sie ein Angebot machen?"

"Ja."

"Nein!", fahre ich dazwischen. "Wir müssen das noch besprechen." Ich spüre Meilos Blick in meinem Nacken, aber sei es drum.

"Wir melden uns bei Ihnen", sagt mein störrischer Freund schließlich seufzend, schüttelt der Maklerin die Hand und damit ist die Besichtigung beendet.

Ich bin froh, als wir im Auto sitzen, und diesem Beton-Albtraum entkommen sind. Nicht, dass das Teil doch noch im Boden versinkt, während wir darin gefangen sind. "Derjenige, der da mal einzieht, muss echt ein großes Problem mit sich haben", seufze ich.

"Manche stehen auf schlichte Wohnräume."

"Hmm. Also nichts gegen schlichte Wohnungen, aber das war nur verstörend. Eine schlichte Monstrosität mit schönen stabilen Stahlträgern zum sich dran aufhängen." Meilo lacht leise. "Weißt du, was perfekt wäre? Wenn das Häuschen zu vermieten wäre."

"Ansichtssache", meint Meilo und biegt auf die Autobahn ein. "Ein Eigenheim hat auch Vorteile."

"Und Nachteile", wende ich ein.

"Die hat eine Mietwohnung auch."

"Ansichtssache." Wieder lacht mein Schatz.

"Lass uns vernünftig darüber reden, ja?"

Ergeben lehne ich mich seufzend auf dem Beifahrersitze zurück. "Ist gut."

"Weißt du, bevor ich dich getroffen habe, dachte ich selbst schon darüber nach, mir etwas Eigenes zu kaufen. Entweder eine Eigentumswohnung oder eben ein kleines Häuschen. Mit Tonstudio und allem Drum und Dran. Stell dir vor, ich hätte mir schon vor langem ein Eigenheim zugelegt. Dann würdest du doch auch zu mir ziehen, oder?"

"Schon, aber das wäre auch was anderes", antworte ich.

"Inwiefern?"

"Das wäre dann dein Haus. Wenn wir jetzt dieses Haus kaufen, dann ist das unser Haus. Das Haus, dass wir zusammen für uns ausgesucht haben. Ich finde, das ist schon etwas anders." Etwas gewaltig anderes!

"Finde ich nicht."

"Ist es aber. Unser Haus, unsere Finanzierung. Das kann ich mir einfach nicht leisten." Punkt. So sehe ich das.

Meilo atmet laut ein. "Um die Finanzierung mach dir mal keine Sorgen."

"Mach ich mir aber!" Wieso versteht er nicht, dass ich nicht will, dass er allein dafür aufkommt? Eine monatliche Wohnungsmiete wäre kein Problem. Ein ganzes Haus dagegen schon. Und dabei geht es mir nicht nur um den monatlichen Abschlag. Da gibt es noch so viel mehr zu beachten.

"Geht es dir wirklich nur um die Finanzierung bei dem Ganzen?", möchte Meilo plötzlich von mir wissen, als hätte er meine Gedanken gelesen.

"Nur? Diese Summe bezeichnest du als nur?"

"Ich rede nicht von der Summe. Ich rede davon, ob es dir zu viel ist, gleich mit mir zusammen in ein Eigenheim zu ziehen."

"... Nein." Aber irgendwie auch schon, wenn ich es mir recht überlege. "Ich will nur nicht, dass wir uns das Haus anschaffen, und dann ..." Ich breche ab. Ich kann es nicht aussprechen, weil es undenkbar für mich ist. Trotzdem schweben diese Befürchtungen in meinem Kopf herum.

"Und dann?"

"Na ... und dann eben. Dass das Leben passiert."

"Sprich: Falls wir uns trennen sollten." Unsicher schaue ich zu ihm rüber. Verbissen starrt Meilo auf die Fahrbahn. Oh oh. "Wenn du jetzt schon so denkst, dann hast du vielleicht recht. Dann sollten wir uns lieber irgendwo eine kleine Bude mieten." Mir wird speiübel.

"Meilo! Ich ..."

"Schon gut. Ist doch nicht schlimm. Ist doch klar, dass du so denkst. Wir sind ja noch nicht lange zusammen, und während dieser kurzen Zeit sind wir auch nie so wirklich wie ein richtiges Pärchen gewesen." Das Blut rauscht laut durch meinen Kopf. Wieso sagt er sowas?!
 

Ich will anfangen zu schreien, aber ich kann nicht. Wir sind nie wie ein richtiges Pärchen gewesen? Denkt er das wirklich? "Wir sind viel mehr als das", krächze ich und verwünsche meine brüchige Stimme.

Erschrocken dreht Meilo seinen Kopf zu mir, sieht mich beinahe entschuldigend an, und schaut dann wieder vor sich auf die Straße, damit er keinen Unfall baut. "So meinte ich das nicht", erklärt er sofort.

"Wie dann?"

"Na eben, dass wir nie wie ein Pärchen wie Ed und Ingo, oder von mir aus auch wie Clem und Kilian waren. Wir haben noch nicht den Alltagstest bestanden. Das ist es doch, was dich zögern lässt, oder?" Den Alltagstest. "Verdammt Nic! Ich habe das nicht abwertend gemeint!" Ich wische mir über die Augen. "Ich wollte doch damit nur sagen, dass ich es verstehen kann, wenn du dir nicht sicher mit dem Haus bist."

Ich senke den Kopf und starre auf meine Finger. Ich will nicht mehr darüber reden. Es war von Anfang an eine dumme Idee gewesen. Ich wusste, dass das Ärger geben würde.

Das leise Klacken des Blinkers ertönt. Irritiert schaue ich auf. Wir biegen auf eine Raststädte ein. "Was wollen wir hier?", frage ich.

"Reden."

"Jetzt? Hier? Deine Eltern warten."

"Meine Eltern sind mir gerade vollkommen egal", knurrt Meilo, fährt auf den erstbesten freien Parkplatz und stellt den Motor ab.
 

Zuerst herrscht Stille. Dann seufzt Meilo, dreht sich zu mir und greift nach meinen Händen. Sie fühlen sich so warm und so unglaublich vertraut an. "Ich nehme alles wieder zurück, hörst du? Vergiss was ich gesagt habe. Es war unglücklich ausgedrückt."

"Dito", flüstere ich. "Neustart?"

"Neustart." Ich lächle, was Meilo erleichtert lächeln lässt. "Ich liebe dich Nic."

"Ich dich doch auch." Wir nähern uns langsam an und küssen uns. Fast zaghaft, aber es bringt mein Herz dazu, wie wild in meiner Brust herumzuflattern. Wie doof von mir, vorhin erwähnt zu haben, dass wir uns vielleicht, irgendwann einmal trennen könnten. Solange mich Meilo will, bleibe ich bei ihm. Und selbst wenn er mich eines Tages satt haben sollte, werde ich um ihn kämpfen. Komme was wolle.

Als wir uns wieder voneinander lösen, geht es mir wieder viel besser. Erleichtert blicken wir uns an. "Ich will dich, Nic. Ich will das Haus. Und ich will mit dir darin leben", flüstert Meilo, was mich wieder leicht aus der Bahn wirft. "Okay. Anderer Vorschlag. Was hältst du davon, wenn ich es kaufe, und du mir Miete bezahlst?"

"Ich soll dir Miete bezahlen?"

"Das wäre die beste Lösung, findest du nicht?" Ich überlege seinen Vorschlag. Ihm Miete bezahlen. Könnte das klappen? Wäre das eine Lösung?

'Wieso nicht?', frage ich mich selbst. "Wie hoch wäre die denn, die Miete?"

"Na ja, das müssten wir ausrechnen. Storm und Heizkosten sind gering. Wir müssten uns wahrscheinlich die Wartungskosten für die Anlangen teilen."

"Das wäre machbar", meine ich.

"Dann gibt es noch die Kosten fürs Essen und die fürs Wasser."

"Logisch", nicke ich.

"Vielleicht noch einen Anteil an der Grundsteuer. Natürlich nur, wenn das zur Miete dazu gehört. Da müsste ich mich noch erkundigen."

"Natürlich", erwidere ich.

"Was auch noch unbedingt dazu gehört, sind all die Dienste, die du bei dem Vermieter zu leisten hättest." Meine Mundwinkel zucken nach oben.

"Und die wären?", frage ich amüsiert.

"Frühstück ans Bett, den Nacken massieren, amouröse Gefälligkeiten ..."

"Amoköse Gefälligkei... Du Idiot!", lache ich auf und verpasse ihm einen leichten Klaps auf den Arm.

"Was denn? Das gehört sich so."

"Wirklich?"

"Wirklich. Das steht in deinem Mietvertrag drinnen."

"Dann nimm das wieder raus", fordere ich von ihm.

"Wieso sollte ich das tun?"

"Ganz einfach", säusle ich und beuge mich vor zu ihm. "Weil ich diesen Teil des Vertrages auch ohne Mietklausel liebend gern einhalte." Und ich zeige ihm gleich mal, dass ich es ernst meine, und besiegle dies mit einem innigen Zungenkuss.
 

***
 

"Heißt das, dass wir mitbieten?", hatte Meilo mich nach unserer Aussprache gefragt.

"Versuchen wir es", meinte ich mit klopfenden Herzen. Wir wollen tatsächlich dieses Haus kaufen! Wir müssen echt total übergeschnappt sein!

Auf meine Frage hin, wie viel er denn bieten wolle, meinte er, das wüsste er noch nicht. Ich sah ihm jedoch an, dass das eine Lüge gewesen war. "Aber sprengt das nicht deine Bank? Du musst doch noch das Tonstudio bauen, und dann verdienst du doch sicher nicht sofort Geld mit deinen neuen Songs", wendete ich ein.

"Das passiert schon nicht", sagte er locker. "Da bleibt noch genügend über, und ich verdiene ja auch noch weiterhin Tantiemen an einigen Keith Songs." Erneut wurde mir ganz unwohl.

"Wie viel Kohle verdienst du mit ihnen?" Wollte ich es wirklich wissen?

"Genug, um uns ein kleines Liebesnest samt Tonstudio zu bauen", lachte er, was mir als Antwort vollkommen ausreichte. Beim Wort Liebesnest musste ich sowieso an ganz andere Dinge denken, als an den schnöden Mammon.
 

Inzwischen fällt mir das Denken an sich schon schwer genug, denn wir nähern uns langsam aber stetig Meilos Elternhaus. Berlin ist nicht mehr weit. Unser genaues Ziel liegt jedoch irgendwo zwischen Gosen und dem Wernsdorfer See. Dort leben Meilos Eltern.

Mit jedem gefahrenen Meter werde ich nervöser. "Du siehst aus, als würdest du gleich platzen", lacht Meilo.

"Tue ich auch gleich", gebe ich zur Antwort.

"Versuche ruhig zu bleiben. Alle freuen sich schon riesig auf dich."

"Falls du mich damit beruhigen willst, es klappt nicht." Ich kratze unruhig mit dem Zeigefinger an der Naht meiner Hose entlang. Meilo bemerkt dies und unterbindet es, indem er meine Hand schnappt und festhält.

"Einmal tief ein-, und einmal tief ausatmen, ja? Es wird alles gut gehen. Glaube mir."

"Hmhm", nicke ich, nicht wirklich davon überzeugt.

Wieder fängt es draußen an zu regnen, wie schon des Öfteren während der Fahrt über. Wenigstens schneit es nicht, doch der Regen gefällt mir auch nicht sonderlich. Die Bäume, die links und rechts neben uns aufragen, wirken dunkel und trostlos dadurch. Fast schon bedrohlich. "Ich mag den Winter nicht. Wieso haben deine Eltern ausgerechnet am 12.12. geheiratet?"

"Weil meine Mutter den Winter liebt und der 12.12 so ein schönes Datum ist", schmunzelt Meilo. Allein der Gedanke an eine Winterhochzeit, lässt mich frösteln.

Ich rutsche tiefer in den Sitz hinein und lasse mir die warme Luft aus den Düsen vor mir ins Gesicht pusten. Das tut gut!

"Wir sind gleich da", verkündet Meilo kurz darauf. Dahin ist das gute Gefühl von Wärme. Mir wird heiß! Verflucht heiß sogar.

Er setzt den Blinker und biegt auf einen schmalen, aber dennoch asphaltierten Weg. Ein brauner Wegweiser zeigt an, dass es hier irgendwo auch ein Hotel geben muss. Wie praktisch, bedenkt man, dass bald eine große Feier stattfindet. "Kommen wir etwa in einem Hotel unter?", frage ich Meilo grinsend, hauptsächlich, um meine nervösen Nerven abzulenken.

"Nein", antwortet er. "Nur die Freunde und Verwandten, die von weiter weg kommen." Habe ich es mir doch gedacht.

"Wir schlafen nebenan."

"Nebenan?"

"Ja. Im Wohnhaus."

"Wohnhaus", wiederhole ich. "Neben dem Hotel?"

"Ja." Hat Meilo mir nicht mal erzählt, er hätte im Haus neben dem seines Opas gewohnt? "Wir sind da!", ruft Meilo, bevor ich nochmal nachfragen kann.

Vor uns lichten sich die Bäume und was steht vor uns? "Ein Schloss?!" Ich bekomme Maulsperre.

"Das ist doch kein Schloss", kichert es neben mir.

"Was soll es denn sonst sein?"

"Das Hotel meiner Eltern", sagt er ganz unbeeindruckt.

Mir klappt der Unterkiefer noch weiter nach unten. "Warte mal. Soll das bedeuten, dass du in einem Hotel groß geworden bist?"

"So ungefähr." Ist das zu fassen? Meilo Haug, alias Keith Kandyce, der schon in tausend Hotels abgestiegen ist, ist in einem Hotel groß geworden?! Und dann hat er es noch nicht mal für nötig gehalten, mir das zu sagen? "Als mein Opa gestorben ist, haben meine Eltern das Gebäude zu einem Hotel umgebaut."

Ungläubig starre ich Meilos Profil an. "Kein Wunder, dass dich der ganze Schnick-Schnack in den Hotels nicht beeindruckt hat. Wen jucken schon goldene Badezimmerarmaturen, wenn man in einem verdammten Schloss-Hotel groß geworden ist?"

Abermals lacht Meilo leise. "Ich bin nebenan groß geworden. Dieses Gebäude hier war einfach nur der Ort an dem mein Opa gelebt hat, und danach der Ort, an dem meine Eltern gearbeitet haben."

"Ach so. Dann geht's ja", schnaube ich. Ich bin leicht eingeschnappt, muss ich zugeben. Was verheimlicht er mir noch alles?

"Hältst du mir jetzt vor, dass ich hier meine Kindheit und Jugendzeit verbracht habe?", will er wissen, wobei seine Stimme verrät, dass er es nicht böse meint.

"Nein, tue ich nicht. Aber du hättest mir auch mal sagen können, was mich bei deinen Eltern erwartet!"

"Damit du noch nervöser und hibbeliger wirst?", schießt er zurück. Punkt für Meilo.

Apropos. "Muss ich dich jetzt mit Sir oder eure Hoheit ansprechen?"

Der Motor stirbt ab. Wir haben die Parkposition eingenommen. "Wir sind nicht adelig. Mein Opa hatte den Schuppen damals gekauft, als er frisch verheiratet gewesen war."

"Ach so. Na dann ..." Ich bin immer noch total geschockt. Eigentlich hatte ich gedacht, wir kommen in einer kleinen, schicken Reihenhaussiedlung an, doch DAS, das hat mit einer Reihenhaussiedlung so viel gemein, wie unser vielleicht baldiges Heim mit einem kleinen Dorfkiosk.

"Aber wenn du willst, kannst du mich im Bett mit Sir oder eure Hoheit ansprechen", kichert Meilo neben mir, schnallt sich ab und packt mein Kinn.

"Mal nicht frech werden der Herr, ja?" Grinsend bekomme ich einen Kuss auf die Lippen, dann steigt mein Schatz aus.

Seufzend schnalle ich mich ebenfalls ab und wage mich nach draußen. "Die Koffer lassen wir erstmal im Auto. Gehen wir zuerst rein, ja?" Ich nicke, werde von einem total euphorischen Meilo an der Hand genommen und Richtung Hotel gezerrt. "Ich kann es kaum noch erwarten, dich endlich meinen Eltern vorzustellen", strahlt Meilo.

"Ich bin nervös", fiepse ich und starre an der hohen Fassade empor. Angsteinflößend.

Meilo lächelt mich aufmunternd an, küsst mich nochmal, diesmal auf die Schläfe, und zieht mich weiter. Geradewegs auf dieses riesige Anwesen zu.
 

Graue Steine bilden das Mauerwerk. Eigentlich, nach näherer Betrachtung, wirkt das Gebäude viel eher wie eine Burg, als ein Schloss. Dennoch will es noch immer nicht in meinen Schädel, dass Meilo tatsächlich hier aufgewachsen sein soll. Jetzt verstehe ich aber auch, wie er das mit seinem Opa gemeint hat. Der alte finstere Burgherr. Das war anscheinend wirklich so gewesen! Und ich Idiot dachte, in Wirklichkeit sei es einfach nur ein grimmiger, alter, klappriger Mann gewesen, der auf einem zerlutschten Sessel vor einem flimmernden Fernseher hockt hat. Aber mitnichten. Es muss so gewesen sein, wie Meilo gesagt hat, und wenn ich so dieses Burg-Hotel anschaue, kann ich ihn auch verstehen, wieso ein kleiner Junge davor Angst haben kann. Mir macht das Anwesen auch Angst. Aber auf eine ganz andere Art und Weise.

Fünf Stufen sind es, die uns hinauf zu einer großen, oben bogenförmigen Flügeltür bringen. "Sind auch Urlaubsgäste hier?", frage ich Meilo.

"Nein. Bis Ende Februar ist Winterpause."

"Oh. Ziemlich lang."

"Ja, aber dafür gibt es für meine Eltern keinen Sommerurlaub."

"Verstehe." Sie müssen während der Urlaubszeit schuften, und die Urlauber in ihrem Hotel bewirten. "Wie bei Henning und Heiko."

"Jupp. ... Gehen wir rein!"

Mein Herz schlägt schnell und fest gegen meine Brust, als sich Meilos Hand auf die Türklinke legt, sie runterdrückt, und die Tür nach außen hin öffnet.

Wohlig warme Luft heißt uns Willkommen, doch nicht nur die. "Meilo!", ruft ein junger Mann, der an der Rezeption steht.

Offensichtlich ein Page, aber warum ein Page, wenn keine Gäste da sind? 'Für die Hochzeitsgäste', meldet sich mein Hirn hilfreich zu Wort. Klar. Einleuchtend.

"Sebastian! Du bist auch hier?" Beide fallen sich in die Arme. Ich knirsche mit den Zähnen, versuche aber zu lächeln. Werd nicht wieder Eifersüchtig, Nic! Dazu besteht gar kein Grund!

"Natürlich bin ich hier. Einer muss sich doch um deine Familie kümmern."

"Auch wieder wahr", lacht mein Schatz, dreht sich um und reicht mir wieder die Hand. Ich klammere mich regelrecht an sie. "Sebastian? Darf ich dir Niclas vorstellen? Mein Partner."

"Du bist also der berühmt berüchtigte Niclas? Wie schön, dich endlich kennenzulernen!" Etwas überrumpelt lande ich ebenfalls in einer festen Umarmung. Huh! Das fängt ja schon mal ... merkwürdig an.

"Danke ... Ebenfalls", krächze ich und lächle verlegen.

"Habt ihr euer Gepäck noch im Auto? Ich kann es für euch rüber ins Haus bringen."

"Schon gut, das machen wir selbst", winkt Meilo ab. Och, da haben wir schon Hotelservice, und müssen trotzdem selbst schleppen? "Ich wollte zuerst meine Eltern begrüßen. Sind sie hier?"

"Die sind vor einer Stunde mit den Hunden raus. Sie kommen sicher gleich wieder. Geht doch solange in den grünen Salon. Ich mache euch einen schönen heißen Kaffee. Oder Tee?" Sebastian sieht uns abwechselnd fragend an.

"Äh ... Tee", stammle ich.

"Für mich auch", sagt Meilo. Sebastian nickt und dampft davon.

"Wow. Von ihm können sich andere Hotelangestellte aber eine Scheibe abschneiden."

"Oh ja. Er ist der Beste. Er hält das ganze Hotel am Laufen, wenn meine Eltern mal nicht da sind."

"Dann ist er gar kein Page?"

"Nicht mehr. Das ist lange her", gluckst mein Schatz. "Eigentlich ist er der stellvertretende Hotelchef, aber er packt überall mit an." Ich nicke beeindruckt. "Los. Gehen wir in den Salon."

"Jawohl, Hoheit", sage ich mit nasaler Stimme. "Und danach ein Krocket-Turnier im Lustgarten?"

"Von mir aus, aber bei dem Regen dürften die kleinen Torbögen im Rasen einsinken."

"Das war ein Scherz", brumme ich.

"Ich weiß", trällert Meilo.

"Snob", trällere ich zurück und lasse mich in den grünen Salon ziehen, der den Namen mehr als verdient hat.

Überall im Raum sind kleine runde Tische mit Löwenfüßen verteilt, an denen jeweils zwei dunkelbraune, alt aussehende Ledersessel stehen. Eine grüne Tapete mit goldgelben Blumenornamenten verziert und große Gemälde, die allesamt irgendwelche Jagdszenen darstellen, runden das Bild ab. Natürlich gibt es hier auch einen grün gekachelten Kaminofen. "Wahnsinn! Sind die Möbel echt?"

"So weit ich weiß sind sie das größtenteils. Alles noch von meinem Opa. Der hat Antiquitäten geliebt und gesammelt."

"Sehen alle Räume so aus? Auch die Hotelzimmer?"

"Ja", meint er und rückt mir einen der Sessel zurecht, ehe er sich selbst setzt.

"Die muss ich sehen! Geht das?"

"Ich kann dir eine Spezialführung anbieten, wenn du möchtest."

"Unbedingt!", rufe ich begeistert, als auch schon wieder Sebastian auftaucht und den Tee serviert. Verdammt, komme ich mir vornehm vor!

"Setz dich doch zu uns", bittet Meilo ihn, doch er verneint.

"Ich habe noch viel zu tun. Wir haben nur zwei Zimmermädchen da und der Koch ist auch noch auf dem Großmarkt."

"Soll ich helfen?"

"Soweit kommt es noch Meilo", lacht Sebastian. "Wir bekommen das schon hin. Entspann dich und kümmere dich um deine bessere Hälfte." Sebastian zwinkert mir zu, dann verschwindet er wieder und tut das, was ein stellvertretender Hotelführer eben so tun muss. Ich glaube, ich kann ihn ganz gut leiden. Jedenfalls hat mir Sebastians Auftreten ein bisschen die Nervosität genommen.

Meilo und ich beschränken uns derweil ganz faul darauf, den Tee trinken und Herumsitzen. "Erzählt mir von deiner Jugend hier", bitte ich ihn und mopse mir einen der Kekse, die Sebastian zusammen mit dem Tee hergebracht hat.

"Du weißt doch schon so gut wie alles von meiner Jugend", erwidert Meilo.

"Schon, aber du hast mir bei deinen ganzen Erzählungen das Highlight verschwiegen!" Ich breite die Arme aus. "Da gibt es doch sicherlich noch mehr, das du mir erzählen kannst."

"Eigentlich nicht." Er lächelt leicht und schüttelt den Kopf.

"Das glaube ich dir nicht."

"Doch, wirklich. Da gibt es nicht viel." Er lügt mich doch an! "Ich war ein sehr schüchternes Kind, und viel Aufregendes gab es hier auch nicht zu erleben."

"Nicht viel Aufregendes? In einem Hotel? Du nimmst mich auf den Arm!"

"Tue ich nicht", beteuert Meilo erneut. "Manchmal, wenn nicht gerade einer meiner wenigen Freunde zu Besuch war, habe ich mit den Kindern der Gäste gespielt, aber das kam eher selten vor."

"Und als du älter wurdest? Keine Romanzen?"

"Vor den Gästen wusste ich mich zu beherrschen", lacht er. "Dafür aber ..."

"Ja? Ich bin ganz Ohr." Ich lehne mich vor, weil Meilo es genauso macht.

"Verrate es niemanden, aber als Sebastian damals hier angefangen hat, hatten wir was am Laufen." Mir rutscht der Keks aus der Hand. WAS?!
 

"Meilo?" Lautes Kratzen, Schaben und Hecheln.

"Mama!" Meilo steht aufgeregt auf, während ich noch immer mit dem angebissenen Keks im Schoß dasitze und es nicht fassen kann. Meilo hatte was mit Sebastian?!

"Da bist du ja endlich", höre ich eine dunkle Frauenstimme sagen. Nur ganz langsam sickert mir die Info ins Hirn, dass das Meilos Mutter sein muss, die hinter mir steht, und ich endlich auch mal aufstehen sollte. Also tue ich das, wenngleich mich immer noch Meilos letzte Worte arg beschäftigen.

Als ich mich umdrehe, steht da nicht nur Meilos Mutter, sondern auch ein älterer Mann, sicher sein Vater, und daneben wuseln vier riesige graue Köter durch den Salon.

Meilo umarmt seine Mutter, dann seinen Vater, der ihm fest auf den Rücken klopf. "Und da ist ja auch meine kleine Süße", kichert mein Schatz mit einer merkwürdig hohen Stimme. Er meint einen der Hunde, der ihn auch prompt anspringt. Das riesige Tier kann bequem seine Vorderpfoten auf Meilos Schultern legen. "Hast du mich vermisst, hm?" Und nun leckt der Köter auch noch Meilos Gesicht ab. Oh bitte nicht!

"Typisch. Dem Hund schenkst du mehr Beachtung als deinen Eltern."

"Sie ist ja auch mein kleines Baby, nicht wahr meine Schöne?" Meilo knuddelt weiter mit diesem riesigen Hund, der wahrscheinlich noch jedes Pony überragt, erst recht, wenn er auf seinen Hinterbeinen steht.

"Und du musst Niclas sein, richtig?"

"Äh ..." Na super! Gerade vor Meilos Mutter gerate ich in den Henning-Modus.

"Ach je", seufzt sie und kommt auf mich zu. "Wir haben dich ja ganz schön überrannt was? Ich habe doch gesagt, lass die Hunde draußen, Eberhard." Eberhard, Meilos Vater, zuckt unschuldig mit den Schultern.

"Komm doch erstmal her und lass dich umarmen." Ich, erstarrt zur Salzsäule, werde von Meilos Mutter in den Arm genommen, gedrückt, und anschließend genaustens unter die Lupe genommen. Ein Gutes hat es ja, dass ich so konfus bin. Meine Nervosität ist wie weggeblasen. "Was für ein schöner Mann du doch bist!" Äh ... Wie? Und plötzlich ist sie wieder da, die Nervosität.

Meilos Mutter rückt wieder von mir ab und streckt mir ihre Hand hin. Ich bin froh, dass mein Arm allem Anschein nach noch funktioniert, denn er hebt sich ganz von allein und ergreift sie. Inzwischen hat sich Meilo endlich wieder zu mir gesellt und beschützend den Arm um mich gelegt. "Ich bin Dorothea, aber nenne mich ruhig Doro, ja?"

"Äh ja. Gern. Danke. Ich bin Niclas." Oh Gott! Was rede ich da? Hört sich an, als würde ich einen Funkspruch runterrattern. "Ich freue mich wirklich, Sie endlich kennenzulernen", setze ich nach, was mich wieder ruhiger werden lässt. Ich kann ja doch noch reden.

"Lass doch das Sie weg! Da komme ich mir so alt vor", lacht sie. Dabei fällt mir auf, das Meilo ihr wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Wenn er lacht, hat er auch dieses kleine Grübchen an der linken Wange, wie seine Mutter. Ich fühle mich gleich noch ein wenig besser.

Als nächstes tritt Meilos Vater, Eberhard, an mich ran. Sein Händedruck ist fest, doch Meilo hat mir gesagt, dass ich keine Miene verziehen, und ebenfalls fest zudrücken soll. "Na! Starker Händedruck", lächelt Meilos Vater. "Hervorragend." Ich glaube, diesen Test habe ich bestanden, womit auch diese Hürde geschafft wäre.

Meilos Griff um mich wird fester. Erst lächelt er mich, dann seine Eltern an. "Mama? Papa? Das ist er", verkündet Meilo feierlich. "Meine große Liebe. Mein Niclas." In meinem Bauch kribbelt es wie verrückt. Hat er das nicht schön gesagt?
 

***
 

Zeus, Herkules, Achilles und Daisy. Diese vier wohlklingenden griechischen Götternamen (mit Ausnahme von Daisy, warum auch immer sie keine Göttin werden durfte) gehören den irischen Wolfshunden der Familie Haug.

Als Meilo sie mir sozusagen vorstellte, zwinkerte er mir bei Herkules zu. Das ist also der Hund, den Meilo bei unserem ersten Date erwähne. Und ich dachte, er wolle mich nur an der Nase herumführen, doch ihn gibt es wirklich. Genau wie die drei anderen, die alle vier mich mit ihren riesigen, feuchten Nasen äußerst neugierig untersuchen. Allein Daisy langweilt sich bald schon, hört auf, meine Schuhe und Hosenbeine zu beschnuppern, und gesellt sich zu Meilo, bei dem sie sich unter dem Tisch genau vor die Füße legt und wohlig zu grunzen beginnt.

"Und wie habt ihr euch nochmal genau kennengelernt?", fragt uns Doro, in dessen Wohnzimmer wir sitzen. Muss ich extra erwähnen, dass das Wohnhaus der Haugs ebenso eindrucksvoll ist, wie das Hotel?

Als Doro und Eberhard uns vorhin einluden, sie mit zum Wohnhaus zu begleiten, ahnte ich ja schon, dass das kein einfaches Häuschen im Grünen sein würde, aber als wir darauf zugingen, staunte ich nicht schlecht.

Es ist im selben Stil erbaut, wie das Hotel, graue Steinquader, zwei Stockwerke hoch. Früher diente das Gebäude als Stallung für die Pferde, wurde aber schon vor Jahrzehnten zum Wohnhaus umgebaut, noch bevor Meilos Eltern hier eingezogen waren. Die jetzigen Ställe (natürlich haben die Haugs auch noch Pferde) liegen nun weiter hinten auf dem Gelände, so berichtete man mir.

Während mir all dies erzählt und teilweise auch gezeigt wurde, kam ich mir die ganze Zeit über so vor, als währen wir auf einer von Meilos Museumstouren, die wir in Passau absolviert haben. Kein Wunder, dass er diesen alten Krempel so gern hat. Muss er von seinem Opa geerbt haben, denn auch hier gibt es überall Antiquitäten, dunkle, schwere Holzmöbel und alt aussehende Einrichtungsgegenstände, ganz zu schweigen von den großen Gemälden überall.

"Aber das habe ich dir doch schon erzählt", antwortet Meilo seiner Mutter auf ihre eben gestellte Frage, wie wir uns kennengelernt haben. "Auf einem Parkplatz, weil mein Kühler den Geist aufgegeben hat."

"Stimmt das wirklich?", möchte sie von mir wissen. "Manchmal erzählt Meilo mir Geschichten, von denen ich nicht wirklich überzeugt bin, dass sie auch so passiert sind."

Meilo seufzt leicht genervt, was mich zum Lachen bringt.

Ich tätschle beruhigend Meilos Bein, ehe ich Doro die Geschichte bestätige. "Genau so ist es passiert. Sein Kühler ging in Rauch auf und er musste auf dem Parkplatz einen Notstopp einlegen. Dabei hätte er mich beinahe umgefahren. Ich war dort, weil ich kurz zuvor die alten Liebesbriefe von meinem Ex in den Mülleimer des Parkplatzes versenkt hatte.

Nachdem ich gerade so der Kühlerhaube seines Wagens entkommen bin, hatte ich bei Meilo nachgeschaut, ob alles okay ist, schleppte ich ihn danach ab und nahm ich ihn mit zu mir nach Hause, bis sein Wagen wieder fahrtüchtig war. So fing alles an." Es kommt mir vor, als wären seit dem Jahre vergangen. Als lägen Welten dazwischen, und irgendwie ist es ja auch so. Damals ahnte ich noch nicht mal, was alles auf mich zukommen würde. Oder besser gesagt, welcher Popstar ...

"Wenn die Geschichte tatsächlich so passiert ist, dann war das ganz bestimmt Fügung", lacht Doro. "Wenn nicht sogar Schicksal."

"Ganz bestimmt ...", flüstert Meilo, wobei er mich frech angrinst. Ich grinse zurück, und schiebe einen allzu neugierigen Hundekopf von meinem Oberschenkel runter.

"Zeus! Gehst du da weg!" Doro steht auf und verscheucht die drei Köter, die sich immer noch neugierig über meine Hose hermachen. Doch als Doro mit ihnen schimpft, verkrümeln sie sich augenblicklich und stromern beinahe beleidigt durch das Wohnzimmer. "Raus mit euch. Ihr könnt euch im Garten austoben." Doro führt sie nach draußen in den Flur. Nun wuselt auch Daisy unterm Tisch hervor und folgt ihren drei Hundegöttern hektisch. Im Garten spielen muss für sie interessanter sein, als Meilos Füße zu wärmen oder mir im Schritt herum zu schnüffeln.

"Entschuldigung, aber sie können manchmal ganz schön aufdringlich sein", schnaubt Doro und setzt sich wieder auf ihren Platz.

"Kein Ding", winke ich ab. Das ich schon Bekanntschaften mit Zweibeinern gemacht habe, die genauso aufdringlich waren, behalte ich mal für mich.

"Noch jemand Tee?" Eberhard schaut in die Runde. Alle nicken, also füllt er jedem etwas nach.

"Was für eine Arbeit hast du denn eigentlich Niclas?" Eberhard sieht mich neugierig an. Auf die Frage habe ich nur gewartet. Das meine ich aber nicht im positiven Sinne.

"Zur Zeit helfe ich in einem Laden eines Freundes aus. Er verkauft Weine und Feinkost. Hauptsächlich aus Spanien und Italien."

"Wirklich?", fragt Doro. Ich nicke. "Dann kommst du doch bestimmt an den ein oder anderen schwer zu bekommenden Wein ran?"

"Ich denke schon. Da müsste ich nachfragen." Doro strahlt über beide Ohren. Na das läuft doch ganz gut bis jetzt.

"Und was tust du sonst so? Wenn du dort nur aushilfst, ist das doch sicher nicht dein Traumjob", möchte Eberhard abermals von mir wissen. Ich schlucke hart. Läuft doch nicht so gut.

"Ich äh ... Ich programmiere", antworte ich leicht verlegen.

"Du bist also ein Programmierer", schlussfolgert Meilos Vater.

"Nicht so ganz. Gelernt habe ich eigentlich Einzelhandelskaufmann. Ich kam durch Zufall zum Programmieren. Leider zahlt es sich nicht aus. Noch nicht, weshalb ich jobben gehe." Ich komme mir immer armseliger vor. Einen tollen, supererfolgreichen Mann hat sich ihr Sohn da angelacht, was?

"Was programmierst du denn? Computerspiele?"

"Mama!", zischt Meilo. "Computerspiele?"

"Was denn?" Sie zuckt mit den Schultern, sieht mich dann allerdings wieder neugierig an.

Ich muss grinsen. Wie bei mir zuhause. "Zur Zeit arbeite ich an einem verbesserten Programm zur schnelleren Erstellung und Berechnung von Analysen. Zum Beispiel zur Wettervorhersagen oder auch im medizinischen Bereich."

"Interessant", murmelt Eberhard, doch es hört sich nicht desinteressiert an, wie bei den meisten Menschen, denen ich davon das erste, und somit auch das letzte Mal, erzähle. "Also gibt es einen Markt dafür."

"Ja. Nur muss ich dort erstmal irgendwie rein kommen." Besonders, wenn man ein 'Hobbyprogrammierer' ist.

"Nur nicht aufgeben", meint Doro plötzlich. "Weißt du, als wir uns unseren Traum von einem eigenen Hotel angegangen sind, warf man uns auch nur Stolpersteine in den Weg, und es war mühsam, sie alle zu bewältigen und aus dem Weg zu schaffen, aber am Ende zahlt es sich aus. Man muss nur an seinem Traum festhalten und hinter dem stehen was man tut." Ich kann nicht anders, und lächle Doro breit und ein Stück weit auch dankbar an. Sie hat ja so recht. "So ihr Lieben! Es wird Zeit! Ich muss nochmal mit dem Fotografen für morgen reden", seufzt Meilos Mutter und steht auf.

"Und wir gehen unsere Koffer hoch aufs Zimmer bringen", verkündet Meilo und steht ebenfalls auf.
 

"In dein ehemaliges Kinderzimmer?", frage ich Meilo, dem ich folge, nachdem ich mich von seinen Eltern vorerst verabschiedet habe.

"Wohin den sonst?" Da bin ich aber mal gespannt, doch nicht nur darauf. Mir brennt noch eine Frage auf der Seele, die ich vor Meilos Eltern nicht stellen konnte.

Meilo führt mich durch das große, offen und hell gestaltete Untergeschoss. Unsere Koffer, die wir vorhin mitgenommen hatte, stehen noch neben der Eingangstür im Flur. Wir schnappen sie uns und nehmen sie mit nach oben. Die alte Holztreppe knarrt bei jedem Schritt.

Oben ist es nicht ganz so groß wie unten, was daran liegen mag, dass es hier mehrere Zimmer gibt, die sich entlang eines schmalen Flurs erstrecken. "Nett hier", finde ich. "Für einen Stall sehr komfortabel."

"Nicht wahr? Ich liebe dieses Haus. Ich mochte es schon immer, und war immer ganz stolz, wenn ich sagte: Wir wohnen in einem Pferdestall."

Ich lache leise. "Wirklich? Das hast du herumerzählt?"

"Als ich kleiner war schon." Das kann ich mir richtig gut vorstellen. Klein Meilo, wie er schockierten Menschen von seinem Zuhause im Pferdestall erzählt. Was die sich dabei wohl gedacht haben?

"Gibt es eigentlich auch Fotos aus dieser Zeit?" Ich bin zu neugierig, wie mein Meilolein als kleiner süßer Fratz wohl ausgesehen haben mag.

"Meine Mutter hat ganze Alben voll. Frag sie einfach."

"Das werde ich auf jeden Fall tun", kichere ich.

"Mach das, aber zuerst: Willkommen in meinem schnuckeligen Kinderzimmer." Meilo öffnet eine Tür und lässt mir den Vortritt.

Schnuckelig ist gut! Das Zimmer ist größer als meins, mehr als doppelt so groß, würde ich schätzen. Niclas aus der Vergangenheit pustet neidisch, weil er auch gern so ein großes Reich zum Spielen gehabt hätte, während der Niclas aus der Gegenwart es sich neugierig anschaut.
 

Unverkennbar das Zimmer eines Jugendlichen. An der Wand sind Poster von damaligen Stars und Bands, die ich teilweise auch gerne gehört habe. Dazu passend eine große Musikanlage und weiter hinten, neben einem großen Kleiderschrank, ein Schreibtisch zum Lernen. Das Einzige, was nicht ganz recht in das Bild eines störrischen Jugendlichen passen möchte, steht an der Wand rechts von mir: Ein riesiges Bücherregal, voll bis oben hin mit Büchern und eine Menge gestapelte Zeitschriften. "Gib's zu, die hast du da nur zum Angeben stehen", sage ich zu ihm.

"Sehe ich so aus, als hätte ich das nötig gehabt?"

"Weiß nicht. Ich habe ja noch keine Jugendfotos von dir gesehen." Meilo nimmt mir lachend den Koffer ab und trägt ihn zu seinem Bett. Ein Doppelbett wohlgemerkt. Dieses Zimmer ist echt riesig! "Warum mieten wir uns nicht in dein altes Zimmer ein? Platz genug wäre auf jeden Fall."

"Ha ha."

"Was heißt hier ha ha? Schau doch nur." Ich lasse mich auf Meilos Bett fallen. "Allein das Bett ist größer als mein jetziges Zimmer."

"Stimmt", antwortet er rotzfrech und setzt sich neben mich. "Trotzdem wäre es keine gute Idee, sich hier einzumieten."

Ich wippe leicht auf und ab. "Und warum nicht? Weil du schon Sebastian hier oben gehabt hast?" Herausfordernd schaue ich ihn an. Ich finde, es wird Zeit, dass er mir davon erzählt. Vorhin wurden wir ja unterbrochen.

"Weil ich Seb...?" Meilo runzelt die Stirn. "Verstehe", grinst er. "Du bist schon wieder eifersü..."

"Unterstehe dich!" Drohend hebe ich den Finger. "Ich bin nicht eifersüchtig!" Bin ich wirklich nicht. Na ja, vielleicht ein kleines Bisschen, doch ich weiß, dass das schwachsinnig ist. Wir sind beide keine unbeschrieben Blätter, was Beziehungen und Liebeleien angeht. Aber das Sebastian dieses Wochenende auch hier ist, bringt mich schon zum Grübeln. Nur ein klitzekleines Bisschen.

"Und warum fängst du dann jetzt damit an?"

"Weil du vorhin damit angefangen hast, es mir aber noch nicht erklärt hast. Deine Eltern kamen dazwischen."

"Wenn das so ist, was willst du darüber wissen?" Alles!

"Was du mir erzählen willst", antworte ich jedoch bloß. Nicht, dass er sich noch in seiner Vermutung, ich sei eifersüchtig, bestätigt fühlt.

"Sebastian arbeitet schon lange im Hotel meiner Eltern. Daher lernten wir uns noch vor meiner Kariere kennen. Ich glaube, ich war erst so um die sechzehn Jahre alt. Sebastian war schon volljährigt und arbeitete damals noch als Page. Wir freundeten uns schnell an und eines Abends plünderten wir den Spirituosenschrank meines Vaters, als diese unterwegs waren." Meilo schüttelt lächelnd den Kopf. "Wir waren stockbesoffen, jung und geil."

"Die guten alten Zeiten, was?"

"So in etwa." Ich lehne mich an ihn und nehme seine Hand. Sein Daumen streichelt sanft über meinen Handrücken. Ein leichtes Kribbeln setzt in meinem Bauch ein. An angenehmes ich-fühle-mich-wohl-bei-dir-Kribbeln. "Eins kam schließlich zum anderen und wir landeten in der Kiste. Nicht in meiner Kiste, sondern in einem der Hotelbetten, wo wir uns zuvor mit einer Flasche Scotch eingeschlossen hatten, damit man uns nicht erwischt. Es blieb bei dem einen Mal, und wir blieben Freunde. Es war nur Sex. Betrunkener Teenagersex unter Freunden." Schön formuliert. Betrunkenen Teenagersex hatte ich auch das ein oder andere Mal in meinem Leben.

"Okay", sage ich, weil mir das als Antwort reicht, und stehe auf. "Apropos Hotel. Zeigst du es mir jetzt?" Meilo wirkt leicht irritiert. Anscheinend wegen meines abrupten Themenwechsels. "Ich bin wirklich nicht eifersüchtig. Ich war bloß neugierig", erkläre ich deshalb, denn jetzt, wo ich weiß, was zwischen den beiden war, geht es mir schon viel besser. Außerdem ist mir vorhin beim Servieren des Tees der kleine goldene Ring an Sebastians Ringfinger aufgefallen, der besagt, dass er hochoffiziell vergeben ist. "Gehen wir jetzt?"

"Schön. Gehen wir", grinst mein Schatz.
 

Hand in Hand verlassen wir das Haus, nachdem wir Meilos Eltern Bescheid gesagt, und uns warm eingepackt haben. Zwar liegt kein Schnee, aber es ist dennoch kalt draußen.

Gemütlich schlendere ich mit Meilo über den gepflasterten Weg hinüber zum Hotel. Hohe Laubbäume säumen den Weg. Noch sind sie kahl, aber im Sommer muss es einfach wunderschön sein, unter ihnen entlangzuspazieren, besonders, wenn man dabei seinen Schatz neben sich hat. Ruhig ist es, fast verschlafen. Sicherlich nicht nur jetzt im Winter, sondern auch im Sommer, wenn das Hotel voll ist. "Das Hotel ist bestimmt immer ausgebucht, bei der Lage", sage ich viel mehr zu mir selbst, doch Meilo antwortet mir trotzdem.

"Meistens. Am Anfang war das noch nicht so. Meine Eltern haben hart dafür gearbeitet, bis alles so reibungslos klappte, wie es inzwischen der Fall ist."

"Das glaube ich dir." Ich mag mir gar nicht vorstellen, was das Anwesen allein monatlich an Unterhalt kostet. Allein das zu stemmen, muss schon eine unglaubliche Aufgabe sein, besonders, wenn die Gäste ausbleiben.

Ich bin ganz vertieft in meinen Gedanken, in denen ich Meilos Eltern sehe, wie sie sich zu Anfang dieser gewaltigen Herausforderung gestellt haben, da bleibt Meilo plötzlich sehen. "Möchtest du vielleicht zuerst die Ställe sehen?", fragt er. "Die liegen gleich dort hinten."

"Warum nicht?" Ich zucke mit den Schultern. Mit Pferden habe ich eigentlich gar nichts am Hut, aber anschauen kann ich sie mir ja mal. "Kannst du reiten?", möchte ich von ihm wissen. Ihn auf einem stattlichen Hengst vorzustellen, hat was. Kurz muss ich an diesen Club denken. An das Stud. Zwischen dem Meilo hier, den ich an der Hand halte, und dem, der dort damals aufgetreten ist, scheinen Meilen zu liegen. Bald gibt es nur noch einen davon. Den, dessen Hand ich halte. Lange dauert es nicht mehr.

Glücklich lehne ich meinen Kopf auf Meilos Schulter, während wir weitergehen. "Früher hat mich meine Mutter immer mal mit aufs Pferd genommen, aber ich habe immer angefangen zu plärren." Ich lache leise. "Das ist nicht lustig! Ich hatte Angst."

"Schon gut. Entschuldige. Ich hätte wahrscheinlich auch geheult." Und dann vor lauter Seekrankheit gekotzt. Das arme Pferd. "Und außerdem", raune ich Meilo ins Ohr "reite ich viel lieber auf ganz anderen Dingen herum."

"Ah ja", kichert mein Schatz. "Und die wären?"

"Das zeige ich dir heute Nacht."

"Erst?"

"Hm ... Vielleicht auch schon früher." Meilos Augen bekommen sofort diesen verräterischen Glanz, den ich mittlerweile besser kenne als alles andere auf der Welt. Mein Herz fängt allein von einem kurzen Blick in seine Augen an, Purzelbäume zu schlagen, was in meinem Schritt umgehend ein drängendes Pochen auslöst. Meine Finger schließen sich fester um seine, doch dann lasse ich wieder locker und versuche mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Hier ist ganz weder der richtige Zeitpunkt, noch der richtige Ort, um sich aufs 'reiten' zu 'versteifen'.

"Wie viele Pferde haben deine Eltern?", frage ich Meilo deshalb und laufe schneller.

"Vier."

"Vier? Wow."

"Früher waren es mal mehr, aber die Arbeit, die damit verbunden ist, war neben dem Hotelbetrieb einfach nicht zu schaffen."

"Mit vier Pferden aber schon, oder was?"

"Anscheinend", grinst Meilo und bleibt stehen. Vor uns steht ein großes Gebäude aus Backstein. Unverkennbar die Stallungen. Meilo öffnet die große breite Flügeltür und lässt mich zuerst eintreten. Der Geruch nach frischem Heu und der unverkennbare Duft nach Pferden empfängt mich.

"So viele Boxen", staune ich. "Stehen die alle leer?" Hier ist viel mehr Platz als bloß für vier Pferde.

"Im Sommer bieten meine Eltern extra Urlaub für Reiter an, die mit ihrem eigenen Pferd verreisen möchten", erklärt Meilo mir.

"Also ist das ein Pferdehotel."

"Genau." Gute Idee. Warum den freien Platz nicht nutzen und auf diese Weise mehr Übernachtungsgäste anlocken?

Wir laufen den breiten Gang entlang. Plötzlich taucht rechts neben mir ein kleiner Pferdekopf auf. Ein Pony. "Ist das deins?", necke ich Meilo.

"Nein. Aber wenn du mal reiten möchtest, kann ich dir den kleinen Muck gerne satteln."

"Nee, lass das mal lieber. Des arme Tier bricht ja unter mir zusammen."

"Wird er schon nicht. Das ist ein Isländer. In Island reiten auch Erwachsene auf ihnen."

"Schaffen die das denn?"

"Logisch. Das sind kräftige Ponys, nicht wahr Muck?" Meilo tätschelt dem Tierchen den Kopf. Ich bleibe lieber auf Abstand. Als ich klein war, hat mich mal ein Pferd gebissen. Es hat aber zum Glück nur mein Hemd erwischt. Trotzdem hat das mein Vertrauen zu ihnen nicht gestärkt, wie man sich denken kann.

Neben der Box des Ponys, ertönt ein lautes Klopfen. Ein graues Pferd schaut aus der Box und tritt gegen die Tür. "Der will wohl auch mal von dir gestreichelt werden", lache ich. "Dir widersteht eben keiner."

"Der denkt nur, dass ich was zu Fressen dabei habe. Gestreichelt will Pegasus nicht werden. Er mag keine Männer."

"Auch keine schwulen Männer?"

"Da macht er keinen Unterschied", schmunzelt mein Schatz.

"Oh. Dann halte ich mal Abstand."

"Musst du nicht. Er droht nur. Und das auch nur, wenn meine Mutter nicht dabei ist. Bei ihr ist er das liebste Lämmchen." Kann ich mir gar nicht vorstellen, so wie der Gaul die Ohren anlegt und den Hals streckt.

"Mir egal. Ich geh da nicht dran."

"Okay. Dann zeige ich dir noch Papas Pferd Ronja und unser Kutschpferd Robert."

"Robert?", lache ich los. "Wer nennt ein Pferd denn Robert?"

Meilo zuckt mit den Schultern. "Der Name passt eben zu ihm." Na wenn das so ist. Ich muss dabei unwillkürlich an diesen Kerl denken, der ebenfalls Robert hieß. Er stand auf Lederzeugs und trug schwarze Chaps mit Nieten und dazu das passende Halsband. Irgendwie gar nicht so weit weg von einem Pferd, mit seinem Zaumzeug aus Leder ... Vertiefen wir das jetzt mal lieber nicht.

Meilo führt mich zur nächsten Box. Um Pegasus mache ich einen großen Bogen. Bedrohlich funkeln mich seine dunklen Augen an, während sich seine Ohren nach hinten legen. Ich weiß nicht viel über Pferde, aber was angelegte Ohren bedeuten, weiß ich. Dann ist Vorsicht angesagt.

"Das hier ist Ronja", sagt mein Schatz und zeigt auf eine hellbraune Stute. Mit gebührenden Sicherheitsabstand bleibe ich vor der Box stehen. "Sie ist ganz lieb. Vor ihr brauchst du keine Angst zu haben."

"Schön für Ronja, aber ich traue ihr trotzdem nicht." Meilo streckt seine Hand nach mir aus. "Vergiss es! Ich gehe da nicht hin."

"Gut. Dann zeige ich dir jetzt Robert. Vor ihm brauchst du wirklich keine Angst haben. Er hat noch nie jemanden gebissen oder gar nach jemanden ausgekeilt. Er ist eine Seele von einem Pferd." Das sagt er, aber weiß das auch der gute Robert?

Meilo läuft weiter, bis zum nächsten Fenster. Ich folge ihm. Wieder mit Abstand. "Der ist ja ... fett!"

"Der ist doch nicht fett!", prustet Meilo los. "Das ist ein Kaltblut. Die sind stämmig gebaut, aber nicht fett!"

"Ist das nicht das Selbe?", frage ich altklug.

"Bei Pferden nicht." Grinsend öffnet er die Tür der Box.

"Du lässt den doch jetzt nicht raus?", japse ich und schiele rüber zum Ausgang, ob ein schneller Abgang möglich ist.

"Keine Sorge. Es ist noch eine Kette davor", beruhigt er mich.

"Der sieht aber so aus, als könne er die leicht durchbrechen", gebe ich zu bedenken, als ich das dünne Kettchen sehe, das innen vor der Tür hängt.

"Das wird er aber nicht ... Nicht wahr mein Hübscher? Na komm her." Meilo streckt seine Hand aus. Mit langsamen, ausholenden Schritten dreht sich dieses riesige Pferd um und schnuppert neugierig an seiner Hand, bevor die große Oberlippe über die Handfläche zappelt und dann Meilos Hand genüsslich ableckt. Mich überläuft es. Wenn der zubeißt! Meilo scheint meine Sorgen nicht zu teilen. Der streichelt mit der anderen Hand das Tier, klopft ihm auf den Hals und krault ihn hinter den Ohren. "Das mag er besonders. Willst du auch mal?"

"Nein!" Im Leben nicht!

"Jetzt komm schon du Schisser. Ich bin doch bei dir."

"Ich will aber nicht!"

Wieder streckt Meilo seine Hand nach mir aus. Wenigstens ist es nicht die angesabberte. "Du vertraust mir doch."

"Das schon, aber nicht dem dicken Robert." Dem menschlichen Robert habe ich übrigens auch nicht so recht über den Weg getraut. Zum Glück ging unsere Bekanntschaft über ein freundliches Hallo nicht weiter hinaus. Ich wurde ihm von einem Bekannten vorgestellt und danach sahen wir uns nie wieder.

"Aber ich vertraue ihm. Und wenn er gefährlich wäre, würde ich dich erst gar nicht in seine Nähe lassen", sagt Meilo zu mir. Sehr beruhigend. Dennoch bleibe ich da stehen, wo ich bin. "Er ist total liebt, glaube mir. Sogar kleine Kinder trägt er manchmal spazieren." Meilo grinst frech und ich sehe ihm genau an, was er denkt. Er denkt, ich hätte mehr Schiss als ein kleines Gör! Na warte! Dem zeig ich's!

Ich beiße die Zähne zusammen und gehe zwei Schritte vor. Gerade soweit, dass ich Meilos Hand erreiche. "Du musst schon näher kommen", kichert er. Fein. Dann eben noch einen Schritt. Meilo scheint das immer noch nicht nahe genug zu sein. Er greift meine Hand und zieht mich zu ihm. "Hey!"

"Nur die Ruhe. Siehst du? Robert zuckt noch nicht mal, obwohl du herumhampelst und herumschreist."

"Ich hample nicht herum! Und schreien tu ich auch nicht!" Ich stürze beleidigt die Lippen.

"Ja, ja, wie du meinst. Komm her jetzt." Ja, ja?

"Ich geb dir gleich ja, ja", knurre ich.

"Jetzt sofort?" Verschmitztes Grinsen.

"Nicht vor Robert. Ich stehe nicht so sehr auf Sex mit Zuschauern."

"Zier dich nicht so. Los. Fass ihn an." Äh ... was?

"Aber ... Kann hier denn niemand reinkommen?"

"Jederzeit", raunt Meilo mir zu.

"Aber dann ... Ah!" Auf einmal liegt meine Hand auf Roberts breiter Brust. Ich fasse gerade ein Pferd an!

"Siehst du? Halb so schlimm", sagt Meilo und tupft mir einen Kuss auf die Schläfe.

"Du hinterlistiger Kerl! Ich dachte, ich soll dich anfassen!"

"Wer behauptet denn sowas?" Boha! Manchmal könnte ich ihn ... "Aber wo wir schon mal beim Thema sind ..." Mein Mund wird gestürmt. Und immer noch liegt meine Hand auf Robert. Sein Fell ist weich und warm, aber nichts im Vergleich zu Meilos verheißungsvollen Lippen.

Als wir uns wieder trennen, sehe ich das selbe Glimmen in seinen Augen, wie zuvor auf dem Weg hier her. "Sind wir hier wirklich nicht ungestört?", frage ich ihn mit belegter Stimme.

"Nein, aber ich kenne einen Ort, wo wir das sind." Roberts Stalltür wird wieder zugemacht. "Folge mir."
 

*
 

Vorsichtig ziehe ich meine Finger aus dem Heu, nachdem ich wieder halbwegs geordnet denken kann. Meilo lehnt schwer an meinem Rücken und hält mich noch immer fest in seinem Arm. "Meilo?"

"Ja?"

"Das Heu piekst mich in den Bauch." Wollpullover sind heudurchlässig. Wer hätte das gedacht?

"Warte." Er löst sich von mir. "Hast du Tempos einstecken?"

"Leider nicht." Zu blöd. Aber wer hätte auch voraussagen können, dass Meilo und ich zusammen im Heu landen?

Meilo pustet laut Luft aus dem Mund, während ich meine verkrampften Finger lockere. Durch das Plastiknetz des Heuballens, zieren rote Striemen meine Fingerglieder. "Warte kurz hier. Ich hole was zum Säubern."

"Okay. Beeil dich aber."

"Mach ich. Bin gleich wieder da. Und schön die Arschbacken zusammenkneifen." Ich verziehe das Gesicht, was ihn zum Grinsen bringt. Schön die Arschbacken zusammenkneifen. Pff! Als ob ich eine andere Wahl hätte ...
 

******

Love bite 47 - Liebe mit Unterbrechungen

Etwas spät heute, aber es kommt. Das nächste Kapitel ^^

Viel Spaß damit und bis morgen. ;D
 


 

Love bite 47 - Liebe mit Unterbrechungen
 

"Ich glaub's nicht."

"Beruhige dich. War doch nicht schlimm."

"Nicht schlimm? Der hätte uns fast erwischt!"

"Genau. Nur fast. Alles nochmal gut gegangen." Ich seufze. Das Meilo so ruhig bleiben kann!

"Wieso musstest du auch gerade Sebastian fragen, ob er dir Taschentücher gibt? War doch klar, das er dir folgt."

"Das war Zufall. Er wollte die Pferde füttern."

"Ah ja. Die Pferde. Als stellvertretender Hotelchef."

"Er macht das hin und wieder mal", sagt Meilo achselzuckend. Warum glaube ich das nicht?

Es ärgert mich, das ich Sebastian unterschwellig unterstelle, absichtlich Meilo gefolgt zu sein, denn eigentlich will ich es nicht, doch als er plötzlich in der Scheune stand, während Meilo und ich notdürftig die Spuren unseres kleinen Stelldicheins beseitigt haben, hat das mich, verständlicher weise, furchtbar erschrocken. Ich meine, wir standen mit heruntergelassenen Hosen zwischen den Heuballen! Dem Heu, mit dem Sebastian die Pferde füttern wollte!

"Nic? Sicher, dass du nicht eifersü..."

"Nein! Bin ich nicht!", fahre ich ihn an und bleibe neben ihm stehen, als er anhält.

"Wollte nur sicher gehen", grinst er, und öffnet die Zimmertür direkt vor uns.

"Und Sebastian ist sich bestimmt sicher, dass er genau weiß, was wir in der Scheune miteinander getrieben haben."

"Und? Der nimmt das locker. Also hör auf zu schmollen, auch wenn das bei dir furchtbar sexy aussieht, und folge mir in unsere Hochzeitssuite." Ich sehe sexy aus, wenn ich schmolle? Äh ... Moment mal. Hochzeitssuite?!

Perplex schaue ich ins Zimmer hinein, wobei mir ein leises "Wow", über die Lippen kommt.

"Nicht wahr?", schmunzelt Meilo und führt mich in die Suite. "Willkommen in unserem hoteleigenen Liebesnest."

Sebastian ist vorerst vergessen. Was für ein Zimmer! Das Bett ist riesig! Hohe gedrechselte Pfosten aus dunklem Holz, die bis fast an die Zimmerdecke reichen. Das Kopfteil ist aufwendig verziert. Ihm gegenüber ein Karmin, wie man ihn aus amerikanischen Weihnachtsfilmen her kennt. Hohe Fenster, Stuck an Decke und Wänden, ein Kronleuchter hängt von der Decke. Dazu silberne Kerzenständer und kitschige Bilder, die den Eindruck von Romantik erzeugen wollen, es meiner Meinung nach damit allerdings dezent übertreiben. Trotzdem hat dieses Zimmer die Bezeichnung Hochzeitssuite voll verdient. Hier haben bestimmt schon einige Paare ihre Hochzeitsnacht miteinander verbracht.

"Das hier ist schon immer mein Lieblingszimmer gewesen", schwärmt Meilo. "Wenn es nicht belegt war, habe ich oft heimlich hier drinnen übernachtet."

"Mit Sebastian?", frage ich ihn zickig.

"Nein. Ausnahmsweise nicht mit ihm." Wie? Meilo lacht und nimmt mich in den Arm. "Bitte sei doch nicht mehr sauer." Ich schiebe beleidigt die Unterlippe vor, was Meilo nur noch mehr zum Lachen bringt. "Wenn du so guckst, muss ich mich ganz schön beherrschen."

"Wieso?"

"Na weil du so niedlich bist." Ich überhöre mal das Wörtchen niedlich geflissentlich.

"Nein", murmle ich. "Wieso musst du dich unbedingt beherrschen wollen?"

"Muss ich das nicht?" Ich schüttle den Kopf. "Ich dachte, weil du sauer auf mich bist." Ich verdrehe seufzend die Augen. "Wenn das so ist ...", japst Meilolein und presst mir auch schon die Lippen auf.
 

Ich werde rüber zum Bett gezogen, wo wir uns drauf setzen und innige Zungenküsse miteinander austauschen. Als sich allerdings Meilos Hand unter meinen Pullover schiebt, rücke ich ein kleines Stück von ihm ab. "Hier? So kurz nach unserem Heuerlebnis?", frage ich heißer.

"Weißt du eigentlich, wie heiß es mich macht, dass du gleich wieder denkst, ich würde dich flachlegen wollen?" Wie bitte?

Ich keuche erschrocken auf. Meilos Mund liegt schon wieder auf meinem, und das mit so viel Schwung, dass ich mich auf dem Rücken liegend wiederfinde, er auf mir. Ich verstehe indessen gar nichts mehr. Mag daran liegen, dass ich nicht gut nachdenken kann, wenn Meilos Zunge meinen Gaumen erkundet, doch so ganz werde ich nicht schlau aus Meilos letzten Satz. Will er jetzt, oder nicht?

"Meilo? Seid ihr hier?" Oh Shit! Das ist Doro!

"Ups", kichert mein Schatz. "Das müssen wir anscheinend verschieben."

"Was denn?"

"Da fragst du noch?" Klar! Ich weiß ja noch immer nicht, was Meilo mit mir hier vorgehabt hat. Knutschen, Fummel, Sex, oder alles auf einmal? Nochmal genauer nachzufragen, dazu fehlt die Zeit. Schritte nähern sich der Hochzeitssuite. Meilo steht auf, reicht mir die Hand und zieht mich hoch. Dann glättet er die Bettwäsche. "Sie wird wütend, wenn sie das sieht", erklärt er. Ich bleibe einfach stehen und versuche das Rätsel zu lösen, das Meilos Verhalten mir aufgibt.

"Meilo?"

"Hier sind wir!", ruft er seiner Mutter zu und stellt sich neben mich.

Die Tür öffnet sich. Doros Kopf schiebt sich zwischen den Spalt. "Was treibt ihr hier?"

"Nic wollte sich mal das Hotel ansehen. Da dachte ich, ich beeindrucke ihn mit der Hochzeitssuite."

"Ach so", lächelt Doro und tritt ein. "Sie ist unser ganzer Stolz", wendet sie sich an mich. "Das Bett ist aus dem achtzehnten Jahrhundert. In ihm sollen laut Legende schon mehrere berühmte Adelige genächtigt haben. Darunter auch Königin Lui..."

"Ammenmärchen", unterbricht Meilo seine Mutter. "Das hat Großvater immer erzählt, um vor Besuchern anzugeben."

"Woher willst du das denn wissen?"

"Weil es für seine Behauptungen keine Beweise gibt." Doro stürzt die Lippen. "Du kannst bei Nic damit sowieso keinen Eindruck schinden. Er hat es nicht so mit Geschichte."

"Gar nicht wahr!", wehre ich mich. "Ich mag nur keine langweiligen Fakten und lerne Daten auswendig wie manch anderer hier im Raum." Auffordernd schiele ich Meilo an.

Doro fängt an zu lachen. "Kinder, was seit ihr zwei doch für ein süßes Paar!" Süß? "Schaut euch ruhig noch ein wenig hier um, aber in einer halben Stunde gibt es Mittagessen drüben im Haus, ja?"

"Ist gut", sagt Meilo, und auch ich nicke brav.

"Und? Wo geht es jetzt hin?", will ich wissen, als Doro wieder aus dem Raum geschwebt ist.

"Wohin du willst. In die Sauna, das Schwimmbecken, den Essenssaal, die Terrasse ..."

"Du Snob", zische ich. "Ich will zuerst zum Schwimmbecken." Mit hochgestreckter Nase harke ich mich unter Meilos Arm.

"Wie Hoheit wünscht", näselt Meilo. "Hier lang bitte."
 

***
 

Das Hotel ist wirklich der Hammer! Ich meine, allein das Schwimmbad unten in dem großen Gewölbe ist schon ein wahrer Hingucker. Mit den grob gehauenen Steinen und den Rundbögen wirkt es wie eine verwunschene Grotte. Mal ganz abgesehen davon, dass auch die Sauna, die ebenfalls unten liegt, Platz für eine Menge Gäste bietet (jetzt weiß ich auch, woher Meilo weiß, wie ein perfekter Aufguss geht), und den Zimmern, die zwar neben der Hochzeitssuite ein kleines bisschen abstinken, aber trotzdem noch mit jedem besseren Hotel mithalten können, schießt doch eine Besonderheit den Vogel komplett ab: Das Gewächshaus.

"Hier findet morgen die Feier statt", erklärt Meilo, während ich nur staunend nach oben schaue, und in das grüne Blätterdach starre. "Ein paar Helfer sind schon dabei, die Tische aufzubauen. Gehen wir mal nachschauen."

"Gut", fiepse ich und lasse mich von Meilo den Hauptweg entlangführen. "Ich hätte mir doch kurze Kleidung einpacken müssen." Es ist richtig warm hier! Zumindest im Pullover.

"Ich sagte doch, dass du in deinem Hemd nicht frieren wirst", lacht Meilo. "Hier drin sind immer angenehme 25 Grad. Außer im Sommer, da wird es schon mal wärmer, wegen des Glasdaches."

"Ah ja." Ich lasse meine Finger über eine dunkelviolette Blüte gleiten. "Warum haben wir uns noch nicht in unserer Kindheit gekannt? Stellt dir mal vor, was wir hier alles hätten machen können!" Fast kommt es einem so vor, als lauere hinter der nächsten Biegung ein Raubtier oder eine gefährliche Schlange. Als kleiner Junge wäre das hier der perfekte Spielplatz für mich gewesen.

"Eigentlich stelle ich mir viel lieber vor, was ich jetzt alles mit dir hier machen könnte", flüstert Meilo und drängelt mich gegen eine hohe Palme.

"Kann es sein, dass du heute schon wieder irgendwie dauergeil bist?", frage ich ihn schmunzelnd.

"Wann bin ich das in deiner Gegenwart mal nicht?", stellt er die Gegenfrage und lässt eine Hand auf meinen Hintern gleiten.

Ich versinke in seinen grünen Augen, die die gleiche Farbe haben, wie die vielen tropischen Pflanzen um uns herum. Als hätten seine Linsen die Farbe schon seit frühster Kindheit kopiert und in sich aufgenommen. Oder vielleicht war es ja auch genau anders herum ... "Ah Meilo! Da bist du ja!" Ich zucke zusammen. Schon wieder wurden wir erwischt.

"Klaus!" Meilo strahlt den auf uns zukommenden Mann ausgelassen an. "Schön dich mal wieder zu sehen", sagt mein Schatz zu dem schon sehr ergrauten Mann, und fällt ihm in die Arme.

"Gleichfalls, Kleiner. Aber so wenig, wie du dich bei uns blicken lässt, darf dich das nicht wundern." Meilo macht ein leicht verkniffenes Gesicht. Ich ahne, was er denkt.

Deshalb räuspere ich mich und strecke meine Hand nach diesem Klaus aus. "Hallo. Ich bin Niclas."

"Ah! Niclas! Dorothea hat mir schon von dir erzählt. Unserem Neuzuwachs."

"Äh ... ja", lache ich dünn und bekomme die Hand fest geschüttelt. Hat der einen Händedruck!

"Nic? Klaus kümmert sich um die Pflanzen rund ums Haus und auch hier im Gewächshaus", erklärt mir Meilo.

"Und das schon seit über zwanzig Jahren!" Stolz schwingt in seiner Stimme mit. "Wollt ihr sehen, wo morgen die Feier stattfindet? Die Tische stehen schon."

"Gern", antwortet Meilo.
 

Klaus führt uns weiter den Hauptweg entlang. Nach einer sanften Linkskurve stehen wir plötzlich vor einer Art Lichtung. Sie ist riesig und bietet eine Menge Platz, doch dann entdecke ich was, dass mich echt umhaut, denn weiter hinten plätschert ein kleiner Wasserfall an dunkelbraunen Steinen hinab. Davor, auf eben jener Lichtung, stehen unzählige weiße, verschnörkelte Eisentische mit passenden Stühlen. Zudem gibt es noch ein paar Stehtische, sowie eine lange Garnitur. "Wir werden noch etwas mehr Platz benötigen, und ein paar der Kübelpflanzen verstellen. Ich denke, das wird ganz hübsch, aber was weiß ich schon", lacht Klaus. "Um die Aufstellung und die Deko kümmert sich meine Tochter. Die hat mehr Ahnung davon."

"Klaus Tochter ist Floristin", erklärt Meilo mir.

"Bleibt alles in der Familie!", lacht Klaus dröhnend. "Ich muss dann auch mal. Dorothea möchte noch LED-Fackeln am Weg entlang haben, damit sich die Gäste abends zurechtfinden." Er winkt uns, dann verschwindet er in bester Tarzanmaniert zwischen den Pflanzen und ist nicht mehr ausfindig zu machen.

Meilo grinst mich an. "Sag nichts", bitte ich ihn leise. "Mit ihm hattest du auch mal was."

"Was?! Nein!" Meilo guckt ganz entsetzt. "Klaus ist Hetero und könnte mein Vater sein!"

Ich fange an zu lachen. "War doch nur ein Scherz."

"Na warte! Das bekommst du zurück."

"Ja? Wann denn?"

"Weiß ich noch nicht, aber bald. Darauf kannst du dich verlassen."

Ich setze meinen verführerischsten Blick auf und schmeichle mich an Meilo ran. "Jetzt machst du mich erst recht neugierig", raune ich ihm zu und schaue mich um. Keiner in Sicht. Meine Hände verschwinden unter den Rand von Meilos Pulli. Seine Haut darunter ist so warum und weich und schreit nach so viel mehr.

Zärtlich schmuse ich mit meinen Lippen über seine, ehe wir uns beinahe scheu zu küssen beginnen. Ich liebe es, wenn wir uns auf diese Weise küssen.

Ich glaube, Meilos heutige Geilheit ist ansteckend. Aber solange sie nur auf mich ansteckend wirkt ... Tüdelüdelüüü! AH!

"Mein Handy", schmunzelt Meilo. "Irgendwie werden wir heute ständig unterbrochen, sobald wir uns küssen."

"Ja", brumme ich. "Da lässt sich ein Muster erkennen."

"Hallo Mama", meldet Meilo sich am Handy. "Ja, wir sind unterwegs. ... Machen wir. Bis gleich. ... Uff."

"Lass mich raten. Das Essen ist fertig?"

"Das auch. Aber wir sollen noch Wein mitbringen."

"Wein? Und woher?"

"Na aus dem Hotel", meint Meilo lachend.

"Wie praktisch. Vielleicht sollten wir auch in die Nachbarschaft eines Hotels ziehen."

"Lieber nicht. Mal abgesehen von diesem hier, habe ich die Nase voll von Hotels."

"Ich kann es dir nachfühlen", seufze ich, nehme Meilos Hand und schlendere mit ihm den Weg zurück, den wir eben gekommen sind.
 

Im Hotel machen wir an der Rezeption halt, wo Sebastian schon auf uns wartet, und uns ungefragt zwei Flaschen Wein in die Hände drückt. "Guten Appetit", wünscht er uns, lächelt, meiner Meinung nach etwas zu wissend, und geht wieder seiner Arbeit nach.

Meilo schenkt mir einen amüsierten Blick. "Was?"

"Nichts", sagt er.

"Ist auch besser so." Wir grinsen uns an und machen uns auf den Weg zum Wohnhaus.

Dort begrüßt uns leckerer Essensduft, was mein Magen mit einem leisem Knurren quittiert. Jetzt erst bemerkte ich, das ich Hunger habe.

Wir betreten eine antik wirkende Küche. Doch nur auf den ersten Blick denkt man, sie sei alt. In dem rustikalen, gekachelten Herd verbirgt sich ein modernes Ceranfeld sowie ein großer Ofen. "Da seit ihr ja!", begrüßt uns Doro. "Der Auflauf steht schon auf dem Tisch. Beeilt euch, nicht dass er kalt wird."

"Wo ist Papa?"

"Er hat schon gegessen, weil er noch Besorgungen für morgen machen muss", sagt Doro und setzt sich zu uns.

"Und Daisy?"

"Draußen im Garten und da bleibt sie auch." Meilo gibt ein brummendes Och von sich, was mich grinsen lässt. Wie ein kleiner Junge.

"Ist Daisy dein Liebling von der ganzen Hundemeute?", frage ich meinen Liebsten.

"Ist sie", bestätigt er mir. "Sie ist mein Hund." Das überrascht mich. Meilo hat nie verlauten lassen, dass er einen Hund hat. Wieder etwas, dass er mir nicht erzählt hat.

"Meili hat sie damals mit der Flasche großgezogen, weil unsere Hündin nicht genug Milch für den ganzen Wurf hatte."

"Nenn mich bitte nicht mehr Meili", motzt Meilo seine Mutter an. "Ich bin keine fünf mehr."

Doro lacht und verteilt einige Löffel des Auflaufs auf unsere Teller. Sieht der lecker aus! "Meilo ist es peinlich, wenn ich ihn vor seinen Freunden Meili nenne", flüstert sie mir zu, was Meilo natürlich hören kann.

Ich komme aus dem Grinsen nicht mehr raus. "Ich finde, Meili hört sich doch ganz niedlich an", kichere ich.

"Eben drum! Also hört auf damit!"

"Alles klar, Meili." Oh oh. Wenn Blicke töten könnten ...

"Klappe, Nicilein." Boha! Das war fies!

"Kinder, hört auf euch zu streiten und esst, bevor es kalt wird." Mama hat gesprochen.

Der Auflauf ist wirklich köstlich und ich genehmige mir gleich noch einen dicken Nachschlag, was Doro sichtlich erfreut, jedoch als Meilo vor mir fertig ist, und sich kurz entschuldigt, gefriert mir für einen Moment das Blut in den Adern. Meilo will mich mit seiner Mutter alleine lassen? Als ich ihm panisch nachschaue, zwinkert er mir zu. Dieser Schuft!

Unsicher lächle ich Doro an. Was mag jetzt auf mich zukommen? Eine peinliche Befragung? Was tun Schwiegermütter so, wenn sie dem Partner ihres Sprösslings das erste Mal ungestört vor sich haben? Was meine Mutter tun würde weiß ich. Fragen stellen, und das auf Teufel komm raus. Kein Problem für Meilo, der kann jede Frage charmant beantworten, sehr zur Freude meiner Mutter, aber ich kann das einfach nicht. Wenn ich nervös werde, bekomme ich keinen gescheiten Satz heraus. Deshalb hat es mir damals nie etwas ausgemacht, dass Kilians Eltern sich bei mir nach dem ersten Treffen nicht haben blicken lassen, oder auch bloß Interesse an dem Partner ihres Sohnes gezeigt haben. Ich konnte solche Situationen demnach auch noch nicht großartig üben. Also was tun?
 

Ich schaue rüber zu Doro. Sie sieht mich an, weshalb ich freundlich zu lächeln beginne. "Der Auflauf ist richtig köstlich", plaudere ich drauf los, damit die Stille, die in der Küche herrscht, verscheucht wird.

"Danke. Ist ein Rezept meiner Großmutter." Uh! Bitte jetzt nicht über Familienangelegenheiten reden! Ich lächle wieder, dieses mal leicht unbeholfen und bin froh, dass noch etwas vom Auflauf auf meinem Teller ist, womit ich meinen Mund füllen kann. Doro scheint die Situation auch nicht ganz geheuer zu sein, denn sie schiebt ihren leeren Teller von sich und faltet die Hände. Ein Räuspern, verlegener Augenaufschlag. Schnell greife ich nach meinem Glas und trinke hastige Schlucke. "Meilo ist wirklich ein wundervoller und außergewöhnlicher Junge, nicht?" Ich nicke und stelle das Glas wieder ab. Es ist leer, genau wie mein Teller und die Auflaufform. So ein Mist!

"Er ist mehr als das", erwidere ich wahrheitsgemäß.

Doro lächelt selig, legt jedoch den Kopf schief. "Aber vor allem ist er sehr sensibel. Das mag einem auf den ersten und zweiten Blick nicht auffallen, aber ihm geht sehr schnell etwas zu Herzen, doch wenn man ihn darauf anspricht, tut er alles mit einem Lächeln und einem ausweichenden Spruch ab."

"Ich weiß", seufze ich. "Anfangs ist es mir nicht aufgefallen, aber inzwischen kenne ich ihn."

"Wirklich?"

"Wirklich." Doro mustert mich. Ich weiß, was sie vorhat. Sie will mir auf den Zahn fühlen. Okay. Wenn, aber dann auch richtig, finde ich.

Ich drehe mich kurz zur Tür, bevor ich weiter rede. Kein Meilo in Sicht. Gut. "Er macht sich große Sorgen wegen dem Ende von Keith", beginne ich Doro zu erzählen.

"Hat er dir das gesagt?"

Ich nicke. "Hin und wieder lässt er ein paar Sätze fallen, die mir Sorgen bereiten." Wie vor kurzen, als er meinte, er hätte niemanden außer mich. Das er sich das nur einbildet, müsste ihm doch spätestens hier, in seinem Zuhause, wieder klar geworden sein.

"Und die wären?", möchte Doro wissen.

"Na ja ..." Erst überlege ich, ob ich ihr das alles erzählen soll, was in letzter Zeit geschehen ist, doch dann plätschert alles aus mir heraus, ohne dass ich es stoppen kann. "Ihm bereiten so unwahrscheinlich viele Dinge Sorgen. Seine Plattenfirma und sein Manager reden wohl immer noch auf ihn ein, nicht mit Keith aufzuhören. Dann macht er sich Gedanken um seine Fans, und hat Angst, dass sie ausflippen, wenn sie hören, dass es Keith nicht mehr gibt." Woran meine Schwester nicht ganz unschuldig ist. "Dann redet er sich ständig Dinge ein, die gar nicht stimmen."

"Welche Dinge?"

"Das ich ihn früher oder später betrügen würde, weil wir so oft voneinander getrennt sind, zum Beispiel." Ich weiß noch viel zu gut, wie er in der Hütte beinahe einen Zusammenbruch gehabt hatte, bloß weil ich so doof war, und ihn Keith genannt habe. "Keith Kandyce ist die Pest!", zische ich, erschrecke dann jedoch vor meinen kleinen Gefühlsausbruch und schaue Doro entschuldigend an. "Also damit meine ich nicht Meilo, sondern ..."

"Schon gut", winkt sie ab. "Ich weiß, wie du das meinst. Ich kenne Keith schon länger als du." Abermals nicke ich. "Keith ist schon lange ein Teil von ihm. Ich weiß noch, wie ich ihn das erste Mal gesehen habe. Ich habe ihn erwischt, wie er mit Schminke im Gesicht und einem hautengen Outfit vor seinem Spiegel in Pose gestellt hat."

"Etwa oben? In seinem Zimmer?"

"Genau da", sagt sie kichernd. "Ich sah ihn, und fragte erschrocken, wer er denn sei, denn ich erkannte Meilo auf den ersten Blick gar nicht. Er drehte sich um, sah mich mit riesigen Augen an und sagte: Ich bin Keith. An seiner Stimme erkannte ich ihn schließlich, aber hätte er nichts gesagt, wäre ich nicht so schnell drauf gekommen."

"So ging es mir auch. Dabei hatte ich ihn ständig vor meiner Nase." Doros fragender Gesichtsausdruck lässt mich das näher erklären. "Meine Schwester ist ein großer Fan von Keith, hat überall Poster von ihm hängen und hört ständig diese Katzenjammermusik ... Verzeihung."

"Kein Ding. Ich höre die Songs auch nicht gern. Dabei hat Meilo eine so wundervolle Stimme."

"Stimmt. Die hat er auf jeden Fall. Hast du schon seine neuen Songs gehört?"

"Ja. Er hat mir eine CD geschickt. ... Die Texte sind schon sehr eindeutig." Sie grinst süffisant. Ich werde doch tatsächlich ein klein wenig rot. Es kommt eben nicht oft vor, dass sein Liebster seine Liebe zu seinem Partner dermaßen in die Welt hinaussingt. "Er liebt dich sehr."

"Genau wie ich ihn", antworte ich. "Deshalb mache ich mich auch so Sorgen um ihn."

"Meilo packt das schon. Solange er dich hat, mache ich mir da keine Gedanken." Ich muss zugeben, es erfüllt mich mit Stolz, dass Doro das so sieht. Ich meine, sie kennt mich ja eigentlich kaum. "Meilo strahlt richtig, wenn er in deiner Nähe ist. Das hat er schon lange nicht mehr gemacht." Weil ich nicht weiß, was ich darauf sagen soll, lächle ich einfach nur. "Wie hast du es eigentlich herausgefunden? Das Meilo noch ein geheimes Zweitleben führt. Hat er es dir von selbst gesagt?" Eigentlich führt er sogar zwei geheime Leben. Nämlich noch eins mit mir. Jedenfalls vor der Plattenfirma und diesem Widerling Gerd.

"Ich war auf einem seiner Konzerte", erzähle ich ihr. "Ich habe meine Schwester und ihre Freundinnen begleitet, weil mein Vater sie sonst nicht hätte gehen lassen. Sie ist erst fünfzehn."

"Verstehe. Fünfzehn ist ein schwieriges Alter." Wem sagt sie das!

"Inzwischen geht es", lache ich. "Nicole ist dank Meilo handzahmer geworden. Er kann gut mit Teenagern."

"Wirklich? Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Als Teen war er selbst streckenweise total schwierig."

"Inwiefern?" Jetzt wird es interessant.

"Versuch du mal mit einem Teenager klar zu kommen, der sich in der Freizeit schminkt und als Keith die Umgebung unsicher macht. Ich war überfordert und unglaublich besorgt. Du weißt ja sicher, was teilweise für ignorante Idioten da draußen herumlaufen." Ich nicke. "Ich hatte große Angst, dass ihm etwas passieren würde, wenn er so die Straßen unsicher machte, und wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Am liebsten hätte ich ihn festgebunden, aber das ging ja nicht. Am Ende musste ich zusehen, wie er hinaus in die Welt ging, und seinen Weg suchte. Ich konnte nur darauf hoffen, dass er zu uns kommt, wenn es ihm schlecht geht, was er ja dann auch glücklicher weise getan hat."

"Benedikt?", frage ich vorsichtig nach.

"Ja", antwortet Doro leise. "Nach der Trennung war er ein Wrack." Es schnürt mir die Brust zu, wenn ich mir das auch nur für eine Sekunde lang vorstelle. "Meilo hatte ja schon einige kleine Liebesabenteuer hinter sich, aber mit Benedikt war es ihm das erste Mal richtig ernst gewesen. Er hat ihn sehr geliebt. Danach ist er auch mit niemanden mehr zusammen gewesen."

"Ich weiß. Meilo hat mir alles erzählt."

Doro atmet tief ein und knetet ihre Finger. "Ich weiß, dass ich das jetzt nicht sagen sollte, aber ... Verspricht mir, dass du ihm nicht das Gleiche antun wirst. Versprich mir, dass du ihm niemals so sehr verletzten wirst, dass er wieder ... Versprich es mir einfach." Fast flehend sieht Doro mich an, und in mir keimt das unschöne Gefühl, dass damals etwas vorgefallen ist, was Meilo mir nicht erzählt hat.

Ich überlege kurz, Meilos Mutter danach zu fragen, doch ich lasse es. Eigentlich will ich es nicht wissen. Ich will nicht darüber nachdenken müssen, weil es mein Herz schwer werden lässt.

"Ich verspreche es", sage ich zu ihr, auch wenn wir beide wissen, dass man die Zukunft niemals vorhersehen kann. Doch egal was passiert, ich werde Meilo nicht verletzten. Ich werde ganz sicher nicht so ein Schwein sein wie sein Ex. Ich will mein Leben mit diesem wunderbaren Mann verbringen, dieses sündhaft teure Haus mit ihm zusammen kaufen und mit ihm darin leben, bis wir alt und runzlig sind. Genau das ist es, was ich will, und nichts anderes.

Um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, und weil ich das Gefühl habe, es tun zu müssen, lege ich meine Hände auf ihre. "Danke", flüstert sie und ringt sich trotz der beklemmenden Stimmung ein Lächeln ab. Dieses Lächeln, dass Meilos so unglaublich ähnlich ist.
 

***
 

"Wieso willst du es mir nicht verraten?"

"Weil es dich nichts angeht."

"Natürlich geht es mich was an! Sie ist meine Mutter!"

Lachend lege ich meinen Kopf auf Meilos Schulter. "Also schön", gebe ich nach. "Wir haben über deine Teenagerzeit geredet. Sollst ja ganz schön umtriebig gewesen sein."

"Was?!" Ich lache noch lauter. "Das war ich nicht! Jedenfalls nicht umtriebiger als du."

"Oho!", rufe ich und setze mich auf. "Selbst wenn du nur halb so umtriebig gewesen bist wie ich, dann ..."

Meilo macht ein entsetztes Gesicht. "Was hast du damals denn alles angestellt?"

"Viel", sage ich, auch wenn dies leicht übertrieben ist.

"Was bedeutet viel?"

"Ich hatte meinen Spaß."

"Wie viel Spaß?", fragt er mich tonlos.

Ich sacke in mir zusammen. Meilo zu foppen ist ja sonst immer ganz lustig, aber wenn er mich mit diesem besorgt-niedergeschlagenen Blick anschaut, dann muss ich einlenken. "Knutschen mit süßen Jungs und heimlich Alk trinken. Mehr war da nicht."

"Mehr nicht?"

"Nein. Bis auf hin und wieder mal ein gelegentliches Nümmerchen mit ausgewählten Kerlen, aber da war ich schon älter." Mehr oder weniger ...

"Na dann will ich dir das mal glauben", brummt Meilolein, oder wie ich ihn ab jetzt heimlich nenne: Meili, und zieht mich an seine Brust.

"Du weißt doch, dass ich dich damit nur foppen wollte, oder?"

"Ja ... Sorry, aber manchmal ..."

"Redet dir dein hübsches Köpfchen Dinge ein, die gar nicht da sind", beende ich seinen Satz.

"So ungefähr."

"Siehst du? Und so ging es mir, als du das mit dir und Sebastian erzählt hast."

"Das ist schon lange Vergangenheit."

"Genau wie meine Teenagerzeit."

"Ewigkeiten."

"Jahrzehnte."

"Jahrhunderte."

"Äonen von Zivilisationen liegen seitdem dazwischen ..." Wir brechen in lautes Gelächter aus.

"Wir sind ganz schön alte Säcke, was?", gillert Meilo.

"Aber sowas von!" Ich kuschle mich dichter an Meilo, nachdem wir uns wieder eingekriegt haben, und schließe schnurrend die Augen. "Aber das ist doch gerade das Gute. Wir sind alt und weise genug, um zu wissen, dass wir das nicht mehr brauchen. Wir brauchen nur noch uns." Meilo gibt mir nickend recht und fängt an, meinen Nacken zu kraulen.

Wir sitzen im Wohnzimmer auf der Couch. Das leise Prasseln des Karmins und dessen Wärme sind unglaublich entspannend. Meilos Eltern sind vor geraumer Zeit schon ins Bett gegangen. Kein Wunder. Morgen wird sicher ein anstrengender Tag. Und auch heute gab es den ganzen Tag über noch viel vorzubereiten. Meilo und ich wollten helfen, doch man ließ uns nicht. Wir seien Gäste, hieß es, also hätten wir nur eins zu tun: Entspannen. So ganz hielten wir uns nicht dran, denn als Doro sich verabschiedete, um im Gewächshaus nach dem Rechten zu sehen, sorgten Meilo und ich dafür, dass die Küche wieder blitzblank glänzte. Danach schafften wir unsere Geschenke für morgen ungesehen ins Haus und versteckten sie in Meilos Zimmer, ehe er mich mit nach draußen nahm, wo er mir die Umgebung zeigte.

Es ist echt wunderschön hier. Und weitläufig. Meilo nahm Daisy mit auf unseren Spaziergang, die aufgeregt neben uns hertrabte, mal hierhin und mal dorthin rannte, schnupperte und im Dreck wühlte. "Wenn wir das Haus bekommen, willst du Daisy dann mitnehmen?", wollte ich von ihm wissen und ging in Gedanken die Maße der Hundehütte durch, die wir für sie bräuchten. Ob die Veranda oder der kleine Garten hinter dem Haus dafür ausreichen würde?

"Nein", meinte Meilo jedoch. "Hier ist sie besser aufgehoben." Ich widersprach nicht, weil ich es genauso empfand. Das Zuhause von den Haugs ist ein wahres Riesen-Hunde-Paradies.
 

Als wir nach dem langen Spaziergang wieder am Haus ankamen, uns aus den kalten Klamotten schälten und schnell unter die Dusche sprangen, war es auch schon ziemlich spät. Meilos Eltern waren inzwischen beide zuhause und warteten im Wohnzimmer auf uns. Zwei Kannen Tee, ein Rührkuchen zum Fingerablecken, und ein langes und lustiges Gespräch später, sitzen wir noch immer hier, genießen unsere Zweisamkeit und lassen den Tag mit seinen vielen neuen Eindrücken ausklingen.

Daisy liegt vor der Couch und leistet uns Gesellschaft, während die anderen Hunde draußen in ihren Körbchen liegen, obwohl Körbchen zu verniedlicht klingt. Diese riesigen Köter brauchen ganze Körbe, um darin gemütlich liegen zu können.

"Nic?" Meilos Mund schmust über mein Haar.

"Hmhm?"

"Wollen wir auch hoch?"

"Noch nicht", seufze ich. "Hier ist es so schön." Besonders, wenn er damit weiter macht, meinen Nacken zu kraulen.

"Fein", murmelt er und schiebt mich von sich. "Aber dann legen wir uns, ja?"

"Hört sich gut an", kichere ich und warte, bis sich Meilo auf der Couch langgemacht hat, ehe ich mich zu ihm lege. Meinen Kopf auf seiner Brust und meinen Arm um seinen Bauch geschlungen, könnte ich ewig so liegen blieben. Daisy findet das allerdings nicht so, steht auf und hechelt uns schwanzwedelnd ihren Hundeatem ins Gesicht.

Ich kräusle die Nase und drücke sie in Meilos Pulli. "Geh weg Daisy", verscheucht mein Schatz den neugierigen Hund. "Mach Platz." Sie horcht aufs Wort.

"Sie hört aber gut auf dich."

"Bei ihrer Größe muss sie das auch." Kann ich mir vorstellen. "Zeus hat mich schon mal umgerannt. Er hat mich zwar bloß gestreift, aber es hat ausgereicht, um mich umzuschmeißen."

"Autsch."

"Hatte mir das Handgelenk verstaucht, weil ich mich damit abgestützt hatte." Meilo hebt seinen rechten Arm, auf dem das Tattoo zu sehen ist.

"Dieses Handgelenk?" Meilo nickt. "Wie kann Zeus es nur wagen!", brumme ich, greife mir seine Hand und drücke meine Lippen auf die Innenseite seines Handgelenkes.

Meilo lacht leise. "Er wusste eben nicht, dass mein Handgelenk mal dir gehören würde."

"Als Gott müsste er das aber gewusst haben", wispere ich gegen die warme Haut. Ich kann das Pochen seines Pulses an meinen Lippen fühlen. Mit der Zunge suche ich eine der kleinen Erhebungen, und streiche an der Ader entlang.

"Sicher, dass wir nicht hoch gehen sollen?", fragt Meilo ein weiteres Mal nach.

"Sicher ..." Ich mag jetzt nicht aufstehen und die Treppe empor steigen. Viel lieber schiebe ich Meilos Pullover hoch und befühle die darunterliegende warme Haut.

Meilo seufzt und schmunzelt leise, als ich meinen Zeigefinger in seinen Bauchnabel tauche. Das fühlt sich so phantastisch an, dass ich nicht widerstehen kann

Ich rutsche runter, hocke mich auf Meilos Beine und beuge mich hinab. Meilos Augen beobachten mich haargenau, schauen zu, wie ich mit der Zunge um den Bauchnabel herumkreise, und dann hineingleite. Meilo erschaudert und greift mir ins Haar. Ich presse meine Nase in seine weiche Haut, atme deren Duft ein und spüre, wie eine leichte Erregung an meinen Nervenenden zieht.

Fahrig verteile ich kleine Küsse unterhalb seines Bauchnabels, dort, wo ein Streifen weicher, dunkler Haare zu sehen ist. Der Weg ins Glück. Ich gehe ihn nicht bis zum Ende, sondern stoppe am Hosenbund. Meilo gefällt das gar nicht. Er gibt einen enttäuschten Laut von sich, was Daisy wieder auf den Plan ruft. Sie bellt leise und knurrt sogar drohend, während sie auf uns zutappst. "Dein Hundchen möchte mitmachen", lache ich und tätschle den großen Hundekopf.

Braune Hundeaugen mustern mich skeptisch. Ihr passt es nicht, dass ich Meilo zum Knurren bringe. "Ist doch alles gut." Ich schmuse sie hinterm Ohr.

"Lass das lieber", warnt mich Meilo, doch zu spät. Die große Hundedame springt aus dem Stand zu uns auf die Couch. Direkt auf Meilo. "Ahhh! Runter Daisy!" Ich sehe nur noch graues Hundefell vor mir. "Nic! Hilf mir!"

"Wie denn?"

"Pack mit an!"

"Wo denn?" So viel Hund! Wo ist vorn? Wo ist hinten?

Ich drücke auf gut Glück, bekomme Daisys Bauch zu fassen und versuche sie runter zu schieben. Vergeblich. Ich werde angeknurrt.

"Daisy! Aus!" Meilo rappelt sich unter der Hundedame hervor und packt sie am Halsband. So lässt sie sich lammfromm zurück auf den Boden befördern. "Nic wird nicht angeknurrt, hörst du?" Drohend erhebt Meilo seinen Zeigefinger vor der mächtigen Hundedame.

Man könnte glatt glauben, sie hätte verstanden was Meilo zu ihr gesagt hat, so geknickt sieht sie aus. Ihre braunen Rehaugen gucken traurig. Man kann ihr einfach nicht böse sein.

"Was haben wir heute nur an uns, dass wir ständig unterbrochen werden, sobald wir uns näher kommen?", fragt Meilo mich und lehnt sich gegen die Rückenlehne.

"Weiß nicht, aber seit unserem Ausflug ins Heu, passiert das auffällig oft."

"Was machen wir dagegen?"

"Nichts", erwidere ich. "Bleiben wir heute eben brav. Vielleicht haben wir morgen mehr Glück." Ich muss lachen, da Meilo mich schmollend von der Seite anschielt. "Sag mal, ist noch was von dem Kuchen da?" Mein Bauch knurrt schon wieder. Bis auf den Auflauf und zwei Stückchen des besagten Kuchens habe ich heute noch nichts gegessen. Das Frühstück fiel sogar fast komplett aus, weil ich dazu viel zu aufgeregt war. Das recht sich nun.

"Leider nicht", sagt Meilo. "Der ist gegessen."

"Schade." Ich reibe mir den gurgelnden Bauch. "Ich hätte jetzt richtig Hunger auf was Süßes."

"Vielleicht finden wir ja noch was in der Küche", schlägt mein Schatz vor und erhebt sich.

Ich tue es ihm gleich und folge ihm in die Küche. Daisy läuft uns nach, legt sich dann jedoch in ihr Körbchen und spielt beleidigte Prinzessin. "Sie ist sauer, weil ich dich ihr vorziehe", schmunzelt Meilo.

"Es kann eben nur einer auf dir liegen", kichere ich.

"Genau. Vor allem bist du nicht so schwer wie sie." War das jetzt ein Kompliment? Ich frage besser nicht nach.
 

In der Küche machen wir uns gleich über den Kühlschrank her, doch bis auf Wurst, Käse, Früchtejoghurt und Marmelade ist nichts dabei, was ich gerne essen würde. Und selbst das bringt meinen Appetit nicht gerade in Verzückung. "Meine Eltern haben nicht viel eingekauft, weil es morgen genug zu essen gibt." Klingt logisch. Aber was esse ich denn jetzt?

Mein Blick fällt auf eine Packung Eier. Ich nehme sie aus dem Regal und schaue rein. "Kann ich hiervon welche haben?"

"Von mir aus", sagt Meilo verwirrt. "Wenn sie dir schmecken."

Ich lege den Kopf schief und piekse Meilo in den Bauch. "Mehl, Milch, Zucker und Backpulver. Hopp, hopp!" Dann gibt es jetzt eben Pfannkuchen. Und den restlichen Teig hebe ich für morgen auf, dann haben wir noch ein schönes Frühstück, denn wie kann man einen besseren Eindruck bei den Schwiegereltern schinden, als sie zum Frühstück mit selbstgebackenen Pfannkuchen zu verwöhnen?

Meilo sucht mir alles verlangte zusammen. Eine Wage steht praktischerweise schon da, also wiege ich schon mal alles ab. "Was gibt das?", möchte er wissen.

"Pfannkuchen."

"Und du kannst die auswendig backen?"

"Das einzige Rezept, das ich kann, ohne vorher auf die Fertigpackung schauen zu müssen", lache ich. "Habt ihr einen Handrührer?"

"Ja ... irgendwo." Meilo findet ihn nach kurzer Suche und reicht ihn mir.

Zuerst ist das Eiweiß dran und wird geschlagen. Dadurch wird alles etwas fluffiger. Weil wir zu viert sind, nehme ich gleich die doppelte Menge. 6 Eier, 500 g Mehl, 4 Esslöffel Zucker, 1/2 Liter Milch und zwei Messerspitzen Backpulver. Vanille wäre noch schön, aber es geht auch ohne.

Das Eiweiß zusammen mit einer Priese Salz geschlagen, ist der Teig dran. Danach das Eiweiß unterheben und fertig. Die Geschmacksprobe fällt positiv aus, und auch Meilo macht ein langezogenes "Hmmmm ..."

"Butter, ein Messer und eine Pfanne bitte", ordere ich.

"Pfannen sind hier unten neben dir im Schrank, die Messer darüber in der Schublade. Die Butter hole ich dir." Während Meilo alles holt, schnipple ich einen Apfel klein und schneide dünne Scheiben.

Nachdem die Butter in der Pfanne geschmolzen ist, gebe ich zwei Kellen Teig hinein, sowie ein paar der Apfelscheiben. "Riecht das gut", sabbert Meilo mir ins Genick. Arme schieben sich auf meinen Bauch. "Ist ja richtig sexy, wie du vor dem Herd stehst und backst."

"Gewöhn dich nicht dran, es sei denn, du willst jeden Tag Pfannkuchen essen", grinse ich und wende den Pfannkuchen ungeschickt. Das ist etwas, das ich noch nie konnte. Aber Hauptsache, der Teig bleibt in der Pfanne und schmeckt hinterher. "Willst du auch einen?"

"Na was denkst du denn?"

"Dann bring mal Teller her. Ach! Puderzucker und Zimt, wenn du hast." Mag Meilo Zimt? Wir werden es erfahren.

"Für mich aber keinen Zimt." Und schon wissen wir es.
 

Die Pfannkuchen auf dem Teller, den Teig gut verpackt in den Kühlschrank verfrachtet, laufen wir hinauf und begeben uns in Meilos Zimmer. Dort hocken wir uns auf zwei große Sitzkissen und verputzen unser spätes Abendessen. "Jetzt bin ich satt", verkünde ich und stelle den leeren Teller auf den Boden.

Meilo ist ebenfalls fertig und lehnt sich zu mir. "Gehen wir schnell ins Bad, machen uns Bettfertig und schlüpfen unter die Decke", raunt er mir zu. "Und dann wollen wir doch mal sehen, ob wir wieder gestört werden." Verlockend.

Ich bin als erster auf den Beinen und stürme voran ins Bad. Meilo holt mich ein, schnappt mich und drückt mich gegen das Waschbecken. "Meilo, die Tür ist noch auf."

"Egal. Meine Eltern haben ihr eigenes Bad."

"Trotzdem", beharre ich, befreie mich aus Meilos Fängen und schließe die Tür ab. "Hinterher stört man uns doch wieder", grinse ich und laufe zurück zu Meilo.

Dieser empfängt mich in seinen Armen und küsst mich zärtlich. Viel zu kurz liegen seine Lippen auf meinen. "Beeilen wir uns", raunt er mir zu. "Dann können wir im Bett weiter machen." Das hört sich noch verlockender an.

Eine Katzenwäsche und Zähneputzen später, verlassen wir das Bad wieder, oder besser gesagt, wir taumeln eng umschlungen hinaus, über den Flur und in Meilos Zimmer hinein. Mit dem Fuß kicke ich die Tür zu und stolpere mit Meilo Richtung Bett. Wir wollen uns gerade einfach drauffallen lassen, da bellt es leise. "Daisy?" Wir starren die große Hündin an, die schwanzwedelnd auf Meilos Bett steht.

"Ich fasse es nicht", seufze ich. "Nicht schon wieder!" Kann man hier denn nie in Ruhe *piep*?
 

******
 

Notiz von Fara an das Universum: Ich hätte gern auch so ein Gewächshaus, und so einen Swimmingpool. Und dazu noch so einen Wahnsinns-Typen wie Meilo. *breit grins*

Nic: EY! Nix da! Das is meiner! *Meilo fest umklammert*

Fara: Man gönnt mir auch gar nichts -______-¨

Love bite 48 - Jahrestage und Hochzeitsfieber

Love bite 48 - Jahrestage und Hochzeitsfieber
 

Verdammt nochmal! Warum will das nicht? Ich fummle, und fummle, aber ich bekomme es nicht hin! Argh! Dann eben nicht! Ich gebe auf und lasse einen Fachmann ran. "Kannst du mal nachschauen? Der Kragen will nicht." Ich schaue flehend rüber zu Meilo, der gerade sein Jackett anzieht.

"Klar." Er kommt auf mich zu und geht mir helfend zur Hand. Nervös kaue ich auf meiner Unterlippe herum, während Meilo mir den Kragen richtet. "So geht's", grinst er und klopft mir auf die Schulter.

"Danke."

"Du zitterst. Immer noch Angst vor meiner Familie?"

"Und wie!", japse ich und kontrolliere noch einmal mein Aussehen in mannshohen Spiegel vor mir. "Sind sie schon alle da?"

"Soweit ich weiß, sind die Meisten schon heute morgen eingetroffen. Mama meinte, sie genießen erstmal die Vorzüge des Hotels, dass die Meute für sich ganz alleine hat." Ich atme tief ein. "Hey. Nur die Ruhe", wispert mein Schatz und umarmt mich. Sein Kinn ruht auf meiner rechten Schulter und sein Blick, der mir im Spiegel begegnet, beruhigt mich tatsächlich ein klitzekleines Bisschen. "Meine Familie ist vielleicht manchmal anstrengend, aber sie sind alle ganz nett."

"Wenn du das sagst", antworte ich und versuche ihn optimistisch anzulächeln. "Wann geht es eigentlich los?"

"Um zwei Uhr ist Messe. Eine halbe Stunde davor treffen wir uns alle vor dem Hotel und fahren mit einem extra angemieteten Bus in die Kirche." Ein extra angemieteter Bus? Oh Mann! Ich will nicht! "Das wird sicher lustig. Alle im Bus. Wie auf einer Klassenfahrt."

"Ja ... bestimmt." Auf Klassenfahrten kann viel passieren. Man kann mit Papierkugeln beschmissen werden, beschimpft und bespuckt werden, auf der hintersten Bank verprügelt werden ... Ja, ja. Ich gebe zu, das mag jetzt gewaltig übertrieben sein, aber Gott! Ich mach mir gleich in die Hose vor Aufregung!
 

Das fing heute Morgen schon an. Kaum war ich wach, spürte ich dieses ungute Druckgefühl im Magen. Wieder bekam ich beim Frühstück keinen Bissen runter. Ich zwang mir meinen Pfannkuchen förmlich hinein, aber wenigstens waren Doro und Eberhard ganz begeistert von meinen bescheidenen Backkünsten gewesen. Sie haben sich richtig darüber gefreut, was mich ein klein Wenig verlegen gemacht hat. Danach zogen Meilo und ich uns wieder in sein Zimmer zurück, um noch etwas allein sein zu können, doch Dasiy blieb beharrlich an unserer Seite.

Seit gestern Abend hängt sie wie ein Klette an uns. Zweisamkeit ade, denn nachdem wir vom Badezimmer ins Bett wollten, um ... na ihr wisst schon, blieb Daisy stur auf Meilo Bett hocken. "Sie schläft immer bei mir, wenn ich zuhause bin", erklärte Meilo.

"Im Bett?"

"Ja. Sie kennt es nicht anders." Seufzend rieb ich mir über die Stirn. Es hatte gestern einfach nicht sollen sein, also legten wir uns unter die Decke, kuschelten uns aneinander, während es sich die große Hundedame am Fußende gemütlich machte und nach wenigen Minuten anfing, leise zu schnarchen. Ohne Scheiß! Der Köter schnarcht! Nicht ganz Ladylike, aber dank Ohrenstöpsel, die Meilo zum Glück vorrätig hatte, ging es.
 

"Wir haben noch eine Stunde. Wollen wir solange hier bleiben, oder runter gehen?", fragt mich Meilo.

Ich überlege kurz. "Sind deine Eltern noch hier?"

"Ja."

"Dann gehen wir runter", beschließe ich. "Bevor der ganze Trubel losgeht, würde ich ihnen gerne mein Geschenk geben."

"Gute Idee." Ich werde losgelassen.

Jeder schnappt sich sein Geschenk, wobei Meilo nicht allzu viel zu tragen hat. Bloß einen Umschlag mit den erwähnen Tickets für die Schiffsreise. Ich dagegen habe eine Holzkiste zu schleppen, die mit lauter Leckereien aus dem Weinkeller gefüllt ist, plus einer Karte, die von meinen Eltern kommt. "Hoffentlich gefällt ihnen mein Geschenk", überlege ich laut.

"Ganz bestimmt. Meine Eltern lieben Essen und guten Wein. Etwas Besseres hättest du ihnen gar nicht schenken können." Ein Kuss landet auf meinen Mund, ehe wir die Treppenstufen nach unten marschieren. Meilo packt mit an und hilft mir, die Kiste heile nach unten zu bekommen, was gar nicht so einfach ist, denn Daisy schiebt sich an uns vorbei und stürmt nach unten. Die Tür wurde geöffnet und leises Geklimper ertönt.

"Mama?!"

"Ja?"

"Warte mal!"

Unten angekommen, stehen wir vor Meilos Eltern, die mit dicken Jacken und Hundeleinen bewaffnet sind. "Wir wollten nochmal schnell mit den Hunden raus", erklärt Eberhard.

"Bevor ihr das macht, wollen wir euch eure Geschenke geben", grinst Meilo.

"Geschenke? Aber das müsst ihr doch nicht", sagt Doro. Man sieht ihr aber an, dass sie sich darüber freut.

"Zu spät", lacht mein Schatz und läuft voran ins Wohnzimmer. Seine Eltern, ich und die ganze Hundeschar laufen ihm nach. Was für ein Gewusel!

Meilos Eltern nehmen auf der großen Couch Platz, während Meilo und ich uns neben auf den Sessel quetschen, nachdem wir die Geschenke zuvor auf den Tisch verfrachtet haben. "Welches zuerst?", fragt Doro aufgeregt.

"Egal", meint Meilo.

"Dann machen wir zuerst das Große auf. Ist das von euch beiden?"

"Äh nein. Das ist nur von mir", antworte ich verlegen. Ich bin so nervös! Noch nervöser als sowieso schon.

Ich habe die Kiste nicht noch extra eingepackt, sondern bloß ein silbernes Band drumherum gebunden. Das dunkle Holz der Kiste war Verpackung genug, dachte ich. Hibbelig schaue ich Doro zu, wie sie die Schleife löst und von dem Deckel streift. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Meilo versucht ein Grinsen zu unterdrücken. Ja, lach mich nur aus! Ich kann doch auch nichts dafür, dass ich so dermaßen nervös bin!

Vorsichtig hebt Doro den Deckel an und guckt zusammen mit Eberhard neugierig hinein. "Oh sieh mal, Eberhard!", sagt Doro zu ihrem Mann und hebt eine der beiden Weinflaschen empor, die ich mit in die Kiste gepackt habe. "Aus diesem kleinen Weingut in der Nähe von diesem kleinen Dorf. Weißt du noch?"

"Ja", schmunzelt er.

"Woher wusstest du das?" Ich wusste was? "Hast du ihm das verraten Meilo?"

"Was denn?", fragt er nach.

"Na hier! Der Wein kommt aus dem Weingut, wo wir damals unseren ersten gemeinsamen Urlaub miteinander verbracht haben!"

"Echt?"

"Ja!"

"Von mir weiß er das nicht. Ich wüsste auch gar nicht mehr genau, wo ihr damals Urlaub gemacht habt", erwidert Meilo. Ich sitze einfach nur verblüfft da und wundere mich über diesen Zufall. Ein Glückstreffer, sozusagen.

"Jean hat den Wein ausgesucht", erkläre ich. "Er meinte, das sei der beste Rotwein in ganz Italien."

"Das stimmt", lacht Eberhard. "Jedenfalls gibt es für uns keinen Besseren." Die beiden sehen sich verliebt an. Es ist schön zu sehen, dass die zwei nach über 25 Jahren immer noch so glücklich miteinander sind.

Sie inspizieren den weiteren Inhalt meiner Italien-Kiste, bedanken sich dafür mit einer festen Umarmung bei mir, und sehen wirklich so aus, als würde ihnen mein Geschenk gefallen. Das liegt hauptsächlich wohl an dem Rotwein, von dem ich ihnen auf jeden Fall noch mehr Flaschen zusenden soll. KP wird sich freuen.

Als nächstes lesen sie die Karte, die mir meine Mutter mitgegeben hat. Sie schreibt immer ganze Romane und hat für jeden Anlass gleich mehrere Sprüche parat, von denen sie sich einen aussucht und ihn dann mit ihrer schönsten Schrift in die Karte hineinschreibt. "Wie lieb", lächelt Doro. "Wir müssen uns alle unbedingt mal treffen."

"Genau das hat meine Mutter auch zu mir gesagt", lache ich. "Am liebsten wäre sie mitgefahren." Und wenn sie erfährt, wie die Haugs wohnen, will sie erst recht hier her.

"Ihr seid jederzeit herzlich eingeladen. Zimmer haben wir genügend." Doro zwinkert mir zu. Wieder so etwas, das Meilo so ähnlich ist.
 

Nun ist Meilos Geschenk dran. Ich lehne mich zurück und warte gespannt. Langsam zieht Doro den Inhalt des großen Umschlags heraus. "Oh Meilo ...", haucht sie ungläubig, als sie erkennt, was sie in den Händen hält. "Bist du verrückt?!"

"Ja. Aber das weißt du doch schon seit Jahren", gluckst er.

"Eine Kreuzfahrt?!" Doro hält den Prospekt vor Eberhards Nase. "Spinnst du?!"

"Auch das weißt du doch."

"Meilo!", japst sie und schüttelt den Kopf. "Das muss doch ein Vermögen gekostet haben! Drei Wochen!"

"Drei Wochen?" Eberhard horcht auf. "Wer leitet solange das Hotel."

"Niemand, weil ihr im Februar fahrt", antwortet Meilo. "Ist schon alles gebucht. Und um die Tiere kümmert sich Klaus so lange."

"Du bist wahnsinnig!", krächzt Meilos Mutter und steht auf, um sich in seine Arme zu schmeißen.

"Du tust ja gerade so, als hätte ich euch noch nie was geschenkt", schmunzelt er.

"Och du", brummelt sie und knutscht seine Wange. Meilo verzieht das Gesicht und schielt doch tatsächlich peinlich berührt zu mir rüber. Hi hi! Geschieht ihm recht!
 

***
 

Leider vergeht mir das Lachen ziemlich schnell wieder. Spätestens, als es an der Zeit ist, nach draußen zu gehen, um uns am vereinbarten Sammelpunkt für die Fahrt zur Kirche zu treffen, bin ich wieder ganz das nervöse Nervenbündel an Meilos Seite.

"Die Hunde sind hinten im Haus!", ruft Meilo in den Flur.

"Danke!", dröhnt Eberhards Stimme von irgendwo her.

"Wir gehen schon mal! Bis nachher nach der Kirche!"

"Ist gut!"

"Dann mal los", treibt mich mein Schatz voran und hält mir die Hand hin. Ich schließe meinen Mantel, ehe ich sie ergreife und halte sie so fest, als ob mein Leben davon abhinge. "Auf in den Kampf!" Muss er sowas sagen?!

Schweigend laufen wir den Weg, der zum Hotel führt, entlang. Wir sind noch nicht mal in dessen Nähe, da kann man schon laute Stimmen und Lachen hören. "Wie viele Leute sind da?", frage ich Meilo.

"So genau weiß ich das gar nicht. Meine Familie, und ich schätze auch viele Freunde von meinen Eltern, die von Außerhalb kommen. Ich glaube, die Nachbarn fahren auch mit."

"Hier gibt's Nachbarn?"

"Ja. So circa zweihundert Meter in diese Richtung stehen zwei Häuschen. Familie Bremers und Familie Stock. Sie sind eng mit meinen Eltern befreundet." Noch mehr fremde Menschen, die mich aufmerksam mustern werden. Meine Hand um Meilos verkrampft richtig. Wäre es doch nur schon vorbei!

Als wir in Sichtweite kommen, bekomme ich einen riesigen Schrecken. Sind das viele Leute! Ich zähle an die vierzig Personen. Ein bunt gewürfelter Haufen an Frauen und Männern, Jung und Alt, Kinder und Erwachsene. Sie stehen in kleinen Grüppchen, unterhalten sich und scheinen sich alle prächtig zu verstehen. Ich komme mir vor, wie bei meiner Einschulung, und wie damals, halte ich mich verzweifelt an dem Menschen fest, den ich liebe und der mir als einziger vertraut ist.

Auf einmal ruft jemand Meilos Namen. Wir wurden entdeckt. Meilo winkt der rufenden Person zu. Eine Frau. Ich schätze sie auf Mitte vierzig. Sie ist elegant gekleidet, und ungeachtet der Kälte, auch ziemlich spärlich. In diesen Strumpfhosen friert man doch mit Sicherheit wie Sau!

Sie lässt den Mann, mit dem sie sich unterhalten hat, stehen, und läuft auf uns zu. Meine Hand wird losgelassen. Leichte Panik steigt in mir auf. Ich versuche mich zu beruhigen, schließlich ist Meilo noch immer neben mir, und löst sich nicht einfach in Luft auf, nur weil er meine Hand nicht mehr hält, und versuche, ein freundliches Gesicht aufzusetzen.

"Wie lange ist es her?", fragt die Frau ihn und drückt ihn fest. "Mensch! Du siehst total gut aus! Richtig verändert!"

"Tue ich das?", fragt Meilo sie.

"Oh ja. Und ich glaube, ich kenne den Grund." Plötzlich schaut sie mich an, löst sich von Meilo und streckt mir die Hand hin. "Ich bin Gwen. Meilos Tante." Ah. Das ist also die Halbschwester von Meilos Vater.

"Ich bin Niclas", stelle ich mich ihr vor. "Meilos Freund." War das jetzt unnötig, es zu erwähnen?

"Ist schwer zu übersehen gewesen", grinst sie. "Kommt ihr mit rüber? Dann kann ich vor den anderen angeben, dass ich dich zuerst entdeckt habe." Sie lacht und gesellt sich neben mich, als wir weitergehen. "Wie lange seit ihr schon zusammen, wenn ich fragen darf?"

"Seit etwas mehr als vier Monaten. Kennengelernt haben wir uns aber schon einen Monat vorher", sagt Meilo. Ich rechne kurz nach. Das stimmt sogar. Mit Daten kennt sich Meilo echt hervorragend aus. Oller Angeber. Ich kann froh sein, wenn ich mir meinen eigenen Geburtstag merken kann.

"Das heißt, ihr feiert bald euer halbjähriges. Meinen Glückwunsch." Sie lächelt uns freundlich an. Bald ein halbes Jahr. Wie die Zeit vergeht. Ich wünschte, sie würde jetzt genauso schnell vergehen. Dann hätte ich das ganze Vorstellungs-Prozedere hinter mir. Aber nun gut. Es lässt sich nicht ändern, und wenn alle so freundlich sind wie Gwen, will ich mich gar nicht beschweren. Augen zu und durch.

"Carl? Schau mal, wen ich hier habe!", ruft Gwen in die Gruppe. Ein Mann mit schütterem, braunen Haar dreht sich um. Das muss ja dann Carl sein, Gwens Ehemann.

Er sieht uns erst leicht ausdruckslos an, dann breitet sich ein freundliches Lächeln auf seinen Mundwinkeln aus. "Meilo! ... Kinder schaut mal. Meilo ist da." Aus dem Wust aus Menschen löst sich eine kleine Schar Kinder. Alle Altersgruppen sind vertreten. Von einem mürrischen Teenager bis zum plärrenden Kleinkind, das von einem Jungen, den ich auf zwölf, dreizehn schätze, an der Hand gehalten wird.

"Na ihr?", lacht Meilo und fängt ein kleines Mädchen auf, das auf ihn zugerannt kommt. "Helena! Was bist du schwer geworden", kichert er.

"Gar nich", motzt die Kleine, die bestimmt noch keine sechs Jahre jung ist, und zieht eine beleidigte Gusche. "Wer issn das da?" Ihr kleiner Mädchenfinger zeigt auf mich.

"Das ist mein Freund. Niclas. Sagst du ihm hallo?" Vehementes Kopfschütteln.

Gwen seufzt. "Sie hat Angst vor Leuten, die sie noch nicht kennt", erklärt sie. Willkommen im Club, Helena.

Carl kommt hinzu, begleitet von den anderen vier Kindern. Das Jüngste hält nun er auf dem Arm. Er begrüßt zuerst Meilo, dann stellen wir uns einander vor. Die Kinder sind, bei der Jüngsten angefangen, Pauline, Helena, Emil, Torben und Jan. Jan ist der mürrische Teen, der mit Kopfhörern im Ohr und verschränkten Armen dasteht, als ginge ihn das alles hier nichts an. Er hat lediglich ein Kopfnicken für mich über. Seis drum. Mit mürrischen pubertären Gören kenne ich mich aus. Am besten in Ruhe lassen, solange sie einen selbst in Ruhe lassen.
 

Nach dieser eher ruhigen Phase des Kennenlernens, stürmen plötzlich alle möglichen Leute auf mich ein. Ich habe gar keine Zeit, mir groß Gedanken darüber zu machen, schüttele Hände, bekomme Namen und Familienangehörigkeiten um die Ohren geschmissen, lächle und sage meinen Namen so oft, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Familie, Freunde, Nachbarn. Der Wahnsinn, wie viele Leute das sind! Und das sollen noch nicht mal alle sein. Das wird heute Abend bestimmt voll im Gewächshaus.

Wenigstens scheinen alle nett zu sein und haben keine Vorurteile gegenüber dem schwulen Pärchen, oder sie zeigen es nicht offen, wie eine gewisse Tante meinerseits. Wie auch immer, ich bin froh, als der erste Ansturm auf meine Person vorerst vorbei ist. Meilo kommt dagegen nicht so leicht weg. Er ist begehrter als eine Weihnachtsgans am Heilig Abend.

Umarmungen hier, freudige Rufe dort, Küsschen hier und da. Mir schwirrt der Kopf bei so vielen neuen Eindrücken und Namen, sodass ich mir ein ruhiges Plätzchen suche, um mal durchatmen zu können.

An einen Baum gelehnt, der keine fünf Meter von dem Begrüßungsspektakel entfernt steht, finde ich dieses Ruheplätzchen. Zur Tarnung tippe ich wahllos auf meinem Handy herum. "Ganz schön viel auf einmal, was?" Ich erschrecke furchtbar. Rechts, schräg hinter mir, taucht ein großer, schmaler Kerl auf. Blondes Haar, Sommersprossen. Wo kommt der denn auf einmal her? "Oh. Hab ich dich erschreckt?"

"Hast du", antworte ich und hole tief Luft.

"Das tut mir leid. Das wollte ich nicht."

"Schon gut", winke ich ab.

"Du bist also Meilos Partner, wie ich mitbekommen habe", sagt er grinsend und stellt sich neben mich.

"Ja, der bin ich. Niclas." Ich strecke ihm die Hand entgegen.

"Thomas", stellt er sich mir vor. "Ich bin mit Gerhard hier." Gerhard ... Gerhard ... Ah ja! Jetzt weiß ich es wieder.

"Dann bist du der Partner von dem Enkel des Großonkels von Meilo", erinnere ich mich an die ganzen Erklärungen, die mir Meilo heute Morgen versucht hat, noch schnell einzubläuen.

Thomas runzelt die Stirn, scheint selbst nachzudenken, nickt dann aber. "Ich glaube, das war richtig", lacht er. "Meist blicke ich selbst noch nicht ganz durch, bei dem ganzen Verwandtschaftsdurcheinander."

"Da bin ich aber froh, dass es nicht nur mir so geht." Dieser Thomas scheint wirklich in Ordnung zu sein.

"Komm mit. Dort hinten kommt meine bessere Hälfte. Denn musst du unbedingt kennenlernen", grinst er und winkt mich hinter sich her.

"Auf einen mehr oder weniger kommt es heute auch nicht mehr an", scherze ich und folge ihm.

"Oh da kommen noch mehr", meint Thomas beschwörend.

"Das habe ich mir schon gedacht, aber so viele können das doch nicht mehr werden, oder?"

"Das glaubst auch nur du. Da kommen noch viel mehr", sagt er. "Keine Angst, das Gröbste, sprich die Familie, hast du hinter dir. Es kommen nur noch Freunde von Doro und Eberhard. Auch ein paar Stammgäste des Hotels."

"Dann bin ich aber beruhigt", erwidere ich, da steht auch schon Gerhard vor uns.

"Gerhard? Darf ich dir Niclas vorstellen? Meilos Partner."

Gerhard ist etwas kleiner als Thomas, aber genauso schmal. Auch er hat blondes Haar, doch es ist dunkler als das seines Partners. "Meilos Freund?", fragt er aufgeregt. "Jetzt sag nicht, Meilo ist wieder vergeben?"

"Doch ist er", lache ich, weil Gerhard trotz des eleganten Anzugs und dem langen Trenchcoat darüber, sich anhört, wie das schwule Klischee schlechthin. Ich sehe ihn richtig vor mir, wie er ansonsten in den grellsten Klamotten durch die Gegend spaziert.

"Hach wie toll! Das freut mich aber!", ruft er. "Unser Kleiner ist endlich wieder unter der Haube!" Unser Kleiner? Meilo ist mindestens einen Kopf größer als er. "Komm her und lass dich drücken!" Öhm ... Zwar hat mich Gerhard vorgewarnt, dennoch presst mir die Heftigkeit seiner Umarmung die Luft aus den Lungen. Hat der eine Kraft! Das meint man gar nicht.

"Ist ja mal gut jetzt", kichert Thomas. "Mach ihn nicht kaputt."

"Genau. Sonst bekommt du ein Problem mit mir." Meilo! Gott sei Dank!

Ich werde wieder losgelassen. Ein mir vertrauter und höchst willkommener Arm legt sich um meine Taille. Viel besser.

"Hallo Meilo, mein Lieber!", flötet Gerhard. Jetzt darf Meilo sich den Rücken brechen lassen. Gerhard scheint ein sehr geselliger Typ zu sein. Küsschen rechts, Küsschen links. Thomas ist dagegen nicht so stürmisch, tätschelt Meilo zur Begrüßung lediglich den Rücken. "Wieso sagst du denn nichts? Kaum zu fassen, dass du wieder unter der Haube bist!", fragt Gerhard ihn. "Und dann auch noch mit so einem Schnuckelchen!" Oh bitte nicht! Bitte nicht dieser alberne Kosename!* Nicht, dass Meilo ihn sich noch merkt.

"Ich wollte ihn eben noch eine Zeitlang nur für mich haben", gluckst Meilo und tupft mir einen Kuss auf die Schläfe. Ich lehne mich noch dichter an ihn ran. Mehr davon!

"Das sieht dir ähnlich", schnaubt Gerhard, lächelt jedoch.

"Ey ihr vier Damen! Nicht so lange quasseln, der Bus kommt!" Meint Gwen etwa uns?

"Vier Damen? Ich sehe hier nur eine", sagt Meilo und schielt Gerhard an.

"Und was für eine", erwidert dieser, hebt das Kinn an und stolziert an uns vorbei. Thomas folgt ihm grinsend.

"Jetzt weiß ich, woher du diesen fabelhaften Hüftschwung hast", flüstere ich Meilo zu.

"Ich habe vom Besten gelernt."

"Solange es nur beim Hüftschwung geblieben ist ..." Meilo lacht leise und nimmt wieder meine Hand, ehe wir den beiden hinterherlaufen und uns zu den anderen gesellen, die schon vor dem Bus Schlangestehen.

Dann kann die Klassenfahrt ja losgehen.
 

***
 

Wie lange war ich schon in keiner Kirche mehr? Keine Ahnung. Als ungetaufter Bengel war ich noch nie besonders oft in so einem Gebäude. Dennoch ist es recht schön und die Atmosphäre ist auch entspannter, als vermutet. Ich meine, als schwules Paar händchenhaltend auf einer Kirchbank zu sitzen, und sich dabei nicht den Zorn aller Anwesenden einzuhandeln, hat schon was arg Entspannendes, finde ich.

Die Kirche ist bis zum Anschlag gefüllt. Eine Menge Leute sind zur Feier gekommen. Als wir mit dem Bus hier angekommen sind (die Busfahrt war tatsächlich wie eine Klassenfahrt. Alle riefen wild durcheinander, lachten und sangen sogar ein paar Kinderlieder, was die Kleineren unter ihnen begeistert lachen ließ), war die Kirche schon halb gefüllt. Meilo schien jeden von ihnen zu kennen, grüßte freundlich, lächelte und winkte. Ich bliebt brav neben ihm, zerquetschte seine Hand, bis wir an unserem Platz angekommen waren. Als direkte Angehörige durften wir ganz vorn Platz nehmen. Na ja, ich sitze auch nur hier, weil Meilo eben jeder direkter Angehörige ist. Ob das nun ein Vorteil ist, oder nicht, dessen bin ich mir noch nicht ganz sicher.

An und für sich, ist die Messe ganz schön und auch relativ modern gehalten, obwohl ich da beileibe kein Vollprofi bin. Doch der Pfarrer scheint ganz locker zu sein, und das färbt auch auf die Messe ab. So ganz kann ich dem vor uns zwar nicht folgen, aber ich schätze mal, dass alles wie gewünscht abläuft. Meilo lächelt die ganze Zeit über, schießt hin und wieder ganz dezent ein paar Fotos und wirkt richtig happy. Sein Daumen streichelt unaufhörlich über meinen Handrücken. Ich wüsste zu gern, was in seinem Kopf vorgeht.
 

Als die Messe schließlich vorbei ist, stehen wir alle auf dem Platz vor der Kirche. Meilo ist davon gedampft und knipst noch mehr Fotos. Auf Geheiß seiner Eltern hin, werden alle Gratulanten bildlich festgehalten. Doppelt hält anscheinend besser, da auch ein extra angeheuerter Fotograf hier herumschwirrt.

"Na? Am Pläne schmieden?"

"Was?" Ich drehe mich um. Schon wieder steht Thomas hinter mir. "Was für Pläne?", frage ich nochmal nach.

"Heiratspläne."

"Wie bitte?! Im Leben nicht!" Das zuvor gezeigte Grinsen in Thomas Gesicht verschwindet. Meine Reaktion war wohl ein klein wenig zu heftig. "Ich ... ich hab nicht vor zu heiraten", erkläre ich daher bemüht ruhiger.

"Schon gut. War ja bloß eine Frage." Thomas hebt entwaffnend die Hände.

"Ich meine, Meilo und ich sind ja auch noch nicht so lange zusammen, also stellt sich die Frage noch gar nicht." Warum habe ich das dumme Gefühl, mich gerade um Kopf und Kragen zu reden? "Seid ihr denn verheiratet?", weiche ich unelegant aus.

"Noch nicht, aber verlobt. Seit drei Monaten."

"Oh. Meinen Glückwunsch." Kein Wunder, dass Thomas so geguckt hat, nachdem ich so abwehrend auf das Thema Hochzeit reagiert habe. Für ihn ist das sicherlich das größte Glück überhaupt, während es für mich einfach nicht mal der Rede wert ist. Dieses ganze Verpartnerungszeug ist für mich nichts Halbes und nichts Ganzes. Klar, es ist ein großer Schritt zur Gleichberechtigung für uns gewesen, aber trotzdem haben wir immer noch nicht die gleichen Rechte wie ein 'normales' Paar. Wenn ich schon irgendwann einmal den Bund fürs Leben schließen werde, dann möchte ich das voll und ganz. Mit allen Rechten und Pflichten, und nicht anders.

"Wir haben zwar noch keinen konkreten Termin, aber du bist natürlich auch herzlich eingeladen."

"Oh, wie schön. Danke." Bei einer Silberhochzeit gleich zur nächsten Hochzeit eingeladen zu werden, passiert mir auch nicht alle Tage. "Irgendwelche speziellen Hochzeitswünsche?" Gleich mal fragen, bevor ich wieder kopflos auf der Suche nach einem Geschenk bin.

"Bis jetzt noch nicht. Wir sind uns noch nicht einig, welche Art von Hochzeit wir feiern wollen. Weißt du, da gibt es so viele Möglichkeiten!"

"Ach echt?"

"Ja!" Und schon geht es los. Niclas Ittninger in der Hochzeitshölle.

Thomas erzählt von allen möglichen Hochzeitsfeiern, von traditionellen, sowie von welchen, die abgedrehter nicht sein könnten. "Eine Feier im kleinen Kreis wäre mir auch recht. Mitten in der Natur zum Beispiel, aber ich fürchte, dann gäbe es nur Zank, wen wir einladen, und wen nicht. Ganz zu schweigen von den Leuten, die wir nicht einladen, die dann sehr wahrscheinlich sauer werden." Und so weiter und so fort. "Eine schwierige Angelegenheit, eine Hochzeit zu planen, kann ich dir sagen." Thomas seufzt.

"Finde ich nicht. Ich wüsste schon, wie meine perfekte Hochzeit auszusehen hätte", höre ich jemanden hinter mir sagen. Und zwar einen ganz bestimmten jemand. Meilo!

Ich erstarre zur Salzsäule, während er mir locker den Arm um die Schultern legt. "Konntet ihr euch noch immer nicht einigen?", fragt er Thomas, der daraufhin wieder munter los plaudert.
 

Ich höre gar nicht zu, denn in Gedanken bin ich mit was ganz anderem beschäftigt. Meilo weiß, wie seine perfekte Hochzeit aussehen würde? Heißt das, er ... Unmöglich! Das kann er doch nicht wollen!

Und wenn doch? Was, wenn er eines Tages mit einem Ring in der Hand vor mir kniet und mir die Frage aller Fragen stellt? Was tue ich dann? Plant er so etwas in der Richtung etwa schon? Nach Eigenheim folgt die Hochzeit, oder wie?

Mein Brustkorb zieht sich zusammen. Das kann er nicht wollen! Doch nicht jetzt schon! Nach nur fünf Monaten! "Oder Nic?"

"Äh was?" Ich war so abwesend, dass ich gar nichts vom Gespräch zwischen Meilo und Thomas mitbekommen habe.

"Ich finde, eine kleine Hochzeit hat auch was für sich. Man muss ja nicht gleich alle Verwandten und Freunde einladen."

"Ja ... Kann sein." Ich zucke unbeholfen mit den Schultern. "Hab mir noch nie über sowas Gedanken gemacht." Fast reuevoll blicke ich in Meilos Augen. Bitte sag irgendwas! Sag, dass du erst vor hast zu heiraten, wenn du alt und grau bist!

"Ich stelle es mir einfach romantisch vor, nur man selbst mit seinem Liebsten, den Standesbeamten und den Trauzeugen. Nichts Großes, nur das was zählt: Die Liebe und Verbundenheit, die man füreinander empfindet." Meilos grüne Augen strahlen.

Oh Shit! Shit, Shit, Shit!

"Hm ... so wie das jetzt formuliert hast ... Ich muss nochmal mit Gerhard reden", lacht Thomas und sucht gleich darauf seinen Partner. Und ich stehe noch immer wie eine Statur aus Granit an Meilos Seite.

Ich hole tief Luft und schlucke den aufkommenden Klos in meinem Hals runter. Hochzeit ist ein Thema, das wir noch kein einziges Mal miteinander auch nur ansatzweise besprochen haben. Wieso auch, nach fünf Monaten Beziehung? Dazu ist es doch auch noch viel zu früh, nicht? Doch sieht Meilo das auch so? Am besten, wir klären das gleich hier und jetzt, oder? Inmitten von Meilos Familie und Freunden ... "Alles klar Nic?" Meilo mustert mich teils amüsiert, teils fragend.

"Ja! Natürlich." Ich kann das jetzt nicht klären. Auf keinen Fall! "Die Kirche war schön", plaudere ich einfach drauf los und versuche mich zu entspannen.

"Nicht wahr? Meine Eltern sahen so glücklich aus. Wie auf den Fotos vor fünfundzwanzig Jahren." Und wieder strahlt Meilo wie eine ganze Legion Atomkraftwerke. Normal liebe ich es, wenn Meilo mich so glücklich anlächelt, doch in diesem Moment macht es mir nur Angst. Angst und ein schlechtes Gewissen. Wir müssen das klären ... Irgendwann ... Bald ... In naher Zukunft ... 'Bevor wir das Gebot für das Haus abgeben', schießt es mir durch den Kopf.

"Ich mache noch ein paar Fotos. Willst du mitkommen?"

"Ich komme nach", sage ich, erwidere Meilos flüchtigen Kuss und gerate leicht ins Schwanken, als er mich loslässt und wieder davonhuscht.

Das Gebot für das Häuschen. Bis dahin ist es nicht mehr lange. 'Im Januar wird es ein halbes Jahr'

'Falls Sie an der Immobilie interessiert sind, müssen Sie bis zum elften Januar ein höheres Gebot abgeben.'

Ironie des Schicksals, dass das Gebot genau an dem Tag endet, an dem wir uns seit fast genau einem halben Jahr kennen? Plötzlich fühlt sich dieses Datum wie ein Ablaufdatum an. Ein Datum, an dem ich mit Meilo alles Wichtige geklärt haben muss. An dem große Entscheidungen getroffen werden und an dem wir, möglicherweise, zu Hausbesitzern werden. Ja gut, eigentlich wird nur Meilo zum Hausbesitzer, aber vom Gefühl her kaufen wir es gemeinsam, gemeinsam für uns, und wenn wir es kaufen, und Meilo mir irgendwann, vielleicht, einen Antrag macht, was dann? Will ich das? Und wenn nicht, trennt sich Meilo dann von mir? ... Oh Gott! Bitte nicht!

In meinem Kopf summt es. Die lauten Stimmen um mich herum machen es mir unmöglich, auch nur einen weiteren, klaren Gedanken zu fassen. Ich muss einen ruhigen Ort suchen. Ich muss nachdenken, weshalb ich mich davonschleiche und außen am langen Schiff der Kirche entlanggehe. Dort steht eine der Seitentüren offen. Neugierig spähe ich hinein. Alles leer, also schlüpfe ich hinein und lasse mich seufzend auf die nächstgelegene Bank fallen. Ruhe. Genau das, was ich brauche.
 

Ich lehne mich vor, stütze die Ellenbogen auf meine Oberschenkel und reibe mir mit beiden Händen über das Gesicht.

Wieso muss jetzt wieder alles so kompliziert sein? Oder ist es das gar nicht? Spiele ich nur verrückt, weil die letzten beiden Tage über meine Nerven quasi blank lagen? Rede ich mir hier Dinge ein, genauso, wie es Meilo manchmal tut, wenn er mal wieder zu viel Zeit zum Nachdenken hat?

Laut pustend lehne ich mich auf der knarrenden Kirchenbank zurück und starre nach vorn zum Altar. Unwillkürlich stelle ich mir die Frage, wie wir beide da vorn wohl aussehen würden, beziehungsweise, generell vor einem Traualtar.

Nach einer Weile des Vorstellens wird mir klar, was mir schon vorher klar war: Ich brauche das nicht. Das heißt nicht, dass ich es generell ablehne, aber es für mich halt keine Notwendigkeit zu heiraten. Da mir schon früh klar war, dass ich schwul bin, war die Frage nach einer Heirat für mich längst geklärt. Selbst meine Mutter mit ihrem schwulen Tortenplastikpärchen hat nichts daran geändert. Doch wenn, also ich meine, falls, irgendwann einmal, in ferner, ferner Zukunft, wenn der Begriff Homo-Ehe einfach nur noch Ehe heißt, so, wie es das auch sollte, dann eventuell, könnte ich es mir vorstellen. Aber auch nur, wenn Meilo dann neben mir steht.

Ich senke den Kopf und spüre, wie meine Mundwinkel nach oben zucken. Meine Mutter wurde schier ausflippen, wenn sie um meine jetzigen Gedanken wüsste. Wahrscheinlich würde sie sofort das Aufgebot bestellen. Geht das eigentlich als Brautmutter? Moment mal! Das heißt doch nicht Brautmutter! Bräutigamsmutter? Wenn schon, dann eher Mutter des Bräutigams, oder?

"Nic?" Aus meinem kleinen Lächeln wird ein Großes.

"Hier Meilo!" Hört sich richtig sexy an, wie unsere Stimmen durch die leere Kirche hallen.

"Ich habe dich schon überall gesucht!", motzt mein Schatz. "Wieso sitzt du hier drinnen?"

"Hab nachgedacht", sage ich wahrheitsgemäß.

"Nachgedacht? Worüber?" Soll ich es ihm sagen?

"Ist dir schon aufgefallen, dass die Frist für das Gebot des Hauses fast genau auf das Datum unseres halbjährigen Kennenlernens zusammenfällt?"

"Ach? Wirklich?"

Ich fange laut an zu lachen. Darf man das in einer Kirche? "Das ist dir noch nicht aufgefallen?" Meilo verneint. "Der König der Daten und Jahrestage hat mal etwas nicht gewusst. Wunder geschehen doch immer wieder!"

Mit gerunzelter Stirn lässt sich Meilo neben mich fallen. "Was ist denn mit dir los?", fragt er mich.

"Nichts", gluckse ich und schwinge mich auf seinen Schoß. Ja, motzt nur, dass man sowas in einer Kirche nicht macht. Mir doch egal! "Ich liebe dich Meilo Haug." Leise hallt meine Stimme von den Wänden.

Ein Lächeln umspielt Meilos Mundwinkel. "Ich dich auch, Niclas Ittninger."

"Ich will für immer bei dir sein." Ich sehe, wie sich seine Augenbrauen für eine Millisekunde verwirrt zusammenziehen.

"Was wird das?", will er wissen. "Ein Eheversprechen? Du weißt, dass das ohne einen Pfarrer in einer Kirche nicht funktioniert."

"Das interessiert mich nicht", winke ich ab. "Es muss ja nicht vor der Kirche funktionieren, sondern vor dir."

"Tut es", bestätigt er grinsend. Ich muss ihn einfach küssen!

"Mit einem Kuss besiegelt", flüstere ich gegen seine Lippen.

"Was will man mehr?" Gute Frage.

Ich schaue rüber zum Seiteneingang, doch niemand in Sicht. Ich bleibe deshalb weiterhin auf Meilos Schoß sitzen, und lehne meine Stirn gegen seine. "Kann ich dich was fragen, ohne, dass du da zu viel hineininterpretierst, oder gar sauer wirst?"

"Kommt ganz auf die Frage an", lacht er.

"Ich meine es ernst!"

"Ich auch." Ich seufze und verdrehe die Augen. "Schon gut, schon gut", sagt er entwaffnend. "Frag mich. Ich werde nicht sauer oder interpretiere zu viel hinein."

"Schwöre es!"

"Ich schwöre." Fein. Dann glauben wir ihm das mal und hoffen das Beste.

Ich suche mit meinen Händen nach seinen, die praktischerweise in Griffweite auf meinen Oberschenkeln liegen, und schiebe meine Handflächen unter seine. "Ohne, dass du mich jetzt missverstehst, aber ... Hast du wirklich vor ... in der Zukunft ... eventuell ..."

"Zu heiraten", beendet Meilo mein Henning-Gestottere. Unsicher sehe ich ihn an und nicke schwach. "Darüber hast dir eben die ganze Zeit über Gedanken gemacht?" Wieder nicke ich. "Oh Nic! Natürlich möchte ich heiraten!" ... WAS?! "Aber nicht heute und nicht morgen. Übermorgen auch noch nicht, aber später, wenn wir länger zusammen sind, warum nicht?" Er zuckt mit den Schultern.

Mein Herz klopft unnatürlich schnell. Was soll ich darauf antworten? "Und wenn ich nein sage?", bricht es aus mir heraus.

"Dann warte ich ab, und frage dich ein anderes Mal noch einmal. So lange, bis du ja sagst", sagt er, lächelt mich dabei verliebt an und stupst mit seiner Nase gegen meine. "Hauptsache, wir sind zusammen. Ob verheiratet, oder in wilder Ehe." Glücklich falle ich ihm um den Hals. Das nimmt mir wirklich den zuvor aufgebauten Druck.

"Eins verspreche ich dir", sage ich zu ihm und drücke meine Nase in seinen Nacken. "Falls ich jemals in meinem Leben heiraten werde, dann nur dich."

Meilo lacht leise. "Das will ich doch auch schwer hoffen!"

"Ernsthaft! Lach nicht!"

"Tue ich gar nicht." Von wegen!

Ich lehne mich zurück und mustere Meilos Gesicht. Seine Augen leuchten amüsiert, und er versucht wahrhaftig nicht mehr zu lachen. "Aber unter einer Bedingung", fahre ich fort. "Das tun wir erst, wenn wir auch richtig heiraten können."

"Richtig?"

"Ja. Keine Verpartnerung. Wenn schon, dann ziehen wir das richtig durch."

"Das heißt, sobald die Homoehe gleichgestellt ist, heiratest du mich?"

"Ja", sage ich, beiße mir dann allerdings auf die Unterlippe. War das eben ein Eheversprechen? Eigentlich nicht. Meilo hat mir ja keinen Ehering angesteckt.

"Fein. Ich nehme dich beim Wort", kichert mein Schatz und zieht mich für einen Kuss zu sich heran. Meilo scheint das doch etwas ernster zu nehmen, als gedacht. Was habe ich mir denn nun schon wieder eingebrockt? Wenn das meine Mutter erfährt!**

Wir bleiben noch eine Weile lang in der Kirche sitzen. Ich weiterhin auf Meilos Schoß, meinen Kopf auf seine Brust gebettet. So gemütlich ... "Du hast wirklich Panik geschoben wegen dem Thema, kann das sein?", fragt er mich leise und streichelt meinen Hinterkopf.

"Und wie!"

"Irgendwie lustig. Wir haben in Sachen Panikschieben mal wieder die Rollen getauscht."

"Mal wieder?", frage ich nach.

"Ich sage nur Homepage und Dementieren." Ah ja. Da war doch was. Die Sache mit dem Post, dass Keith Kandyce in keiner Beziehung ist.

Kichernd löse ich mich ein Stück von ihm. "Erinnere mich bloß nicht daran!" Ich hatte wirklich Panik geschoben an diesem furchtbaren Tag. "Eigentlich stehe ich ja total auf Rollentausch, aber Panikschieben ist so gar nicht mein Fall."

"Auf was für einen Rollentausch stehst du denn sonst?"

"Das weißt du genau", raune ich ihm zu und beiße ihm leicht in den Hals.

"Oh du böser Junge. Und das in einer Kirche", schmunzelt Meilo.

Wie gesagt: Ist mir vollkommen egal!
 

******
 


 

* Theo: Was hatt'n der für'n Problem? Schnuckel ist doch ein sehr schöner Kosename.

Matthi: Genau!

Nic: Wer seid'n ihr? Kennen wir uns? Oo

Fara: Wer Theo nicht kennt, hat die Welt verpennt

Matthi: Genau!

Theo: Oó

Nic: Wer ist Theo? … Hallo? Würde mich mal jemand aufklären?

Meilo: Das ist einer der Typen aus dem Velvet.

Nic: Ach?

Meilo: Jepp.

Nic: Dann kann es ja nur ein Idiot sein.

Theo: ÒÓ WAS?

Fara: Ruhig Theo! Schön ruhig! … Matthi! Hol Theo hier weg! Ich will Nic noch an einem Stück durch die Story bekommen!

Matthi: ^^“ Oky. Komm Theo. Wir gehen in der Wanne planschen.

Fara: Och. Da komm ich mit. *Laptop schnapp und flitz* Verdammt! Zu spät. Die haben mir Tür vor der Nase zugeschlagen. Olle Spielverderber!
 

** Hehe. Hoffen wir mal, das bei Nic und Meilo bald die Hochzeitsglocken läuten. Und nicht nur für sie. ;-)

Love bite 49 - Eifersuchtsgetue

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 49 - Eifersuchtsgetue (Ohne Adult)

Hey ^^

Ich hoffe, ihr hattet heute alle einen schönen ruhigen Tag.

So. Für alle, die sich Gedanken um Nics Eifersuchtsattacken gemacht haben, kann ich schon mal verraten, in diesem Kapitel wird es auch nicht besser xD

Nein, mal im Ernst. Hier geht es zwar gleich heiß her, aber keine Panik. Nic wird geheilt. *lach*

Viel mehr will ich jetzt aber nicht verraten. Lest einfach selbst nach, was passiert ^^
 


 

Love bite 49 - Eifersuchtsgetue (Ohne Adult)
 

Es hat mir regelrecht die Sprache verschlagen, als wir das Gewächshaus betreten haben. Die Solarfackeln, die Klaus gestern erwähnt hatte, wirken unglaublich schön, und weisen einem dem Weg zur Lichtung, die noch größer geworden zu sein scheint. Die weißen, verschnörkelten Eisentische sind mit je einem hohen Glas bestückt, das mit Blumen und einer dicken Kerze, die in der Mitte in einem zweiten Glas steht, dekoriert sind. Überall stehen Amphoren, die ebenfalls mit Frischblumen ausgesteckt sind, und um den Wasserfall herum stehen lauter kleinere Gläser, in denen ebenfalls Kerzen flackern. Ich muss sagen, mich hat es echt aus den Latschen gehauen. Es sieht unglaublich schön aus. Hochzeit eben.
 

Inzwischen haben alle einen Sitzplatz gefunden. Meilo und ich sitzen bei Gwen und ihrem Mann Carl am Tisch. Die Kinder jagen sich laut schreiend gegenseitig durch das Gewächshaus, bis auf den dauer-mürrischen Jan. Der hat sich in eine Ecke verzogen und hört seine Musik, und die kleine Pauline sitzt auf Gwens Schoß und quietscht immer wieder vergnügt, wenn ich für sie heimlich Grimassen schneide. "Das ist so wunderschön", haucht Gwen. "Mach ja viele Bilder Carl! Hörst du?"

"Bin schon dabei", sagt Carl und lässt sein Handy langsam über die Szenerie schwenken.

Ich folge seinem Beispiel und schaue mich abermals um. Vorn tauchen schon wieder neue Gäste auf. "Bin mal schnell Fotos machen", sagt Meilo und steht auf, um die Neuankömmlinge beim Gratulieren festzuhalten. Ich frage mich, warum er nicht gleich bei seinen Eltern stehen bleibt. Wäre doch praktischer. Sicher möchte er nicht, dass ich hier allein herumhocke, doch darum muss er sich keine Gedanken mehr machen. Mit Gwen und Carl verstehe ich mich blendend. Wir haben uns vorhin schon eine Weile lang miteinander unterhalten. Ich kann verstehen, warum Gwen Meilos Lieblingstante ist. Sie ist witzig und gut drauf, und das, obwohl sie ihre Kinder immer wieder ermahnen muss, doch mal etwas ruhiger zu sein.

"Ich frage mich, wann es Essen gibt", brummt Carl. "Hab ich einen Hunger!"

Gwen verdreht die Augen. "Du mal wieder. Es gibt sicher bald was."

"Hoffentlich", schmollt Carl und spielt mit dem Besteck vor sich.

"Es scheinen immer noch nicht alle da zu sein", überlege ich laut. "Vorher wird es wohl nichts geben." Carl sackt in sich zusammen.

"Ich habe eine Banane in Paulines Täschchen. Möchtest du die?", fragt Gwen ihren Mann.

"Eine Banane? Und die soll ich hier vor allen Leuten essen?"

"Na dann eben nicht! Dann motz aber auch nicht, dass du Hunger hast." Ich grinse in mich hinein. Die zwei sind manchmal wirklich zu lustig anzuschauen, wie sie miteinander umgehen. Keineswegs böse oder genervt vom anderen, viel mehr liebevoll ruppig.

Ich höre den beiden noch ein wenig zu, dann wird meine Aufmerksamkeit von etwas anderem angezogen. Vorn höre ich, wie Meilo einen lauten Freudenruf ausstößt. Interessiert suche ich ihn, und finde ihn prompt. In den armen eines anderen Kerls.

Irritiert verfolge ich das Geschehen. "Ach wie schön!", sagt Gwen. "Jeff ist auch da." Jeff? "Kein Wunder, dass sich Meilo so freut." Wer, verflucht nochmal, ist Jeff? Und wieso freut sich Meilo so sehr ihn zu sehen? Meilo strahlt richtig, packt diesen Jeff ständig an und redet angeregt mit ihm.

Meine Unterkiefer pressen sich beinahe schmerzhaft zusammen. Dieser Jeff sieht attraktiv aus, mit seinem rabenschwarzen Haaren, der kräftigen Statur und dem ausgeprägten Kinn. Und dieser schlichte, aber dennoch perfekt sitzende Anzug, steht ihm ausgesprochen gut. Ich hasse ihn auf den ersten Blick.
 

Eilig senke ich den Kopf, mustere die Serviette auf meinem Teller und versuche die aufkommende Eifersucht, die ich bei dem Anblick der beiden spüre, erst gar nicht Gestalt annehmen zu lassen. Schön ruhig bleiben Nic. Keinen Grund zur Sorge, das weißt du doch. Wer auch immer dieser Jeff ist, Meilo ist mit dir zusammen. Wir lieben uns. Jeff ist bestimmt nur ein alter Freund. Ja, genau. Mehr nicht. Keine Panik schieben. Ich bin nicht eifersüchtig!

"Nic?" Meilo steht plötzlich neben mir. Ich schaue auf und starre direkt in das Gesicht dieses Jeffs. Scheiße, der ist wirklich scheiße gutaussehend! "Ich würde dir gern jemanden vorstellen", beginnt Meilo. "Das ist Jeff, mein ältester und bester Freund seit der Grundschule." Sein bester Freund? Wieso beruhigt mich das nicht? Und wieso hat Meilo seinen Arm um ihn gelegt? All meine zuvor gesammelte Ruhe ist dahin. Mein Kampfgeist ist geweckt.

Ich lege mein charmantestes Lächeln auf und richte mich auf. Mit arger Genugtuung bemerke ich, dass dieser Jeff kleiner ist als ich. So kann ich auf ihn herab starren, wenn auch nicht sehr weit runter. "Hallo Jeff", sage ich. "Ich bin Niclas. Meilos Partner."

"Ich weiß", lacht er. "Meilo hat mir schon viel von dir erzählt."

"Hat er das?", frage ich ehrlich erstaunt. "Wann denn?"

"Am Telefon. Er redet seit Monaten nur noch von dir, wenn wir miteinander telefonieren." Die beiden telefonieren miteinander? Und Meilo redet dabei nur von mir? Ich weiß nicht, ob ich mich freuen, oder ärgern soll.

Jeff schnappt sich meine Hand, die ich gerade im Begriff war, ihm darzureichen, und zieht mich an sich. Ich lande hart auf seiner Brust und bekomme den Rücken weichgeklopft. "Endlich lerne ich dich persönlich kennen", sagt Jeff und lässt mich wieder los. "Wir müssen nachher unbedingt einen zusammen trinken, ja?" Ich nicke. Mehr aus Verwirrung, als aus Zustimmung. "Klasse! ... So! Jetzt klappere ich aber mal alle anderen ab." Er lacht einnehmend und läuft um den Tisch, um gleich mit dem Abklappern bei Gwen und ihrem Mann zu beginnen. Jeff kennt Meilos Familie augenscheinlich mehr als gut. Wieder etwas, was mich ärgert.

"Oh. Da kommen noch mehr Gäste. Bin wieder vorn", spricht mein Schatz, küsst mich auf die Wange und saust davon. Und ich? Ich bleibe hier hocken, schaue Meilo nach, dann Jeff, wie er bei jedem, den er hier trifft, eine riesige Welle veranstaltet. Jeder scheint sich tierisch über diesen Typen zu freuen.

Gierig streckt die Eifersucht zum wiederholten Male ihre Fühler nach mir aus. Musste dieser Kerl hier unbedingt auftauchen?
 

***
 

Die Party ist im vollen Gange. Das Essen ist passé, Tanzen und Trinken ist angesagt.

Laut dröhnt Musik aus den Lautsprechern. Eine ganz gute Mischung, muss ich sagen, doch es erhellt mich auch nicht, als We are the champions von Queen anläuft. Jeff sitzt uns gegenüber. Er kam zu uns an den Tisch, ein Tablett voll Gläser mit diesem ekelhaten Jacky Cola Zeugs in der Hand. Die Hälfte ist schon leer, wobei ich gerade mal eins getrunken habe. Meilo langt kräftig zu und unterhält sich angeregt mit Jeff.

"Weißt du noch? Wie wir der alten Schröder neben der Schule den Briefkasten mit Schuhcreme eingeschmiert haben?", lacht Jeff leicht angeheitert.

"Oh ja!", japst Meilo. "Das hatte 'se aber auch verdient."

"Und wie! Bis die das Zeug ab hatte, war sie selbst von oben bis unten vollgeschmiert!"

"Warum hat sie das verdient?", frage ich nach. Irgendwie muss ich mich ja auch an der Unterhaltung beteiligen, wenn ich nicht will, dass ich völlig vergessen werde.

"Sie hat uns immer angepöbelt, wenn wir morgens in die Schule gelaufen sind", erklärt Jeff im verschwörerischen Tonfall. "Wir wären zu laut, und wenn wir nicht ruhig sind, hetzt sie die Polizei auf uns."

Meilo kichert. "Das hat sie bei allen gemacht. Die hat Kinder gehasst!"

"Lebt die eigentlich noch?"

"Glaube nicht", antwortet Meilo auf Jeffs Frage und genehmigt sich noch einen Drink. Ich bekomme ebenfalls einen vor die Nase geschoben. Also gut. Vielleicht kann ich mich so besser ins Gespräch einklinken.

Ich exe das Zeug runter und knalle das Glas lautstark auf den Tisch. "Dein Süßer hat aber einen Zug!", lacht Jeff. Ich grinse ihn süffisant an.

"Ja, saugen kann ich", erwidere ich, noch bevor ich es aufhalten kann.

Meilo fängt an zu husten und lacht stockend. "Und wie er das kann!", gackert er.

"Zu viel Info." Jeff lächelt schmal. "So viel muss ich dann doch nicht über eure Beziehung erfahren." Ach? Fühlt der werte Herr sich unangenehm berührt, wenn ich über unanständige Dinge spreche, die Meilo und ich miteinander tun? Interessant ...

Ich schnappe mir noch eins der Gläser und trinke einen kräftigen Schluck. Eigentlich ist das Zeug gar nicht mein Fall, aber man gewöhnt sich äußerst schnell daran. "Schade", säusle ich und lehne mich vor. "Aber du hast recht. Es macht sowieso viel mehr Spaß es zu tun, als bloß darüber zu reden." Das Glas landet auf den Tisch und ich drehe mich zu Meilo, der zu meiner Rechten sitzt, schiebe ihm meine Hand in den Nacken und ziehe ihn zu mir. Seine Lippen schmecken nach Alkohol und Cola.

Irgendwo in meinem Hinterkopf flüstert ein leises Stimmchen, dass ich damit lieber aufhören sollte, bevor ich noch etwas tue, dass ich später bereue, weil ich schon von den zweieinhalb Gläsern Jacky leicht beschwipst bin, doch ich bringe das Stimmchen zum Schweigen, indem ich mich voll und ganz auf Meilos Zunge konzentriere, die ich versuche in meinen Mund zu locken. Leider beißt Meilo nicht an, sondern löst sich von mir.

Enttäuscht schaue ich ihn an. Er allerdings sieht mich mit seinen leuchtenden Augen verrucht an und leckt sich über die Lippen. "Lecker", haucht Meilo, zwinkert mir zu und wendet sich wieder Jeff zu. Hey! Das gibt's doch nicht! Hallo?!

Eingeschnappt nehme ich wieder mein Glas zur Hand und leere es. Wo bleibt das Nächste?
 

Meilo und Jeff unterhalten sich weiter, quatschen ausgelassen über die Vergangenheit und lachen dabei wie kleine Jungs. Ich versuche mich gar nicht mehr einzuklinken. Hin und wieder lächle ich schmal, wenn Meilo mir versucht, die ein oder andere Begebenheit zu erklären. Mehr aber auch nicht.

In der Zwischenzeit versuche ich unauffällig Jeffs Gesten zu deuten, versuche zu erkennen, ob er in irgendeiner Weise an Meilo interessiert ist, doch nichts dergleichen fällt mir auf. Ich hasse mich selbst dafür, dass ich es tue, aber ich kann nicht anders. Lief da mal was zwischen den beiden? So wie bei Sebastian?

Unwillkürlich muss ich an den Ring denken, den Sebastian trägt. Sofort klebt mein Blick an Jeffs Händen und tatsächlich! Ein Ring! Das muss noch nichts heißen, aber ... "Du bist verheiratet?", frage ich, was nur die Schuld der Drinks ist, aber ich bin froh, dass ich den Mut hatte, und gefragt hab. Alk ist nicht immer schlecht.

"Was?" Jeff schaut mich fragend an. Ich deute auf seine Hand. "Ach ja!", lacht er. "Tut mir leid, aber ich habe mich noch nicht dran gewöhnt."

"Immer noch nicht?", lacht Meilo auf. "Den hast du seit drei Jahren am Finger!" Seit drei Jahren also schon. "Was sagt Lisa dazu?"

"Nichts, wenn du ihr das nicht verrätst." Lisa? Oh ja! Jeff is 'ne Hete! Das wird ja immer besser!

"Sicher nicht", grinst mein Schatz. "Sag mal, warum hast du sie nicht mitgebracht?" Gute Frage. Wäre sie dabei gewesen, hätte ich mir nicht schon wieder so eine Eifersuchtsattacke antun müssen.

"Na ja ... Sie wollte nicht mit. Große Feiern sind im Moment nicht so ihr Ding. Außerdem habe ich mich so auf dich gefreut, da wäre sie nur beleidigt gewesen, wenn ich nur bei dir herumhänge." Lisa, wir beide hätten uns hervorragend verstanden.

"Hat sie noch immer was gegen mich?", möchte Meilo wissen. Oh. Lisa, ich glaube, wir zwei verstehen uns dann doch nicht so gut, wie gedacht.

"Du kennst sie doch. Für sie bist du der Feind." Beide lachen verkniffen.

Das verstehe ich aber nicht. "Hattet ihr mal Stress miteinander?", frage ich Meilo. "Du und Lisa?"

"Wie man es nimmt", antwortet er mir. "Ich bin ihr ein Dorn im Auge, weil ich schwul bin." Ups.

"Sie glaubt, Meilo will mich verführen", gluckst Jeff und nippt an seinem Glas.

"Ach wirklich?", fiepse ich. "Wie kommt sie denn darauf?" Die Antwort darauf interessiert mich brennend.

"Alte Kamelle. Sie misstraut Meilo." Mein Blick wandert von Jeff zu meinem Freund. Er sieht vor sich auf den Tisch und dreht das Glas in seiner Hand im die eigene Achse. Mir wird schwindelig. Nicht wegen dem Alk, sondern weil ich ahne, dass da noch viel mehr dahintersteckt. "Oh", macht Jeff plötzlich und greift sich in die Jackeninnentasche seines Jacketts. "wenn man vom Teufel spricht", grinst er und hebt ab. "Hallo mein Schatz. ... Ja, alles bestens. ... Geht es dir auch gut? ... Wirklich? ... Schön ... Ja, er ist auch hier. Zusammen mit seinem Freund." Jeff leckt sich über die Lippen und sieht uns belustigt an, ehe er aufsteht, und sich einen ruhigeren Platz zum Telefonieren sucht. Meilo und ich bleiben allein am Tisch zurück.
 

Zuerst sagt keiner von uns beiden was, doch dann drehe ich den Kopf zu Meilo, der das bemerkt, und mich ebenfalls anschaut. "Du willst es wissen, hm?", fragt er mich.

"Wenn es dir keine Umstände macht", entgegne ich etwas zu barsch, woran eindeutig der Alkohol schuld ist. Mistzeug!

"Wo soll ich anfangen?"

"Wo du willst."

Er nickt, trinkt einen Schluck und dreht sich zu mir. Den Kopf auf seine Hand gestützt, sieht er mich nachdenklich an. "Ich hatte mal Streit mit Lisa. Als sie erfuhr, dass ich schwul bin, unterstellte sie mir, ich würde ihr Jeff ausspannen wollen. Keine Ahnung, wie sie darauf kam."

"Wann war das?"

"Vor fünf Jahren, als sich die zwei kennenlernten."

"Hm", mache ich und zupfe an meiner benutzten Serviette herum.

"Nic? Über was grübelst du nun schon wieder?"

Ich lasse die Serviette los und zwinge ein Lächeln auf meine Lippen. "Nichts. Der Alkohol macht mir bloß zu schaffen."

"Wirklich?"

"Wirklich", beteuere ich, was aber eine Lüge ist.

Meilo mustert mich, als wüsste er, dass ich lüge, doch dann kommt Jeff wieder und setzt sich seufzend zu uns. "Mann! Ehrlich, ich liebe Lisa, aber manchmal dreht sie wirklich am Rad." Jeff sieht richtig unglücklich aus.

"Wegen mir?", will Meilo von Jeff wissen.

"Ja, auch", seufzt Jeff und hat dabei einen mehr als komischen Blick drauf. "Sie macht sich Gedanken, und dass du einen Kerl hast, glaubt sie mir auch nicht."

"Weißt du was? Mach ein Foto von uns und schicke es ihr. Vielleicht glaubt sie dir dann?" Meilos Arm legt sich um mich.

"Einen Versucht ist es wert", kichert Jeff, zückt abermals sein Handy und hält es auf uns. Ich werde überhaupt nicht gefragt, sondern bekomme abrupt den Mund geplündert. Nach der ersten Schreck- und Ärgersekunde spiele ich mit, umarme Meilo ebenfalls und steige halb auf seinen Schoß. "Ist gut, ist gut!", krächzt Jeff. "Das reicht!" Leicht verlegen rutsche ich zurück auf meinen Platz. "Meine Herrn! Hier sind Kinder anwesend!" Berauscht von dem Kuss, strecke ich Jeff die Zunge raus. "Danke. Zunge hatte ich dank eurer Darbietung eben genug." Ich fange an zu lachen, auch wenn mir gar nicht danach ist. Allerdings hält das nicht lange an.

Meilo und Jeff sind bald wieder in der Vergangenheit vertieft, und ich spiele wieder drittes Rad am Wagen. Zurück auf Anfang.
 

Es ärgert mich. Es wurmt und fuchst mich. Es bringt die Eifersucht zurück.

Immer wieder denke ich an den Satz von Meilo, in dem er behauptete, er habe keine Ahnung, wie Lisa darauf kam, dass er ihr Jeff ausspannen wollte. Wieso glaube ich ihm das nicht? Und wieso habe ich es das Gefühl, dass Meilo mir nicht alles erzählt hat? Meilo hat mir mal erzählt, als Junge hätte er sich in einen seiner Mitschüler verliebt, und da sei ihm langsam bewusst geworden, dass er anders ist, als andere Jungs. War es Jeff? Hat er damals von ihm gesprochen? Und falls ja, was spielt das heute noch für eine Rolle?

Mein Hirn fängt an zu pochen. Zu viel Grübelei für meine jetzigen Verhältnisse. Und ich bin mir fast sicher, dass ich mir all die Fragen gar nicht stellen würde, wäre ich nüchtern.

Ich winke den Kellner heran, und ordere mir ein großes Wasser. Schluss mit Alk. Als der Kellner es mir bringt, trinke ich ein paar Schlucke und habe sofort das Gefühl, wieder etwas klarer denken zu können, aber es hilft immer noch nicht gegen das dumpfe Pochen der Eifersucht in mir. Mein Verstand versucht mir klar zu machen, dass es schwachsinnig ist, eifersüchtig zu sein. Dazu muss ich mir in Meilos Augen sehen, um darüber Gewissheit zu bekommen, trotzdem komme ich nicht dagegen an. Mag sein das der noch immer in mir tobende Alkohol daran Schuld ist, aber ich werde immer rasender.

Jedes Mal, wenn Meilo über etwas lacht, was Jeff gesagt hat, krampft sich mein Herz zusammen. Shit! Ich will das nicht! Ich will nicht so fühlen, aber ich kann es einfach nicht abstellen. "Bin gleich wieder da", sage ich, ungeachtet ihres Gesprächs, und stehe auf.

Meilo sieht mich fragend an, doch ich lächle und deute auf die leeren Gläser vor mir. Er lässt mich gehen, und noch bevor ich vom Tisch weggetreten bin, ist er wieder dabei, sich angeregt mit Jeff zu unterhalten. Irgendwas witziges, denn wieder lachen sie laut.

Ich beeile mich, damit ich wegkomme, bevor ich die Eifersucht mich vollends im Griff hat, und ich was sage, was mir hinterher leid tut.
 

Vorn im Hotel sind die Waschräume der Angestellten für die Gäste geöffnet. Dorthin verziehe ich mich. Ein wenig kaltes Wasser im Gesicht wird mir gut tun.

Am Waschbecken halte ich die Hände unter das kühle nass, lasse es über meine Handgelenke laufen und schaufle mir dann einen Schwall davon ins Gesicht. "Kalt", bibbere ich leise.

"Wir haben auch warmes Wasser", sagt jemand und tritt schräg hinter mir aus der Kabine. Es ist Sebastian, der sich neben mich stellt und sich die Hände wäscht. "Alles klar bei dir?", fragt er.

"Ja. Natürlich."

"Klingt nicht so."

"Euer Barkeeper macht für meine Verhältnisse die Drinks zu stark", schmunzle ich.

"Okay", grinst er. "Ich werde meinem Mann sagen, dass er dir weniger Alkohol in die Getränke mixen soll."

"Deinem Mann?" Erstaunt drehe ich mich zu Sebastian. "Der Barkeeper ist dein Mann?"

"Natürlich. Der schärfste Kerl im Raum, und er gehört zu mir." Lachend wedelt Sebastian mit seiner Hand, die der Ehering ziert.

"Natürlich", grinse ich. "Aber jetzt, wo ich es weiß, werde ich ihn mir mal genauer anschauen müssen."

"Lass das lieber und bleib bei Meilo", schmunzelt er. Meilo ... Er ist gerade mit Jeff zusammen. Was sie wohl tun? ... "Oh, oh. Den Blick kenne ich", holt mich Sebastian aus meinen Überlegungen. "Wie heißt er, und warum denkst du überhaupt an sowas."

"An was?", frage ich ausweichend.

"Das weißt du genau." Verflucht! "Gehe ich recht in der Annahme, dass es um Jeff geht?" Ich knirsche mit den Zähnen und weiche Sebastians prüfenden Blick aus. "Ich habe also recht", schließt er daraus.

"Es ist dumm, ich weiß!", jammere ich. "Aber ich kann nichts dagegen tun. Sie reden und reden und reden, und ich bleibe außen vor." Zudem sieht Jeff auch noch verdammt gut aus, aber das sage ich mal lieber nicht.

"Die beiden sehen sich ja auch so gut wie gar nicht. Jeff wohnt inzwischen in Belgien. Wusstest du das?"

"Nein", erwidere ich erstaunt.

"Es ist logisch, dass sie sich viel zu erzählen haben." Scheint so.

"Und wie ist Jeff so? Lief da mal was zwischen den beiden?"

Sebastian sieht mich schräg an. "Frag das am besten Meilo, und nicht mich." Er klopft mir auf die Schulter. "Und trinke besser keinen Alkohol mehr. Der flüstert einem manchmal Dinge in den Kopf, die gar nicht da sind." Mit diesen Worten verabschiedet sich Sebastian wieder von mir, wünscht mir noch einen schönen Abend und verlässt die Toilette. Dumm nur, dass einige der komischen Dinge in meinem Kopf schon vor dem Alk da waren, doch Sebastian hat recht. Ich rede lieber mit Meilo, ehe ich deswegen noch total am Rad drehe.
 

Mit entschlossenen Schritten gehe ich zurück ins Gewächshaus, laufe den beleuchteten Weg entlang und suche unseren Tisch auf, aber dann die Enttäuschung: Der Tisch ist leer. Keine drei Meter entfernt steht Gwen. Ich laufe zu ihr. "Gwen?"

"Nic!", ruft sie und fällt mir um den Hals. Sebastians Liebster schenkt wirklich ganz schöne Bomben aus. Sie ist hacke dicht. "Na suuu?"

"Hast du Meilo gesehen?"

"Meilo?" Sie runzelt die Stirn. "Nööö! Hasu Carl gesehen? Der wollde die Kin...Kinder ins Bett ... bringen."

"Das war schon vor einer Stunde. Carl steht da hinten an der Bar."

"Ach? ... CARLIMAUS!" Ich bin vergessen. Carlimaus wird schwankend angesteuert. Na gut, dann muss ich Meilo selbst suchen gehen.

Ich streife zwischen all den Tanzenden umher, frage mal hier und mal da nach, bis mir Gerhard über den Weg läuft. "Hallo du Hübscher", kichert er. Kann es sein, dass hier alle stockbesoffen sind? "Legst du mit mir eine flotte Sohle aufs Parkett?"

"Nachher vielleicht", weiche ich aus. "Hast du Meilo gesehen?"

"Ähm ... der is vorhin an mir vorbei gelaufen. Da lang!" Gerhard zeigt mir den Weg.

"Danke!"

"Wenn du ihn gefunden hast, dann tanzt du zum Dank aber mit mir!"

"Ist gut", grinse ich und beeile mich, damit ich Land gewinne. Falls ich Glück habe, vergisst Gerhard die Tanzeinladung wieder oder hat jemanden anderen dazu genötigt.
 

"Meilo?" Ich schlage den Weg ein, den mir Gerhard gezeigt hat. Es ist nicht ganz so hell, wie vorn auf der Lichtung, aber man kann genug sehen. Eine leise Stimme in mir stellt die Frage, warum Meilo überhaupt hier lang gelaufen ist, aber ich verdränge sie wieder. Vielleicht musste er auch mal austreten, war aber zu faul, um zur Toilette zu gehen. Eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen, aber könnte ja sein.

Ich schlänge mich an großen Palmblättern vorbei und suche die Umgebung ab. "Meilo?" Niemand in Sicht. Doch als ich gerade umdrehen, und meine Suche wo anders fortsetzen will, höre ich ein Rascheln nicht unweit von mir entfernt. Ich bleibe stehen und lausche. Es kam von meiner Linken, also recke ich den Hals, um etwas zu erkennen. "Meilo?" Unsicher verlasse ich den befestigten Weg und betrete ich den weichen Boden.

Vor mir mache ich eine Gestalt aus. Na endlich! Das muss er sein. Ich beschließe, ihn nicht zu rufen, sondern schleiche mich leise an ihn ran. Wenn er wirklich pinkelt, bekommt er jetzt von mir einen Rüffel.

Ich ducke mich unter einem hohen Farn hindurch und kann nicht aufhören zu grinsen. Gleich bist du dran, mein Lieber! Schritt für Schritt nähere ich mich ihm, aber dann werde ich auf einmal stutzig. Da steht nicht nur eine Person. Da sind zwei. Zwei Leute, die sich fest umarmen.

Wie vom Donner gerührt bleibe ich stehen und versuche zu erkennen, wer das ist. Eigentlich weiß ich es schon, und erkenne zumindest einen von ihnen, aber ich will es nicht wahr haben. Das kann nicht Meilos Anzug sein! Das kann nicht sein Hinterkopf sein, der sich an den von Jeff schmiegt! Das kann nicht sein!

Als mich die Erkenntnis mit voller Wucht trifft, gebe ich einen unterdrückten Laut von mir, der jedoch laut genug ist, um die beiden aufschrecken zu lassen. Meilos Kopf ruckt zu mir. Erschrocken sieht er mich an. "Nic? Was tust du denn hier?" Unter mir bricht der Boden weg. Ich will etwas sagen, kann aber nicht. Meine Kehle ist regelrecht zugeschnürt.

Wie unter Zwang drehe ich mich auf dem Absatz und stolpere durch das Dickicht aus Pflanzen und feuchter Erde. "Scheiße", zischt Meilo hinter mir. "Nic! Bleib bitte stehen!" Im Leben nicht!

Ich renne blindlings davon, will einfach nur weg von hier, doch dann passiert, was passieren musste: Ich bleibe an einer Wurzel hängen und fliege der Länge nach auf den erdigen Boden. "NIC!" Dumpfe, schnelle Schritte heben mir. "Nic! Verdammt! Hast du dir weh getan?" Hände greifen nach mir.

"Pfoten weg!", brülle ich panisch und rapple mich halb auf. "Geh weg von mir!" Noch immer sehe ich ihn vor mir, wie er eng umschlungen Jeff im Arm hält, und es tut so scheiße weh! Und als ob das nicht noch genug wäre, kommt auch noch Jeff angerannt und geht vor mir in die Hocke, während mir die Augen zu brennen beginnen.

"Hast du dich verletzt?", fragt er dreist.

"Verschwinde!", schreie ich ihn an und stehe auf. Mein Knie schmerzt, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was in meiner Brust vorgeht. Ich muss hier endlich weg! Sonst drohe ich noch zu ersticken.

"Nic! Warte doch! Hau nicht ab!" Meilo setzt mir nach.

"Lass mich!"

"Von wegen", knurrt er und fängt mich ein. Ich versuche mich zu befreien, vergebens. Meilo ist stärker. "Hör mir nur kurz zu!", redet er auf mich ein. So ungern ich es tue, aber ich gebe nach und höre auf, ihm gegen die Brust zu schlagen. Größtenteils, weil es sowieso nicht hilft mich aus seinem Griff zu befreien.

Jeff ist uns wieder nachgelaufen. Er sieht mitgenommen aus, was ich nur am Rande mitbekomme. In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. "Erkläre es ihm", sagt Jeff, was mein Herz dazu bringt, sich schmerzhaft zusammenzuziehen.

"Was sollst du mir erklären?", brülle ich Meilo an. "Was?!" Jeff und Meilo sehen sich an. So vertraut und auf eine furchtbare Weise wissend. Mir knallt fast eine Sicherung durch, als ich das sehe. "WAS?!", schreie ich. Jeff senkt den Kopf und verschwindet ohne ein weiteres Wort. Was auch immer nun kommt, ich habe Angst davor es zu erfahren. Die Umarmung war einfach zu eindeutig.
 

Mit einem Ruck schaffe ich es, Meilo zu überrumpeln und mich von ihm zu lösen. Er will mich gleich wieder an sich ziehen, aber ich weiche ihm aus zische ihm ein "wage es ja nicht" zu. Er nickt und bleibt stehen.

"Nic, es ist nicht so, wie es aussah", beginnt er. Ich könnte kotzen!

"Das ist es nie, oder?", lache ich höhnisch. Gedanklich sehe ich plötzlich Kilian vor mir stehen. Ein halbes Jahr ist es nun her. 'Ich liebe dich einfach nicht mehr.' Kommt das jetzt wieder? Das würde ich nicht überstehen. Diesmal nicht. Nicht, wenn es aus Meilos Mund kommt.

"Es ist kompliziert", sagt Meilo. Ich kneife verbissen die Lippen aufeinander und starre Meilo in die Augen. Er soll sehen, wie sehr er mich verletzt, wenn er es ausspricht! "Jeff hat mich um ein Gespräch unter vier Augen gebeten, als du weg warst." Er hat die Chance gleich genutzt. Dieser Bastard! Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Am liebsten würde ich ... "Wir kamen hier her, weil wir hier als Kinder oft waren." Das interessiert mich nicht! Warum erzählt er mir das?

"Komm auf den Punkt", fordere ich Meilo mit angespannten Kiefermuskeln auf.

Nervös leckt sich Meilo über die Lippen und sieht mich plötzlich dermaßen traurig an, dass ich es fast körperlich spüren kann. Hoffentlich spürt er meinen Schmerz ebenso heftig! "Jeff ist aus einem besonderen Grund ohne Lisa hier", beginnt er endlich Tacheles zu reden.

"Ich wusste es", flüstere ich und kann seinem Blick nicht mehr Stand halten. Was zu viel ist, ist zu viel.

"Nic, egal was du denkst, so ist es nicht!"

"Und wie ist es dann?!"

"Lisa hatte eine Fehlgeburt." Ich hole tief Luft, doch mir bleiben die Worte, die ich mir zuvor zurechtgelegt hatte, in der Kehle stecken.

"Was?", hauche ich fassungslos.

"Vor zwei Monaten. Jeff konnte es mir am Telefon nicht sagen. Deswegen ist er hier her gekommen. Ohne Lisa, denn sie ist zur Zeit bei ihren Eltern." Mir wird schlecht. Richtig schlecht. "Verstehst du es jetzt? Die Umarmung war ..."

"Notwendig", krächze ich. "Oh Gott Meilo! Das tut mir so leid!" Ich Idiot! Ich Trottel! Ich eifersüchtiges, besoffenes Biest!
 

Abermals fangen meine Augen an zu brennen, doch diesmal nicht vor Wut und Eifersucht, sondern aus Trauer. "Wie furchtbar", sage ich und schlucke hart. Ich fühle mich elend und schlecht.

"Ja", flüstert Meilo betroffen. "Jeffs Ausgelassenheit war nur Fassade, was ich zwar bemerkt habe, aber ich wusste nicht, wie ich es vor dir ansprechen sollte."

"Ist doch egal", sage ich und gehe zwei Schritte vor, um Meilo an mich zu drücken. Seine Arme legen sich um meinen Rücken. Eine komische Mischung aus Scham, Erleichterung und Trauer erfasst mich. "Entschuldige", wispere ich in Meilos Nacken. "Ich habe euch zusammen gesehen und da sind mir sämtliche Sicherungen durchgebrannt." Die Entladung meiner Eifersuchtsanfälle.

"Du musst dich nicht entschuldigen."

"Doch, muss ich! Ich habe mich total arschig verhalten." Ich komme mir mit einem Mal so dämlich vor.

"Ich hätte nichts anderes getan, wenn ich dich in so einer Situation zum Beispiel mit Ingo erwischt hätte."

"Ingo?", frage ich grinsend. "Warum gerade mit Ingo?"

"Ingo ist attraktiv", meint er achselzuckend.

"Findest du?"

"Du nicht?"

"Na ja ... doch ... schon ... irgendwie ..." In Wahrheit ist Ingo wirklich ein ziemlich heißer Kerl, aber das tut nichts zur Sache. "Komm", treibe ich Meilo an. "Gehen wir zu Jeff. Ich muss mich noch bei ihm entschuldigen, und dann solltet ihr nochmal in Ruhe miteinander quatschen."

"Sicher?"

"Ganz sicher", bejahe ich. "Das tut man doch unter Freunden."

Meilo lächelt mich an und umfasst mein Gesicht. "Ich liebe dich Nic. Nur dich und niemand anderen."

"Das weiß ich doch." Auch wenn ich das für kurze Zeit vergessen zu haben scheine. "Aber es ist schön, wenn du mich immer wieder daran erinnerst."

"Damit du nicht eifersüchtig wirst", lacht Meilo.

Ich rümpfe die Nase. "Daran ist nur der Alk schuld."

"Ja, ja. Und den Weihnachtsmann gibt es wirklich."

"Ich geb dir gleich", knurre ich und betrete mit ihm zusammen wieder den Weg. Mein Knie schmerzt, aber es ist auszuhalten.

Dennoch bemerkt Meilo es. "Du humpelst."

"Geht schon."

"Nichts da! Bleib stehen."

"Hm? ... AH!" Ohne Vorwarnung hebt Meilo mich hoch und trägt mich auf seinen Armen. Schnell lege ich einen Arm um seine Schulter, um mich besser festzuhalten. "Lass mich runter! Ich kann laufen!"

"Mir egal. Nun trage ich dich."

"Wenn uns jemand sieht!"

"Und? Was wäre daran so schlimm?"

"Na ja ..." Ja, was wäre daran so schlimm? "Also schön", gebe ich nach. "Aber nur bis vor zur Bar."

"Wir werden sehen", lacht Meilo und küsst mich zärtlich. Dieser Spinner! Wie konnte ich bloß glauben, dass er und Jeff was am Laufen haben?

Zu meiner Verteidigung, es sah schon ziemlich eindeutig aus, und woher sollte ich denn wissen, dass in Wahrheit etwas völlig anderes, aber ebenso furchtbares, dahinter steckt? Armer Jeff und arme Lisa. Ein Kind zu verlieren, das hat niemand verdient.

"Sag mal", frage ich Meilo "Jeff hat ihr doch nicht wirklich das Foto von uns geschickt, oder?" Das würde doch keiner in so einer Situation machen.

"Hat er nicht. Er wollte nur mitspielen." Ich nicke betroffen. Wie schwer muss es für ihn gewesen sein, einen auf fröhlich zu machen, während das Leben einen so schlimm mitspielt?
 

Wieder bei den anderen Gästen angekommen, lässt mich Meilo wieder runter. Natürlich nicht, bevor nicht auch jeder mit einer Kamera oder einem Handy in der Hand ein Bild gemacht hat. Es kommt mir total unpassend vor, nachdem, was ich vor Kurzem erfahren habe, und das Gefühl steigert sich noch, als ich Jeff allein am Tisch sitzen sehe.

Als wir auf ihn zugehen, wächst mir erneut ein Klos im Hals. Ich weiß nicht, was ich zu ihm sagen soll, schaue ihn nur traurig an. "Schon gut", sagt er und versucht zu lächeln. Schon gut? Gar nichts ist gut!

Ich falle neben ihn auf den Stuhl und umarme ihn. Egal was vorher war, das ganze Eifersuchtsgetue habe ich mir sowieso nur eingeredet, ich muss das einfach tun.

Meilo reibt mir im Vorbeigehen über den Rücken und setzt sich Jeff gegenüber. Mein Stichwort. Ich stehe auf. "Redet ihr mal in Ruhe miteinander. Ich mische mich unter die Gäste."

Ich deute hinter mich und will mich gerade umdrehen, da packt Jeff meine Hand. "Setz dich schon hin. Du gehörst doch jetzt zu unserer kleinen Clique." Perplex schaue ich zu Meilo. Der greift grinsend neben sich den Stuhl und rückt ihn für mich zurecht.

"Okay, aber vorher hole ich uns noch was zu Trinken. Das brauchen wir jetzt, glaube ich." Und wie gut, dass ich einen Barkeeper kenne, der eine ordentliche Mischung drauf hat.
 

***
 

"Ihr schafft das, ja?"

"Logisch", lächelt Jeff. "Und hör auf mich so mitleidig anzuschauen!" Reumütig senke ich den Kopf. "Das ist das Leben, Nic. Und so hart es sich anhören mag, aber das Leben geht weiter." Ich nicke wortlos und drücke Jeff noch einmal fest an mich.

"Gute Nacht", wünsche ich ihm, genau wie Meilo. Jeff zwinkert uns zu, wünscht uns ebenfalls eine gute Nacht und ruft uns noch ein bis morgen Früh zu, dann ist er aus unserem Sichtfeld verschwunden.

Meilo und ich haben uns lange mit ihm unterhalten. Nicht nur über diese furchtbare Geschichte, die ihn und Lisa vor zwei Monaten getroffen hat, sondern auch über damals, als er und Meilo noch in der Schule gewesen waren, und diesmal brachte ich mich ganz ungezwungen in die Unterhaltung mit ein. Schon erstaunlich, was so ein bisschen Eifersucht ausmacht.

Meilo und ich erzählten ihm auch, was wir so alles erlebt hatten. Jeff weiß, was Meilo beruflich macht. Sie sind wirklich gute Freunde, und auch, dass sie so weit voneinander entfernt Leben, ändert nichts daran. "Meilo?"

"Ja?"

"Du warst mal in ihn verknallt, oder?" Ich schaue Meilo neugierig an.

"Das ist lange her", sagt er schlicht.

"War er dieser Mitschüler, von dem du mal gesprochen hast?"

"Nein", lacht Meilo auf. "Das war nach Jeff. Sie waren beide bloß kleine Schwärmereien, die man eben so hat, wenn man noch jung und unbedarft ist."

"Also war da nie mehr zwischen euch?"

"Niemals", beteuert Meilo und nimmt mich in den Arm. "Jeff ist hetero. Selbst wenn ich ihn mal angemacht hätte, wäre er nicht drauf angesprungen."

Verliebt lächle ich meinen Schatz an. "Da bin ich aber froh", raune ich ihm zu und kuschle mich an ihn. "Aber es tut mir wirklich so leid, was ihm und Lisa passiert ist."

"Jeff packt das. Und Lisa auch." Er mag recht haben, doch es ist schwer vorzustellen, dass man jemals darüber hinwegkommen kann. Wahrscheinlich wird man das nie, aber man kann damit leben. Irgendwann und irgendwie ... "Okay Nicilein! Was machen wir beide jetzt?" Ich überhöre das Nicilein und zucke mit den Schultern.

Es ist halb zwei, und die Party ist noch voll im Gang. Dass Jeff sich schon verabschiedet hat, hat nichts damit zu tun, dass die Party schon am Ende ist. Die anderen Gäste sind noch kräftig am Feiern und so schnell werden sie auch nicht damit aufhören. "Ablenkung", sage ich zu Meilo und schnappe mir seine Hand. "Lass uns tanzen!"

"Ganz wie du willst", lacht er und schon stehen wir unter den anderen tanzwütigen Gästen.

Aus den Boxen dröhnt Hippiemusik, was alle ausgelassen tanzen lässt. Einer ruft sogar "Woodstock lebt!" und dreht sich mit ausgebreiteten Armen im Kreis.

"Sag mir nicht, dass der mit dir verwandt ist", lache ich.

"Doch. Ganz weit entfernt, aber er gehört zur Familie."

"Meinst du, er hat Gras?"

"Du willst einen Joint?"

"Na ja, egal was der geraucht hat, es muss gut sein, wenn er glaubt, in Woodstock zu sein", grinse ich.

"Also mir reicht das, was du uns ständig in flüssiger Form an den Tisch geschleppt hast", antwortet Meilo. "Nicht, dass ich später zu knülle bin, um das mit dir zu tun, was ich letzte Nacht über geplant habe."

"Du hast was geplant?" Da werde ich doch gleich hellhörig. "Was denn?"

"Das verrate ich dir nicht."

"Och bitte!"

"Hn ... Na gut. Ich zeige es dir."

"Jetzt?"

"Wenn du genug hast von Tanzen und Trinken", grinst er mich süffisant an.

"Aber sowas von genug!", rufe ich und verlasse, noch bevor Meilo und ich auch nur einen Tanz getanzt haben, mit ihm zusammen die Feier seiner Eltern.
 

Schnellen Schrittes laufen wir den Weg zurück ins Hotel. Leise und verlassen liegt es vor uns. Nur das Wummern der Musik ist noch leicht zu hören. "Und jetzt?", frage ich Meilo.

"Psst. Sei leise", flüstert er mir zu und huscht hinter die Rezeption. Dort schnappt er sich einen der Zimmerschlüssel, kommt zu mir zurück, greift meine Hand und zerrt mich im Eilschritt durch die Lobby auf den Flur zu, der zu den unteren Zimmern führt. Ich kenne den Weg den wir einschlagen, und ich würde glatt meine gesamte Habe darauf verwetten, dass ich weiß, wohin er mich genau führt: In die Hochzeitssuite.

"Dürfen wir denn hier heute überhaupt rein?", frage ich ihn, als wir genau wie vermutet, davorstehen.

Meilo hantiert im Halbdunkel mit dem Zimmerschlüssel herum. "Offiziell? Nein", lacht er. "Aber was niemand weiß, macht niemanden heiß. ... Bis auf uns, wenn wir uns in dem großen Bett miteinander vergnügen." Ich betitle ihn kopfschüttelnd als Spinner, dann stolpern wir auch schon ins Dunkel des Zimmers. Das Licht bleibt aus, was mich aber nicht im Geringsten stört. Irgendwie verboten. Einfach total aufregend!

"Es ist kalt hier drinnen", bibbere ich und reibe über meine Arme. Ob meine Gänsehaut allein davon herrührt, wage ich allerdings zu bezweifeln. Wir tun hier schließlich etwas Verbotenes. Mein Herz schlägt schnell und laut in meiner Brust. In meinem Bauch kribbelt es leicht. Ich glaube nicht, dass wir das tatsächlich tun!

"Warte. Ich mach gleich den Kamin an", sagt Meilo und geht rüber zum Kamin, wo er zuerst die Kerzen im dreiarmigen Kerzenständer anzündet, der auf dem Sims darüber steht. Sanftes Licht erhellt die Suite.

"Wie gut, dass du im Feuer machen ein Profi bist", grinse ich und setzte mich auf das Bett.

"Was glaubst du denn, woher ich das so gut kann?" Meilo hockt sich vor den Kamin und stapelt das Feuerholz auf, das daneben in einem großen Eisenkorb aufgeschichtet ist. "Im Haus meiner Eltern haben wir im Winter fast nur mit dem Holzofen geheizt. Und wenn ich hier heimlich die Nächte verbrachte, musste natürlich auch immer ein Feuer brennen."

"Natürlich", ahme ich seinen Tonfall nach. "Was auch sonst?" Meilo dreht sich kurz zu mir um und grinst mich an. Ich werfe ihm einen Luftkuss zu und erfreue mich an dem Leuchten seiner Augen, bevor er sich wieder dem Holz zuwendet.
 

Während er sich um die Wärme kümmert, steige ich aus meinen Schuhen, stehe noch einmal auf und schließe das Zimmer ab. Wer weiß schon, ob sich nicht einer von Meilos volltrunkenen Verwandten hier her verirrt?

Danach gehe ich wieder zurück zum Bett, befreie mich aus meinem Jackett und ziehe die Überdecke weg. Darunter kommt eine kitschige Bettwäsche zum Vorschein, die mit rosa Röschen verziert ist. "Wie neckisch", lache ich. "Wo bleiben die richtigen Rosenblätter?"

"Die gibt es erst, wenn wir zwei den Bund der Ehe eingegangen sind, und danach die Hochzeitssuite ganz offiziell gebucht haben."

"Also komme ich nie zu Rosenblüten im Bett", seufze ich und falle mit dem Rücken voran auf die weiche Bettwäsche.

"Sag niemals nie", kichert Meilo und steht auf. Er hat es doch tatsächlich geschafft, binnen kürzester Zeit das Feuer im Karmin zu entzünden. Ob er meins auch so schnell entzünden kann? Aber was frage ich? Natürlich wird er das. Das kann er sogar, wenn er nicht bei mir ist, und ich nur an ihn denke.

"Vertagen wir das Thema lieber", sage ich, setze mich wieder auf und schaue Meilo neugierig an.

"Einverstanden. Aber eine Probe für die Hochzeitsnacht ist doch drinnen, oder?" Er steht vor dem flackernden Feuer und streift sich das Jackett von den Schultern. Ungeachtet wirft er es auf den kleinen Schemel, der vor dem Bett steht. Danach ist sein Hemd dran, das er langsam aufknöpft. Als auch dieses auf dem Schemel landet, sauge ich den Anblick, den er mir bietet, gierig auf. Sein Oberkörper leuchtet im Schein des Feuers und sieht aus, wie in einer anrüchig-erotischen Fantasie.

"Unbedingt", wispere ich erregt. "Lass uns proben."

Mit langsamen Schritten kommt er auf mich zu und steigt mit den Knien auf die Matratze. "Also was erlauben Sie sich?", kichere ich. "Sie sollten sich doch nur um das Feuer kümmern, und sich nicht zu mir legen."

Meilos Augen fixieren mich, währenddessen er auf mich zu robbt. "Das gehört aber zum Romanik-Paket dazu, meine Hoheit", sagt er, beugt sich über mich, legt eine Hand auf meine Brust und drückt mich nieder.

"Tut es das? Na dann will ich mal nicht so sein", gluckse ich und strecke den Hals durch. Dabei finden sich unsere Lippen wie zwei Magnete.

Verspielt schnappt Meilos Mund nach meinem. Ich kontere, schnappe zurück und schlüpfe mit der Zunge zwischen seine Lippen hindurch, ehe er mir Retour geben kann. Am Rande bekomme ich mit, wie er nun ebenfalls bei meinem Hemd einen Knopf nach dem Anderen öffnet.

Zärtlich streichelt er über meinen Oberkörper, nachdem er die beiden Hälften auseinander geschoben hat. Eine Gänsehaut nach der Nächsten regnet über mich hinweg. Seine Finger scheinen noch heißer, als das Feuer, das neben uns leise knistert.

Gemächlich wandert Meilos Mund über mein Kinn hinab bis zu meinem Hals, wo er sich, natürlich, festsaugt, und dort lauter Knutschflecken verteilt. Ich begnüge mich damit, mit meinen Fingernägeln über seinen Rücken zu kratzen, und leise Seufzer von mir zu geben. Einfach himmlisch!
 

*
 

Wir beide brauchen einige Zeit, bis wir wieder klar denken können. "Oh Mann!", lache ich abgehackt und drehe den Kopf soweit, bis ich Meilos Profil erblicken kann. "Punktlandung."

Meilo lächelt schwach. "Immer wieder gern", schnaubt er angestrengt.

Nachdem noch ein paar weitere Minuten verstrichen sind, kriechen wir unter die warme Rösendecke und fallen sofort in einen komatösen Schlaf. Der Tag war einfach zu anstrengend und zu aufregend gewesen, aber eins geht mir noch durch den Sinn, ehe ich in einen Traumlosen Schlaf falle: Wenn schon unsere Probe-Hochzeitsnacht so endet, werde ich mir das mit dem Heiraten definitiv noch mal ernsthaft überlegen.
 

******

Love bite 50 - Verliebt, ver.. äh ... ver...dammt!

Love bite 50 - Verliebt, ver.. äh ... ver...dammt!
 

Meilos Finger kitzeln mich hinter dem Ohr. Kichernd versuche ich ihnen auszuweichen, doch ich bin noch immer im Halbschlaf, und weiß deshalb gar nicht genau, wo Meilo sich überhaupt befindet.

Vor mir, oder hinter mir? Steht er vielleicht schon fix und fertig angezogen vor dem Bett, oder hockt er über mir? Keine Ahnung. Daher brumme ich nur müde und drehe den Kopf so weit, bis mein Gesicht im Kissen unter mir verschwunden ist. Dass das auch nichts hilft, war mir schon im Vornherein klar.

"Nihiic, oh Niiihiiic", lacht er. Die Stimme kommt eindeutig von hinten. Jetzt bin ich zwar schlauer als zuvor, doch das bringt mir auch nicht viel. "Schau mal aus dem Fenster", säuselt er und schmust mit seinen Lippen über meinen Nacken.

"Wieso?", frage ich krächzend, halte jedoch still. Das, was er mit seinen Lippen tut, kann er ruhig weiterhin machen.

"Tu es einfach", nuschelt er gegen meine Haut.

"Gibst du dann Ruhe?"

"Mal sehen." Mal sehen? Das bedeutet in Meilo-Sprache: Nööö, auf keinen Fall! Aber einen Versuch ist es wert.

Ich schäle mein Gesicht wieder aus dem Kissen, wappne mich seelisch gegen das helle Morgenlicht, und öffne vorsichtig die Augen. Die Sonne scheint. Das ist das Erste, das ich feststelle. Doch dann "Schnee?"

"Ja! Schnee!!!"

"Oh nein!" Erneut presse ich mein Gesicht ins Kissen. Ich will das Elend draußen vorm Fenster nicht sehen!

"Oh doch!", ruft Meilo und hüpft auf und ab. Die Matratze schwankt dabei so sehr, dass ich drohe seekrank zu werden. Hilfe!

Ich rudere mit meinem Arm und versuche meinen herumhampelnden Freund zu erwischen, vergebens. Er fängt meinen Arm einfach ein und wirft sich auf mich. "Aua! Spinnst du?" Das tat weh! Meilo lacht nur. "Geh runter von mir! Du zerquetschst mir den Arm!"

"Lass uns raus gehen!", gluckst mein Spinner-Freund. "Los!"

"Im Leben nicht! Ich bleib hier!" Demonstrativ zerre ich an der Bettdecke, um sie mir über den Kopf zu ziehen. Kaum geschafft, entreißt Meilo sie mir wieder.

"Ach komm schon! Ziehen wir uns an und dann raus."

"Lass mich in ruhe", knurre ich.

"Ich mach auch das Feuer an", säuselt er in verführerischster Sirenen-Manier. "Ein schönes warmes Feuer prasselt im Kamin, wenn wir von draußen wieder reinkommen … Was hältst du davon?"

"Im Bett ist es jetzt schon warm", kontere ich und mümmle mich tief in die Decke ein.

"Du Spielverderber", motzt mein mürrisches Schneemännchen.

"Du Sklaventreiber."

Meilo gibt einen unschönen beleidigten Ton von sich und schwingt sich aus dem Bett. Aus den Augenwinkeln beobachte ich ihn. Er steigt in seine Unterhose, dann in die Hose. Danach ist sein Hemd dran, allerdings kommt er erst gar nicht dazu, es anzuziehen. Es klopft an unsere Tür. Vergessen ist der Schnee. "Wer ist das?", frage ich erschrocken und setze mich auf. "Ich dachte, es weiß keiner, dass wir hier sind."

"Inzwischen wahrscheinlich schon", grinst er.

"Was heißt das?"

"Das Fehlen des Schlüssels dürfte längst aufgefallen sein", trällert Meilo seelenruhig.

"Shit!" Ich ziehe die Decke bis zu meinen Schultern hoch und starre zur Tür. Es klopft ein weiteres Mal.

"Ich mache auf", beschließt Meilo und schreitet zur Tat. Ich würde mich am liebsten unsichtbar machen. Egal wer da vor der Tür steht, er wird wissen, was wir hier drinnen getan haben. Zwar nicht genau, zum Glück!, aber er wird es ahnen.

Ich ziehe die Decke noch fester um meinen nackten Körper, als Meilo die Tür öffnet.
 

Sebastian steht davor. Neben ihm steht ein Servierwagen, bestückt mit abgedeckten Tellern und einer Kanne Kaffee. "Frühstück?", fragt er grinsend.

"Sebastian? Du bist einmalig!", höre ich Meilo sagen, dann klopft er Sebastian auf die Schulter. "Du kommst wie gerufen." Mein Liebling macht ihm Platz. Leise quietschend rollt der Servierwagen.

"Das Hochzeitssuite-Spezialmenü", flötet Sebastian und bleibt vor dem Bett stehen. "Möchten die Herrschaften den Tisch gedeckt bekommen?"

"Nein, nein", schmunzelt Meilo. "Das kann ich machen. Geh du mal lieber wieder vor. Du hast bestimmt noch eine Menge Arbeit."

"Wie Sie wünschen. ... Herr Haug, Herr Ittninger." Ein Zwinkern, und weg ist er wieder.

Stöhnend falle ich zurück in die Kissen. "Mann! Sicher reden jetzt alle über uns!"

"Und? Lass sie", lacht Meilo und schiebt den Wagen ans Bett. "Wenigstens haben wir Frühstück aufs Zimmer bekommen. Los! Hauen wir rein."

"Aber erst, nachdem du Feuer gemacht hast", grinse ich frech. Meilo legt den Kopf schief. "Was denn?"

"Nichts, mein Sweetheart", seufzt er und kümmert sich wie erwünscht ums Feuer.

Voller Schadenfreude, weil er mich nun doch nicht mit einem warmen Zimmer erpressen konnte, nur, damit ich mit ihm raus in den Schnee gehe, lüpfe ich die Hauben, die auf den Tellern liegen. "Wow", hauche ich. "Sieht das lecker aus!" Auf den Tellern ist alles, was das Herz begehrt. Im wahrsten Sinne des Wortes. "Toast in Herzform ist zwar nicht ganz mein Geschmack, aber ..."

"Herzform?"

"Ja, guck." Ich hebe einen der Toastscheiben hoch. Meilo lacht. "Er hat uns tatsächlich das Hochzeitssuite-Menü gemacht!" Was soll ich davon nun halten? "Aber die Rosen fehlen. Normal ist da immer ein kleines Gesteck aus Rosen mit drauf."

"Man kann eben nicht alles haben", seufze ich gespielt theatralisch. "Ich werde mich beim Hotelmanager beschweren."

"Oh ja!", kichert Meilo und steht auf. Das Feuer prasselt leise. "Das hagelt schlechte Kritiken im Internet."

"Aber wie!" Ein Hochzeitssuite-Menü ohne Rosengesteck. Wie können die es wagen?

Meilo krabbelt zu mir ins Bett, nachdem er sich dann doch wieder aus seiner Hose befreit hat. Wenn ich Glück habe, hat er den Schnee da draußen vielleicht bis nachher völlig vergessen. Oder das Sauzeug tut mir den Gefallen, und schmilzt ganz schnell.
 

Mit dem Frühstück lassen wir uns Zeit. Wir füttern uns gegenseitig, was so unfassbar kitschig ist, dass es fast weh tut, aber es ist auch lustig und schön. Beinahe kommt es mir wirklich so vor, als hätten wir gerade unsere Hochzeitsnacht hinter uns, so, wie wir herumalbern. Verrückt! Doch noch verrückter ist allerdings, dass mir der Gedanke keine Angst mehr macht. Aber psst! Sagt keinen Ton darüber zu Meilo oder zu meiner Mutter, sonst bekommt das kleine schwule Tortenplastikpaar bald einen Untergrund aus Zucker und Sahne, und ich finde mich vor einem Standesamt wieder.
 

Nach dem opulenten Herzchen-Essen, sind unsere Hände und Münder ganz verklebt von all dem Süßkram, mit dem wir uns teils gegenseitig gemästet haben. Es geht schnurstracks in das angrenzende Bad.

Ich durfte es gestern Abend schon bewundern, aber im hellen Tageslicht sieht es noch imposanter aus. Daran ändert auch die furchtbare zartrosa Farbe und die scheinbar unvermeidlichen Rosenaufdrucke nichts, in dem es gehalten ist. "Ob das den frisch vermählten Männern gefällt, wage ich zu bezweifeln", überlege ich laut.

"Ist doch romantisch", meint Meilo. "Ich fand es hier schon immer schön."

Glucksend überkreuze ich meine Arme hinter seinem Nacken. "Ich wusste gar nicht, dass du auf Rosendekor im Badezimmer stehst."

"Doch, tue ich." Alter Spinner!

"Wehe, du überträgst diese Leidenschaft auf unser Bad."

"Warum eigentlich nicht?", fragt er lachend. "Das wäre doch mal was anderes."

"Unterstehe dich!"

"Was, wenn nicht?"

"Dann ... dann ..." Mein Blick fällt auf die kleine Badewanne, die hinter mir steht. "Dann stecke ich dich in die Wanne!"

"Oh wie furchtbar!", jammert Meilo gespielt.

"Gefüllt mit Schnee", ergänze ich.

"Ein Bad im Schnee? Das kannst du auch leichter haben." Meilos Augen leuchten amüsiert. Irgendwas geht in seinem kleinen süßen Köpfchen vor.

"Egal, was du dir gerade ausdenkst: Vergiss es ganz schnell wieder!" Er grinst breit und sieht aus, wie ein kleiner Lausbub. Die Liebe, die ich für ihn empfinde, lässt mich für einige Augenblicke lang ein paar Zentimeter über dem Boden schweben. Doch dann strecke ich ihm die Zunge raus, löse mich von ihm und lasse Wasser in die Wanne laufen.

Meilo tritt von hinten an mich ran. "Wie wäre es mit Schaum und einer Badekugel?"

"Alles, was das Herz meiner lieblichen Frau begehrt", säusle ich. Dafür bekomme ich einen Klaps auf meinen Po. Autsch! Das hat gezogen! Ich habe nämlich noch immer nichts an.

"Seit wann hast du eigentlich was gegen Romantik?", fragt er mich und öffnet ein Fläschchen, das auf einem Regal neben der Wanne steht, und riecht daran.

"Nichts, aber Rosen und Pastelltöne sind nicht unbedingt mein Fall." Da dann doch schon viel eher Kerzenschein in dieser kleinen Waldhütte. Das hatte definitiv was Romantisches. Etwas rustikales, männliches. Nicht diesen rosa-pastelligen Mädchentraum.

Meilo kippt den Inhalt des Fläschchens ins einströmende Wasser. Schaum bildet sich und es duftet nach Früchten. "Gib ruhig zu, dass es dir gefällt", schmunzelt er. "Ich verrate es auch keinem."

"Nun", antworte ich. "Eins gibt es schon, das mir hier gefällt. Willst du wissen was?"

"Was denn?"

Ich nehme ihm das Fläschchen aus der Hand, stelle es zurück und steige in die Wanne. Als ich mich mit einem wohligen Seufzer zurücklehne, antworte ich: "Der halbnackte Sohn der Hotelchefs, der noch immer tatenlos vor der Wanne steht, anstatt zu mir zu kommen, um mir den Rücken einzuseifen." Und um meinen Worten noch mehr Ausdruck zu verleihen, lasse ich den Badeschaum aufstoben.

Meilos linke Augenbraue wandert nach oben. "Das ist also das Einzige, was dir hier gefällt?", fragt er mich leise.

"Muss mir denn noch mehr gefallen?", frage ich retour.

"Nein", antwortet er. "Das langt mir vollkommen."

Ich schreie lachend auf, als Meilo sich in die Wanne schwingt, und samt Unterwäsche auf mir landet. "Meilo!" Schaum fliegt mir ins Gesicht. Das leise Plätschern von Wasser, das über den Rand der Wanne schwappt und auf den Boden klatscht, hallt durch das kleine Badezimmer.

"Was denn? Du wolltest doch, dass ich zu dir in die Wanne komme."

"Aber doch nicht mit Shorts!"

"Zieh sie mir aus, wenn sie dich stört", sagt er frech.

"Dann runter mit dem Fetzen!" Wieder plätschert es.

Ich glaube, bis wir fertig sind mit baden, steht das ganze Badezimmer unter Wasser ...
 

***
 

"Können wir das Zimmer wirklich so hinterlassen?", fragte ich Meilo skeptisch.

"Klar. Sebastian kümmert sich schon darum." Einfach alles auf Sebastian abwälzen? Na das habe ich ja gern!

"Lass uns wenigstens das Bett machen, und dann ..."

"Nichts da", hält mich Meilo auf und zieht mich hinaus auf dem Flur. Laut schlägt die Tür zur Hochzeitssuite zu. "Das muss sowieso frisch bezogen werden. Sebastian macht das schon. Und auf ein Zimmer mehr oder weniger kommt es auch nicht an."

Ich gebe nach, wenngleich auch ungern. "Wegen uns hat er so viel Extraarbeit", brumme ich. Wenigstens konnte ich das Bad noch trockenlegen, bevor Meilo mich zur Eile angetrieben hat. Warum er so urplötzlich das Zimmer räumen wollte, hat er mir nicht gesagt.

"Das schafft er schon." Meilo zwinkert mir zu und läuft voraus. Ich zockle ihm langsam nach.

Ehrlich gesagt, war das mit dem Zimmer nur eine Ausrede. Ich wollte noch ein bisschen Zeit schinden, bevor wir auf Meilos Eltern stoßen. Das wir einfach in ihr teuerstes Zimmer eingedrungen sind (ja, ja. Zweideutigkeit lässt grüßen), ist mir schon leicht peinlich. Doch zu meiner Verteidigung: Meilo ist schuld! Leider kann ich diese Ausrede bei Meilos Eltern nicht geltend machen, fürchte ich.

Auf dem Weg zum Ausgang des Hotels, begegnen wir wieder Sebastian. "Hat es geschmeckt?", will er von uns wissen.

"Sehr lecker", antwortet ihm Meilo. "Und Entschuldigung, wenn wir dir mit unserem kleinen Ausflug Extraarbeit bereiten." Hey! Du Schummler! Erst sagen, das macht ihm nichts aus, und dann meine Worte klauen!

"Ist schon okay", winkt Sebastian ab. "Weil ihr es seid, drücke ich mal ein Auge zu."

"Danke", sage ich, bevor Meilo es sagen kann.

"Wollt ihr auch ins Gewächshaus?", möchte Sebastian wissen und deutet in dessen Richtung.

"Eigentlich wollten wir ins Wohnhaus", erkläre ich. "Was ist den im Gewächshaus?"

"Ein großes Frühstück für alle Gäste. Deine Eltern sind auch da."

"Ach so. Stimmt ja. Das hatte ich total vergessen. Dann gehen wir am besten zu den anderen", beschließt Meilo und nimmt meine Hand.

Ein Frühstück mit allen Gästen ist nicht ganz das, was ich mir jetzt wünschen würde, zumal wir ja schon gegessen haben, aber nun gut. Da muss ich jetzt durch. Hoffentlich hat es sich noch nicht herumgesprochen, wo wir heute Nacht waren. Ich spüre schon jetzt, wie alle Augenpaare wissend auf uns ruhen. Was für ein bescheidener Start in den Tag!
 

Als wir das Gewächshaus betreten, hören wir die typischen Frühstücksgeräusche. Das Klimpern von Geschirr, Unterhaltungen, leise Hintergrundmusik. Fast wie im Urlaub in einem Hotel. Ha! Wir sind ja auch in einem.

An der Lichtung angekommen, sitzen schon alle an den Tischen von gestern Abend und lassen es sich schmecken. Zu meiner Erleichterung beachtet man uns kaum, bis auf "Meilo! Nic!" Jeff winkt uns zu. Wir gesellen uns zu ihm.

"Hast du uns einen Platz freigehalten?", fragt ihn Meilo lächelnd.

"Was glaubst du denn?", antwortet dieser, als wir uns ihm gegenüber setzen. "Habt ihr verschlafen?"

"So ungefähr", erwidere ich.

"Verstehe", grinst Jeff. "In der Hochzeitssuite, ja?" Verlegen senke ich den Blick. Es hat sich also doch schon herumgesprochen. "Meinen Glückwunsch die Herren."

"Keinen weiteren Ton bitte", brummt Meilo und sieht Jeff beschwörend an, was mich doch leicht verwundert. Irgendwas stimmt da doch nicht, wenn ich ihre gegenseitigen Blicke richtig deute. Und was sollte das, von wegen meinen Glückwunsch?

"Was sollen diese Blicke?", frage ich daher postwendend und schaue einen nach dem anderen neugierig an.

"Nichts", murmelt Meilo ausweichend und steht auf. "Willst du auch einen Kaffee?"

"Äh … Einen Tee, wenn einer da ist." Meilo nickt, lächelt mich an, wirft Jeff allerdings wieder so einen komischen Blick zu, ehe er zum aufgebauten Frühstücksbuffet geht.

Ich warte, bis er außer Hörweite ist, dann wende ich mich Jeff zu. "Sagst du es mir, oder muss ich dich erst fragen?"

"Was denn?" Er stellt sich auf ahnungslos und schmiert sich seelenruhig sein Brötchen.

"Tu nicht so. Was sollte das eben?"

"Hm?"

"Na das mit der Suite und dem Glückwunsch", helfe ich ihm auf die Sprünge. "Was darf ich nicht wissen?"

Jeff grinst mich an, schielt dann hinter mich in Richtung Meilo und beugt sich anschließend zu mir vor. "Gut, ich sage es dir, aber wehe, du verrätst Meilo, dass ich dir das erzählt habe, verstanden?"

"Verstanden" flüstere ich aufgeregt.

"Als wir klein waren, meinte Meilo mal, wenn er erwachsen ist, und seinen Seelenverwandten gefunden hat, will er mit ihr in der Hochzeitssuite leben."

"Er wollte was?" Soll ich lachen oder den Kopf schütteln?

Ich halte es wie Jeff, denn er grinst schelmisch. "Da waren wir noch ziemlich jung", erklärt er weiter. "Ich glaube, gerade mal in der vierten oder fünften Klasse, aber seiner Meinung nach, durfte man nur darin mit einem anderen Menschen zusammen schlafen, wenn man sich mit ihm auf ewig bindet. Deshalb: Meinen Glückwunsch." Jeff lacht leise.

Mir will das immer noch nicht recht in den Kopf, und ich überlege, wieso Meilo nicht will, dass Jeff mir diese Geschichte erzählt, mal abgesehen davon, dass Meilo wohl schon immer einen leichten Hang zum Kitsch hat, da stellt Jeff plötzlich die Frage, die mich endgültig aus der Bahn wirft. "Also? Wann heiratet ihr?" Er beißt kichernd in sein Brötchen und sieht mich neugierig an.

Ich will erst entsetzt rufen, wenn Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen, aber das kann ich noch verhindern. "Wir haben nichts dergleichen vor", sage ich stattdessen und zupfe nervös an meinem Ärmel herum. Das allgegenwärtige Hochzeitsthema, das ständig über uns zu schweben scheint, geht mir langsam gewaltig auf den Keks! Ist damit nicht bald mal Schluss?

"Muss man ja heutzutage auch nicht", meint Jeff.

"Genau."

"Obwohl ich sagen muss, es hat auch was für sich. Mal ganz abgesehen von den steuerlichen Vorteilen, ist es ein ganz schönes Gefühl, zu wissen, dass man zu jemanden gehört."

"Das weiß man auch, ohne gleich einen Trauschein zu unterschreiben", wende ich ein.

"Klar tut man das. Aber es fühlt sich trotzdem anderes an, wenn man diesen Weg zusammen gewählt hat. Man ist irgendwie noch viel mehr miteinander verbunden und es fühlt sich viel intensiver an. Ist schwer zu beschreiben." Jeff schaut sich seinen Ehering an. "Es mag sich bescheuert anhören, aber allein diese Verbundenheit hat uns schon durch mehr oder weniger schwere Zeiten geholfen. In den letzten Wochen ganz besonders." Mein Magen fühlt sich schlagartig flau und schwer an. Was rege ich mich hier über das Heiraten auf? Das sind Kinkerlitzchen, im Vergleich zu dem, was er und seine Frau durchmachen mussten.

Ein 'Es tut mir leid' liegt mir auf den Lippen, doch ich behalte es dort, wo es ist. Das habe ich gestern schon genug gesagt. Und was hilft es ihm, wenn ich es wieder sage?

"Hier. Dein Tee." Meilo ist wieder da. Ich habe ihn gar nicht kommen gehört.

"Danke", sage ich leise und lächle ihn an. Sobald er sich wieder neben mich gesetzt hat, ergreife ich seine Hand und drücke sie fest. Meilo wirkt erst leicht verwundert, lächelt dann jedoch ebenfalls.
 

Nachdenklich schlürfe ich meinen Tee, während Meilo und Jeff sich miteinander unterhalten. Ich höre mal wieder nur mit einem Ohr zu.

Was für ein verrücktes Wochenende! Ich würde jetzt nicht behaupten, dass ich mich darauf freue, wenn es endlich vorbei ist, aber ich bin froh, wenn der ganze Trubel herum ist. Nicht, weil es mir hier nicht gefällt, es ist nur, dass ich jetzt gern zuhause wäre, mich in mein Bett legen würde, um in ruhe nachdenken zu können. So viel geistert in einem Kopf herum. "Oder Nic?"

"Was?" Ich drehe den Kopf zu Meilo.

Er schmunzelt und lässt eine Augenbraue nach oben wandern. "Hast du nicht zugehört?"

"Sorry", antworte ich verlegen. "War in Gedanken. … Nichts schlimmes." Meilos Blick spricht Bände. "Was wolltest du mich fragen?"

"Ob ich dir nach dem Frühstück mal die Gegend zeigen soll", möchte er wissen. "Wo ich zur Schule gegangen bin, und all sowas."

"Gerne", erwidere ich und bin sofort Feuer und Flamme. Hier mal wegzukommen hört sich verdammt gut an. Mal einen freien Kopf bekommen und vor allem: Zeit allein mit Meilo, in sicherer Entfernung von seiner Familie oder verhängnisvollen Hochzeitssuiten verbringen.

"Dann zieht euch warm an. Draußen ist es knackig kalt", sagt Jeff und zieht die Schultern hoch.

"Musst du mich jetzt daran erinnern?", brumme ich. Allein die Erwähnung von kalt lässt mich frösteln.

"Nic hasst den Winter", erklärt Meilo seinem Kumpel. "Sogar noch mehr als du." Scheint so, als hätte ich in Jeff einen Leidensgenossen gefunden. Wer hätte das gedacht?
 

Meilo und ich warten noch, bis Jeff fertig gefrühstückt hat. In der Zwischenzeit haben wir auch ausgetrunken und stehen nun mit Jeff vor dem Buffet. "Viel Spaß euch noch", sagt er und umarmt Meilo.

"Du gehst schon?", frage ich nach.

"Ja. Lisa wartet. Ich hole sie bei ihren Eltern ab, dann fahren wir wieder nach Hause."

"Euch alles Gute, und grüße Lisa von mir, auch wenn sie es nicht hören will." Meilo lässt Jeff wieder los, hat jedoch noch immer seine Hand auf dessen Schulter.

"Mach ich", antwortet Jeff ihm. "Und ihr hört auf solche Gesichter zu ziehen, sonst komme ich euch nicht in eurem neuen Heim besuchen, verstanden?"

"Verstanden", sage ich und lächle ihn an.

"Sagt mir Bescheid, wenn ihr das Häuschen habt, ja?"

"Machen wir", verspricht Meilo ihm.

Ein paar Umarmungen später, ist Jeff verschwunden, um seine Koffer zu packen und wir stehen plötzlich bei Meilos Eltern. "Ihr wisst schon, dass man nur in der Hochzeitssuite übernachten darf, wenn man verheiratet ist?", fragt uns Doro umgehend, was mich verlegen meine Schuhe betrachten lässt.

Meilo nimmt das lockerer, legt seinen Arm um meine Schulter und drückt mich an sich. "Das sind wir doch schon so gut wie", meint er plötzlich. Was?!

Meine Verlegenheit ist vergessen. Was redet er da? "Veräpple doch deine Mutter nicht so", sage ich zu Meilo und lache unsicher.

"Tue ich doch gar nicht", sagt mein dusseliger Freund in aller Ruhe und sieht mich unschuldig an. "Wir sind seit gestern verlobt. Schon vergessen?"

Mir bleibt die Spucke weg und mir entgleisen sämtliche Gesichtszüge. Meilo glaubt tatsächlich, das gestern in der Kirche war wirklich eine Verlobung?!

"Na das ist ja ... Großartig!", jubelt Doro und hängt unvermittelt an mir. "Mein Schwiegersohn!" Zusätzlich zu meiner verschwundenen Spucke und dem entgleisten Gesicht, rutscht mir nun auch noch mein armes überbeanspruchtes Herz in die Hose. Was geht hier denn ab?!

Doro zieht als nächstes Meilo an sich und ich bekomme von Eberhard die Hand geschüttelt. Er bricht mir fast alle Knochen dabei, aber wenigstens vergesse ich nicht, ebenfalls fest zuzudrücken, warum auch immer ich in dieser absurden Situation daran denken kann.

"Das muss gefeiert werden!", ruft Doro, doch Meilo bremst sie zum Glück gleich aus.

"Damit warten wir noch. Das ist euer Wochenende und Nics Eltern wissen es ja auch noch nicht." Gibt's hier in der Nähe ein Meer, oder warum rauscht es so laut in meinen Ohren?

"Wenn das so ist, warum machen wir das nicht nach Silvester? An unserer alljährlichen Neujahrsfeier?"

"Gute Idee", findet Meilo den Vorschlag seines Vaters. Ich komme mir derweil immer mehr so vor, als hätte mich gerade ein LKW überrollt. Und alles was ich machen kann, ist zu warten, bis sein Gewicht mich nicht mehr in den Asphalt drückt.
 

Dies ist erst soweit, als ich mit Meilo wieder in der Lobby des Hotels stehe und wir auf den Ausgang zulaufen. "Ziehen wir uns schnell um, dann fahren wir los, ja? Dann machen wir eine Stadtrundfahrt und ich zeige dir alle Orte, an denen ich früher war. Das wird sicher lustig. Bestimmt hat sich eine Menge dort verändert, und ich bin gespannt, ob ..."

"Das gestern war doch keine Verlobung!", unterbreche ich ihn, als ich endlich wieder meine Stimme gefunden habe, und bleibe einfach kurz vor der Hoteltür stehen.

Meilo dreht sich zu mir und sieht mich leicht perplex an. "Natürlich war es das", meint er wieder mit dieser totalen Ruhe, die er eben vor seinen Eltern schon an den Tag gelegt hatte.

"Wie kommst du denn darauf?", frage ich ihn, obwohl ich die Antwort schon kenne.

"Sobald es vollkommen legal wird, willst du mich heiraten. Das hast du gesagt." Ich habe es geahnt. Meilo hat unser Gespräch ernst genommen! Er glaubt, wir seinen ... miteinander verlobt!

"Verdammt", flüstere ich mir selbst fassungslos zu.

Nur leider versteht Meilo das anscheinend falsch. Er guckt auf einmal ziemlich ernst drein. "Verdammt? Ich dachte, du willst es auch."

"Ja schon", in circa hundert Jahren. "Aber es gleich offiziell machen?" Ich werde wirklich nervös. Ist Meilo jetzt sauer? "Es war doch noch gar nichts spruchreif", versuche ich zu schlichten. "Ich dachte, wir lassen uns noch etwas Zeit damit, ziehen erst einmal zusammen und bauen ein gemeinsames Leben auf, aber wir sagen es nicht gleich deinen Eltern. Du hättest mich auch mal fragen können." Langsam wird mir das ganze Ausmaß, das diese ... Sache angenommen hat, bewusst, und spüre einen leichten Druck um meine Kehle herum. Nicht in Panik verfallen, Nic!

"Oh", sagt Meilo leise, als würde er nun auch verstehen, und runzelt die Stirn. "Und jetzt?"

"Wie, und jetzt?", frage ich mit rauer Stimme. Scheiß Druck!

"Soll ich meinen Eltern sagen, dass wir doch nicht verlobt sind?"

"Äh ... Ich weiß nicht." Da bin ich überfragt.

Meilo fängt an zu lachen, was meine Gedanken noch mehr durcheinanderwirbelt. Wie kann der dabei nur lachen? "Ich werde es ihnen irgendwie erklären, und ihnen sagen, dass sie erst einmal kein so großes Fass aufmachen sollen. Aber erst nachher, okay?"

"Und was genau willst du ihnen erklären?", möchte ich gern wissen. Nicht, dass er wieder so einen Durcheinander anstellt.

"Das wir warten wollen, bis aus der Homoehe eine ganz normale Ehe wird, und uns vorher ein gemeinsames Leben aufbauen möchten." Ich nicke erleichtert. Das hört sich gut an. Nicht verneinend, aber es wird ihnen vorerst keinen Grund dazu geben, irgendwelche Hochzeitspläne für uns zu schmieden. Das würde meine Mutter nämlich zum Beispiel tun. Sie darf das echt nicht erfahren! "Wir könnten aber auch nach Irland auswandern und dort sofort heiraten", meint Meilo dann noch.

"Ha ha", grinse ich und schmiege mich an ihn. "Sonst noch Wünsche?"

"Ja, aber die verrate ich dir erst heute Abend, wenn wir ungestört sind ..." Uh! Was das wohl für Wünsche sind? "Das Thema Hochzeit macht dir wirklich Angst, was?", seufzt Meilo in mein Haar.

"Dir nicht?"

"Nicht wirklich. Heiraten ist doch was schönes, solange man den richtigen Partner an seiner Seite hat."

"Du alter Romantiker", kichere ich, und muss an das denken, was Jeff mir vorhin erzählt hat. Irgendwie süß, wenn man es im Nachhinein betrachtet. Meilo ist sich so sicher mit uns, dass er mit mir eine Nacht in der Hochzeitssuite verbracht hat. "Ich liebe dich", wispere ich und hebe den Kopf, um ihn anschauen zu können.

"So sehr, dass du mich heiraten wirst?"

"Fängst du schon wieder damit an?"

Lachend tupft mir Meilo einen Kuss auf. "Ich kann es eben nicht lassen. Der Gedanke, mit dir verlobt zu sein, ist einfach unglaublich schön." Mein Bauch kribbelt heftig. So ein Idiot! Er bringt es auch immer wieder zustande, dass ich mich noch mehr in ihn verliebe. Ungeachtet dieses (nicht mehr ganz so) furchtbaren Hochzeitsthemas.

Aber bei aller Liebe und Verlobungsschmiederrei, eins fehlt noch, um das alles zu besiegeln. "Also wenn wir jetzt schon heimlich verlobt sind, bekomme ich auch einen Ring von dir?" He he. Bin mal gespannt, was er dazu sagt.

"Den hast du doch schon", ist seine höchst verwirrende Antwort.

"Hä? Wo denn?" Ich untersuche meine Hände. Kein Ring.

"Nicht da", lacht er und nimmt meine linke Hand. "Hier." Meilo deutet auf das O in Love auf der Tätowierung an meinem Gelenk. "Schau es dir mal so an." Mein Arm wird so in Position gebracht, dass das Tattoo hochkant zu lesen ist. Und wirklich!

"Das O sieht aus wie ein Ring!", stelle ich fest. "Hast du das etwa geplant?"

"Nicht direkt", schmunzelt er. Ich schiele ihn schief an. "Das war Zufall. Ehrlich! Es fiel mir erst auf, als ich das Tattoo bei dir gesehen habe." Soll ich ihm das einfach so abnehmen?

Sicher ist eigentlich nur eins: "Wir sind verlobt", wispere ich und schaue von der Tätowierung auf in Meilos Gesicht.

"Endlich hast du es geschnallt", lacht er und versiegelt mir die Lippen, bevor ich auch nur ein Wort dagegen sagen kann.

Hinterhältiger Kerl!

Man muss ihn einfach lieben, nicht?
 

***
 

"Ich muss gestehen, es ist richtig schön hier."

"Findest du?"

"Ja. Es war doch eine ganz gute Idee, das hier aus der zu Nähe betrachten."

"Das heißt, du hast mir verziehen, dass ich dich trotz einer fast ein Zentimeter hohen Schneeschicht und Eiseskälte aus dem Auto gezerrt habe?", fragt Meilo mich schmunzelnd.

"Hnn ... Ja. Ausnahmsweise", erwidere ich und lege meinen Kopf auf seine Schultern, während wir langsam über den Hof von Meilos ehemaliger Grundschule schlendern.

"Da bin ich aber froh. Ich dachte schon, ich bekomme dich nur aus der Karre, wenn ich die Klimaanlage anstelle."

Ich rolle mit den Augen. "Für was für eine Mimose hältst du mich eigentlich?"

"Für eine frierende", lacht Meilo und bleibt stehen.

Ich stoppe dadurch ebenfalls, drehe mich um 90 Grad und stehe kurz darauf dicht vor meinem Liebsten. Fest schaue ihm in die Augen. "Dann lass dir mal eins gesagt sein, Mister ich-friere-nie", sage ich. "Im Moment fröstelt es mich kein bisschen." Stolz strecke ich mein Kinn in die Höhe.

Meilo macht dagegen ein übertrieben überraschtes Gesicht. "Ja isses den die Möglichkeit!", schnappt er gespielt nach Luft. "Dir ist nicht kalt?" Ich schüttle den Kopf. "Nicht mal ein klein wenig?" Wieder ein Kopfschütteln.

"Mir ist eigentlich sogar ziemlich heiß", raune ich Meilo zu, reibe mit meinem Daumen über seinen Handrücken und lächle ihn zweideutig an.

"Wie kann denn sowas passieren?"

"Ich glaube, irgendwas ist heute anders. Daran wird es liegen. Wenn ich nur wüsste, was."

"Mir würde da eine Antwort einfallen", sagt er und zieht unsere verschlungenen Hände hoch zwischen unsere Oberkörper.

"Verrätst du sie mir?"

"Hm ... Ich gebe dir einen Tipp." Langsam beugt er sich vor. Ein Kuss folgt. Einer, der es einem so vorkommen lässt, als würden sich Sekunden in Minuten verwandeln. In wundervolle, prickelnde Minuten ...

"Und? Hat der Tipp geholfen?"

"Weiß nicht. Würdest du ihn nochmal für mich wiederholen?"

"So oft du wills..."

"Hey! Ihr da! Was macht ihr hier?" Dahin ist der schöne Moment.

Ich schiele an Meilo vorbei, während dieser sich halb umdreht. Dorthin, wo der störende Ruf herkam.

Ein älterer Mann mit grauem Haar, dicken Winterstiefeln und einer schwarzen, bauschigen Jacke kommt im Stechschritt auf uns zugelaufen. "Der Hausmeister", sagt Meilo. "Das muss der Hausmeister sein."

"Kennst du ihn?"

"Nein. Wir hatten früher einen anderen, glaube ich." Also nix mit Beschwichtigen. Schade, denn so wie der uns anguckt, wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn Meilo ihn kennen würde.

"Was treibt hier ihr? Die Schule ist geschlossen. Macht, dass ihr vom Schulgelände verschwindet." Gott, ist der unfreundlich!

"Entschuldigung", ruft Meilo dem Kerl zu. "Ich wollte meinem Verlobten nur mal zeigen, wo ich früher zur Schule gegangen bin." Oh Meilo! Sagt doch so was nicht! Dein Verlobter! Und das auch noch vor einem wutschäumenden Hausmeister.

Der steht mittlerweile keinen Meter von uns entfernt. Meilos Erklärung scheint ihn kein Stück zu beeindrucken. Eher im Gegenteil. Kein kluger Schachzug von meinem Schatz, mich ihm als seinen Verlobten vorzustellen, denn als er unsere Hände sieht, ist ihm richtig anzusehen, was er von uns hält. "Wir wollten gerade gehen", sage ich aus diesem Grund und schiebe Meilo in sicherer Entfernung an dem grimmigen Hausmeister vorbei.

"Hier wird nicht herumgelungert, verstanden?!", blökt er uns noch nach, dann sind wir auch schon durch das kleine Tor geschlüpft, das vom Gelände führt. In Sicherheit!
 

"Wieso stand dann das Türchen offen?", fragt Meilo. Wohl eher sich selbst, denn ich kann ihm diese Frage nicht beantworten, und der Hausmeister wird es nicht tun, auch wenn er Meilo gehört hätte.

"Ist doch egal", wende ich ein. "Ich habe deine Schule doch gesehen." Ich stupse ihn mit der Schulter an und lächle dabei.

"Ja, schon ...", brummt er. "Aber der Typ hat uns gestört."

"Solange er uns nicht hier oder zuhause stört", gluckse ich und drücke Meilo einen Kuss auf die Wange. "Los! Lass uns zurück fahren, und dann machen wir da weiter, wo uns der böse Hausmeister unterbrochen hat."

"Dein Wort in meines Mutters Ohr", seufzt mein Schatz. "Sobald wir zuhause sind, wird sie uns belagern, dank dem, was ich heute Morgen gesagt habe."

"Dann schleichen wir uns eben ins Haus und passen auf, dass uns niemand erwischt."

"Das klappt nicht! Hat es bei mir noch nie."

"Bei mir schon", gebe ich an. "Ich bin Vollprofi in Sachen, sich bei seinen Eltern unbemerkt einzuschleichen." Gelegenheiten zum Üben hatte ich früher genug. Mehr als genug ... Selige Jugendzeiten.

"Na da bin ich aber gespannt", grinst Meilo und drückt auf den kleinen Knopf an seinem Autoschlüssel.

"Kannst du ruhig." Noch ein Kuss, dann schlüpfe ich ins Auto, wobei Meilo mir ganz Gentlemanlike die Tür aufhält, und dann selbst einsteigt.
 

Ich schaue auf die Uhr. Schon halb zwei durch. "Wir waren lange unterwegs", stelle ich fest. Deshalb herrscht in meinem Bauch so eine gähnende Leere.

"Ich musste dir ja auch viel zeigen."

"Stimmt." Und wie viel er mir gezeigt hat. Es war wie eine dieser Touristentouren, die man in den Großstädten mit Touriebussen machen kann. Beinahe an jeder Ecke hatte er eine Geschichte oder Info für mich parat. Sei es eine Persönliche, oder eine Allgemeine, die er mir natürlich in aller Ausführlichkeit erklären musste. "Und dabei hast du mit deinem ganzen historischen Wissen angeben."

"Ich muss doch bei meinem Verlobten Eindruck schinden", lacht Meilo und gibt Gas. Immer die Hauptstraße entlang, gen Heimat.

"Ist das Pflicht? Bei seinem Verlobten mit Wissen glänzen, welches der Andere nicht hat?"

"Logisch."

"Ah ja", grinse ich frech. "Bin ich jetzt auch mal mit angeben an der Reihe?"

"Von mir aus."

"Wunderbar! Dann mach dich auf einen eins A Vortrag über mein Computerwissen gefasst!" Ich reibe mir die Hände, wohlwissend, dass Meilo über die Einzelheiten meines Programms nicht wirklich begeistert sein wird. Er kann damit nichts anfangen, wie die Meisten meiner Freunde und Bekannten.

Und wie vorausgesagt: "Falls du willst, dass ich beim Fahren einschlafe, dann bitte. Erleuchte mich."

Mit schief gelegten Kopf schaue ich Meilo beleidigt an. Er grinst und begegnet kurz meinem Blick, ehe er sich wieder auf die Fahrbahn konzentriert. "Armleuchter", schnaube ich, natürlich nur aus Spaß.

"In Computerdingen war ich noch nie eine große Leuchte", lacht er. "Ich glänze dafür mit anderen Qualitäten."

"Glänzen?", frage ich skeptisch. "Du meinst viel eher glitzern."

"Das auch", gluckst mein Meilolein und bremst vor einem Vorfahrt achten Schild. "Darin bin ich Experte."

"Ich weiß ... ich weiß ...", seufze ich. "Immer dieser Glimmer ..." Und schon bekomme ich von Meilo dafür eine kleine Retourkutsche. Hinter meinem Ohr wird es nass. "Ih!" Ich boxe leicht gegen Meilos Oberschenkel.

"Ey! Nicht den Fahrer schlagen."

"Du fährst doch gar nicht." Wir stehen immer noch an der Kreuzung und warten bis eine Lücke kommt.

"Doch ... Jetzt!" Meilo gibt Gas. Die Räder drehen durch, der Motor heult auf. Erschrocken halte ich mich am Griff über der Tür fest und mir wird leicht schlecht, weil es ziemlich eng wird, aber zum Glück hat Meilos Schlitten genügend PS, um heile auf die anderen Fahrspur zu kommen. Dafür bekommen wir vor den anderen Autofahrern ein begeistertes Hupkonzert zu hören.

"Du fährst wie ein Henker", japse ich und löse meine Finger vom Haltegriff. Meilo lacht und legt noch einen Zahn zu. Wollen wir mal hoffen, dass kein Blitzer am Straßenrand auf uns wartet und dass die Fahrbahn gut gestreut ist.
 

Sie muss es gewesen sein, denn wir kommen ohne Unfall, oder einer Schlitterfahrt gegen den nächsten Baum, bei den Haugs an.

Ich bin so froh und erleichtert, dass wir unbeschadet aussteigen können, dass ich sogar die Herde Wolfshunde freudestrahlend begrüße, die bellend auf uns zugelaufen kommen. "Daisylein! Komm!" Die Hundedame hört umgehend auf Meilos Ruf und klebt regelrecht an seiner Seite, als wir das Haus betreten. Die Anderen flitzen an uns vorbei und laufen aufgeregt in die Küche.

"Wollten wir nicht eigentlich leise ins Haus schleichen?", frage ich Meilo und hänge meine Jacke an der Garderobe auf. "Ist ja wie auf einem Viehtrieb, wenn die an einem vorbei heizen." Und mindestens genauso laut.

"Pass lieber auf, dass du nicht unter ihre Hufe kommst", scherzt er. "Ich brauche dich nämlich noch." Sein Zeigefinger stupst gegen meine Nasenspitze, dann verzieht er sich auch in Richtung Küche. Mit einem Lächeln im Gesicht folge ich ihm. Müssen wir uns eben nachher ungesehen davonstehlen. Irgendwie wird das schon klappen.

"Na? Wie war die Tour?", begrüßt uns Doro, die in einem der Küchenschränke herumkramt.

"Wirklich sehr informativ", gebe ich zur Antwort und setzte mich neben Meilo, der schon am Küchentisch sitzt und Daisy krault, die es sich auf den Hinterpfoten sitzend zwischen seinen Beinen bequem gemacht hat und genießend die Augen zukneift. So ein glücklicher Hund.

Doro lacht und stellt einen Stapel Tupperdosen* und zwei Rollen Alufolie auf den Tisch. "So ist Meilo. Der kann dir alles erzählen, was hier in der Gegend früher passiert ist. Er ist ein wandelndes Geschichtslexikon."

"Oh, das weiß ich!", lache ich, während Meilo ihr ein müdes Lächeln schenkt.

"Falls ihr noch Hunger habt Jungs, dann kommt mit rüber ins Hotel. Ich will die Reste einpacken und jedem etwas mitgeben." Deswegen die ganzen Plastikboxen und die Folie.

"Gern", nicke ich. Mein Magen knurrt leise. Das Frühstück ist schon viel zu lange her.

"Dann helft mir mal schleppen." Doro fängt an, die Dosen in ein paar Körbe zu verteilen.

Wir stehen auf und helfen mit. "Du Mama? Wegen vorhin nochmal", spricht Meilo seine Mutter dabei an. Ich kann mir denken, was nun kommt. Wir haben ja noch etwas zu klären.

"Ja?"

"Wegen der Verlobung, also ..."

"Ach ja genau!", unterbricht sie ihn aufgeregt. "Papa und ich haben uns vorhin darüber unterhalten. Was haltet ihr davon, wenn wir die Feier auch im Gewächshaus machen? Das Hotel ist noch zu, wir könnten die Stühle und Tische stehen lassen und eure Verlobung im Januar richtig feiern. Wie wäre das?"

"Ähm ... Ganz gut, aber ..."

"Toll! Dann überlege ich mir schon mal, wie wir das am besten angehen, und ihr sagt mir, wie viele Leute ihr einladet. Dann ..."

"Stopp mal!", ruft Meilo dazwischen. Ich klammere mich vor lauter Panik an einer der Tupperdosen fest.

Heiliges Lottchen! Meilos Eltern nehmen diese Verlobungssache richtig ernst! Hoffentlich werden sie nicht enttäuscht darüber sein, dass wir darum gar keinen großen Wirbel veranstalten wollen, geschweige denn, gleich eine Party auf die Beine stellen.

"Wir wollen keine Verlobungsfeier", beichtet Meilo ihr auch sogleich.

"Doch keine Feier?", fragt Doro perplex.

"Keine Feier", wiederholt Meilo und atmet tief durch.

"Wieso? Seid ihr doch nicht ...?"

"Doch, aber ich hab mich heute Morgen vielleicht nicht ganz klar ausgedrückt." Meilo schmeißt die Dose, die er gerade in der Hand hat, in einen der Körbe. "Wir wollen das noch nicht an die große Glocke hängen. Und es braucht auch noch nicht jeder zu wissen, ja?"

"Oh", sagt sie und lässt die Schultern hängen. "Das kommt jetzt etwas zu spät." Wie, zu spät?

"Wie, zu spät?", stellt Meilo meine Frage laut, als hätte er meine Gedanken gelesen.

"Nun ja. Die Anderen wissen es bereits. Ich habe es ihnen allen erzählt." Oh Verdammt!

"Mama! Ich habe doch gesagt, du sollst es keinem sagen!"

"Was denn? Ich war so glücklich darüber." Sie guckt ganz geknickt. Meilo seufzt laut und ich kratze am Plastik des Dosendeckels herum. "Wie habt ihr euch das denn sonst vorgestellt?", will Doro von uns erklärt haben, und setzt sich auf einen der Küchenstühle.

Wir machen es ihr nach und schieben die Körbe erst einmal beiseite. "Bis jetzt noch gar nicht", meint Meilo und sieht mich verzeihend und flehend an. Das kann er sich aber so was von schenken! Ich mustere das Geflecht eines der Körbe und lasse ihn das mal schön selbst erklären. Er hat uns die Suppe schließlich eingebrockt.

Doro lehnt sich auf dem Stuhl zurück, was ihn leise knarren lässt, und sieht uns abwechselnd an. "Warum hast du es und denn dann überhaupt gesagt, wenn ihr beide euch noch nicht einig seid?"

"Wir sind uns einig!", japst Meilo. Am liebsten würde ich sagen, dass wir das nicht sind, nicht direkt jedenfalls, aber so gemein bin ich dann doch nicht. Und irgendwie sind wir uns ja auch einig. "Es ist nur, dass wir noch warten wollen."

"Weil ihr noch nicht lange zusammen seid? Ist es deswegen?"

"Ähm ..."

"Wisst ihr, Eberhard und ich haben das vorhin auch schon ausdiskutiert." Sie haben was?! "Ihr seid schließlich noch nicht mal ein halbes Jahr lang zusammen." Mein Herz beginnt zu rasen und mir wird leicht übel.

Finden Doro und Eberhard etwa, dass es zu früh für eine Verlobung ist? Denken sie, das mit ihrem Sohn und mir sei was Kurzlebiges? Glauben sie, die Verlobung wäre zu voreilig? Wollen sie mich nicht als Schwiegersohn? Bin ich ihnen nicht gut genug? ... Mögen sie mich gar nicht?! "Aber wir wir sind schnell zu dem Schluss gekommen das, wenn ihr euch sicher seid, euch liebt und zusammen sein wollt, dann ist es doch egal, wie lange oder wie kurz ihr euch kennt. Dann kann es niemals zu früh sein, für immer mit dem Anderen zusammen sein zu wollen. Falls ihr euch darüber Gedanken macht, hört auf damit und tut das, was euch euer Herz sagt." Ich blinzle einige Male und lasse Doros Worte in meinem Kopf nochmal Review passieren.

Scheiße! Wir sollen auf unser Herz hören? Das arme Ding ist mir eben fast stehen geblieben, als ich mir ausgemalt habe, Meilos Eltern würden in Wirklichkeit Bedenken wegen unserer Verlobung haben! Ich hatte wirklich Angst, dass sie Meilo jetzt sagen würde, wir sollten es uns nochmal überlegen. Und das machte mich plötzlich wütend. Wütend und trotzig. Und dann wurde es mir bewusst: Das Verlobungsding ist mir wichtig! Echt! Ohne Scheiß! Ich hab mich an den Gedanken gewöhnt, mehr noch: Ich finde den Gedanken schön! Und das in so kurzer Zeit.

Furchteinflössend, nicht?

"Daran liegt es nicht, dass wir noch warten möchten", meint Meilo.

Ich schaue rüber zu ihm, und in meinem Bauch breitet sich dieses wundervolle warme Kribbeln aus, dass mich so oft überkommt, wenn wir zusammen sind. Doch diesmal scheint es noch stärker zu sein, als normal. Jeffs Worte kommen mir in den Sinn. Hat er Recht gehabt? Fühlt es sich wirklich intensiver an? Irgendwie schon ...

"Und wieso wollt ihr sonst warten?", höre ich Doro fragen.

"Bis auch wir wie ein ganz normales Paar vor den Altar treten können", antworte ich an Meilos Stelle und schenke ihm ein kleines Lächeln, als er mich daraufhin anschaut.

'Mein Verlobter', denke ich. Ein Gedanke, der mir immer besser gefällt.

Doro schaut uns für ein paar Momente lang fragend an, doch dann zeichnet sich die Erkenntnis auf ihrem Gesicht ab. "Ach so!", schnauft sie. "Warum habt ihr das denn nicht gleich gesagt?"

"Das frage ich mich auch", grinse ich. "Meilo war anscheinend zu voreilig."

"Das war er schon immer. Erst reden, dann denken. Inzwischen hat sich das gebessert, aber damals trug er sein kleines Herz direkt auf der Zunge." Ich fange an zu lachen, weil ich mir das so gut vorstellen kann, als stünde klein plapper-Meilo gerade vor mir.

"Lacht mich doch aus!", grantet mein Schatz beleidigt.

"Das tun wir doch gar nicht", kichere ich. "Wir lachen mit dir!"

"Ja genau. So seht ihr aus."

"Nun ist er beleidigt", amüsiert sich Doro und steht auf. "Komm Niclas. Bringen wir die Dosen rüber ins Hotel. Dann kann Meilo in Ruhe vor sich hinschmollen."

"Gute Idee", finde ich und stehe auch auf.

Wir schnappen uns je einen Korb und marschieren los. "Ey! Wartet doch auf mich!" Doro und ich werfen uns grinsend Blicke zu, und kommen zur stummen Übereinkunft, dass wir nicht stehen bleiben, um auf unseren leicht trotteligen Meilo zu warten. Er wird uns schon einholen. Er muss nur ordentlich aufs Gas treten. Dass er das kann, weiß ich nur zu gut.
 

******
 


 

* Tupperdosen? Nein! Das Wort kennt mein Rechtschreibprogramm nicht. Es meint, ich wollte Erregerdosen schreiben xD

Love bite 51 - Spiele

Na? War ist Nikolaus heute auch schön brav zu euch gewesen ;P

Zu mir war er es, denn mit dem heutigen Kapitel sind wir wieder auf Stand xD Also nicht wundern, wenn morgen kein Kapitel kommt ^^

Ansonsten wünsche ich euch viel Spaß mit dem nächsten Kapitel und noch einen schönen Nikolaustag. :-*
 


 

Love bite 51 - Spiele
 

"Woha!" Schnaufend lande ich mit dem Rücken voran auf der Matratze. "Das war ... das war gar nicht ... mal so ... schlecht!" Ich fühle mich noch immer so, als würde ich langsam fallen und mich dabei gemächlich um die eigene Achse drehen.

"Danke", pustet Meilo, der neben mir liegt. "Äh ... Warte ... Gar nicht mal ... so schlecht?"

Lächelnd öffne ich die Augen und sehe die holzvertäfelte Zimmerdecke über mir. Das drehende Gefühl ebnet langsam ab. "Ja ... Der Verlobungssex", erläutere ich. "Er ist anders."

"Schlechter?"

Ich schüttle den Kopf, lache leise und drehe mich zu Meilo. Hat er eben nicht richtig zugehört? "Schlechter? Warst du gerade nicht dabei?" Ich meine hallo?! Hat er etwa nicht mitbekommen, dass ich ohne einen Handgriff davongeflogen bin? Ingo würde mich wieder beglückwünschen.

"Weiß nicht ..."

"Du weißt es nicht?" Ich bin zwar völlig erledigt, aber ich kann nicht mehr ruhig liegen bleiben und setze mich auf, um Meilo besser anschauen zu können.

Er liegt mit geschlossenen Augen auf dem Rücken, die linke Hand auf seinem Bauch, der sich schnell hebt und senkt. "Nicht genau", murmelt er. "Ich war hin und wieder wo anders." Das Gefühl kenne ich.

Kichernd lege ich meinen Kopf auf seine Brust. "Oh du warst da", bezeuge ich. "Ich habe dich ganz deutlich gespürt …"

"Wenn du das sagst", schmunzelt er abgehakt.

Meine Hand hat sich derweil auf seine gelegt. Unsere Finger spielen miteinander. Meilos Haut ist noch ganz feucht. Ich drehe leicht meinen Kopf und lasse meine Lippen über die salzigen Perlen gleiten. Wieder seufzt Meilo und räkelt sich schnurrend.

Plötzlich bäumt er sich auf und noch bevor ich es begreife, liege ich unter ihm. "Sollen wir eine zweite Runde einläuten?", fragt er mich glucksend.

"Jetzt schon?" Ich bin noch fertig genug von der Ersten!

"Warum nicht?"

"Kannst du etwa schon wieder?" Bei aller Liebe, aber das glaube ich weniger.

"Ich könnte schon …"

"Könnte, oder können?", hake ich nach. Könnte ist schließlich was völlig anderes als können.

"Hn … Wir müssen ja nicht gleich in den Ring steigen", meint mein liebestoller Freund und grinst mich lüstern an.

"Ding, ding", hauche ich und schnappe nach seinen Lippen.

"Was heißt hier ding?", kichert Meilo. "Heißt das nicht 'piep-piep'?"

Ich fange an zu lachen und schüttle den Kopf. "Nein. Piep-piep gabs vorhin. Ding, ding machen wir jetzt." Meilos ratloser Blick lässt mich noch lauter lachen. "Komm her. Ich zeige dir den Unterschied." Ich schlinge meine Arme um seinen Nacken und ziehe ihn zu mir runter.

Ich liebe es, nach dem Sex mit Meilo noch ein wenig herumzuschäkern. Seine Nähe und Liebe zu spüren, seine Wärme und das noch immer leichte Pulsieren des eben erlebten Höhepunktes dabei zu fühlen. Es ist einfach zu schön … Und es könnte auch noch lange so schön bleiben, wäre da nicht dieses Kratzen zu hören, dass uns bald schon wieder auseinander treibt.
 

"Was ist das?", will ich wissen und schaue rüber zur Zimmertür, von wo das Kratzen offenkundig herkommt.

"Daisy", seufzt Meilo. "Sie will wieder ins Zimmer."

"Aber wir haben sie doch erst raus gelassen." Meilos Mutter war mit den Hunden draußen, was uns sehr gelegen kam. Ohne Hund im Bett hat man ja so viel mehr Platz.

"Das war vor zwei Stunden", sagt Meilo grinsend.

"Zwei Stunden?" So lange kam mir das gar nicht vor. "Wie die Zeit vergeht, wenn man am piepsen ist."

Meilo erhebt sich lachend. "Leider viel zu schnell. Ein bisschen mehr Zeit zum Dingsen hätte noch drin sein können." Er schlüpft in seine Shorts und auch ich gehe auf die Suche nach meiner. Sie gefunden, ziehe ich sie mir im Liegen an.

"Dann kennst du den Unterschied nun?", frage ich ihn und decke mich wieder zu. Es ist kühl hier drinnen, fällt mir nebenbei auf.

"Inzwischen ja. Du hast ihn mir sehr anschaulich erklärt." Meilo öffnet die Tür und schon kommt Daisy ins Zimmer geschneit. Im wahrsten Sinne. Ihr Fell glänzt vor lauter Wasserperlen. "Oh nein! Hat dich denn keiner abgetrocknet?" Wie auf Kommando schüttelt sie sich und verteilt den geschmolzenen Schnee auf Meilo. "Ih!" Ich grinse in die Bettdecke hinein, die ich mir bis zur Nase gezogen habe. "Ich geh schnell ein Handtuch holen", brummt mein feuchter Schatz und sucht das Badezimmer auf.

Ich gähne derweil herzhaft und drehe mich auf die Seite. Schön in die Decke gekuschelt, schließe ich die Augen. Leise Tapsgeräusche ertönen. "Wehe, du hüpfst aufs Bett. Mach Platz Daisy", nuschle ich, doch die Hundedame hört nicht und hechelt mir in den Nacken. "Sitz!" Das Hecheln hört auf. Ruhe. Zufrieden mit meinen Hundedressierkünsten, presse ich mein Gesicht ins Kopfkissen und atme Meilos Duft ein. Hoffentlich legt er sich nochmal zu mir ins Bett. Wir haben ja noch ein bisschen Zeit, bis wir losfahren müssen. Dingsen kann man auch mit Hund im Zimmer, und vielleicht können wir ja noch … "AH!" Es rummst, das Bett wackelt und etwas landet auf meinen Beinen.

Vor Schreck sitze ich kerzengerade im Bett und schaue direkt in ein nasses, hechelndes Hundegesicht. "Daisy!" Der Köter ist einfach auf mich gesprungen! "Runter!" Ich versuche Daisy von mir zu schieben, doch es klappt nicht. Das Einzige, dass passiert, ist, dass ich nur ein langes, nasses und kaltes Fell betatsche. Keine schöne Sache. "Och Mensch Daisy! Geh endlich runter! Du machst alles nass!" Sie gibt eine Art leises Knurren von sich, das allerdings eher verspielt, als bedrohlich klingt. Kaum habe ich das gedacht, setzt sich der Koloss endlich in Bewegung, nur zu meinem Pech nicht runter auf den Boden, sondern weiter auf mich zu. "DAISY!!!"

Nasses Hundefell über mir, eine noch nassere Hundeschnauze auf meinem Gesicht. HILFE! "Was macht ihr denn da?" Meilo! Endlich!

"Hol sie runter von mir!", rufe ich, drücke und schiebe, aber das scheint Daisy nur noch mehr anzustacheln. Doch ein Pfiff von Meilo, und der Köter hört.

"Komm her, Süße. Runter von meinem Mann." Daisy verschwindet und ich kann wieder durchatmen. Die Erleichterung darüber hält jedoch nicht lange an. Ich klebe, bin feucht und rieche bestimmt nach Hundesabber.

"Ich bin in der Dusche", krächze ich, pflücke die Bettdecke von mir und steige aus dem Bett. Als ich an Daisy vorbeigehe, werfe ich ihr einen bösen Blick zu. "Böser Hund. Ganz, ganz böser Hund", schnaube ich und sehe zu, dass ich ins Bad komme. Hinter mir höre ich Meilo kichern. Na danke auch!
 

In der Dusche strecke ich erleichtert den Kopf gen Wasserstrahl. Herrlich! Hundesabber ade.

Das warme Wasser weckt endgültig wieder all meine Lebensgeister. Nach dem turbulenten Beginn des Tages ist das auch gut so. Eigentlich dachte ich ja, die Aufregungen hätten mit dem gestrigen Tag erst einmal geendet, aber dem ist wohl nicht so. Daisy war anscheinend der Meinung, dass ich noch nicht genug davon hatte. Dabei verlief der Abend gestern so schön.

Alle Gäste waren alle bis zum frühen Abend abgereist. Die Verabschiedung von allen war mindestens so chaotisch wie davor die Begrüßung. Mit vielen von ihnen tauschte ich meine Handynummer aus, mit dem Versprechen, alle auf dem Laufenden zu halten, was unsere Hochzeitspläne angeht. Ich habe bloß genickt. Zu erklären, dass diese Pläne wohl erstmal ungeplant bleiben, wäre zu aufwendig gewesen.

Sebastian, der das Hotel schon wieder auf Vordermann gebracht hatte, hatte sich danach auch auf dem Weg gemacht, und zur Feier des Tages gab es zum Abendessen ganz schlicht Pizza vom Lieferdienst, die wir uns zu viert im Wohnzimmer schmecken ließen.

Lediglich unser Plan, uns ungesehen vom Acker zu machen, hatte nicht hingehauen. Und als wir endlich alleine im Bett lagen, schliefen wir auch schon ein, noch bevor unsere Köpfe überhaupt das Kopfkissen berührt hatten. Es war aber auch ein anstrengendes Wochenende gewesen.

Tja, aber dafür hatten Meilo und ich heute Morgen endlich Zeit für uns, nachdem Doro Daisy aus Meilos Zimmer gelockt hatte.

Aber so schön es danach auch wurde, es ist schade, dass es schon wieder vorbei ist. Eine Stunde Dingsen hätte doch sicher noch drin sein können.

"Nic?"

"AH!" Ich pralle vor Schreck gegen die kalte Duschwand. "Meilo! Fuck!" Wo kommt der denn plötzlich hier? Mein Herz rast, so erschrocken bin ich.

"Alles klar bei dir?", fragt er mich doch allen ernstes und steht vor der Dusche, die Glastür aufgeschoben und starrt mich unschuldig mit seinem Dackelblick an.

"Ob alles klar ist?", krächze ich. "Du hast mir einen Scheiß-Schrecken eingejagt!"

"Sorry." Sorry? Mehr hat er dazu nicht zu sagen?

"Wie kommst du überhaupt hier rein? Ich hab doch die Tür abgeschlossen." Oder etwa doch nicht?

"Ich habe so meine Tricks", grinst er rotzfrech und leckt sich über die Unterlippe. "Besonders, wenn ich weiß, was auf der anderen Seite der Tür auf mich wartet ..."

"Oh wage es nicht", zische ich ihn an, als ich sehe, wie er die Dusche betritt.

"Nicht? Seit wann verbannst du mich aus der Dusche?"

"Seit du dich hinterrücks an mich heranschleichst!" Mit den Händen schaufle ich einen Schwall Wasser Richtung Meilo, doch dem macht das nichts aus. Er steigt aus seiner Unterhose und lässt sie vor der Duschkabine auf das ausgelegte Handtuch fallen.

"Du willst mich nassspritzen?"

"Ich will nicht nur", sage ich. "Ich hab's schon getan, und ich werde es wieder tun."

"Ach ja?"

"Ja!" Ich greife mir die abnehmbare Brause, während Meilo die Glastür zuschiebt. "Raus!"

"Niemals!"

"Dann nimm das!"

Schreiend und lachend rangeln wir miteinander um den Duschkopf. Vielleicht ist das keine sonderlich gute Idee bei dem rutschigen Boden. Naja, wir stehen sowieso keine Minute später aneinandergepresst an die Duschwand gelehnt und rauben uns gierige Küsse. Die Brause ist derweil auf dem Boden gelandet und braust unsere Füße ein.

"Und? Wer hat das Duell gewonnen?", haucht Meilo gegen meine Lippen.

"Unentschieden", beschließe ich.

"Ich darf also bleiben, und mit dir duschen?"

"Ausnahmsweise." Bin ich nicht zu gütig?
 

***
 

Ich muss sagen, nach den ganzen Aufregungen gestern und heute Morgen, verlief das Frühstück völlig tiefenentspannt. Das hat höchstwahrscheinlich daran gelegen, dass keiner Gäste mehr hier waren, und wir somit ganz in Ruhe und ohne Hast am Küchentisch sitzen konnten. Richtig wohltuend.

Deshalb summe ich ganz gelassen vor mich hin, als ich meinen kleinen Reisekoffer für die Rückfahrt packe. Daisy schaut mir dabei gelangweilt zu. Den Kopf auf die ausgestreckten Vorderpfoten gelegt, hat sie es sich neben Meilos Bett bequem gemacht. "Tut es dir nicht weh, sie hier zu lassen?", frage ich Meilo, der ebenfalls packt.

"Ich kann sie ja schlecht mit auf Tour nehmen", antwortet er mir. "Und auch wenn ich sie gern bei mir hätte, hier ist sie besser aufgehoben."

"Das hast du schon mal gesagt", erinnere ich mich.

"Wieso fragst du dann?"

"Nur so." Ich zucke mit den Schultern.

Meilo stutzt. "Sag bloß, du magst Daisy." Bei ihrem Namen hebt die große Hündin ihren Kopf. Ich beuge mich runter und tätschle sie kurz, was sie entspannt die Augen schließen lässt.

"Ich habe nie gesagt, dass ich sie nicht mag", verteidige ich mich.

"Also wenn das so ist ..." Meilo stellt sich hinter mich. Seine Arme legen sich um meinen Bauch und sein Mund streift meinen Hals. Nun bin ich derjenige, der entspannt die Augen schließt. Wie schön ... "Daisy! Komm her!" Hä?!

Krallen kratzen über den Boden. Ein dumpfes Knurren. Und noch bevor ich ausweichen kann (Meilo hält mich gemeinerweise fest), springt Daisy an mir hoch. Hundesabber! "Ah!" Jetzt kann ich gleich noch einmal duschen gehen!

Meilo lacht sich einen Ast, nachdem ich es irgendwie geschafft habe, den Hund wieder von mir wegzubekommen. "Das war nicht witzig!", pampe ich ihn an und wische mir mit dem Armrücken übers Gesicht. Daisy steht noch immer vor mir und wedelt freudig mit dem Schwanz. Ihr hat das Spiel fast genau so gut gefallen wie ihrem noch immer lachenden Herrchen.

"Doch. War es", kichert Meilo hinter mir auch gleich zur Bestätigung. Als Antwort darauf verpasse ich ihm einen Stupser mit dem Ellenbogen. "Uh. Ich liebe es, wenn du zickig wirst."

"Ich bin nicht zickig."

"Wenn du meinst ..." Boha!

Ich drehe mich blitzschnell zu ihm herum, packe mir sein dümmlich grinsende Gesicht und presse meine Lippen auf seine. Daisy bellt aufgeregt und umrundet uns ein paar Mal neugierig. Mit einem lauten Schmatz endet meine Knutschattacke. "Na?", lache ich. "Hundesabber im Gesicht ist lustig, nicht?"

Meilo zieht die Nase hoch. "Das gibt Rache", wispert er.

"Wann und wo?"

"Daisy? FASS!"

"Nein!"
 

Daisy hat mich natürlich nicht tollwütig angesprungen. Sie hat lediglich ihren Kopf zwischen uns geschoben, als wolle sie sagen: Ja und jetzt? Wie geht das Spiel weiter?

Das Spiel ging insofern weiter, in dem wir unsere Koffer schon mal nach unten schleppten und uns danach in die Küche begaben, wo wir nun vor der Arbeitsplatte stehen und Gemüse schnippeln. Doro hatte uns heute Morgen das Versprechen abgerungen, noch wenigstens bis zum Mittagessen zu bleiben. Ich hatte keine Einwände dagegen, alles hing von Meilos Terminen ab. "Wenn wir schnell essen, habe ich nichts dagegen." Beschlossene Sache.

"Niclas? Bist du fertig mit den Zwiebeln?"

"Ja", schniefe ich.

"Heulst du?", fragt Meilo, der neben mir steht.

"Nein."

"Und wie du heulst."

"Hör auf zu kichern! Die Zwiebeln sind scharf", meckere ich ihn an.

"Nicht das Einzige, das scharf ist", säuselt er und zwinkert mir zu.

"Während der Arbeit wird nicht geflirtet!", schreitet Doro ein und nimmt mein Schneidebrettchen mit den Zwiebeln an sich.

"Ich flirte doch gar nicht", wendet Meilo ein.

"Und ich bin Mutter Theresa. Sind die Karotten geschnitten?"

"Gleich."

"Gleich? Mach mal ein bisschen schneller!"

Ich kichere leise. "Was gibt es da zu kichern?", mault mich mein Schatz an. Ich mach es wie er eben, und zwinkere ihm zu. Das zaubert ihm ein süffisantes Grinsen ins Gesicht.

"Himmel! Macht euch schon vom Acker. Ich schaffe den Rest auch selbst", meint Doro plötzlich und drängelt Meilo weg von seinem Schneidebrett. "Ohne euch geht es mit Sicherheit schneller."

"Sicher Mama?", fragt Meilo kleinlaut.

"Ganz sicher. Geht raus spielen." Schon wieder spielen? "Und nehmt die Hunde mit!"

"Machen wir", freut sich mein Spinner-Freund, schnappt sich meine Hand und zieht mich raus aus die Küche. Moment mal!

"Raus? In den Schnee?"

"Aber sowas von", lacht Meilo und zieht seine Jacke über.

"Ich will aber nicht!"

"Die Hunde müssen raus."

"Dann lass sie raus und wir bleiben im Warmen", jammere ich. Die Aussicht auf Schnee und Kälte lassen mich jetzt schon zittern.

"Stell dich nicht so an. Das macht Spaß!"

"Jippie", brumme ich mürrisch.

Meilo legt den Kopf schräg und kommt auf mich zu. "Ich geh schon mal vor." Unbarmherzig drückt er mir meine Jacke in die Hand und scheucht die Hunde auf.

Wuselndes graues Hundefell, zwischendrin mein Melio, und alle wollen gleichzeitig durch die Haustür. Bis alle draußen sind, bin ich allein schon von der kalten Luft, die zu mir rüberweht, halb erfroren. "Warum immer ich", seufze ich und füge mich in mein Schicksal. Ich hasse Schnee!
 

***
 

Schal, Mütze, Handschuh, dicke Schuhe. So stehe im abgezäunten Garten hinter dem Haus der Haugs. Der Schnee reicht mir bis zu den Knöcheln. Wenigstens scheint die Sonne, wenngleich sie es kaum fertig bringt, mich zu wärmen.

"Da bist du ja endlich!", lacht Meilo laut und rangelt mit Daisy um einen alten Lumpen. Keine Ahnung, wer am Ende gewinnt, aber wenn ich tippen müsste, würde ich auf Daisy wetten. "Komm her!", ruft Meilo mir zu.

"Nein!"

"Los jetzt! Wenn du da stehen bleibst, erfrierst du noch!"

"Bin ich schon längst." Meine Fußzehen werden schon jetzt taub.

"Oh du Weichei!" Meilo lässt den Lumpen los. Die siegreiche Wolfshündin schmeißt sich in den Schnee, legt ihre Vorderpfoten drauf und macht sich daran, den Lumpen noch mehr zu zerfleddern. "Soll ich erst wieder Daisy auf dich hetzen?"

"Bloß nicht!"

"Dann komm zu mir!"

Ich seufze laut. "Na gut." Hab ja nichts besseres zu tun.

Mühsam suche ich mir einen Weg durch die weiße Hölle und versuche dabei auf dem schon platt getretenen Schnee zu laufen. Das klappt auch ganz gut bis "Treffer!"

"Hey!" Meilo hat einen Schneeball nach mit geworfen! Er hat mir mitten auf der Brust erwischt. "Was soll das?"

"Nach was sieht es denn aus?", gackert Meilo und formt schon wieder den nächsten Schneeball.

"Lass das! Das ist nicht witzig!"

"Und wie witzig das ist!"

"Wehe!" Ich strecke die Arme hoch. "Du wirst doch keinen unbewaffneten Mann beschießen?"

"Unbewaffnet?" Ich nicke heftig, während Meilo dasteht und den Schnee weiter formt. "Deinen Waffen konnte ich noch nie widerstehen."

"Wa.. Ahhmpf!"

"Hahhaa!" Dieser Schweinehund! Er hat mich mitten im Gesicht getroffen!"

"Na warte!", krächze ich und spucke Schnee. "Dir zeig ichs!" Der bekommt gleich die Schneeabreibung seines Lebens!
 

Schneebälle fliegen, Hunde jagen ausgelassen bellend umher, lautes Lachen und Schreien wird von den hohen Bäumen zurückgeworfen. Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass ich jemals wieder bei einer Schneeballschlacht mitmachen würde! Doch Meilo hat es geschafft. Ich renne durch dieses furchtbare weiße Zeug und habe sogar noch Spaß dabei.

"Bleib stehen!", rufe ich Meilo hinterher, der soeben vor mir die Flucht ergriffen hat.

"Nie im Leben!", lacht er und rennt weiter. Warum? Weil ich mit meinen Armen eine Riesenkugel zusammengeformt habe, und sie ihm nun großzügigerweise schenken möchte. Vorzugsweise direkt in sein Gesicht.

"Du wolltest doch Schnee!"

"Aber nicht so!"

"Wie dann?" Endlich bleibt er stehen und dreht sich zu mir um. Er atmet schwer, grinst allerdings. Seine Wangen sind ganz rosig.

"Lass den Haufen fallen, dann antworte ich dir", sagt er keuchend. Ich überlege kurz. Ich kann ihn ja nachher wieder zusammensammeln.

"Gut!", rufe ich und breite die Arme aus. Mit einem dumpfen fump landet er auf dem Boden. "Sprich."

"Also ...", japst er und stampft auf mich zu. "Schnee ist ja auch toll. Aber in Maßen."

"In Maßen?"

"Ja. Hier ein bisschen, dort ein wenig. Aber nicht ein ganzer Haufen davon. Allerdings ..."

"Allerdings?" Er ist fast bei mir angekommen.

"Allerdings gibt es eine Ausnahme."

"Und die wäre?" Ich bekomme ein ungutes Gefühl. Ich sehe doch, dass er was ausheckt.

Laut ausatmend bleibt er vor mir stehen. "Du willst es wirklich wissen?"

"Ich weiß nicht ...", überlege ich. Der führt hundert pro was im Schilde.

"Nicht? Aber die Antwort wird dich überraschen."

"Inwiefern?"

"Insofern, dass du ..." Meilos Hände legen sich auf meine Taille. Ich ahne Furchtbares. "Vor Freunde schreien wirst, wenn ich dir das verrate!", lacht Meilo überschwänglich und packt mich.

"Was? …" Meine Füße heben ab. "Nein! Meilo! Nicht!"

"Oh doch mein Lieber."

"Lass mich runter! Meilo! Bitte!" Ich strample mich vergebens ab. Er wird mich nicht loslassen. Nicht, bevor ich unter ihm im Schnee liege. "Meilo!" Sein Lachen wird immer lauter. "Nicht!"

"Runter mit dir!"

"Nein!" Meilo landet auf den Knien, und keine Sekunde später liege ich auf dem Rücken. Schnee unter und neben mir, Meilo postwendend auf mir.

Ich schlage halbherzig auf seine Brust ein. "Ich werde nass!", jammere ich und spüre im selben Moment, wie meine Jeans am Hintern feucht wird.

"Genau das will ich ja", kichert mein dämlicher Freund.

"Wieso?"

"Weil ich dich dann gleich wieder ausziehen kann."

"Na das hättest du auch einfacher haben können", bibbere ich.

"Ach sei ruhig." Das hat er gerade nicht wirklich gesagt, oder?
 

Ich will ihn deswegen ordentlich den Marsch blasen, doch es kommt ganz anders. Meilo versiegelt mir die Lippen und hindert mich auf diesem Wege daran, ihn anzuschnauzen.

Ein höchst geschicktes Manöver. Auf diese Weise vergesse ich beinahe, warum ich eigentlich sauer auf ihn bin, ja sogar, dass ich im Schnee liege.

Als der Kuss allerdings zwecks Luftmangels wieder endet, werde ich mir meiner Lage wieder bewusst. Inzwischen ist die gesamte Unterseite meiner Jeans pitschnass und fühlt sich an, als stecke mein Hintern in einer Kühltruhe. "Du bist ein riesiger Idiot", hauche ich.

"Bin ich das?" Ich nicke und setze eine ernste Miene auf. "Wieso bist du denn die ganze Zeit über so schlecht drauf?"

"Bin ich nicht."

"Doch, bist du. Seit Daisy heute Morgen ins Zimmer gekommen ist. Ich dachte, ich hätte das unter der Dusche wieder gutgemacht."

"Mittlerweile hast du wieder genug zum Gutmachen gesammelt", kläre ich ihn auf. "Angefangen bei einer trockenen Hose für mich."

"Dabei helfe ich dir doch immer gerne."

"Ha ha."

"Was denn?"

"Meine gesamten Klamotten sind schon im Koffer, vergessen? Jetzt darf ich alles wieder auspacken."

"Es gibt schlimmeres", schmunzelt Meilo.

"Stimmt. Zum Beispiel, dass einem die Eier abfrieren, weil man zu lange im Schnee liegt." Ich rutsche mit meinem Gesäß leicht hin und her. "Ich glaube, eins hat sich auch schon vom Acker gemacht." Bald bin ich eierlos.

"Das braucht nur etwas Wärme", kugscheißert Meilo. "Zeig mal."

"Nichts da! Pfoten weg!" Ich patsche auf seine Hände ein und Meilo zieht ein beleidigtes Gesicht. "Eier gibt es erst wieder, wenn ich aufgewärmt bin."

"Schade."

"Nix schade. Geh mal lieber runter von mir, anstatt zu schmollen. Bevor sich mein anderes Ei auch noch verzieht."

"Lass es doch. Ich locke es nachher auch wieder ganz liebevoll und sanft aus seinem Verstehmm..."

"Klappe jetzt!" Eine Ladung Schnee wird sein überhitztes Gemüt hoffentlich abkühlen. Und falls nicht, so stopft es ihm wenigstens das freche Mundwerk.
 

Nachdem Meilo wieder von mir runter gestiegen ist, und mir auf die Beine geholfen hat, sammeln wir noch schnell die Hunde ein und beeilen uns, damit wir ins Haus kommen. Meine Beine sind schon ganz steif und durchgefroren. Falls ich krank werde, ist das allein Meilos Schuld, soviel steht fest!

"Mama? Kannst du die Hunde abtrocknen?", ruft Meilo ins Haus, als wir es betreten.

"Kann ich machen, aber wieso ... Ach du meine Güte! Wie seht ihr denn aus?" Doro sieht uns erschrocken an. "Habt ihr eine Schneeballschlacht veranstaltet?"

"So ungefähr", seufze ich.

"Du bist ja klitschnass!" Schön, dass es wenigstens ihr auffällt. "Du, ab in die Dusche", weist sie mich an. "Und du kümmerst dich um die Hunde." Damit ist Meilo gemeint.

"Aber ..."

"Nichts aber! Ich kenne dich. Sicher bist du Schuld an Nics nasser Hose." Schuld an Nics nasser Hose. Wie sich das anhört.

"Aber ..."

"Kein Ton mehr! Strafe muss sein."

"Ja Meilo. Strafe muss sein", kichere ich, tätschle ihm die Schulter und schnappe mir meinen Koffer, um ihn wieder hinauf zu schleppen. "Ich gönne mir jetzt erstmal eine schöne, lange, heiße Dusche."

"Aber ..."

"Bis nachher mein Schatz." Meilos entrüsteter Blick ist für die Götter! Schade, dass ich mein Handy im Koffer habe und davon kein Foto machen kann.

Im Badezimmer vergewissere ich mich zwei Mal, ob die Tür auch wirklich abgeschlossen ist. Diesmal will ich keinen Meilo mit in der Duschkabine haben. Zwar ist es vorhin ausgesprochen schön mit ihm gewesen, aber wenn wir uns jetzt wieder verzetteln, wird die Zeit knapp, mit dem Ergebnis, dass Meilo wieder wie ein Irrer fahren muss, um noch pünktlich zu seinem Termin zu kommen. Und das will ich natürlich nicht.

Die nasse Jeans klebt wie Hölle an meinem Hintern und an meinen Beinen, aber irgendwann habe ich mich aus ihr befreit und kann in die Dusche steigen. Wie angenehm nach der Kälte eben.

Ich muss ja zugeben, so schlimm war es dann doch nicht. Die Bewegung hat gegen die Kälte geholfen, und mich mit Meilo zu kabbeln macht mir sowieso immer Spaß, solange es nur ein Spiel ist, versteht sich. Dennoch geht mir eins nicht aus dem Kopf. Seine Frage vorhin, warum ich den ganzen Tag über schon so schlecht drauf bin.

Bin ich das? Eigentlich nicht. Bis auf die kleinen nagenden Gedanken, die ich mir hin und wieder mache. Trage ich die wirklich nach außen, ohne es zu bemerken?

Zwar ist meine Laune echt nicht die Beste heute, das muss ich zugeben, das liegt aber nicht an Daisy und ihrer Gabe, uns immer zum ungünstigsten Zeitpunkt zu stören, wie Meilo geglaubt hat, sondern daran, dass er und ich nachher wieder voneinander getrennt sein werden. Vielleicht hat er das bei mir gespürt. Meine Traurigkeit, dass wir uns vielleicht bis nächstes Jahr nicht mehr sehen werden.

So sieht es nämlich aus. Wenn wir großes Pech haben, wird Meilo so sehr beschäftigt sein, dass er keine Zeit mehr für mich hat. Solange, bis sein Vertrag endlich endet.

Bestimmt wird jetzt der ein oder andere sagen, na und? Bis dahin sind es doch nur noch 18 Tage. Das stimmt zwar, aber stellt euch mal vor, ihr müsstet die Feiertage ohne den wichtigsten Menschen in eurem Leben verbringen. Könnt ihr jetzt meine schlechte Laune verstehen?
 

Ich stelle das Wasser aus. Genug aufgewärmt.

Betrübt trockne ich mich ab und laufe zu meinem Koffer, woraus ich mir frische Kleidung nehme. Ich muss auf andere Gedanken kommen. Grieskrämern kann ich auch noch, wenn Meilo weg ist.

Jetzt freue ich mich erst einmal auf das Mittagessen, auf die Gesellschaft von Doro und Eberhard und noch ein, zwei schöne Stunden, ehe wir die Rückfahrt antreten müssen. "Jawoll!", sage ich zu meinem Spiegelbild, kämme mir mit den Fingern nochmal durch meine Haare und gehe wieder, mit meinem Koffer im Schlepptau, nach unten.
 

***
 

"Macht's gut ihr zwei." Doro umarmt Meilo und wiegt ihn einige Male hin und her. "Pass auf dich auf und bleib brav." Meilo verdreht die Augen, was mich zum Schmunzeln bringt. Kurz darauf bin ich dran, mich von Doro umarmen zu lassen. "Schön, dass du mitgekommen bist."

"War doch selbstverständlich." Mehr oder weniger.

"Und pass mir gut auf meinen Schatz auf ja? Er ist immer so schrecklich allein, wenn er auf Tour ist."

"Mama!" Wieder verdreht Meilo die Augen.

"Ich werde mein bestes geben", verspreche ich ihr und schenke Meilo ein liebevolles Lächeln. Er braucht sich gar nicht zu beschweren. Wir wissen alle, dass Doro Recht hat, und man ein wachsames Auge auf ihn haben muss.

"Auf Wiedersehen." Eberhard reicht mir die Hand. Auch diesmal vergesse ich nicht, so fest zuzudrücken, wie nur irgend möglich.

"Bis bald." Wir steigen ein.

"Und vergesst das Neujahrsessen bei uns nicht!", ruft Doro uns noch zu.

"Bestimmt nicht", ruft Meilo zurück und schenkt mir einen amüsierten Blick.

"Und Nic?" Doro ruft mich. "Deine Eltern sind auch herzlich dazu eingeladen."

"Ich werde es ihnen ausrichten."

"Wir freuen uns schon, sie kennenzulernen. Tschau!"

"Tschüss!" Ich winke den beiden zu, während Meilo zwei mal hupt, und dann auf den Weg fährt, der uns auf die Umgehungsstraße führt.

Das war's. Das Kennenlernwochenende mit Meilos Eltern ist vorbei. Ich finde, ich habe mich ganz wacker geschlagen. "Was habe ich gesagt? Du hast das Wochenende überlebt", gluckst Meilo. "Bis auf das Drama mit Jeff, aber das kann schon mal vorkommen." Höre ich da leichte Belustigung aus seiner Stimme?

"Musst du das jetzt erwähnen? Die Angelegenheit ist mir immer noch furchtbar peinlich und tut mir schrecklich leid." Ich habe mich wirklich idiotisch verhalten. "Hoffentlich geht es den beiden bald wieder besser."

"Ja", seufzt Meilo. "Es ist schon furchtbar und schmerzhaft genug, etwas zu verlieren, das man liebt. Aber dann noch das eigene Kind ... Ich mag mir das gar nicht vorstellen." Mich überzieht eine Gänsehaut. Ich beuge mich vor und drehe die Heizung höher.
 

Eine Weile lang fahren wir schweigend dahin.

Viele Dinge gehen mir durch den Kopf. Das vergangene Wochenende, diese total überraschend entstandene Verlobung (irgendwie kommt das mir immer noch so surreal vor), Jeff und seine Frau, und Meilos Erzählungen über seine Vergangenheit. Doch am meisten beschäftigt mich die Zukunft. Angefangen von den Tagen bis zum nächsten Jahr, bis hin zu dem 11ten Januar, dem Tag, an dem wir vielleicht zu Hausbesitzern werden. Oder vielmehr Meilo wird es. Das hört sich alles noch so entfernt an, dabei dauert es nicht mehr lange. Nach dem, was wir die letzten Monate über alles erlebt haben, wirken die kommenden Tage wenig. Trotzdem kommt es mir so vor, als läge bis dahin noch ein langer Weg vor uns.

"Du grübelst wieder", holt mich Meilo aus den Gedanken.

"Hm? ... Ja, kann sein", gebe ich zu.

"Darf ich fragen, über was?"

"Über alles." Im Großen und Ganzen stimmt das ja auch.

Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Meilo leicht die Stirn runzelt. "Was meinst du im Genauen über alles? Das Treffen unserer Eltern?"

"Wie? Nein. Darüber habe ich noch überhaupt nicht nachgedacht. ... Du etwa?" Eigentlich halte ich das für kein Problem. Meilos Eltern sind super und meine Eltern sind eigentlich auch recht umgänglich. Allein Nicole könnte unangenehm auffallen, wobei ich ihr inzwischen mehr vertraue, als damals, vor Meilo und meinem Kennenlernen.

"Macht dich der Gedanke, dass unsere Eltern sich treffen, denn nicht nervös?", fragt mich Meilo verwundert.

"Nö. Ich sehe das ganz entspannt." Es gibt genug andere Dinge, die mich nervös machen. Zum Beispiel, dass ich Meilo bis nächstes Jahr wahrscheinlich nicht mehr wiedersehe. Horror!

"Also ich bin ganz und gar nicht entspannt."

"Wieso denn nicht?" Das verwirrt mich nun aber. Sonst sieht Meilo solchen Sachen doch recht gelassen entgegen.

"Was, wenn sie sich nicht leiden können?", will er wissen.

"Das wird schon nicht passieren", versuche ich ihn zu beruhigen.

"Sicher? Du kennst meine Eltern nicht. Wenn die einen nicht leiden können, dann zeigen sie das sehr deutlich."

Ich fange an zu lachen. "Du meine Güte! Das glaube ich nicht."

"Oh doch. So sind sie."

"Und das sagst du mir jetzt? Hätte ich das früher gewusst", grinse ich.

"Hättest du das früher gewusst, wärst du letztes Wochenende bestimmt nicht mitgefahren."

"Darauf hättest du Gift nehmen können!" Demnach hat er mich also angelogen, was seine Eltern betrifft. Dieser Schuft! "Aber mal im Ernst jetzt, warum sollten sich die Vier nicht verstehen können? Deine Eltern waren super nett zu mir." Ich verstehe es immer noch nicht.

"Manchmal sind sie eben ziemlich ... schwierig", windet Meilo sich.

"Das ist alles?"

"Sie hatten schon mal was an den Eltern eines meiner Freunde auszusetzen. Die hatten sich damals richtig in den Haaren gelegen."

"Eltern eines Freundes, oder eines festen Freundes."

"Eines Freundes", sagt Meilo mit der Betonung auf eines.

"Das kommt schon mal vor", winke ich ab. "Außerdem ist das mit uns was ganz anderes."

"Ich weiß nicht ..." Es ist echt putzig, dass sich diesmal er Sorgen um das Thema Eltern macht.

"Und wenn schon Meilo. Falls sie sich nicht riechen können, was ich allerdings nicht glaube, dann können wir sowieso nichts dran ändern."

"Hm. Scheint so."

Schmunzelnd tätschle ich sein Bein. "Jetzt weißt du, wie ich mich immer dabei fühle, wenn ich mir Sorgen mache", ärgere ich ihn.

"Und du weißt, wie ich mich dabei fühle, wenn ich dich deswegen belächle."

"Du belächelst mich wegen meiner Sorgen?", frage ich entrüstet.

"Hin und wieder ..." Freches Grinsen.

"Boha!" Klatsch! Den Schlag auf den Oberschenkel hat er definitiv verdient.

Lachend greift Meilo nach meiner Hand und drückt sie fest. "Ich belächle dich doch nicht wirklich dafür", säuselt er versöhnlich.

"Ich weiß." Er ist trotzdem ein Idiot. Mein Idiot.
 

Auf den Straßen war heute viel mehr Verkehr, als auf der Hinfahrt, weshalb wir über eine halbe Stunde länger unterwegs waren. Aus diesem Grund bleibt Meilo auch im Wagen sitzen, als wir bei mir ankommen. Er muss gleich weiterfahren, um nicht zu spät zu kommen.

Wir stehen bei Ingo und Ed auf dem Hof. Der Motor läuft noch, während ich meinen Kram aus dem Kofferraum hole und neben dem Auto abstelle. Danach laufe ich zur Fahrerseite, öffne die Tür und beuge mich zu Meilo ins Innere. "Geh noch nicht", flüstere ich und umarme ihn.

"Ich muss."

"Ich weiß." Scheiße! "Wenn du Bescheid weißt, wann und wo wir uns wiedersehen können, dann ..."

"Dann sage ich dir auf der Stelle Bescheid", beendet er meinen Satz. "Versprochen."

Ich seufze schwer und berge mein Gesicht in Meilos Halsbeuge. "Fahr nicht zu schnell", trichtere ich ihm ein, klaube mir einen feuchten Kuss und trete vom Auto weg, nachdem ich die Fahrertür wieder geschlossen habe.

Das Fenster geht runter. "Ich ruf dich nachher an", sichert er mir noch zu, dann rollt er vom Hof. Weg ist er.

Nun stehe ich da, mit meinem Zeug, einsam und allein auf Eds Hof. "Nic?" Wenn man an den Teufel denkt.

"Hallo Ed."

"Schon wieder Zuhause?"

"Wie man sieht." Ich lächle Ed schmal an.

"Oh je. Meilo-Sehnsucht."

"Was hat mich verraten?"

"Einfach alles", grinst Ed und bleibt vor mir stehen. "Willst'e erstmal mit rein kommen? Ingo ist auch in der Werkstatt." Ich überlege nur kurz, dann willige ich ein. Ich will noch nicht nach Hause.

Ich raffe meinen Kram zusammen und folge Ed durch die Holztür des Schuppens, der in die Werkstatt führt. "Nicilein!", ruft Ingo fröhlich, als er mich sieht.

"Du liebes Lottchen! Sag bloß, Ingo ist besoffen", frage ich Ed, der mich daraufhin belustigt anschaut.

"Was?!", blökt Ingo. Natürlich hat er das gehört. "Ich bin nicht besoffen."

"Hörte sich eben aber so an."

"Darf man hier noch nicht mal seinen Lieblingsnachbarn begrüßen? Komm her." Ingo breitet seine Arme aus. Wie immer sind seine Rückenklopfer gemein gefährlich.

"Gib's zu", ächze ich und lasse nach der festen Umarmung meine Schultern kreisen. "Du hast doch was getrunken."

"Quatsch! Ich brauche kein Alk, um mich gut zu fühlen. Dazu reicht mir Ed." Ingos dreckiges Grinsen spricht Bände. Ebenso Eds aufflammende Wangen daraufhin.

"Verstehe", lache ich. "Alles beim Alten bei euch."

"Logisch. Haste was anders erwartet?"

"Eigentlich nicht."

"Siehste!"

Während ich mich neben Ingo auf einen der Gartenstühle fallen lasse, stampft Ed etwas unverständliches murmelnd auf einen alten VW Polo zu und beugt sich in den Motorraum. "Neuer Auftrag?" Ich nicke zum Polo rüber.

"Ja", antwortet Ingo. "Gehört einem Bekannten von mir. Er will ihn für seine Süße aufmotzen lassen."

"Das muss Liebe sein", gluckse ich. "Ich will auch einen alten Polo."

"Ey! Nichts gegen Polo. Ich hatte auch mal einen."

"Echt? Ich dachte, du fährst nur Zweiräder."

"Tue ich ja auch. Deshalb stand der Arme jahrelang in der Garage und rottete vor sich hin." Lachend schüttle ich den Kopf.

"Oh je. Ich werde euch vermissen, wenn ich ausgezogen bin", plappere ich drauf los.

Eds Kopf zuckt unter der Motorhaube hervor. "Du ziehst aus?" Ich beiße mir auf die Unterlippe. Stimmt ja. Sie wissen es noch gar nicht. "Habt ihr eine Bude gefunden?"

"So gut wie", gebe ich zu. "Doch bis jetzt ist noch nichts in trockenen Tüchern."

"Das heißt?", will Ingo wissen.

"Am elften Januar ist erst die Versteigerung."

"Versteigerung?" Ingo runzelt die Stirn. "Bedeutet das, ihr schafft euch 'ne eigene Hütte an?"

"Überraschenderweise ... Ja. Das bedeutet es." Das zu sagen fühlt sich komisch an.

"Krass! Ihr könnt es echt nicht abwarten, Nägeln mit Köpfen zu machen, was?"

"Anscheinend", lächle ich verlegen. Wenn die wüssten! Im Nägel mit Köpfen machen sind Meilo und ich ganz offensichtlich einsame Spitze. Von der Verlobung sage ich nichts. Ist ja auch noch nicht offiziell. "Meilo wollte sich schon lange ein Eigenheim zulegen. Und da sich die Gelegenheit bietet ..." Ich zucke hilflos mit den Schultern.

Ingo verengt seine Augen. "Hört sich nicht an, als wärst du begeistert davon", sagt er schließlich.

"Doch, bin ich! Nur ..."

"Nur?", fragt Ed nach, der sich einen drehbaren Hocker herangezogen, und sich zu uns gesellt hat.

"Es ist ein komisches Gefühl", antworte ich.

"Klar. Das ist eine große Verantwortung." Ingo versteht mich. "Aber man gewöhnt sich dran." Er zwinkert Ed zu.

Die beiden wohnen auch in ihrem eigenen Haus, oder besser gesagt, in Eds Haus. Er hat es damals geerbt und Ingo wohnt jetzt bei ihm. "Ja, das denke ich auch", seufze ich. "Ich meine, im Endeffekt wäre es nichts anderes, als hätten wir eine Wohnung gemietet."

"Mit dem kleinen Unterschied, dass die Bude euch allein gehört", wendet Ingo ein.

"Sie gehört nicht uns", kläre ich ihn auf. "Meilo kauft sie und ich wohne sozusagen als Untermieter bei ihm." Ingo und Ed schauen sich merkwürdig an. "Was?"

"Na ja", murmelt Ed. "Es hatte sich nur so angehört, als würdet ihr es zusammen kaufen." Unsicherheit macht sich in mir breit.

"Dann findet ihr es merkwürdig, dass Meilo es kauft, ich aber nicht?" Mir wird ganz anders. Wenn die beiden jetzt ja sagen, dann könnte Meilo genauso denken. Hinterher ist er gar nicht mit unserem Kompromiss einverstanden!

"Nein! Ach was!", meint Ingo. "Es hatte sich eben nur so angehört. War bloß verwirrt."

"Ach so." Ich lächle schmal. "Wie habt ihr das denn geregelt?", möchte ich von ihnen wissen und schaue einen nach dem Anderen fragend an.

Ingo antwortet. "Eigentlich machen wir es ähnlich. Ed muss monatlich einen Abschlag bezahlen. Das geht noch für sieben Jahre. Ich bezahle die Hälfte. Anstatt einer Miete, sozusagen."

"Dann findet ihr nicht, es sei komisch, wenn Meilo das Haus für uns kauft, ich aber zur Miete einziehe?"

"Finden wir nicht", sagt Ed und auch Ingo schüttelt den Kopf.

"Mach dir keinen Kopf. Ihr habt doch darüber geredet, oder?" Ich bejahe. "Dann ist doch alles geritzt", grinst Ed. "Willst du einen Kaffee? Hab vorhin einen aufgesetzt."

"Wenn er von dir ist Ed, dann ja", lächle ich schmal.

"Hey! Gibt's was an meinem Kaffee auszusetzen?", pikiert sich Ingo. Als ob er das nicht wüsste.

"Nein. Nur, dass man damit Dächer abdichten kann, im Falle es mal reinregnen sollte", feixe ich.

"Ed?! Nic bekommt nie wieder einen Kaffee bei uns!"

"Glaub'ste ja wohl selbst nicht." Lachend stehe ich auf und folge Ed, der sich schon auf den Weg nach drinnen gemacht hat. Ingo kommt zeternd hinterher. Was würde ich nur ohne die beiden machen?

Doch trotz der Heiterkeit, ihre Worte klingen mir immer noch in den Ohren.

Die Sache mit dem Haus lässt mir wieder keine Ruhe. Habe ich falsch reagiert? Hätte ich nicht so vehement dagegen sein sollen, bis Meilo mir mit diesem Kompromiss kam? Und kann er überhaupt mit diesem Kompromiss leben?

Jetzt, wo wir ja quasi inoffiziell verlobt sind, kommt dem eine ganz andere Bedeutung zu. Vielleicht sollte ich das Ganze doch nochmal überdenken ...

Ach verdammt! Wieso muss alles so kompliziert sein?
 

******
 


 

Nö, Nic. Muss es nicht. Du machst es nur immer so kompliziert :-P

Love bite 52 - Schöner wohnen

Hey ihr Lieben.

Eigentlich sollte dieses Kapitel schon gestern Abend von mir hochgeladen werden, aber leider saß ich wütend auf den Bildschirm, wo eine meiner Storys unter anderen Namen als Ebook angeboten wurde. Zum Glück ist das Ding jetzt rausgenommen worden. Ruhe hatte ich heute trotzdem nicht, und ich kam erst wieder runter, als ich mit meinen Pferden etwas die Sonne genießen konnte.

Schlechte Neuigkeit Nummer zwei des Tages, die Adventsstory, die ich heute fertig bekommen wollte, dümpelt jetzt deswegen immer noch unangetastet auf meinem PC herum.

Vielleicht klappt es nächste Woche damit. Morgen muss ich mich nämlich endlich mal an die Weihnachtsgeschenke machen. Die liegen auch noch unangetastet im Wohnzimmer herum. ^^“““
 

Eure müde, immer noch verstimmte Fara
 


 

Love bite 52 - Schöner wohnen
 

"Vielen Dank." Die Verkäuferin lächelt mich freundlich an und überreicht mir die Tüte. "Auf Wiedersehen."

"Wiedersehen." Ich lächle zurück und verlasse beschwingt den kleinen Antiquitätenladen. Endlich habe ich ein Weihnachtsgeschenk für Meilo! Und zwar ein richtig tolles, will ich meinen. Es war richtig teurer. Solche Geschenke mache ich eigentlich nur an Geburtstagen, aber als ich dieses Teil gesehen habe, musste ich einfach zuschlagen. Hoffentlich hat er sowas nicht schon. Falls ja, dann aber bestimmt nicht so eins.

Glücklich über meinen Kauf, laufe ich in der Einkaufspassage an den vielen Geschäften vorbei. Es ist mächtig was los. Alle scheinen noch den letzten Weihnachtsgeschenken nachzujagen. 'Sie tun mir ja gar nicht leid', denke ich schadenfroh, denn ich habe schon für jeden was gefunden. Nur noch eins muss ich jetzt noch kaufen, und zwar das für Clem und Kilian.

Ja, ich weiß. Es fühlt sich komisch an, dass ich was für meinen Ex zu Weihnachten kaufe, aber ich will Clem nicht leer ausgehen lassen, und aus diesem Grund kann ich auch Kilian nicht vergessen, obwohl ich es gerne täte. Doch um diese Zwickmühle zu lösen, ist mir das perfekte Geschenk eingefallen. Ein Gutschein bei Kilians Lieblingsitaliener. So, wie ich Kilian kenne, hat er Clem dort mit Sicherheit schon mal hingeschleift. Und bei aller Fairness, der Italiener ist wirklich lecker. Von dem Gutschein haben beide was davon, und es ist zudem eine ganz unverfängliche Sache. Problem gelöst, würde ich behaupten.

Wie gut, dass der Italiener zufällig hier ganz in der Nähe ist. Ich muss nur eine Station mit der Straßenbahn fahren. Wie der Zufall aber manchmal so spielt, kommt mir auf dem Weg zur Station plötzlich Clem entgegen. "Nici!", ruft er mir schon von weitem zu und winkt fröhlich.

"Hey Clem", begrüße ich ihn. Freudestrahlend kommt er auf mich zu. Er ist mit einer Unmenge Taschen und Tüten bepackt. "Hast du die Läden überfallen?", frage ich ihn schmunzelnd.

"Es war eher anders herum", meint er. "Die Preise kurz vor Weihnachten sind teilweise wirklich unerhört! Aber was will man machen?" Ich zucke nur mit den Schultern. Was dazu zu sagen, würde ihn nur noch mehr anstacheln. Ich kenne Clem inzwischen ganz gut. "Und du? Auch am Weihnachtsshoppen?" Er deutet auf mein Tüte, die im Vergleich zu seinem Sammelsurium total kläglich aussieht.

"Ja. Bin aber schon fertig damit."

"Fertig?" Clem guckt mich schier fassungslos an. "Mit nur einem Einkauf?"

"Den Rest habe ich schon vorher besorgt. Der schlaue Mann kümmert sich schon zeitig darum. Dann sind die Preise auch noch nicht so hoch." Ich grinse ihn frech an.

"Püh!" Der Seitenhieb musste jetzt sein. Aber wie Clem nun mal ist, lässt er sich das nicht gefallen und erwischt mich postwendend an einer sehr empfindlichen Stelle. "Und wie war dein Wochenende bei Meilos Eltern?" Wie fies dieser lange Lulatsch lächeln kann! Aber was er kann, kann ich schon lange.

"Wunderbar", schwärme ich. "Meilos Eltern betreiben ein richtig romantisches Burg-Hotel."

"Echt?" Wie erwartet macht Clem große Augen.

"Hmhm", nicke ich. "Es liegt in einem wunderschönen Wäldchen. Sie haben vier große Hunde, Pferde, einen sagenhaften Pool und ein riesiges, tropisches Gewächshaus." Clem fällt die Kinnlade runter. "Ach ja. Und Doro und Eberhard sind natürlich auch wahnsinnig nett."

Fast macht es den Anschein, als würde Clem in sich zusammensinken. "Wollen wir unsere Schwiegereltern tauschen?"

Ich fange an zu lachen. "Nein, danke. Von Kilians Eltern habe ich definitiv genug." Clem zieht nen Flusch. "Vergiss Kilians ignorante Eltern."

"Das sagt sich so leicht", seufzt er.

"Haben sie wieder versucht auf Kilian einzureden?"

"Nein. Aber das Thema nervt mich einfach."

"Sieh's doch positiv", schlage ich ihm vor. "So musst du ihnen wenigstens kein überteuertes Weihnachtsgeschenk kaufen."

"Ha ha." Armer Clem. Ich glaube, ich heitere ihn besser wieder etwas auf.

"Weißt du was? Meilo und ich sind endlich bei unserer Wohnungssuche fündig geworden."

"Ja? Und wo?"

"Ganz in der Nähe vom Weinkeller", antworte ich ihm.

"Cool! Zeigst du es mir?"

"Äh ... Jetzt?"

"Klar. Oder hast du noch was vor?"

"Äh ..." Eigentlich wollte ich noch den Gutschein holen, aber das kann ich auch noch nachher auf dem Heimweg machen. "Nein", sage ich deshalb und schüttle den Kopf. "Hab nichts mehr vor."

"Klasse! Dann nix wie los! Bin ich gespannt!" Sag bloß.
 

Wir legen den Weg zu Fuß zurück. Mit der Straßenbahn währen wir fast genauso lange unterwegs, und mit Clems Tüten und den vielen einkaufswütigen Menschen, die sich vor dem Bahnsteig tummeln, ist Laufen einfach bequemer und stressfreier.

"Habt ihr den Mietvertrag denn schon unterschrieben?", möchte Clem von mir wissen.

"Nein, und das werden wir auch nicht."

"Wie jetzt? Ich dachte, ihr hättet eine Wohnung gefunden?"

"Haben wir ja auch", druckse ich herum. Beim Thema Hauskauf fühle ich mich immer noch nicht wirklich wohl. "Aber sie ist nicht zum Vermieten." Clem sieht mich ratlos an. "Es ist eine Eigentumswohnung", rattere ich schnell runter.

Clem bleibt stehen und glotzt wie ein Fisch. "Ihr kauft euch eine Wohnung?!"

"Nicht ganz ... Eher ein ... Haus." Wieso ist mir das nur so unangenehm?

"Is nicht wahr!"

"Doch ist es. Bis jetzt ist es zwar noch nicht sicher, weil es erst noch versteigert wird, aber ..."

"Ahhh! Ist das geil!" Clem springt mir in die Arme. Mit so viel Überschwänglichkeit hätte ich beim besten Willen nicht gerechnet. "Ihr kauft euch ein eigenes Häuschchen!"

"Es ist doch noch gar nicht sicher, ob wir es bekommen", japse ich und schiebe Clem von mir.

"Ach, das wird schon", winkt er ab. "Wenn ihr das wirklich wollt, dann bekommt ihr das auch!" Ich schlucke hart, lächle aber. Wenn wir es wirklich wollen ... "Los! Ich will es endlich sehen!" Clem stürmt voran, ich hinterher. Dass er gar nicht genau weiß, wo das Haus steht, scheint er vergessen zu haben. Ich hole schnell auf und führe uns weiter bis wir in der Straße angekommen sind, in der Meilos und meine eventuelle Bleibe steht.
 

"Das hier ist es", sage ich schließlich, und bleibe vor dem Haus stehen.

"Das hier?" Ungläubig zeigt Clem auf das Haus. Ich nicke. "Schick! Echt. Richtig schnuckelig."

"Hmhm, ist es", sage ich leise und starre auf die Fassade des Häuschens.

Clem plaudert als weiter. Ich nicke nur, lächle mal, bin sonst aber still. Zu sehr bin ich damit beschäftigt, dieses irrationale ängstliche Gefühl zu verbannen, das mich beim Anblick des Hauses heimsucht.

Wieso fühle ich so? Ich dachte, jetzt, wo wir alles geklärt haben, ginge es mir mit dem Hauskauf besser, doch dem ist nicht so. Es bleibt immer noch ein schaler Nachgeschmack. Ob wir es doch lassen sollten? Aber Meilo hat sich schon so hierauf gefreut, hat Pläne gemacht und auch ich finde den Gedanken, hier mit Meilo zu leben, unbeschreiblich schön. Doch wieso macht es mir so eine Angst? Irgendwie ist die ganze Haussache noch gar nicht richtig greifbar für mich. Genau wie dieses Verlobtsein.

Ich seufze. Für ein Wochenende waren das bestimmt viel zu viele wichtige Entscheidungen. Sicherlich muss sich das alles bei mir noch setzen, beziehungsweise, mein Hirn muss das noch verarbeiten. Und bis das soweit ist, werde ich mit dem Grummeln im Bauch leben müssen.

"Wenn ihr das Teil ersteigert habt, machen wir eine riesige Einweihungsfete, ja?", sagt Clem zu mir.

"Machen wir", flüstere ich. "Mir vieeel Alkohol." Ehrlich gesagt, könnte ich jetzt schon einen Schluck vertragen. Oder zwei. Oder drei ...
 

***
 

Als ich meinen Eltern davon erzählt habe, dass wir uns dazu entschlossen haben, ein Haus zu kaufen, oder vielmehr, dass Meilo dies vorhat, sind sie aus allen Wolken gefallen. "Und was wird aus unserem Haus?", hat meine Mutter mich gefragt.

"Was soll mit dem sein?"

"Was wird daraus, wenn dein Vater und ich nicht mehr sind?"

"Nicole ist doch auch noch da", wendete ich ein. "Wir werden ganz sicher später nicht zusammen hier wohnen." Allein die Vorstellung. Ich mit Meilo und Nicole mit wem auch immer ... Gruselig! Doch trotz meiner Erklärung, die Bestürzung blieb.

Vielleicht hatte ich deshalb so ein ungutes Gefühl, als ich mit Clem vor dem Haus stand. Eventuell haben die Bedenken meiner Eltern meine wieder geschürt. Gut möglich. Dennoch will ich das durchziehen. Ich will mit Meilo ein neues Leben aufbauen. Allen Bedenken, von wem auch immer, zum Trotz. Meilo gebe ich nie wieder her.
 

"Weißt du was?", fragt mich Clem, mit dem ich wieder auf dem Rückweg bin.

"Was denn?"

"Komm doch heute Abend zu uns."

"Was?" Ich drehe erschrocken den Kopf zu Clem. "Ich soll zu euch kommen?"

"Warum denn nicht? Du warst noch nie bei mir." Das stimmt schon, aber ...

"Kilian wird auch da sein, oder?"

"Natürlich wird er das. Er hat keine Probleme damit."

"Sicher?" Clem nickt. "Frag ihn lieber erstmal. Nicht, dass er wieder auf die Eifersuchtsschiene gerät."

"Das wird er schon nicht. Das liegt hinter uns."

Ich lächle Clem an. "Das freut mich für euch. Ehrlich, aber in seiner Nähe ist mir immer noch nicht ganz wohl." Wenn ich da an unser letztes Zusammentreffen in diesem Café denke ...

"Ach was!", winkt Clem ab. "Kilian wird brav sein. Ich verspreche es."

"Na wenn du das sagst ..." Ich hab trotzdem kein gutes Gefühl dabei.

Mit dem Neuen seines Ex befreundet zu sein, ist echt eine merkwürdige Situation. "Auf deine Verantwortung."

"Kein Prob", lacht mein Arbeitskollege. Meine linke Augenbraue wandert nach oben. In letzter Zeit kürzt er immer wieder wahllos Worte ab. Ich kann nicht behaupten, dass mir das gefällt, aber wenn er meint, das sei nötig, dann bitte. Irgendwann geht auch das vorbei. "Also gebongt. Um neunzehn Uhr bei Kilian und mir. Die Adi hast du?"

"Ja." Mit Adi meint er Adresse.

"Fein! Dann bis heute Abend. Ich gehe bis dahin noch ein wenig shoppen. Tschauiii!"

"Tschau." Und weg ist er. Schleift sich mit seinen ganzen Tüten durch die faul bummelnden Menschen. "Ein Abend mit Kilian. Jipie." Was Meilo dazu wohl sagen wird?
 

Zuhause versuche ich ungesehen in mein Zimmer zu gelangen, doch daraus wird nichts. Meine Mutter hat schon hinter einer Ecke auf mich gelauert. "Niclas?"

"Ja Mama?" Ertappt bleibe ich vor meiner Zimmertür stehen.

"Ich will das Haus sehen."

Ich atme tief ein. "Ich habe morgen frei. Wir könnten hinfahren und ..."

"Jetzt!"

"Jetzt? Wieso ausgerechnet jetzt?" Was geht denn jetzt ab?! Ist heute Hausbesichtigungstag, oder was?

Meine Mutter wirkt auf einmal sehr geschäftig. Sie stampft auf die Garderobe zu, wickelt sich schwungvoll einen Schal um den Hals und zieht danach ihre Jacke über. Die Schuhe hat sie schon an, stelle ich nebenbei fest. "Weil ich wissen will, was das für eine Bruchbude ist, für die ihr euer Geld rausschmeißen wollt", zetert sie los.

"Bist du immer noch sauer, weil ich als Stammhalter nicht unser Haus übernehme?", frage ich sie genervt. "Nur zur Info: Nicole ist die Stammhalterin. Von mir werdet ihr keinen Erben erwarten dürfen." Nicht solange Männer Babys bekommen können. Und dann auch nur, falls Meilo die glückliche Glucke spielen möchte.

"Darum geht es doch gar nicht", seufzt meine Mutter theatralisch auf.

"Sondern?"

Sie sieht mich mit ihrem besten 'ich bin zwar deine Mutter, aber trotzdem bin ich sehr enttäuscht von dir'-Blick an, zieht den Reißverschluss ihrer Jacke nach oben und stemmt ihre Arme in die Seiten. "Wie kann man nur so blöd sein, und bei dieser Wirtschaftslage ein Haus kaufen?"

"Öhhh ..." Hä? "Nochmal nebenbei bemerkt: Meilo kauft, ich miete."

"Papalapap!", schnaubt sie. "Das glaubst du doch selbst nicht, dass du Miete zahlen wirst."

"Sag mal", japse ich fassungslos. "Für wen hältst du mich denn? Meinst du, ich schnorre Miete?" Jetzt ist es an mir, die Arme in meine Seiten zu stemmen.

"Wem gehört dieses Haus hier?", fragt sie mich und deutet auf den Fußboden.

"Na uns", antworte ich, und gerate immer tiefer in das Tal der Verwirrung. Was will sie mir damit nun sagen?

"Nein", belehrt sie mich. "Es gehört deinem Vater. Er hat es von deinem Opa abgekauft, damit er sich noch einen schönen Lebensabend machen konnte."

Ich komm nicht mit. "Wenn das jetzt wieder mit dem Stammhalter und so anfängt, bin ich raus", sage ich verärgert. Ich verstehe es echt nicht!

"Darauf will ich doch gar nicht hinaus."

"Auf was denn sonst?" Erklärt sie es mir endlich mal?

"Glaubst du, ich bezahle deinem Vater etwa Miete?"

"Soweit ich weiß nicht." Wäre auch irgendwie komisch.

"Na eben", pustet sie.

"Und?"

"Wie und?"

"Ja und, und?" Sie legt den Kopf schief. "Sieh mich nicht so an! Ich bin kein kleiner Junge mehr."

"Du stellst dich aber gerade an wie einer", schnarrt sie.

"Dann erkläre es mir doch endlich!" Himmel noch eins! Langsam werde ich wütend.

"Okay, dann nochmal für Doofe."

"Ey!"

"Ruhe!" Ist das zu fassen? Ich verschränke die Arme vor meiner Brust. Jetzt muss ich mich schon als Doofie betiteln lassen. Von der eigenen Mutter! "Weißt du eigentlich, was da für Kosten auf euch zukommen werden?"

"So ungefähr", antworte ich ihr. "Den schlussendlichen Kaufpreis wissen wir noch nicht, aber ..."

"Ich rede doch nicht vom Kaufpreis!", unterbricht sie mich. "Ich spreche davon, dass ihr noch gar nicht ahnt, was da alles noch auf euch zukommt." Ich schaue meine Mutter neugierig an. Darüber habe ich, ehrlich gesagt, noch gar nicht nachgedacht. "Zuerst einmal kostet das Gebäude selbst, das Grünstück müsst ihr ebenfalls bezahlen."

"Das Grundstück? Ich dachte, das gehört zum Haus dazu?"

Sie schüttelt den Kopf. "Hattet ihr einen Makler?" Ich bejahe. "Der bekommt natürlich auch seinen Anteil. Danach kommt der Notar, dann die Grundgewerbesteuer. Möchtet ihr was Umbauen? Sanieren?"

"Ja. Meilo benötigt ein Tonstudio."

"Ein Tonstudio? Du liebes Lottchen!"

"Er arbeitet damit, vergessen?"

"Ja, ja. Verstanden." Ich verdrehe die Augen. "Gut, dann eben noch ein Tonstudio. Dazu kommen sicher noch die ein oder anderen Möbel hinzu. Eine Küche womöglich. Und wenn das alles gestemmt ist, kommt noch der Umzug. Der kostet ja auch. Genau wie das Ummelden auf dem Amt. Tja. Und dann geht es richtig los." Sie hebt ihre Hand und zählt an den Fingern folgendes auf: "Die laufenden Kosten. Nebenkosten wie Müllabfuhr, Heizung, Wasser, Grundsteuer, Strom, Gebäudeversicherungen, die Haftpflicht sowie Kabel- und Telefongebühren.

Und vergesst nicht, dass das Haus auch instandgehalten werden muss, ganz zu schweigen, falls mal irgendein Gerät kaputt geht." Ich werde immer kleiner. An dieses ganze Zeug habe ich ganz sicher noch nicht gedacht. "Miete?", fragt meine Mutter und lacht auf. "Davon träumst du nur!" Ich würde ihr ja jetzt gern um die Ohren schmettern, dass sich Meilo darum schon irgendwie kümmert, und ich bei ihm alles abstottern werde, aber das kann ich nicht. "Wenn ihr zusammen lebt, habt ihr auch zusammen die Kosten zu tragen. Und, so leid es mir tut, das kann sich auch ganz schön auf die Beziehung auswirken."

Da werde ich jetzt aber hellhörig. "Inwiefern?"

"Ach Niclas. Ich kenne dich einfach zu gut. Und Meilo kann ich inzwischen auch ganz gut einschätzen", lächelt sie. "Du machst dir Gedanken darum, weil er für euch das Haus gekauft hat, willst ihm deshalb mit unterstützen, aber er wird es nicht zulassen. Ihr geratet aneinander, streitet, und hinterher sitzt du wieder bei mir und kotzt dich aus. Aber darum geht es mir eigentlich nicht."

"Wie nett", brumme ich.

"Ihr werdet es schon überleben. Haben dein Vater und ich ja schließlich auch. Nein. Ich rede davon, dass ich mir Sorgen darüber mache, dass ihr euch da ein klein wenig überschätzt."

Ich atme tief ein. "Jetzt, wo du mir das alles gesagt hast ... Keine Ahnung." Betrübt starre ich auf den Fußboden zwischen uns.

"Ach Nicilein", säuselt meine Mutter und nimmt mich in den Arm. "Das sähe schon ganz anders aus, wenn du endlich einen guten Job hättest, aber so?" Fängt das jetzt schon wieder an?!

"Ich bin doch dabei, mich zu bewerben", fauche ich.

"Mit deinem Computerfirlefanz?"

Sauer trete ich einen Schritt zurück. "Ja! Mit meinem Computerfirlefanz! Und dann werde ich mit Meilo zusammen in unserem Haus wohnen und glücklich sein!" Ich funkle sie wütend an, dann marschiere ich auf mein Zimmer zu.

"Niclas! So meinte ich das doch gar nicht! Warte doch!" Laut schlägt die Tür hinter mir zu.
 

Ein paar mal tief durchgeatmet, wische ich mir übers Gesicht.

Scheiße! Warum habe ich mir vorher keine Gedanken über die ganzen Kosten gemacht? Jedenfalls nicht genau. Ich hätte mich schon längst mal darüber schlau machen können, aber ich hab's nicht. Weil ich bei Meilos Eltern war, und weil ich erst seit einem Tag wieder Zuhause bin. Da kommt ganz schön was auf uns zu, und wie meine Mutter schon gesagt hat, ich werde Meilo das nicht auch noch alles bezahlen lassen. Wenigstens haben wir keine Energiekosten.

Vorsichtig stelle ich das Geschenk für Meilo auf meinen Schreibtisch ab, bevor ich mich an ihn dran setze und meinen Laptop hochfahre. Ich muss mich da jetzt genauer informieren! Und danach muss ich mit Meilo darüber sprechen. Sonst bekomme ich gar keine Ruhe mehr!
 

***
 

/Nic. Das bekommen wir hin./

"Das sagst du jetzt! Wenn es aber soweit ist, dann ..."

/Dann werde ich das noch immer sagen/, lacht er. /Hör auf dir den Kopf zu zerbrechen./

"Das kann ich aber nicht." Nicht nachdem, was ich alles im Internet gelesen habe. Man kann sich so schnell verschulden, ohne dass man es richtig bemerkt. "Wie sollen wir das denn schaffen?", frage ich Meilo noch einmal.

/Das wird schon/, meint er optimistisch. /Andere Leute bekommen das auch gestemmt. Sieh deine Eltern an, oder meine. Die sind am Anfang fast in den Schulden ertrunken als sie das Hotel aufgebaut haben, aber sie haben es geschafft, da wieder raus zu kommen. Und wir haben sogar den Vorteil, dass ich es mir leisten kann, ein Haus samt Grundstück zu kaufen./ Ich knirsche mit den Zähnen. Und da hätten wir es wieder. Er kann es sich leisten. /Nic? Hör auf so verbissen zu gucken./

"Du weißt doch gar nicht, wie ich gucke", murre ich.

/Oh doch mein Süßer. Ich sehe dich ganz genau vor mir./

"So? Hast du eine Kamera in meinem Zimmer versteckt?"

/Hey. Das wäre gar keine Schlechte Idee/, lacht er doch tatsächlich. /Dann könnte ich dich beobachten wann immer ich will./ Ich knurre unwillig, was nicht an seiner schmutzigen Fantasie liegt. /Ach Nic. Hör bitte auf dir Sorgen ums Geld zu machen. Der allergrößte Batzen ist das Tonstudio, und darum kümmere ich mich. Der Rest ist kaum der Rede wert./ Das kann auch nur er sagen! /Falls es dich beruhigt, ich habe mich schon mal schlau gemacht und alles grob durchgerechnet. Am Ende, nach dem Kauf und dem Umbau, werden die monatlichen Kosten nicht viel mehr, als wir für eine Mietwohnung bezahlen würden./

"Sicher?", frage ich ihn.

/Sicher/, verspricht Meilo mir. /Nächstes Jahr können wir ja nochmal alles ganz genau ausrechnen, okay? Noch vor der Auktion./ Das hört sich vernünftig an.

Ergeben lehne ich mich auf meinem Bett zurück. Wenn Meilo schon alles ausgerechnet hat, und wir es nochmal alles ganz genau durchgehen werden, bevor wir für das Haus bieten, klingt das sehr vernünftig. Es beruhigt mich richtig. "Ich fasse es nicht, dass du mich jedes Mal wieder um den Finger wickeln kannst."

Meilo lacht. /Du bist mir eben verfallen./

"Mit Haut und Haar", kichere ich. "Wie geht es dir? Schon wieder voll im Arbeitsstress."

/Frag lieber nicht/, antwortet er verdrossen.

"So schlimm?"

/Schlimmer, aber das erzähle ich dir heute Abend, ja? Ich muss gleich wieder weiter./

"Ist gut", seufze ich. Doch dann fällt mir ein, dass ich heute Abend gar nicht da bin. "Es könnte aber spät werden bei mir. Ich bin bei einem Kumpel. Er hat mich eingeladen, ihn mal zu besuchen."

/Okay/, sagt Meilo gedehnt. /Kenne ich ihn?/

"Ja. Es ist Clem."

/Okay/, wiederholt er.

"Und Kilian wird auch dabei sein." Es bleibt still am anderen Ende der Leitung. "Meilo?"

/Bin noch da./ Uff. /Dann wünsche ich dir einen schönen Abend. Trotz Kilian./ Ich bin erleichtert, dass sich Meilo nicht sauer anhört.

"Ich könnte ja Ingo fragen, ob er mitkommt. Die beiden können sich so gar nicht riechen", lache ich.

/Wenn das so ist, dann nimm Ingo ja mit!/, schmunzelt mein Liebling. /Erzähl mir nachher, wie es war, ja?/

"Mach ich. Und du pass auf, dass sie dich nicht zu sehr Triezen, sonst bekommen die was von mir zu hören!"

/Ich werde es ihnen sagen./ Schön wäre es, wenn er das könnte. /Ich liebe dich./

"Und ich dich erst", hauche ich in den Telefonhörer, bevor Meilo auflegt.

Mit gemischten Gefühlen lege ich das Telefon beiseite. Hoffentlich steht Meilo die wenigen Tage noch durch.
 

Ich schaue auf die Uhr. Es ist kurz nach fünf. Ich sollte mich langsam mal fertig machen. Außerdem wollte ich nochmal mit meiner Mutter reden. Vorhin habe ich sie ja ziemlich angekackt. Vielleicht fahre ich doch noch heute mit ihr zum Haus rüber. Und wer weiß? Vielleicht beruhigt sie es ja, wenn sie es sieht. Denn renovierungsbedürftig ist das Gebäude auf keinen Fall.

"Mama?" Ich finde sie im Wohnzimmer. Sie sitzt zusammen mit Nicole vor der Glotze.

"Endlich abgeregt?", fragt sie mich, sieht mich jedoch nicht an.

"Ich habe gerade mit Meilo telefoniert."

"Hast du ihm schöne Grüße von mir bestellt?" Nicole sieht mich wissbegierig an.

"Sorry. Habe ich vergessen."

"Oh du Dödel!", krächzt sie beleidigt.

"Na also! Nicole! Dödel sagt man nicht!" He he. Jetzt hat sie Mamas Zorn auf sich geladen.

"Was denn? Zu einem Kerl kann man das doch sagen."

"Nicole!"

"Ich unterbreche ja ungern euer Dödel-Gespräch, aber erstens sind mir Frauen, die über Dödel reden, unheimlich und zweitens würde mich gern nochmal mit dir unterhalten, Mama. Wegen vorhin."

"Bin ganz Ohr", sagt sie.

"In der Küche?" Sie beäugt mich ein paar Sekunden lang, dann nickt sie. "Nicole wird doch ungehalten, wenn man sie beim Fernsehen stört", grinse ich, als wir am Küchentisch sitzen.

"Auch wieder wahr", meint Mama und schiebt eine Klatschzeitung auf dem Tisch herum. "Und? Was wolltest du mit mir bereden?"

"Willst du das Haus immer noch sehen?"

"Falls es dir nichts ausmacht ..." Sie ist immer noch eingeschnappt.

"Macht es nicht", gebe ich mich kleinlaut.

"In Ordnung. Aber wehe, du lässt mich wieder unverrichteter Dinge in meinen dicken Winterklamotten im Flur stehen."

"Werde ich nicht." Sie nickt und steht auf. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg.

"Also was die Energiekosten angeht", erkläre ich ihr im Auto. "Das Haus hat Solar und nutzt Erdwärme. Und alles, was nicht verbraucht wird, wird ins Netz eingespeist. Wir verdienen damit sogar noch Geld."

"Ach? So etwas gibt es?"

"Ja", nicke ich, froh darüber, dass sie nicht mehr einen so arg besorgten Eindruck macht. "Und ich habe mal durchgerechnet. Mit dem, was ich im Weinkeller verdiene, stehe ich ganz gut da." KP bezahlt ja auch gut. "Und nächstes Jahr kann ich dann auch mehr Schichten übernehmen. Es sei denn, ich bekomme eine Anstellung als Programmierer. ... Wehe du sagst was!"

"Bin schon ruhig."

"Gut." Ich kann es bald nicht mehr hören. Als wäre ich ein Vollidiot, der an einer Sache hängt, die zu gar nichts führt. Doch das tut sie, wenn nur mal jemand das Potenzial darin erkennen würde.

"Weißt du Niclas, ich würde mich wirklich für dich freuen, wenn du als Programmierer arbeiten könntest. Ich sehe ja, wie glücklich dich das macht, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie man damit Geld verdienen will."

Ich lächle schmal. "Wenn man es richtig anstellt, kann man davon sogar ein Haus abbezahlen", sage ich. "Aber darum geht es mir nicht. Nicht nur. Klar möchte ich gern davon leben können, aber das Programm ist mein Baby. Allein mein Werk. Und es macht mich fertig, das niemand erkennt, wie wundervoll es ist! ... Das ist schwer zu erklären."

"Hm", macht sie. "Du sprichst wie eine Mutter."

"Mama!" Was redet die da? "Ich bin keine Mutter, oder sehe ich so aus?"

Sie lacht herzhaft auf. "Nein, aber du redest wie eine. Voller Stolz kämpfst du für dein Baby und verteidigst es sogar vor deiner geliebten Mutter." Es passt mir nicht, aber sie hat gar nicht mal so unrecht. Ich kämpfe für mein Programm-Baby, doch nicht nur für das. Auch für Meilo und wie man sieht, auch für unsere Zukunft. Sonst säße ich jetzt nicht hier und würde meine Mutter überzeugen wollen, dass das Haus genau das Richtige für uns ist.

Ich atme tief ein. Unser Haus … Vorsichtig horche ich in mich hinein. Kein Bauchgrummeln. Keine besorgten Gedanken. Meilo konnte mich eben am Telefon wirklich beruhigen.

Anscheinend habe ich mich endgültig entschieden. Egal was noch auf uns zukommt, ich will das mit Meilo stemmen. Es wird nicht leicht werden, sicher nicht. Vielleicht werden wir uns auch hin und wieder zoffen, aber das überstehen wir schon.
 

"Wie lange fahren wir denn noch?", fragt mich meine Mutter.

"Wir sind gleich da."

Sie atmet laut aus. "Ich bin wirklich gespannt, in was für eine Bruchbude ihr euch verguckt habt."

"Das Haus ist keine Bruchbude", seufze ich leicht genervt

"Abwarten." Sie kann es nicht lassen.

"Sobald du davor stehst, wirst du es selbst sehen." Meine Mutter verschränkt die Arme miteinander, bleibt ansonsten aber den Rest der Fahrt über still.

Als ich schließlich parke, wir aussteigen und ich auf das Haus zugehe, mustert sie es skeptisch. "Das ist es?", fragt sie mich nach einer Weile.

"Das ist es", bestätige ich.

"Ganz net." Ui! Ein Lob. "Wie sieht es von drinnen aus?"

"Ganz net", ahme ich sie grinsend nach.

"Ich will es sehen!" Voller Tatendrang stürmt sie durch das Gartentor auf das Haus zu.

"Warte! Ich glaube nicht, dass wir hier einfach herumstromern dürfen!" Noch gehört uns das Häuschen nicht.

"Wir wollen es kaufen, also dürfen wir es uns auch ansehen."

"Wir?"

"Ja, wir. Alles was dich betrifft, geht uns letztendlich auch was an." Ich verdrehe die Augen. Eltern! Müssen überall ihre neugierigen Nasen reinstecken.

Ich lasse meiner Mutter ihren Willen, ihr zu verbieten, sich alles genauer anzuschauen, hätte sowieso keinen Sinn, und folge ihr eilig. Sollten wir Ärger bekommen, ist es wenigstens nicht meine Schuld.

Als ich bei ihr ankomme, steht sie auf der kleinen Veranda, die Handkanten am Fenster und das Gesicht dazwischen, damit sie hineinschauen kann. "Viel sieht man ja nicht", meckert sie.

"Versuch doch mal das andere Fenster", schlage ich kopfschüttelnd vor.

"Hm", macht sie, strafft sich und marschiert tatsächlich zum anderen Fenster, auf der gegenüberliegenden Seite der Haustür. "Vorhänge." Ich schmunzle leise. Sie schenkt mir einen mahnenden Blick, dreht sich um und rauscht die Stufen hinab. Ihr Weg führt sie neben am Haus entlang. Anscheinend möchte sie einmal um das ganze Haus herumlaufen. Also ihr nach.

Wir schlagen uns durch immergrüne Büsche und feuchten Boden. "Im Garten muss eindeutig noch viel gemacht werden. Guck dir diesen Wildwuchs an!"

"Ich mag Wildwuchs."

"Ich rede nicht von Männern, Niclas!"

Ich rümpfe die Nase. "Tue ich auch nicht." Wildwuchs bei Männern. Uwähgs!

Ich ducke mich unter einem tief hängenden Ast hindurch, und schon stehen wir im Garten hinter dem Haus. Meine Mutter steht schon vor der Terrassenfront. Ich geselle mich zu ihr. "Und? Nett, oder?" Ich grinse sie über die Glasscheibe hinweg an.

"Die Küche ist ziemlich klein", mäkelt sie los. "Wie wollt ihr da anständig kochen?"

"Die Küche reicht vollkommen", sage ich. "Zum Kochen völlig ausreichend."

"Wenn ihr meint ..." Ihre Gesichtsmuskeln spannen sich an.

"Sonst noch was am Haus auszusetzen?"

Sie schaut an der Fassade hoch, dann wieder ins Innere. Prüfend kratzt sie mit ihrem Schuh über die Holzterrasse. "Ist das Teak?"

"Kann sein." Ich zucke mit den Schultern.

"Und du sagtest, es gäbe eine Solaranlage?"

"Und eine Anlage für Erdwärme", ergänze ich.

Sie nickt. "Gut."

"Wie, gut?" Neugierig starre ich sie an. "Bedeutet das, du gibst auf?"

"Ich gebe niemals auf!", mahnt sie mich. "Aber ich muss zugeben, bis auf den verwilderten Garten ist das Gebäude ganz passable." Wow! Hat sie das gerade wirklich gesagt?

Schmunzelnd lege ich meinen Arm um sie. "Na wenn das mal keine gute Neuigkeiten sind." Und da fällt mir ein, dass ich noch mehr Neuigkeiten habe. Ich habe meinen Eltern noch gar nicht von der Einladung zum Neujahrsessen gesagt. "Mama? Für das zweite Wochenende im Januar dürft ihr euch nichts vornehmen."

"So? Warum denn nicht?"

"Meilos Eltern haben uns alle zu sich zum Neujahrsessen eingeladen."

Sie hebt mit ihren Kopf entgegen. "Und das sagst du mir erst jetzt?!"

"Wieso? Ist doch noch Zeit bis dahin."

Meine Mutter seufzt auf und windet sich aus meinem Arm. "Du weißt doch, was man für so einen Anlass vorher alles erledigen muss. Ein Outfit shoppen, ein Geschenk, deinen Vater drauf vorbereiten ..." Oh, stimmt ja. Papa ist da immer etwas eigen. Im Januar hat er Urlaub und da würde er am liebsten den ganzen Tag auf seiner Couch herumlümmeln.

"Papa wird ja mal für zwei Tage auf seine Couch verzichten können", motze ich.

"Versuch ihm das mal beizubringen", lacht Mama und nimmt mich bei der Hand. "Weißt du was? Wenn wir schon mal in der Stadt sind, können wir gleich das mit dem Outfitshoppen in Angriff nehmen."

"Was?!", japse ich. "Jetzt?!"

"Ja, jetzt", grinst sie breit. "Endlich mal mit meinem Sohn in Ruhe durch die Läden tigern." Sie schmiegt sich an meine Schulter und blinzelt süßlich zu mir auf.

Ich schließe die Augen und brumme genervt. "Aber nicht zu lange. Ich bin heute Abend noch bei Clem eingeladen. Um halb sieben muss ich bei ihm sein." Das ist zwar gelogen, aber so habe ich noch ein wenig Spielraum. Ich kenne doch meine Mutter.

"Ach das schaffen wir schon", winkt sie an und zerrt mich zurück durch die Büsche.

Ob wir das wirklich schaffen, wage ich stark zu bezweifeln. Warum habe ich auch nicht meine Klappe gehalten, und ihr später von der Einladung erzählt? Das habe ich nun davon. Hilfe!
 

***
 

Viertel nach sieben. So schlecht liege ich gar nicht in der Zeit.

Ich bin so abgehetzt, nach der Shoppingtour mit meiner Mutter, dass ich noch nicht mal mehr das unangenehme Ziehen in meinem Bauch spüre, das ich sonst immer habe, wenn ich weiß, dass ich gleich Kilian gegenüberstehen werde. Ungerührt betätige ich die Klingel. "Komme!", schallt es jenseits der Wohnungstür. Keine Sekunde später wird sie vor mir aufgerissen. "Da bist du ja endlich!", schnaubt Clem.

"Sorry. Meine Mutter meinte, mit mir Kleidung kaufen zu müssen."

"Was schönes gefunden?"

"Nein", murmle ich und erinnere mich mit Schrecken an die letzten Stunden zurück. "Sie konnte sich nicht entscheiden und ich war ihr zu unmotiviert."

"Das Gefühl kenne ich", lacht Clem und lässt mich eintreten.

"Das nächste Mal gehst du mit ihr", knurre ich.

"Aber gerne doch. Sagt mir Bescheid und ich bin da."

"Das Angebot gebe ich gern weiter." Mama wird sich freuen. Das hat sie sich ja schon mal gewünscht. Einen schwulen, einkaufssüchtigen Berater.

Nachdem ich meine Jacke ausgezogen, und Clem sie aufgehängt hat, nimmt er mich am Arm und zieht mich in die Wohnung hinein. "Komm! Ich zeig dir alles."

Clem führt mich von Zimmer zu Zimmer. Bad, Wohnzimmer, ein Esszimmer hat er ebenfalls, und sogar ins Schlafzimmer lässt er mich einen Blick werfen. Etwas, das ich nicht unbedingt sehen wollte, wie man sich vielleicht denken kann.

Zum Schluss ich die Küche dran. "Das ist unsere Küche und den Typen am Herd kennst du schon, denke ich."

"Tue ich", lächle ich verkniffen. Kilian steht vor besagtem Herd und rührt in einem Topf herum. Der Geruch kommt mir bekannt vor. "Ist das Ratatouille?", frage ich neugierig.

"Richtig geraten!", frohlockt Clem. "Kilians Ratatouille ist das Beste! Das muss man probiert haben."

"Ich weiß", sage ich und schaue Clem amüsiert an.

"Oh. Ach ja." Schon irgendwie lustig, dass ihm immer mal wieder entfällt, dass ich Kilian und ich mal zusammen gewesen sind. "Deshalb wolltest du das machen, oder?" Clem glotzt Kilian an. Doch nicht böse oder eifersüchtig. Eher verblüfft, weil ihm eben erst ein Licht aufgegangen ist. Kilian zuckt wiederum nur mit den Schultern. Ja, so kennen wir ihn.

Ich stelle mich neben Kilian und schaue in den Topf hinein. "Das Rezept rückst du immer noch nicht raus, oder?"

"Ganz sicher nicht", grinst er. "Familiengeheimnis. Wenigsten eins, das nicht durchzogen von Lügen und Intriegen ist." Hektisch rührt er im Topf herum. Ich kenne dieses Verhalten. Elternfrust gepaart mit Weihnachten. Er scheint in seinem alljährlichen Weihnachtsblues zu stecken. Ob Clem davon weiß? Ich bezweifle es.

"Der Tisch ist schon gedeckt", meint mein Arbeitskollege. "Willst du mit rüber kommen? Dann kann der Meister in Ruhe schalten und walten."

"Ähm, ja. Klar." Clem liegt wohl auch was auf dem Herzen. Drei mal dürft ihr raten, was das ist.

Im Esszimmer rückt er auch sofort mit der Sprache raus. "Ist dir was an Kilian aufgefallen?", fragt er mich leise. Furcht spiegelt sich in seinen Augen.

"Nicht direkt", lüge ich. Selbst wenn sich Kilian wieder mit seinen Eltern gezofft hat, er kommt damit klar. Ein, zwei Tage, und er hat sich wieder beruhigt.

"Sicher nicht?" Ich verneine und frage ihn, wie er darauf kommt. "Als ich vorhin Zuhause angekommen bin, war er plötzlich so still. Er stand in der Küche und schnippelte angespannt die Paprika. Helfen lassen wollte er sich auch nicht von mir."

"Lässt er dich denn sonst helfen?" Beim Kochen ist der Herr eigen.

"Eigentlich schon", erwidert Clem. "Er sagte bloß, dass er das allein machen wollte, und ich mich um andere Dinge kümmern soll."

"Das muss nichts heißen. So ist Kilian hin und wieder. Er braucht Zeit für sich." Aber auch nicht zu viel. Was dabei herausgekommen ist, sieht man ja an ihm und mir. "Gib ihm die Zeit und nachher sucht er sicher wieder deine Nähe."

"Ich weiß nicht", murmelt Clem und schielt unsicher Richtung Küche. "Vielleicht ... also, es kann ja sein, dass ... Ist er eventuell wegen dir so?"

"Wegen mir?"

"Psst!" Clem hält mir die Hand vor den Mund. "Nicht so laut."

"Orry", murmle ich gegen seine Handfläche, ehe er meinen Mund wieder frei gibt. "Wie kommst du darauf?"

"Na weil du heute hier bist, und er für dich kocht."

"Er kocht nicht für mich, sondern für uns", erinnere ich ihn.

"Ja, aber auch für dich. Sein Lieblingsgericht. Das du ebenfalls zu lieben scheinst." Unglücklich mustert Clem die Tischdeko bestehend aus Kerzen und einem Meer aus glitzernden Sternen.

Seufzend lehne ich mich gegen die Stuhllehne. "Es ist nicht wegen mir, glaube mir", versuche ich seine trüben Gedanken zu verjagen.

"Und woher willst du das wissen? Vielleicht hat er doch noch Gefühle für dich."

Ich lache auf. "Niemals! Das ist vorbei. Er liebt dich. Er lässt dich sogar mit ihm zusammen kochen." Wenn das nicht Liebe ist!

"Heute aber nicht", flüstert Clem traurig.

"Na gut", gebe ich nach. "Dann sage ich es dir." Es hat ja eh keinen Zweck, es ihm zu verheimlichen. Alles ist besser, als seine Vermutung, Kilian würde noch Gefühle für mich haben.

"Was sagst du mir?"

"Ich kenne Kilian. Und wenn er so ist, dann hat das was mit seiner Familie zu tun."

"Woher weißt du das?"

"Was glaubst du, wieso er Weihnachten nicht leiden kann?" Er zuckt mit den Schultern. "Weihnachten erinnert ihn immer an seine Familie. Trotz allem vermisst er sie, auch wenn er es niemals zugeben würde, aber er tut es. Und seit sie wissen, dass er nicht der gute, brave, heterosexuelle Stammhalter ist, meiden sie ihn. Bis auf ihre gelegentlichen Versuche, ihn wieder 'auf Spur' zu bekommen. Es liegt nicht an mir, dir oder dem Ratatouille. Es liegt an den Feiertagen und an seiner Familie." Jedes Jahr das Selbe. Vielleicht hätte ich Clem schon früher warnen sollen, doch ich hatte geglaubt, dieses Jahr würde es vielleicht nicht so werden. Kilian hat sich so sehr verändert in der kurzen Zeit nach unserer Trennung und seiner Beziehung mit Clem, dass das ja hätte sein können. Wieso also schlafende Hunde wecken?

"Das bedeutet, er hat keine Gefühle mehr für dich?"

"Hundert pro nicht. Aber sprich ihn nicht drauf an, ja? Wenn, dann warte, bis er es anschneidet, und wenn nicht, keine Panik. Das legt sich auch alles wieder. Spätestens in eurem Urlaub." Clems Augen fangen endlich wieder an zu strahlen.

"Danke Nic", lächelt er und steht auf. "Ich gehe mal zu ihm, und lenke ihn etwas ab. Bedien dich ruhig an den Getränken, ja?"

"Werde ich tun", schmunzle ich und schaue ihm nach. Wenn einer es schafft, Kilian abzulenken, dann wohl nur er.
 

Ich schenke mir ein Glas Wasser ein und trinke ein paar Schlucke. Danach stehe ich auf, behalte das Glas jedoch in der Hand. Neugierig schaue ich mich um.

Clems Wohnung ist wirklich schick. Bis auf die teilweise kitschige Einrichtung, aber so ist er eben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass vor Kilians Einzug hier noch viel mehr Kitschkrams gestanden hat. Man muss eben Kompromisse machen, wenn man zusammenzieht. Erst recht, wenn man ein ganzes Haus für sich und seinen Partner kauft. Ich bin wirklich gespannt, was da noch auf Meilo und mich zukommen wird.

Langsam wandere ich rüber ins Wohnzimmer. Gegenüber der großen Couch, die von Clem sein muss, denn wir hatten damals eine Andere, steht Kilians TV-Schrank. Wie auch schon bei uns ist hier neben dem Fernseher auch eine Anlage untergebracht. DVDs, CDs, Bilder. Das einzig Neue sind die darauf abgebildeten Gesichter. Nicht Kilian und ich, sondern Clem und er. Ich werde leicht wehmütig. Auch als ich den die etwa dreißig Zentimeter große Corvette sehe, die Kilian schon seit seiner Kindheit hat. Sie steht ihrem seinem alten Platz.

Vorsichtig fahre ich mit meinem Finger über den schwarzen Lack. Eine Corvette C1 Cabrio. Eine aus den 50ern. Kilians Traumauto. Irgendwann will er sich eine kaufen, hat er mir mal gesagt. Wie oft habe ich das Modell schon abgestaubt? Ich weiß es nicht mehr. Ein komisches Gefühl, dass ich das nun nicht mehr machen muss.
 

Ich stromere weiter durch das Wohnzimmer, entdecke überall Zeug von Kilian, ordne es in Gedanken in unsere alte Wohnung zurück, schüttele jedoch nach kurzer Zeit über mich selbst den Kopf. Das ist vorbei. Warum denke ich noch daran?

Ich trinke noch einen Schluck und verlasse das Wohnzimmer wieder. Im Esszimmer stelle ich das Glas ab und laufe zur Küche. Mal sehen, was die beiden treiben. Das Ratatouille duftet so lecker, dass mein Magen inzwischen wie ein hungriger Bär knurrt.

Ein Blick in die Küche jedoch lässt mich abrupt innehalten. Na da schau an! Clem hat es anscheinend geschafft, Kilian von seinem Weihnachtsblues abzulenken. Da kann ich jetzt unmöglich stören! Clem und Kilian stehen eng umschlungen mitten in der Küche. Ob sie sich küssen, kann ich nicht sehen, aber das muss und will ich auch gar nicht.

So leise es geht, trete ich den Rückzug an. Lassen wir ihnen noch ein wenig ihre Zweisamkeit.
 

******

Love bite 53 - Irgendwas ist doch immer

Ahoi-hoi.

Dachte gerade so bei mir, hau doch noch ein Kapitel raus. Ich hab erst überlegt, ob ich nicht doch schon mal die ersten beiden Kapitel von der geplanten Adventsstory hochladen soll, aber ich will das Ding dann doch lieber erstmal nochmal komplett durchackern.

Dann gibt’s eben ein paar Knutschflecke, dachte ich so bei mir xD

Ich allen viel Spaß mit Kapitel 53 ^^ *bussi*
 


 

Love bite 53 - Irgendwas ist doch immer
 

Seufzend studiere ich zum wiederholten Mal den Kalender. Morgen muss ich von dreizehn bis achtzehn Uhr arbeiten. "Shit!" Ich kaue mir unschlüssig auf der Unterlippe herum. Ob ich ihn anrufen soll? Er bleibt meine letzte Möglichkeit. Eigentlich wollte ich das vermeiden, aber mir bleibt keine andere Wahl. Nicht, wenn es klappen soll, und das muss es. Unbedingt!

Ich nehme mein Handy in die Hand. Oh, das wird mich nächstes Jahr eine Menge Tage kosten! Doch das ist immer noch besser, als die Alternative.

In der Anruferliste habe ich ihn schnell gefunden. Drauf geklickt, es tutet. /Nic!/

"Hallo Clem."

/Den gestrigen Abend schon verdaut?/

"Ja", antworte ich.

Clem wird hellhörig. /Oh je. Wo drückt diesmal der Schuh?/, fragt er mich belustigt.

Wieder seufze ich. "Du weißt, warum ich anrufe?"

/Klar/, meint er und schmatzt in meine Ohrmuschel. Der Kerl futtert! Wehe, es sind die Reste von dem sau leckeren Ratatouille! Mein Magen meldet sich, als ich an das leckere Zeug denke, aber ich ignoriere ihn. Seit heute Morgen tue ich das schon. Ich bekomme einfach keinen Bissen runter. /Du rufst eigentlich nur an, wenn du mich bitten willst, für dich einzuspringen./ Das schlechte Gewissen meldet sich. Bin ich wirklich so egoistisch, dass ich Clem nur anrufe, wenn ich etwas von ihm möchte? Bin ich, meint mein Gewissen. Daran ändert auch der zugegebenermaßen schöne Abend mit Clem und Kilian nichts. Ich sollte die beiden mal zu uns einladen, sobald wir umgezogen sind. Meilo und meinen Ex halten wir dann eben mit Eisenketten von einander fern.

"Ich mache es wieder gut", schwöre ich ihm. "Wirklich!"

/Kein Ding. Solange du mich an Weihnachten nicht hängen lässt./

"Niemals! Du kannst dich auf mich verlassen!" An Weihnachten habe ich ja sowieso nichts besseres zu tun, als zu arbeiten.

/Cooljo. Also? Von wann bis wann?/

"Morgen von dreizehn bis achtzehn Uhr."

/Hm .../, macht er nachdenklich und mir rutscht das Herz in die Hose. Bitte sag jetzt nicht, dass du was vor hast! /Dreizehn Uhr. Das wird knapp./ Oh nein!

"Ich habe mit Ricco gesprochen. Er könnte bis kurz vor zwei." Ricco ist eine Aushilfe, die KP zusätzlich vor dem Weihnachtsgeschäft eingestellt hat. Eine sehr weise Entscheidung, wie sich gerade herausstellt.

/Wenn das so ist, dann geht's./

"Super! Danke Clem! Du bist ein Schatz!"

/Lass das nicht Kilian hören/, lacht er. /Sag aber Ricco noch Bescheid, ja?/

"Mach ich! Sofort."

/Okay. Dann wünsche ich dir viel Spaß mit deiner besseren Hälfte./

"Werde ich haben." Hoffe ich. "Tschau."

/Bye bye mein Schnucki./ Aufgelegt.

Ich puste laut durch meine Lippen. "Das wäre geschafft." Jetzt muss nur noch alles andere klappen.
 

Nachdem ich Ricco gemailt habe, dass Clem für mich einspringt, vielleicht aber etwas später kommt, und er mir sein Okay gegeben hat, laufe ich in die Küche.

Keiner Zuhause. Meine Mutter hilft ehrenamtlich im Altenheim und backt mit den Bewohnern Weihnachtsplätzchen. Papa muss mithelfen. Der Arme. Er tut mir gar nicht leid.

Nicole hängt bei einer ihrer Freundinnen herum und ich, ich renne seit gestern Abend, nach dem Essen bei Clem und Kilian, mit argen Bauchschmerzen und übersprudelnden Gedanken durch die Gegend.

Sie halten immer noch an, obwohl ich gehofft hatte, dass sie sich verziehen, sobald ich jemanden gefunden habe, der morgen für mich im Weinkeller einspringt. Doch nix is. Sie sind noch da, triezen mich, treiben mich zur Eile an, und sie haben recht. Ich muss mich beeilen! "Koffer packen", sage ich zu mir selbst und eile wieder in mein Zimmer. Was ich eigentlich in der Küche wollte? Woher soll ich das wissen? Mein Kopf ist mit anderen Dingen beschäftigt. Nämlich mit Meilo, dem es schlecht geht. So schlecht, dass ich gestern Abend einen riesigen Schrecken am Telefon bekommen hatte, als wir miteinander telefoniert haben.

/Sie haben noch einen Videodreh dazwischen gequetscht/, erklärte er mir mit tonloser Stimme. /Mein einziger freier Tag ist damit auch gestrichen./

"Aber das können sie doch nicht tun!", rief ich aufgebracht.

/Doch, können sie. Kohle will verdient werden. Erst recht, wenn die Quelle dafür bald versiegt ist./ Ich kann euch gar nicht sagen, wie wütend ich auf diese verfluchte Plattenfirma wurde! Ich musste mich beherrschen, damit ich nicht zu laut redete, und somit das halbe Haus aus den Träumen riss.

Meilo hörte sich so müde, so kaputt an, dass es mir das Herz brach. "Und wie lange geht der Dreh?", wollte ich von ihm wissen, nachdem ich meine Wut wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, was sehr, sehr schwer war.

/Von Donnerstag bis Samstag. Und dazwischen sind noch Interviewtermine./ Meilo tat mir so leid! So viel Stress, weil er von Morgens bis Abends Arbeiten, und von einem Termin zum nächsten hetzen musste, und nun auch noch dieser verfluchte Videodreh. Ich musste handeln!

Ich erinnerte mich daran, was ich mir letztens geschworen hatte, unten im Keller, als ich Meilos und Mamas Gespräch belauscht habe. Dass ich bis zum Jahres Ende besonders auf Meilo achten werde, egal wie sich das bewerkstelligen lässt, ich passe auf ihn auf. Das habe ich ja auch Doro versprochen, und ich gedenke dieses Versprechen auch zu halten.

Und nun ist es soweit. Schon eher als gedacht. Deshalb der Anruf bei Clem. Ich werde zu ihm fahren, komme was wolle, ihm den Rücken stärken, und zwar auf der Stelle!
 

Ich werfe ein paar Kleidungsstücke in meine Reisetasche, renne ins Badezimmer und packe auch dort alles Wichtige, was ich für die kommenden Tage benötige, zusammen. Als ich die Tasche schließen möchte, halte ich jedoch inne. Ob Logan Wittmen mitfahren soll? Ich bin nicht gerade scharf drauf, als Niclas beim Videodreh aufzutauchen, falls ich mich überhaupt dort blicken lassen werde. Kommt ganz auf Meilo an. Außerdem könnte ich auf diesem Wege Gerd gleich nochmal klar machen, dass Meilo Keith Kandyce lebe wohl sagen wird.

Dann mal nichts wie her mit meiner Verkleidung!

Fertig gepackt, rausche ich hinaus in den Flur. Kurz vor Wohnungstür fällt mir wieder ein, was ich in der Küche wollte. Meinen Eltern eine Notiz an den Kühlschrank hängen, dass ich zu Meilo unterwegs bin. Ich schlage mir innerlich gegen die Stirn. Beinahe hätte ich das vergessen!
 

Dies auch erledigt und alles im Auto verstaut, fällt mir jedoch auf, dass ich gar nicht genau weiß, wo Meilo gerade steckt. Ich weiß nur soviel, dass er in Berlin ist. Diesmal in keinem Hotel, denn er wohnt ja in unserer Hauptstadt. Logisch habe ich seine Wohnadresse, aber das dürfte mir auch nicht viel nutzen, denn wer soll mich in die Wohnung lassen, wenn niemand da ist?

Wo der Videodreh stattfindet, hat er mir nicht gesagt, und ihn jetzt anzurufen und zu fragen wäre zwecklos. Während der Arbeit hat er sein Handy auf lautlos gestellt und mir bliebe nur, auf seine Mailbox zu sprechen, oder ihm eine SMS zu schreiben.

Da ich aber keine anderen Alternativen habe, gebe ich schlussendlich Meilos Wohnadresse ein. Fahren wir erstmal dorthin. Alles weitere klärt sich dann schon, hoffe ich. Und wenn alle Stricke reißen, suche ich mir ein nettes Café, in dem ich auf Meilos Rückruf warten kann. Eigentlich kein schlechter Plan, finde ich.
 

***
 

"Oh das gibt's doch nicht. Fahr los, du Volltrottel!" Am liebsten würde ich ins Lenkrad beißen vor Zorn. Findet in Berlin mal einen freien Parkplatz! Und falls man mal einen findet, dann kommt so ein Arschloch vorbei, und schnappt ihn einem vor der Nase weg. Das ist mir heute schon drei mal passiert. "Arsch!", brülle ich und sause an der vergebenen Parklücke vorbei. Ich hab's satt! Diese ganze Stadt kotzt mich an!

Ich weiß, dass die Stadt dafür nichts kann. Und höchstwahrscheinlich gibt's in allen größeren Städten akuten Parkplatzmangel, aber das hier ist die Stadt, in der Meilo zur Zeit quasi gefangen ist. Und das macht sie für mich mehr als unsympathisch. Einfach alles hier bringt mich auf die Palme.

Ich setze den Blinker und versuche es in der angrenzenden Straße nochmal. Ein Blick in den Rückspiegel, diesmal folgt mir keiner. Vielleicht habe ich ja dieses mal Glück.

Langsam tuckere ich an der Reihe parkender Autos vorbei und "Bingo!" Drei Autos weiter leuchten Rückscheinwerfer auf. Ich halte an, setzte den Blinker. Das ist meiner! Und tatsächlich. Als der Wagen rausgefahren ist, stehe ich sofort in der freien Lücke. Sieg! Eine Fanfare bitte.
 

Froh, den Motor endlich ausstellen zu können, atme ich tief durch, ehe ich aussteige und mich umschaue. Durch die Herumsucherei habe ich leicht die Orientierung verloren, aber ich werde das Haus schon wieder finden. Hab mir die Fassade gemerkt.

Mit den Händen in den Hosentaschen, die Nase in meinem warmen Schal vergraben, latsche ich los. Nach einem kleinen Irrweg (ich bin eine Straße zu weit gelaufen, und musste sie wieder zurückgehen), stehe ich endlich vor dem hohen Gebäude, in dem Meilos Wohnung liegt.

Nobel, nobel. Ich mag gar nicht wissen, was das Ding an Miete kostet. Aber das bezahlt ja alles die Plattenfirma. Sollen die ruhig ordentlich für eine Bude blechen, in der Meilo so gut wie nie ist. Trottel! Verdient haben sie es.

Ich stelle mich in den kleinen Hausaufgang und lese die Klingelschilder. Und da steht er! M. Haug. Oberste Etage. Aus einer Laune heraus klingle ich, bekomme aber keine Antwort, was mir schon im Vornherein klar war. Es ist gerade mal halb fünf. Meilo ist sicher noch unterwegs. Fröstelnd schaue ich mich um. Gibt es hier irgendwo ein Café? Ich meine, vorhin bin ich an einem vorbeigefahren. Finden wir es heraus.

Ich marschiere einfach den Gehweg weiter entlang. Irgendwas wird sich schon finden. Ein paar Modeläden reihen sich aneinander, aber kein Café, doch in einer Seitenstraße entdecke ich einen Bäcker, der noch geöffnet hat. Als ich hineinspähe, sehe ich eine kleine Sitzecke mit noch freien Plätzen. Na das ist doch schon mal was. Und die Torten sehen auch verdammt lecker aus. Mein Magen scheint endlich wieder aufnahmebereit zu sein.
 

Drinnen suche ich mir ein lauschiges Plätzchen, bestelle mir einen Kaffee und ein Stück Erdbeersahnetorte. Während ich darauf warte, zücke ich mein Handy. Anrufen oder eine SMS? Ich entscheide mich für die SMS. *Ruf mich bitte an, sobald du Zeit hast. Ist dringend*, schreibe ich Meilo. Als sie verschickt ist, ärgere ich mich jedoch. Das Wörtchen dringend hätte ich weglassen sollen. Sehr ärgerlich, aber jetzt ist es zu spät.

Mein Handy wandert vor mir auf den Tisch, um es schnell greifbar zu haben, wenn Meilo sich meldet.

Nachdem ich meine Torte und den Kaffee serviert bekommen habe, lasse ich es mir schmecken, wobei ich mir viel Zeit lasse. Genug davon habe ich ja. Vor sechs Uhr rechne ich mit keiner Antwort von meinem Liebsten. Hm ... "Entschuldigen Sie?", richte ich mich an eine der Verkäuferinnen. "Wie lange habe Sie geöffnet?"

"Bis achtzehn Uhr", antwortet sie mir, was ich mir schon gedacht habe.

Mist! Dann muss ich mir ein anderes warmes Plätzchen zum Warten suchen. Aber nun gut. Vielleicht meldet sich Meilo ja schon eher, und ich kann zu ihm fahren. Obwohl ich ja dann meinen hart umkämpften Parkplatz aufgeben müsste. Irgendwas ist doch immer.
 

Ein Tortenstück und zwei Tassen Kaffee später, fühle ich mich angenehm träge. Die Wärme hier drinnen trägt ihr Übriges dazu bei. Ich schaue auf die große Uhr über der Theke. In zehn Minuten muss ich hier raus sein. Och Meilo! Schau doch bitte mal auf dein Handy!

Und als hätte er meine Gedanken gehört, piepst meins plötzlich. Eine SMS von meinem Schatz! *Ich bin gleich auf dem Heimweg. Reicht es, wenn ich dich von meiner Wohnung aus anrufe? Dauert so ca. eine halbe Stunde.* 'Ne halbe Stunde bloß? Oh yes!

*Klar, das reicht. Bis nachher.* Und senden.

Das lief ja besser als gedacht!

Ich stehe auf und gehe rüber zur Bedientheke, um meine Rechnung zu begleichen. Nachdem auch das erledigt ist, frage ich, ob es hier irgendwo einen Italiener oder ein ähnliches Restaurant gibt. "Die Straße weiter, bis zur nächsten Kreuzung, dann rechts. Dort gibt es einen kleinen Griechen", erklärt mir die Verkäuferin.

"Perfekt", strahle ich sie an. Sie blinzelt verlegen und lächelt süßlich.

Meine Mundwinkel fallen wieder nach unten. Ich sollte meine Gefühlsausbrüche zügeln, bis ich wieder mit Meilo vereint bin, glaube ich. Auf flirtende Konditorinnen kann ich bestens verzichten.

Wenigstens erweist sich ihr Tipp mit dem Griechen als wertvoll. Ich finde ihn auf Anhieb und bestelle nach einem kurzen Blick in die Karte, zwei mal die griechische Spezialitätenplatte ohne Knoblauch. Meilo kann Knoblauch ja nicht leiden.

Keine zwanzig Minuten später halte ich meine Bestellung in den Händen. Gut in Alufolie verpackt und bereit zu Meilo geschleppt zu werden.

Ich gebe Vollgas, einerseits, weil ich zu Meilo will, und er inzwischen bald Zuhause sein müsste, und andererseits, damit das Essen nicht kalt wird. Außerdem muss ich noch meine Tasche aus dem Auto holen.

Das erledigt, mache ich mich schnellstens wieder auf den Weg. Und wieder ist Meilos Timing heute fast erschreckend perfekt, denn als ich in Sichtweite von Meilos Wohnung bin, klingelt mein Handy. Umständlich krame ich es aus der Hosentasche. "Meilo?"

/Hey Sweety/, meldet er sich bei mir. Wieder hört er sich müde und geschafft an.

"Anstrengenden Tag gehabt?"

/Und wie/, seufzt er.

"Oh je. Hast du schon was gegessen?"

/Nein. Keinen Hunger./ Das sagt er jetzt.

"Das kannst du mir nicht antun!", poltere ich laut los. "Ich packe das nicht alleine."

/Was?/ Ich kann förmlich sehen, wie Meilo die Stirn runzelt. /Wie meinst du das?/ Ich bleibe ihm eine Antwort schuldig und drücke stattdessen an seiner Türklingel. Gleich bin ich bei dir, mein Liebling!

Ich höre, wie es oben bei Meilo läutet. "Besuch?", frage ich scheinheilig nach.

/Eigentlich nicht/, wundert er sich. /Ich mach nicht auf. Bin nicht da./ WAS?!

"Und was, wenn es etwas Wichtiges ist?"

/Das kann nichts Wichtiges sein. Außerdem ist nichts wichtiger als du./ Das erwärmt zwar mein Herz, aber davon hat das langsam auskühlende Essen leider nichts. Und meine Füße, die sich mit jeder Sekunde mehr in einem Eisklumpen verwandeln, auch nicht.

Ich klingle nochmal. Doch diesmal bleibt mein Finger auf dem kleinen Knopf liegen. /Verdammt noch eins!/, knurrt Meilo. /Was ist denn das für ein Spinner?/

"Hört sich wichtig an", sagt der Spinner an der Klingel unschuldig. "Guck doch schnell nach, wer das ist, und ruf mich danach zurück, ja?"

/Na gut/, gibt mein Schatz sich geschlagen. /Der bekommt gleich was zu hören!/

"Mach ihm die Hölle heiß, mein Süßer."

/Darauf kannst du wetten./ Ui! /Ich melde mich gleich wieder./ Oder auch nicht.

"Tu das. Bis gleich." Ich lege auf, stecke das Handy weg und warte.

Die Gegensprechanlage knackt. /WAS?/, kackt mich eine metallisch klingende Stimme, die nur entfernt an Meilo erinnert, an.

"Hier ist der griechische Lieferdienst", säusle ich. "Ihre Bestellung ist da."

/Ich hatte nichts bestellt./

"Vielleicht nicht mit Worten, aber ich spüre, wenn mein Verlobter mich braucht." Verlobter ... Ich habe mich immer noch nicht so recht dran gewöhnt.

Es dauert ein paar Sekunden, bis Meilo schaltet. /Nic?/

"Eben der", lache ich. "Machst du mir jetzt endlich mal auf, oder soll ich vor der Tür essen?" Der Türöffner summt. "Dankeschön."

/Achter Stock/, höre ich einen immer noch verwirrt klingenden Meilo sagen, ehe sich die Tür hinter mir wieder schließt.

Ich stürme hinein, auf den Aufzug zu und drücke ungeduldig den Knopf. "Na komm schon!", flehe ich ihn an. "Beeil dich doch!"

Als er da ist und die Türen sich öffnen, springe ich mit einem Satz hinein. Die Acht gedrückt, Türen zu, es geht aufwärts. Endlich angekommen, steht Meilo schon vor dem Aufzug und sieht mich so überrascht an, dass ich gar nicht anders kann, als loszulachen. "Du bist wirklich da", wispert er.

"Na was denkst du denn? Dass ich dich hier alleine lasse, wenn es dir schlecht geht?"

"Aber ich dachte, du musst arbeiten?"

"Hab getauscht."

"Ja, aber wie ..."

"Meilo?", fahre ich ihm dazwischen. "Können wir in deine Wohnung? Das Essen wird sonst wirklich noch kalt." Ich halte die Tüte hoch, aber Meilo regt sich nicht. "Meilo? ... Meilo alles in Ordn... ung?!", japse ich, da er mir plötzlich um den Hals fällt.

"Ich bin so froh, dass du hier bist", raunt er in mein Ohr.

"Logisch bin ich hier", antworte ich mit kratziger Stimme. "Sobald du mich brauchst, bin ich bei dir. Ob du mich drum bittest, oder nicht." Ich streichle ihm sanft über die Schulter. "Jetzt lass uns aber langsam mal in die Wohnung gehen."

Zögernd lässt er mich wieder los, behält jedoch meine linke Hand in seiner. "Ja ... klar."

Ich muss hart schlucken, als ich in Meilos müdes Gesicht sehe. Es scheinen Welten zwischen unserem letzten Wiedersehen zu liegen, dabei waren es doch bloß zwei Tage! Was haben die nur mit ihm gemacht?!
 

Meilo führt mich den hell beleuchteten Flur entlang, auf eine Tür zu. Ich bin wirklich gespannt, wie er lebt. Wenn er denn mal Zuhause ist und nicht in irgendwelchen Hotels.

Er lässt mir den Vortritt und nimmt mir die Tüte ab. Neugierig schaue ich mich um.

Ich stehe in einem relativ kleinen Flur mit Kommode und Garderobe, allerdings tut sich zwei Meter vor mir eine geräumige Wohnung auf. Eine ziemlich leere Wohnung und viele "Umzugskartons? Du hast schon gepackt?"

Ich laufe weiter in den Raum hinein. "Ehrlich gesagt, habe ich das schon vor ein paar Monaten", erklärt er mir. "Und wirklich viel hatte ich vorher auch gar nicht ausgepackt. Zu wenig Zeit, zu wenig in Berlin." Wie furchtbar! Er hatte die letzten paar Jahre nie wirklich ein Zuhause, wenn man es recht bedenkt. Eigentlich kein Wunder, dass er sich gleich ein ganzes Haus kaufen möchte.

"Nimmst du das alles mit ins Haus? Also, falls wir es überhaupt bekommen."

"Nicht alles. Das Meiste spende ich. Ich brauche es nicht mehr."

"Wie nobel", grinse ich und schmiege mich an ihn. "Wir haben uns noch gar nicht richtig begrüßt."

"Wie konnte denn das passieren?" Glücklich beobachte ich, wie das gewohnte Leuchten in Meilos Augen zurückkehrt, und er wieder eine halbwegs normale Gesichtsfarbe bekommt.

"Weiß nicht. Wir haben es wohl vergessen."

"Schande über uns."

"Aber echt ..." Ich schließe die Augen und erwidere Meilos Kuss.

Sanft kraule ich ihm über den Rücken. Ich kann seine innere Anspannung regelrecht spüren. Darum muss ich mich nachher unbedingt kümmern. Wie gut, dass ich alles Wichtige dafür eingepackt habe.

"Zeigst du mir jetzt deine Küche?", frage ich ihn, nachdem wir uns voneinander gelöst haben.

"Von mir aus gern, aber da gibt es nicht mehr viel zu sehen."

"Gabel und Messer wirst du doch hoffentlich noch da haben."

"Ehh ... Irgendwo in einem Karton bestimmt."

"Ups." Daran hätte ich vielleicht auch mal selbst denken können. "Dann müssen wir eben mit den Fingern essen", kichere ich und schnappe mir Meilos freie Hand. "Und wo ist nun die Küche?"
 

***
 

Meilo hat dann doch noch Messer und Gabeln gefunden, und sogar zwei Teller.

Nun hocken wir an einem riesigen Esstisch, der mitten im Wohnbereich steht, dahinter, in einer großen Nische, das Wohnzimmer. Direkt neben uns, ein bodentiefes Fenster mit Blick auf die Stadt inklusive Fernsehturm. "Eins muss ich zugeben, deine Bude hat eine mordsmäßige Aussicht", sage ich und schaue auf das Lichtermeer Berlins.

"Ja, ganz nett", murmelt Meilo, der mir gegenüber sitzt. Berlin ist vergessen. Sofort hat er wieder meine volle Aufmerksamkeit.

"Willst du dich auskotzen?", frage ich ihn und lege das Besteck weg. Ich kann nicht mehr. Mein Magen muss geschrumpft sein.

Meilo sieht mich an und nickt kaum sichtbar. "Rate mal, mit wem das Video drehen muss?" Ich überlege angestrengt, passe dann allerdings. "Mit meinem Nachfolger. Jared."

"Deinem Nachfolger? Der Kerl, der dich ersetzen soll?"

Meilo nickt. "Die haben extra einen meiner neueren Songs neu abgemischt und angepasst, damit wir beide ihn singen können. Eingesungen haben wir ihn gestern, was Stunden gedauert hat, weil dieser verdammte Idiot keine Spur von Timing hat, aber das Selbstbewusstsein eines drei Meter großen Pfaus! Er meinte ständig auf dicke Hose machen zu müssen und versucht ständig mich auszuspielen." Das hört sich ja grauenhaft an! Ich hasse diesen Jared auf Anhieb. Der soll mir mal unter die Augen kommen. "Anfangs ignorierte ich ihn, doch das ist kaum möglich."

"Kann ich mir denken."

"Vielleicht liegt es auch nur daran, weil ich keinen Bock mehr auf das alles habe, denn früher hat es mir immer sehr viel Spaß gemacht, mit anderen Künstlern zusammen zu arbeiten. Keine Ahnung. Wahrscheinlich ist es eine Kombi aus beidem."

Ich schiebe meinen Stuhl zurück, stehe auf und gehe um den Tisch herum. Rittlings setze ich mich auf Meilos Schoß und lege meine Arme auf seine Schulter, während ich meine Stirn gegen seine lege. "Kann gut sein", erwidere ich. "Aber versuche dich deswegen nicht selbst runterzumachen, ja? Das gönnen wir diesen Idioten nicht."

"Ich versuche es", sagt er, hört sich aber immer noch niedergeschlagen an. Dagegen muss ich was tun!

"Soll ich morgen mitkommen?", frage ich ihn daher. "Ich habe meine Verkleidung dabei."

"Logan?", fragt mich Meilo und bringt tatsächlich wieder ein kleines Lächeln zustande.

"Eben der."

"Den habe ich lange nicht mehr gesehen."

"Ich weiß. Und er dich auch nicht."

"Hm ... Wieso eigentlich nicht? Wenn du da bist, ist das Ganze eventuell auszuhalten."

"Eventuell?!", empöre ich mich, lache aber. "Na lieben Dank auch!"

"Du ahnst ja gar nicht, wie furchtbar ein Videodreh sein kann", meint Meilo. "Ganz, ganz furchtbar."

"Dann denke nicht mehr darüber nach. Heute Abend ist arbeitsfreie Zone. Deswegen bin ich nämlich hier." Ich stehe wieder auf und halte Meilo die Hand hin. "Zeigst du mir jetzt dein Schlafzimmer, oder muss ich es suchen gehen?"

Meilo grinst verschmitzt. Erleichtert grinse ich zurück. "Warum eigentlich nicht?", fragt er frech und ergreift meine Hand. "Geh es suchen und ich folge dir."

"Okay, aber du trägst meine Tasche."

"Muss das sein?"

"Jepp. Darin habe ich feine Sachen für dich verstaut." Dem kann mein neugieriger Meilo natürlich nicht widerstehen.
 

Nachdem er meine Tasche in Beschlag genommen hat, gehe ich auf die Suche nach Meilos Schlafzimmer. Da ich schon weiß, wo die Küche ist, bleiben nicht viele Möglichkeiten. Der relativ kleine Flur, von wo aus man in den großen Wohnbereich kommt, geht nach dem Wohnbereich weiter. Er ist länger, und auch breiter. Dort gehen drei Türen ab. Eine links, eine rechts, die Dritte geradeaus am Flurende. Schwer wird es nicht, das Schlafzimmer zu finden, denn ich tippe mal, dass die Tür am Flurende das Schlafzimmer beherbergt. Dennoch öffne ich zuerst die rechte Tür. "Eine Rumpelkammer", kommentiere ich das Zimmer, das ungefähr so groß ist, wie meins in meinem Elternhaus. Auch hier nur Kartons.

"Das hatte ich mal als Gästezimmer vorgesehen, aber es endete als ..."

"Rumpelkammer", falle ich Meilo ins Wort.

"Als Abstellraum für meine Umzugskartons", korrigiert er mich. "Die hier habe ich seit meinem Einzug nicht angefasst."

"Ein Umzugskartonzimmer also", gluckse ich.

"So ungefähr."

"Aber schlafen kann man hier schlecht, also ..." Ich schließe die Tür wieder und suche weiter. Die linke Tür ist dran. Wie ich schon vermutet habe ist hier das Badezimmer. Es ist riesig, im Vergleich zu der Umzugsrumpelkammer.

Zwei Waschbecken, eine große Eckbadewanne, eine Dusche, in der mehr als zwei Personen reinpassen. Alles sehr modern und rechteckig, aber es wirkt keineswegs kühl.

Früher hätte mich das Bad wahrscheinlich aus den Latschen kippen lassen, doch seit ich mit Meilo in allerlei Hotels war, behalte ich meine Latschen an. Allerdings kommt mir da eine Idee.

"Meilo?"

"Ja?"

"Kleine Planänderung", verkünde ich und nehme ihm die Tasche ab. Sie landet auf einem der Waschbecken. "Zieh dich aus."

"Ganz?"

"Nee, halb", lache ich. "Natürlich ganz. Mit Kleidung am Leib klappt mein Meilo-Verwöhnprogramm nicht."

"Ziehe nur ich mich aus, oder ..."

"Wirst du schon sehen. Los! Mach dich nackig."

"Wie du willst", schmunzelt mein Liebling und beginnt sich zu entblößen.

Ich öffne derweil meine Tasche und krame mich durch mein Zeug. Wo habe ich denn nur ...? Ah, da ist es ja!

Damit Meilo noch nicht sieht, was ich in der Hand habe, lege ich es wieder in die Tasche zurück und decke es mit einem meiner Pullover ab. Anschließend beginne auch ich mich auszuziehen.

Weil es zu lange dauern würde, die Badewanne zu füllen, führe ich Meilo in die Dusche. Als er die Tür schließen möchte, halte ich ihn auf. "Muss gleich noch was holen", erkläre ich. "Dreh dich um und entspanne dich einfach."

"Aye, aye", sagt Meilo und dreht sich um.

Ich stelle das Wasser an, das sofort eine angenehme Temperatur hat. Rauschend prasselt es auf uns hinab, als ich beginne, Meilos Rücken zu streicheln. Sanft fahre ich an den festen Muskelsträngen entlang, fange dann jedoch an, sie fester zu massieren. Meilo keucht wohlig auf. Wie ich mir schon gedacht habe: "Total verspannt."

"So ein Videodreh ist auch ohne einen nervigen Nachfolger anstrengend", murmelt Meilo.

"Scht!", mache ich. "Die Arbeit ist bis morgen früh tabu!"

"Sorry. Hatte ich vergessen."

"Vergessen ist ein gutes Stichwort. Nicht bewegen und nicht schmulen." Ich klopfe ihm sachte auf den Po, ehe ich aus der Dusche springe und auf meine Tasche zulaufe. Ein kurzer Blick, Meilo guckt brav geradeaus, also kann ich das kleine Fläschchen gefahrlos aus meiner Tasche ziehen.

Wieder bei Meilo, schließe ich die Tür. Es wird gleich viel wärmer in der Kabine. Ich schalte das Wasser aus. "Was hast du vor?", möchte mein neugieriger Verlobter wissen.

"Das wirst du schon sehen." Oder besser gesagt, er wird es fühlen. Ich bin ja mal gespannt, ob er errät, was ich gleich auf seine Haut massieren werde. Falls nicht, wäre ich leicht gekränkt. Schließlich habe ich die Flasche von ihm stibitzt, damals, als wir in Passau waren.

Ich öffne den Drehverschluss der kleinen Flasche und gebe mir eine großzügige Menge auf die Handfläche. Das Fläschchen stelle ich hinter mir auf die kleine Ablage, auf der allerlei Duschzeug steht. Das Öl in meinen Händen verrieben, beginne ich, Meilo den Rücken zu massieren.

Es dauert nicht lange, und der Wärmeeffekt setzt ein. "Du kleiner Dieb", schmunzelt Meilo. "Du hast mir das Gleitöl gemoppst! Und ich dachte schon, ich hätte es im Hotel liegen gelassen."

"Dachtest wohl, Anne und Thorsten hätten es sich unter den Nagel gerissen, hm?"

"Wenn, wäre es auch nicht schlimm gewesen", säuselt Meilo und entspannt sich immer mehr. "Aber dass du es dir einfach genommen, und mir nichts davon gesagt hast ... schäme dich."

"Sobald ich Zeit habe, tue ich das vielleicht", entgegne ich und knete Meilos Schultern durch.

"Oh ist das schön", stöhnt er und legt den Kopf in den Nacken. Wie soll ich ihn denn bitte schön so massieren?

Meine Hände gleiten an Meilos Armen hinab und ich lehne mich gegen seinen Rücken. Mit dem Mund schmuse ich über seine linke Ohrmuschel. "Bist du allmählich entspannt?", frage ich ihn leise.

"Noch nicht ganz. Mach noch ein bisschen weiter." Wie er will.
 

Mit den Fingerspitzen gleite ich über jede Stelle, die ich in unserer momentanen Position erreichen kann. Zeitgleich verteile ich hauchzarte Küsse über seinen Hals und Nacken. Nicht so, dass es Knutschflecken gibt. Die kann er gerade auf keinen Fall gebrauchen. Noch mehr Stress, und mein armer Schatz klappt womöglich wirklich zusammen. Daher belasse ich es bei unverfänglichen Liebkosungen, schmecke das Öl und Wasser.

Meilo seufzt immer wieder und reibt sich in langsamen Bewegungen an meinem Körper. Ich schlinge meine Arme um seinen Bauch und kraule dort über die feuchte Haut, während ich mich auf die Zehenspitzen stelle und Meilos Mund einfange.

Wasser regnet auf uns hinab. Meilo hat die Brause erneut angestellt. Mit den Armen drücke ich ihn noch ein wenig fester gegen mich, genieße das Gefühl seiner warmen Haut an meiner.

Nach einer Weile ist uns das allerdings nicht mehr genug. Ohne unseren Körperkontakt oder unseren Kuss groß zu unterbrechen, dreht sich Meilo in meiner Umarmung zu mir herum. Hände legen sich auf meinen Rücken, wandern auf und ab, und lassen auf ihm eine Gänsehaut entstehen. Wir beide sind schon spürbar erregt, doch das ist bloß Nebensache. Viel wichtiger ist es, dass wir hier sind, zusammen, und ich ihn die vergangen Stunden in Berlin vergessen lassen kann.

Als wir den Kuss beenden, fühlen sich meine Lippen ganz mitgenommen an. Auch Meilos sind leicht geschwollen und glänzen verführerisch dunkel. Am liebsten würde ich meinen Mund gleich wieder auf sie drücken, doch eine Bewegung im Augenwinkel lenkt mich ab. Meilo hat sich eine der Duschgelflaschen gegriffen, schnippst den Verschluss auf und gibt sich etwas von dem blass blauen Gel auf die Hand. "Du auch?" Mit nach oben gezogenen Augenbrauen sieht er mich fragend an.

"Her damit", raune ich und nehme sie ihm ab.

Wir seifen uns gegenseitig ein, begleitet von weiteren Küssen und gelegentlichem leisen Lachen, immer dann, wenn einer von uns versucht, den anderen mit dem glitschigen Zeug zu ärgern. Das endet alles leider nur allzu schnell, als Meilo die Brause abnimmt, und uns beide von dem Schaum befreit.

Draußen, vor der Duschkabine, reicht mir Meilo ein Handtuch. "Fühlst du dich jetzt entspannter?", frage ich ihn und rubble mich trocken.

"Und wie", schmunzelt er. "Das liegt aber nicht nur an deiner Massage." Meilo schmiegt sich erneut an mich. Seine Haut ist stellenweise noch feucht, was meine Bemühungen, trocken zu werden, wieder zunichte macht. "Danke, dass du gekommen bist." Ich sage nichts, küsse ihn, was Antwort genug ist. "Ins Bett?" Ich nicke.
 

Im Flur nehme ich abermals seine Hand und führe ihn zielsicher in sein Schlafzimmer. Wie anfangs vermutet, befindet es sich hinter Türchen Nummer drei, am Ende des Flurs.

Auch hier gibt es nicht mehr viel zu sehen, weil das Meiste schon verpackt zu sein scheint. Ganz rechts steht der schwarze Flügel, von dem Meilo mir des öfteren erzählt hat. Links das obligatorische Schminktischchen und in der Mitte, direkt vor uns: "Nettes Bett." Es ist riesig. "Da passen mehr als zwei Leute rein."

"Das dachte ich mir auch, als ich es gekauft habe."

"Was?" Entsetzt drehe ich mich zu meinem Freund um.

"War ein Scherz", lacht Meilo. "Als ich es gekauft habe, habe ich gar nicht wirklich über seine Größe nachgedacht." Verlegen kratzt er sich im Nacken.

"Warum auch? In dein Schlafzimmer würden nochmal zwei davon reinpassen." Mindestens!

"Deswegen habe ich nicht darüber nachgedacht", sagt Meilo leise und zieht mich neben das Bett, wo er sich hinsetzt und mich auf seinen Schoß zieht. "Nachdem ich Benedikt mit einem anderen erwischt hatte, konnte ich nicht mehr in unserem alten Bett schlafen. Am nächsten Tag habe ich das erstbeste Bett gekauft, dass mir auch nur ansatzweise gefallen hatte."

"Oh", hauche ich. "Verstehe." Ich hätte mich auch nicht mehr in ein Bett legen können, in dem man mich betrogen hätte. Ständig müsste man daran denken, was dort passiert ist, wo man gerade liegt ... Plötzlich fängt Meilo an zu lachen. "Was ist?"

"Rate mal, was ich mit dem alten Bett gemacht habe."

"Verbrannt?", rate ich ins Blaue. Das stelle ich mir jedenfalls sehr heilsam vor.

"Nein", antwortet er mir. "Als ich Benedikt nach der Geschichte rausgeschmissen hatte, ist er zurück in seine alte WG gezogen. Dorthin hatte ich ihm das Bett kurzentschlossen hinliefern lassen. Die Möbelpacker haben es bis zu der Wohnungstür getragen. Seine Mitbewohner müssen ganz schon angepisst gewesen sein, als das Teil vor ihrer Bude stand. Und nicht nur die. Auch die anderen Hausbewohner. Der halbe Hausflur war unzugänglich." Meilo kichert immer noch.

"Das hast du echt gemacht?" Er nickt grinsend. "Meinen Respekt", lache ich.

"Ich wusste nicht wohin mit dem Teil. Es zu entsorgen kam mir zu einfach vor. Ich dachte nur, wenn er schon in unserm Bett schon fremdvögelt, dann kann er es auch gleich behalten."

"Eigentlich logisch", finde ich.

"Ich hätte zu gern sein Gesicht gesehen. Und die seiner wütenden Mitbewohner, die über das Bett klettern mussten, um in die Wohnung rein und wieder raus zu kommen."

"Rache kann so schön sein", gluckse ich und umfasse Meilos Gesicht. "Und sehr heilsam." Mir hatte es damals auch verdammt gut getan, Kilian im Café anzubrüllen, ungeachtet dessen, was die anderen Gäste über uns denken mochten. Auch wenn ich es damals noch nicht so empfunden hatte, tat es am Ende doch gut, mir Luft zu machen. Doch das, was danach passierte, war noch viel, viel besser ...

"Schon ... irgendwie", sagt Meilo. "Aber nichts ist so heilsam, wie dich bei mir zu haben."

Lächelnd schmuse ich über seinen Mund. "So etwas ähnliches dachte ich eben auch." Bevor Meilo etwas erwidern kann, stürme ich seinen Mund.

Kichernd lässt er sich fallen, zieht mich mit und verfrachtet mich auf die Matratze. Eilig verschwinden wir unter der Bettdecke, kuscheln uns aneinander und schmusen noch ein wenig miteinander, bevor wir beide vor Müdigkeit einschlafen.
 

***
 

Der nächste Morgen kommt viel zu früh. Meilos Wecker klingelt uns schon um halb sechs aus den Federn. Für einen passionierten Langschläfer wie mich, eine unmenschliche Zeit zum Aufstehen.

"Mach's aus", krächze ich verschlafen.

"Bin schon dabei." Das Klingeln verstummt.

Neben mir raschelt und wackelt es. "Du willst jetzt nicht wirklich schon aufstehen", murmle ich ins Kissen.

"Ich muss", schnaubt Meilo. "Um halb acht muss ich am Set sein."

"Die spinnen doch." Alles Verrückte im Showbiz!

Ich drücke mein Gesicht tief ins Kissen und hänge dem schönen Gefühl nach, dass man hat, wenn man morgens im warmen, kuscheligen Bett liegt. Leider macht Meilo dieses Gefühl schnell zunichte, denn er steigt aus dem Bett und tappst durchs Schlafzimmer. Unter großen Qualen stemme ich mein linkes Auge auf und versuche zu erkennen, was er tut.

Meilo schlurft auf einen Durchgang zu, der mit einem grauen Vorhang abgehängt ist. Er ist so schnell dahinter verschwunden, dass ich gar nicht sehen konnte, was sich dahinter verbirgt. Trotz der frühen Stunde und meiner Müdigkeit, hat mich schnell die Neugierde gepackt.
 

Ich schäle mein Gesicht aus dem Kopfkissen und setze mich auf. Gähnend kratze ich mich am Kopf, starre mit halb geschlossenen Augen weiter auf den Vorhang und befehle meinem Körper, ebenfalls aufzustehen. Es braucht einige Anläufe, bis er mit gehorcht.

In die Bettdecke gewickelt, durchquere ich den Raum, bis ich vor dem Vorhang stehe. "Meilo?"

"Hm?"

"Bist du hier drinnen?"

"Ja." Wollte nur nochmal sicher gehen.

Ich stecke den Kopf durch den Vorhang und sehe: Leere Wandregale. Nach einem kurzen Rätselraten, was das sein könnte, betrete ich den Raum nun ganz. Meilo steht zirka zwei Meter von mir entfernt und kramt in einem Koffer herum. "Was ist das hier?", frage ich ihn müde.

Er schaut zu mir auf und grinst dabei. "Mein Geheimzimmer. Jeder, der es betritt, wird umgehend zum Schweigen gebracht."

"Solange ich danach weiterschlafen kann ...", gähne ich.

Lachend richtet sich Meilo auf und kommt auf mich zu. Wie kann er so früh morgens schon lachen? "Das ist mein Kleiderschrank. Na ja, er war es vielmehr mal. Das Meiste ist schon verpackt."

"Ein Kleiderschrank?" Ich schaue mich um. "Du musst aber viele Klamotten haben", überlege ich. "Wo willst du die unterbringen?" Ich glaube nicht, dass wir so viel Platz in unserem Haus haben.

"Um die Kleidung mache ich mir keine Gedanken. Ich habe einiges ausgemistet und vieles davon war noch von meiner Zeit als Keith. Viel mehr Kopfzerbrechen machen mir da meine Sneakers. Die werde ich nicht alle unterbekommen, fürchte ich." In meinem Kopf rattert es. Ja, da war mal was. Meilo und seine Sneakers.

"Sind das denn so viele?"

"Ein Paar sind es."

"Viel viele genau?"

"So um die zweihundertfünfzig. Eher etwas mehr."

Ich blinzle einige Male, bis die Info mein noch schlafendes Gehirn erreicht. "Zweihundertfünfzig?" Meilo nickt. "Eher etwas mehr?" Wieder ein Nicken. Ich atme tief ein. "Wozu braucht man zweihundertfünfzig Sneakers?", möchte ich wissen.

Unschuldig zuckt Meilo mit den Schultern. "Ich mag Sneakers. In allen Farben und Formen. Immer, wenn ich ein schönes Paar sehe, kaufe ich es." Sprachlos schaue ich ihm dabei zu, wie er seelenruhig seine Kleidung zusammensucht und sich dann damit bepackt an mir vorbei drängelt. "Ich gehe schnell duschen. Das Frühstück müsste schon vor der Haustür stehen. Schaust du mal nach?"

"Frühstück? Vor der Haustür?" Bin ich im falschen Film aufgewacht?!

"Jaha!", ruft er mir von jenseits des Vorhangs zu. "Das bekomme ich morgens immer gebracht." Natürlich bekommt Mr. Kandyce sein Frühstück gebracht. Selbst Zuhause. Warum frage ich auch so blöd?

Ich glaube, ich lege mich nochmal ins Bett, versuche einzuschlafen, und wenn ich wieder aufwache, ist hoffentlich wieder alles beim Alten.

"Begehbare Kleiderschränke. Zweihundertfünfzig Sneakers. Frühstückslieferdienst ..." Ich glaube, zum Frühstück reicht mir heute eine Aspirin.
 

******

Love bite 54 - Heiße Glut

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 54 - Heiße Glut (Ohne Adult)

Moin ^^

Ja, ich untreue Tomate. Ich bin immer noch nicht dazu gekommen, eure Reviews zu beantworten. Letzte Woche hatte ich dermaßen viel um die Ohren, dass ich zu nix gekommen bin. Kommende Woche wird es damit auch nicht besser werden. Weihnachtsstress lässt grüßen. Ich habe immer noch nicht alle Geschenke beisammen *seufz* Hoffentlich schaffe ich es heute.

Und während ich durch die Bude wirble, wünsche ich euch viel Spaß beim nächsten Kapitel. Ach! Noch eine Neuigkeit. Die ersten beiden Kapitel meiner geplanten Adventsstory lade ich gleich auch noch hoch. Wird auch mal langsam Zeit, was? ^^
 

Eure Fara
 


 

Love bite 54 - Heiße Glut (Ohne Adult)
 

Es fühlt sich surreal an. Irgendwie verrückt und schräg. Ich glaube nicht, dass man sich jemals an so etwas gewöhnen kann. Selbst Meilo, der das schon ziemlich lange macht, quasi jeden Tag, hat mir vorhin gesagt, dass es für ihn ebenfalls ein komisches Gefühl ist. "Früher hat es mir Spaß gemacht, mich in jemand anderen zu verwandeln, doch jetzt nervt es nur noch. Es fühlt sich wie ein Fremdkörper an." Ich verstehe ihn, auch wenn es für ihn viel schlimmer sein muss, als für mich.

Mit einem selbstkritischen Blick in den Spiegel zupfe ich an meiner Perücke herum. Meilo werkelt ebenfalls noch ein wenig an seiner Frisur, dann seufzt er und verkündet, dass er fertig ist. "Den letzten Schliff bekomme ich am Set verpasst, genau wie Kleidung und Make-Up."

"Ich komme mir vor, wie an Karneval." In Logans Rolle bin ich schon lange nicht mehr geschlüpft. "Hoffentlich bekomme ich es noch hin Logen zu sein, so, wie ich ihn mir ausgedacht habe."

"Falls nicht, tust du eben selbstverliebt, mürrisch und schweigsam. Dahinter kommt niemand und man wird denken, du seist ein arroganter Arsch."

Ich drehe mich zu Meilo und grinse ihn an. "Ich soll mich also geben wie immer."

"Haargenau", kichert mein Schatz und stupst mir mit dem Finger gegen die Nase. "Auf jetzt. Unsere Limousine wartet schon."

"Uh! Eine Limo?"

"Nur das Beste für mich", grinst er, was allerdings gar nicht mehr fröhlich, sondern verkniffen wirkt. "Ich bin so froh, dass du mir den Rücken stärkst."

"Wenn dir einer blöd kommt, bekommt er es mit mir zu tun", verspreche ich ihm und nehme seine Hände in meine. "Ich werde über dich wachen, wie eine überfürsorgliche Löwenmutter." Endlich wirkt Meilos Lächeln wieder wie immer.

"Es reicht schon, wenn ich weiß, dass du da bist und ich zu dir kann, sobald mir alles über den Kopf wächst."

"Du bist aber leicht zufrieden zu stellen."

"Wusstest du das noch nicht?"

"Hnn... ich hatte da so eine Ahnung", gluckse ich.

Noch ein langer Kuss, er muss schließlich den ganzen Tag über vorhalten, und dann machen wir uns auf den Weg nach unten. Im Aufzug setze ich mir meine Sonnenbrille auf und denke mich in meine 'Rolle'. 'Sei schön arrogant und ein Arsch. Alles für Meilo!' Die Nervosität in mir steigt. Was da alles auf mich zukommen wird? Aber irgendwie wird es schon klappen. Es muss. 'Für Meilo.'
 

Unten vor dem Haus steht tatsächlich ein Luxusschlitten parat. Es ist zwar keine ellenlange Limo, so, wie ich sie in meiner Fantasie ausgemalt hatte, aber der BMW sieht dennoch teuer aus. Ich tue aber unbeeindruckt, auch, als der Chauffeur uns die Tür aufhält und wir kommentarlos einsteigen. Drinnen setzen wir uns auf die komfortable Sitzbank. Mir wird immer unwohler zumute, doch ich muss mich zusammenreißen. Wenn ich Meilo eine Stütze sein soll, muss ich einen kühlen Kopf bewahren. Also atme ich tief durch und lasse mich von dem ganzen Limo-Firlefanz um mich herum nicht ablenken. "Alles klar?" Meilo mustert mich fragend.

"Ja. Warum denn auch nicht?" Logan Wittmen sitzt jeden Tag in Luxuslimousinen. Das ist nichts Neues für ihn.

"Das wird schon." Versucht mich Meilo gerade zu beruhigen? Ich schaue ihn an und ja, das versucht er. Er lächelt mich an und greift sogar nach meiner Hand, die ich panisch wegziehe. "Angst, der Chauffeur könnte das bemerken?", fragt er mich. Ich schaue ihn nur mit geweiteten Augen an, was er allerdings wegen meiner Brille nicht sehen kann. "Der hört und sieht vorn nichts. Es sei denn, ich drücke einen dieser Knöpfe. Keine Sorge. Wird könnten jetzt herumknutschen, und keine Sau wüsste etwas davon."

"Sicher?"

"Sehr sicher", bestätigt er mir. Ich atme noch einmal tief durch. "Heute Abend brauchst du die Entspannungsmassage, hm?"

"Möglich", murmle ich. "Ich hab bloß Angst, dass wir kurz vorm Ziel noch auffliegen."

"Das wird schon nicht passieren. Und selbst wenn. Bis die das auf die Kette bekommen und versuchen herauszufinden, ob ich was mit dir habe, ist das Jahr schon vorbei. Entspanne dich einfach und schau dir den Dreh an." Ich nicke schwach. Alles, was ich mir ansehen werde, bist du Meilo. Dass du mir nicht unter die Räder kommst, bei diesen ganzen Idioten. Vor allem auf diesen Jared bin ich mal gespannt. Was das wohl für einer ist?
 

An unserem Ziel angekommen, habe ich keinen Schimmer, wo wir eigentlich sind. Es muss irgendein Randgebiet von Berlin sein.

Vor uns steht eine große Industriehalle aus roten Backsteinen und rostigen Eisenträgern. Links und rechts ist nichts zu sehen, bis auf den alten, zerfallenen Asphalt, auf dem wir stehen und wild gewachsenes Grün umgeben von kahlen Laubbäumen. Ich versuche mir meine Verwunderung über diesen Ort nicht anmerken zu lassen und laufe mit festen Schritten neben Meilo her. Er öffnet mir die Tür und lässt mich eintreten. Müsste das nicht anders herum sein?

Ich warte, bis Meilo wieder neben mir ist, ehe ich mich in der scheinbar stillgelegten Industriehalle umschaue.

Im Inneren erinnert sie an einen Rohbau. Einem Rohbau aus Stahl und Beton. Überall Stützpfeiler. Mich fröstelt es. Ich mag es auf Anhieb nicht. Genau wie die Wohnung, die wir uns zuletzt angeschaut haben. Wo ist der dicke Strick zum dran aufhängen?

Von weiter hinten dringen Gesprächsfetzen zu uns rüber. Als ich nach der Quelle Ausschau halte, sehe ich Licht zwischen den Stahlträgern. Genau dorthin sind wir unterwegs.

"Da bist du ja!", höre ich eine bekannte Stimme lospoltern. Gerd. Eilig kommt er auf uns zu. "Oh", macht er abfällig, als er mich erkennt. "Herr Wittmen." Ich lächle Gerd von unten herab an und nicke ihm zu. Das er meinen Namen immer noch weiß spricht Bände. "Wem haben wir den die Ehre zu verdanken?" Seine Stimme trieft vor Spott und Hohn.

"Ich habe ihn hergebeten", antwortet Meilo seinem Manager, noch ehe ich was sagen kann. "Er ist auf meinem Wunsch hier und bleibt bis zum Drehende." Gerds Blick wechselt von Meilo zu mir und wieder zurück.

"Fein", sagt er schließlich wenig begeistert. "Fühlen Sie sich wie Zuhause." Ich lächle spöttisch. Was er kann, kann ich auch. Auch ohne Worte. "Meilo? Du musst in die Maske. Wir liegen mit dem Zeitplan hinten." Gerd drängelt sich zwischen uns, legt seinen schmierigen Arm um Meilos Rücken und zerrt ihn mit sich. Ich soll mich also wie Zuhause fühlen? Mach ich doch glatt. Nichts wie hinterher!
 

Die 'Maske' ist bloß ein einfacher Tisch, den man als Schminktisch umfunktioniert hat. Dort wird Meilo hin verfrachtet, in einen Stuhl gesetzt und sofort von drei Maskenbildnerinnen umschwärmt.

"Na da schau an. Der Popstar höchstpersönlich. Hätte ja nicht gedacht, dass du heute noch auftauchst." Ich vernehme die Stimme, höre die Worte und weiß auf der Stelle: Egal, wer da eben gesprochen hat, ich hasse ihn!

Ich lehne mich mit der Hüfte lässig gegen Meilos Maskentisch und lasse die daraufhin giftigen und genervten Blicke der Maskenbildnerinnen an mir abprallen. Mein gesamtes Augenmerk gilt dem Typen, der meinen Meilo eben so dumm angepflaumt hat. Obwohl Typ zu viel gesagt wäre. Das ist eher noch ein Kind.

"Hatte noch etwas wichtiges zu erledigen", erwidert Meilo dem Bubi gelassen. Er hat die Augen geschlossen und lässt die Schminkerei geduldig über sich ergehen.

"Was wichtiges? Was du nicht sagst ..." Mir gefällt es nicht, wie er Meilo anstarrt. Daher räuspere ich mich und greife gelangweilt nach einem der Schminkutensilien. Irgendein Lidschatten. Eine der Maskenbildnerinnen nimmt es mir genervt wieder ab. Uwah! Guck mich doch nicht so böse an, Chérie.

"Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?" Dafür habe ich jetzt die volle Aufmerksamkeit dieses Kleinkindes.

Ich lasse mir Zeit bei der Antwort und mustere den Kerl erst einmal gründlich. Und plötzlich geht mir ein Licht auf. Das muss dieser Jared sein. So, wie der angezogen und geschminkt ist, gehe ich dabei jede Wette ein. Die zukünftigen Popidole werden auch immer jünger, was? "Logan Wittmen", stelle ich mich ihm mit dunkler Stimme vor.

"Und was tun Sie hier, Logan Wittmen?"

"Aufpassen, dass solche Jüngelchen wie du ihre Klappe nicht zu weit aufreißen", entgegne ich. Vielleicht hätte ich das nicht tun sollen, denn dem Knilch fällt augenblicklich alles aus dem Gesicht.

"Wie können Sie es wagen!", plustert er sich auf. "Gerd!" Mir fliegen fast die Ohren weg. Wenn der immer so schreit, dürfte seine Gesangskarriere nicht sehr lange halten, weil seine Stimme durch das Geschrei bald Matsch sein dürfte.

Gerd, von dem Aufruhr natürlich schon längst auf den Plan gerufen, materialisiert sich an Jareds Seite. "Was hat dieser Heini hier zu suchen?", zischt Jared in des Managers Ohr. Heini? Frechheit!

"Ignoriere ihn", sagt Gerd zu ihm. "Er ist mit Meilo hier." Ein böser Seitenblick auf mich. Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Unruhe stiften kann ja so schön sein.
 

Nichtsdestotrotz geht der Videodrehalltag seinen, denke ich, gewohnten Gang weiter.

Nachdem sie Meilo in seine bunte Keith-Version verwandelt haben, scheuchen sie ihn in die Umkleiden, wo er sein Outfit bekommt. Ich suche mir derweil einen Stuhl, schlage galant ein Bein über das Andere und tue ganz wichtig. Nebenbei spiele ich an meinem Handy herum, mache heimlich ein Foto und schicke es Nicole, mit dem Text: Rate mal, wo ich bin. Bevor sie mir antworten kann, stecke ich das Handy jedoch wieder weg. Ein lautes Tuten schallt durch die Halle.

"Alle auf Position!", ruft jemand, dann wird es um mich herum auf einmal noch wuseliger als ohne hin schon.

Leute, die eindeutig vor die Kamera gehören, tauchen auf. Musik läuft an, verstummt aber wieder. Männer mit Headsets rennen durch die Halle. Und dann taucht Meilo auf, Keith Kandyce in Perfektion, wenn ich das mal so sagen darf. Im Vorbeigehen lächelt er mich an. Ich wünschte, ihm bliebe dieser Videodreh erspart, doch wie es scheint, geht es ihm gerade ganz gut. Das erleichtert mich. Die Entscheidung, zu ihm zu fahren, war die Richtige gewesen. Das wusste ich auch schon vorher, aber es tut gut, wenn man dafür auch noch die Bestätigung bekommt.

Als alle, Tänzer sowie Meilo und der andere Hans-Wurst Jared in Position stehen, fängt die Musik wieder an. Dieses mal spielt sie durch.

Das übliche Musik-Video-Gehopse geht los. Meilo und Hans-Wurst haben ihre ganz eigene Choreografie. Immer wieder stoppt die Musik, es wird sich umgestellt, Tänzer und Sänger werden gepudert, erklärende Worte zum Ablauf besprochen. Eine langwierige Angelegenheit, muss ich sagen. Vor allem der Song geht mir sehr schnell auf die Nerven. Für Meilo ist das Ganze augenscheinlich auch eine nervige Sache. Er sieht gar nicht mehr glücklich aus. Besonders immer dann, wenn zwei Leute auf Jared zustürmen, und ihm etwas zu erklären scheinen. Das Jüngelchen hat wirklich kein gutes Timing, was?

"Okay! Eine Viertelstunde Pause!", ruft einer der Männer mit Headset.

Mit einem Schlag verschwindet die zuvor geherrscht Anspannung aus allen Beteiligten und alle laufen auseinander.

Meilo kommt direkt auf mich zu. Weiter vorn schnappt er sich einen Stuhl und stellt ihn neben mich. Die Meisten machen sich an dem aufgebauten Buffet zu schaffen, das neben aufgebaut ist. "Der ist so unfähig", stöhnt Meilo und trinkt einige Schlucke aus der Wasserflasche, die er in der Hand hält. "Egal, wie oft ihm die Schritte erklärt werden, er vergisst sie."

"Freu dich doch", grinse ich fies. "Mit ihm werden Gerd und die Plattenfirma noch viel Spaß haben."

Meilo lacht. "So habe ich das noch gar nicht gesehen."

"Siehst du? Immer das Gute an den schlechten Dingen finden. Dann steht man auch ein Videodreh durch."

"Danke Nic." Er klopft mir aufs Bein. Eine liebevolle, aber dennoch unverbindliche Geste, die keiner missverstehen kann.

"Hör auf dich ständig bei mir zu bedanken", sage ich zu ihm. "Das ist nicht nötig."

"Doch, ist es. Du machst so viel für mich durch. Allein das Teil auf deinem Kopf muss doch schon furchtbar genug sein. Und dann musst du dir auch noch diesen beschissenen Dreh antun."

"Och, ich finde es eigentlich ganz interessant", erwidere ich. "Ich sehe dich gern in engen Klamotten durch die Gegend tanzen." Meilo grinst schief. "Ist so", schwöre ich.

"Ich würde dir jetzt wirklich gern etwas ganz Bestimmtes sagen", flüstert er.

"Und ich würde es garantiert erwidern." Mein Liebster lächelt mich süßlich an, schaut dann aber schnell wo anders hin. Auch wenn uns Gesten nicht verraten mögen, Blicke könnten es schneller, als uns lieb wäre.

"Wieder auf Anfang!", brüllt jemand und es tutet abermals.

Ein Seufzen stiehlt sich zwischen Meilos Lippen "Ich muss."

"Augen zu und durch. Und keine Patzer! Ich habe dich im Blick."

"Gut zu wissen", wispert er, zwinkert mir zu und spaziert davon. Dass dabei sein Hintern verführerisch wackelt, macht er hundert pro mit Absicht. Wie gut, dass ich ihm mit der Sonnenbrille ganz ungeniert nachschauen kann. Ich darf nur nicht anfangen zu sabbern.
 

***
 

Nicht wegnicken. Wehe!

Gott, bin ich müde! Langsam wird der Videodreh zu einer echten Qual. Wenn ich wenigstens was zu tun hätte. Egal was. Ich würde sogar mit meiner Mutter Einkaufen gehen.

Mittlerweile sind alle Handyspiele auf meinem Handy zu genüge gespielt, Nicole habe ich schon viel zu viel den Mund wässrig gemacht, und Gerd zu ärgern macht mir auch keinen großen Spaß mehr. Jedes Mal, wenn er an mir vorbei läuft, wirft er mir düstere Blicke zu. Erst belächelte ich sie, doch inzwischen ignoriere ich ihn einfach. Zu allem Überfluss pirscht sich ständig dieser Hans-Wurst Jared an mich ran.

Er versucht mich in jeder freien Minute auszufragen, was ich denn mache, warum ich mit Meilo hier bin, und was ich mit ihm zu tun habe. Er geht mir auf den Keks! Und ich weiß beim besten Willen nicht, worauf seine Neugierde hinauslaufen will. Wahrscheinlich möchte ich es auch gar nicht wissen.

Während der Mittagspause war es besonders schlimm.

Meilo und ich hatten uns extra ein abgelegenes Plätzchen gesucht, aber es dauerte nicht lange, da hockte sich Hans-Wurst zu uns. "Ein neugieriges Aas", zischte ich Meilo zu, nachdem sein Nachfolger wieder weg war. "Meinst du, Gerd hat ihn auf mich angesetzt?"

Meilo zuckte mit den Schultern. "Kann sein. Bleib einfach in deiner Rolle. Du machst das gut."

"Der ist mir nicht geheuer."

"Mir auch nicht." Wie immer waren wir uns mal wieder einig. "Vielleicht ist er auch nur von Natur aus neugierig."

"Und aufdringlich", fügte ich anbei. "Wie alt ist dieser Jungspund eigentlich?"

"Neunzehn."

"Ohne Flachs?"

"Ja." Ich dachte mir ja schon, dass er noch ein Küken ist, aber dass er noch Eierschalen hinter den Ohren hat, das hätte ich nicht für möglich gehalten. Jedenfalls wurde mir so einiges klar. Ich konnte eben noch nie mit Teenagern.
 

Und jetzt, nach der Mittagspause, schleicht er schon wieder um mich herum.

Das Set wurde geändert. Meilo und Hans-Wurst stecken wieder in neuen Verkleidungen. Jeder von ihnen musste den Song nochmal allein performen. Bei Jared dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, wobei es ein Gutes hatte. Meilo konnte derweil neben mir sitzen, während er auf seine Aufnahme wartete. Jetzt ist er jedoch vor der Kamera, und Hans-Wurst beäugt mich immer wieder neugierig. Oh Mann, der Kerl nervt!

Ich setze meine Brille ab und reibe mir über die brennenden Augen. Wann ist dieser Tag endlich vorbei? Ich will nur noch mit Meilo einen gemütlichen Abend verbringen, ins Bett fallen, mich an ihn kuscheln und ...

"Hey." Innerlich gebe ich einen lauten Schrei von mir. Hans-Wurst ist da.

Er setzt sich auf den Stuhl, auf dem zuvor Meilo gesessen hat. "Was ist?" Ich gebe mich betont genervt.

"Woher kennt ihr euch? Meilo und du?", fragt das Küken mich ganz ungeniert. Ganz ruhig Nic. Ganz ruhig.

"Er hat mich gefunden", gebe ich zur Antwort, was ja noch nicht mal gelogen ist.

"Wie, gefunden?"

"Hör mal Kleiner", knurre ich. "Ich habe weder die Zeit noch die Lust mit dir zu Quatschen. Ich arbeite hier." Die schlimmste Arbeit ever, sieht man von Meilo ab.

"Das heißt, Meilo bezahlt Sie, dass Sie hier sind?"

"So muss es sein." Und zwar sehr gut und ausgiebig. Mit einer Währung, mit der nur er und ich Handel betreiben ...

"Dann kennen Sie ihn gut, oder?", quasselt das Küken weiter.

"Besser als du ihn." Ich schaue rüber zum Set und setze mir wieder die Sonnenbrille auf. Meilo ist ganz in seiner Rolle.

"Dann wissen Sie doch bestimmt auch, ob er einen Freund hat, nicht?" Ein Blitz durchzuckt mich. Diese Frage kam unerwartet. Nicht nur, dass er gefragt hat, ob er vergeben ist, nein. Er hat explizit Freund gesagt.

"Wieso fragst du mich so einen Käse? Es geht mich nichts an, ob er eine Beziehung hat."

"Aber wenn, wüsten Sie es."

"Wahrscheinlich. Ja." Kann der nicht endlich weg gehen?

"Also hat er keinen?" Langsam reißt mir die Hutschnur.

Ich drehe den Kopf zu diesem Hans-Wurst und funkle ihn böse an. "Hat er nicht, und nun verschwinde endlich!"

"Ist ja schon gut. Mehr wollte ich doch gar nicht wissen", entgegnet er und sieht nun ebenfalls rüber zu Meilo. Mir läuft es heiß und kalt den Rücken runter. So, wie dieser Typ lächelt, gefällt mir ganz und gar nicht. Der bildet sich doch nicht ein, was mit Meilo anfangen zu wollen?

Mir liegt schon der Satz: "Soweit ich weiß, dürft ihr gar keine Beziehungen haben, du demnach auch nicht" auf der Zunge, aber ich behalte ihn für mich. Zu auffällig. Viel zu auffällig ...

"Okay! Cut! Wunderbar!", schallt es durch die Halle. Die Musik ist verstummt. "Morgen machen wir den Mittelteil und dann haben wir es." Erleichtertes Aufatmen. Der Drehtag scheint vorbei zu sein.

"Ich muss dann mal. Bye!" Hans-Wurst düst davon. Wohin? Auf Meilo zu. Ich beschließe mich zurückzulehnen und das Ganze zu beobachten. Vorerst. Ich will wissen, was der Jungspund vorhat.

Ich kann mir eigentlich gar nicht vorstellen, dass er irgendein Interesse an Meilo haben könnte. Nicht, nachdem was ich von ihm gehört und auch selbst gesehen habe. Er war doch total feindselig Meilo gegenüber. Andererseits. Taktik? Wer weiß schon, was in Teenagerhirnen vor sich geht, mit ihren irrationalen Gedanken und überschäumenden Hormonen. Da tut man eben Dinge, die keinen Sinn ergeben.

Mein Blick ist auf Meilo geheftet. Der steht bei Gerd, redet mit ihm. Sieht nach einem unschönen Gespräch aus. Ich ringe mit mir. Besser, ich schreite doch ein. Aber soweit kommt es gar nicht. Hans-Wurst taucht auf und macht meinen Entschluss zunichte. Gerd verschwindet, klopf vorher aber noch auf Hans-Wursties Schulter. Braves Kind. Danach laufen Meilo und sein nerviger Nachfolger zu den Umkleiden.

Aha. Darauf hat er es abgesehen? Ich stehe auf und laufe ihnen entgegen. "Bist du dann soweit?", frage ich Meilo. "Wir haben noch einiges vor heute." Ich deute auf mein Handgelenk, an dem gar keine Uhr prangt. Dennoch versteht man diese Geste.

"Hab's nicht vergessen", lächelt Meilo. "Ich beeile mich."

"Ich warte hier", verspreche ich, und weg sind sie.

Das fand Hans-Wurst aber gar nicht toll. He he.
 

Ungeduldig warte ich in der Nähe der Umkleiden auf Meilo.

Denkt jetzt ja nicht, dass ich mir Sorgen darüber mache, ob Hans-Wurst sich an Meilo heranschmeißt. Falls ja, dann vertraue ich Meilo voll und ganz, ich will nur endlich weg von hier. Die Perücke kratzt furchtbar, und ich muss mal ganz dringend austreten. Hier gibt es nur einen mobilen Toilettenwagen, zwar mit Wasserspülung aber da er draußen steht, ist es saukalt darin.

"Warte doch mal!"

"Hau ab!" Das ist Meilos Stimme. Und die davor war von Hans-Wurst.

Beide kommen aus der Umkleide, Meilo vorne weg. Wieder in ganz normaler Kleidung.

"Jetzt tu doch nicht so. Ich bin doch nicht blind." Ich setze mich in Bewegung und komme Meilo entgegen. Da stimmt was nicht. "Hey. Nicht abhauen", lacht der Jungspund und auf einmal geht alles ganz schnell.

Meilo bleibt stehen, dreht sich auf dem Absatz und ... Klatsch! Er hat dem kleinen Küken eine Ohrfeige verpasst! Aber was für eine!

Mir rutscht das Herz in die Hose. Das hat er eben nicht wirklich getan, oder?

Ich bleibe wie vom Donner gerührt stehen, während Meilo wieder losläuft. "Meilo!" Gerd versucht ihn aufzuhalten, aber Meilo entwindet sich ihm.

"Ihr könnt mich alle mal!", zischt er und stürmt auf mich zu. "Gehen wir." Wüst zerrt er mich mit sich. Ich bin viel zu verdattert, als dass ich ihn fragen kann, was denn passiert ist. Und es ist sicherlich auch besser, mit der Frage zu warten, bis wir wieder unter uns sind.
 

An der Limo angekommen, kann der Fahrer gar nicht so schnell aufspringen und die Tür aufmachen, wie wir angewetzt kommen. Meilo nimmt ihm seinen Job, öffnet die Tür, schiebt mich vor sich ins Innere und schlägt dem verdutzten Fahrer die Tür vor der Nase zu.

Angespannt setze ich mich. Meilo plumpst neben mir auf den Sitz. Er atmet schwer und seine Kiefermuskeln spannen sich dermaßen an, dass ich befürchte, gleich das Knacken von Knochen zu hören. Erst als der Wagen anfährt, wage ich es zu sprechen.

Ich nehme die Brille ab, damit ich Meilo direkt anschauen kann. "Was hat er getan?" Er, dieser Hans-Wurst, muss ja etwas getan haben, sonst hätte er keine Ohrfeige von meinem Mann kassiert.

"Der hat sie doch nicht mehr alle!", poltert Meilo auf Kommando los. "Steht plötzlich komplett nackt vor mir, spielt an sich herum und schlägt mir doch allen ernstes vor, mit ihm unter die Dusche zu gehen!" Mir fällt alles aus dem Gesicht. Der dringende Wunsch, dem Küken auch eine zu kleben, kommt in mir auf.

Sprachlos starre ich Meilo an. Seine Birne glüht rot vor Zorn. "Und als ich nicht wollte, faselte er ständig etwas davon, dass er meine Blicke doch bemerkt hätte, und dass ich ihm nichts mehr vormachen muss. Er wüsste, dass ich scharf auf seinen Hintern wäre. Stell dir das mal vor!"

"Lieber nicht", sage ich. Den Kükenhintern will ich mir gar nicht vorstellen, geschweige denn zusammen mit Meilo unter der Dusche.

"Erst pöbelt er ständig herum, meint, er wäre so viel besser als ich, und dann kommt er mit so etwas! Der treibt mich noch zur Weißglut!" Oh, oh. Das ist nicht gut.

"Lieber nicht", wiederhole ich. "Deine Glut gehört nur mir." Ich schenke Meilo mein schönstes Lächeln und nehme seine Hand. Er mustert mich und die Wut verschwindet aus seinem Gesicht.

"Ich kann diesen Kerl nicht leiden!"

"Nur noch morgen, dann hast du ihn los", versuche ich ihn aufzuheitern.

"Schön wäre es", schnaubt Meilo. "An Weihnachten und Silvester sehe ich ihn nochmal. Wir treten gemeinsam auf. Unser tolles Video promoten."

"An Weihnachten und Silvester?" Meilo nickt. Das ist nicht gut, gar nicht gut ... "Dann werde ich ihm morgen Vernunft einprügeln müssen", überlege ich laut.

"Was willst du?" Meilos teils belustigtes, teils entsetztes Lachen erfüllt die Limousine.

"Ich kann an Weihnachten nicht bei dir sein. Wer weiß, was er da anstellt?"

"Gar nichts, dafür sorge ich schon. Mach dir an dem nicht die Finger schmutzig. Nachher verlange ich von Gerd meine eigene Umkleide."

"Das wäre mir auch lieber." Sehr viel lieber ...

Meilo legt den Kopf schief und lächelt anzüglich. "Wer wird denn da wieder eifersüchtig?" Eifersüchtig?

"Guck mich nicht an! Ich sicher nicht."

"Ja, ja ..."

"Nichts ja, ja." Meilo sieht mich mit seinem 'veräppeln kann ich mich selbst'-Blick an. Shit! Warum bemerkt der Kerl auch alles? "Ich meine ja nur", verteidige ich mich. "Der Typ scheint dich ja sehr aufzuregen." Unsicher schiele ich rüber zu Meilo. "Ich weiß, es ist bescheuert, aber jemand, der einen so sehr auf die Palme bringen kann, kann auch andere Gefühle bei einem wecken." Ich weiß, dass ich völligen Stuss rede, aber ich kann meine Gedanken nicht einfach abstellen. Einmal gedacht, sind sie da.

Fassungslosigkeit zeigt sich auf Meilos Miene. "Das meinst du jetzt nicht ernsthaft", bricht es aus ihm.

"Nein! ... Also ... es war nur ein Gedanke." Da habe ich mir ja wieder ein schönes Loch gegraben. "Das sagt man nur so." Hilflos zucke ich mit den Schultern. Ich Idiot! Warum habe ich auch damit angefangen?

"Alles, was der bei mir weckt ist Brechreiz!", knurrt Meilo. "Du glaubst doch nicht, dass ich jemals auf sein Angebot eingehen würde?"

"Natürlich nicht."

"Gut. Denn das werde ich nämlich auch nicht. Weil ich nicht der Typ Mensch bin, der erst jemanden hasst, und sich dann zu ihm hingezogen fühlt. Bei mir muss es von Anfang an stimmen. So wie bei uns." Er legt seine Hand auf meine Wange und streichelt mit dem Daumen unter meinem Auge entlang. "Jetzt, wo ich mir Luft gemacht habe, und wir endlich wieder unter uns sind, habe ich Jared schon so gut wie vergessen."

"Sehr beruhigend zu wissen", schnurre ich. "Dann hast du sicher nichts dagegen, wenn ich dich jetzt küsse, oder?"

"Überhaupt nicht", grinst Meilo, ehe ich mich zu ihm beuge und seinen Mund verschließe. Genau in diesem Moment fährt die Limo in eine Kurve, und wir werden zur Seite gezogen. Meilo landet halb liegend auf der Sitzbank, ich auf ihm. "Mr. Wittmen. Nicht so stürmisch", kichert mein Meilolein und tippt mit seinem Zeigefinger an meiner Unterlippe herum.

"Ich zeige dir gleich mal, wie stürmisch Mr. Wittmen sein kann", brumme ich und fange den frechen Finger ein.

"Wir haben fünfzehn Minuten. Reicht das, um mir das zu zeigen?"

"Nicht mal annähernd."

"Dann haben wir jetzt ein Problem", findet Meilo.

"Sehe ich nicht so."

"Nicht?"

Ich schüttle den Kopf. "Das reicht, um schon mal mit dem Zeigen anzufangen."

"Wenn du das sagst ...", schnurrt Meilo. "Wie wäre es, wenn ich dir einen Vorgeschmack von meiner heißen Glut gebe."

"Darauf warte ich schon den ganzen Tag", wispere ich gegen Meilos Mundwinkel und koste anschließend von der heißen Glut namens Meilo.
 

***
 

Fummeln mit meinem Liebsten in einem Luxusschlitten. Wer hätte das vor ein paar Monaten gedacht? Doch so schön es in einem glänzenden Luxuswagen auch sein kann, ich bin froh, als wir wieder in Meilos Wohnung, und unter uns sind.

Weil Meilos Kühlschrank chronisch leer ist, hängen wir über einer Karte vom Lieferservice. "Hast du eigentlich jemals in deiner Wohnung selbst gekocht?", möchte ich von ihm wissen, als ich mir die Nummer meines auserwählten Gerichts notiere.

"Ja, am Anfang. Aber da das immer viel Zeit in Anspruch genommen hat, ging Bestellen schneller." Das bezweifle ich ich zwar, man muss schließlich auf sein Essen warten, weil es sich auch nicht wie von Zauberhand kochen lässt, aber okay. Wenn Meilos Tage immer so aussehen, wie der Heutige, dann darf er sich auch jeden Tag Essen zukommen lassen.

"Und das Frühstück? Woher kommt das?"

"Vom Bäcker", antwortet er.

Mit erhobenen Augenbrauen schaue ich von der Karte auf. Meilo grinst mich an und kaut auf meinem Kugelschreiber herum, den ich zuvor auf den Tisch gelegt habe. Gott, sieht das scharf aus! Meilos Lippen sind von unserer Knutscherei eben im Badezimmer noch ganz rot und geschwollen. "Was denn?", fragt er auch noch unschuldig.

"Vergessen wir das Essen", japse ich, greife über den Tisch und beuge mich gleichzeitig darüber.

Es klackert leise, als der Kugelschreiber zurück auf den Tisch fällt. Meilos Lippen gehören wieder mir. "Nic? ... Nic!" Unbarmherzig schiebt er mich von sich. Eingeschnappt schaue ich ihn mit gerunzelter Stirn an. "Bestellen wir erstmal? Ich habe Hunger. Und danach darfst du mich nach Herzenslust vernaschen." Ich überlege.

"Einverstanden", sage ich schlussendlich. "Aber bis das Essen kommt, gehörst du mir."

"Damit kann ich leben", schmunzelt Meilo.

Ergeben rufe ich beim Lieferdienst an und gebe die Bestellung durch. In einer halben Stunde soll es geliefert werden. Genug Zeit, um mich wieder Meilo zuzuwenden, aber zu wenig, um davon auch 'satt' zu werden. Tse! Aber was erzähle ich? Von Meilo werde ich niemals genug bekommen können, geschweige denn, ihn jemals satt haben.

Irgendwie klappt das allerdings nicht so, mit dem 'in der Zwischenzeit gehörst du mir'. Bis wir Besteck, Gläser und Getränke auf den Wohnzimmertisch gestellt haben, Meilo noch hier und da was weggeräumt hat, ist die halbe Stunde auch schon herum. Und gerade, als mir Meilo seine Arme um den Hals schlingt, mich gegen die Wand zwischen Küche und Esszimmer drückt, klingelt es auch schon. "Heute Abend haben wir wohl kein Glück", seufzt Meilo.

"Vielleicht nicht heute Abend, aber heute Nacht sicher", raune ich ihm zu. "Ich mach auf." Diesmal entschlüpfe ich ihm.

An der Wohnungstür warte ich auf den Bringdienst, bis Meilo hinter mir auftaucht. In seiner Hand einen Geldbeutel. "Das kannst du mal schön sein lassen!", sage ich zu ihm. "Ich zahle."

"Du hast gestern schon bezahlt", wendet er ein.

"Und du hast das Frühstück bezahlt."

"Nein. Das war meine Plattenfirma. Und das Abendessen geht auch auf sie."

"Wirklich?"

"Ja." Ich verenge meine Augenlider zu schmalen Schlitzen und versuche zu erkennen, ob Meilo mich anlügt. Ich kann nichts dergleichen erkennen.

"Wenn das so ist, dann lasse ich der Plattenfirma den Vortritt", knicke ich ein. Meilo lächelt siegreich.

Während er bezahlt, trage ich unsere Beute ins Wohnzimmer. Gemütlichkeit ist angesagt. Die Pizzakartons wandern auf den Tisch. "Fernsehen?" Meilo zeigt auf den großen Flachbildschirm.

"Warum nicht?" Die Pizzakartons wandern weiter zum Wohnzimmer.
 

Mit je einem Stück Pizza in der Hand, hauen wir uns auf die Couch. Beine hoch, Tisch bis an die Sitzkante. So lässt es sich leben. In der Glotze läuft irgend so eine auf lustig getrimmte Ami-Schnulze. Was Seichtes für Zwischendurch. Perfekt, um aneinandergekuschelt auf der Couch herumlümmeln zu können. Da fällt mir ein, dass ich mir genau das doch schon immer gewünscht habe, seit ich Meilo kenne. Abends mit ihm faul einen Film gucken. Nur wir beide. Wie ein normales Pärchen.

Ich schlucke den Rest Pizza runter und lege das angebissene Stück zurück in den Karton. "Satt?", fragt mich Meilo schmatzend.

"So gut wie." Ich zupfe mir ein Taschentuch aus der Box und wische mir die Finger sauber. Danach rücke ich dichter an Meilo heran und lege meine Arme um seinen Bauch. Den Kopf bette ich auf seiner Brust. "Ist das schön."

Meilo lacht leise. Auch er scheint satt zu sein, denn er säubert sich ebenfalls die Finger. "Wollen wir noch ein bisschen liegen bleiben?"

"Gern. Ich will noch unbedingt wissen, ob die zwei Flachpfeifen sich am Ende kriegen." Mein Kinn nickt in Richtung Fernseher.

"Es wäre kein amerikanischer Schmachtfetzen, wenn es nicht so wäre."

"Stimmt", gähne ich. Fernsehgucken macht müde ...

Meilo bringt sich noch in eine bequemere Position, und dann wird es, bis auf den Film, ruhig. Das Kraulen seiner Finger in meinem Nacken, das regelmäßige Heben und Senken seiner Brust ... Das ist ja so gemütlich ... So unbeschreiblich ... gemütlich ...
 

"Nic?"

"Hn ..."

"Aufwachen. Der Film ist vorbei."

"Was?", brabble ich. Mein Mund fühlt sich dabei an, als hätte ihn jemand mit einem Baumwollgemisch vertauscht. "Wie, vorbei?"

"Du bist eingeschlafen", gluckst Meilo. Was bin ich?

Ich schlage die Augen auf. Sie brennen furchtbar, weshalb ich mit den Fingern darüber reibe. "Bei dir hat das Sandmännchen aber heftig zugeschlagen. Hat dich einfach in den Schlaf geschickt."

"Sehr witzig", knurre ich Meilo an, der immer noch lacht.

Der Fernseher verstummt. "Lass uns ins Bett gehen. Die Couch wird mit der Zeit ungemütlich."

Meilo legt die Fernbedienung auf den Tisch und macht Anstalten aufstehen zu wollen. Leider klappt das nicht, solange ich auf ihm liege. "Nic?"

"Meilo?" Ich grinse ihn breit an.

"Komm schon. Steh auf."

"Ich will aber nicht."

"Du willst keinen Nachtisch?", fragt er mich überrascht.

"Nein", säusle ich und richte mich mit dem Oberkörper auf, sodass ich über Meilo throne. Mit einem Schlag bin ich vollkommen wach. Wach und hungrig. "Gib mir lieber noch was von deiner heißen Glut."

"Das willst du also?" Ich nicke und Meilo grinst noch eine Spur breiter. "Dann hol sie dir", säuselt mein Mann.

Oh Baby! Das mach ich doch glatt!
 

Gierig fange ich seinen Mund ein und erobere ihn mit der Zunge. Meilo stöhnt, legt seine Hände auf meinen Hintern, die beginnen, ihn fest durchzukneten. Meine schlüpfen dagegen unter sein Oberteil und fahren über die warme Haut darunter. Die Müdigkeit, die mich noch vor ein paar Minuten in ihrem Griff hatte, ist wie weggeblasen.

Aus diesem Grund will ich recht bald auch viel mehr, als Meilo bloß anfassen. Das Oberteil muss weg! Gedacht, getan. Es fliegt über die Rückenlehne der Couch davon. "Deins muss auch weg", gluckst Meilo und ist gleich darauf damit beschäftigt, meinen Pullover nach oben zu schieben. Das nächste Kleidungsstück schwebt hinters Sofa.

Ich lege mich wieder auf Meilo, reibe mich an ihm und küsse ihn stürmisch, bevor ich von seinen Mund lasse und eine feuchte Spur nach unten ziehe.

Kinn, Wange, die Stelle unterhalb seines linken Ohrs, hinab über seinen Hals bis zu seinem Schlüsselbein. Was für ein Nachtisch! An seinen Brustwarzen angekommen, werde ich dort schon erwartet. Hart recken sie sich meiner tastenden Zunge entgegen, genau wie Meilo, der den Rücken durchbiegt, um mir noch näher zu kommen.

Ich wechsle immer mal die Seiten, knabbere mal an der Linken, mal an der rechten Knospe, und zupfe unterdessen an Meilos Hosenbund. Wie praktisch, dass wir uns vorhin in bequemere Kleidung geworfen haben. So kann ich seine Hose ohne viel Aufhebens nach unten ziehen und aus dem Weg befördern.

Prüfend lange ich Meilo zwischen die Beine. Ein leises Keuchen antwortet mir.

Davon angespornt lasse ich von Meilos Nippeln ab und begebe mich langsam weiter nach unten. Die Bauchdecke hebt und senkt sich schnell unter meinem Mund. Immer wieder ein Zucken, begleitet von leisen Worten des Zuspruchs, die mich zum Weitermachen anspornen. Noch ein paar Zentimeter. Meilo zieht seine Beine hoch und winkelt sie neben mir an, lädt mich quasi dazu ein, ihn endlich ganz und gar zu verwöhnen. Der Einladung leiste ich sofort folge.
 

*
 

Schnaufend hocken wir da, die Stirn an des jeweils anderen gelehnt, und kommen langsam wieder unten an. "Jetzt ins ... Bett?", fragt Meilo mich japsend.

"Nur ... wenn du mich ... trägst."

Er sieht mich an und überlegt, schüttelt anschließend kaum spürbar den Kopf, und kippt mir zusammen seitlich auf die Couch. "Dann pennen wir ... hier", beschließt er und angelt nach der Decke.

Ist mir auch recht. Pennen hört sich verlockend an. Ebenso die Aussicht, sich heute keinen Millimeter mehr bewegen zu müssen.

Wir machen es uns so bequem wie möglich, decken uns zu und lächeln uns nochmal an, bevor unsere Augen zufallen.

Gute Nacht.
 

******

Love bite 55 - Zukunftsmusik

Hi ^^

Ich will euch auch gar nicht lange mit meinem Gequatsche aufhalten. Eigentlich möchte ich auch nur erwähnen, dass es heute Abend zwei Kapitel gibt. Und da ich das nun habe, viel Spaß euch beim Lesen und ich hau mich gleich aufs Ohr. Mich hats wieder erwischt, spricht, ich darf morgen früh vor der Arbeit noch schnell zum Dok hetzen. -____-

Bis wir uns wieder lesen, euch noch eine schöne Adventszeit. Hab ich euch schon viel Spaß beim Lesen gewünscht? Ah ja. Hab ich. Dann ist ja alles tutti xD

Eure Fara
 


 

Love bite 55 - Zukunftsmusik
 

"Au! Mein Nacken!" Schmerzhaft verziehe ich das Gesicht und reibe mir über die ziehende Stelle.

"Selbst Schuld. Du wolltest nicht ins Bett."

"Weil du mich nicht tragen wolltest", blöke ich zurück.

"Ich meinte schon vorher", klugscheißt Meilo grinsend. "Geh mal von mir runter. Ich will aufstehen." Ohne das kleinste Fitzelchen Mitgefühl an meiner furchtbaren Lage, strampelt Meilo sich unter meinen Beinen hervor und steht von der Couch auf.

Es ist fast schon widerlich, wie erholt er heute Morgen aussieht. Wohlig schnurrend streckt er sich vor mir. "Warum geht es dir eigentlich nicht genau so mies wie mir?", möchte ich gern von ihm wissen. "Hast du heimlich im Bett gepennt?"

Lachend dreht sich Meilo zu mir um. Ich bin kurz abgelenkt von seiner Nacktheit, doch der Stich in meinem Nacken, als ich meinen Kopf bewegen will, bringt mich wieder in die Realität zurück. "Nach einer Weile war es ganz bequem", antwortet er mir. "Ich habe geschlafen wie ein Baby."

"Pfff!", mache ich.

"Hör auf beleidigt zu sein und komm mit unter die Dusche. Heißes Wasser und meine Finger werden deine versteiften Muskeln wieder weich bekommen."

Ich will eigentlich nicht, dennoch fange ich an schmutzig zu grinsen. "Steife Dinge bekommst du doch immer weich, wenn ich mich recht erinnere."

"Eben drum", trällert Meilo, zwinkert mir zu und tänzelt davon. Alles, was ich jetzt noch sehe, sind die beiden Kartons mit den kalten Pizzen. Mein Magen knurrt.

"Ach scheiß drauf!" Ich beuge mich vor, zische, weil mein Nacken mich wieder piesackt, schnappe mir eins der übrig gebliebenen Pizzastücke und beiße hinein. Hmm ... Kalte Pizza am Morgen. Lecker!
 

Schmatzend folge ich Meilo, der schon im Badezimmer herumhantiert. Als er sieht, dass ich am Pizzafuttern bin, verzieht er angeekelt das Gesicht. "Was?", frage ich ihn mit vollem Mund.

"Du isst die kalt? Am frühen Morgen?"

"Klar. Es gibt kein besseres Frühstück. Auch mal?" Ich halte ihm das schon halb aufgegessene Stück hin.

"Ihhh! Weg damit!"

"Dann eben nicht", sage ich, zucke mit den Schultern und lasse mir den Rest schmecken. Weiß gar nicht was er hat. Schmeckt doch gut.

Ich verputze das Stück noch schnell, dann geselle ich mich zu Meilo unter die Dusche, oder will es vielmehr, denn Meilo hält mich auf. "Ist die Pizza weg?", fragt er mich.

"Alles gegessen. Wolltest du doch was?"

Er legt den Kopf schief und tritt beiseite, damit ich die Dusche betreten kann. "Ganz bestimmt nicht. Ich wollte nur sicher gehen, dass du das kalte Zeug nicht mit unter die Dusche schleppst."

"Warum sollte ich denn das machen?", frage ich ihn.

"Weiß ich doch nicht. Wer morgens kalte Pizza isst, frisst auch kleine Kinder." Boha!

"Ich fresse doch keine kleinen Kinder!", protestiere ich.

"Nein?" Meilo verzieht skeptisch den Mund. "Ich weiß ja nicht ..." Oh, na warte. Dir zeige ich gleich, was ich am frühen Morgen noch so alles fresse, außer kalte Pizza!
 

Nach einer, nennen wir es, feuchtfröhlichen Wasserschlacht in der Dusche mit anschließendem Wiedergutmachen von Meilos Seite her in Form einer wohltuenden Nackenmassage, stehen wir nun, über eine Stunde später, angezogen in Meilos Küche. Ich wieder in meiner Logan Verkleidung, Meilo unauffällig, bereit dazu, sich am Set wieder in Keith zu verwandeln.

Einen starken Kaffee in der einen, und ein belegtes Brötchen in der anderen Hand, lehne ich mit dem Hintern an der Küchenzeile. "Wann fährt unsere Kutsche vor?", frage ich Meilo mit nasaler Stimme.

"In einer viertel Stunde", brummt er zurück. Die gute Laune ist ihm wohl irgendwann zwischen Anziehen und Kaffeekochen abhanden gekommen.

"Habe ich dir mit der Erwähnung des Abholdienstes die Laune verhagelt?"

"Nein." Er schüttelt den Kopf und schlürft einen Schluck Kaffee. Er schlürft immer, wenn er nachdenkt.

"Über was grübelst du denn wieder?", frage ich ihn lehne mich an seine Seite.

"Über Jared." Ganz weit hinten in meinem Kopf leuchten rote Alarmsirenen auf. "Nicht, was du wieder denkst", beruhigt er mich auf hellseherische Weise. "Ich habe nur beschlossen, dass ich ihn am besten total ignoriere. Keine Blicke mehr, die er falsch deuten könnte, keine Gespräche, kein gar nichts. Sobald die Kamera an ist bin ich Keith und mache meinen Job, ansonsten gehe ich diesem unverschämten Bengel aus dem Weg."

"Dagegen habe ich nichts einzuwenden", antworte ich. "Nur, lässt sich das so einfach umsetzen? Ihr arbeitet zusammen."

"Nur noch heute, an Weihnachten und an Silvester", erinnert er mich. "Und vielleicht rafft er heute ja, dass ich nichts von ihm will."

"Möglich", erwidere ich, obwohl ich daran nicht wirklich glaube.

"Wenn ich ihm doch nur sagen könnte, dass ich vergeben bin! Dann wäre alles leichter."

"Und du hättest sofort deine Plattenfirma am Hals", warne ich ihn unnötiger weise. "Schon mal daran gedacht, dass dieser Jared genau darauf aus ist?"

"Glaube ich nicht", meint Meilo. "Was würde es ihm bringen, mir ans Bein zu pissen?"

"Ein Lob von Gerd und ein Leckerli der Plattenfirma?"

Meilo verzieht den Mund. Das macht er heute aber oft. Missmutig knallt Meilo seine Kaffeetasse auf die Arbeitsfläche. "Egal was er will oder wer ihn zu was auch immer anstiftet! Der Typ ist ab jetzt Geschichte."

"Na dann, prost." Ich hebe meine Tasse an und trinke den Rest darin. Die leere Tasse wandert ins Spülbecken. "Wollen wir dann?" Der Abholdienst dürfte inzwischen auf uns warten.

"Wenn es sein muss."

Tröstend nehme ich Meilo in den Arm. "Nicht unterbuttern lassen."

"Das sagst du so leicht", seufzt er und lehnt sich schwer gegen mich. "Ich will gar nicht wissen, was heute wieder alles passiert."

"Kopf hoch. Nicht mehr lange, und du hast es geschafft." Ein klitzekleines Lächeln auf Meilos Mundwinkeln. "Das geht aber noch besser", grinse ich.

"Ich weiß nicht ..."

"Oh doch, mein Lieber! Komm schon! Lach mal!" Ich piekse ihn in die Seite.

"Nic!"

"Lach schon!"

"Du bist unmöglich", gackert er kichernd und biegt sich von meinem pieksenden Finger weg.

"Ich weiß. Einfach unmöglich, dass es so einen gutaussehenden und fürsorglichen Liebhaber wie mich gibt, aber so ist es." Jetzt fängt Meilo erst so richtig an zu lachen. "Ey! Du lachst mich doch hoffentlich nicht aus?"

"Würde ich niemals tun", japst er und beruhigt sich langsam wieder. Ein paar Mal atmet er tief ein. Anschließend werde ich fest umarmt. "Ach Nic. Was würde ich nur ohne dich tun?"

"Das frage ich mich auch oft." Zudem frage ich mich auch noch, was ich ohne ihn tun würde. Wo wäre ich heute, wenn ich ihn niemals getroffen hätte? Ich mag mir die Antwort gar nicht erst ausmalen.

Meilo lässt mich los und sieht mich mit einem höchst verdächtigen Glitzern in den Augen an. Was heckt er denn jetzt wieder aus? "Wie konnte ich auch nur im Entferntesten darüber nachdenken, dich gegen Jared auszutauschen?"

In meinen Ohren beginnt es laut zu pfeifen. "WAS?" Hat er eben das gesagt, was ich glaube gehört zu haben?

"Reingelegt!", lacht Meilo und sucht das Weite.

Ich bin erst zu verdattert um zu reagieren, aber als ich mich nach dem Schock wieder gesammelt habe, was nicht lange gedauert hat, setze ich ihm nach. "MEILO! Na warte! Das gibt Rache!"
 

***
 

Ich bin volle Kanne im Löwenmutter-Überwachungsmodus. Mit meinen wachsamen Augen verfolge ich jeden von Jareds Schritten, bereit, einzugreifen, falls es erforderlich sein sollte. Außerdem bleibe ich ständig an Meilos Seite, oder wenigstens ganz seiner der Nähe, wenn sie am Drehen sind, aber ich glaube, dass Jared inzwischen kapiert hat, dass Meilo ihn ignoriert. Das beweist seine immer größere Unsicherheit gegenüber Meilo. Das Küken ist von der Situation sichtlich irritiert und versucht immer wieder Meilo anzusprechen, doch der blockt ab. Auch Gerd beißt sich an ihm die Zähne aus. Meilo schweigt eisern.

Vorhin, als wir am Set angekommen sind, wollte Gerd ihn umgehend wegen gestern ansprechen, aber Meilo meinte bloß, dass alles gesagt worden wäre, und er keine Diskussion deshalb anfangen würde.

Ich bin ganz Stolz auf ihn. Er wirkt so souverän und selbstsicher, was er aber keineswegs ist. Das sehe ich ihm auf zehn Kilometern Entfernung an. Ihm geht der ganze Brimborium ganz schön an die Nieren, was auch verständlich und logisch ist. Wenigstens lässt er sich nichts anmerken, sondern zeigt denen, wo der Hammer zu hängen hat. Und zur Not bin ich ja auch noch da. Niclas, die Löwenmama wetzt vorsorglich schon mal die Krallen. Roaahr!
 

Momentan sind alle dabei, das noch ungeschnittene Werk zu begutachten. Muss noch was daran verändert werden? Noch eine Szene gedreht werden? Ich stehe dezent im Hintergrund, hinter Meilo, der auch eher abwesend auf den kleinen Bildschirm starrt.

Es tut mir so sehr leid für ihn. Wie furchtbar es sein muss, wenn man keinen Spaß mehr an seiner Arbeit hat, ihn aber dennoch erledigen muss. Ein nie enden wollender Albtraum. Ich wünsche ihm wirklich, dass er nächstes Jahr wieder voll und ganz in seiner Arbeit aufgehen kann, wie auch immer er das anstellen mag. Dafür würde ich sogar meinen Arbeitswunsch hinten anstellen und weiter bei KP im Weinkeller jobben.

Meine Augen zucken vom Bildschirm rüber zu Meilos Profil, das ich schräg vor mir erkennen kann. In meinem Bauch braut sich ein warmes, prickelndes Gefühl zusammen.

Ich würde mich nicht als einen selbstsüchtigen Menschen bezeichnen, aber ich weiß, wann ich nein sagen muss, um meinem Freiraum und meinen Wünschen nachzukommen. Aber für Meilo würde ich das alles über den Haufen werfen. Noch niemals zuvor habe ich so empfunden. Höchstens für meine Familie selbstverständlich. Doch hätte ich das damals für Kilian getan? Für ihn eine Chance auf einen Job als Programmierer aufgegeben? Nein, hätte ich nicht.

Ich senke den Blick. Er bleibt auf Meilos rechter Hand haften. Wie immer steckt sie in einem Handschuh. Das Tattoo hat er heute morgen gewissenhaft und ordentlich abgedeckt. Wie immer, wenn er als Keith auftritt. Auch meins ist unter einer dicken Schicht Make-Up und einem langen Ärmel verborgen.

In meinen Fingern kribbelt es. Am liebsten würde ich seine Hand ergreifen, doch das kann ich natürlich nicht. Nicht hier, auch wenn alle auf den Bildschirm glotzen und es wahrscheinlich noch nicht mal bemerken würden. Mir bleibt nichts anderes übrig als still und brav stehen zu bleiben und, eventuell, noch ein klein wenig näher an Meilo heranzuschleichen. Ungerechte Welt!
 

"Leute? Das war's. Wir haben es im Kasten", meint einer der Umstehenden. Der Typ vorm Bildschirm beendet das Video. Ein paar fangen an zu klatschen.

"Dein erstes Musikvideo, Jared", sagt Gerd zum Küken, das wie eine hundert Watt Birne strahlt. "Gut gemacht." Meilo macht einen leisen, sarkastischen Laut, dreht sich um und rauscht an mir vorbei. Ich mache mich gleich hinterher.

"Bedeutet das, wir können gehen?", frage ich ihn leise.

"Das bedeutet es." Bin ich froh!

Leider haben wir die Rechnung nicht mit Gerd gemacht. "Meilo? Du kannst noch nicht gehen", ruft er uns nach.

"Wieso nicht?"

"In einer halben Stunde habt ihr beiden noch einen Interviewtermin. Macht euch schnell frisch. Das Interview findet hier statt." Ich kann sehen, wie Meilos Gesichtsmuskeln verspannt arbeiten.

Er wischt sich flüchtig mit dem Handrücken über die Stirn, legt anschließend seine Hand auf meinen Oberarm und führt mich zu seiner Umkleide. Er hat tatsächlich eine eigene bekommen.

Als wir drinnen sind, schließt Meilo hinter sich die Tür und atmet tief durch. "Sicher, dass es eine gute Idee ist, wenn ich hier mit dir ...?"

"Das ist mir sowas von egal", zischt Meilo mit einem entschlossenen Blick. "Ich brauche dich hier bei mir. Was die denken, geht mir am Arsch vorbei." Meilo segelt in meine Arme. Ich drücke ihn fest an mich. "Das hat er extra gemacht", flüstert er gegen meine Schulter.

"Weil ich hier bin?" Er nickt. "Soll ich gehen?"

"Bloß nicht!"

"Gut, dann gehe ich jetzt da raus und frage ihn, was das soll. Der kann doch nicht einfach ..."

"Du wirst gar nichts tun", unterbricht Meilo mich. "Ich ziehe das jetzt durch, du bleibst in meiner Nähe und gut ist. Wir lassen uns nichts anmerken. Das bringt Gerd viel mehr aus dem Konzept."

"Meinst du?" Ich bin mir da nicht so sicher.

"Meine ich", sagt mein Liebling. "Ich weiß, dass er dich nicht einschätzen kann, und das hasst er. Und dank Logans Nichtexistenz im Internet oder sonst wo, konnte er auch nichts über dich in Erfahrung bringen, was ihn noch mehr wurmt. Bleib weiter so wundervoll undurchsichtig. Leg dich nicht mit ihm an." Ich soll undurchsichtig bleiben? Na das kann ich mehr als gut.

"Okay", antworte ich. "Das bekomme ich spielend hin."

"Dachte ich mir", schmunzelt Meilo und löst sich von mir. "Und jetzt lass uns die Zeit nutzen. Wir haben eine halbe Stunde für uns."

Mir verschlägt es fast die Sprache. "Hier? Jetzt?"

"Hier und jetzt", bestätigt er mir mit rauer Stimme, schließt die Umkleide ab und kommt langsam auf mich zu.

"Aber was ist mit unseren Verkleidungen?"

"Was soll mit denen sein?"

"Die können wir doch nicht einfach ausziehen. Nicht in der kurzen Zeit."

"Wer sagt denn was von ausziehen?" Meilos Hände legen sich auf meine Brust. Langsam drängelt er mich zu einem Stuhl, der in der hinteren linken Ecke steht. Es rummst, als ich auf die Sitzfläche plumpse. "Gerd sagte, ich solle mich frisch machen", gluckst Meilo und setzt sich rittlings auf meinen Schoß. "Mach mich frisch, Nic."

Finger kraulen mir durch das Hemd hindurch den Bauch. "Und wie soll ich das machen?" So angestrengt ich auch überlege, mir fallen nur Dinge ein, die extrem schmutzig machen ...

"Hör auf Fragen zu stellen und küss mich endlich." Lippen pressen sich auf meine.

Hm ... eine komische Art, sich frisch zu machen, aber wieso sich beschweren? Und ich muss sagen, es funktioniert. Ich jedenfalls fühle mich schnell höchst erfrischt ...
 

***
 

"Vielen Dank für das Interview."

"Gerne." Meilo schüttelt der jungen Frau die Hand und lächelt freundlich. Ein ehrliches Lächeln. Keins aus der Trickkiste, wie ich bemerke.

Im Ganzen verlief das Interview recht entspannt, wenn ich als Leie das mal so sagen darf. Meilo kannte die Frau, die das Interview führte, und sie verstanden sich gut. Jared war dagegen das fünfte Rad am Wagen, so machte es jedenfalls auf mich den Eindruck. Er stellte sich ziemlich tölpelhaft an, sprich, seine Sätze hatten mehr Ahs und Ähs als ich sie bei Henning jemals gehört habe. Und das muss bei Henning, dem amtierenden Weltmeister der sinnlosen Füllwörter, schon was heißen.

Hach, Henning. Ihn könnte ich auch mal wieder anrufen und fragen, wie es den beiden frisch Verliebten geht. Ich bekomme Fernweh. Ob es auffallen würde, wenn ich mir Meilo nun schnappe, und nach Bayern entführe?

Die Interview-Tante verabschiedet sich auch noch bei den Anderen, angefangen bei Jared, der schwach lächelt, und Gerd, der einfach nur zum Kotzen ist mit seiner überschwänglich-aufdringlichen Art.

"Logan?" Meilo ruft. Ich drehe mich zu ihm. Er ist schon auf den Weg zur Umkleide. "Kommst du?"

"Bin sofort da", verspreche ich ihm laufe ihm nach.

"Beeilen wir uns", sagt Meilo, als wir alleine sind.

In Windeseile hat er sich umgezogen, grob abgeschminkt und ist abfahrbereit. "Gehen wir, bevor Gerd noch was einfällt, um uns den Tag zu versauen." Da stimme ich meinem Schatz voll und ganz zu.

"Viel davon ist sowieso nicht mehr übrig", sage ich nach einem Blick auf die Uhr. Meilo seufzt und sieht mich traurig an. "Machen wir das beste daraus. Und ich weiß auch schon, was." Ich schaue ihm tief in die Augen und schmiege mich an ihn.

"Weißt du das?", schmunzelt mein Meilolein.

"Oh ja ..." Sein verführerischer Mund ist so nah ...

Poch, poch, poch! Ein Klopfen an der Tür lässt uns auseinanderfahren. "Meilo? Kann ich reinkommen?" Das Küken!

Meilo will ihm antworten, doch ich halte ihn auf. "Lass mich", bitte ich ihn. Meilo nickt ergeben und tritt beiseite.

Mit einem Ruck reiße ich die Tür auf und baue mich zur vollen Größe auf. Klein Jared glotzt mich von unten her dümmlich an. "Darfst du nicht", knurre ich ihn an.

"Ich muss mit ihm reden. Wegen dem Video."

"Meilo hat Feierabend. Und jetzt Abflug." Wie gut, dass ich schon den ganzen Tag über meine Krallen gewetzt habe. Löwenmama Nic hat Hunger auf ein wehrloses Küken.

"Hör auf den Dicken zu markieren und lass mich durch." Das Küken möchte sich doch wirklich an mir vorbei drängeln! Zeternd versucht es sich zwischen mich und die Tür zu gelangen.

"Du sollst draußen bleiben!" Mit aller Kraft stemme ich mich gegen ihn, doch was macht er? Er verpasst mir einen kräftigen Schubs gegen die Brust!

Das geht zu weit! "Hau ab!", grante ich diesen Wichtigtuer an und schubse ihn ebenfalls. Dafür kassiere ich einen besonders bösen Blick von ihm. Uhh! Ich mach mir in die Hose vor Angst. Bevor er wieder vorpreschen, und einen weiteren Versuch zum Entern starten kann, will ich schnell die Tür wieder schließen, aber dazu kommt es nicht. Plötzlich tut es einen Schlag und ich sehe Sternchen vor meinen Augen Ringelreihen tanzen. Dieser Hans-Wurst hat mir die Tür gegen den Kopf geknallt!

"Au! Shit!" Ich ziehe zischend Luft ein und greife mir an die Stelle über meinem linken Auge, wo die Tür mich getroffen hat. "Du kleiner Mistkäfer!", krächze ich und starre ihn mehr als angepisst an. Mit großen Kuhaugen glotzt er zurück. Na warte! Das setzt jetzt was! Jetzt ist Schluss! Doch Meilo hält mich auf, ehe ich auch nur handeln kann.

Beherzt zieht er mich von der Tür weg. "Du gehst jetzt, verstanden?", zischt er das Küken an. Dieser nickt verdutzt, murmelt was mit Unverständliches, und tritt dann tatsächlich den Rückzug an.

Die Tür fällt ins Schloss und Meilo schließt ab. "Zeig mal." Warme Hände legen sich auf mein Gesicht. "Hat er dich hier erwischt?" Meilo berührt genau die richtige Stelle.

"Ja", sage ich und ziehe schmerzhaft Luft zwischen die Zähne.

"Ist dir schlecht?"

"Nein. Ich bin nur sauer." Diese dreckige, kleine Kröte! "Wieso hast du mich aufgehalten! Ich hätte dem mal ordentlich die Leviten gelesen!"

"Und dann hätte Gerd was, um dir die Hölle heiß zu machen", sagt Meilo mit ruhiger Stimme und läuft rüber zu seiner Tasche. "Das hätte uns nur Ärger bereitet."

"Pff!", blase ich. "Dem würde ich jetzt auch gern mal eine verpassen." In mir brodelt die Wut.

"Bitte reg dich nicht weiter auf, ja? Es reicht, wenn ich das tue." Mit einem Tuch in der Hand steht Meilo vor mir. "Bin gleich wieder da. Und du wartest hier und bleibst sitzen, versprochen?"

"Versprochen", schmolle ich.

"Braver Nic. Dafür bekommst du von mir heute das volle Krankheits-Pflege-Programm." Vorsichtig tupft er einen Kuss über die langsam anschwellende Stelle über meinem Auge und dampft anschließend davon. Sicher will er das Tuch anfeuchten, um es mir gegen mein dickes Auge zu drücken.
 

Was für eine Pleite! Damit meine ich nicht Meilo, der mir versprochen hat, sich um mich zu kümmern. Ich meine Jared, Gerd und die ganze dämliche Vertragssache in der Meilo steckt. Am liebsten würde ich jetzt ausflippen, alles durch die Gegend werfen, brüllen und um mich schlagen. Natürlich tue ich das nicht. Meilo hat recht. Wenn ich das tun würde, hätte Gerd einen Trumpf in der Hand, für was auch immer er ihn gebrauchen könnte.

Leise stöhnend packe ich mir vorsichtig an die Beule. Sie pocht und wummert schmerzhaft. Alles nur wegen denen!
 

Während ich weiter meine Beule betatsche und mich dabei auf Meilos Fürsorge freue, höre ich von jenseits der Tür laute Stimmen. Lange muss sich nicht mein lädiertes Hirn nicht mit der Frage beschäftigen, wer da so laut ist. Und noch bevor ich den Namen denken kann, geht die Tür auf, und Meilo kommt hineingestürmt. Hinter ihm: Gerd und Jared.

"Das wollte ich nicht", fiepst das Küken aufgebracht und Gerd sieht aus, als hätte er eine üble Verstopfung. Meilo dagegen grinst sich eins ins Fäustchen, was er den anderen beiden jedoch nicht zeigt. Was geht denn hier ab?

"Hier." Meilo legt mir behutsam den nun feuchten Lappen aufs Auge.

"Wie ist das passiert?", poltert Gerd los und sieht mich forschend an.

Ich knirsche mit den Zähnen. Oh wie gern ich jetzt laut losbrüllen würde, doch ich beherrsche mich. "Das kleine Popsternchen da, hat mir die Türkante gegen den Kopf gedonnert", erwidere ich ruhig, worauf ich sehr stolz bin.

"Das war ein Versehen! Er hat mich zuerst angegriffen!" Eine Entschuldigung und eine Beschuldigung zur gleichen Zeit. Meinen Glückwunsch. Das bringt nicht jeder zustande.

Gerds giftige Blicke wandern von mir zu Jared und wieder zurück. Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass ich was sagen sollte, aber Meilo übernimmt das für mich. "Jared wollte zu mir, ich wollte ihn nicht sehen und habe Logan gebeten, ihn von mir fern zu halten. Er wollte nicht hören und sich an ihm vorbei zwängen und so kam es zu einem kleinen Gerangel wobei Logan die Tür an den Kopf geknallt wurde." Schöne Beschreibung der Geschehnisse Meilo. Eins plus mit Sternchen für meinen Schatz.

"Aber er hat mich geschubst!", wimmert klein Kükchen.

Meilo lacht auf und auch ich muss mir ein Grinsen verkneifen. "Wenn du nicht brav bist, musst du heute nachsitzen", mahnt er seinen Nachfolger mit dunkler Stimme. Okay. Es geht nicht mehr. Das Grinsen bahnt sich seinen Weg auf mein Gesicht. Wie gut, dass ich mich hinter dem nassen Lappen verstecken kann.

"Ja aber ...", startet Jared einen zweiten Versuch sich zu erklären, wird aber von Gerd zur Ruhe ermahnt. Ich komme mir echt vor wie in der Grundschule. Und Gerd ist der unbeliebte Rektor. Wer Meilo ist? Ganz klar: Mein heißer Musiklehrer, dem ich in den langen Pausen im Instrumentenraum ordentlich die Tuba blase.

"Würdet ihr bitte wieder gehen?", fragt Meilo die beiden Unruhestifter, ehe das Gezeter wieder von vorn beginnen kann. "Es ist eben nur mal passiert, daran kann man nichts ändern. Logan braucht Ruhe und wir haben auch noch einiges zu besprechen heute." Um Meilos Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen, lehne ich mich stöhnend auf dem Stuhl zurück und spiele gekonnt den Verletzten.

"Das war ein Unfall", krächzt Jared nochmal. Gerd kommentiert es mit einem gemurmelten ja, ja und scheucht das Küken vor sich her, während Meilo sie begleitet und hinter ihnen die Tür schließt und den Schlüssel herumdreht.
 

Als Meilo sich mir zuwendet, hält er sich die Hand vor den Mund und macht unterdrückte Lachgeräusche. "Lachst du mich aus?", schmolle ich und lüpfe das Handtuch.

"Nein", kichert er und kommt auf mich zu. Vor mir bleibt er stehen. "Oh je!", schnappt er. "Schon ganz blau." Meilo sieht mich besorgt an und setzt sich auf meinen Schoß. "Zuhause habe ich eine Salbe. Vielleicht hilft die. Mach das Handtuch wieder drauf."

"Ja, Schwester Meilo", sage ich und tue wie geheißen. "Und wieso hast du nun gelacht?"

"Hm? Ach so!" Erneut stiehlt sich ein Grinsen auf seine Lippen. Himmel! Ich könnte sie auf der Stelle vernaschen! Wie paralysiert starre ich sie an, während er mir antwortet. "Gerd ging der Arsch auf Grundeis, als er von dem Unfall gehört hat. Wahrscheinlich immer noch."

"Wie konnte er davon hören?", möchte ich mal gern wissen.

"Jared ist zu ihm gerannt." Das Küken flüchtet zu Mama. Das erklärt aber noch lange nicht, warum sich Gerd Sorgen darum gemacht hat. Das frage ich Meilo auch. "Na ist das nicht offensichtlich?", fragt er mich. Ich schüttle den Kopf. "Er hat Schiss, dass du seinen neuen Goldjungen anzeigst. Was meinst du, was mit seinem Ruf passieren würde, wenn du das tätest?"

"Er wäre im Arsch?"

"Genau. Keiner will CDs von einem vorbestraften Teenager kaufen, es sei denn, er ist schon berühmt."

"Schlechte Presse ist also nicht immer besser als keine Presse", grinse ich. Meilo schüttelt den Kopf. "Soll ich? Ihn anzeigen?" Ich hätte nicht übel Lust dazu.

"Und dann?", möchte Meilo wissen.

"Was und dann?"

"Logan Wittmen kann niemanden anzeigen."

"Wieso kann er ... Oh." Jetzt verstehe ich. Logan gibt's ja gar nicht, und wenn das rauskommt, wird Gerd eins und eins zusammenzählen können. "Also schön", seufze ich. "Keine Anzeige, nicht aufregen, weiter im Plan." Ich werfe das Handtuch achtlos auf den Boden.

Meilo schaut ihm perplex nach. "Und wie sieht der Plan aus?", fragt er mich anschließend.

"Das kann ich dir umgehend zeigen", raune ich ihm zu, umfasse sein Kinn und schnappe mir endlich seine süßen Lippen. Die beste Medizin überhaupt ...
 

***
 

Danach ging es sofort nach Hause zu Meilo. Gerd und den anderen Wurm würdigte ich keines Blickes mehr, starrte stattdessen stoisch geradeaus, mein Veilchen verdeckt von der großen Sonnenbrille. Als wir in Meilos Wohnung ankamen, war es bereits dunkel.

Nun sitze ich in Meilos Badezimmer, auf der Kante der Badewanne und lasse mir von Meilo die versprochene Salbe auf die Beule schmieren. "So", sagt er schließlich und wischt sich die Finger an einem Handtuch ab. "Das sieht doch ganz gut aus."

"Ist es wieder abgeschwollen?", frage ich hoffnungsvoll.

"Nein. Eher noch ein wenig dicker."

"Und das soll gut aussehen?" Ich runzle die Stirn, gebe es allerdings gleich wieder auf. Autsch!

Meilo guckt mich mitleidig von unten her an. "Ich habe von der Salbe gesprochen", grinst er und tätschelt mein linkes Knie. "Möchtest du dich hinlegen?"

"Wäre vielleicht nicht schlecht", überlege ich laut. "Mein Schädel brummt ganz schön." Das kommt sicherlich nicht nur von dem Schlag gegen meinen Kopf. "Das Wochenende hat mich ganz schön geschlaucht. Jetzt weiß ich, wie es dir immer gehen muss, bei dem ganzen Herumgerenne. Wie hältst du das nur aus?"

Mein Schatz zuckt mit den Schultern. "Was muss das muss." So kann man es auch sehen.

Meilo steht auf und reicht mir einladend die Hand. Geduscht haben wir schon und umziehen ist auch nicht nötig. Nur in Shorts geht es ins Schlafzimmer. "Eigentlich dachte ich, an unserem letzten Abend könnte ich dir ein Bisschen was von Berlin zeigen", meint Meilo. "Aber das verschieben wir lieber."

"Ja", krächze ich und lege mich unter die Bettdecke. "Von Berlin habe ich sowieso die Schnauze erstmal voll." Ich höre Meilo leise schmunzeln, als er sich neben mich legt und das Licht ausschaltet.

Seufzend rücke ich an ihn ran. Sein Arm legt sich um meine Schulter, sodass ich bequem liegen kann. "An Silvester bin ich auch hier", erklärt er. "Du kommst doch, oder?"

"Nichts könnte mich aufhalten", erwidere ich. "Noch nicht mal ein Tür-Terrorist wie Jared." Nachdem Kps Weinkeller geschlossen ist, düse ich los.

Lachend drückt mir Meilo einen Kuss auf die Schläfe. "Sobald ich aus dem Studio komme, machen wir Berlin unsicher."

"Klingt gut. Dann feiern wir."

"Oh ja!"

Glücklich schließe ich die Augen, öffne sie jedoch wieder und schaue auf die rote Uhrenanzeige auf Meilos Seite des Bettes. Es ist noch nicht mal zwanzig Uhr. "Meilo?"

"Hm?"

"Es ist noch nicht mal acht Uhr durch."

"Und?"

"Macht es dir nichts aus, mit mir schon ins Bett zu gehen?" Ich will nicht, dass er sich dazu verpflichtet fühlt, nur weil ich KO bin.

"Mir hat es noch nie was ausgemacht, mit dir ins Bett zu gehen", gluckst er.

"Schlafengehen Meilo. Ich meinte schlafen." Immer muss er an das Eine denken. Ja, na gut, ich gebe es zu. Ich denke auch (fast) immer daran.

"Das weiß ich doch", antwortet er mir. "Und nein, es macht mir nichts aus, schon vor acht Uhr schlafen zu gehen. Ich bin selbst müde. Der Tag hat nicht nur dich geschlaucht. Ich bin so froh, dass er vorbei ist."

Ich öffne die Augen wieder und starre ins diffuse Grau des Zimmers. Meilos

Herzschlag hallt in meinen Ohren wider. Er ist schneller als normal. Auch seine Atmung geht schneller. Meilo scheint unruhig zu sein.

Unter der Decke suche ich seine Hand, finde sie, und verschränke meine Finger mir seinen. "Über was denkst du nach?", frage ich ihn leise.

"Über nichts", lügt er.

"Es nützt nichts, mich anzuschwindeln", tadle ich ihn. "Ich spüre, dass du unruhig bist. Sag schon was los ist."

"Wäre es nicht besser, wenn du schläfst? Vom Reden werden deine Kopfschmerzen auch nicht besser."

"Meinen Kopfschmerzen geht es gut", lüge nun ich. In Wahrheit pocht mein Schädel ganz schön, doch es ist auszuhalten. "Aber ich kann nicht einschlafen, wenn ich weiß, dass du in aller Stille vor dich hin grübelst."

"Na schön", meint Meilo nach einem tiefen Atemzug. "Ich frage mich bloß, was ich morgen mache, wenn du wieder weg bist."

"Genau das, was du heute gemacht hast. Durchhalten", rate ich ihm, weil mir kein besserer Rat einfällt.

"Aber ich bin müde Nic. Nicht bettmüde. Arbeitsmüde. Es fällt mir immer schwerer, den unbesorgten, immer fröhlichen Popstar zu spielen. Ich will nicht mehr." Meine Hand wird fast zerquetscht, so fest umschließt Meilo sie.

Jetzt bin ich derjenige, der besorgt dreinblickt, auch wenn Meilo es nicht sehen kann. "Zwölf Tage", rechne ich nach. "Die bringst du noch rum, hast du gehört? Das sind keine zwei Wochen mehr."

"Ich weiß", haucht Meilo. "Aber es kommt mir von Tag zu Tag länger vor." Okay, das reicht! So geht das nicht! Ich muss Meilo ablenken, ihm noch mehr geben, auf das er sich freuen kann, an dem er sich festhalten kann, wenn es mal wieder ganz dicke kommt.

"Ich war mit meiner Mutter am Haus", erzähle ich ihm deshalb. "Sie war erst skeptisch, aber nachdem ich es ihr gezeigt habe, gab sie uns ihren Segen." Segen ist eigentlich zu viel gesagt, aber was soll's.

Ich spüre, wie Meilo kurz den Atem anhält und könnte schwören, dass er mich gerade fragend anschaut. "Wie kommst du jetzt darauf?"

"Themenwechsel", erkläre ich schlicht.

"Fein", meint er und ich glaube sogar ein Lächeln herauszuhören. "Du hast ihr also schon von unseren Plänen erzählt?"

"Ja. Ihr, Ingo und Ed, und Clem."

"Wirklich?" Meilo klingt erstaunt.

"Ja. Warum auch nicht?"

Meilo, der eben noch auf dem Rücken gelegen hat, dreht sich zu mir. Ich kann sein Gesicht im schwachen Licht erkennen, das von draußen ins Zimmer scheint. "Wir haben es doch noch gar nicht", wendet er ein. "Was, wenn wir es nicht ersteigern?"

"Ich dachte, du seist dir vollkommen sicher, dass wir es bekommen", lache ich.

"Na ja, ein Restrisiko bleibt."

"Du meinst, falls ein irrer Milliardär es für eine total überzogene Summe kaufen möchte, und dich damit überbietet."

"So ungefähr", gluckst Meilo.

"Falls das passiert, finden wir was anderes."

"Du meinst ... eine andere Eigentumswohnung?", fragt Meilo unsicher nach.

"Was denn sonst?" Ein Lächeln fliegt über Meilos Mundwinkel. Das reicht mir aber noch nicht. Bei weitem noch nicht. "Lass es uns zusammen tun", flüstere ich daher und bin mir mit meinem Entschluss vollkommen sicher. Ich habe die letzten drei Tage auch lange genug darüber nachgedacht.

"Was tun?", will er atmenlos von mir wissen.

"Na das Haus kaufen."

"Zusammen?"

"Ja. Das habe ich doch eben gesagt." Irgendwie werde ich die Summe schon aufbringen. Für was gibt es Kredite? "Wie schnell bekommt man eigentlich einen Kredit als arbeitsloser Programmierer, der sich mit einem Job in einem Weinkeller über Wasser hält?" Ich muss zugeben, über die Finanzierung habe ich noch nicht wirklich nachgedacht. Leicht wird das sicher nicht.

"Für was willst du ein Kredit?" Meilo hat mir wirklich nicht zugehört, oder?

"Na für die Finanzierung des Hauses. Irgendwie muss ich ja an Geld kommen."

"Aber wieso? Ich dachte, wir haben das geklärt."

Seufzend stupse ich Meilo mit meiner Nase gegen seine. "Du Doofie", schmunzle ich. "Kapierst du es nicht? Ich will nicht mehr nur als Mieter bei dir wohnen. Ich will mit dir zusammen das Haus kaufen. Wir beide. Schließlich sind wir schon verlobt, und ..."

"Oh Nic", haucht Meilo fassungslos. "Du willst das wirklich tun?"

"Will ich", bestätige ich ihm. "Ich muss nur noch versuchen, vor Weihnachten einen Termin bei meiner Bank zu bekommen." Das wird vielleicht etwas kniffelig. Nicht so kniffelig, wie einen Kredit zu bekommen, aber schon arg schwierig.

"Einen Termin bei deiner Bank? Vor dem Jahreswechsel brauchst du das gar nicht erst probieren", meint mein Schatz. "Das machen wir am besten nächstes Jahr."

"Nächstes Jahr erst? Aber am Elften ist die Versteigerung!" Das wird zu knapp!

"Kein Problem", winkt Meilo ab. "Wir gehen zu meiner Bank. Die regeln das."

"Okay ... Wenn du das sagst ..." Seine Bank wäre vielleicht wirklich keine schlechte Idee.

"Scheiße Nic! Ich freue mich ja so!" Ich werde an Meilos Brust gezogen. "Wir beide kaufen zusammen ein Haus."

"Tun wir", wispere ich in seinen Nacken, und habe endlich ein gutes Gefühl bei der Sache.
 

"Hast du dir auch schon mal überlegt, wie wir es einrichten?", fragt mich Meilo nach einer Weile.

"Nicht so wirklich", gebe ich zu. "Du?" Er nickt. "Und wie?"

"Zuerst habe ich mir überlegt, wo mein Flügel hin soll. Unten im Wohnzimmer wäre perfekt."

"Genug Platz wäre dafür", finde ich. "Solange eine schöne große und vor allem gemütliche Couch noch dazu passt."

"Dafür werde ich schon sorgen", lacht Meilo. "Ich weiß ja, wie gern du auf Sofas schläfst."

"Sehr witzig. Das hängt mir ab jetzt ewig nach, was?"

"Das, und dass du kalte Pizzen isst."

"Du musst sie ja nicht kalt essen, wenn du nicht willst", grummle ich.

"Werde ich auch nicht. Ganz bestimmt nicht."

"Verwöhnter Snob!", kichere ich.

"Hey! Das hat nichts mit verwöhnt zu tun."

"Ist ja schon gut. Bleibt morgens mehr für mich."

"Würg!" Lachend schmiege ich mich noch etwas mehr an meinen Schatz an. Wie gemütlich. Apropos ...

"Das Bett nehmen wir aber auch mit, oder? Das ist wirklich bequem."

"Ich weiß nicht ...", windet er sich.

"Na meins nehmen wir ganz sicher nicht!" Das ist viel zu klein. "Das hier wäre doch perfekt."

"Ich will es aber nicht", sagt Meilo mit einem strengen Tonfall.

"Ist ja schon gut. War ja nur ein Vorschlag." Sowas ...

"Tut mir leid." Ein Seufzen. "Mit Betten bin ich eigen."

"Hab's gemerkt." Ich sage nur Meilos altes Bett, das bei seinem Ex im Hausflur stand. "Aber das Neue muss mindestens so groß wie das hier sein."

"Mindestens?"

"Jepp."

"Warum denn? Wir brauchen doch eh nur einen kleinen Bruchteil davon." Meilos Arme pressen mich fest an sich.

Ich fange an zu lachen und flehe ihn an, wieder lockerer lassen, aber ich muss erst mit dem Argument, dass dadurch meine Kopfschmerzen schlimmer werden, aufwarten, damit er auf mich hört. "Tut mir leid", wiederholt er. "Daran habe ich nicht gedacht."

"Geht schon wieder." Eigentlich sind meine Kopfschmerzen so gut wie verschwunden. "Meilo?"

"Hm?"

"Geht es dir jetzt wieder besser?"

"Hmhm", nickt er.

"Das freut mich", murmle ich, suche seine Lippen und verjage damit noch die letzten trüben Gedanken aus Meilos Kopf.
 

******

Love bite 56 - Radio gaga

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 56 - Radio gaga (Ohne Adult)

Und hier Kapitel Nummer zwei des heutigen Abends ^^

Ach ja! Bei Beauty vs. Beast geht es heute auch weiter ;-)

Tschödelü
 


 

Love bite 56 - Radio gaga (Ohne Adult)
 

Ich werde schon früh wach. Warum, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall nicht durch das fürchterliche Klingeln von Meilos Wecker. Der ist nämlich ausgeschaltet, da Meilo erst heute Mittag weg muss. Ausschlafen ist angesagt. Gäbe es da nicht ein Problem: Durch das frühe zu Bett gehen gestern, ist mein Körper bereits putzmunter.

Meilo pennt noch, stelle ich mit einem kurzen Blick fest. Er liegt auf einer Seite des Bettes, ich auf der anderen. Das gefällt mir ganz und gar nicht. Wie ist es denn dazu gekommen? Ich will mich gerade wieder an Meilo heranrobben, da meldet sich jedoch leider die Natur. Einhalten, oder schnell ins Bad springen? Die Bad-Variante gewinnt. Es ist dringend!
 

Leise schleiche ich aus dem Schlafzimmer ins Bad und erleichtere mich. Vor dem Waschbecken checke ich kurz mein Spiegelbild und erschrecke. Fuck, ist mein Auge blau! Sieht aus, wie ein modernes Kunstwerk!

Ich stelle das Wasser ab und tupfe mit den noch feuchten Fingern über die Augenbraue. Die unschöne Verfärbung zieht sich bis hinunter zu meinem Augenlid. "Dieser miese Möchtegern-Popsänger!", knurre ich. "Mein armes Auge." Ich fürchte, das wird noch eine Weile lang so aussehen. Wenn ich Pech habe, bis nächstes Jahr.

Die Salbe fällt mir ins Auge, die Meilo mir gestern drauf geschmiert hat. Ich bediene mich an ihr, reibe die Beule vorsichtig damit ein und hoffe, dass sie wenigstens ein bisschen hilft. Nochmal die Hände waschen, und dann nichts wie zurück ins warme Bett.

Wieder im Schlafzimmer bleibe ich vor dem Bett stehen. Meilo schlummert immer noch tief und fest. Nur halb zugedeckt liegt er auf dem Bauch, die Arme angewinkelt unter dem Kissen und das Gesicht tief im Kissen verborgen.

Erst überlege ich, ihn zu wecken, doch das bringe ich nicht übers Herz. Er muss total ausgepowert sein. Gönnen wir ihm seinen Schlaf.

Doch was mache ich in der Zwischenzeit? An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Ich könnte Frühstück machen. Schon mal meine Sachen alle zusammensammeln. Mich mit einer Tasse dampfenden Kaffee vor die Glotze hauen. Alles nicht sehr verlockend.

Der glänzende Flügel, der im anderen Ende des Zimmers steht, weckt meine Aufmerksamkeit. Ich habe ihn noch gar nicht richtig bewundert. Außerdem könnte ich eigentlich mal nachschauen, ob mein Geschenk auch dazu passt. Meine Beine haben sich schneller entschieden als mein Verstand.

Als ich davor stehe, strecke ich die Hand aus und fahre mit der Handfläche behutsam über den glatten Lack. Ich bin nicht sonderlich musikalisch. Zwar kenne ich mich mit Noten aus, aber selbst zu musizieren liegt mir einfach nicht, obwohl ich es schon einige Male probiert habe. Dennoch reizt mich dieses Ungetüm. Wie viel Arbeit es sein muss, so etwas zu bauen. Wenn man es genauer bedenkt, grenzt das schon an ein Wunder.

Ich kann nicht anders, und setze mich auf den kleinen Schemel, der vor dem Flügel steht. Die Tastatur ist abgedeckt. Ganz vorsichtig klappe ich den Deckel nach oben und fahre anschließend mit den Fingerkuppen über die vielen Tasten. Sofort sehe ich in meiner Fantasie Meilo hier sitzen. Sehe ihn spielen, ganz versunken in der Melodie. So, wie ich ihn schon oft mit seiner Gitarre dasitzen gesehen habe, wenn ich ihn in den unzähligen Hotels besucht habe. Zu gern würde ich ihn jetzt hieran sehen, und vor allem auch spielen hören. Es kribbelt in meinen Fingern und ich tippe ganz leicht auf eine der großen, weißen Tasten.

Schnell ziehe ich meine Hand wieder weg, um nicht noch in Versuchung zu kommen, die Taste ganz durchzudrücken. Alles, was ich noch fehlerfrei spielen kann, ist nämlich alle meine Entchen, und das kann ich diesem wundervollen Flügel nicht antun. Hinterher ist er verstimmt von so viel unmusikalischer Kunst und Meilo wird sauer deswegen.

Leise klappe ich den Deckel wieder zu und stehe auf. Meilo liegt immer noch in der selben Position da, wie zuvor.
 

Mit einem Grinsen im Gesicht laufe ich rüber zu ihm, bleibe für einen Augenblick neben ihm stehen, schaue ihn nochmal amüsiert an und umrunde dann das Bett halb, um wieder hineinzusteigen. Nun kann ich endlich zu ihm rüber robben. Er gibt einen brummenden Laut von sich, als ich es versuche.

Ich halte inne, weil ich ja nicht will, dass er aufwacht. Schlaf schön weiter, mein Schatz. So ist gut. Doch als ich einen weiteren Versuch starte, verändert Meilo die Position. Nun liegt er mit dem Rücken zu mir. Hmpf! Wie ungemütlich und überaus unpraktisch. Jetzt liege ich da, und starre Meilos Rücken an. Nicht die schlechteste Aussicht, aber es gibt definitiv auch bessere.

Aus einer Laune heraus, verfolge ich einen Streifen des Musters auf Meilos Rücken. Alles kann ich nicht sehen, weil er genau auf der Seite liegt, auf der sich das Tattoo entlang windet, aber es reicht, um mir die Zeit zu vertreiben. Leider wird dieses muntere Labyrintspielchen nach wenigen Minuten auch ziemlich langweilig. Was nun?

Ich lege mich auf den Rücken und starre gen Zimmerdecke. Laaangweilig. Ich schließe die Augen wieder und wende mich gedanklich meinem Programm zu. Wenn ich schon mal Zeit habe, kann ich sie auch gleich nutzen, oder?
 

Es dauert nicht lange, da bin ich in Gedanken vollauf beschäftigt. Und dann, als ich mitten drin bin, kribbelt es mir abermals in den Fingern. Ich muss an meinen Laptop! Nur geht das leider nicht. Mein Laptop steht Zuhause, auf meinem Schreibtisch, was bedeutet, ich muss mir anders behelfen.

Block und Stift müssen her! Und das schnell! Wie gut, dass ich wenigstens diese zwei Dinge immer dabei habe.

Leise schlüpfe ich zum zweiten Mal heute aus dem Bett, schleiche rüber zu meiner Tasche und greife mir Block und Stift. Damit bewaffnet ziehe ich mich in den Wohnbereich zurück, schmeiße alles auf den Esstisch, laufe rüber zur Couch, wo ich mir die Wolldecke schnappe, mich darin einwickle, und mich, warm eingepackt, an den Tisch setze. Es kann los gehen!
 

Ich bin voll im Arbeitsmodus, schreibe Codefolgen und Ideen auf, mache mir Notizen dazu und bin ganz in meiner kleinen, digitalen Welt. Und das ohne Computer.

Ich bin so vertieft in meinem Tun, dass ich furchtbar zusammenschrecke, als etwas meine rechte Schulter berührt. "Scheiße!", japse ich und kann es zum Glück noch verhindern, dass ich mit dem Kugelschreiber eine lange Linie quer über das Blatt ziehe. "Meilo!"

"Was tust du da?", fragt er mich verschlafen und kratzt sich die Schläfe.

"Arbeiten. Wieso bist du schon wach?"

"Schon? Es ist halb elf."

"Du verarschst mich", blaffe ich ihn an, aber er schüttelt den Kopf.

"Willst du auch Kaffee?" Meilo tapst barfuß rüber zur Küche.

"Gerne." Ich lege den Stift beiseite und begutachte mein Geschriebenes. Da ist wirklich ganz schön was zusammengekommen. Kein Wunder, dass ich nicht bemerkt habe, wie spät es schon ist.

Ich packe alles auf einen Stapel und lasse meinen Zettelkram, Zettelkram sein. Mich zieht es zu Meilo in die Küche. Dieser steht vor der Kaffeemaschine und gießt gerade Wasser in den Kaffeebehälter. Ich schmiege mich von hinten an ihn ran. Ganz behutsam, ich will ja nicht, dass er das Wasser verschüttet.

"Guten Morgen erstmal", hauche ich ihm von hinten gegen das linke Ohr. "Gut geschlafen?"

"Morgen", brummt er. "Wie ein Baby."

"Das freut mich." Ich schließe die Augen und sauge Meilos Wärme und Nähe in mich ein.

"Und du? Wieso bist du schon so früh wach gewesen?"

"Woher willst du das wissen? Vielleicht bin ich ja erst kurz vor dir aufgestanden."

"Als ich um kurz nach acht auf den Wecker geschaut habe, warst du nicht mehr im Bett", sagt Meilo. "Also? Schlechte Träume gehabt?"

"Eigentlich nicht", antworte ich ihm. "Ich konnte bloß einfach nicht mehr schlafen."

Meilo ist fertig damit, den Kaffee aufzusetzen, und dreht sich in meinen Armen zu mir herum. "Dann ist ja gut", lächelt er und berührt sanft mein lädiertes Auge. "Sieht schlimmer aus als gestern", stellt er, wie ich zuvor, fest. "Tut es noch sehr weh?"

"Wenn ich ja sage, bekomme ich dann noch mehr von deiner fürsorglichen Pflege?"

"Die bekommst du auch, wenn du nicht verletzt bist. Das weißt du doch", antwortet er mir mit rauer Stimme.

"Gut zu wissen", grinse ich und strecke mich seinen süßen Lippen entgegen.

Meilo erwidert den Kuss und seine Hände, die zuvor auf meinem Rücken gelegen haben, rutschen ein Stockwerk tiefer. Ihre Motivation ist klar. "Nic?"

"Ja?"

"Der Kaffee braucht noch, bis er durchgelaufen ist. Wollen wir in der Zwischenzeit ..."

"Ja!", nicke ich eifrig, was meinen Verlobten zum Lachen bringt.

Miteinander knutschend taumeln wir Richtung Schlafzimmer, biegen jedoch ins Badezimmer ein. Dort entledigen wir uns der wenigen Kleidung und stellen uns gleich darauf unter die Dusche. Mit einem schnellen Handgriff drehe ich die Brause an. Zuerst schrecken wir auf, da das Wasser noch kalt ist, doch es wird schnell wärmer, und wir können ungestört bei dem weiter machen, wo uns das kalte Wasser unterbrochen hat.
 

***
 

"Was guckst du so argwöhnisch?"

"Tue ich doch gar nicht", verteidige ich mich, kontrolliere allerdings im gleichen Atemzug mein Spiegelbild. Ich sehe tatsächlich argwöhnisch aus.

"Du hast dich immer noch nicht daran gewöhnt, hm?" Ich schüttle den Kopf.

"Wie könnte ich auch?" Mein Mann schminkt sich gerade die Lippen knallig pink! "Muss es ausgerechnet Pink sein?"

"An meinen letzten Keith Kandyce Tagen möchte ich nochmal so richtig schön schwul rübergekommen", lacht er.

"Ich dachte, Keith ist nicht schwul, sondern bi."

"Doch. Jetzt ist er es schon. Und das Wunder hast du vollbracht."

"Ha ha." Meilo legt lachend den Lippenstift weg. "Offiziell ist er es dennoch nicht."

"Ist doch egal", murmelt Meilo, der seine Kosmetikartikel wieder einsortiert. Nächstes Jahr kommt der Kram sofort in die Restmülltonne! Oder ich frage Meilo, ob er das Zeug nicht Nicole schenken möchte. Mein armer Vater. Der würde durchdrehen. "Was interessiert uns Keith? Nicht mehr lange, und er ruht bis in alle Ewigkeit in den dunklen Untiefen der Popwelt." Er hat ja so recht! Meilos Spiegelbild strahlt mich an und ich strahle zurück.

Glücklich lege ich meine Arme um seinen Nacken und küsse seine Schläfe. Die einzige Stelle an seinem Kopf, die nicht total vollgekleistert mit Make-Up ist. Trotzdem schmecke ich das ekelige Zeug.

Ich höre, wie Meilo ein langes Seufzen von sich gibt. "Ich denke, es wird langsam Zeit, dass wir uns losmachen", verkündet er nicht mal mehr halb so glücklich wie noch vor wenigen Sekunden.

"Ich bin fertig", sage ich und ziehe die Sonnenbrille auf. Zwar hat Meilo mir das Veilchen überschminkt, aber es schimmert trotzdem noch leicht durch.

Meilo dreht sich vom Waschbecken weg und umarmt mich. "Schön, dass du nochmal mitgehst."

"Natürlich gehe ich mit. Solange ich noch frei habe, bleibe ich an deiner Seite", antworte ich ihm.

"Mir wäre es viel lieber, wenn du noch bis morgen bleiben könntest."

"Das wäre es mir auch." Von der Zeit her würde es schon klappen, wenn ich erst morgen früh losfahren würde, doch man weiß nie, wie der Verkehr ist. Also tuckere ich lieber heute Abend schon los. Ich kann nicht wieder jemanden bitten, meine Schicht zu übernehmen. "Aber wir haben ja noch ein paar Stunden", versuche ich uns beide aufzumuntern, was jedoch nicht so wirklich klappen will. Meilo wird in einem Studio hocken und ich darf draußen warten. Gemeinsame Zeit sieht normalerweise anders aus.
 

Ein kleiner vorsichtiger Kuss, und wir machen uns los.

Unsere Laune sinkt spürbar, je tiefer der Aufzug fährt. Doch das ist noch gar nichts, denn ratet mal, wer unten auf uns wartet. Richtig. Gerd. "Gerd holt uns ab?", frage ich Meilo leise.

"Davon wusste ich auch nichts", knurrt er und starrt Gerd böse an.

Gerd ist inzwischen ausgestiegen, kräht uns einen guten Tag zu und hält Meilo die Beifahrertür auf. Aber was macht mein Schatz? Greift demonstrativ den Griff der hinteren Tür, lässt mich zuerst einsteigen und schwingt sich hinter mir her. Gerd glotzt wie ein untergegangenes U-Boot, lässt seine Kiefermuskeln spielen und wirft die Beifahrertür wieder zu, ehe er wieder um das Auto herum geht. "Hat er nicht bald mal begriffen, dass es sich mit Keith ausgesungen hat?", frage ich Meilo und bemühe mich noch nicht mal dabei leise zu sein.

"Offensichtlich nicht. Aber er wird es schon noch kapieren."

"Hoffentlich", seufze ich. Falls nämlich nicht, werde ich Meilos Manager bald erwürgen müssen. In der richtigen Position sitze ich schon mal.
 

Kommentarlos fährt Gerd mit uns zum Studio. Heute muss Meilo zum Radio. Ein Live-Interview. Zuvor werden noch Fotos geschossen, die Fragen ein letztes Mal besprochen und was weiß ich noch alles. Zudem dürfen ausgewählte Anrufer ihm weitere Fragen stellen. "Eine langweilige Geschichte", meinte Meilo dazu. "Wenn du Zuhause bleiben willst, kann ich das verstehen." Entsetzt sagte ich ihm, dass ich ihn ganz bestimmt nicht allein lassen werde. Und die Entscheidung war gut gewesen, wie man an Gerds Fahrservice unschwer erkennen kann. Wäre ich nicht hier, wer weiß, was Meilo dann wieder für ein Gequatsche über sich ergehen lassen müsste.

Die Fahrt dauert, da wir ständig vor roten Ampeln stehen bleiben müssen, aber wir kommen rechtzeitig an. Nicht, dass es mir wichtig wäre. Ich wollte es nur mal erwähnt haben.

Vor dem Radiostudio herrscht eine Menge Trubel. Fans haben sich vor dem abgesperrten Bereich des Studios eingefunden. Sie schreien und versuchen an den Sicherheitsleuten vorbei zu kommen, als wir im Schritttempo vorbeifahren und das hohe Tor passieren. Die vom Radio wussten anscheinend, was hier los ist, wenn Keith Kandyce auftaucht.

Da die Seitenfenster von außen getönt sind, können sie uns nur von der Frontscheibe aus sehen, aber es ist trotzdem ein komisches Gefühl, all die Mädchen und Jungs zu beobachten. Man denkt, sie sehen einen ebenfalls, obwohl man ja weiß, dass sie das nicht können.

Ich bin froh, als sich das Tor hinter uns schließt, und die Meute aussperrt. Oh Mann! Das ist echt nervenaufreibend. Wie hält Meilo das nur immer aus?
 

Im Radiostudio selbst herrscht im Empfangsbereich eine angenehme Stille. Keine kreischenden und heulenden Fans, dafür eine junge Frau, die uns begrüßt und Meilos Hand schüttelt. Dabei strahlt sie wie ein zu lange gebackenes Honigkuchenpferd.

Wir werden in einen angrenzenden Raum geführt, doch vor der Tür hält mich Gerd auf. "Tut mir leid. Ab hier dürfen Sie nicht weiter." Pure Schadenfreude zeichnet sich auf seinem Gesicht ab.

Ich schaue rüber zu Meilo, was er nicht sehen kann, da ich immer noch die Brille aufhabe. Er blickt unglücklich drein, kann aber auch nichts machen.

"Dann warte ich hier", antworte ich betont gleichgültig, auch wenn es in mir brodelt.

"Tun Sie das." In meiner Faust kribbelt es. Wie gern ich Gerd meine Faust in seinem dämlichen Gesicht platzieren würde!

Meilo und er verschwinden hinter der Tür. Seufzend setze ich mich auf einen der Stühle, die vorn im Empfangsbereich stehen. Was für eine Pleite! "Möchten Sie vielleicht einen Kaffee, solange sie warten?" Die Frau vom Empfang ist wieder zurück und lächelt mich freundlich an.

"Das wäre lieb", sage ich zu ihr und nehme die Brille ab. Damit komme ich mir in ihrer Gegenwart doch zu dämlich vor.

"Oh je. Eine Schlägerei gehabt?" Sie lächelt mich mitleidig an.

Super! Das kann ich jetzt auch noch gebrauchen! Eine von Mitleid geplagte Empfangsdame. "Man sieht es noch?"

"Make-Up kann nicht alles verdecken", lacht sie und zwinkert mir zu.

"Anscheinend."

"Dann hole ich Ihnen lieber mal einen starken Kaffee."

"Klingt gut", erwidere ich und schaue ihr nach, wie sie mit ihren hohen Pumps davonstöckelt.
 

Mit einem gequälten Seufzen lehne ich mich gegen die Stuhllehne und stoße mit dem Hinterkopf leicht gegen die Wand. Aua.

Gerds überhebliches Grinsen geht mir nicht aus dem Kopf. Dieser Widerling! Er tut gerade so, als würde ihm Meilo gehören. Dabei gehört ihm bestenfalls Keith Kandyce, wenn überhaupt. Am liebsten würde ich jetzt da rein und ihm den Hals umdrehen. Ahhrg! Ich muss mich an irgendwas abreagieren, oder mich wenigstens ablenken. Aber mit was?

"Hier, bitte sehr. Ein extra starker Kaffee." Die Empfangsdame ist zurück und hält mir eine dampfende Tasse entgegen.

Ich nehme sie ihr ab. "Danke." Gierig trinke ich einen Schluck. Das beruhigt mich wieder ein kleines bisschen. Jedenfalls so lange, bis das Koffeein anfängt zu wirken. Bis dahin muss ich unbedingt wieder runtergefahren sein.

"Warum so niedergeschlagen?", fragt mich die Empfangsdame plötzlich. "Liebeskummer?"

Verdutzt schaue ich sie an. "Ganz schön neugierig für eine Empfangsdame", kontere ich. Auf dumme Sprüche habe ich jetzt wirklich keine Lust.

"Hallo?", lacht sie auf. "Ich arbeite beim Radio. Da gehört Neugier zur Berufsbeschreibung." Auch wieder wahr. "Nun? Hatte ich recht? Ich liebe es, wenn ich recht habe." Die Frau schafft mich! Wir kennen uns keine zwei Minuten, und schon hat sie es fertig gebracht, mich zum Grinsen zu bringen.

Keck sieht sie mich von oben herab an, eine Hand in die Hüfte gestemmt, mit der Anderen hält sie ebenfalls eine Tasse, bloß aus ihrer baumelt ein kleiner Teebeutelzipfel. "Haben Sie nichts zu tun?" Ich nicke rüber zum Empfang.

"Momentan nicht. Es sei denn, das Telefon klingelt, aber das tut es um diese Uhrzeit selten."

"Ich kann ja mal anrufen."

"Könnten Sie, aber ich geh sowieso nicht ran." Gelassen nippt sie an ihrem Tee.

"Und das lässt ihr Boss Ihnen durchgehen?"

"Klar. Schließlich schlafe ich mit ihm." Sie lächelt frech. Einfach hinreißend!

"Verheiratet?", frage ich sie.

"Wer? Er oder ich?" Sie fängt an zu lachen. Wohl hauptsächlich, weil ich sie mit offenen Mund anstarre. "Keine Sorge", kichert sie und hält mir ihren Ehering vor die Nase. "Wir sind beide glücklich verheiratet. Miteinander."

"Ah so. Verstehe", grinse ich.

"So? Sind Sie etwa auch gebunden?"

"Vielleicht."

"Hm", macht sie und leckt sich über die Lippen. "Ich sehe keinen Ring an Ihren Finger."

"Vielleicht trage ich ihn nur nicht."

"Könnte sein", nickt sie. "Das würde allerdings bedeuten, dass Sie ein Fremdgänger sind."

"Das wollen Sie glauben zu wissen, bloß weil ich eventuell meinen Ehering nicht am Finger habe?" Frauen!

"Nicht nur deswegen", schmunzelt sie leicht zynisch. "Am deutlichsten zeigt das mir Ihre Perücke." Mir klappt der Unterkiefer runter.

"Wie kommen Sie darauf, dass ich eine Perücke trage?"

"Ich erkenne eine Perücke, wenn ich sie sehe", gillert sie und streckt mir ihre Hand hin. "Petra. Gelernte Hair-Stylistin."

Ich ergreife ihre Hand, was mich nun jedoch in ein kleines Dilemma stürzt. Sage ich ihr meinen richtigen Namen? Verdient hätte sie es, bei so viel Dreistigkeit, aber ich kann meine Deckung nicht riskieren. "Logan", stelle ich mich ihr deshalb vor. "Zukünftiger Berater von Keith Kandyce."

Sie mustert mich eingehend, während unsere Hände leicht auf und ab wippen. "Nun, Logan", sagt sie schließlich, wobei sie Logan ganz bewusst betont. Sieht so aus, als habe sie auch meinen Decknamen durchschaut. Gescheites Mädchen. "Freut mich, Sie kennen zu lernen."

"Ebenfalls."

"Und nun, wo wir uns so gut kennen." Sie beugt sich runter zu mir, schaut links und rechts, und fährt mit leiser Stimme fort: "Wer ist es?"

"Wer ist was?"

"Wem gehört Ihr Herz?" Ich schüttle lachend den Kopf. "Die Frage ist ernst gemeint."

"Schön für Sie, aber ich bin nicht unglücklich verliebt."

"Das habe ich auch nicht gesagt."

"Doch, haben Sie. Vorhin, als sie mir den Kaffee gebracht haben."

"Ich sage viel, wenn der Tag lang ist."

"Hab ich gemerkt", brumme ich grinsend. Sie schaut mich zickig an, seufzt, und lässt sich neben mir auf den Stuhl fallen.

Noch verwirrter als sowieso schon, schaue ich sie stirnrunzelnd an. "Bitte setzen Sie sich doch. Der Platz ist noch frei", schnarre ich, wobei ich mich fast erschreckend genau wie meine Mutter anhöre.

"Vielen Dank", gluckst Petra und fummelt am Bändchen des Teebeutels herum. "Wie ist Keith denn eigentlich so? Ist er der netter Kerl von Nebenan, oder die verzogene Diva?" Er kann beides sein, aber das werde ich ihr ganz sicher nicht auf die Nase binden.

"No Commend", antworte ich ihr.

"Ach komm schon!"

"Nein. Und seit wann duzen wir uns?"

"Seit eben." Dreistigkeit verlass mich nicht. Diese Hair-Stylistin gefällt mir immer besser.

"Gut, Petra", schmunzle ich. "Keith ist ..."

"Ja?"

"Nicht erfreut darüber, wenn man etwas über ihn ausplaudert."

Petra zieht einen Schmollmund. "Na ja", seufzt sie. "Ich kann es verstehen." Welch kluge Einsicht. "Man verrät nicht denjenigen, den man liebt."

Meine Ohren fangen an zu sausen. Was hat sie gerade gesagt? "Was ... was redest du denn da?", stammle ich unbeholfen und lache dümmlich. Noch verräterischer geht es nicht, denke ich bei mir, doch es ist schon zu spät. Petra sieht mich an, als wollte sie sagen: Ich habe es doch gewusst! "Woher willst du das wissen?"

Sie verschränkt die Arme miteinander, was mit der halbvollen Teetasse schon eine Leistung ist. "Das du nicht auf Frauen stehst, sieht ein Blinder", meint sie.

"Ach, wirklich?" Sie nickt.

"Du hast noch kein einziges Mal auf meine Brüste gestarrt, obwohl ich sie dir eben quasi ins Gesicht gehalten habe." Automatisch senke ich den Blick. In Petras Dekolletee gibt es tatsächlich eine Menge zu sehen.

"Das heißt aber noch lange nicht, dass ich auf auf Keith stehe. Ich mag keine geschimkten Typen." Mag ich wirklich nicht.

"Keith rennt doch nicht immer mit Schminke herum, oder?" Ich schüttle schwach den Kopf. "Außerdem waren deine Blicke vorhin vor dem Sendestudio eindeutig." Scheiße! Äh ... Aber Moment mal!

"Ich hatte die Brille auf."

"Ich meine nicht deine Blicke", trällert Petra leise.

"Oh."

"Ich verrate es niemanden." Sie zwinkert mir zu.

"Das wäre nett", sage ich mich räuspernd.

Dass ausgerechnet sowas passieren muss! Warum haben Frauen nur so eine verdammt gute Auffassungsgabe?

"Ist es denn was Ernstes? ... Nur, wenn ich fragen darf."

Mir wird ganz unwohl und mein Bauch fühlt sich an, als habe einer mit der Faust reingeschlagen. "Mir wäre es lieber, wenn wir das Thema wechseln", sage ich zu ihr.

"Na schön. Schade. Ich stehe auf komplizierte Lovestorys." Komplizierte Lovestory ... Sie weiß gar nicht, wie treffend diese Bezeichnung ist. Wenigstens ist sie nicht mehr lange kompliziert.
 

Um ein paar Momente zu haben, um nachdenken zu können, was ich jetzt tue, nachdem unser Geheimnis quasi gelüftet wurde, trinke ich hastig ein paar Schlucke Kaffee. Am besten, ich drehe den Spieß jetzt mal um, und frage Petra ein wenig aus. Als Ablenkung, sozusagen.

"Wie kommt es eigentlich dazu, dass eine Hair-Stylistin am Empfang eines Radiosenders arbeitet?", möchte ich als erstes von ihr wissen.

Sie sieht mich an, als wüsste sie von meinem Plan, antwortet dann aber. "Das ist ganz einfach", meint sie. "Ich brauchte dringend einen Job, fand aber keinen in der Branche. Es war Zufall, dass es mich hier her verschlug, und ich Reiner kennenlernte."

"Reiner? Ist das dein Boss?" Petra nickt. "Dann hast du also zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen."

Sie lacht auf. "Sozusagen."

"Und du willst nicht mehr in deinen alten Job?"

"Wer sagt denn, dass ich nicht schon längst wieder als Hair-Stylistin arbeite?", grinst sie mich an. "Die Empfangsdame spiele ich hin und wieder an den Wochenenden. Aber auch nur, wenn jemand in den Sender kommt, den ich gerne mal treffen würde."

"So wie Keith?", frage ich grinsend.

"Genau." Petra zwirbelt das Papierfähnchen zwischen ihren Fingern. "Verstehe mich jetzt nicht falsch. Ich bin kein verrückter Groupie oder sowas."

"Für einen verrückten Groupie habe ich dich auch gar nicht gehalten." Nur für eine sehr neugierige und verrückte Empfangsdame.

"Ich meine ja nur. Ich entspreche wohl nicht ganz der Zielgruppe von ihm."

"Hm...", mache ich und mustere Petra eingehend. "Du bist weder ein kreischendes Mädchen um die vierzehn, noch ein Junge, der gerade seine sexuelle Orientierung auslotet, also … Nein. Seiner Zielgruppe entsprichst du eher nicht." Wir lachen leise. "Aber das bedeutet ja nicht, dass man seine Musik nicht hören kann."

"Stimmt. Obwohl die nicht immer meinen Geschmack trifft." Amen Schwester! Was die neuen Songs betrifft, kannst du allerdings nicht mitreden. "Weißt du, Keith hat was an sich, das mich einfach fasziniert. Seine Stimme ist bombastisch und seine Ausstrahlung zieht einen in den Bann. Das ist es, was ihn so erfolgreich macht. Nicht das ganze bunte Drumherum." Petra sieht auf einen unsichtbaren Punkt vor sich, strafft sich, und klopft mir aufs Bein. "Aber wem erzähle ich das? Das müsstest du ja wohl am besten wissen." Wieder ein Zwinkern. Und wieder wird es mir ganz flau im Magen. Zeit, wieder abzulenken. "Kann man bei euch eigentlich die Radiosendung mitverfolgen?"

"Du meinst, ob hier vorn ein Radio steht?" Ich nicke. "Nein, aber ich habe Internet und einen PC", lacht Petra und steht auf. "Komm mit. Ich schalte es ein."
 

***
 

Entgegen meiner Befürchtung, habe ich mich mit Petra wirklich gut amüsiert. Ungefähr die Hälfte der Sendung haben wir noch mitbekommen, haben über die Anrufer gelacht, die teilweise sehr merkwürdige Fragen gestellt, und dabei vor Aufregung stellenweise gar kein Wort rausbekommen haben. Meilo ließ alles souverän über sich ergehen, blieb freundlich und scherzte mit dem Moderator. Alles in allem also gar kein so schlechter Tag. Jedenfalls für mich. Wie es für Meilo aussieht, weiß ich noch nicht.

Während der Interviewpausen, in denen Musik lief, haben wir uns noch weiter miteinander unterhalten. Inzwischen glaube ich ihr, dass sie von ihrer Ahnung, dass Meilo und ich was am Laufen haben, niemanden etwas verraten wird. Sie erzählte mir von ihrer Anfangszeit hier, als sie als eine Art Mädchen für alles eingestellt worden ist. Doch als sie und Reiner sich näher gekommen sind, zerriss man sich schnell das Maul über die beiden. Sie wolle sich bloß hochschlafen, und solcherlei Tratsch ging hinter ihrem Rücken herum. "Ich war so froh, dass ich dann eine Stelle in einen Frisörsalon bekommen habe", sagte sie abschließend. "Es war echt furchtbar und bedrückend, dass schlecht über unsere Beziehung geredet wurde. Und für jemanden wie Keith, der so in der Öffentlichkeit steht, muss das noch ein vielfaches furchtbarer sein. Deswegen verstehe ich es, wenn man sowas nicht öffentlich breittretet." Vielleicht mag es verrückt klingen, aber ich glaube ihr.

Aus diesem Grund bin ich in ihrer Gegenwart auch viel entspannter, als noch vor einer Stunde. Trotzdem passe ich peinlich genau auf, dass mir nichts verräterisches über die Lippen kommt, denn Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, wie man bekanntlich weiß.
 

"Noch einen Kaffee?" Petra wedelt mit meiner Tasse.

"Nein danke. Keith müsste bald auftauchen." Petra schmollt. "Was denn?"

"Na ja", trugst sie herum. "Wenn du noch eine Tasse trinken würdest, müsstet ihr doch sicher noch etwas länger bleiben ..."

"Hinterhältiges Biest", feixe ich. "Na schön. Kaffee her."

"Supi!" Sie springt auf und füllt mir nach.

"Ich kann aber nicht garantieren, dass ich ihn noch austrinken darf." Gerd wird das sicher nicht gefallen. Deshalb: "Mach die Tasse schön voll."

"Das hatte ich auch vor."

Hinten im Gang geht die Tür zum Studio auf. Lautes Geplapper.

Der Moderator schüttelt Meilo die Hand, spricht noch einige Worte mit ihm, dann entlässt er ihn. Gerd bleibt noch bei ihm stehen, während Meilo mit ausladenden Schritten auf mich zu kommt. "Auch einen Kaffee?", frage ich ihn.

"Kaffee?" Meilo runzelt die Stirn. Sicher denkt er, ich würde so schnell wie möglich von hier weg wollen.

"Ja. Der ist gut." Ich sehe ihn eindringlich an.

"Okay ... Ich nehme einen."

"Supi", imitiere ich Petra. "Noch eine Tasse", richte ich mich an sie.

Sie lächelt selig und holt eine Tasse aus dem Schrank. "Nic?", flüstert Meilo mir zu und guckt mich fragend an.

"Komm mit. Setzen wir uns." Ich nicke mit dem Kopf zu der kleinen Bank neben dem Empfang. Zögernd folgt er mir.

"Was soll das?"

"Gerd ärgern", wispere ich leise, ziehe die Sonnenbrille wieder runter und tue ganz lässig. Meilos Manager stampft just in diesem Moment auf uns zu.

"Wir müssen los", blafft er auch schon.

"Hier. Bitte sehr. Ihr Kaffee." Petra taucht im genau richtigen Moment auf und reicht Meilo den bestellten Kaffee.

Entspannt lehne ich mich zurück und genieße das bittere Getränk. Gerd droht innerlich zu zerplatzen, so stelle ich ihn mir jedenfalls vor. Ganz weit weg von der Wahrheit ist das hundert pro nicht.

"Keith? Wir haben noch Termine."

"Heute noch?", frage ich ruhig. "Sagtest du nicht, bis auf das Radiointerview wäre heute nichts?"

"Stimmt. Gerd muss sich vertan haben", bestätigt Meilo.

Kawoom! Gertilein feuert giftige Blicke auf mich ab. Geb's auf. Die wirken auch jetzt nicht bei mir.

"Gut. Wir haben gleich noch einiges zu besprechen", erwähne ich ganz nebenbei.

Gerd sieht immer wütender aus. "Noch fünf Minuten", bellt er schließlich. "Dann müssen wir los. Ich habe auch nicht den ganzen Tag Zeit. Ich warte im Auto." Und weg ist er.

Ich atme laut aus. "War der schon immer so?"

"Nein. Erst seit ... Du weißt schon." Ich nicke wissend. Dass Keith bald verscheiden wird, sollte er besser nicht in einem Radiostudio erwähnen.

Das schlechte Gewissen sucht mich heim. Nein, nicht wegen Gerd. Wegen Meilo. "Sag jetzt bitte nicht, dass er dich wegen dem hier in irgendeiner Weise piesacken wird", flüstere ich ihm zu.

"Das wird er nicht", winkt Meilo ab. "Dazu hat er gar keine Zeit mehr." Mein Schatz lächelt mich an. Ich schmelze dahin …
 

Jemand räuspert sich in unserer unmittelbaren Nähe. Petra! Sie steht vor uns und grinst sich einen ab. Ich bin über ihr Erscheinen nicht halb so erschrocken wie Meilo. "Siehst du jetzt, was ich meine Logan?", fragt Petra mich kichernd. Meilo wird immer blasser. "Ihr müsst wirklich besser aufpassen, dass das mit euch nicht rauskommt."

Nach den ersten Schrecksekunden wirbelt Meilos Kopf zu mir. Ihm fallen fast die Augen raus. "Guck mich nicht an. Ich trage eine Sonnenbrille." Ich deute auf mein schickes Brillengestell. "Du bist derjenige, der mir in aller Öffentlichkeit schöne Augen macht." In aller Öffentlichkeit ist eventuell zu viel gesagt, aber sei es drum.

"Hast du es ihr gesagt?"

"Ich habe gar nichts gesagt. Petra hat das ganz von selbst herausgefunden." Obwohl ich zugeben muss, uns an meiner Reaktion vorhin doch irgendwie verraten gehabt zu haben.

"Eure gegenseitigen Blicke sagen mehr als tausend Worte", lacht Petra. Meilo schluckt hart und macht den Eindruck, als wolle er am liebsten sofort flüchten.

"Ganz ruhig Keith", versuche ich ihn zu beruhigen. "Niemand erfährt etwas."

"Ehrenwort", schwört Petra und hebt die rechte Hand. "Euer Geheimnis ist bei mir sicher."

Mein Schatz scheint nicht überzeugt. Er sieht merkwürdig aus. Seine Augen irren durch den Raum und von seiner Blässe ist auch nichts mehr zu sehen. Auf einmal steht er ruckartig auf, stellt die Tasse am Empfang ab und ruft mich zu sich. Ich kann gar nicht so schnell reagieren, wie er aus der Tür verschwunden ist. "Scheiße", murmelt Petra. "Ich hab's verbockt."

"Ach, keine Sorge. Solange du nichts sagst, hetzt er auch nicht seine Anwälte auf dich."

"Sehr beruhigend", seufzt sie. "Geh ihm lieber nach."

"Bin schon auf den Weg." Auch ich stehe auf, stelle die Tasse neben Meilos und drücke Petra kurz an mich. "Mach's gut. War schön dich kennenzulernen."

"Dito." Nochmal angelächelt, sehe ich zu, dass ich hinter Meilo her komme.
 

Draußen kann ich ihn nirgends sehen, weshalb ich ihm im Auto vermute. Ich behalte Recht.

Weil Gerd auch mit im Auto sitzt, kann ich nichts zu Meilo sagen, doch seine Anspannung ist fast greifbar. Als wir losfahren, nachdem Gerd mir im Rückspiegel noch einen weiteren feindseligen Blick zugeworfen hat, werde ich mit jedem gefahrenen Meter nervöser. Diesmal weiß ich, dass Meilo sauer auf mich ist. So verbissen, wie er nach vorn schaut, sich noch nicht mal um seine Fan schert, die immer noch vorm Radiosender ausharren und hysterisch loskreischen, als wir an ihnen vorbeifahren, ist das nur zu offensichtlich.

Während der Fahrt lege ich mir ein paar Erklärungen zurecht, versuche Worte zu finden, die ihn überzeugen, dass Petra nichts ausschwatzt, aber so recht will mir nichts einfallen. Im Grunde könnte sie jetzt, in diesem Moment, überall breittreten, dass Keiht Kandyce einen schwulen Lover hat.

Mir wird heiß. Das wird sie nicht tun. Aber was wäre, wenn doch? ...
 

"Einen schönen Tag euch noch", zischt Gerd, als wir endlich vor Meilos Wohnung stehen und aussteigen. Meilo erwidert nichts, sondern verschwindet umgehend im Hausflur, ich eile abermals hinter her. Ich schaffe es noch gerade so, in den Aufzug zu schlüpfen, bevor sich dessen Türen schließen. Ich will gar nicht erst nachfragen, ob Meilo mir die Türen aufgehalten hätte, falls ich es nicht mehr rechtzeitig gepackt hätte. Meine Nerven liegen Mittlerweile blank.

Unruhig warte ich, dass Meilo was sagt, aber das tut er nicht. Auch nicht, als er seine Wohnungstür aufschließt, eintritt, und seinen Mantel aufhängt. Während ich meine Jacke aufhänge, läuft er mir wieder davon. Im Esszimmer finde ich ihn. Er steht angelehnt an dem Esstisch und schaut aus dem Fenster.

Ich räuspere mich. "Meilo?" Er reagiert nicht. Ich werde immer nervöser. "Es tut mir leid", wispere ich. "Ich hätte Petra irgendeine Lüge auftischen, und sie nicht mehr beachten sollen. Aber ich war so erschrocken darüber, dass sie gemerkt hat, das da was zwischen uns ist, dass ich nicht reagieren konnte."

Langsam dreht Meilo sein Gesicht zu mir. Nichts in seinem Blick verrät, was er gerade denkt, und das macht mir ziemlich Angst. "Was meinst du?", fragt er mich plötzlich.

Meine Stirn legt sich in Falten. "Was ich meine?" Er nickt. "Die Sache mit Petra. Dass sie Bescheid weiß. Über dich und mich."

"Und wieso tut dir das leid?" Bin ich im falschen Film, oder was?

"Du bist doch sauer deswegen, oder?"

"Auf Petra?"

"Nein auf mich!"

"Bin ich nicht."

"Nein?"

"Nein."

"Und warum spielst du stummer Fisch und siehst mich nicht mal mehr mit dem Hintern an?" Ich dreht gleich durch!

"Ich war in Gedanken."

"In Gedanken", hauche ich ungläubig.

"Hmhm." Meilo stößt sich vom Tisch ab und überbrückt die wenigen Meter, die uns voneinander trennen. Eine seiner Hände schiebt sich in meinen Nacken, und dann liegen auf einmal seine Lippen auf meinen. Ich bin zu überrumpelt, um den Kuss zu erwidern.

"Was war denn das?", japse ich anschließend.

"Na wenn du das nicht weißt ...", grinst er.

"Mensch Meilo! Sag mir jetzt, verdammt nochmal, was eben mit dir war!" Ich dreh hier noch durch! Der Kerl macht mich sprichwörtlich wahnsinnig! "Ich steh hier und hab eine scheiß Angst, weil ich dachte, du machst dir tierische Sorgen darüber, dass jemand von uns erfahren könnte und mir dafür die Schuld gibst, und dann knutschst du mich einfach?" Kann sein, dass ich ein klitzekleines bisschen überreagiere, aber seht es mir nach. Eben noch ging mir der Arsch auf Grundeis, und jetzt erfahre ich, dass ich dafür anscheinend gar keinen Grund hatte. Ich bin leicht stinkig!

"Du hattest Angst?"

"Ja, verdammt!" Sauer verschränke ich die Arme vor der Brust. "Du bist wie von der Tarantel gestochen aus dem Radiosender geflohen und hast mich im Auto nicht mehr beachtet. Klar habe ich Angst!"

"Das tut mir furchtbar leid. Das wollte ich nicht." Nun steht wieder mein alter, treudoofer Freund vor mir, und es ist egal, dass er noch so aussieht wie ein glitzerndes Transen-Popsternchen. "Ich bin nicht aus dem Sender geflohen, weil ich sauer auf dich war, oder weil ich Angst hatte, dass diese Frau uns verrät."

"Warum dann?"

"Weil ich fast geplatzt wäre."

Mir fällt alles aus dem Gesicht. "Geplatzt?!", schnaufe ich.

"Ja. Geplatzt."

"Wieso? Ist dir der Kaffee nicht bekommen?"

Meilo lacht schief. "Von dem Kaffee habe ich kaum was getrunken", winkt er ab.

"Das weiß ich. Das sollte auch bloß ein Scherz sein." Unruhig tippe ich mit dem linken Fuß auf den Fußboden.

"Gut, ich gebe zu, anfangs war ich erschrocken darüber, dass ich so unvorsichtig war, und diese Frau am Empfang etwas bemerkt hat."

"Petra."

"Was?"

"Diese Frau heißt Petra und sie ist wirklich nett." Ich wollte es nur nochmal erwähnt haben.

"Okay, die nette Petra eben", schmunzelt Meilo. "Als der erste Schreck allerdings überwunden war, da ... ich weiß auch nicht. Es fühlte sich kurz so an, als wäre es endlich vorbei."

"Was wäre endlich vorbei?", frage ich perplex nach.

"Dieses ganze Versteckspiel. Ich war kurz davor es einfach laut hinauszuschreien, verstehst du?" Ehrlich gesagt, verstehe ich gerade rein gar nichts mehr.

Ich schüttle den Kopf. "Was wolltest du hinausschreien?"

"Na das ich dich liebe, du Dussel!" Arme legen sich um meine Taille. "Das ich dich liebe, mit dir zusammen bin, dass wir uns ein Haus kaufen wollen, heiraten ... einfach alles." Mein Mund wird trocken und fusselig. Ich starre Meilo in die grünen Augen, die noch grüner zu strahlen scheinen, als sie es ohnehin schon tun. Unten, in meinem Bauch, scheinen abertausende Schmetterlinge zu schlüpfen. Dieser Mann ist doch wirklich ... unfassbar! "Und als mir bewusst wurde, was ich damit vielleicht ins Rollen bringe, habe ich mich zusammengerissen, bin aufgestanden und schnurstracks ins Auto gestiegen."

"Das war's?", frage ich ihn noch immer leicht ungläubig. "Du warst gar nicht sauer oder besorgt über Petra, dass sie das mit uns in der Öffentlichkeit hinausposaunt?"

"Nein. Und wenn schon. Soll sie doch. Bis das anläuft bin ich schon aus dem Vertrag." Nun schlägt mein Unterkiefer vollends auf den Boden auf.

Jedoch eins muss noch geklärt werden.

"Und das im Auto? Warum hast du mich nicht beachtet?"

"Erklärt sich das nicht von selbst?" Ich verneine. "Wenn schon dieser Petra meine Blicke dir gegenüber aufgefallen ist, dann wird es Gerd sicher auch auffallen. Falls sie es nicht längst schon sind ..."

"Oh Shit!" Bloß nicht! "Meinst du, er ahnt doch was?"

"Keine Ahnung. Und wenn schon. Ist mir egal. Solange es nicht zu offensichtlich ist, wird er schon die Füße still halten. Hat er bei Benedikt ja auch."

Ich atme tief ein und lehne mich mit der Stirn gegen Meilos Schulter. "Was für ein Tag. Ich bin dieses Wochenende sicher um zehn Jahre gealtert." Meilo lacht leise und drückt ich fest an sich. "Meilo? Du bist echt gagga", schnaufe ich grinsend.

"Manchmal schon", schmunzelt er. "Daran bist du aber meist nicht ganz unschuldig dran."

"Dachte ich mir schon. Anders herum ist es übrigens genau so."

"Solange es nichts schlimmeres ist", lacht mein Schatz und lässt mich wieder los. "Was meinst du? Bestellen wir uns noch was leckeres zu Essen auf Kosten meiner Plattenfirma, bevor du wieder nach Hause fährst?"

"Erinnere mich nicht an die Rückfahrt", jammere ich. "Aber ja. Bestellen wir uns noch was."

"Klasse! Ich hole die Karten." Hoffentlich braucht der Lieferdienst ganz lange mit dem Liefern.
 

***
 

"Komm gut Zuhause an."

"Werde ich", antworte ich und versuche zu lächeln. Dass das nicht so klappt, wie ich das gern hätte, dürfte nicht überraschen.

Noch einmal drückt mich Meilo fest an sich. Meine Finger, die auf seinem Rücken liegen, krallen sich in seinen Mantel. "Versuch dich nicht allzu sehr stressen zu lassen, okay?" Ein vermessener Wunsch, aber was soll ich sonst sagen?

"Ich probiere es. Und falls der Stress doch zuschlägt, denke ich einfach an dich und unser baldiges Zuhause."

"Genau. Und daran, dass wir uns in elf Tagen wiedersehen, wenn du wieder du selbst sein darfst." Ich werde leicht euphorisch, als ich mir diese Tatsache wieder wachrufe. Nicht mehr lange, und wir sind diese dicken Keith Kandyce Fesseln los!

"Ich freue mich schon so darauf", flüstert Meilo und lässt mich zögernd los.

"Ich mich auch."

Ein eisiger Wind zieht auf. Ich schlage meinen Kragen höher und fummle mit klammen Fingern meine Autoschlüssel aus der Jackentasche.

"Danke, dass du da warst."

"Immer wieder gern", scherze ich, lege meine Arme um Meilos Nacken und küsse ihn noch einmal zum Abschied. "Geh besser schnell wieder rein. Es sieht aus, als kommt da gleich was runter." Dunkelblaue Wolken ziehen über den Himmel. Richtig ekeliges Winterwetter. "Wir hören uns."

"Tun wir", nickt Meilo.

Ihn loszulassen, und zu wissen, dass wir uns die kommenden Tage nicht mehr sehen, ist jedes Mal aufs Neue ein furchtbares Gefühl. Deswegen mache ich es kurz und schmerzlos, drücke die Zentralverriegelung auf und steige schnell ein. Meilo läuft rüber auf die andere Straßenseite und winkt mir zu, während ich langsam aus der Parklücke rolle. Nochmal winken, und weg bin ich.
 

Ich atme tief ein. "Das ist das letzte Mal", sage ich zu mir. Das letzte Mal, dass wir uns trennen müssen.

Mit diesem Wissen im Hinterkopf, geht es mir schon wieder etwas besser. Bleibt zu hoffen, dass es Meilo auch so geht und er sich während der letzten Tage nicht unterkriegen lässt. Aber wenn wir die letzten Monate schon geschafft haben, dann schaffen wir die letzten paar Tage auch noch. Ganz sicher.

Vor einer roten Ampel bleibe ich stehen. Ich schalte das Radio an, starte den Sendersuchlauf und muss nicht lange warten, bis Musik aus den Lautsprechern trällert. Sofort singe ich gut gelaunt mit. "You had your time, you had the power you've yet to have your finest hour radio. All we hear is radio ga ga."*
 

******
 


 

* Natürlich ist das ein Song von Queen ^^

Love bite 57 - Weihnachtsblues

Einen schönen guten Morgen wünsche ich euch.

Pünktlich zu Weihnachten hier nun das Love bite Weihnachtskapitel.

Wieder habe ich es nicht geschafft, euch zu antworten. Ich bin ziemlich platt und darf Antibiotika schlucken :-( Ich hoffe ja, dass das nächste Woche besser ist, und ich mich wieder mehr um meine Storys kümmern kann

Jetzt wünsche ich euch aber erstmal viel Spaß beim Lesen, ein schönes Weihnachtsfest und lasst euch reichlich bescheren ;-)
 

Eure Fara
 


 

Love bite 57 - Weihnachtsblues
 

"Ein schönes Weihnachtsfest Ihnen."

"Danke. Ihnen auch", lächelt der Kunde vor dem Tresen und macht dem nächsten Platz. Ich lächle freundlich zurück und begrüße gleich den nächsten Kunden.

Ein schönes Weihnachtsfest. Wenn das nur ginge. Ohne Meilo wird das ganz sicher kein schönes Fest.

Missmutig gebe ich die Preise in die Kasse ein. "Möchten Sie es als Geschenk verpackt haben?"

"Ja, gern." Warum frage ich eigentlich? Heute will jeder seinen Einkauf verpackt haben, schließlich ist Heilig Abend.

Ich reiche die Weinflasche und die luftgetrocknete Salami an Jean weiter, der sich um das Einpacken kümmert, und bediene die nächste Kundin. Alles läuft routiniert ab. Seit zwei Tagen machen wir nichts mehr anderes als Bestellungen fertig zu machen, und Kunden zu bedienen. Es ist die Hölle los!

Das freut mich für KP, keine Frage, doch es ist schon teilweise ziemlich stressig. Manche Leute wissen einfach nicht was sie wollen, fragen einen aus, lassen sich hier was zeigen, probieren dort eine Kostprobe, und merken gar nicht, dass der Laden brechend voll ist. Mir schwirrt schon seit gestern der Kopf. Heute Nacht habe ich sogar vom Bedienen geträumt.

Ich war gerade dabei, alles in den Laden zu räumen, weil es kurz vor Feierabend war, aber der Kundenstrom wollte einfach nicht abreißen. Ich dachte noch, die müssen doch längst Zuhause sein, denn die Uhr zeigte zwanzig Uhr an, aber der Andrang wollte und wollte nicht abreißen.

Als ich heute Morgen aufwachte, fühlte ich mich durch den aufreibenden Traum überhaupt nicht ausgeruht. Es war so, als hätte ich die ganze Nacht durchgearbeitet. Demnach sah auch mein Spiegelbild aus. Obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, ob das nur von dem Traum herrührte.

Zu dem Arbeitsstress kommt nämlich noch meine wachsende Sorge um Meilo. Es ist keine vier Tage her, als wir uns das letzte Mal gesehen haben, aber schon einen Tag nach meinem Besuch in Berlin, hatte ich das drängende Gefühl, dass meinen Schatz schon wieder was bedrückt. Logisch, dass ich ihn darauf angesprochen habe, doch er meinte, es sei nichts schlimmes. Er sei nur geschafft vom Tag. Dass ich ihm das nicht abnehme, weiß er sicherlich. Trotzdem sagt er mir nichts. Das macht mich noch verrückt!

"Ein schönes Fest."

"Danke, Ihnen auch", rattere ich einstudiert runter. Der Nächste bitte.
 

***
 

"Oh Mann! Mir tun die Füße weh!" Jean hockt auf einem der eindekorierten Stühle im Laden und streckt die Beine von sich. KP steht an der Kasse und macht die Abrechnung, während ich den Laden abschließe. Kein Kundenstrom vorm Laden. Die Stadt ist ruhig und nur noch vereinzelt sieht man ein paar panische Leute nach einem Geschenk suchend durch die Straßen ziehen.

"Feierabend!", verkünde ich und drehe das Schild von Geöffnet auf Geschlossen.

"Endlich!", pustet Ricco und gähnt herzhaft. "Ich will nur noch in mein Bett."

"Keine Familiären Verpflichtungen heute?", fragt ihn Jean, der wieder aufgestanden ist, und neben mir her zur Theke läuft.

"Nee. Erst morgen."

"Du Glücklicher. Meine gesamte Familie ist heute Morgen angetanzt. Wenn ich jetzt nach Hause komme, geht der Trubel gleich weiter." Jean seufzt und lehnt sich gegen die Kasse.

KP zupft den Zettel mit der Abrechnung ab. "Ist der lang", staune ich. "Und? Hat es sich gelohnt?"

"Voll und ganz", strahlt er.

"Dann haben wir ja nicht umsonst geschuftet."

"Nein, habt ihr nicht." KP zieht die Kassette mit den Tageseinnahmen aus der Kasse und verschwindet nach hinten.

Jean, Ricco und ich gehen derweil nach hinten und machen uns für den Heimweg fertig. "Und? Wie verbringst du die Feiertage Niclas? Auch im Schoße der Familie?", fragt mich Ricco.

"Ja", brumme ich.

"Hört sich ja nicht sehr begeistert an", grinst Jean. "Hast du auch so eine Chaosfamilie wie ich?"

"Chaotisch sind sie auf jeden Fall, aber darum geht es mir nicht."

"Meilo?" Ich nicke Jean zu. "Kann er nicht kommen?"

"Nein. Er muss lange arbeiten."

"Das ist doof." Da stimme ich Ricco voll und ganz zu.

"So ihr drei!" KP betritt den Raum. In der Hand drei Umschläge. "Euer Lohn für diese Woche und ein kleiner Weihnachtsbonus." Jeder von uns bekommt einen der Umschläge in die Hand gedrückt.

Alle freuen sich riesig, weil der Weihnachtsbonus sich wirklich sehen lassen kann, doch bei mir will keine richtige Freude aufkommen. Meilo. Ich würde den ganzen Umschlag mit Freuden in die nächste Kerzenflamme halten, wenn ich dafür jetzt bei ihm sein könnte.

"Ich wünsche euch ein erholsames Weihnachtsfest. Ruht euch schön aus, wir sehen uns nächste Woche wieder."

"Wünsche ich dir auch", erwidert Jean, und auch Ricco und ich wünschen unserem Boss ein schönes Fest.

Draußen verabschiede ich mich von den beiden, das übliche Geplänkel runterleiernd, dann stampfe ich auf mein Auto zu. Ab nach Hause. Ich muss Meilo anrufen!
 

Zuhause herrscht das Chaos. Die Weihnachtsvorbereitungen sind im vollen Gange. Mama wirbelt wie ein Tornado durch die Küche, Papa stößt im Wohnzimmer am laufenden Band unweihnachtliche Flüche aus, was nur bedeuten kann, dass er die Lichterkette an den Baum pfriemelt, wobei Nicole ihm sicher helfen muss. Eigentlich wollte er das schon gestern machen, so wie jedes Jahr. Er hatte auch schon damit angefangen, doch mein Vater und die Lichterkette stehen so sehr auf Kriegsfuß, dass Mama ihm gestern andere Tätigkeiten aufgebrummt hat, nachdem er die Kette beinahe aus dem Fenster geschmissen hat.

Auf leisen Pfoten schleiche ich mich ungesehen in mein Zimmer. Wenn jemand fragt, ich bin noch nicht da.

Meine Jacke und meine Schuhe fliegen in die nächste Ecke. Mit dem Handy bewaffnet setze ich mich anschließend aufs Bett und wähle Meilos Nummer. Die Mailbox geht ran. Dann ist er sicherlich schon bei dieser blöden TV-Show, die Gerd ihm noch aufs Auge gedrückt hat. Ich schaue auf die Uhr. Kurz nach drei. Um vier fängt sie an, wird aber erst um halb sieben ausgestrahlt. Und danach läuft die Sendung, für die er gestern schuften musste. "Hallo Meilo. Ich bin's. Wollte nur Beschied sagen, dass ich Zuhause bin. Kannst mich jederzeit am Handy erreichen. Liebe dich."

Nachdenklich stecke ich mir mein Handy in die Hosentasche. Wenn ich jetzt doch nur bei ihm sein könnte!

Weil ich sowieso nichts besseres zu tun habe, tapse ich in die Küche. "Hey Ma. Bin wieder da."

"Oh Nic. Wie spät ist es denn?" Meine Mutter ist richtig hektisch.

"Drei Uhr durch. ... Soll ich dir helfen?"

"Nein, nein", winkt sie ab. "Bis ich dir alles erklärt habe, habe ich es auch selbst gemacht." Na danke auch! "Hilf lieber deinem Vater. Der flucht schon seit einer halben Stunde wegen der Lichterkette herum."

"Hab's gehört", grinse ich. Das Lichterkettenspektakel ist jedes Jahr aufs Neue eine kuriose Sache. Mein Vater hat es nicht so mit Ketten entwirren. Im Gegenteil. Er macht nur noch mehr Knoten rein. "Gut. Dann helfe ich ihm mal."

"Tu das, Schatz." Der Ofen piepst. Schon bin ich wieder vergessen.

Im Wohnzimmer bietet sich ein mir nur allzu bekanntes Bild: Hinten in der Ecke, neben dem Fenster, steht der noch nackte Baum. Eine große Nordmanntannennachbildung. Wunderschön gewachsenes Plastik und auch noch kerzengerade. Ein teures Ding, das meine Mutter vor ein paar Jahren angeschafft hat, weil sie es satt hatte, dass mein Vater immer etwas an den Bäumen auszusetzen hatte, die wir besorgt hatten. Jetzt geht sie immer los und holt einen großen Bund Äste beim Gärtner, die sie dann zwischen die Unechten steckt. "So riecht es wenigstens auch nach einem Baum", erklärte sie. Und sie hat recht. Es riecht nach frischem Grün.

Vor dem Baum steht Nicole. Sie blickt grimmig drein und hält einen Teil der Lichterkette, den mein Vater schon entwirrt hat. Dieser steht vor dem Wohnzimmertisch, der über und über mit Kartons und Schachteln voll Baumschmuck bestückt ist. Lichterkette Nummer zwei liegt noch eingepackt dazwischen, wie ich erkenne. Weit sind sie noch nicht gekommen.

"Bin wieder da. Hilfe naht", verkünde ich.

Mein Papa schaut auf. Schweißperlen glänzen auf seiner Stirn. "Niclas! Wie gut, dass du da bist! Hilf mir mal."

"Klar doch", grinse ich und nehme ihm den Kabelwust ab.

"Das verheddert sich immer wieder!"

"Aber nur, weil du für jeden enthedderten Knoten zwei neue reinmachst", motz Nicole, wobei sie nicht ganz unrecht hat.

"Die Knoten waren schon vorher drinnen! Weil sie letztes Jahr einfach schnell in den Karton gestopft worden sind!" Mein Vater bekommt einen roten Kopf.

"Ist doch nicht schlimm", schlichte ich. "Das bekommen wir schon hin. Zur Not werfen wir sie eben verknotet auf den Baum."

"Das geht doch nicht!", zickt Nicole.

"Geht doch", blaffe ich zurück. Dank LED ginge das ganz einfach. Unsere damalige Lichterkette hatte Glasbirnen. Mein Vater schrottete jedes Jahr gleich mehrere Birnen. Deshalb sind wir auf LED umgestiegen. "Lasst mich das machen. Ich bekomme die schon entwirrt."

Mein Vater bläst laut Luft zwischen seinen Lippen und wirft resigniert die Arme in die Luft. Ich beachte ihn nicht weiter und setze mich auf die Couch, wo ich in Ruhe alle Knoten und verdrehten Kabel auseinanderfummeln kann. Nicole hilft mir und befestigt den entwirrten Teil schon mal am Baum. Papa kramt derweil in den Schachteln herum. "Wo ist den die Spitze?", fragt er meine Schwester.

"Irgendwo." Sie zuckt mit den Schultern.

"Sie muss doch da sein."

"Was willst du den mit der? Die kommt erst zum Schluss drauf."

"Ich will nur gucken, ob sie da ist."

"Das sehen wir doch dann, wenn der Rest am Baum hängt." Ich verdrehe die Augen. Jedes Jahr das Selbe.

Ich lasse die beiden weiter diskutieren. Das ist ihr alljährlicher Weihnachtsbrauch. Gönnen wir ihnen ihren Spaß.
 

Inzwischen entheddere ich Lichterkette Nummer eins. Danach ist die Zweite dran, die dann auch sofort um den Baum geschlungen wird. "Haben wir nicht noch diese einzelnen Kerzen irgendwo?", fragt Nicole und tritt an den Couchtisch. "Die flackern so schön."

Grinsend beobachte ich meine Schwester und meinen Vater, wie sie einträchtig nebeneinander in der Weihnachtsdeko kramen. Immer wieder findet einer etwas, das schon seit Jahren bei uns an den Baum gehängt wird, wie dieser furchtbare Bengel mit der Trommel in der Hand, und freut sich dann wie Bolle. Erinnerungsstücke an unsere Kindheit. Immer, wenn ich diese kleinen filigranen Glasaufhänger sehe, werde ich ganz nostalgisch. Umso schlimmer, dass Meilo heute allein ist. Ich frage mich, wann er das letzte Mal in Ruhe Weihnachten mit seiner Familie feiern konnte.

"Ey! Miesmuschel!" Nicole wirft mir eine alte Packung Lametta entgegen. "Was glotzt du so traurig?"

Missmutig zupfe ich am goldenen Lametta herum. "Meilo ist heute ganz allein", murmle ich.

"Echt jetzt?", fragt mich Nicole betroffen. Ich nicke und werfe das Lametta zurück in einen der Kartons. Das benutzen wir doch schon seit Jahren nicht mehr. "Warum hast du ihn nicht zu uns eingeladen?"

"Sehr witzig", schnaube ich. "Er ist in München. Für den einen Abend zu uns zu fahren, wäre schwachsinnig."

"Er könnte auch fliegen." Meine Augenbrauen wandern nach oben und ich schaue meine altkluge Schwester schief an.

"Mit dem Schlitten vom Weihnachtsmann, oder was?", blaffe ich sie an.

"Nein, mit einem stinknormalen Flugzeug. Entschuldige, dass ich einen Vorschlag gemacht habe." Jetzt ist sie sauer.

Seufzend entschuldige ich mich bei ihr. "Zu wissen, dass er da allein hockt, macht mich eben traurig", erkläre ich ihr.

"Dann lass dir was einfallen, und nerv uns nicht." Wieder fliegt das Lametta. Schief grinsend werfe ich es ihr wieder entgegen.

Mir was einfallen lassen ... Aber was?
 

***
 

"Niclas? Kannst du noch das Drangiermesser aus der Schublade holen?"

"Mach ich." Ich stehe auf und laufe zu besagter Schublade.

Im Radio, das neben der Brotmaschine steht, dudelt leise Weihnachtsmusik. Am Adventskranz daneben brennen alle vier Kerzen und verbreiten eine angenehme Stimmung. Bloß will sich bei mir diese sonst immer so friedliche Weihnachtsstimmung nicht einstellen. Meilo hat sich noch nicht gemeldet. Ich mache mir langsam Sorgen.

"Niclas?" Meine Mutter hat gerufen.

"Hm?"

"Wie lange willst du noch mit dem Messer mitten in der Küche herumstehen?"

"Du siehst wie ein irrer Massenmörder aus", lacht Nicole. Ich knurre bloß und reiche meinem Vater das Messer, damit er den Vogel auseinandernehmen kann.

Wieder auf meinem Platz, höre ich Mariah Carey dabei zu, wie sie 'All i want for christmas ist you'* runterjammert. Ich kann sie so gut verstehen!

"Hast du eigentlich schon gesehen, was Clemens und ich vorgestern im Kaufhaus ergattert haben?", quasselt meine Mutter drauf los. Sie hat Nicole gemeint, die mit großen Augen den Kopf schüttelt. "Ein super schickes Kostüm in marineblau. Genau richtig für die Neujahrsfeier von Meilos Familie!" Wäre es nur schon soweit.

"Ich freue mich schon so drauf, die Leute kennenzulernen, die meinen Keith gezeugt haben", säuselt meine Doofkuh von einer Schwester.

"Meilo", knurre ich sie an. "Er heißt Meilo, und nicht Keith."

"Oh ja. Sorry. ... Aber apropos Keith!" Nicole springt auf, was meinem Vater gar nicht gefällt.

"Setz dich wieder", pampt er und müht sich mit dem Vogel ab. Die arme Ente.

"Gleich! Nic? Kennst du eigentlich die Weihnachtssongs von Keith?"

"Nicht, dass ich wüsste", antworte ich.

"Warte! Ich hol schnell die CD! Die sind toll!" Und weg ist sie.

Papa lässt die Schultern hängen und Mama stürzt die Lippen. "Ich dachte, das würde endlich aufhören, jetzt, wo sie ihren Popsänger persönlich kennt", motzt mein Vater.

"Du kennst doch unsere Tochter, Werner."

"Wie wahr." Die beiden grinsen sich an. Schön, wenn man über Besessenheit noch lachen kann. Gott! Ich bin heute wirklich mies gelaunt, oder?
 

Nicole kommt wieder in die Küche gestürmt, in der Hand eine CD. "Die hat er schon letztes Jahr rausgebracht", plappert sie aufgeregt und steckt die silberne Scheibe in die kleine Anlage. Das Radioprogramm verstummt. Dafür ertönt das vertraute surren und zischen, wenn die CD sich beginnt zu drehen. Nicole setzt sich wieder an den Tisch, die Musik fängt an zu spielen. "Das wird dir gefallen", grinst sie mich an. Ob mir das gefallen wird, werden wir noch sehen. Ich glaub's jedenfalls nicht.

Die Töne kommen mir bekannt vor. Ich überlege, um welches Weihnachtslied es sich handelt und komme recht bald darauf. Es handelt sich um Wonderfull Dream. Ziemlich melancholisch, finde ich. Aber das kann auch daran liegen, dass ich in keiner guten Stimmung bin.

"Das Nächste ist Last Christmas und dann kommt noch Jingle Bells. Der Rest sind nur Mixe von seinen anderen Songs", erklärt meine Schwester.

"Die müssen wir uns aber nicht auch noch anhören", bläst meine Mutter. "Mixe an Weihnachten sind nicht sonderlich gemütlich."

"Nur die Weihnachtslieder", beruhigt Nicole sie und fängt an mitzusingen. Papa verteilt derweil die auseinandergenommene Ente, wenn man das zerfledderte Ding überhaupt noch so nennen kann.

"Soße?" Mama wedelt mit dem Soßenkännchen vor mir herum.

"Nur ein bisschen." Mein Hunger hält sich in Grenzen, obwohl ich weiß, wie gut Mamas Ente immer schmeckt.

Auch von den Klößen nehme ich mir bloß einen und nur einen kleinen Löffel voll Rotkraut. Mein Magen fühlt sich wie zugeschnürt an. Ich zwinge mir trotzdem ein paar Bissen runter, spüle mit einem Schluck Rotwein nach und fange von vorn an. Unterdessen hat Last Christmas begonnen. Eine schmalzige Popversion vom sowieso schon schmalzigen Original.

Ich lege meine Gabel beiseite und klammere mich ans Glas. Die anderen unterhalten sich miteinander, doch ich höre nicht richtig hin. Ich kann nur noch an Meilo denken, sehe in meiner Vorstellung, wie er in seinem Hotelzimmer sitzt, allein und traurig. Ich drehe noch durch!
 

Plötzlich vibriert es in meiner Hose. Mein Handy! Das muss er sein!

Ich stoße beinahe das Glas um, als ich hektisch in meine Hosentasche greife. "Musst du jetzt telefonieren?", fragt mich mein Vater.

"Das ist Meilo", erkläre ich und stehe auf, ehe ich abhebe.

"Sag ihm einen schönen Gruß!", ruft meine Schwester mir nach.

"Von uns auch!", trällert Mama.

Ich nicke abwesend und verlasse die Küche. "Meilo?"

/Hallo Nic. Ich störe euch hoffentlich nicht?/

"Du störst nie", flüstere ich und laufe ins Wohnzimmer. Der Baum leuchtet schon und die Geschenke liegen auch schon parat. Ich lasse mich auf die Couch fallen. "Warst du bis eben noch arbeiten?", frage ich ihn.

/Nicht ganz. Ich bin noch schnell unter die Dusche./

"Ach so." Das beruhigt mich. "Und? Was machst du?"

/Im Bett liegen und mir dir telefonieren/, lacht er.

Ich fange an zu kichern. "Sag bloß." Es ist schön, dass Meilo sich so fröhlich anhört. Das hat er die letzten Tage nicht getan. Wahrscheinlich lag es doch am Arbeitsstress und meine Sorgen waren unbegründet. Was aber nichts daran ändert, dass mein Liebling während der Feiertage immer noch allein ist. "Eigentlich meinte ich, wie du den Abend verbringst, wenn wir nicht miteinander telefonieren", ergänze ich meine Frage.

/Wir telefonieren nicht den ganzen Abend miteinander?/ Oller Scherzbold.

"Leider nicht. Meine Eltern scharren bestimmt schon mit den Füßen. Wir sind gerade beim Essen."

/Dann habe ich doch gestört/, sagt Meilo erschrocken.

"Hast du nicht", beruhige ich ihn. "Das Essen ist nicht wichtig." Hunger habe ich ja eh nicht.

/Sag das nicht. Ich würde jetzt so gern bei meiner Familie sein. Genieße es./ Und wieder wird mir das Herz schwer.

"Hast du denn wenigstens gutes Essen?", möchte ich von ihm wissen. Eigentlich will ich mich mit der Frage selbst ablenken, weil mir ein dicker Kloß im Hals wächst. Fuck!

/Ja/, antwortet er mir. /Es gab geräucherten Seelachs mit Gemüse und einen leckeren Nachtisch./

"Hört sich gut an." Ehrlich gesagt, habe ich gar nicht richtig gehört, was er gesagt hat. Irgendwas mit Lachs, aber ich kann mich auch irren.

/War es auch. Und jetzt überlege ich, ob ich nochmal raus gehe./

"Raus?" Ich höre wieder genauer hin. "Du willst nochmal weg?" Wo will er denn hin? Und mit wem? Doch nicht mit dem Knilch, oder? "Allein?"

/Nicht allein/, schmunzelt er. /Ein paar von der Band wollen heute Abend München erkunden. Mal sehen, ob ich mitgehe. Wäre sicher schön. Es ist alles so ruhig da draußen. Das erlebt man sicher nicht oft./

"Ja. Kann sein", murmle ich. Ich werde neidisch. Ich will auch mit Meilo durch das weihnachtliche München ziehen. Aber wenn er mit den Typen der Band loszieht, ist er wenigstens nicht allein. "Mach das doch. Besser, als in der Bude zu hocken."

/Vielleicht/, gähnt er. /Eigentlich ist mir viel mehr nach im Bett liegen und Fernsehen gucken. Ich weiß noch nicht. Vorher will ich sowieso noch bei meinen Eltern anrufen. Das dauert meist ziemlich lange./ Meilo schmunzelt leise. Eine leichte Gänsehaut rinnt über meinen Rücken.

"Bevor du dich entscheidest, meldest du dich nochmal bei mir?"

/Mach ich/, verspricht er mir.

"Gut. Dann werde ich wieder rüber zu meinen drei Heiligen gehen, und die Reste der Ente verputzen."

/Tu das. Bis nachher./

"Bis dann. Liebe dich."

/Ich dich auch, Sweety./ Aufgelegt.

Ich atme laut aus und stecke das Handy zurück in meine Hosentasche. Ein, zwei Minuten bleibe ich noch auf der Couch sitzen, ehe ich aufstehe und wieder rüber in die Küche schlurfe. "Da bist du ja wieder", begrüßt mich meine Mutter. "Alles wartet nur auf dich."

"Ich will endlich meinen Nachtisch!", jammert Nicole.

Genervt lasse ich mich an meinen Platz fallen und nehme die Gabel in die Hand. "Darf ich noch meine Ente essen?", frage ich und piekse in ein Stück Fleisch. Nicoles Blick spricht Bände.
 

Nachdem auch der Nachtisch endlich heruntergewürgt ist, scheucht meine Mutter uns ins Wohnzimmer. Nicole kann es gar nicht mehr erwarten. Sie hat sich ein neues Handy gewünscht, und will endlich wissen, ob meine Eltern ihr auch eins gekauft haben. Wie ich informiert bin, haben sie das auch. Papa hat herumgemosert, weil das Teil schweineteuer war, aber Mama hat ihn wie immer herumbekommen. "Es ist doch nur einmal im Jahr Weihnachten", sagte sie. Recht hat sie.

Da ich mir nichts vom lieben Weihnachtsmann gewünscht habe (außer, dass Meilo in einem der Päckchen steckt, was eher unwahrscheinlich ist), plumpse ich teilnahmslos auf die Couch. Mama hat schon die Kamera hervorgekramt und scheucht Nicole vom Baum weg, weil sie ihn zuerst fotografieren möchte.

Ich verdrehe die Augen. Der sieht doch jedes Jahr gleich aus. Nur die Geschenke werden von mal zu mal kleiner. Man hat ja auch alles, und je älter man wird, desto weniger wünscht man sich. Und selbst Nicoles Handy, das zwar ein großes Teil ist, ist verpackt nicht viel größer als eine Zuckerdose.

Nicole zappelt wie blöde vor dem Baum herum. Mama hat anscheinend genug Bilder geschossen, doch so schnell darf mein Schwesterlein noch nicht an die Geschenke. Erst wird wieder die Weihnachtsstimmung hochgejagt, und das Radio angeschaltet. Als jedoch AC/DC aus den Lautsprechern dröhnt, fange ich an zu lachen.

"Niclas! Warst du das?"

"Sorry", kichere ich. "Hatte wohl vergessen auf Radio umzuschalten." Pure Lüge. Den Spaß gönne ich mir jedes Jahr. Und wie jedes Jahr braucht meine Mutter eine Weile, bis sie den Knopf fürs Radio gefunden, und die Lautstärke wieder runtergedreht hat. Aber leider hält meine Schadenfreude darüber nicht sehr lange an. Kaum ist AC/DC aus, hat mich der diesjährige Weihnachtsblues, den ich schon den ganzen Tag in mir spüre, voll im Griff.
 

Alls alles wieder fröhlich-weihnachtlich ist, und Mama ihren Radiosender eingestellt hat, darf Nicole ran. Ihrem Spürsinn sei Dank, erwischt sie sofort das richtige Päckchen. Wie ein zuckersüchtiger Weihnachtstroll reißt sie das schöne goldene Geschenkpapier auf und fängt an zu fiepsen. "Oh Danke!", ruft sie uns zappelt wie ein fliegendes Rentier.

"Isses denn auch das Richtige?", knurrt Papa, der neben mir sitzt.

"Ja!" Meine Schwester macht sich umgehend daran, den Karton zu öffnen. "Ich hänge es gleich an die Steckdose!"

"Moment mal, junge Dame." Uh! Mama gebraucht das Wort junge Dame. "Erst werden noch die anderen Geschenke verteilt."

"Och Mama." Nicole zieht einen Schmollmund.

"Nichts och Mama." Da ist meine Mutter streng.

Nicole legt sichtlich ungern ihr neues Spielzeug weg und schnappt sich das nächste Geschenk. "Das ist für Papa", verkündet sie und bringt es ihm eilig.

"Für mich? Ich will doch nichts." Alle Jahre wieder ...

"Mach schon auf! Das ist von mir", beschwert sich mein Schwesterherz. Na da muss mein Vater es ja annehmen.

Gewissenhaft pfriemelt er die Klebefilmstreifen ab, was Nicole jedes Mal halb wahnsinnig macht. Als er es endlich offen hat, schaue auch ich neugierig, was meine Schwester ihm geschenkt hat. "Was ist denn das?", fragt er Stirnrunzelnd, und auch mir will sich der Sinn des Geschenks nicht genau erschließen.

"Das ist für deine Schlipse", sagt Nicole. "Du beschwerst dich doch immer, dass du nie den richtigen Schlips findest, weil sie alle an einem Bügel hängen. So kannst du sie hier an die Harken hängen und das ganze Teil kann man ganz einfach an der Innenseite der Schranktür einhängen."

"Ach wie praktisch", staunt meine Mutter und untersucht das Schlips-Halterding genauer. "Wie raffiniert." Sehr raffiniert. Diese Harken für die Tür gibt es inzwischen überall, aber ich sag nichts.
 

So geht die Geschenkeverteilerei weiter.

Für meine Mutter habe ich ein Buch von Guido Maria Kretschmer. Weil sie total auf Shopping Queen abfährt. Zusätzlich dazu noch einen Gutschein vom Gärtner. Sowas kann sie immer gebrauchen. Mein Vater hat von mir einen neuen Jahreskalender mit Sportwagenmotiven bekommen (den schenke ich ihm immer für die Arbeit, hat sich irgendwann so eingebürgert) und dazu noch neues Baumaterial für sein Hobby: Modelautos bauen. Diesmal einen Geländewagen, worüber er sich riesig freut.

Tja, und für mein Schwesterherz ... Drei Mal dürft ihr raten. "Wo hast du das denn her?", fragt sie mich und schnappt nach Luft.

"Hast du vergessen, dass ich an der Quelle sitze?", grinse ich.

"Nein, aber ... Oh Gott!" Sie quietscht laut.

"Was ist das denn?" Neugierig schielt meine Mutter auf die DVD in Nicoles Händen.

"Das ist eine Demo-DVD von der Überraschungstour von Keith", erkläre ich. "Meilo hat die gesamte Band unterschreiben lassen und das neue Musikvideo ist auch drauf."

"Das mit Jared?", japst Nicole. Ich nicke murrend. Nur nicht an Jared denken, diesen Arsch! Wobei mir einfällt, dass ich Meilo noch gar nicht gefragt habe, wie der Typ heute drauf war. "Wie geil! Danke!" Nicole umarmt mich. "Oh stimmt ja! Meilo ist ja gleich im Fernsehen!" Jetzt schon? Ich schaue auf die Uhr. Tatsächlich! Kurz vor halb sieben.
 

Meine Mutter schaltet das Radio aus und den Fernseher dafür an. "Das gab es auch noch nie, dass wir am heiligen Abend in die Glotze geschaut haben", kommentiert mein Vater.

"Das heute ist was anderes. Unser Schwiegersohn in Spee ist im Fernsehen." Hm ... Schwiegersohn. Wenn meine Mutter wüsste, wie nah dran sie mit der Schwiegersohn Sache ist ...

"Genau!", gibt Nicole Mama recht und quetscht sich dann zwischen mich und Papa.

"Das heißt, wenn ich nicht mit Meilo ins Bett gehen würde, würden wir das gar nicht gucken?", feixe ich.

"Niclas!" Ein strafender Blick von meiner Mutter.

"Was denn? Ist doch so." Ich lache mir eins ins Fäustchen. Aber nicht für lange. Meine Gedanken schweifen ab. Natürlich zu Meilo.

Während Nicole auf Aufnahme drückt (war ja klar!), starre ich zwar auf den Bildschirm, sehe aber nicht wirklich hin. Von Keith ist sowieso noch nichts zu sehen, und wer weiß, wann er auftritt. "Kannst du Meilo fragen, nach wem er dran war?" Meine Schwester sieht mich mit Hundeaugen an.

"Meilo pennt", lüge ich. "Er ist total KO."

"Ach so." Zwar würde ich Meilo jetzt schon gern anrufen, aber mit diesem Zeug will ich ihn nicht belästigen. "Du Mama?" Nicole tippt gegen den Arm meiner Mutter.

"Ja?"

"Da liegen noch Geschenke unterm Baum." Unsere Köpfe rucken Richtung Weihnachtsbaum. Da unsere Geschenke verteilende Fee zwischen mir und Papa eingeklemmt auf der Couch sitzt, muss meine Mutter nun ran.

Im Hintergrund läuft die TV-Show weiter. Wenn Meilo auftaucht, werden wir es also bemerken.

"Das hier ist für Meilo", sagt meine Mutter und reicht mir das kleine Päckchen. "Von dir?" Sie schaut Nicole an.

"Jepp."

"Wieder ein Armband?", foppe ich sie.

"Nein." Sie guckt mich böse an. "Außerdem hat es ihm gefallen."

"Bin ja schon ruhig."

"Gibst du es ihm?"

"Mache ich." Ich lege es beiseite. Bin ja mal gespannt, was da drinnen ist.

"Und hier sind noch drei", ächzt meine Mutter und krabbelt dabei halb unter dem Baum. "Alle für dich." Damit meint sie mich. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich noch gar nichts überreicht bekommen habe.

"War ja klar, dass meine Geschenke ganz hinten versteckt sind", schmolle ich.

"Heul nicht. Mach auf." Huh! Danke meine liebe Mutter! Ist sie nicht freundlich?

Zuerst mache ich das auf, was genauso eingepackt ist wie Meilos Geschenk. Demnach ist es von Nicole. Ich mache es wie sie und reiße das Papier runter, ehe ich es ganz akkurat auf ihren Schoß lege. Grummelnd schnippst sie es auf den Boden. Ich weiß schon, wer morgen den Papiermüll raustragen darf.

Nachdem das Geschenkpapier ab ist, drehe ich den Inhalt rätselnd in meinen Händen. Eine weiße, nichtssagende Plastikverpackung. Mama reicht mir eine Schere, mit der ich sie aufschneiden kann.

Doch etwas neugierig geworden, spähe ich hinein. "Eine Hülle für mein Handy?", frage ich verwirrt.

"Du musst drauf gucken, was hinten abgebildet ist", weißt meine Schwester mich an.

Also ziehe ich das kleine Silikonding aus der Plastikverpackung und "Wie hast du denn das hinbekommen?", lache ich.

"Was ist da drauf?" Mama verrenkt sich fast den Hals, um ebenfalls einen Blick riskieren zu dürfen. Auch Papa beugt sich zu mir.

"Ich und Meilo." Ich zeige es den beiden.

"Das ist ja schön!", meint Mama und schon hat sie es in ihren Händen.

"Sag schon! Woher hast du das Bild?" Es ist genau das Bild, dass Meilo und ich bei unserem ersten Date gemacht haben. Das Eis-Reklame Bild.

"Ich habe Meilo gefragt, ob er ein schönes Bild von euch hat, und er hat mir genau das geschickt", klärt sie das Rätsel auf.

"Das ist ja cool. Danke." Ich freue mich wirklich über das Geschenk. Dafür bekommt sie von mir auch eine feste Umarmung. "Ich mach's nachher gleich an mein Handy."

"Vorher machst du aber noch unser Geschenk auf", fordert meine Mutter mich auf und übergibt mir einen Umschlag. "Das ist für dich und Meilo zusammen."

"Soll ich es jetzt schon aufmachen?"

"Ja!", ruft Nicole aufgeregt. "Mach auf!"

Ich werfe ihr skeptische Blicke zu. "Du weißt schon, was da drinnen ist, oder?"

Sie nickt. "Aber ich hab's noch nicht gesehen." Meine fiese Ader kommt mal wieder zum Vorschein, und ich überlege, den Umschlag doch erst zusammen mit Meilo zu öffnen, verwerfe die Überlegung jedoch wieder. Ich will selbst wissen, was da drinnen ist.

Zuerst ziehe ich die Karte aus dem roten Umschlag. Vorn ist ein kleines Häuschen drauf, das aussieht, als habe es ein volltrunkener Popart-Künstler gemalt. Darunter steht "Alles gute zum Einzug?"

"Eine andere hatten sie nicht", grummelt meine Mutter. "Sieh nach, was drinnen steht." Ich tue wie geheißen. Ich falte kaum die Karte auf, da flattert mir zwei Scheinchen entgegen. Zwei dicke rosa Scheinchen.

"Mama! Papa!" Ich bin platt und schnappe nach Luft. "Das könnt ihr doch nicht tun!"

"Wir waren das nicht", grinst meine Mutter fröhlich. "Das war der Weihnachtsmann. Der hat bestimmt von eurem Wunsch gehört, gemeinsam ein Haus zu kaufen."

"Ha ha, sehr witzig." Das gibt's doch nicht! "Das kann ich unmöglich annehmen. Und Meilo würde das sicher auch nicht tun." Hundert pro nicht.

Ich pflücke die Scheine, die inzwischen Nicole genausten begutachtet, aus den Händen und halte sie meiner Mutter hin. Sie schüttelt mit dem Kopf. "Nun nimm schon!"

"Nein."

"Gut, dann eben du Papa. Nimm das Geld."

"Das ist nicht mir", sagt er unbeeindruckt. "Ich will's nicht." Na das ist doch ...!

"Das könnt ihr doch nicht tun!", rufe ich.

"Wieso denn nicht?", fragt mich meine Mutter.

"Ich habe euch seit Kilians Rausschmiss ständig auf der Tasche gelegen."

"Und?"

"Und?", schnaube ich. "Eigentlich müsste ich euch Geld in einen Umschlag stecken!"

"Die paar Euro", winkt mein Vater ab. "Nimm jetzt das Geld und pack es weg. Ihr zwei werdet es noch gebrauchen können. Glaube mir."

Ich glaube nicht, dass ich das jetzt sage, aber "Meilo hat genug Geld! Wir brauchen euer Erspartes nicht!" Meilo würde das genauso sehen.

Ich schiebe die beiden Scheine wieder in den Umschlag und halte sie meiner Mutter hin, doch sie wehrt meine Hand ab. "Nichts da! Macht damit was ihr wollt. Spart es für euer Haus oder fackelt es ab. Aber wir nehmen es nicht zurück." Ich knirsche mit den Zähnen. Diese beiden Sturköpfe!

"Gib's mir!", gackert Nicole.

"Dann fackle ich es lieber ab", blaffe ich sie an. Meine Schwester zieht ein betrübtes Gesicht. "Na gut", murmle ich. "Dann behalte ich es erstmal und warte ab, was Meilo dazu sagt."

Meine Mutter grinst siegessicher. Darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!
 

Vorsichtig lege ich den Umschlag auf den Tisch. "Da ist doch noch ein Geschenk", erinnert Nicole. "Das blaue Päckchen."

"Ach ja!" Mama greift nach besagtem Päckchen. "Von Meilo." Feierlich überreicht sie es mir.

"Von Meilo?"

"Ja. Das war vorgestern in der Post." Mein Herz schlägt schneller, doch dann fühle ich mich auf der Stelle mies. Warum bin ich nicht auch auf die Idee mit der Post gekommen? Mein Geschenk für Meilo liegt noch in meinem Zimmer, dabei hätte ich es ihm auch ins Hotel schicken können. Dann hätte er wenigstens ein wenig Weihnachten gehabt. Ich Idiot!

Mit steifen Fingern nehme ich es entgegen und lege es auf meinen Schoß. "Ich sollte es noch nicht aufmachen", überlege ich laut.

"Wieso nicht?", will Nicole wissen.

"Wegen Meilo. Er ist nicht hier." Ich will es von mir schieben, doch meine Mutter legt seine Hand auf meine.

"Mach es auf. Er hat es dir extra geschickt, damit du es heute noch bekommst."

"Ich weiß nicht ..."

"Los! Sonst mach ich es", kichert Nicole.

Ich atme tief ein. "Na schön." Ich löse vorsichtig den ersten Klebestreifen, und als wäre es geplant gewesen, erscheint plötzlich Meilo auf dem Fernseher. Oder besser gesagt, Keith.

Nicole dreht sofort lauter. "Wie passend", grinst meine Mutter. Mir ist das Grinsen vergangen.

Meine Finger, die auf dem Päckchen liegen, fühlen sich noch steifer an. In den Augenwinkeln sehe ich, wie ein laut umjubelter Keith sich auf die Couch des Moderators setzt und seinen Fans zuwinkt. Er lächelt, sieht glücklich aus. Alles nur gespielt. Das erkenne ich auf den ersten Blick. Mein Herz fühlt sich tonnenschwer an und ich habe das Gefühl, gleich zu ersticken. Die Sehnsucht packt mich so fest, dass ich meinen Ohren nicht traue, aber: "Ich muss zu ihm", flüstere ich.

"Was?" Mama dreht ihren Kopf zu mir, schielt aber weiter auf den Bildschirm.

"Ich muss zu Meilo", wiederhole ich, lauter diesmal.

"Wann? Jetzt?"

"Ja!" Ich stehe auf und umklammere das Päckchen. Prompt habe ich die volle Aufmerksamkeit meiner Familie.

"Du willst jetzt nach München fahren?" Mein Vater sieht mich an, als wäre ich bekloppt, was ich augenscheinlich auch bin. "Du wirst die halbe Nacht unterwegs sein."

"Ich weiß", antworte ich hektisch und drücke mich an meiner Mutter vorbei.

"Und was ist mit morgen? Was soll ich deiner Oma sagen?", fragt sie mich aufgebracht.

"Sag ihr, dass ich nicht kann, weil ich bei dem Mann bin, den ich liebe", grinse ich breit und eile aus dem Wohnzimmer.

"Niclas!" Ich höre nicht mehr auf meine Mutter und rase in mein Zimmer. Ich muss ein paar Sachen zusammenpacken! Das Geschenk für Meilo darf ich auch nicht vergessen. Mein Navi! Wo ist mein Navi!? Und wie war nochmal der Name des Hotels? Ich brauche den Straßennamen. Den muss ich erst noch im Internet raussuchen.

Ich wirble durch mein Zimmer, schalte im Vorbeigehen meinen Laptop an, um den Straßennamen rauszusuchen. Während er hochfährt, werfe ich ein paar Klamotten in meine Reisetasche. Kleidung für zwei, drei Tage reicht dicke.

Es klopft an meiner Tür. "Niclas?" Nicole.

"Jetzt nicht!" Als ob sie das aufhalten würde. Hat es noch nie, und tut es heute auch nicht.

"Vergiss nicht mein Geschenk. Gibst du es ihm?" Sie hält mir das kleine Päckchen hin, das sie für Meilo vorgesehen hat.

"Ach so. Ja. Leg es in meine Tasche."

"Ist gut."

"Ist es zerbrechlich?"

"Nö."

"Fein." Ich laufe rüber zu meinem Laptop, der inzwischen hochgefahren ist. Hektisch suche ich alles zusammen, was ich für mein Navi brauche.

"Ich finde es gut, dass du fährst", höre ich Nicole hinter mir sagen. "Wenn ich Meilo wäre, wäre ich nicht gern über Weihnachten allein in einem Hotel."

"Das ist sicher keiner", antworte ich ihr schleppend, während ich auf den Bildschirm starre. Da ist es ja! Schnell schreibe ich die Adresse ab und stecke den Zettel in meine Hosentasche.

"Papa ist sauer", sagt meine Schwester, als ich an ihr vorbei stürme. Wo war mein Navi nochmal?

"Mir egal", brumme ich und durchforste meine Reisetasche. Ich hatte es hier drinnen gelassen, glaube ich ...

"Willst du nicht Meilos Geschenk weiter auspacken?"

"Nein. Das mache ich, wenn ich bei ihm bin."

"Ich wüsste ja zu gern, was drinnen ist ..."

"Das willst du doch bei allem wissen, was verpackt ist. Ah! Da ist es ja!" Das Navi ist aufgetaucht. Ich schalte es an und lass es schon mal den Satelliten suchen.

"Fährst du gleich los?"

"Ja."

"Na gut", seufzt Nicole. "Dann sag Meilo einen lieben Gruß von mir."

"Werde ich machen." Sie lächelt mich schmal an. Erst glaube ich, sie will mich fragen, ob sie mit darf, doch dann wünscht sie mir eine gute Fahrt und verlässt mein Zimmer wieder. Verstehe einer Frauen!
 

Als ich mir relativ sicher bin, nichts vergessen zu haben, schnappe ich mir die Tasche sowie mein Geschenk für Meilo, und trete aus meinem Zimmer.

"Niclas?" Meine Mutter kommt aus der Küche geschossen. Sie hält eine Thermoskanne in der Hand. "Ich habe dir Kaffee gekocht. Für die Fahrt."

"Danke ..." Ich klemme sie mir unter den Arm. "Nicole hat gesagt, Papa sei sauer, weil ich fahre."

Mama verdreht die Augen. "Er ist nur brummig, weil du morgen nicht mitfährst. Der beruhigt sich schon wieder."

"Ich würde wirklich gern mit zu Oma, aber Meilo ..."

"Ist dir wichtiger", beendet sie meinen Satz.

"Ja", nicke ich.

"Das ist doch verständlich. Mich hat es sowieso gewundert, dass du nicht schon früher los bist." Sie grinst mich schief an.

Verblüfft ziehe ich die Stirn kraus. "Du hast das hier kommen sehen?"

"Irgendwie schon, ja." Was soll man dazu noch sagen? Sie kennt mich eben doch besser, als ich dachte. "Fahr vorsichtig. Versprich mir das. Und ruf an, wenn du angekommen bist. Hinterlasse einfach eine Nachricht auf den Anrufbeantworter."

"Mach ich", verspreche ich ihr und drücke sie an mich. "Grüße morgen alle lieb und sag ihnen frohe Weihnachten von mir."

"Werde ich tun."

Ich schlüpfe in meine Jacke, stecke den Kaffee in die Tasche und verlasse die Wohnung. Draußen lege ich alles auf den Beifahrersitz meines Autos. Die Scheiben sind gefroren. Ich starte den Wagen, damit der schon mal warm laufen kann, und kratze schnell die Scheiben frei. Als ich freie Sicht habe, setze ich mich in den Wagen, stecke das Navi in die Halterung und das Handy an die Freisprecheinrichtung. Meilo wollte sich ja nochmal melden. "Dann kann es jetzt ja losgehen", sage ich zu mir selbst und fahre rückwärts vom Hof.

Kurz fällt mein Blick rüber zu Ed und Ingos Wohnung. In einem der Fenster brennt schwaches Licht. Wie jedes Jahr verbringen die beiden die Feiertage in trauter Zweisamkeit, bis sie am zweiten Feiertag ihre Familien abklappern. "Schöne Weihnachten euch", grinse ich und gebe Gas.
 

Bevor ich auf die Autobahn abbiege, fahre ich nochmal schnell einen Schlenker und düse zur nächsten Tankstelle. Mein Tank ist zwar noch halb voll, aber auf den Autobahnraststätten ist der Sprit meist etwas teurer.

Ich habe Glück. Die Tankstelle hat noch offen. Vollgetankt ist schnell. Eilig schlittere ich in den Tankshop und krame den passenden Betrag aus meinem Geldbeutel. "Nummer drei", sage ich dem Typen hinter der Theke und lege das Geld hin.

"Danke und frohe Weihnachten."

"Ihnen auch", erwidere ich, drehe mich um und laufe wieder auf den Ausgang zu. Dann allerdings, werde ich auf ein furchtbares Dekostück im Schaufenster aufmerksam. Ein kleiner Plastikbaum, etwa 50 cm groß, mit einer bunten Lichterkette und kleinen roten Plastikkugeln. In mir reift eine Idee.

Ich bleibe stehen und drehe mich wieder zu dem Typen um. "Entschuldigen Sie? Ist der zu verkaufen?" Ich zeige auf die Geschmacklosigkeit in bunt.

"Hm … weiß nich", schnarrt der Kerl. "Was würden Sie dafür zahlen?"

"Einen Zwanziger?", biete ich.

"Näh! Unter 'nem Fuffi geht da nix."

"Fünfzig Euro?!" Ich schnappe nach Luft. "Nicht mehr wie fünfundzwanzig."

"Fünfundvierzig."

"Dreißig."

"Vierzig."

"Zwanzig", gehe ich wieder runter.

"Ey! So geht das nich", beschwert sich der Tankstellentyp, grinst aber.

"Komm schon Mann", flehe ich und versuche Mitleid bei ihm zu erwecken. "Mein süßes Häschen sitzt ganz allein in einem Hotelzimmer und wartet auf mich. Ich wollte uns ein bisschen Weihnachtsstimmung zaubern. Du weißt schon."

Mein Gegenüber grinst süffisant. "Süßes Häschen, hm?" Ich nicke. "Is sie scharf?"

"Sau scharf", grinse ich zurück.

"So so ... Gut. Fünfunddreißig. Aber weniger geht nich!"

"Abgemacht!"

Während der Typ den Baum vom Strom nimmt und mir aus der Deko holt, schnappe ich mir noch ein rotes Geschenkband und lege es neben die Kasse. Alles bezahlt, schleppe ich den Baum zum Auto, stelle ihn vorne in den Fußraum, gucke, dass er nicht umfallen kann, und mache mich wieder auf den Weg. Eine lange Fahrt liegt noch vor mir.

Um mir die Fahrt etwas zu versüßen, schalte ich Meilos Demo-CD ein. Leise summe ich die Melodien mit und rausche auf der fast leeren Fahrbahn dahin. Hin und wieder halte ich an einer Raststätte, trinke ein paar Schlucke Kaffee, ehe ich weiterfahre. Und gerade, als ich wieder solch eine Kaffeepause hinter mir habe, und auf die Autobahn einbiege, klingelt mein Handy. Meilo!

"Hey du", melde ich mich per Freisprechanlage.

/Hallo Nic. Sorry, wurde etwas spät. Schläfst du schon?/

"Nein." Wäre auch schlecht, wenn ich es täte. "Und? Ziehst du nochmal mit deinen Bandkollegen los?" Es ist schon halb neun. Unwahrscheinlich, dass er jetzt nochmal das Hotel verlässt, nachdem er so viel schuften musste.

/Nein/, bestätigt er prompt meine Vermutung. /Die wollten alle eine Kneipe suchen, darauf hatte ich keine Lust./

"Kann ich verstehen."

/Ich bliebe viel lieber im Bett und rede mit dir ... Oder auch mehr./

"Sehr verlockend", kichere ich "Aber das geht jetzt schlecht."

/Sitzt du bei deiner Familie?/

"Nein, eher nicht."

Es wird kurz still in der Leitung. Dann /Bist du unterwegs?/

"Bin ich."

/Wohin fährst du denn jetzt noch? Zu Freunden?/

"So ungefähr", kichere ich. "Zu einem ganz speziellen Freund."

/Kenne ich ihn?/ Oh, oh. Da hört sich jemand nicht sehr begeistert an.

"Ja, du kennst ihn."

/Clem?/

"Nö."

/Ingo und Ed?/

"Ja. Genau. Ich fahre mit dem Auto zu meinen Nachbarn." Ich lache leise.

/... Henning und Heiko?/ Eins muss ich Meilo lassen. Kreativ in Antworten finden ist er heute ja, doch das Offensichtliche übersieht er.

"Die Richtung stimmt schon mal", antworte ich. "Bayern ist nicht verkehrt." Es raschelt und knackt in der Leitung. Hört sich an, als würde Meilo sich im Bett herumwälzen. "Meilo? Noch da?"

/Ja/, flüstert er. /Ich bin noch da./ Ich ahne, dass er langsam rafft, wohin ich fahre.

"Hast du die Lösung?", frage ich ihn daher.

/Ich weiß nicht/, erwidert er dünn. /Kann es sein, dass du ...?/

"Zu dir fährst?", lache ich, weil ich es einfach nicht mehr aushalte. "Ja, könnte sein. Sehr gut sogar."

Ein überraschtes Lachen ertönt. /Dein Ernst?/

"Aber sowas von!" Ich gebe noch mehr Gas. Kein Problem, denn immer noch ist alles frei und die Straße ist auch trocken. "In ein paar Stunden bin ich bei dir, mein Schatz. Und ich bringe ganz viele Geschenke zum Auspacken mit." Mal schauen, ob er auch das Richtige zuerst aufmacht ...
 

******
 

* Wer denkt dabei noch an einen gewissen Postboten? XD

Love bite 58 - Regenbogenbaum

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 58 - Regenbogenbaum (Ohne Adult)

Love bite 58 - Regenbogenbaum (Ohne Adult)
 

"Guten Morgen", japse ich und lehne mich erschöpft und todmüde gegen die Rezeption. Dabei klimpert der Plastikschmuck des kleinen Plastikbaumes in meinem Arm leise. "Ich wollte zu Herrn ... Großfels. Er ... erwartet mich." Scheiße! Ich bekomme kaum Luft! Ich sollte in meinem Alter nicht mehr so schnell rennen. Erst recht nicht um zwei Uhr nachts bei dieser Saukälte, die sich bei jedem angestrengten Atemzug in die Lunge brennt, wie ein eiskaltes Stück Eisen.

Die hochgewachsene Blondine hinter der Rezeption beäugt mich belustigt. Na vielen Dank auch! Es freut mich immer, wenn durch mein Leid andere zum Lachen gebracht werden. "Ihr Name bitte?", fragt sie mich.

"Ed Towing."

"Einen Moment bitte." Sie tippt auf ihrer Tastatur herum. "Sie können hoch gehen. Zimmer 324."

"Ich weiß schon. Danke." Ich raffe meinen Kram zusammen und marschiere klimpernd wie ein Kesselflicker los.

"Soll Ihnen jemand tragen helfen?"

"Nein, nein!" Bloß nicht! Ich will niemanden dabei haben, wenn ich endlich vor Meilo stehe. "Das schaffe ich schon." Die paar Meter sind ein Klacks nach dem Gerenne eben vom Parkplatz bis hier her.
 

Die Aufzugtür geht hinter mir zu. Stöhnend lehne ich mich gegen die Wand und drücke die Drei. Ich sause nach oben. Viel Zeit zum Verschnaufen bleibt mir nicht, bis sich die Türen wieder öffnen, und ich aus dem Aufzug treten kann.

Bepackt mit dem Baum und meiner Tasche, gehe ich auf die Suche nach Zimmer Nummer 324. Erst laufe ich in die verkehrte Richtung, bemerke es, und drehe wieder um. Dann habe ich Meilos Zimmer endlich gefunden.

Ungeduldig klopfe ich an. Es rumpelt hinter der Tür. Ein leiser Fluch. "Meilo? Alles okay?"

"Ja, ja", ächzt er. Die Tür geht auf. "Bin nur über meine Schuhe gestolpert. Nichts schlimmes also ehm ... Oh Nic! Ich glaub's nicht! Du bist wirklich hier."

"Überraschung kann ich jetzt schlecht sagen, oder?", lache ich.

"Weniger", grinst mein Liebster und macht die Tür ganz auf. "Komm schnell rein."

"Wenn du mal Platz machst. Ich habe heute Überbreite." Umständlich drängle ich mich durch die Zimmertür und klingle dabei immer noch wie der Weihnachtsmann höchst persönlich.

"Was hast du denn da?", fragt Meilo grinsend und zeigt auf den Baum.

"Sieht man das nicht? Einen wunderschönen Plastikbaum von der Tanke." Meilo schließt lachend die Tür. "Wenn du irgendwo eine Steckdose hast, stecke ich ihn dir rein." Ich blinzle ihn zweideutig an.

Meilo geht an mir vorbei, wirft mir lüsterne Blicke zu und leckt sich über die Unterlippe. "Im Schlafzimmer sind welche", meint er. "Wir stöpseln einfach eine der Lampen aus." Stöpseln? Im Schlafzimmer? War das eben eine Anspielung, oder klang das nur für meine Ohren versaut?

"Oki", trällere ich unschuldig und dackle ihm nach. Meine Tasche lege ich neben das Bett, während Meilo die Lampe vom Tisch nimmt.

"Stell ihn hier drauf." Gesagt, getan. Stecker rein und Schalter gedrückt, schon leuchtet das Bäumchen in allen bunten Regenbogenfarben, die gegen die Wand und die nahegelegenen Möbel geworfen werden.

"Ein Regenbogenbaum", gluckse ich. Wie passend.

Meilo nimmt mich in den Arm. "Ich habe noch nie einen so hübsch-hässlichen Weihnachtsbaum gesehen."

"Danke", brumme ich und schiebe meine Unterlippe vor.

"Hm ... Wenn du schmollst, bist du immer so verflucht sexy", schnurrt mein Schatz und fängt meine Lippen ein. Auf diese Begrüßung habe ich schon sehnlichst gewartet.

Ich lege ebenfalls meine Arme um ihn, kraule über seinen Rücken und presse mich gegen seinen wundervoll warmen und festen Körper. "Frohe Weihnachten", wispere ich gegen Meilos Lippen und schaue ihm tief in die grünen Augen.

"Ich denke, die werde ich wirklich haben, jetzt, wo du da bist."

"Mir geht es genauso. Der heutige Tag war furchtbar. Alles war so ... glanzlos." Ein trübes, leeres Weihnachten, obwohl es doch eigentlich wie jedes Jahr war. Mit einer Ausnahme natürlich. Und die wog so schwer, dass ich den heutigen Tag einfach nicht genießen konnte. Doch jetzt ist alles wieder gut. Jetzt bin ich bei meinem Meilo. Dadurch wird sogar der Tankstellenbaum so kostbar wie eine drei Meter hohe Edeltanne.
 

Wir schmusen noch ein wenig miteinander, bis ich mich von meinem Schatz löse und die Tasche öffne. "Ich ziehe mir schnell was Bequemes an und dann gibt es Bescherung", grinse ich.

"Hast du meins schon aufgemacht?", fragt Meilo und macht es sich auf dem Bett bequem.

"Halb. Bevor ich das Papier ganz abmachen konnte, hatte ich den Entschluss gefasst, zu dir zu fahren." Meine Kleidung fliegt. Im Nullkommanichts stehe ich nur mit Shorts und Shirt bekleidet da, und klettere zu Meilo, der mir die Decke hochhält, damit ich drunter ins Warme schlüpfen kann. Die Geschenke habe ich vorher auf die Bettdecke gelegt.

"Mach dein Geschenk zuerst auf, wenn du schon angefangen hast", meint Meilo und tippt auf das halb aufgerissene Päckchen.

"Okay." Ich ziehe es auf meinen Schoß. Diesmal freue ich mich richtig, es aufzumachen und reiße wie ein kleines, aufgeregtes Kind am Geschenkpapier.

"Hätte ich gewusst, dass du heute kommst, hätte ich mir das Porto auch sparen können", kichert Meilo und legt seinen Arm um meine Schultern.

"Tja. Selbst schuld." Ich verpasse ihm einen Schmatz auf die Wange und mache mich dran, mein Geschenk genauer zu begutachten.

Es handelt sich um eine kleine Holzkiste. Sie ist mit einem kleinen Scharnier versehen, das ich aufschiebe und den Deckel danach nach oben klappe. Ein Zettel liegt darin. Darunter muss auch etwas sein, doch das wird von dem Stück Papier verdeckt. Noch. Ich klaube es aus der Kiste. "Ein Apfel und ein Kugelschreiber?", frage ich perplex und schaue Meilo verwirrt an.

"Lies den Zettel", schmunzelt er. Na gut, dann lese ich eben den Zettel.

"Hebe den Kugelschreiber gut auf. Du wirst ihn für dein richtiges Weihnachtsgeschenk noch brauchen", steht darauf. Schlauer bin ich dadurch noch immer nicht und was es mit dem Apfel auf sich hat, weiß ich ebenfalls nicht.

Ich lege den Zettel beiseite und nehme den Stift in die Hand. Er sieht teuer aus, aber sonst ist nichts Ungewöhnliches dran. "Du verstehst es schon wieder nicht, hm?"

"Was verstehe ich nicht? Das du mir einen Stift schenkst?"

"Nicht das mit dem Stift", winkt er ab. "Das erkläre ich dir gleich. Ich meinte den Apfel."

"Du schenkst mir einen Apfel an Weihnachten. Sehr nostalgisch." Fehlen nur noch Mandarinen und Walnüsse.

Meilo verdreht die Augen und schnappt sich den kleinen Apfel. Ehe ich mich versehe, beißt er auch schon rein. "Hey! Das ist mein Geschenk." Ich will danach greifen, doch Meilo dreht sich weg. Frechheit!

Höchst skeptisch schaue ich ihm dabei zu, wie er immer wieder in den Apfel beißt, nachschaut, und wieder hinein beißt. Was soll das? Als er anscheinend genug vom Apfelbeißen hat, hält er ihn mir vor die Nase. "Soll ich jetzt, oder ...?"

"Nein du Dussel! Schau ihn dir an!", lacht er.

Ich schaue ihn mir wie befohlen an. "Das sieht aus wie ein Herz", stelle ich fest. "Aber was soll ..." Und plötzlich fällt es mir wieder ein. "Love bite!"

"Er hat es!", jubelt Meilo und wirft die Hände in die Luft. "Du erinnerst dich noch daran."

"Tue ich", lache ich leicht peinlich berührt. Wie konnte ich das anfangs vergessen? Ich angle mir den Apfel aus Meilos Händen und beiße auch ein Stück ab. Natürlich neben dem herzförmigen Bissen. "Lecker", schmatze ich. "Aber was ist jetzt mit dem Kugelschreiber?"

"Für den zweiten Teil deines Geschenkes, den ich dir überreichen wollte, wenn wir uns wiedersehen. Also: Bitte sehr", erklärt mein Schatz und zaubert einen Umschlag hervor, den er heimlich neben sich deponiert haben muss, als ich nicht hingesehen habe.

"Was ist das?"

"Öffne ihn, und du wirst es wissen." Der Apfel wandert zurück ins Kästchen.

Gespannt öffne ich die Lasche des Umschlags und ziehe den Inhalt heraus.

"Gutschein für ein halbes Haus ... Was?" Ein halbes Haus? Meint er etwa das Haus, dass wir uns kaufen wollen? Ist er verrückt geworden?! "Was soll das?", möchte ich umgehend wissen, obwohl ich die Antwort schon längst kenne.

"Na den Stift brauchst du für die Unterschrift, wenn ..."

"Das meine ich nicht!", unterbreche ich ihn. "Du sollst mir kein halbes Haus schenken!"

"Du willst das Ganze? Hm ... Na schön. Wenn du magst. Aber ich dachte, wir wollen es gemeinsam ..."

"Nein! Ich will auch kein ganzes Haus!" Himmel noch eins! Ist das so schwer zu verstehen? "Ich werde mir ganz sicher von dir kein halbes Haus schenken lassen!" Ich drücke den Umschlag samt Inhalt in Meilos Hände. Ich komme mir total überrumpelt vor. "So läuft das nicht, mein Lieber."

Meilo atmet tief ein und faltet das Stück Papier sorgfältig zusammen. "Ich hatte so gehofft, dass du dich darüber freuen würdest." Ich gebe ein unwilliges Brummen von mir. Wie kann er auch nur glauben, ich würde mich darüber freuen? "Warum fühlst du dich so unwohl dabei?"

"Weil ich auch etwas beisteuern möchte. Nein! Nicht etwas. Ich will, dass wir komplett gleichberechtigt an die Sache gehen." Ich schaue Meilo ernst an. "Verstehst du das?"

Er denkt kurz nach, nickt dann anschließend. "Klar verstehe ich das. Aber wenn du das jetzt nicht annimmst, stehe ich ohne Weihnachtsgeschenk für dich da."

"Und was ist mit dem Apfel?", frage ich und lächle schmal, doch Meilo findet das nicht so lustig.

"Ach Nic!", seufzt er. "Jetzt verstehst du mich nicht." Er klappt den Deckel des Holzkästchens zu und stellt es neben sich auf den schmalen Nachttisch. Den Umschlag legt er auf den flachen Deckel.

"Dann erkläre es mir", bitte ich ihn. "Warum sollte ich mir deiner Meinung nach von dir ein halbes Haus schenken lasen?" Mit verschränkten Armen schaue ich ihn aufmerksam an.

Meilo erwidert den Blick. So ernst habe ich ihn selten gesehen. "Weil ich dich liebe", antwortet er mir. Ich muss schlucken. "Und weil ich dich glücklich machen möchte. Nur aus diesem einfachen Grund." Ich hole Luft und will zu einem Gegenwort ansetzen, doch mir fällt keine ein. Meilos Arm verschwindet von meinen Schultern. Er rappelt sich auf und kniet sich neben mich. Meine Hände werden von seinen ergriffen. "Nic, ich liebe dich. Und ich möchte, dass du ohne schlechtes Gewissen mit mir ein gemeinsames Leben beginnen kannst, ganz ohne Finanzierungsplan, Darlehen und langen Gesprächen mit einem Bankheini. Ich will, dass wir glücklich werden."

"Das will ich doch auch", seufze ich. "Aber ich fühle mich schlecht dabei." Ich komme da einfach nicht aus meiner Haut.

"Nic? Würde es dir helfen, wenn ich dir sage, dass das Geld fürs Haus von meiner Plattenfirma kommt?"

Ich lege den Kopf schief. Glaubt er etwa mich damit wieder herumzubekommen? So wie mit der Pizza letztens? "Ein Haus ist keine Pizza, Meilo", grummle ich daher.

"Zum Glück! Sonst würdest du ständig daran herumknabbern." Meilo grinst breit. Ich strecke ihm die Zunge raus, was ihn nur noch mehr zum Lachen bringt.

"Mal ernsthaft jetzt", meckere ich.

"Ich bin ernst."

"Das sehe ich."

Meilos Lachen endet abrupt. Er schafft es sogar, mich mit bitter ernster Miene anzuschauen. Vom Popsänger zum Schauspieler scheint es wirklich kein allzu großer Sprung zu sein. "Gut", sagt er im sachlichen Tonfall. "Dann werde ich jetzt mal ernst."

"Da bin ich aber mal gespannt", gluckse ich. Wenn Meilo so tut, als wolle er erst drein gucken, kann ich auf keinen Fall ernst bleiben.

"Wenn du mein Geschenk nicht annimmst, werde ich nicht für das Haus bieten." Langsam sinken meine Mundwinkel nach unten.

"Was?", krächze ich.

"Du hast mich verstanden. Kein Haus, solange du nicht ja hierzu sagst." Er nickt mit dem Kopf zu dem Umschlag.

"Du veralberst mich!"

"Tue ich nicht." Er guckt immer noch ernst drein. "Du denkst bei der ganzen Sache gerade nämlich nur an dich, aber an das, was ich will, denkst du dabei gar nicht."

"Das stimmt doch gar nicht!"

"Natürlich stimmt das!", blafft er mich an. Ich bin so erschrocken darüber, dass ich ihn nur stumm anstarren kann. "Genieße es doch einfach", spricht er mit ruhiger Stimme weiter. "Denk nicht über diesen ganzen Finanzierungskram nach, hör auf dir Gedanken zu machen, dass du nicht viel zum Haus beisteuern kannst. Denk doch endlich mal darüber nach, wie schön es werden wird, wenn wir dort zusammen wohnen." Flehend sieht er mich an.

"Aber das tue ich doch", verteidige ich mich kleinlaut.

"Das tust du nicht. Du bist ständig nur dabei vom Geld zu reden, was überhaupt nicht nötig ist, weil ich das Haus schon längst gekauft habe."*

Ich blinzle ein paar Mal. "Du hast was?" Ich muss mich eben verhört haben! Ja, ganz sicher!

"Das Haus gehört bereits mir", flüstert er und sieht mich beinahe ängstlich an, während ich das Gefühl habe, Stück für Stück auseinander zu bröseln.
 

Ungläubig schüttle ich schwach den Kopf, halte wieder inne und suche nach Worten. "Du lügst mich an", sage ich leise. Meilo verneint. "Aber du kannst es gar nicht gekauft haben, weil es doch erst noch versteigert werden soll."

"Die Versteigerung wurde zurückgezogen."

"Wann?"

"Ein paar Tage nachdem wir es besichtigt hatten. Irgendwas stimmte mit dem Startgebot nicht und bevor eine neue Versteigerung angesetzt werden konnte, bat ich die Maklerin, dem Hausbesitzer mein ganz persönliches Angebot zu unterbreiten." Ich sehe das Glitzern in Meilos Augen. Sehe, wie seine Mundwinkel zucken. Doch mir ist ganz und gar nicht nach lachen zumute.

Mal ganz abgesehen davon, dass ich mir nicht sicher bin, ob das ganz legal war, was Meilo da getan hat: "Warum hat du mir das verschwiegen?!", frage ich ihn wütend.

"Ich wollte dich überraschen." Er zuckt mit den Schultern. "Dein Weihnachtsgeschenk. Ich wollte es dir sagen, nachdem du mir nach dem Öffnen des Umschlags freudestrahlend um den Hals gefallen wärst." Abermals schüttle ich fassungslos den Kopf. Das kann er doch nicht tun! Er kann nicht einfach so ein Haus kaufen, mir nichts davon sagen, und mir dann auch noch die Hälfte davon schenken!

"Du hast sie doch nicht mehr alle", japse ich. "Das kannst du doch nicht ... Du hast ... Wie kannst du ... War das überhaupt ...?"

"Nic? Geht es dir nicht gut?"

Ich greife mir an die Stirn. "Das ist mir gerade alles zu viel", murmle ich. "Immer überrumpelst du mich."

"Immer? Wann habe ich dich jemals überrumpelt?"

Meine Hand, die eben noch auf meiner Stirn lag, fällt schwer auf mein Bein. "Zum Beispiel bei unserem ersten Mal, oder als ich erkannte, dass du Keith Kandyce bist und du mir im selben Atemzug eine gesungene Liebeserklärung gemacht hast. Mit der Verlobung hast du mich auch quasi vor vollendete Tatsachen gestellt, und jetzt das", zähle ich einige der vergangenen Überraschungen auf, die er mir schon beschert hat.

"Das tut mir leid", sagt er. "Ich hatte nie vor dich zu überrumpeln. Aber du musst zugeben, das ging alles gut aus. Selbst die Keith Kandyce Geschichte." Meilos Blick wird ganz weich, was mein Herz zum Rasen bringt. Mit seinem Hündchenblick bekommt er mich immer. "Bist du jetzt sauer auf mich?" Ich ringe mit mir. Auch wenn ich gern sauer auf ihn wäre, ich kann es nicht, was nicht an seinem Blick liegt. Nicht nur. Kann sein, dass ich bloß zu müde bin, um sauer zu sein, aber allmählich fühle ich, wie der aufgebaute Druck in mir abnimmt. Erst jetzt bemerke ich, dass er überhaupt da war.

Meilo hat das Haus schon gekauft. Komme was wolle, wir werden dort einziehen. Und das zu wissen, nimmt mir all dem zuvor entstandenen Druck, wo auch immer der herkam.

"Nicht wirklich", antworte ich ihm und meine es auch so.

"Ja?"

Ich nicke und fange an zu grinsen. "Wir haben also das Haus? Es gehört uns?"

"Noch gehört es nur mir, aber ich warte nur darauf, dich mit ins Grundbuch eintragen zu lassen." Die Härchen in meinem Nacken stellen sich auf. Was für eine Vorstellung! "Sag schon ja", fleht er leise und klettert auf meinen Schoß. Seine Hände streicheln über meinen Bauch. "Komm schon. Ein kleines, einfaches Wörtchen."

Ich gerate arg ins Schwanken. Wie gesagt, eigentlich ist das Kind ja schon in den Brunnen gefallen. "Du zwingst mich ja quasi dazu", sage ich schließlich.

"Also ja?" Meilo wirkt ganz aufgeregt.

Ich seufze und mustere Meilos Gesicht, das noch kräftiger strahlt, als der kitschige Weihnachtsbaum rechts neben uns. Noch einmal entkommt mir ein leises Seufzen, dann nicke ich. "Ja. Ja, ich nehme dein Geschenk an."

"Na endlich!", japst er glucksend und zieht mich an sich. "Mehr wollte ich doch gar nicht. Mit meinem heißgeliebten Sweetheart in unser gemeinsames Haus ziehen." Ich lächle gegen seine Schulter. Irgendwie fühle ich mich immer noch leicht überfahren, dennoch bin auch ich glücklich. Einmal die Entscheidung getroffen, ist es plötzlich ganz einfach. Wir haben ein Haus!
 

Wir halten uns noch eine Weile lang in den Armen, doch dann werde ich kribbelig. Meilo hat noch gar nicht mein Geschenk ausgepackt!

Ich schäle mich aus seiner Umarmung und ziehe es zu uns heran. "Es hat nicht so viel gekostet, wie ein Haus", erkläre ich, als ich es ihm überreiche "aber du kannst sicher etwas damit anfangen."

"Bestimmt", lächelt er und fängt an die Geschenkverpackung aufzureißen.

Die Verkäuferin hat es mir in eine stabile Box eingepackt, die zusätzlich mit Papier ausgepolstert ist. So habe ich es auch gelassen, als ich es mit dem Geschenkpapier verpackt habe. Es raschelt, als Meilo es aus dem Papier holt.

"Ein Metronom?" Er grinst verblüfft.

"Ein antikes Metronom", ergänze ich. "Ich hatte es bei einem Antikhändler gesehen und musste sofort an dich denken."

"Für meinen Flügel?"

Ich nicke. "Es funktioniert auch. Ich hoffe, du hast so eins nicht schon?"

"Nur ein Elektronisches", antwortet er mir. "Aber nicht so ein Schönes." Ich bin erleichtert. Es gefällt ihm. "Das kommt in unserer Wohnung gleich zum Einsatz. Danke!" Behutsam legt er das Metronom wieder zurück und küsst mich liebevoll. "Vielen Dank. Jetzt muss ich erst recht an dich denken, wenn ich Musik mache."

"Das war auch mein Plan gewesen", schmunzle ich und hole mir noch einen Kuss ab.

"Und was ist das da noch?" Meilo zeigt auf das kleine Päckchen von Nicole. Das hätte ich jetzt wieder vergessen!

"Das ist von meiner Schwester. Mit herzlichen Grüßen an dich."

"Das ist ja lieb", lächelt mein Schatz und macht es auf. Ich schaue ihm neugierig dabei zu, weil ich selbst gespannt bin, was darin ist. Doch als ich die Verpackung unter dem Geschenkpapier sehe, kann ich mir schon denken, was es ist. Nämlich das Gleiche, das sie mir geschenkt hat. Und tatsächlich. Eine Handyhülle mit dem selben Foto hinten drauf wie bei meiner.

"Dafür hat sie also das Bild gewollt", lacht er. "Und ich dachte, sie will es für dein Geschenk."

"Hat sie auch", sage ich. "Ich habe auch eine Hülle für mein Handy. Sie liegt allerdings noch Zuhause."

"Wie cool. Dann können wir im Partnerlook miteinander Telefonieren", grinst mich mein Liebling an.

"Na ja", säusle ich. "Das müssen wir bald doch gar nicht mehr."

"Du willst nicht mehr mit mir telefonieren?"

"Was? Doch! Ich meinte wegen deines Jobs. Natürlich telefonieren wir noch miteinander. Nur eben nicht mehr so viel." Meilo grinst frech, was bedeutet, ich habe mich gerade völlig unnötig um Kopf und Kragen geredet. Doch ich bin zu müde, um Meilo noch einen schlagfertigen Kommentar aufzudrücken.

Also schnappe ich mir Nicoles Geschenk, sowie alles andere, das auf dem Bett verteilt herumliegt, und lege es ordentlich beiseite. Danach knipse ich alle Lichter, bis auf die des Tankstellenbaumes aus, und kuschle mich in die Kissen. "Kommt jetzt der gemütliche Teil?", frag mich Meilo.

"Hmhm. Der Schlafteil." Ich bin wirklich hundemüde. "Lass uns später weiter quatschen, ja?", gähne ich.

"Gute Idee." Meilo legt sich ebenfalls hin und zieht mich an sich.

Eigentlich wollte ich ihn noch so viel fragen, und noch viel mehr mit ihm herumschmusen, aber ich bin viel zu kaputt von der langen Fahrt und der späten Stunde. Das hat alles noch Zeit bis nachher, deswegen rücke ich näher an meinen Liebsten ran, schließe die Augen und dämmere müde aber glücklich in den Schlaf.
 

***
 

"Oh Nic!", schnauft Meilo, nachdem er seine Worte wiedergefunden hat.

"Merry Christmas mein Liebling", kichere ich, lasse ihn los und beuge mich hinab zu ihm, um ihm einen Kuss zu verpassen. "Na? Immer noch Hunger?"

Meilo lächelt schief. "Im Moment ... nicht", sagt er. Das heißt dann wohl, das Mittagessen wird hiermit verschoben.

"Das war die richtige Antwort. Dafür bekommst du einen Bonus."

"Einen Bonus?" Ich nicke und lege mich neben ihn. "Was für einen?"

"Wenn du willst, mich. Nackt, eingeschäumt und feucht unter der Dusche." Ich bin mir nicht sicher, ob der Glanz in Meilos Augen noch von seinem kürzlich erlebten Orgasmus herrührt, oder von den Bildern in seinem Kopf, wie ich unter der Dusche stehe. Wie dem auch sei, ich steige aus dem Bett und halte auf das angrenzende Badezimmer zu. Ich habe es noch gar nicht betreten, da höre ich auch schon, wie Meilo aus dem Bett stolpert.

Ha! Ich weiß eben, wie ich ihn aus dem Bett bekomme. Meilo sollte sich an mir mal ein Beispiel nehmen. ... Oder besser auch nicht. Es reicht, wenn ich ihn mit Erotik-Fantasien manipuliere, den davon habe ich meist schon selbst genug. Vorerst reicht es, wenn ich Meilo damit unter die Dusche bekomme, weil, ich gebe es ungern zu, ich verspüre allmählich auch ein leichtes Hungergefühl.
 

Nach einer ausgiebigen Dusche und anschließendem Klamottenhervorkramen (nicht nur ich musste in meiner Tasche nach etwas zum Anziehen suchen, auch Meilo, der wie immer nicht ausgepackt hat), schlenderten wir hinab zum Hotelrestaurant. Dort war es erschreckend leer, was nach kurzer Überlegung allerdings nicht verwunderlich ist. An Weihnachten sieht wohl jeder zu, dass er bei seiner Familie ist, oder so wie ich, bei seinem Liebsten.

An einem netten, abseits gelegenen Plätzchen, machten wir es uns letztlich bequem.

Dort sitzen wir immer noch, haben fast aufgegessen und genießen die Stille im Hotel. Bloß ein Typ der gewaltig nach Geschäftsmann aussieht, teilt mit uns den Raum. Er beachtet und gar nicht, sondern schlürft seinen Kaffee und stiert beinahe die ganze Zeit über auf sein Smartphone.

"Möchtest du noch einen Nachtisch?" Ich schüttle den Kopf und lege das Besteck auf den leeren Teller.

"Ich bin satt." Meilo lächelt mich an, scheint aber irgendwie durch mich hindurch zu blicken. "Was denn?", frage ich. Spinne ich, oder sieht er so aus, als läge ihm etwas auf der Seele?

Auch er legt sein Besteck weg und schiebt den Teller an den äußeren Tischrand. "Da gibt es was, das ich dir sagen muss", beginnt er in einem ernsten Tonfall. Mein Eindruck hat mich also nicht getäuscht.

"Und was? Ist irgendwas passiert?", frage ich mit leichter Besorgnis nach. Eigentlich kann es sich ja nur eins handeln: Keith.

"So gesehen ... ja." Meilo sieht mich an und schluckt hart. "Ich wollte es dir am Telefon nicht sagen und gestern war der Zeitpunkt auch schlecht dafür, und heute Morgen, na ja ..."

"Sag es schon!", fordere ich ihn auf. Sein Gedrugse macht mich noch verrückt!

"Gerd hat uns gesehen", platzt es aus Meilo.

"Was?" Ich runzle die Stirn. "Wie gesehen?"

"Als du bei mir in Berlin warst."

"Klar hat er uns gesehen. Wir waren ja auch zusammen beim Dreh", erwidere ich.

"Nicht dort. Als wir uns abends voneinander verabschiedet haben. Gerd war da." Geschockt schaue ich Meilo an. "Er wollte nochmal zu mir um mit mir reden."

"Und da hat er uns gesehen?"

Meilo nickt und mir wird schlecht. "Knutschend vor deinem Auto."

"Scheiße", hauche ich panisch. Wieso haben wir das nicht bemerkt? "Und jetzt? Hast du Ärger deswegen bekommen? Weiß die Plattenfirma davon?!" Mir kommt fast das Essen hoch. Warum waren wir nicht vorsichtiger?!

Ich glaube es nicht, aber Meilo schmunzelt leise. "Keine Panik Nic", versucht er mich doch tatsächlich zu beruhigen. "Ich habe ihm gesagt, dass du mir nur den Abend versüßt hast."

"Den Abend versüßt? Heißt das, du hast ihm gesagt ich sei ..."

"Ed Towing, mein ganz persönlicher, sagen wir, Freund für einsame Stunden."

"WAS?!" Hinter mir räuspert sich der einsame Geschäftsmann lautstark. Der kann mich mal! "Gerd weiß von meinem Pseudonym?"

"Natürlich weiß er davon." Ha! Natürlich! Warum frage ich eigentlich so blöd? Das gibt's doch nicht! "Irgendwie musste ich es ihm doch erklären."

"Und er glaubt, ich sei dein ... Lustknabe, oder was?"

"Bist du das nicht?", lacht er. Wie kann er da lachen?!

"Meilo!"

"Ist ja schon gut." Er grinst noch immer, dieser Idiot! "Ich konnte Gerd von der Lüge überzeugen, dass du nur eine Bettbekanntschaft bist. Auch ein Keith Kandyce hat Bedürfnisse", grinst Meilo.

"Und das glaubt er wirklich?"

"Ich hoffe." Schluck. "Doch selbst wenn nicht. Er muss uns erst das Gegenteil beweisen und das wird er in der kurzen Zeit kaum schaffen." Ich bin da nicht ganz so optimistisch wie er. Jetzt, wo er von mir weiß, wird er eins und eins zusammenzählen können, falls er auf den Trichter kommt, dass ich in Logans Verkleidung steckte.

"Was, wenn er plötzlich hier auftaucht und uns wieder sieht?" Meilo zuckt mit den Schultern.

Ich schnaufe ungehalten. "So what? Gerd kann mich mal. Es sind noch fünf Tage."

"In sechs Tagen kann 'ne Menge passieren." Ganze Beziehungen können in dieser Zeit zerbrechen. Leben ruiniert werden. Plattenfirmen am Rad drehen, weil ihr Goldesel einen Verlobten, und somit gegen den Vertrag verstoßen hat. Ich mag gar nicht weiter darüber nachdenken.

Meilo greift über den Tisch und nimmt meine Hand, die ich jedoch sofort wieder wegziehe. "Gerd könnte auftauchen", zische ich nervös doch Meilo lacht auf.

"Sicher nicht. Der ist Zuhause bei Kind und Kegel."

"Der hat Kinder?"

"Ja. Drei Stück." Die armen Balgen.

"Und wenn er jemanden auf dich angesetzt hat? Den Typ hinter mir zum Beispiel", flüstere ich und werde nur noch nervöser bei der Vorstellung.

"Jetzt werde mir ja nicht paranoid."

"Bin ich gar nicht!" Obwohl ...

"Nic", säuselt Meilo mir zu und greift wieder nach meiner Hand. Dieses Mal mit Erfolg. Er hält sie fest umschlossen, streichelt allerdings sanft über meinen Handrücken. "Niemand bespitzelt uns. Und selbst wenn, dass wir Händchen halten ist kein Verbrechen."

"Das zwar zum Glück nicht, aber ..."

"Nichts aber. Der Typ ist weder mit Gerd bekannt, noch einer seiner angeblichen Spitzel." Ich beiße mir auf die Unterlippe und schiele unauffällig zu dem Typen rüber. Er sitzt ganz ruhig da und schlürft seinen Kaffee während er immer noch auf seinem Smartphone, das neben seinem Teller liegt, herumtippt.

"Ja, du hast wahrscheinlich recht", gebe ich zu. "Aber nimm es mir nicht übel, dass ich bei deinem Job manchmal leicht paranoid werde."

Lachend sieht Meilo mich schief an. "Du glaubst paranoid zu werden? Was soll ich dann da sagen?" Auch wieder wahr.

"Okay", seufze ich und versuche den Gedanken zu ignorieren, dass hier überall Gerds Spione lauern könnten. "Vergessen wir das. Die paar Tage überstehen wir schon ohne großen Schaden."

"Meine Rede", grinst Meilo und lässt meine Hand los. "Da dass nun geklärt ist, was hältst du von einem schönen Schaufensterbummel durch München?"

"Hört sich gut an", erwidere ich und stehe ebenfalls auf. "Aber nur, wenn du mich warm hältst."

"Na ich weiß nicht." Meilo kräuselt die Nase.

"Was heißt hier, ich weiß nicht?"

Meilo läuft um den Tisch herum und legt seinen Arm um meine Schulter, ehe er mich hinaus aus dem Essenssaal führt. "Was, wenn Gerds Spione uns dabei erwischen", kichert er leise in mein Ohr.

"Darum werde ich mich schon kümmern", brumme ich, lasse dabei mir meine Fingerknöchel knacksen und mache ein bedrohliches Gesicht.

"Die armen Spione." Meilo lächelt mich frech an. "Langsam bekomme ich Mitleid mit ihnen." Oller Scherzbold.
 

******
 


 

* Fara: Moment mal Meilo! Du kannst doch jetzt nicht einfach sagen, dass du das Haus schon gekauft hast! O_O

Meilo: Doch kann ich. Weil ich es schon habe.

Fara: Aber so ist das von mir gar nicht geplant gewesen!

Meilo: Dann mach dir einen anderen Plan. Es ist passiert, also leb damit.

Fara: Ahhrg! Ich hasse es, wenn sowas passiert! ;_____;

Love bite 59 - Fest der Triebe

Hey. Dieses Kapitel wollte ich schon gestern hochladen, aber ich lag flach. Die Medis machen mich fertig -___- Helfen tun sie allerdings immer noch nicht richtig. Langsam hab ich die Nase echt voll.

Na ja. Wie auch immer, hier nun das nächste Kapitelchen.

Das nächste kommt dann zum Jahreswechsel. Wenn ich es nicht wieder verpenne xD

Eure Fara

Ach ja! Eure Reviews habe ich natürlich nicht vergessen. Im Urlaub fange ich mit meinen Antworten an. Versprochen ;-)
 


 

Love bite 59 - Fest der Triebe
 

Ich schließe kurz die Augen und atme tief die kühle Luft ein, ehe ich meinen Blick über die nur spärlich besuchte Stadt schweifen lasse, die im weihnachtlichen Licht erstrahlt.

Eigentlich bin ich gar nicht der Typ Mann, der sich von so etwas schnell beeindruckt zeigt, doch heute ist irgendwie alles anders. "Ist das schön hier", säusle ich sogar noch, als müsste ich auf diesem mit Weihnachtsglitzer überzogenen Puderzuckertag noch ein zuckersüßes Sahnehäubchen obendrauf setzen. Meilo nickt stumm, scheint jedoch auch zufrieden und entspannt.

Gemütlich schlendern wir an den geschlossenen Läden in Münchens Innenstadt vorbei. Unsere Hände, die sich umfasst halten, tief in der Seitentasche von Meilos Parkar verborgen, bummeln wir von Geschäft zu Geschäft. Hier und da bleiben wir mal stehen, schauen uns die noch weihnachtlich dekorierten Auslagen an, und laufen danach weiter. Es ist schön. Ruhig, friedlich und ganz ohne Zeitdruck. Himmlisch!
 

Ich bin so froh, dass ich mich gestern dazu entschlossen hatte, hier her zu kommen. Nicht nur, weil München eine wunderschöne Stadt ist und ich noch nie hier gewesen bin, sondern natürlich hauptsächlich wegen Meilo. Mit Sicherheit wäre ich spätestens heute Mittag verrückt geworden vor lauter Sehnsucht und Unruhe unter dem Wissen, dass er Weihnachten allein verbringen muss.

"Wenn ich mir vorstelle, jetzt eigentlich bei meiner Großmutter hocken zu müssen, meine gesamte Familie um mich herum, wird es mir ganz anders", murmle ich.

Meilo geht ein Stück langsamer und schaut mich kurz an. "Dir wird es anders, wenn du an deine Familie denkst? So schlimm ist deine Familie doch gar nicht."

"Ansichtssache", scherze ich. "Ich meine damit, weil du dann hier alleine wärst." Ist doch wohl klar!

Meilo schmunzelt und bleibt stehen. Ich renne fast in ihn hinein, da er sich vor mich schiebt und unvermittelt an seine Brust zieht. "Wie konnte ich das nur übersehen?", gluckst er und tupft mir einen Kuss auf die Lippen. Mehr! Leider bekomme ich nicht mehr von seinen Kusskünsten zu spüren, denn er zieht mich gleich darauf wieder weiter. Ist vielleicht auch besser so. Fest der Liebe schön und gut, doch wenn zwei Kerle an einem der heiligsten Feiertage in Münchens Altstadt herumknutschen und ihrer Liebe frönen, stößt das sicher so manchem sauer auf. Schade. Sehr, sehr schade ...

"Wollen wir langsam wieder zurück gehen?", möchte Meilo plötzlich wissen.

"Jetzt schon?"

"Du willst nicht?" Ich schüttle den Kopf. "Echt nicht?"

"Nein." Was hat er denn? "Warum sollte ich?"

"Na du beschwerst dich doch sonst immer, es sei zu kalt und dir tun vom vielen Laufen die Füße weh."

"Hm ..." Ich überlege. Eigentlich ist mir heute gar nicht kalt. Und meinen Füßen geht es auch hervorragend. Wirklich ein komischer Tag heute. Ein schöner, komischer Tag. An was das nur liegen mag? Oder sollte ich besser fragen: An wem? "Im Moment ist es mir ganz kuschelig warm", sage ich einfach nur, drücke mich dichter an Meilos Seite und grinse ihn an.

Er lächelt zurück, doch dann verschwindet sein Lächeln und er schaut irgendwie erschrocken an mir vorbei. "Ist was?", frage ich, folge seinem Blick, sehe aber nichts Ungewöhnliches.

"Shit", zischt Meilo. "Komm." Ich stolpere fast, so abrupt zieht mich Meilo vorwärts.

"Meilo! Was hast du denn?"

"Da sind ein paar meiner Bandkollegen", antwortet er mir gehetzt.

"Was? Wo?" Ich drehe den Kopf wieder in die Richtung, in die Meilo zuvor gestarrt hat.

"Nicht hinschauen!"

"Okay, okay." Himmel noch eins! Ade gemütliche Weihnachtsstimmung.

Wir schlittern in eine Seitenstraße hinein, doch kaum sind wir um die Ecke gebogen, bleibt Meilo stehen, sodass ich regelrecht in ihn hineinrenne. Schon wieder. "Verdammt!", fluche ich und starre sauer auf Meilos Rücken. Kannst du dich mal entscheiden, Meilo?

"Meilo!", ruft jemand vor uns. Oh oh. "Du hast dich ja doch noch rausgewagt." Ein mehrstimmiges Lachen, das von mindestens zwei Personen kommt.

Nervös schiele ich an Meilo vorbei uns ziehe vorsichtig meine Hand aus seiner Jackentasche. "Kann ja nicht die ganze Zeit über in meinem Zimmer hocken", sagt Meilo und lächelt verkniffen.

"Meine Rede! ... Und wen hast du da hinter dir versteckt?" Man hat mich entdeckt.

Notgedrungen trete ich hinter Meilo hervor. Meine Hand, die eben noch so warm und geborgen Meilos gehalten hat, fühlt sich unglaublich kalt und klamm an. "Das ist Niclas. Er ist ..."

"Ich bin ein Bekannter von Meilo", springe ich ein, da Meilo keine Ausrede parat zu haben scheint. "Ich war zufällig in der Stadt und dachte mir, besuche ich ihn doch mal." Hoffentlich nehmen Meilos Bandkollegen mir das ab.

"Das hat ja gut gepasst", grinst einer von den dreien jungen Männern, die vor uns stehen. "War sicher nicht leicht, ihn aus der Bude zu bekommen."

"Nein", lüge ich.

"Hauptsache, du hast es geschafft. Meilo ist in letzter Zeit immer so miesepetrig", meint ein Anderer. Soll ich raten, warum Meilo in letzter Zeit so miesepetrig sein soll? "Ich bin übrigens Chad. Und das hier sind Steven und Roddie."

"Hallo." Die drei scheinen ganz nett zu sein. Trotzdem sollte ich mich vorsehen, was ich sage. "Und wohin seit ihr unterwegs?", frage ich sie ganz unverfänglich.

"Wir suchen den Rest der Band. Ihr habt sie nicht zufällig gesehen?" Meilo und ich schütteln einträchtig den Kopf. Gesehen habe ich sie streng genommen ja wirklich nicht. "Schade. Die sind uns irgendwie verschütt gegangen."

"Wie kann denn sowas passieren?", möchte ich von Chad grinsend wissen.

"Sagen wir es so: Die Nacht war lang." Leises, dreckiges Gelächter. Da bin ich aber froh, dass Meilo nicht mitgegangen ist!

"Wie wäre es? Wollt ihr euch uns anschließen?" Roddie sieht uns fragend an.

"Äh ..."

"Wir können leider nicht", helfe ich Meilo erneut aus der Patsche. "Ich muss bald wieder los und Meilo wollte mich noch bis zu meinem Auto begleiten." Noch eine Lüge. Aber eine höchst effektive.

Die drei Bandkollegen von Meilo verabschieden sich von uns und laufen weiter, auf der Suche nach ihren verschütt gegangenen Freunden.
 

Meilo atmet tief durch und schaut ihnen nach. "Das ist noch mal gut gegangen", pustet er.

"Wieso auch nicht? Oder spitzeln die für Gerd?" Das sollte eigentlich bloß ein Scherz sein, aber er kam wohl nicht so rüber.

"Ich hoffe, sie erzählen ihm nichts", brummt mein Schatz.

"Meinst du, das tun die?" Meilo zuckt mit den Schultern. "Fuck!"

"Ach, das wird schon", winkt er ab und wechselt von besorgt auf optimistisch. Ein komischer Stimmungswechsel. "Ich bin nur erleichtert, dass sie nicht mehr über dich wissen wollten. Die Nacht schien für die Bande wirklich lang gewesen zu sein." Ein Lächeln huscht über Meilos Lippen. "Komm. Lass uns lieber wieder zum Hotel gehen, bevor uns der Rest meiner Band auch noch aufspürt."

"Ist gut", nicke ich und fummle meine Hand wieder in Meilos Jackentasche, wo sich unsere Finger sofort miteinander verhaken. "Erkunden wir eben andere Dinge, als Münchens Innenstadt", raune ich ihm dreckig grinsend zu. Noch ein Zwinkern in Meilos Richtung, schon lächelt mein Herzallerliebster bis über beide Ohren.
 

***
 

"Irgendwie schade, dass wir nicht noch mehr von München sehen konnten." Zurück im Hotel, kicke ich die Schuhe von den Füßen und schmeiße ich mich aufs Bett.

"Ein anderes Mal", verspricht Meilo mir. "Vielleicht im Frühjahr, oder im Sommer."

"Nicht im Winter?", feixe ich und drehe mich in seine Richtung. Mit der Handfläche klopfe ich auf die freie Seite des Bettes. "Ich liebe es immer so, wenn du mich warm hältst, während draußen der eisige Wind weht."

Meilo schmunzelt und steigt ebenfalls aus seinen Schuhen. "Tust du das?"

"Hm hm", nicke ich.

"Wenn dir kalt ist, decke dich doch mit der Bettdecke zu." Was?!

"Oh du ...!" Ich greife mir eins der Kissen und werfe es in Meilos Richtung. Der duckt sich aber und das Kissen fliegt genau auf unseren hübsch-hässlichen Plastikbaum zu. Er wird getroffen, schwankt und stürzt kopfüber vom Tischchen.

"Ey unser Baum!", beschwert sich Meilo lachend bei mir. "Was hat er dir nur getan?"

"Sehr witzig. Heb ihn auf."

"Muss ich?"

"Ja."

"Gut …"

Meilo bückt sich und "AH!" Das zuvor von mir geworfene Kissen kommt zurückgeflogen. Direkt in mein Gesicht. Meilo kringelt sich vor lachen. "Ja, ja! Immer noch sehr witzig!"

"Finde ich auch", gackert Meilo und klettert zu mir ins Bett.

Umgehend begräbt er mich unter sich. Meine Arme links und rechts neben mir auf die Matratze gepinnt, sieht er mich belustigt von oben herab an. Ich bin gefangen im Meilo-Käfig. Eine recht angenehme Sache, doch: "Erst den Baum aufheben", knurre ich.

"Zuerst will ich besagte Dinge erkunden, von denen du vorhin so verlockend gesprochen hast. Erst löst du dein Versprechen ein." Mein Versprechen?

"Ich habe dir gar nichts versprochen."

"Doch, hast du."

"Daran würde ich mich erinnern." Meilo guckt mich aus unergründlichen Augen an. Ich weiß, was das bedeutet. Nur zu gut …

Unsere Lippen finden sich binnen Sekunden. Magnetisch voneinander angezogen, könnte man auch sagen.

Verlangend und stürmisch küssen wir uns, wälzen uns miteinander im Bett, reiben uns aneinander und entledigen uns dabei nach und nach, mal hastig, mal langsam, unserer Kleidung.

Hände, die auf Wanderschaft gehen, feuchte Haut, die gegen andere feuchte Haut reibt. Wir sind wie in einem Rausch, sind süchtig nach dem anderen und können einfach nicht genug voneinander bekommen. Und als Meilo mich erobert, hallen unsere rauen und voller Lust geschwängerten Stimmen von den Wänden wider.
 

Erst nachdem wir völlig ausgepowert und nach Luft schnappend halb aufeinander liegen, das sanfte Wogen in unseren Körpern spüren, welches langsam abklingt, kehrt wieder Ruhe im Hotelzimmer ein. Jedenfalls so lange, bis mein Mund wieder Kontakt zu meinem Sprachzentrum aufgenommen hat.

"Heb den Baum ... auf", fordere ich postwendend Meilo erneut auf. Das ich mich überhaupt noch daran erinnern kann, verwundert mich im Übrigen selbst ein klein wenig. "Mach schon", sage ich nochmal mit mehr Nachdruck und Bocke leicht.

Meilo, der die Augen geschlossen hat, öffnet diese langsam und dreht den Kopf müde zu mir. "Nö", brummelt er, doch ich sehe, wie seine Mundwinkel zucken.

"Fauler Kerl", feixe ich und stehe auf. "Alles muss man selbst machen."

"Du hast ihn ja auch umgeschmissen", erinnert er mich, schnurrt dabei geschafft und rollt sich in Rückenlage.

"Du hättest aber auch mal ein Gentleman sein können, und ihn für mich aufheben können. Kaum ist man verlobt, gehen die Manieren flöten, oder was?" Sorgsam stelle ich das Bäumchen wieder an Ort und Stelle, und schalte ihn auf diesem Wege auch gleich an.

Hinter mir höre ich Meilo leise schmunzeln. Stoff raschelt und kaum male ich mir in Gedanken aus, was mein fauler Freund wohl vor hat, legen sich auch schon zwei Arme von hinten um mich und eine warme Wange schmiegt sich an meinen Rücken. "Komm wieder ins Bett", säuselt er sirenenartig und beginnt mit seinen Lippen an meiner Wirbelsäule nach unten zu fahren. Gänsehautalarm, jedoch stoppen sie Kurz vor dem Steißbein wieder.

"Weiter", schnurre ich deswegen heiser und wackle leicht mit dem Hintern. Meilos Lippen zucken, ehe sie sich ganz zurückziehen und mich enttäuscht knurren lassen, was sich dann allerdings in ein leises Japsen verwandelt, denn plötzlich bekomme ich, was ich eben eingefordert habe.

Seufzend halte ich mich am Tisch vor mir fest und lege den Kopf in den Nacken. Die Zunge taucht quälend langsam tiefer. Sehr viel tiefer ...

Ohne Vorwarnung werde ich auf einmal nach hinten gezogen. Ein spitzer Schrei entfleucht mir, als ich von Meilo zurück aufs Bett befördert werde. Dieser verrückte Kerl!

"Was soll das?!", lache ich und winde mich halbherzig in Meilos Klammergriff.

"Ins Bett mir dir habe ich gesagt", lautet seine Antwort, die er vehement in die Tat umsetzt, indem er mich in die Bettdecke wickelt. Bewegungsunfähig liege ich auf der Seite, Meilo halb auf, halb hinter mir. Über die Schulter hinweg grinst er mich überlegen an. "Meins", haucht er und beißt mir verspielt in die Schulter. "Alles, alles meins ..." Mein Bauch fängt Feuer.

"Davon träumst du", kichere ich kurz danach spaßeshalber.

"Jede Nacht, wenn du nicht bei mir bist." Und wieder kribbelt es in meinem Unterleib. Meilos Augen mustern mich dabei intensiv.

Ich lächle milde, befreie unter einiger Anstrengung meinen rechten Arm und lege die Hand auf Meilos Wange. "Es sind nur noch vier Nächte, die wir voneinander getrennt sind", sage ich. "Wenn ich mich nicht verrechnet habe." Viel mehr dürften es aber nicht sein.

"Was für ein Glück!", gluckst mein Schatz und strahlt mich happy an.

"Oh ja", sage ich nicht weniger glücklich.

Lippen landen auf meinen. Meilo fummelt sich mit unter die Bettdecke, schmiegt sich von hinten an mich und schiebt einen Arm unter meine Schultern.
 

So aneinandergekuschelt spielen wir gegenseitig träge mit unseren Fingern und schauen ihnen dabei zu. "Wie machen wir das eigentlich an Silvester? Möchtest du mit ins Studio kommen?", fragt Meilo mich nach einer Weile.

"Du meinst, Backstage?" Meilo nickt. "Willst du unbedingt, dass ich mitkomme?" Um ehrlich zu sein, habe ich keine große Lust darauf, im Hinterstübchens eines hektischen Fernsehstudios herumzuhocken, während Meilo seinen Auftritt absolviert. Ich kann jetzt schon die fragenden Blicke auf mir fühlen, die mir dort sicherlich begegnen werden.

"Nur wenn du willst", meint er zu mir. "Du kannst auch in meiner Wohnung warten. Bis zum Jahreswechsel gehört sie ja noch mir."

"Und du kommst dann nach der Show zu mir?" Meilo nickt. "So ist es bestimmt am einfachsten", denke ich laut nach. "Mal sehen. Dass können wir ja spontan entscheiden. Hauptsache, ich bin bis zum Jahreswechsel bei dir."

Meilo beißt sich grinsend auf die Unterlippe. "Für den Neujahrskuss?"

"Wofür den sonst?" Ist doch wohl logisch. "Schließlich sollst du der Erste sein, den ich im neuen Jahr küsse."

"Der Erste?" Ich nicke. "Wen willst du denn sonst noch küssen?" Meilo macht ein ernstes Gesicht.

"Niemanden", beruhige ich ihn. "Aber ich wollte es nur mal angemerkt haben."

Meilo legt den Kopf schief und stippt mir mit dem Zeigefinger auf die Nase. Ich kräusle sie und strecke ihm die Zunge heraus, was ihn leicht lächeln lässt. "Versprich mir, dass du nie wieder jemand anderen küsst", flüstert er.

Ich runzle die Stirn. "Niemals wieder? Auch nicht meine Mutter?"

"Du weißt, wie ich das meine", brummt mein Herzallerliebster. "Keine verlangenden Neujahrsküsse, außer für mich."

"Versprochen, du Spinner", lache ich. "Und wie sieht es mit deinem Versprechen aus?", frage ich ihn. "Dass wir nach deinem letzten Auftritt Berlin unsicher machen?"

"Das machen wir auf jeden Fall", lacht Meilo. "Meine Freiheit muss schließlich gefeiert werden." Das sehe ich ganz genauso.

"Ich freue mich schon so", seufze ich und kuschle mich noch dichter an meinen Schatz. "Das wird toll."

"Hmhm", brummt es neben mir. "Wann kommst du eigentlich? Morgens schon?"

"Leider nicht. Ich arbeite bis zwölf. Erst dann kann ich nach Berlin fahren." Da ich Clem auf die Idee mit der Reise als Weihnachtsgeschenk für Kilian gebracht habe, muss ich nun auch für ihn einspringen. Außerdem schulde ich es ihm auch. So oft, wie er für mich in die Presche gesprungen ist, weil ich unbedingt zu Meilo wollte.

"Dann sehen wir uns vielleicht ja noch kurz. Ich muss erst am späten Nachmittag zum Studio."

"Cool. Also begrüßen und verabschieden in einem?"

"So in etwa", schmunzelt Meilo und auch ich lache leise. "Schade, dass wir nicht zusammen den Countdown runterzählen können." Das müssen wir wohl oder übel auf das nächste Jahr verschieben.

"Das wird schlecht möglich sein. Es sei denn, du kommst mit ins Studio und ich schleiche mich irgendwie zu dir."

"Ginge das? Kannst du einfach so von der Bühne verschwinden?" Ich drehe meinen Kopf zu Meilo.

"Könnte gut sein. Mein Auftritt dürfte zum Jahreswechsel schon vorüber sein."

"Ergo, dein Vertrag wird damit erfüllt sein", schlussfolgere ich.

"Genau. Danach gehöre ich ganz exklusiv dir."

"Dazu musst du aber erst noch bei mir unterschreiben", wende ich ein.

"Du hast den Vertrag schon aufgesetzt?", lacht mein Schatz.

"Schon lange", antworte ich.

"Wenn das so ist, kann ich das Aufgebot ja schon bestellen. Wie fändest du eine Hochzeit im Frühling?" Er nun wieder.

"Du hast wohl zu viel Glühwein inhaliert", schnaube ich.

Meilo schmiegt sich lachend fester an mich und sieht mich amüsiert an. Sein Zeigefinger beginnt, kleine Kringel auf meiner Brust zu zeichnen. "Selbst wenn", säuselt er "hat das nichts mit dem Alkohol zu tun. Wenn, dann bin ich betrunken vor Liebe."

Meine Augenbrauen zucken nach oben, dann bricht es aus mir. Laut lachend schüttle ich den Kopf. "Sag nie wieder so etwas Kitschiges zu mir", gackere ich. Trunken vor Liebe! Ich brech ab!

Während ich mich weiter halb totlache, guckt Meilo leicht pikiert auf mich nieder. "Was ist daran so lustig? Das ist doch nicht kitschig."

"Doch, ist es." Irgendwie süß, aber eben kitschig. "Guck nicht so beleidigt", kichere ich und rapple mich auf. Meilo tut noch eine Spur beleidigter und schiebt sogar seine Unterlippe ein Stück vor. "Kindskopf", flüstere ich grinsend und lege meine linke Hand in seinen Nacken. Ihn küssend ziehe ich ihn wieder mit mir runter, bis er schräg auf mir zum Liegen kommt. Meine andere Hand findet ebenfalls ihren Weg in Meilos Nacken. Zärtlich lasse ich dort meine Finger über die Haut wandern.
 

Schnell wird unser Kuss verlangender. Meilo schnappt nach meiner Zunge, saugt sie in seinen Mund und fordert sie zu einem kleinen Duell heraus, welches ich natürlich annehme. Meilos Schoß beginnt sich in langsamen Kreisen gegen meinen rechten Oberschenkel zu reiben.

In meinem Unterleib prickelt es warm. Deshalb drehe ich mich ganz zu Meilo herum, schlinge mein oberstes Bein um seine Hüfte und intensivere unseren Körperkontakt, ahme eindeutige Bewegungen nach.

Hände greifen nach meinem Hintern und plötzlich liege ich auf dem Rücken, Meilo thront abermals über mir. Stöhnend biege ich mich ihm entgegen und löse unseren Kuss, um einatmen zu können. "Schon außer Atmen?", feixt er.

"Das müsstest du doch am besten wissen. So oft, wie du ihn mir raubst."

Meilo leckt sich über die Lippen, grinst dabei und bekommt dieses ganz spezielle Glitzern in den Augen, das er immer hat, wenn er sich dazu entschließt, mich zu ärgern. "Sag doch nicht sowas Kitschiges." Da haben wir es.

"Das war nicht kitschig", erwidere ich. "Sondern die pure Wahrheit."

"Ist es das?"

"Hmhm."

"Hoffentlich erstickst du mir nicht irgendwann. Gleich mal Mund-zu-Mund-Beatmung üben." Seufzend schließe ich die Augen. Eigentlich versteht man unter Mund-zu-Mund-Beatmung ja was ganz anderes, als das, was Meilo gerade bei mir übt. Diese Art Wiederbelebung würde nur klappen, wenn er ein Prinz, und ich ein verwunschenes Irgendwas wäre, fürchte ich. Trotzdem muss ich zugeben, der Kuss weckt doch schon so einiges in und an mir ...
 

"Meilooo!" Harte Schläge auf die Hotelzimmertür.

Meilo und ich zucken erschrocken auseinander, schauen erst uns perplex an, dann Richtung Tür. "Meiheiiiilo!", ruft jemand von jenseits der Tür.

"Um Himmels Willen", zische ich. "Was ist den jetzt kaputt?" Meilo ist schon aufgestanden und sucht fluchend nach seiner Hose, während der Störenfried immer wieder laut und fest gegen die Tür Hämmert. Was für ein Irrer ist das denn? "Weißt du, wer das ist?"

"Jared", antwortet Meilo trocken.

"Was?" Jared soll da vor unserem Hotelzimmer herumrandalieren? "Was hat der hier zu suchen?", will ich wissen. Skeptisch beobachte ich Meilo dabei, wie er in seine Hose steigt.

Er zieht die Stirn kraus und schließt den Reißverschluss. "Bestimmt wegen gestern", meint er.

"Wie, wegen gestern? Was ist denn gestern vorgefallen?" Eventuell hört sich meine Frage gerade ein wenig zu panisch an, doch da ich schon selbst mitbekommen habe, wie Jared sein kann, ist das nur allzu verständlich. "Hat er dich wieder belästigt?" Eindringlich mustere ich Meilo, der erstaunlicherweise ziemlich gelassen wirkt. Noch, wie ich befürchte.

"Er hat auf der Bühne wieder ein paar seiner Annäherungsversuche gestartet."

"Was hat er?!" Oh dieser kleine Mistratte!

"Reg dich nicht auf. Hinterher habe ich ihn ordentlich zurechtgestutzt."

Ich knirsche mit den Zähnen und frage mich, warum ich davon gestern im Fernsehen nichts mitbekommen habe. "Der kann es einfach nicht lassen." Wenn ich nur daran denke, wie er mit seinen Klebefingern an Meilo herumkrabbelt ... Zorn brandet in mir auf. "Diese miese Kröte", knurre ich und stehe ebenfalls auf, um nach meiner Hose zu suchen.

"Was hast du vor?", fragt Meilo mich mit großen Augen.

"Was ich vorhabe? Nach was sieht es denn aus? Ich verpasse dieser kleinen Schmalzkröte mal einen gehörigen Einlauf!" Einfach meinen Mann anbaggern! Wo sind wir denn?!
 

Ich schlüpfe hastig in meinen Pullover und mache mich auf den Weg hinaus aus dem Schlafzimmer, aber Meilo hält mich am Arm fest. "Ich regle das", sagt er. "Du kannst nicht zu ihm raus." Erst will ich sauer protestieren, doch dann begreife ich, auch wenn es mir nicht passt. Es wäre taktisch höchst unklug, mich jetzt vor Jared zu präsentieren. Er wird sich sicher fragen wer ich bin, und was ich in Meilos Hotelzimmer zu suchen habe. Vielleicht würde er mich sogar als Logan wiedererkennen, und das kann ich auf keinen Fall riskieren. Nicht so kurz vor dem Ziel.

Ich sammle mich deshalb notgedrungen, atme tief durch, trete zur Seite und lasse Meilo an mir vorbei schreiten. "Aber sobald diese Kröte meint, dich belästigen zu müssen, komme ich, und lege ihn übers Knie." Meilo grinst schelmisch, und ich kann mir auch denken wieso. Hundert pro stellt er sich das von mir beschriebene Szenario bildlich vor.

Er beugt sich zu mir, drückt mir einen Kuss auf die Stirn und zwinkert mir zu. "Das ist lieb", meint er "aber Jared schaffe ich auch alleine."

"Das werden wir sehen", murmle ich, als Meilo um die Ecke ist, und mich nicht mehr hören kann.
 

Ich bleibe neben dem Türrahmen des Schlafzimmers stehen, verschränke die Arme vor der Brust und lausche hinaus in den kleinen Flur. Jared klopft immer noch wie ein Bescheuerter gegen die Zimmertür. Falls ich mich nicht irre, und ich denke, das tue ich nicht, hört er sich beschwipst an. 'Das kann ja heiter werden.'

Die Türverriegelung klickt. "Jared, was tust du hier?"

"Oh Meilo!" Und wie beschwipst der Typ ist! "Endlüsch sind wir susammen!" Bei dem Satz wird mir schlecht. Zusammen! Pah!

Es rumpelt kurz, dann ein Ächzen. Nach Meilo hörte sich das nicht an. Zum Glück, sonst wäre ich schon auf dem Sprung. Das könnt ihr mir glauben.

"Lass das und hör auf mit dem Scheiß! Verschwinde wieder von hier." Das war aber jetzt eindeutig mein Schatz.

"Verswinden?", fiepst das Küken erschüttert. "Aber isch liebe dich do...hoch!" Ich beiße so fest meine Zähne aufeinander, das es beinahe schon weh tut. Wenn ich könnte wie ich gerne möchte, hätte Jared jetzt schon die Hotelzimmertür im Gesicht kleben. Und das nicht nur als Revanche wegen des kleinen Erlebnisses letztens bei den Dreharbeiten.

"Ich dich aber nicht! Ich will nichts von dir und werde auch nie was von dir wollen, also lass mich endlich in Ruhe." Nach Meilos eindeutiger Ansage, entkommt Jared ein Wimmern, dann rumpelt es ein weiteres Mal. Ich spitze die Ohren und lehne mich weiter vor. Das Rumpeln ist immer noch zu hören, nur leiser. Rangeln die miteinander? Könnte gut sein, so, wie ich das dreiste Küken kenne. Weitere Laute, die sich verdächtig anhören.

Erkannt werden oder komplizierte Fragen aufwerfen hin oder her, ich muss da jetzt eingreifen!
 

Ich spurte um die Ecke auf die Hotelzimmertür zu und was sehe ich? Jared hängt in Meilos Armen, der ihn in diesem Moment mit einem festen Schubs gegen die Wand neben der Tür befördert. "Raus jetzt!", brüllt Meilo ihn ungehalten an. "Sonst rufe ich den Hotelsicherheitsdienst!"

"Aber ... Aber ..."

"Hau ab!" Meilo funkelt ihn überaus sauer an. Ich kann ihn gut verstehen.

"Meilo! Bitte!" Jared sieht wie ein verwaister Welpe aus, der soeben von seiner Mutter im kalten Regen zurückgelassen wurde. Mein Mitleid hält sich in Grenzen.

Meilos Kiefermuskeln arbeiten hart. Ich kann sie beinahe knacken hören. Er ist total angespannt. Zeit, endgültig einzuschreiten.

Ich stelle mich neben Meilo, lege beruhigend meine Hand auf seinen Rücken, um ihm Beistand zu leisten, sage jedoch nichts, aus Angst, Jared könnte meine Stimme erkennen. Meilo, der noch immer Jared bedrohlich anstarrt, lehnt sich leicht gegen mich. Dabei kann ich regelrecht spüren, wie sich seine Rückenmuskulatur angespannt hat. "Verschwinde", knurrt er leise, aber gefährlich Jared zu.

Dieser zieht die Nase hoch (heult er?), blickt dann jedoch zu mir. Ich scheine ihm erst jetzt auszufallen. "Wer ist das?", fragt er und wechselt von verheult auf hasserfüllt. Die Frage war abzusehen, doch ich sage noch immer nichts, hebe bloß eine Augenbraue und glotze stoisch zurück. "Was macht der hier?"

"Was geht es dich an?", blafft Meilo. "Raus. Sofort. Sonst helfe ich dir dabei." Man sieht regelrecht, wie es in Jared arbeitet, wie die kleinen Plastikrädchen in seinem Kükenhirn beginnen sich zu drehen und sich selbst eine Antwort zurechtschustern. Ich befürchte, diese Antwort wird gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt sein. Und als hätte ich es geahnt, versteinert sein Gesichtsausdruck plötzlich. Schleppend richtet er sich auf, schält sich von der Wand und schluckt hart. "Das da ist also dein kleines Fickstück, ja? Das Flittchen, das du dir ins Bett holst, wenn du es nötig hast?" Mir bleibt für ein, zwei Schläge lang das Herz stehen. Fickstück? Flittchen? Wenn er es nötig hat? Hallo?! Sag mal, geht es noch?!

Ich bin zu perplex über die charmante Beschreibung meinerseits und meines Lieblings, dass ich viel zu spät bemerke, wie Meilo nach vorn schnellt und Jared am Kragen packt. "Du verdammter ...!"

"Meilo! Nicht!" Erschrocken hechte ich hinterher, schnappe mir seine erhobene Hand, ergreife sie und halte sie fest, ehe er etwas tut, was er hinterher vielleicht noch bereuen wird. "Das bringt doch nichts", rede ich leise auf ihn ein und drängle mich zwischen ihn und dem erschrockenen Küken Jared. Nur zögernd lässt Meilo Jareds Kragen los.

Mit einem Blick, der selbst mich zum Frösteln bringt, sieht er an mir vorbei auf Jared. "Wenn du nicht augenblicklich von hier verschwindest, dann Gnade dir Gott. Und wehe, du redest noch einmal so über einen meiner Freunde. Ist das klar?" Mit diesen Worten lässt er Jared wieder los, greift stattdessen an ihm vorbei und öffnet die Tür unseres Hotelzimmers. "Verschwinde." Meilos Ton duldet keinen Widerspruch. Jareds Blick huscht zwischen Meilo und mir hin und her, dann wendet er sich endlich und verlässt unser Zimmer. Keine Ahnung, ob er mich in irgendeiner weise erkannt hat. Im Moment gilt meine Sorge eher Meilo, der immer noch die Tür anguckt, als wolle er sie gleich in Flammen aufgehen lassen.
 

"Oh Mann", seufze ich um die bedrückende Atmosphäre etwas zu verjagen und wische mir übers Gesicht, doch Meilo guckt immer noch verbissen drein. Ich komme ins Grübeln. Ist da noch mehr als 'bloß' Jareds unangenehmer Auftritt? Ist eventuell mein eingreifen Schuld?

Ich beuge mich leicht vor zu Meilo. "Meilo? Entschuldige, dass ich nicht die Füße still halten konnte. Bist du jetzt sauer auf mich?" Bitte nicht! Ein saurer Meilo ist keine schöne Angelegenheit, wie wir soeben beobachten konnten.

Meilo schluckt und schließt für einen kurzen Moment die Augen. "Nein", brummt er. "Vielleicht was es ganz gut so, dass er dich gesehen hat."

"Ach? War es das?", frage ich. Bis auf die zugegebenermaßen klitzekleine Befriedigung, die ich verspürte, als Jared klar wurde, dass Meilo sein Bett mit mir teilt, kann ich nichts Gutes daran finden.

"Vielleicht hat er jetzt endgültig begriffen, dass er sich das mit uns abschminken kann."

"Hm ... Vielleicht." Oder auch nicht. Ich befürchte, dieses Küken ist noch leicht begriffsstutzig. Aber soll er. Noch ein Auftritt zusammen mit Meilo, dann werden sie sich nie wiedersehen. Was mich jedoch gerade viel mehr beschäftigt: "Meinst du, er hat gerafft, wer ich bin?" Sorgenvoll schaue ich Meilo an, der sich endlich zu mir dreht und mich ebenfalls anschaut.

"Glaube ich nicht", meint er. "Und selbst wenn, ich habe keinen Bock mehr auf diesen Scheiß! Es ist Schluss!" Es ist Schluss? Mit was ist Schluss? Etwa ...? Mir kullert das Herz in die Hose und rollt sich dort zu einem kleinen, ängstlichen Häuflein zusammen.

"Du hast keinen Bock mehr?", japse ich leise.

"Nein. Es steht mir bis hier", erklärt er mir mit der entsprechenden Geste.

Ich habe das Gefühl, dass mich gleich meine Beine nicht mehr tragen werden. Alles um mich herum dreht sich wie ein düsteres Karussell. "Das findest du?", frage ich nochmal heiser nach.

"Natürlich. Geht es dir etwa nicht auf den Keks?"

"Ich ... ich ..." Fange gleich an zu flennen! Das kann er doch nicht ernst meinen! So plötzlich und ohne die leiseste Vorankündigung! 'Es ist Schluss', höre ich Kilian aus der Vergangenheit zu mir sagen. Mir wird kotzübel.

"Nic? Geht es dir nicht gut?" Da fragt er noch?! "Nic?"

"Das kannst du nicht!", bricht es mit brüchiger Stimme aus mir und ich fühle neben dem Brechreiz etwas noch etwas anderes in mir aufsteigen: Entschlossenheit und Kampflust. Ich liebe diesen Mann! Und diesmal werde ich nicht wieder meine Sachen packen und zu meinen Eltern zurück ziehen, sondern ich werde um ihn kämpfen! "Du kannst uns doch nicht einfach aufgeben! Nicht so kurz vor dem Ziel!" Ich klinge verflucht flehend, doch das ist mir völlig egal. "Ich will dich nicht verlieren", krächze ich und blicke in Meilos Augen.

Der sieht mich erstaunt an, was mich leicht irritiert. "Ähm Nic? Kann es sein, dass du gerade etwas total missverstehst?" Meine Verwirrung nimmt zu. Fragend schaue ich Meilo an, sage jedoch nichts, weil ich immer noch mit meiner Fassung ringe. "Ich will doch nicht mit dir Schluss machen. Wie kannst du das bloß denken?"

"Ja aber, du sagtest doch, dass ... also ..." Ich stocke und allmählich kommen Meilos Worte in meinem Bewusstsein an. Erleichterung durchflutet mich, dann trifft mich die Erkenntnis mit großer Wucht. "Du willst gar nicht mit mir Schluss machen, sondern mit dem Versteckspiel?" Mit was anderem sollte er sonst auch Schluss machen wollen? Viel Auswahl bleibt ja nicht.

"Jetzt hast du es", grinst Meilo frech.

Ich bleibe skeptisch, obwohl ich erleichtert durchschnaufe. "Willst du Jared etwa auf die Nase binden, dass du vergeben bist?"

"Nein." Meilo schüttelt leicht den Kopf und legt seine Arme um meine Hüfte, um mich näher an ihn heran zu ziehen. Derweil beruhigt sich mein armes Herz wieder und kehrt an seinen angestammten Platz zurück. "Aber ich werde dich nicht mehr verstecken, sobald einer von meiner Band, mein Manager oder Jared in der Nähe ist. Sollen die sich ihren Teil denken, es wird mir in Zukunft total egal sein. Mein Vertrag ist so gut wie erfüllt. Was wollen die schon großartig machen, falls die hinter unsere Beziehung kommen?"

"Dir zum Beispiel daraus einen Strick drehen und dir für deinen Ausstieg gehässig ans Bein pinkeln?", antworte ich mit einer Gegenfrage.

"Das werden sie nicht. Die haben genug andres zu erledigen nach meinem Weggang. Glaube mir." Ich gebe nur ein nachdenkliches Brummen von mir. "Hey", schnurrt Meilo und küsst mich. "Lass uns aufhören, uns darüber Gedanken zu machen. Es ist doch nur noch bis Silvester."

"Ja, du hast ja Recht", seufze ich und lasse mich gegen Meilos Brust fallen. Wie gemütlich ...

"Nochmal zu vorhin", sagt Meilo. "Dass du wirklich dachtest, ich würde mit dir Schluss machen wollen, dafür muss ich dich jetzt leider bestrafen." Wie bitte?

Ich hebe den Kopf. Meilos Augen funkeln amüsiert. "Bestrafen?"

"Oh ja", haucht er. "Damit du dir nie wieder so einen Unsinn zusammenreimst."

"Und wie willst du mich bestrafen?", frage ich vorsichtig nach. Dass diese Bestrafung ganz und gar nicht schlimm für mich enden wird, ist mir schon längst klar.

"Lass dich überraschen", grinst mein Freund süffisant. "Aber eins kann ich dir schon im Vorfeld verraten: Hinterher wirst du nie wieder auch nur ein Gedanken daran verschwenden, dass ich jemals wieder ohne dich leben könnte."

"Da bin ich aber jetzt mal gespannt", schmunzle ich und werde schon von Meilo Richtung Schlafzimmer gezogen. Mal ehrlich. Könnte es eine schönere Bestrafung geben? Ich denke nicht ; -)
 

***
 

Im Nachhinein frage ich mich selbst, wie ich auch nur den leisesten Gedanken daran verschwenden konnte, dass Meilo aus einer Laune heraus tatsächlich mit mir Schluss machen wollen würde. Wahrscheinlich steckt mir der damalige überraschende Rausschmiss von Kilian doch noch mehr in den Knochen, als ich auch nur geahnt habe. Plötzlich war das Gefühl von früher wieder so präsent und beängstigend real, war sogar noch schlimmer als bei Kilian. Ich hatte panische Angst, dass mir das Selbe wie damals vor einem halben Jahr nochmal passiert. Meilo zu verlieren ... eine schreckliche Vorstellung.

"Nic? Kommst du endlich?"

"Was?" Aus meinen Überlegungen gerissen schaue ich zu Meilo, der über mir aufragt.

"Wie lange brauchst du denn fürs Schuhe binden?", fragt er mich belustigt.

"War in Gedanken", brabble ich und beeile mich.

"Immer noch wegen dem kleinen Missverständnis?" Meilos Grinsen wird immer breiter. "Soll ich dir nochmal einen Nachschlag in Sachen 'nie wieder ohne dich leben' geben?"

"Gern, aber bitte ein anderes Mal", entgegne ich, richte mich verrichteter Dinge auf und schmuse mich an Meilo an. "Sonst kann ich bis nächstes Jahr nicht mehr schmerzfrei sitzen."

Mein Schatz schmunzelt. "Bis dahin dauert es doch nicht mehr lange." Ein Knuff in meinen Po folgt.

"Bist du aber lieb zu mir heute." Ich ziehe einen traurig-beleidigten Schmollmund.

"Soweit ich mich erinnere, war ich heute besonders lieb zu dir."

"Hnnn... Ja, stimmt", kichere ich und tupfe meinem Liebling einen Kuss auf die Lippen. "So! Gehen wir?" Ohne auf seine Antwort zu warten, marschiere ich los. Keine Sekunde später folgt Meilo mir auf dem Fuße.

Wir verlassen das Hotel. Nachdem wir so gut wie den ganzen Tag zusammen im Bett verbracht haben, wollen wir nochmal raus in die Stadt. Frische Luft schnappen und uns noch einmal an der weihnachtlichen Stimmung erfreuen.

Inzwischen ist es dunkel draußen, was der Stimmung jedoch keinen Abbruch tut. Sogar der einsetzende Schnee macht mir nicht viel aus. Und zugegeben: Mit all den festlich geschmückten Straßenzügen und Wohnhäusern ist es sogar ziemlich romantisch im Schnee spazieren zu gehen. Besonders mit Meilo an meiner Seite.

Ich lehne mich im Gehen dichter an ihn und so laufen wir eine Zeit lang schweigend dahin, bis in mir die Frage aufkommt, wohin wir eigentlich gehen. "Haben wir ein bestimmtes Ziel?", möchte ich von Meilo wissen.

"Nein", antwortet er und schüttelt leicht den Kopf. "Ich dachte, wir laufen einfach ein Stück und gehen dann irgendwann auf der anderen Straßenseite wieder zurück."

"Ist mir recht", seufze ich wohlig. Selbst Jareds Auftritt vorhin ändert nichts daran, dass ich mich unglaublich wohl fühle. Man könnte wirklich behaupten, dass ich auf Wolke sieben schwebe. Das liegt vor allem an dem nahenden Jahreswechsel. Dem, und die Vorfreude auf unser neues Zuhause. Endlich nicht mehr bei Muttern wohnen! Und keine nervige Schwester mehr, die in mein Zimmer platzt, gerade wenn Meilo und ich es uns miteinander gemütlich machen. Himmlisch!

"Was grinst du so?", fragt mich Meilo leise lachend.

"Ich grinse?" Das war mir gar nicht bewusst.

"Ja. Tust du. An was für schmutziges Zeug hast du nun wieder gedacht, hm?" Wir bleiben stehen. Direkt neben einem kleinen Lädchen.

"Ich habe an nichts schmutziges gedacht", verteidige ich mich, doch Meilo grinst sich weiter einen ab. "Wirklich nicht!"

"Ja ja", kichert er, stellt sich vor mich und legt den Kopf schief. Seine Hände beginnen an den Knöpfen meiner Jacke zu fummeln.

"Ja ja?" Skeptisch ziehe ich eine Augenbraue nach oben. "Wer hat jetzt schmutzige Gedanken?"

"Also ich nicht." Gespielte Unschuldsmiene, wobei sich bei mir wieder die Frage auftut, weshalb Meilo heute so extremst (wie sage ich es am besten, ohne zu vulgär zu klingen?) ... Ah ja! So extremst Liebesbedürftig ist?

"Lass gut sein Meilo. Auf diesen Blick falle ich schon lange nicht mehr rein."

"Nicht?" Ich schüttle den Kopf. "Mist!" Erst stürzt mein Schatz die Lippen, lacht dann allerdings und greift mach meiner linken Hand und zieht mich, nachdem er mir noch einen Kuss spendiert hat, weiter.

Es dauert nicht lange, da vollführt sein Daumen kleine, eindeutige Bewegungen, die zwischen unseren aneinanderliegenden Handflächen stattfinden. Ich schiele Meilo schief an. Er macht ein fragendes Gesicht. Na schön. Frage ich ihn eben. "Bist du heute irgendwie dauergeil? Kann das sein?"

"Wer? Ich?"

"Nee. Der Weihnachtsmann", blöke ich.

"Bei dem roten Zipfel und dem großen Sack wäre das auch kein Wunder", lacht Meilo. Wieder schenke ich ihm einen schiefen Blick. "Ist doch so." Ich schüttle den Kopf und schaue wieder gerade aus. "Ach Nicilein. War doch nur Spaß."

"Nenn mich nicht so", brummle ich.

"Wie denn dann, mein kleines Nicilein?" In Meilos Stimme schwingt ein eindeutiges Kichern mit.

"Hör auf damit! Das weißt du genau." Ich hasse diesem dämlichen Kosenamen.

Wie Meilo nun mal ist, lacht er daraufhin vergnügt, bleibt wieder stehen und stellt sich vor mich. Mein Kinn wird gepackt, sodass ich Meilo direkt ins Gesicht schauen kann. "Wollen wir umdrehen?"

"Lass mich raten", sage ich. "Du willst Weihnachtsmann spielen." Sein verklärter Blick sagt alles.

"Keine schlechte Idee. Schließlich haben wir das Fest der Liebe."

"Ah ja", lächle ich ein klein wenig fassungslos. "Fest der Liebe ..." Oder besser gesagt: "Fest der Triebe würde heute eher passen, mein süßer Weihnachtsmann."
 

***
 

"Was ist denn ...? ... Och verdammt!" Ungeduldig zerre ich am Reißverschluss meiner Tasche, der sich irgendwie verhakt hat. Nichts geht mehr. Weder vor noch zurück. "Verdammter Mist!" Es knirscht ungesund.

"Ey. Mach doch deine Tasche nicht kaputt." Meilo hockt sich neben mich.

"Sag das nicht mir sondern der dummen Tasche!", fluche ich genervt.

"Mach mal deine Finger weg." Meilo tippt mir auf die Handfläche, bis ich nachgebe und den Reißverschluss loslasse. "Lass mich da mal ran."

"Bitte", knurre ich und schaue meinem anscheinend Alleskönner von einem Freund dabei zu, das Problem zu lösen.

Er beugt sich vor und begutachtet den Fall. "Da klemmt was dazwischen", stellt er fachmännisch fest. "Etwas rotes."

"Rot?" Was habe ich denn rotes eingepackt?

Meilo kichert frech. "Hast du heimlich Reizwäsche eingepackt?"

"Witzig Meilo." Also wirklich! "Falls ja, wüsstest du das schon längst." Meilos Kopf ruckt zu mir. Nun kichere ich und zwinkere ihm zu. Er leckt sich kurz über die Lippen, wobei ich meine ein kleines Leuchten in seinen Augen erkennen zu können, und versucht dann weiter den Reißverschluss meiner Tasche wieder freizubekommen.

Es gelingt ihm auch nach kurzem Fummeln. "Da haben wir den Übeltäter", verkündet Meilo und hält mir ein zerknittertes, rotes Geschenkband vor die Nase.

"Oh." Das kenne ich doch. "Das habe ich ja total vergessen!" Ich Trottel! Meilos Blick spricht für sich. Er möchte wissen, wozu ich rotes Geschenkband in meiner Tasche herumschleppe und was es damit auf sich hat.

Ich schnappe mir das Band und wickle es um meine Finger. "Ich hatte eigentlich vor, mir das Band umzubinden. So als Bonus-Weihnachtsgeschenk", erkläre ich.

"Soll ich fragen, wo genau du dir ein Schleifchen drumbinden wolltest?", fragt Meilo verschmitzt.

"Wenn du es wissen willst, um meinen Bauch." Das hatte er sicherlich nicht im Sinn.

"Um deinen Bauch? Wie langweilig."

"Wo hätte ich das Band denn deiner Meinung nach sonst umbinden sollen?", will ich spaßeshalber von Meilo wissen.

"Soll ich es dir zeigen?" Frecher Blick.

"Ich fürchte, dafür haben wir keine Zeit mehr", seufze ich. "Ich muss langsam mal los." Ich knäule das Band zusammen, verstaue es so, dass es sich nicht mehr im Reißverschluss verklemmen kann, und schließe die Tasche.

"Schade, dass du jetzt schon gehen musst", seufzt mein Schatz und zieht mich an sich.

"Finde ich auch. Aber wir sehen uns ja in Kürze wieder."

"Und das dann für immer."

"So gut wie", lache ich. "Oder willst du mit mir zusammen im Weinkeller arbeiten?"

"Wieso nicht?", schmunzelt Meilo. "Dann könnte ich dir bei der Arbeit zusehen."

"Glaube mir, das würde dir schnell langweilig werden", sage ich und schäle mich notgedrungen von Meilos warmen Körper.

"Glaube ich nicht", meint Meilo. "Ich werde es nie satt, dich anzusehen."

"Meine olle kitschige Schmalzlocke." Ich kneife in Meilos linke Wange und greife mir meine Tasche. "Begleitest du mich nach draußen?"

"Natürlich mein Augenstern." Ich wusste gar nicht, wie dümmlich Meilo grinsen kann.

Anstatt ihn wieder anzublaffen, puste ich laut die Atemluft aus und übergehe seine Versuche mich aufzuziehen. Ich kann aber seine gute Laune und seine Scherze durchaus verstehen. Mir geht es nicht anders. "Noch vier Tage", frohlocke ich. "Und noch vier Nächte. Dann gehörst du mir."

"Das tue ich doch schon längst."

"Stimmt. Aber dann kann ich es dir auch jeden Tag zeigen. ... Und vor allem auch jede Nacht ..." Den letzten Satz lasse ich zweideutig ausklingen, unendlich glücklich, dass wir es bald geschafft haben.
 

******

Love bite 60 - Umzugspläne

Halli hallo ^^

Mann oh Mann. Ist morgen wirklich schon das Jahr rum? Mir kommt es vor, als sei letztes Silvester erst ein, zwei Monate her. Und das, obwohl das letzte Jahr bei uns so turbulent gewesen ist.

Ich möchte mich auf diesem Wege bei euch allen herzlich bedanken. Für all die Reviews, Mails und lieben Worte darin, für eure wachsamen Augen, die mich vor dem Plagiat gewarnt haben (bin immer noch stinkig auf die Tusse *grrr*) und vor allem für die Zustimmung, die meine kleinen Geschichten von euch erhalten.

In den letzten Jahren ist das Schrieben für mich zu einem sehr wichtigen Teil geworden, den ich niemals missen möchte. Dass ich das alle mit euch teilen kann, ist das Tüpfelchen auf dem i ^^
 

So! Genug der Lobhudelei!

Ich wünsche euch einen guten Rutsch, ein gesundes neues Jahr und einen nicht allzu dicken Schädel am nächsten Morgen ;-)

Wir lesen uns im nächsten Jahr. Hoffentlich noch ganz oft ^^

Eure Steph
 


 

Love bite 60 - Umzugspläne
 

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich zum x-ten Mal wiederhole: Ich war noch nie so froh darüber, dass ein Jahr zu Ende geht, wie dieses Jahr. "Du strahlst wie ein kleiner Glückskeks." Ingo, der mir gegenüber sitzt, grinst mich breit an.

"So fühle ich mich auch", gebe ich zu. Wie ein glücklicher Keks, der in der Hitze der Liebe aufgeht und knusprig-golden wird. ... Okay. Das mit dem Knusprig-golden war jetzt nicht so ein guter Vergleich, aber man versteht worauf ich hinaus will, oder?

"Lass mich raten: Das liegt nicht zufällig an eurem baldigen Umzug?"

Lächelnd lege ich den Kopf schief. "Was hat mich verraten?", frage ich ihn.

"So ziemlich alles." Oha. Ich strahle wohl wirklich wie ein goldenes Kekschen.

"Ging es dir nicht so, als du bei Ed eingezogen bist?", will ich von Ingo wissen.

"Schon ... irgendwie. Aber das kann man nicht vergleichen."

"Stimmt", meint Ed, der mit einer Kanne Kaffee und einem Turm bestehend aus drei Tassen zu uns ins Wohnzimmer kommt. "Du bist hier eingezogen, ohne dass wir beide es zunächst bemerkt hatten."

"Beschwerst du dich etwa darüber?" Ingo gibt sich erstaunt.

"Hm na ja ... Langsam habe ich mich an dich gewöhnt", lacht Ed und setzt sich neben ihn auf das Sofa. Ingo nimmt ihm brummelnd die Tassen ab und verteilt sie, während Ed beginnt uns Kaffee einzuschenken.

Zu Besuch bei guten Freunden, heißer Kaffee und selbstgebackene Plätzchen von meiner Mutter. Es gibt nichts Besseres an tristen Wintertagen.

"Der Eckpfeiler jeder glücklichen Beziehung: Gewöhnung", zetert Ingo nach Eds Spruch.

"Darauf trinken wir", grinse ich und hebe die Tasse. Schön heiß die Brühe! Aber nicht nur das. "Hat Ingo den gekocht?" Ich verziehe das Gesicht.

"Klar. Was denkst du denn? Euch trüben Tassen lasse ich doch keinen Kaffee kochen", antwortet Ingo mir.

"Wie hältst du das nur aus?" Die Frage ging an Ed.

Ed zuckt mit den Schultern. "Gewöhnung." Wir drei fangen an zu lachen.

Ich bin gern bei den beiden. Besonders die letzten Tage über. Wenn ich nicht arbeiten musste, war ich meist hier. Entweder in der Werkstatt bei Ed, oder bei Ingo, der sich drinnen im Warmen eingemummelt hat. Er brütet eine kleine Erkältung aus und Ed hat ihm deswegen bis nächstes Jahr Stubenarrest erteilt, was diesem ganz und gar nicht schmeckt. Aber was tut Mann nicht alles für seinen Liebsten, nicht?

"Wisst ihr schon, wann ihr mit dem Einzug beginnen wollt?", fragt Ingo mich mit vollem Mund. Wenigstens die Plätzchen scheinen ihm zu schmecken. Mama wird sich freuen, wenn sie das erfährt.

"Sobald wie möglich. Ich habe mir gestern den Wohnungsschlüssel bei der Maklerin abgeholt. Eigentlich könnte ich meinen Kram schon hinfahren." Zumindest die sowieso schon gepackten Kisten, falls ich etwas Zeit dafür finde.

"Mach doch", meint Ed, der sich die nächste Ladung Plätzchen in den Mund geschoben hat.

"Mal schauen. Dieses Jahr wird das wahrscheinlich nichts mehr, denke ich. Heute habe ich keine Zeit dazu und morgen fahre ich doch nach der Arbeit wieder nach Berlin. Außerdem wäre es gescheiter erstmal die Wohnung umzubauen, bevor wir all unseren Kram dort auspacken." Im Keller unseres neuen Heims werden wir vorerst Meilos Sachen unterbringen müssen. Wo anders ist sonst kein Platz dazu.

"Und wo wohnt ihr solange?" Ingo guckt mich fragend an.

"Bei meinen Eltern." Ich seufze. Nicole mit Meilo unter einem Dach. Das kann ja heiter werden.

"Hm ...", macht Ingo und kaut lautstark das nächste Gebäckstück kurz und klein. "Silvester in Berlin ... Das wäre doch was ..." Er schaut rüber zu Ed, während ich mich fast am Kaffee verschlucke. Ingo denkt doch nicht ernsthaft darüber nach, mit nach Berlin kommen zu wollen? An jedem anderen Tag gern, aber doch nicht an Silvester! Vor allem wegen Meilos Auftritt.

"Hör auf damit Ingo!", grummelt Ed seinen Partner an und stupst ihm mit dem Ellenbogen leicht in die Seite. "Jag Nic doch nicht so einen Schrecken ein." Äh ... was? "Ingo macht nur einen Scherz", richtet sich Ed nun an mich. "Wir haben doch schon lange eigene Pläne für den Jahreswechsel, und außerdem wissen wir, dass du viel lieber allein mit Meilo bist." Ich lächle schmal, denn Ed schenkt mir noch einen wissenden Blick.

Ich habe ihm davon erzählt, dass Meilo einen Auftritt hat, und da Ingo nichts von Meilos Alter Ego weiß, wäre es blöd zu erklären gewesen, wieso Meilo noch so spät Abends arbeiten muss. Zwar nicht schwer, aber ich hasse es, meine Freunde belügen zu müssen. Zumal ich das bei Menschen, die mir sehr am Herzen liegen, nicht besonders gut kann.

"Immer verdirbst du mir meine Späße", motzt Ingo Ed an. Dieser lächelt nur schmal.
 

Während die beiden sich weiter scherzhaft necken, beobachte ich sie still dabei. Besonders Ed. Er sieht viel gelöster aus als sonst. Er grinst auch ständig, was er eigentlich selten tut. Meist lächelt er bloß leicht, was nicht heißen soll, dass Ed ein Miesepeter wäre. Ed ist eben eher der ruhige, in sich gekehrte Typ. Heute allerdings ist er es nicht, und wenn ich so an die letzten Tage zurückdenke, ist er schon die gesamte Woche über irgendwie anders. Man könnte sogar sagen, er war die Tage über beinahe in Plauderlaune. Auch Eds und Ingos gegenseitigen Blicke sind arg verdächtig, finde ich. Dieses Leuchten ...

"Bei euch alles in Ordnung?", unterbreche ich schließlich ihr kleines Techtelmechtel, weil ich da so eine leise Ahnung habe.

Beide gucken mich an, als seien sie kleine Eichhörnchen und ich ein gefräßiger Fuchs. "Klar ist alles in Ordnung mit uns", antwortet Ingo. "Wieso fragst du?"

"Ihr seid so anders ... so ... flauschig." Habe ich gerade flauschig gesagt? Aber dieses Wort beschreibt ihr Verhalten eigentlich ganz gut. Ich bin knusprig und sie sind flauschig. Ich glaube, ich habe noch einen leichten Knacks von den Feiertagen … Aber wie es aussieht, habe nicht nur ich etwas von der Weihnachtszeit zurückbehalten. "Ist an den Feiertagen irgendwas interessantes passiert?" Neugierig mustere ich die zwei Turteltäubchen.

"Nichts, was dich momentan etwas anginge", meint Ed spitz, lächelt mich jedoch frech an.

Ich grinse dreckig zurück. Was auch immer zwischen den beiden ist oder geschehen ist, es freut mich, dass Ed deshalb so verändert ist. "So, so", schmunzle ich. "Wenn das so ist." Ich trinke mit großen Schlucken meine Tasse leer und stehe auf. "Dann will ich euch mal nicht weiter stören."

"Das tust du doch gar nicht." Ed stehen ebenfalls auf. "Bleib doch noch! Ich wollte dich nicht vergraulen."

"Schon gut Ed", winke ich ab. "Das hast du nicht, aber ich denke, ich habe euch die letzte Zeit über genug mit meiner Anwesenheit belästigt. Außerdem habe ich noch einiges zu tun drüben." Habe ich nicht, doch das müssen die zwei nicht wissen. Das ändert jedoch nichts daran, dass ich wirklich ganz schön oft bei ihnen zu Besuch war. Vielleicht zu oft. Die beiden wollen sicher auch mal unter sich sein, genau wie ich mit Meilo den Jahreswechsel allein und ungestört verbringen möchte. Also lasse ich die Turteltäubchen mal in Ruhe zusammen mit ihrem kleinen Weihnachts-Geheimnis turteln.

"Wir sehen uns dann nächstes Jahr", verabschiede ich mich von ihnen, drücke jeden noch einmal und sehe zu, dass ich Land gewinne. "Guten Rutsch ihr zwei." Und weg bin ich.
 

Draußen ist es ungewöhnlich still. Kein Auto fährt auf der Straße, als ich sie überquere. Angenehm. Leider ist die Stille bald wieder vorbei. Als ich die Wohnung meiner Eltern betrete, ist die dortige Geräuschkulisse ohrenbetäubend.

"Mama?" Ich schaue mich suchend im Wohnzimmer um. Niemand zu sehen.

"Niclas?" Rechts neben mir raschelt es und eilige Schritte kommen auf mich zu. Meine Mutter kommt auf mich zu und zieht sich dabei ihren Mantel an. "Wie gut, dass du wieder da bist. Du musst mich in den Supermarkt fahren."

Hinter ihr taucht Nicole auf. "Ich komme mit!"

Ich fühle mich, als hätte mich gerade ein vollbesetzter Schulbus überrollt. "Wie, einkaufen? Jetzt?"

"Ja jetzt", trompetet meine Mutter und wickelt sich einen Schal um.

"Warum muss ich fahren?"

"Weil Werner noch unterwegs ist, und du der Einzige mit einem fahrbaren Untersatz bist."

"Dann nimm doch meine Karre und fahr selbst", schlage ich schlecht gelaunt vor. Einkaufen. Und das einen Tag vor Silvester. Zusammen mit meiner Mutter und Nicole. Der Albtraum überhaupt!

"Du weißt, dass ich nicht mit Schaltung fahren kann." Vorwurfsvoll guckt mich meine Mutter an.

"Selbst schuld. Hättest ja nicht auf einem Auto mit Automatikgetriebe fahren lernen müssen." Meine Mutter stemmt kommentarlos ihre Hände in die Hüften. Wehren zwecklos. "Also gut", stöhne ich und gebe mich geschlagen. "Gehen wir gassi fahren."

Nicole kichert. "Gassi fahren. Wer kommt an die Leine?"

"Du, wenn du nicht brav bist", knurre ich. Sie streckt mir die Zunge raus, stopft sich ihre Kopfhörer in die Ohren und stampft auf die Wohnungstür zu.

"Schafft ihr zwei es immer noch nicht euch zu vertragen?" Ich zucke mit den Schultern. Eigentlich gehen wir ganz gesittet miteinander um, finde ich. Meine Mutter sieht das wohl nicht so, denn sie seufzt, lächelt dann aber. "Nun zieh nicht so ein Gesicht, Schätzchen", blafft sie mich an.

"Nenn mich nicht Schätzchen!" Mütter!

Aus ihrem Lächeln wird ein Lachen und sie legt einen Arm um meine Schultern. "In Ordnung mein kleiner Spatz." Oh Manno!

"Mama!"
 

Nicole und meine freche Mutter ins Auto verfrachtet, düsen wir Richtung Supermarkt. Letztere kramt nervös in ihrer Handtasche herum. "Wo hab ich nur den Einkaufszettel hingesteckt? ... Ah da ist er!"

Ich schiele kurz rüber. "Scheiße ist der lang! Was willst du denn alles einkaufen?"

"Na alles, was wir für die Silvesterfeier brauchen", antwortet sie mir unbeeindruckt.

"Welche Menschenmassen erwartest du denn?"

Sie legt die Einkaufsliste zurück in ihre Tasche und zählt alle eingeladenen Gäste mit den Fingern auf. Am Schluss ist sie bei 15 Leuten. Sie, Papa und Nicole noch nicht mit eingerechnet.

"Wie gut, dass ich nicht dabei bin", sage ich. "Auf diesen Trubel kann ich gut verzichten."

"Ob Silvester in Berlin ruhiger verläuft, bezweifle ich aber", erwidert meine Mutter.

"Es kommt drauf an, wo man in Berlin ist." In Meilos Armen zum Beispiel. Das wird vielleicht nicht weniger Turbulent, aber mit Sicherheit viel entspannter ...

"Schon klar", motzt mein Schwester-Herzchen hinter uns auf der Rückbank. "Reib es mir noch unter die Nase."

"Was?" Was hat die denn wieder?

"Du darfst bei Meilo sein, und ich darf mit den alten Schnarchnasen auf den Jahreswechsel warten." Arme Nicole. Sie tut mir gar nicht leid. Hehehe.

"Alte Schnarchnasen?" Mama dreht sich empört nach hinten. "Das Alt verbitte ich mir, junge Dame! Außerdem sind deine Freundinnen auch da."

"Ja. Aber wir dürfen ja nicht weg."

"Natürlich dürft ihr das. Solange ihr um hab 12 wieder Zuhause seid."

"Na eben! Wir verpassen ja das Beste. Dann brauchen wir auch gar nicht weg." Im Rückspiegel sehe ich, wie Nicole einen beleidigten Schmollmund zieht und dabei auf ihrem Handy herumtippt.

Nicole würde den Silvesterabend gern im Jugendtreff verbringen, doch Papa ist dagegen. Er weiß schon wieso. Hinter dem Gebäude hängen die älteren Jugendlichen herum, trinken, rauchen und stellen lauter Unsinn an. Letztes Jahr hat jemand sämtliche Briefkästen in der näheren Umgebung des Jugendtreffs in die Luft gejagt. Logisch, dass Papa seine kleine Tochter dort nicht hingehen lassen will. Hinterher landet sie mit Alkohol- und Rauchvergiftung im Krankenhaus. Womöglich noch mit einer Fingerlosen Hand oder Schlimmeres.

"Ich bin ganz auf Papas Seite. Was da teilweise beim Jugendheim abgeht, ist nichts für dich. Das ist viel zu gefährlich." Wow! Ich klinge wirklich schon wie mein Vater.

"Woher willst du denn das wissen, hä?"

"Ich weiß es eben", brumme ich und bekomme von Mama einen mehr als fragenden Blick. "Ich war auch mal ein Jugendlicher", erkläre ich ihr.

"Ich hoffe, du hast nichts angestellt."

"Nicht so, wie du jetzt womöglich denkst." Ich grinse frech.

Nein, so etwas wie Briefkästen in die Luft jagen habe ich nicht getan. Ich trieb mich viel lieber in abgelegeneren Gegenden auf. Vorzugsweise nicht alleine und nicht ganz so jugendfrei ... Hach ja, Tommy. Mein erster Silvesterkuss.

Ich kann es gar nicht erwarten, in diesem Jahr den wundervollen Brauch mit Meilo zu vollziehen. Der Beginn unseres gemeinsamen Lebens. Ich werde ganz kribbelig, wenn ich daran denke. Meilo ... bei mir ... ohne ständige Autofahrerei und Telefonate als einzigen Kontakt.

Meine Mundwinkel zucken nach oben und ohne dass ich es will, fange ich an, den Song, der im Radio läuft, mitzupfeifen.

Meine gute Laune hält jedoch nur so lange an, bis ich auf den vollen Supermarktparkplatz einbiege. Da ist die Hölle los!
 

Es gibt für mich nichts schlimmeres als volle Parkplätze, auf denen jeder, der einen freien Platz sucht, fährt, als sei er ein todessüchtiger Irrer auf Alkoholentzug. Mein Stresspegel jagt durch die Decke und in Gedanken verbeiße ich mich in mein Lenkrad und schimpfe dabei meine Mutter an, die mir das hier eingebrockt hat.

"Ganz schön was los hier", wundert sie sich. Ach erzähl!

"Höchst merkwürdig", sage ich sarkastisch. "Und das, obwohl erst morgen Silvester ist." Das musste jetzt sein. Irgendwie muss ich mir ja Luft machen, damit ich mich nicht auch in einen todessüchtigen Irren verwandle und mit Vollgas in eine Reihe Einkaufswagen rase.

"Jetzt murre nicht die ganze Zeit über herum. Halt lieber die Augen nach einem Parkplatz offen." Mama gibt mir einen Klaps auf den Oberschenkel. Keinen Plan ob der aufmunternd gemeint war. Falls ja, verfehlt er sein Ziel. Und weil selten ein Unglück allein kommt, beginnt im Radio der Song von Keith und seinem widerlichen Nachfolger zu dudeln.

"Uhhh! Mach mal lauter!", kommt's von den hinteren billigen Plätzen. Ich drehe am Knopf. Aber nicht, um lauter zu machen, sondern um das Radio ganz auszuschalten. "Ey!"

"Ruhe. Ich muss aufpassen, dass ich niemanden umniete hier", blaffe ich Nicole an und muss schon eine Vollbremsung hinlegen.

Ein Kind kam einfach zwischen den parkenden Autos rausgerannt. Ich konnte noch gerade so bremsen. "Fuck!" Können die nicht mal auf ihre Bälger aufpassen?!

"Das war knapp", schnauft meine Mutter entsetzt und greift sich erschrocken an die Brust. Auch mein Herz donnert schnell. Was für ein Schreck!
 

Endlich einen Parkplatz gefunden, steigen wir aus und laufen auf den Eingang zu. Während Nicole und ich durch die Schiebetüren gehen, holt meine Mutter einen Wagen.

Genervt schaue ich mich in der Obstabteilung um. Nicole dagegen macht das Zeitschriftenregal unsicher. Soll ich raten nach was sie Ausschau hält?

Derweil ist meine Mutter auch drinnen angekommen. "Niclas? Nimmst du den Einkaufswagen?" Was auch sonst?

Auf eine Antwort wartet sie erst gar nicht, drückt mir den Wagen gegen die Rippen und stolziert zum Gemüse. Noch genervter zockle ich ihr nach.

Der Einkaufswagen quietscht dabei wie eine Horde Mäuse und das vordere linke Rad flattert unaufhörlich. Tief durchatmen Nic. Alles wird gut. … Irgendwann … Vielleicht.

"Wo ist deine Schwester?" Mama sieht mich kurz an, wendet sich dann wieder dem Broccoli zu.

"Wo wohl? Meinen Mann angeifern." Meine Mutter lacht. "Ich finde das gar nicht lustig", beschwere ich mich. "Wie soll das bloß werden, wenn Meilo übermorgen bei uns wohnt?"

"Das wird schon klappen."

"Meinst du? So optimistisch bin ich da nicht."

Anscheinend hat der Broccoli der Begutachtung meiner Mutter ohne größere Mängel bestanden, denn eine dicke Tüte voll landet im Einkaufswagen. "Nicole hat sich doch schon längst damit abgefunden, dass du ihren Superstar an Land gezogen hast."

Ich verziehe das Gesicht. "Ihren Superstar an Land gezogen? Hör auf so zu reden. Ist ja gruselig. Als sei ich hier das Groupie." Sie grinst, dann werde ich weiter vorwärts gejagt. Quietschend und mit einem flatternden Rad dackle ich ihr nach.

Was anschließend folgt ist schlimmer als jede Folter. Überall Menschen, plärrende Kinder und andere Einkaufswagenfahrer, die einem in die Hacken donnern, oder sich dreist an einem vorbei zwängen und dabei alles touchieren, was Rollen hat. Selbst vor den Gehhilfen armer Omas machen manche nicht Halt. Das reinste Irrenhaus!

Meine Mutter lässt das augenscheinlich alles ziemlich kalt. Gelassen arbeitet sie ihren Einkaufszettel ab, scheucht mich hier hin, dann dort hin, wieder zurück, weil wir im vorigen Regal etwas vergessen haben. Die Lebensmittel stapeln sich bald schon im Wagen und ich bekomme Probleme das Teil zu fahren, da dass flatternde Rad immer wieder blockiert.

"Ma? Was willst du denn noch alles kaufen? Du kaufst ja fast den gesamten Supermarkt leer." Kann es sein, dass ich mich quengelig anhöre? Ja, kann es. Aber ich habe auch alles Recht der Welt dazu, quengelig zu sein.

"Gleich, Schatz. Nur noch zur Fleischtheke."

"Oh nein!" Zur Fleischtheke? "An solchen Tagen ist da doch immer der Teufel los!"

"Oh doch mein Lieber. Aber falls es dich beruhigt, danach können wir wieder nach Hause fahren", sagt meine unerbittliche Einkaufslisten abhakende Mutter und bahnt sich ihren Weg zur Fleischtheke.

"Jippie."
 

Normalerweise freue ich mich immer, wenn ich recht behalte, aber dieses mal hätte ich gern unrecht behalten. Bei der Fleischtheke ist wirklich der Teufel los. Er hat die Gestalt einer ewig langen Schlange angenommen. Einer aus Einkaufswagen, genervten wartenden Kunden und schreienden Kindern. Und genau so eines habe ich direkt vor mir, als ich mich neben meiner Mutter in die Schlange eingereiht habe.

Ich schätze das kleine Ding auf ca. zwei Jahre. Der Farbe der Kleidung nach ein Mädchen. Eins, mit einem sehr, sehr lauten Organ. Es sitzt in dem ausklappbaren Kindersitz und schreit sich die Seele aus dem Leib. Der Vater versucht es händeringend zu beruhigen, zieht Grimassen, fuchtelt wild mit seinen Händen herum, doch all das hilft nichts.

Ich kann das kleine Schreibündel verstehen. Ich würde auch schreien, wenn es nicht extrem bekloppt rüber kommen würde. Hinterher ruft jemand die Polizei und man führt den verrückt gewordenen Nic ab. Dann wird es nichts mit Silvester in Berlin zusammen mit Meilo. Also lieber still leiden, das schreiende Kind gleichzeitig beneiden und verfluchen, und hoffen, dass die Fleischereifachverkäuferrinen ihre Kundschaft schnell abfertigen. Zeit ist Geld, Mädels!

Und wo wir gerade von schreienden Kleinkindern und Mädels reden: "Hier seid ihr ja!" Eine abgehetzte Nicole materialisiert sich neben uns. "Ich such euch schon seit Stunden."

"So lange sind wir hier noch gar nicht", brumme ich. "Obwohl es mir so vorkommt."

"Immer noch so miese Laune?" Ich nicke Nicole schwach zu. "Dann heitert dich das hier vielleicht auf." Eine kunterbunte Teeniezeitschrift schiebt sich in mein Blickfeld. Und zwischen all den Bunten Schriften und kleinen Bildern, prangt ein zucker-bunter Keith Kandyce groß auf der Titelseite.

"Wieso soll mich das aufmuntern?", frage ich Nicole knurrend.

Sie zuckt mit den Schultern, die Zeitschrift senkt sich. "Nur halt so", meint sie und blättert die Seiten durch. "Da ist ein großer Artikel über ihn drinnen. Zusammen mit diesem Jared. Die wollen uns den Neuen unter allen Umständen schmackhaft machen." Sie lacht auf. "Als ob sie uns so einfach abspeisen könnten. Obwohl Jared ganz gut bei uns ankommt."

"Euch?" Ein bisschen belustigt schaue ich erst Nicole, dann den Artikel an, den sie aufgeschlagen hat. Dieser ist auch knallig bunt gehalten.

"Ja uns. Die Hardcore-Keith-Fans." Oh Mann! Weg ist mein Schmunzeln.

"Lass das nicht Meilo hören. Sonst macht er sich wieder Gedanken."

"Über was denn?"

"Über euch", antworte ich.

"Ach du meinst, weil morgen das letzte Mal ist, dass …"

"Eben das", würge ich sie ab. "Und jetzt Klappe. Das Thema ist hier Tabu." In der Schlange tummeln sich auch Teenager herum. Weibliche Teenager. Da könnten welche von 'denen' dabei sein und mithören. Ein bisschen gesunde Paranoia hat noch keinem geschadet.

Nicole hebt Zeigefinger und Daumen zum Mund und zieht einen imaginären Reißverschluss zu. Braves Kind. Sie lernt dazu.
 

Die Schlange geht nur langsam voran. Jeder Kunde hat Extrawünsche, will etwas zugeschnitten haben, oder etwas, dass die Bedienung erst von hinten herholen muss. War ja klar! Murphys Gesetz schlägt mal wieder zu.

Als wir dann kurz davor sind drangenommen zu werden, wiege ich mich schon in freudiger Erwartung, hier endlich wegzukommen, doch da habe ich mich leider geschnitten.

Die Frau vor uns hört gar nicht mehr auf mit ihren Bestellungen, während ihr Baby weiter munter herumplärrt. Ihr Man hat schon längst aufgegeben, das Kind vom Heulen abzuhalten.

150 Gramm Aufschnitt, 200 Gramm Salami, von der Bärchenwurst auch noch 100 Gramm, und so weiter und so fort. Alles schön in Scheiben geschnitten, extra verpackt und nochmal abgewogen, damit auch ja kein Gramm zu viel in der Tüte landet. Ich knirsche mit den Zähnen und tippe unruhig mit dem linken Daumen auf dem Griff des Einkaufswagens herum. Ich springe der Kuh gleich an die Gurgel! Ich schwöre!

Auch Nicole schnaubt, schüttelt den Kopf und verdreht ihre Augen. "Kein Wunder, dass die so dick ist", brummelt sie.

Ich grinse verstohlen. Mama zischt ihr dagegen ein "Psst!" zu. Am liebsten hätte ich gesagt, dass Nicole doch Recht hat, aber ich halte die Klappe. Auf ein Drama vor der Fleischtheke habe ich wirklich keine Lust.

Nach etwas Geduld und gelangweilten Blättern in Nicoles Teenagerzeitschrift, sind wir endlich dran.

Mama bestellt alles, was sie für das morgige Essen noch benötigt, dann können wir uns zum Glück auf den Weg zu Kasse machen. Hier ist ebenfalls viel los, aber wenigstens arbeiten die Kassiererinnen zügig und schieben alles im Eiltempo über den Scanner. Ich stelle mich an, während Nicole und Mama noch schnell die Eistruhe plündern.

Aufs Band kann ich noch nichts legen, daher lehne ich mich gegen den Wagen und studiere die Filmtitel des DVD Ständers neben mir. Alles schon gesehen oder totaler Mist.

Plötzlich klingelt es in meiner Hose. Mein Handy.

Meilos Konterfei grinst mich vom Display her an. Erfreut hebe ich ab. "Hey du", melde ich mich.

/Hallo mein Süßer./ All der Stress der vergangenen Stunde ist vergessen. /Wollte mal hören, ob für morgen alles steht./

"Stehen?", lache ich. "Wenn du mir ein paar Minuten gibst …"

/Das meinte ich nicht/, kichert mein Schatz. /Ich wollte wissen, ob du schon weißt, wann du ungefähr ankommst./

"Ach so. Sag das doch." Natürlich wusste ich von Anfang an, wie er das gemeint hat. "Um kurz nach zwölf düse ich los. Sobald ich aus dem Weinkeller komme. Wann genau ich dann bei dir bin, kann ich noch nicht genau sagen. Kommt auf den Verkehr an."

/Okay. Für alle Fälle hast du ja meinen Zweitschlüssel./

"Hab ich." Den hatte er mir bei meinem letzten Berlin-Aufenthalt ganz hinterlistig an meinen Schlüsselbund gehängt.

/Vergiss ihn nur nicht. Den muss ich noch abgeben./

"Weiß ich doch."

"Entschuldigung. Ich muss mal hier durch." Ein junger Mann drängelt sich erst an mir, dann weiter an den Anstehenden Supermarktbesucher vorbei.

/Bist du unterwegs?/, fragt Meilo.

"Ja. Ich wurde zum Einkaufen verdonnert. Meine Mutter und Nicole sind auch hier."

/Grüß mal./

"Mach ich nachher." Ich schaue mich um. "Sie stehen vor der Eistruhe und diskutieren die Eissorten aus." Immer das Selbe mit den beiden.

Meilo lacht. /Dann lass sie mal diskutieren. Telefonieren wir heute Abend nochmal?/

"Logisch. So um sieben?"

/Alles klar. Ich warte vorm Telefon./

"Tu das", kichere ich. "Bye."

/Bye, bye./
 

Mein Handy wandert zurück in die Hosentasche. Gerade rechtzeitig. Nicole und meine Mutter kommen zurück und vor mir räumt sich glücklicherweise Kassenband. Das Ende unseres nervigen Einkaufstrips steht uns kurz bevor. Heureka!

Meine Mutter fängt an, alles aufs Band zu legen. Nicole rührt wie immer keinen Finger, also gehe ich meiner Mutter zur Hand. Es ist nicht zu fassen, wie viel Zeug sie gekauft hat! "Da hast du dir aber ganz schön was vorgenommen", sage ich zu ihr und betrachte den Berg an Lebensmitteln vor uns. "Ist das alles für morgen?"

"Nicht nur. Aber da wir ab nächsten Jahr ein Maul mehr stopfen müssen, brauchen wir mehr Vorräte."

"Ein Maul mehr?" Wir klingt denn das nun wieder? "Mama. Du musst Meilo und mich nicht mit durchfüttern. Wir kaufen unseren Kram selbst."

"Zu spät", grinst sie mich an und räumt ein Glas Senf aufs Band.
 

Das Bezahlen geht ratzfatz (Mama bezahlt immer bar. Sie hasst es, mit Karte zu zahlen). All die Einkäufe im Auto verstaut, machen wir uns auf den Heimweg.

Inzwischen ist es halb drei Nachmittags. Bald ist der Tag vorbei und morgen ist der große Tag. Keith wird sterben. Es lebe Meilo!

Zuhause schleppen wir alles in die Wohnung. Auch Nicole muss helfen, was keine großen Begeisterungstürme bei ihr auslöst. Sie ist eben doch noch ein pubertärer Teenager.

"Wie schnell Nicole laufen kann", sage ich zu meiner Mutter, die mit mir zusammen in der Küche steht. Wir räumen die Lebensmittel in die Schränke, und mein liebes Schwesterlein hat sich klammheimlich aus dem Staub gemacht.

"Sie hat noch einiges zu tun", meint meine Mutter.

"Was denn? Im Bett liegen und pennen?" In dem Alter braucht man anscheinend viel Schlaf. Liegt sicher an den Hormonen.

"Sie räumt ihr Zimmer um."

"Wow. Schwerstarbeit", schnaube ich sarkastisch. "Will sie noch mehr Platz schaffen, um bunte Bildchen aufzuhängen?" 'Von meinem Mann', füge ich gedanklich hinzu.

"Ganz im Gegenteil." Hm? Ich schaue Mama fragend an. "Sie will die ganzen Bilder abhängen."

Ich fange an zu lachen. "Veräpple mich nicht! Das würde sie doch niemals machen."

"Dann geh, nachsehen. Sie hat schon viel geschafft." Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Als ob Nicole ihre heißgeliebten Keith-Bildchen abhängen würde. Das ich nicht lache. Ha!
 

Bevor ich Nicoles Zimmer betrete, klopfe ich an. "Nicole?"

"Hä?" Ich verdrehe die Augen.

"Das heißt wie bitte. ... Kann ich reinkommen?"

"Klar." Neugierig öffne ich die Tür. Weit bekomme ich sie nicht auf. "Pass auf. Mein Kleiderschrank steht hinter der Tür", ruft Nicole mir zu. Oookay ...

Ich drücke mich durch den Türspalt und stehe vor besagtem Schrank. "Warum steht der hier?", will ich von ihr wissen. Ein sehr ungünstigster Platz für einen Schrank, finde ich.

"Ich brauche Platz. Mein Bett soll dort hin, wo der Schrank war."

"Na dann ..." Erstaunt schaue ich mich um. Die Bilder sind tatsächlich weg! Dort wo sie an die Wand geklebt waren, sind jetzt helle Flecke und Reste von Klebestreifen zu sehen. "Wo sind all die Bilder?"

"Hier." Sie zeigt auf eine Kiste.

"Du machst die ins Altpapier?"

"Was? Nein! Die hebe ich auf", keift meine Schwester mich an. Wäre auch ein Wunder gewesen.

"Und warum hast du die überhaupt abgemacht?" Sie zuckt mit den Schultern und schaut verlegen weg. Langsam fange ich an zu verstehen und grinse breit.

"Etwa weil Meilo kommt?"

"Quatscht!", braust sie auf. Treffer versenkt.

"Und die Aufsteller? Wo machst du die hin?"

"Weiß ich noch nicht." Beinahe hilflos guckt sie sich in ihrem Zimmer um. "So viel Platz habe ich ja nicht." Hm. Mir kommt eine Idee.

"Hör mal. Mama und ich haben darüber nachgedacht, was aus meinem Zimmer wird, wenn ich wieder ausziehe."

"Soll das nicht ein Gästezimmer werden?"

"Wir haben doch die große Ausziehcouch im Wohnzimmer. Und unten im Raum neben Mamas Nähstube steht zur Not noch das alte Ehebett unserer Eltern. Platz für Gäste ist genug da."

"Und was wird dann aus deinem Zimmer?"

"Nimm du es", antworte ich. "Papa könnte einen Durchbruch machen. So wäre dein Zimmer doppelt so groß." Nicole starrt mich ungläubig an.

"Echt?", haucht sie mit großen Augen.

"Echt." Tatsächlich haben wir genau das gestern Abend miteinander besprochen. Für mein Zimmer gibt es keinen Verwendungszweck mehr. Vor meinem Einzug nach Kilians Rausschmiss diente es eigentlich nur als Abstellraum. Größtenteils für meine alten Möbel, da bei Kilian dafür kein Platz war, doch die kann ich jetzt in unserem Haus unterbringen.

"Das ist ja cool!", ruft Nicole und springt mir entgegen. Mir fliegen fast die Ohren weg. "Danke! Danke, danke!" Sie drückt sich an mir vorbei durch die Tür und weg ist sie.

Leicht verdattert bleibe ich zurück. Wie überschwänglich und nett Nicole sein kann, überrascht mich immer wieder.
 

Unschlüssig schaue ich mich in dem kleinen Zimmer um. Es ist total vollgestopft. Und ich rede ausnahmsweise mal nicht von dem ganzen Keith-Kram.

Neben Bett und Schrank verstopfen noch drei Bücherregale und ein Schreibtisch das Zimmerchen. Platz zum Laufen ist nur wenig. Jetzt noch weniger, weil alles durcheinander steht. Auf dem Bett türmen sich Kleidungsstapel. Sicher, damit sie den Kleiderschrank verrücken konnte. Neben dem Bett steht der mit Bildern gefüllte Karton nebst den Pappaufstellern. Langsam gehe ich darauf zu und schaue in den Karton hinein. Fein säuberlich liegen sie da. Lauter geschminkte Versionen von meinem Schatz.

Das erinnert mich an vergangenen Sommer. Wie ich diese Bilder das erste Mal angesehen habe. Hätte ich damals gewusst, dass dieser tuntige Typ eines Tages der Mann an meiner Seite wird, dann hätte ich diese Bilder mit ganz anderen Augen gesehen. Vor allem hätte ich nicht so abfällig über ihn geredet.

Ich nehme eins der Bilder aus dem Karton und betrachte es. Es ist aus einer Zeitschrift ausgeschnitten worden. Mit stechenden Blick schaut Meilo in die Kamera. Heiß. Trotz Keith-Look. Der Blick ist unverkennbar der von Meilo. Meinem Meilo ...

Vom Flur her dringt ein weiterer Freudenschrei Nicoles. Wetten, sie hat mit Mama geredet, die ihr meine Geschichte bestätigt hat? Hoffentlich flippt Nicole jetzt nicht total aus. Wenn sie etwas will, kann sie sehr hektisch und ungeduldig werden.
 

Das Bild flattert mir aus den Händen zurück in den Karton. Seufzend verlasse ich das vollgestopfte Jugendzimmer und laufe ins Wohnzimmer. Keiner da.

Ich haue mich auf die Couch und stelle den Fernseher an. In der Küche höre ich noch immer Nicole quietschen und mit Mama reden. Vielleicht hätte ich ihr noch nichts von den Plänen erzählen sollen ...

"Nic?"

"Hm?" Nicole steht plötzlich vor mir.

"Darf ich in dein Zimmer?"

"Ähm. Ja. Klar."

"Cool!" Fröhlich hüpft mein Schwesterlein davon. In ihrer rechten Hand einen Zollstock.

"Oh Mann", brumme ich, schalte den TV wieder aus und laufe ihr nach.

Als hätte ich es vorhergesagt. Nun flippt sie aus.

Ich bin kaum in meinem Zimmer, da sehe ich sie auch schon vor einer der Wände stehen. Den Zollstock ausgebreitet, misst sie deren Länge und notiert sie sich in ihrem Handy.

"Du weißt schon, dass Meilo und ich hier noch eine Zeit lang wohnen werden", informiere ich sie.

"Ja", sagt sie halb abwesend, ganz konzentriert auf ihr Tun. "Aber ich will schon mal überlegen, wo ich was hinstelle." Innerlich raufe ich mir die Haare. Ich hätte es ihr noch nicht sagen sollen! "Mama meinte, die Zwischenwand kann ganz raus. Das ist nur eine Rigipswand."

"So so ..." Baufirma Nicole zeigt ja vollen Einsatz. "Dann messe mal schön weiter." Nix wie raus hier. Soll sie eben anfangen zu planen, aber bitte ohne mich.

Diesmal gehe ich in die Küche. "Freu dich Mama. Deine Kinder schmieden beide Umzugspläne", sage ich zu meiner Mutter, die über einem Kochbuch brütet, und lasse mich auf einen Küchenstuhl fallen. "Nicole wuselt mit einem Zollstock in der Hand in meinem Zimmer herum."

"Und?", fragt sie mich schleppend. Das Rezept muss ja spannend sein.

"Sag ihr mal bei Gelegenheit, dass ihr Zimmerausbau noch ein paar Wochen warten muss."

"Lass sie doch. Sie freut sich riesig auf ein größeres Zimmer. Du weißt doch, dass sie schon lange herumschmollt, weil sie nur so wenig Platz für sich hat."

"Du meinst so wenig Platz für Keith", verbessere ich sie. Endlich dreht sie ihren Kopf zu mir, anstatt weiter ins Kochbuch zu starren. "Wetten, sobald ich weg bin, hängen die Bilder wieder an der Wand?"

"Dann hängen sie eben." Ich brumme missmutig. Mama fängt an zu grinsen und kommt zu mir an den Küchentisch. "Sag mal, könnte es sein, dass du eifersüchtig bist?" Wie bitte?!

"Eifersüchtig? Ich? Auf was?"

"Darauf, dass deine Schwester immer noch an deinem Lover hängt."

"So ein Unsinn!", zische ich, schaue aber nach unten und mustere die Tischdecke. So ganz Unrecht hat meine Mutter leider nicht. Es stößt mir immer noch auf, dass Nicole Meilo anschmachtet.

"Na ich weiß nicht … Dich regt das alles zu viel auf."

"Pff!"

"Falls es dich tröstet, Nicole hat einen Freund."

Überrascht richte ich meinen Blick wieder auf meine Mutter. "Echt?" Sie nickt. "Doch nicht etwa der Typ, von dem sie die ganze Zeit über geschwärmt hat?"

"Genau der." Was sagt man dazu? Nicole hat einen Freund! Und dann auch noch ihren Schwarm. Wie sie das nur hinbekommen hat?

"Der Arme", scherze ich, was meine Mutter nicht so lustig findet. Sie straft mich mit einem bösen Blick. "War nur ein Scherz!"

"Hoffentlich. Nicole ist nämlich noch ziemlich unsicher und empfindlich in dieser Sache. Das ist ihre erste richtige Beziehung." Die Wörter Schwester und Beziehung wollen in meinem Verstand nicht so recht zusammenpassen, aber nun gut. Ich freue mich für meine kleine Nicole.

"Habt ihr ihn schon kennengelernt?"

"Noch nicht. Papa weiß noch nichts davon." Oha. Der große Häuptling wird nicht leicht zu besänftigen sein. Sein kleines Mädchen wird erwachsen und hat einen festen Freund. Das wird ihm wieder einige graue Haare bescheren. Die ersten grauen Strähnen hat er damals von mir bekommen, als wir ihm sagten, dass ich ihm niemals eine schöne Schwiegertochter mit nach Hause bringen werde. Er war nicht sauer deswegen, aber er hatte daran zu knabbern, auch wenn er das niemals zugegeben hat.

"Wann wollt ihr es ihm sagen?"

"Das muss Nicole wissen."

"Wie?" Ich mache große Augen. "Du hältst dich da raus?" Ein einfaches Nicken ihrerseits. "Seit wann hältst du dich aus den Liebesangelegenheiten deiner Kinder?"

Sie stürzt die Lippen. "Bei Nicole muss man behutsam vorgehen. Du weißt doch, wie schnell sie beleidigt ist und in die Luft geht."

"Danke, dass du bei mir ebenfalls so behutsam warst", erwidere ich eingeschnappt und verschränke beleidigt die Arme vor der Brust.

Ich bin nicht wirklich beleidigt, aber überrascht. So viel Zurückhaltung hätte ich meiner Mutter niemals zugetraut.

"Wenn ich Zeit habe, bemitleide ich dich vielleicht mal", 'tröstet' meine Mutter mich und steht wieder auf, um weiter im Kochbuch zu blättern.

"Danke. Sehr nett von dir." Sie lächelt mir zu und ich beschließe, mich mal wieder meinem Programm zu widmen. Vorausgesetzt, Nicole ist fertig mit Ausmessen.
 

******

Love bite 61 - Zielgerade

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 61 - Zielgerade (Ohne Adult)

FROHES NEUES!!!! ^^

Das neue Jahr hat begonnen. Seid ihr auch alle gut reingekommen? Bei uns war alles ganz entspannt.

Ihr fragt euch sicher, wie Meilos und Nics Silvester war. Die Frage beantworte ich euch natürlich gern.

Also kramt eure Feierlaune von gestern wieder raus, stellt den restlichen Sekt kühl und es kann los gehen! ^^
 


 

Love bite 61 - Zielgerade (Ohne Adult)
 

"Nic? ... Nic!"

"... Ja!? …"

"Kommst du?"

"Gleich!" Ohhh Mann!

"Beeil dich mal!"

"Versuche ich ja! ... Hnnnn... Fuck! Du Mistding!" Wie ein Irrer ziehe ich an der schweren Kiste vor mir, doch ich bekomme sie nicht aus der Ecke heraus. Sie verkantet sich immer wieder an den Regalbeinen der Holzregale, zwischen denen sie steht. "Scheiße! Ich hab doch keine Zeit!", zetere ich, doch das beeindruckt die zickige Kiste nicht im Geringsten. Es rumpelt laut, das Regal wackelt, die Kiste knarrt, aber sie wehrt sich weiterhin hartnäckig dagegen, aus ihrer Ecke herauszukommen.

"Verdammte Scheiße!" Ich lasse sie los und richte mich auf. Laut pustend schaue ich die Kiste böse an und grüble nach einer Lösung. Möglichst eine, bei der ich nicht die ganzen vorderen Kisten wegtragen muss, die mir noch zusätzlich im Weg stehen. Leider will mir nichts anderes einfallen, bis auf Kisten schleppen. "Welcher Dämmlack hat die Champagnerflaschen auch ins hinterste Eck gestellt?", knurre ich den leeren Raum an. "Das hat mir heute wirklich noch gefehlt."

"NIC?!"

"KOMME GLEICH!" Himmel-Sakrament-nochmal!

Noch einmal puste ich laut, wobei mir die Haare auf der Stirn nach oben wehen. Ich müsste mal wieder zum Frisör. "Aber erst einmal brauche ich diese beschissenen Flaschen." Und das geht nur auf eine Weise: Ich muss die vorderen Kisten wohl oder übel doch schleppen. "Dann mal ran an den Speck. Sonst komme ich heute niemals hier raus."
 

Vorn im Laden ertönt wieder die Türglocke. Hoffentlich ist ein Kunde gegangen, und kein neuer hineingelatscht gekommen.

Es ist kurz vor zwölf, und der Laden steht immer noch voll einkaufswütiger Leute, die noch etwas für ihren Silvesterabend kaufen wollen. Vorzugsweise Champagner und Sekt, der natürlich vorn im Laden gerade ausgegangen ist, weswegen ich nun Kisten-Tetris spielen darf.

Zwischendurch schiele ich auf die Uhr. "Mist! Fünf vor!" Das wird nix mit pünktlich Feierabend machen. "Oh Meilo. Wenn das so weitergeht, sehen wir uns dieses Jahr gar nicht mehr." Das bedeutet: Beeilung Nic! Kiste her, Kunden bedienen und dann Vollgas!

Ich komme ins rotieren und werde hektisch. Ich muss das schaffen!

Kiste um Kiste wandert an einen anderen Platz. Mein Rücken protestiert nach Kiste Nummer neun lautstark, aber sei es drum. Die Meilo-Silvester-Uhr tickt. Mit jeder Sekunde lauter.

Sie wird erst leiser, als ich endlich die lang ersehnte Kiste freigelegt, sie geöffnet, und ein Paar Flaschen herausgeholt habe. Nichts wie in den Laden!
 

"Na endlich Nic. Die Kunden warten."

"Ging nicht schneller", zische ich KP zu. "Jemand hat die Kiste ganz hinten in die tiefste Ecke gequetscht. Ich hab sie kaum rausbekommen."

"Ist ja egal jetzt. Geh schnell bedienen."

"Aye, aye KaPitän." Kapiert? KP.

Immerhin bin ich nicht der Einzige, der dringend Feierabend möchte. Unser KaPitän KP hat es ebenfalls eilig. Auch auf ihn wartet sein Liebster.

Tja. Aber ein Blick in den Laden verrät abermals: das wird nix mit pünktlich Feierabend machen. Da haben wir beide heute die Arschkarte gezogen.

Dennoch versuchen wir beim Bedienen nicht gehetzt zu wirken, bleiben freundlich und arbeiten einen Kunden nach dem anderen ab. Schließlich freut es mich ja auch, dass der Laden meines Chefs so gut läuft. Liegt ja auch in meinem Interesse.

Als der Laden um zwanzig nach zwölf endlich leer ist und die Kasse voll, gibt KP Fersengeld und dreht den Schlüssel in der Tür um. "Wir haben es geschafft", schnauft erledigt.

"Was für ein Andrang!" Jean lehnt sich sichtlich erschöpft gegen die Theke. "Damit hätte ich nicht gerechnet."

"Ist doch gut", grinst mein Chef.

"Sie hätten nur etwas eher hier antanzen können. Jetzt muss ich mich erst recht beeilen", sage ich mit einem weiteren Blick auf die Uhr.

"Ach du willst heute ja noch nach Berlin." Ich nicke Jean zu.

"Dann gebe ich dir gleich mal deinen Lohn, damit du los kannst." KP läuft zur Kasse, aber ich winke ab.

"Gib es mir nächstes Jahr. Ich mach mich sofort vom Acker." Nicht mal die kleinste Sekunde will ich verlieren.

"Na schön", meint KP achselzuckend, grinst dabei aber wissend. "Dann dir viel Spaß in Berlin, Gruß an Meilo und euch beiden einen guten Rutsch."

"Danke." Den werden wir haben. "Euch allen auch. Tschau!" Ich winke meinem Chef und meinen Kollegen flüchtig zu und verziehe mich nach hinten, wo ich meine Sachen schnappe und zum Hinterausgang spurte. Dort steht mein kleines Auto schon parat, blinkt mir fröhlich zu, als ich es mit einem Knopfdruck entriegele, und mich hinters Steuer setze. "Und los geht's!", juble ich froh, endlich los zu können.

Ist das zu glauben? Heute ist es das letzte Mal, dass ich zu Meilo fahre, während er als Keith Kandyce auf der Bühne steht. Danach können wir endlich ein gemeinsames und vor allem beständiges Leben beginnen. Ich kann es echt nicht mehr erwarten! Meilo und ich. Endlich unzertrennbar.
 

***
 

Dieses mal habe ich größeres Glück bei der Parkplatzsuche. Ich bekomme ein feines Plätzchen fast genau vor Meilos Wohnung. Das ändert leider nichts an der Tatsache, dass Meilo sie schon längst verlassen musste. Dank der längeren Arbeitszeit und eines Staus auf dem Weg hier her, haben Meilo und ich uns doch verpasst. Seine SMS kam vor gut einer Viertelstunde bei mir an. 'Muss los. Ich kann nicht länger auf dich warten. Sehen uns nachher. Kuss :-*' Echt deprimierend!

Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als allein in seiner schon teilweise ausgeräumten Wohnung auf ihn zu warten. Was für ein bescheidenes Silvester. Bleibt zu hoffen, dass wir uns noch vor dem Jahreswechsel sehen können. Allerdings glaube ich nicht, dass es Meilo bis dahin noch schafft. Die Zeit ist einfach zu knapp und die Straßen zu vollgestopft. Ich werde mit Meilo wohl oder übel nachfeiern müssen. Na ja. Es gibt eindeutig schlimmeres. Und die Aussicht, auf das, was nach dieser Silvesternacht kommt, entschädigt beinahe alles. So glücklich wie heute war ich schon lange nicht mehr. Fühlt sich echt gut an, wenn man weiß, dass man so kurz davor ist, auf die Zielgerade zuzusteuern.
 

Meine Tasche über die Schulter gehängt, verschaffe ich mir mit den Zweitschlüsseln Zutritt zu Meilos Wohnung.

Als ich sie betrete und das Licht einschalte, die Ernüchterung. Arg gemütlich wird der Abend für mich jedenfalls nicht. Bis auf den großen Esstisch und den dazugehörigen Stühlen gibt es hier gar keine Möbel mehr. Einzig der große Fernseher hängt noch an der Wand, und der Blick ins Schlafzimmer zeigt, dass das Bett auch noch steht. Nur doof, dass die Couch schon auf den Weg in unser neues Heim ist. Eines der wenigen Möbelstücke, die Meilo behalten möchte.

"Dann muss ich wohl oder übel mit den Stühlen Vorlieb nehmen", seufze ich in die Stille der kargen Wohnung hinein und stelle meine Tasche im Flur ab. Doch zuvor begebe ich mich in die Küche. Meilo hat den Kühlschrank nochmal extra für mich füllen lassen. Meinen Magen freut es umso mehr. Der knurrt schon seit meinem Aufbruch vorhin.

Mit ein paar belegten Toasts und einer in Stücke geschnittenen Tomate setze ich mich an den Esstisch. Mit Blick Richtung Stadt.

Ich könne auch die Glotze anschalten, aber ich möchte nicht. Nach dem turbulenten Vormittag und der stressigen Fahrt tut mir die Stille ganz gut.

Nachdem ich fertig gegessen habe, räume ich alles ordentlich weg und spüle das benutzte Geschirr ab. Ich weiß ja nicht, was damit morgen geschehen wird. Ich glaube nicht, dass Meilo es mitnehmen möchte, aber man weiß ja nie.
 

So vergehen die Stunden. Mal döse ich vor mich hin, spiele mit meinem Handy oder versinke in der Betrachtung der Stadt vor mir. Kurz um: Mir ist langweilig. Genau das schreibe ich Meilo.

Seufzend lege ich das Handy neben mir auf den Tisch und stütze mein Kinn mit der Hand ab. Auf eine Antwort kann ich bestimmt lange warten. Meilo hat sicherlich eine Menge um die Ohren. Ich schaue auf die Uhr. Halb zehn schon. Oder erst. Je nachdem, wie man es betrachtet.

Mein Oberkörper kippt nach vorn und ich komme auf meinen verschränkten Armen zum Liegen. Hm. Nach der ganzen Rennerrei müffle ich etwas, bemerke ich gerade. Duschen wäre keine schlechte Idee. Und wer weiß? Vielleicht vergeht die Zeit ein bisschen schneller, wenn ich mich einer ausgiebigen Dusche hingebe. Einen Versuch wäre es wert. Und besseres habe ich sowieso nicht zu tun.

Ich schnappe mir frische Kleidung aus meiner Tasche und verziehe mich damit ins Bad. Eine Gänsehaut überläuft mich. Die Heizung ist runtergedreht. Eilig drehe ich sie bis zum Anschlag auf und stelle die Dusche an. Wenigstens muss ich nicht auch noch auf warmes Wasser warten. Innerhalb kürzester Zeit steigt wohlig-warmer Wasserdampf auf.

Schnell ziehe ich mich aus und springe unter den angenehm warmen Wasserstrahl. Himmlisch!

Anfangs mache ich nichts anderes, als das Gefühl des auf mich niederprasselnden Wassers zu genießen. Dann allerdings, als ich nach der Duschgelflasche greife, suchen mich die Erinnerungen der letzten Dusche hier drinnen heim. Als Meilo und in dieser relativ großen Duschkabine ziemlich eng beieinander gestanden haben. Und erst das, was wir dabei miteinander angestellt hatten ...

Laut ausatmend gebe ich einen Klecks Duschgel auf meine Handfläche und stelle die Flasche zurück. Immer noch in Gedanken verteile ich es fahrig auf meinem Oberkörper. Dabei schließe ich die Augen und lege den Kopf leicht in den Nacken. Sofort wird mein Kopfkino lebendiger.

Meilo, der nackt, wie Gott ihn schuf, zu mir in die Kabine tritt. Er lächelt spitzbübisch und umfasst sehnsüchtig meine Hüftknochen. "Darf ich?"

"Aber immer", antworte ich ihm in meiner Fantasie mit rauer Stimme. Umgehend pressen sich unsere Körper aneinander. Sie greifen wie immer perfekt ineinander. Wie zwei Zahnräder.

Lippen legen sich auf meine, beginnen, an meiner Unterlippe zu saugen. Seufzend umschlinge ich Meilos Nacken, während sich seine forsche Zunge durch meinen leicht geöffneten Mund stiehlt. Wasser rinnt an uns hinab und macht unsere Haut schlüpfrig.

Meilos Hände setzen sich in Bewegung, wandern zu meinem Hintern und umfassen ihn begehrlich. Mit entfleucht ein dunkles Stöhnen.

Oh Meilo ... Wäre er jetzt doch nur in Fleisch und Blut bei mir!

Es ist lange her, dass ich mich auf diese Weise selbst 'behandeln' musste. Aber allein in Meilos Wohnung zu sein, ohne ihn, lässt meine Sehnsucht nach ihm immer größer werden, als sie sowieso schon ist.

Eigentlich total bescheuert. Wir haben uns doch erst vor ein paar Tagen gesehen. Meine Meilo-Sucht kennt bald keine Grenzen mehr. (Mal Hand aufs Herz. Hat es die überhaupt schon mal gegeben, diese Grenzen?) Wie gut, dass ich sie nach dem heutigen Tag vollends ausleben kann. Doch bis dahin behelfe ich mir eben selbst. Allein ... in Meilos Dusche ... So weit ist es also schon mit mir gekommen.
 

***
 

Gott, wie unbequem!

Ich spanne genervt meinen Hintern an. Dennoch keine spürbare Linderung in Sicht. Noch um einiges genervter stehe ich auf und laufe zur Küchenzeile, um mir Wasser für einen Tee aufzusetzen. Fernsehen gucken ist hiermit gestrichen. Wie will man sich auch in Ruhe einen Film anschauen, wenn man auf einem harten Esszimmerstuhl hocken muss? Gar nicht, sage ich.

Gelangweilt lehne ich mich gehen einen der Küchenschränke und warte darauf, dass das Wasser zu kochen beginnt. In Gedanken versunken spiele ich mit dem Papierfähnchen des Teebeutels.

Als ich vorhin auf die Uhr geschaut habe, was es bereits kurz nach elf, aber mir kommt es so vor, als würde ich schon seit Tagen in dieser Wohnung festsitzen. Außerdem hat sich Meilo immer noch nicht auf meine SMS hin gemeldet.

Vor lauter Frust habe ich mich dann vor die Glotze gehockt und auf den Sender geschaltet, der die Veranstaltung ausstrahlt, in der Meilo auftritt. Zwei mal habe ich ihm sogar gesehen, doch seinen Auftritt hat er noch nicht hinter sich gebracht.

Das laute Blubbern des Wassers lässt mich aufschrecken. Tea time.

Bewaffnet mit der gefährlich vollen Teetasse latsche ich zurück zu meinem verhassten Stuhl. Trotz aller Unbequemlichkeit. Mir fehlen die Alternativen. Ins Bett will ich auf keinen Fall. Hinterher verpenne ich, und bin nicht willens aufzustehen, wenn Meilo endlich kommt.

Gerade, als ich wieder sitze, piepst mein Handy, das auf dem Esstisch liegt. Das muss er sein!

Die Tasse wandert vor mir auf den Boden und ich hechte los.

Tatsächlich! Meilo hat geschrieben.

'Komm vorbei! Mein Auftritt fängt gleich an, danach haue ich hier ab.' Was? Ich lese die Nachricht noch ein weiteres Mal. Ich soll vorbei kommen? Zum Studio?

Ehe ich mich noch mehr wundern kann, piepst mein Handy erneut. Eine Adresse und der Hinweis, dass ich zum Hintereingang fahren soll. Der Pförtner wüsste Bescheid. Ich solle mich als Herrn Großfels' Abholdienst ausgeben.

"Okay", murmle ich und schicke Meilo einen erhobenen Daumen, dass alles klar geht.
 

Bis ich angezogen bin, mein Navi startklar gemacht habe und runter zum Auto gehechtet bin, vergehen gut zwanzig Minuten. Das heißt, es ist schon halb 12 durch.

Draußen auf den Gehwegen ist dementsprechend der Teufel los. Böller explodieren, kleine Kracher fliegen durch die Luft, angetrunkene Menschen taumeln umher, obwohl es noch nicht mal zwölf ist. Ich komme nur langsam voran.

Und so kommt es, wie es kommen muss: Es vergeht eine weitere Stunde, ehe mein Navi mir verkündet, dass ich angekommen bin. Nach Mitternacht natürlich, aber das war mir ja schon von vornherein klar.

So. Und wo ist hier der Hintereingang? Ich halte am Straßenrand. Eindeutig der Vordereingang. Kreischende Teenies stehen vor einem hohen Zaun. Dahinter drei bullige Sicherheitsmänner, die mit jeder einzelnen Faser ihres Körpers sagen: Ihr kommt hier nicht rein.

Die frage ich mal lieber nicht, wo sich der Hintereingang befindet. Hinterher rennen die ganzen schreienden Teenies ebenfalls dorthin.

Ich schaue mir die Anzeige auf dem Navi genauer an. Dort ist das gesamte Gelände zu sehen. Wenn ich die nächste Seitenstraße hineinfahre, müsste ich dort irgendwo sicherlich den Hintereingang finden.

Ich fahre los und habe Glück. Nur zweimal rechts abgebogen, sehe ich die von Meilo erwähnte Schranke.

Der Pförtner mustert mich gründlich. "Ich bin der Abholdienst von André Sotterbach zu Großfels." Der Pförtner nimmt mich genauer unter die Lupe. Dabei zuckt eine seiner Augenbrauen nach oben. Ein Grunzen folgt, dann ein knappes Nicken. Die Schranke öffnet sich vor mir. "Danke und eine fröhliches neues Jahr Ihnen", trällere ich dem Pförtner freundlich zu und fahre los.
 

Der Parkplatz ist recht überschaubar. Zwei Limos stehen quer über eine ganze Reihe eingezeichneter Parkplätze geparkt. Gegenüber steht ein kleiner Reisebus. Drinnen ist dämmriges Licht zu sehen. Ich stelle mich nahe der Limos, da man von dort den besten Blick auf die weiße Doppelflügeleisentür des großen Studios hat.

Auch dort stehen Menschen. Ich zähle sieben Personen. Zwei Männer, eindeutig Security, und fünf Frauen. Sie haben Backstagepässe um ihre Hälse baumeln. Ein Paar von ihnen qualmen Zigaretten. Sehr nette Runde. Ich bleibe definitiv im Auto sitzen.

Nur noch kurz Meilo eine SMS schreiben, dass ich angekommen bin und im Auto sitzen bleibe, dann heißt es zum tausendsten Mal heute: Warten.

Wenigstens wird es das letzte Mal sein, dass ich darauf warte, dass Keith Kandyce endlich meinen Freund wieder hergibt.
 

***
 

Mein Blick wandert auf die Tankanzeige. Noch ist sie halb voll. Ich muss also nicht befürchten zu erfrieren. Trotzdem könnte mein Schatz langsam mal antanzen. Ich warte schon eine geschlagene halbe Stunde auf ihn.

Vorn an der Tür hat sich nicht viel verändert. Ein junger Kerl ist noch zu den fünf Tussen und den beiden Sicherheitsmännern hinzugestoßen. Ansonsten ist die Lage ruhig.

Leise seufzend stelle ich das Radio aus und halte meine Hände vor die Heizungsschlitze. Tut das gut! Wenn das noch länger dauert, verwandle ich mich noch in einen Eiszapfen. Dann kann Meilo zusehen, wie er mich wieder enteist bekommt.

In meiner Jackentasche piepst es. Eine SMS. "Na endlich!"

'Gib mir zehn Minuten! Dann bin ich dein! :-D' Ich grinse dämlich vor mich hin. In zehn Minuten gehört er ganz und gar mir. Daran werde ich ihn heute Nacht sicher nochmal erinnern. Hehe.

In freudiger Erwartung stelle ich den Motor ab und steige aus. Vorsichtshalber bleibe ich am Auto stehen. Mir sitzt immer noch die Angst im Nacken, jemand von Meilos Management könnte mich sehen und er dadurch doch noch Ärger bekommen.
 

Ungeduldig tapse ich von einem Fuß auf den anderen. Nicht nur, weil mir kalt ist.

Und dann geht endlich die Tür auf und Meilo, bepackt mit einer großen Sporttasche, tritt daraus hervor. Oder vielmehr Keith. Er trägt immer noch das Outfit, das er im Studio getragen hat. Das hat leider Folgen.

In die fünf Tussis und der sich neu dazugesellte Junge kommt hektisches Leben. Sie stürmen auf meinen Meilo ein, eine schreit sogar hysterisch und probt einen regelrechten Aufstand, bevor sie ihn anspringt. Jawohl! Richtig gehört. Sie springt meinen Mann an!

Mir bleibt bei dem Anblick das Herz stehen. Doch der Schreck hält nicht lange. Ich eile zu dem Spektakel, bleibe dann allerdings auf halber Strecke stehen. Die Sicherheitsmänner haben sich zwischen Meilo und den wartenden Fans geschoben, und geleiten ihn nun zu mir.

Erleichtert entweicht die Anspannung aus mir.

"Hey. Sind Sie mein Abholdienst?", fragt Meilo mich frech grinsend.

"Ich weiß nicht", erwidere ich nachdenklich. "Sind Sie dieser Keith Kandyce?"

Meilo bleibt dicht vor mir stehen. Die Sicherheitsmänner haben bereits den Rückzug angetreten. "Keith Kandyce?" Meilo guckt mich verwirrt an. "Noch nie von ihm gehört. Ich bin Meilo und warte hier auf meinen Verlobten." Mit einem süßen Lächeln auf den grell geschminkten Lippen legt er seine Arme um meinem Nacken. Sofort wandert mein Blick besorgt zu seinen Fans. Sie beobachten uns!

"Meilo! Die können uns sehen!" Ich versuche mich aus seiner Umarmung zu befreien, aber er lässt das nicht zu. "Die können mich mal", raunt er mir zu und verpasst mir einen Kuss. Mir wird heiß. Jedoch nicht von dem Kuss.

Fast panisch schiebe ich Meilo von mir. Der sieht mich verdutzt an. Ich räuspere mich und widerstehe dem Drang, hinüber zu den Backstagepass-Trupp zu schauen. "Lass uns lieber erstmal ins Auto steigen", krächze ich und marschiere auch schon los.

Wie kann er mich einfach vor denen abknutschen?! Ist es ihm egal, dass er dadurch vielleicht doch noch Ärger bekommen könnte?
 

"Seit wann bist du verklemmt?" Meilo grinst mich von der Seite an. Er sitzt neben mir und schnallt sich gerade an.

Ich tue es ihm gleich und starte anschließend den Wagen. "Seit wann gibst du dich so freizügig vor deinen Fans?", stelle ich die Gegenfrage.

"Ach." Meilo macht eine abwehrende Handbewegung. "Das war ein unschuldiger Begrüßungskuss."

"Und wenn die Fotos gemacht haben?"

"Ich habe keine Blitze gesehen. Im Dunkeln wäre das nicht schlecht gewesen." Ich schnaube bloß, auch wenn ich erleichtert bin, weil ich weiß, dass er recht hat, und biege auf die Straße ein. "Dann willst du das nächste Mal keinen Neujahrskuss von mir?", schmollt mein Schatz.

"Oh." Treffer versenkt. "Stimmt ja." Vor lauter Schreck wegen dem anhänglichen Groupie und dem Kuss vor versammelter Mannschaft habe ich unseren Neujahrskuss total vergessen.

Ein kurzer Blick in den Rückspiegel. Niemand hinter mir. Mit quietschenden Reifen bleibe ich mitten auf der Straße stehen. Gut, dass ich noch nicht auf die Hauptstraße abgebogen bin. Meilo schmunzelt leise. "Ich hoffe, die Entschuldigung für dein unverschämtes Verhalten fällt gebührend aus."

"Darauf kannst du Gift nehmen", seufze ich hektisch, schnalle mich wieder ab und beuge mich rüber zur Beifahrerseite. Hart presse ich meine Lippen auf Meilos und lege meine Hand in seinen Nacken, um ihn dichter an mich zu ziehen.

Meilo keucht leicht überrascht, allerdings kann ich spüren, wie er grinst.

Atemlos* trennen wir uns wieder, als ein anderer Wagen uns hupend überholt. Hm. Vielleicht hätte ich die Warnblinker anmachen sollen. Kaum zu ende gedacht, drückt mein Finger schon auf das kleine Dreieck.

"Haben wir eine Panne?", erkundigt sich Meilo belustigt bei mir.

"So etwas ähnliches", erwidere ich bloß und setze unseren Kuss fort.

Blind angle ich nach dem Hebel des Beifahrersitzes, der die Rückenlehne nach hinten sausen lässt. Als Meilo zusammen mit ihr runter rattert, lacht er auf und zieht mich mit sich. Ich lande mit dem Oberkörper schräg auf seinem Brustkorb. Eine mehr als unbequeme Lage. Deshalb klettere ich umständlich über den Schaltknüppel und setze mich breitbeinig auf seinen Schoß.

"Was wird das?", fragt er mich immer noch höchst belustigt.

"Ein Überfall", raune ich ihm zu und falle über seinen Hals her. Er schmeckt salzig und auch nach Make-Up. Igitt!

Ich verziehe das Gesicht und schaue auf Meilo hinab. "Du schmeckst wie eine Puderdose."

Meilos Nase kräuselt sich. Putzig. "Na vielen Dank auch", schnauft er. Beleidigt schiebt er mich von sich. "Ich hatte keine Zeit mehr zum Duschen oder Abschminken. Sonst hättest du noch länger warten müssen." Während ich zurück auf den Fahrersitz gleite, beginnt mein beleidigtes Leberwürstlein in seiner Sporttasche zu kramen, die er vorn im Fußraum verstaut hat. Zum Vorschein kommt ein großer Kulturbeutel.

"Das sollte kein Vorwurf sein. Nur eine Anmerkung", schmunzle ich und beobachte Meilo dabei, wie er sich Keith Stück für Stück von Gesicht und Hals abschmiert. Ein bedeutsamer Moment. Adieu Keith. Mögest du in Frieden ruhen und uns nie wieder auf den Geist gehen.
 

"So! Alles weg!", verkündet Meilo nach getaner Arbeit und stopft den Kulturbeutel wieder in die Tasche.

"Oh hallo schöner Mann", tue ich überrascht. "Wo kommen Sie denn so plötzlich her?"

Meilo stürzt die Lippen und legt den Kopf schräg. "Aus dem Märchenwald. Guck." Er wischt sich mit den Handflächen über die Oberschenkel. Goldener und silberner Glitzerstaub fliegt durch mein Auto.

"Ey! Hör auf! Du saust ja alles ein!" Immer dieser Glitzerkram!

Meilo grinst frech. "Nicht aufregen. Ist doch heute das letzte Mal, dass ich glitzere." Das stimmt mich wieder milde. Sehr milde.

Lächelnd ignoriere ich, dass meine Karre nun aussieht, wie ein ganzer Feenwald, und beuge mich erneut rüber zu Meilo. "In Ordnung. Es sei dir verziehen mein Schatz." Ein inniger Kuss folgt.

In diesem Moment bin ich so glücklich, dass dieses Keith-Zeug endlich der Vergangenheit angehört, dass ich mich von Meilo trenne, überschwänglich wieder den Motor starte und Meilo unternehmungslustig anschaue. "Und wohin wollen wir jetzt? Oder hast du nach dem Abend überhaupt noch Lust zu feiern?"

Meilo wackelt mit den Augenbrauen und greift abermals in die Sporttasche. "Schau mal, was ich aus dem Studio hab mitgehen lassen", verkündet er und hält eine grüne Flasche hoch. "Schampus." Damit lässt es sich definitiv ordentlich feiern.

"Ich wusste gar nicht, dass du kleptomanisch veranlagt bist."

"Bei teurem Schaumwein immer", lacht Meilo und pfriemelt am Verschluss herum.

Er schafft es, den Korken aus der Flasche zu bekommen, ohne mein Auto dabei einzusauen, oder die Windschutzscheibe zu durchlöchern. "Beeindruckend", lobe ich. "Als hättest du das schon unzählige Male gemacht."

"Man lernt gewisse Dinge, wenn man in einem Hotel aufwächst", meint mein Schatz achselzuckend und trinkt anschließend einen Schluck. "Nicht schlecht", lautet sein abschließendes Urteil. "Nur schon etwas zu warm."

"Bekomme ich auch was?" Der macht mir den Mund wässrig. Ich will auch teuren gestohlenen Schampus! Besonders, wenn ich ihn nicht aus dem hintersten Eck eines Regals zerren muss.

"Erst, wenn du dein Auto bei mir geparkt hast."

Ich horche auf. "Bei dir? Wollen wir doch nicht Berlin unsicher machen?"

"Doch. Aber nicht per Auto." Er wedelt mit der Flasche. "Betrunken Auto fahren kommt nicht so gut." Wo er recht hat, hat er recht.

Also düse ich wieder durch den Stadtverkehr zu Meilos noch-Wohnung. Diesmal geht es wesentlich schneller. Es könnte aber auch so sein, dass es mir nur so vorkommt.
 

Wie auch immer, als wir ankommen, beeilen wir uns, um aus dem Auto zu kommen. "Magst du dich schnell umziehen? In dem Fummel erkennt dich doch jeder." Ich deute mit dem Zeigefinger auf Meilos Glitzerfummel.

Er schaut an sich herunter. "Hn. Besser wäre es."

"Sehe ich auch so", pflichte ich ihm bei und schmiege mich an ihn. "Ich will ja nicht, dass ausgerechnet jetzt, wo du endlich nur mir gehörst, dich die Fans vor meinen Augen auseinander nehmen."

"So so ...", kichert Meilo. "In diesem Fall, sollte ich mich tatsächlich lieber umziehen." Das verruchte Funkeln in seinen Augen lässt mein Herz schneller schlagen. Nichts wie rein in die gute Stube!

Meilo schnappt sich seine Tasche und schmeißt die Beifahrertür schwungvoll zu. Das Auto verriegelt, ziehe ich Meilo an der Hand hinter mir her. Glücklicherweise ist die Straße vollkommen Menschenleer und wir kommen ungesehen am Haus an.

Alle Bewohner scheinen entweder in ihren Wohnungen zu sein, oder vorn an der Hauptstraße, wo teilweise immer noch gefeiert wird.

Oben in der Wohnung wirft Meilo seine Tasche einfach neben meine. Nachdenklich kratzt er sich am Kopf. "Ist was?", frage ich nach.

"Ich glaube, ich habe gar nichts gescheites mehr zum Anziehen hier", überlegt Meilo laut. "Das ist alles schon im Umzugswagen."

"Und was wolltest du morgen anziehen?", lache ich über die Dusseligkeit meines Liebsten.

"Dafür habe ich noch was da", beruhigt er mich. Schade. Ein nackter Meilo auf meinem Beifahrersitz hätte auch etwas für sich. Nur würden wir da hundert pro Ewigkeiten für die Heimfahrt brauchen. Ganz zu schweigen von der Frage, wie ich ihn dann ungesehen ins Haus meiner Eltern bekomme.

"Ich könnte dir etwas von mir leihen", schlage ich vor. "Meine Oberteile könnten dir passen. Nur mit den Hosen dürfte es eng werden." Meilo ist kräftiger gebaut als ich.

Meilo wirkt skeptisch. "Was hast du denn dabei?"

"Schauen wir mal nach." Ich hocke mich vor meine Tasche und hole alles raus was drinnen ist. "Wie gut, dass ich gleich mehr eingepackt habe", plaudere ich drauf los und reiche ihm ein Kleidungsstück nach dem anderen. Viele sind es zwar nicht, aber für ihn ist bestimmt was dabei.

"Gib mal das nochmal." Meilo deutet auf ein Oberteil in Jeansblau und hält es sich vor die Brust. "Was meinst du? Wenn ich die Hose hier einfach anlasse?" Ich zucke mit den Schultern. "Sie gefällt dir nicht", schlussfolgert Meilo.

"Sie glitzert."

"Passt doch." Meilo grinst triumphierend. "Ich springe schnell unter die Dusche und probiere es an, ja?" Ich nicke bloß. Nur nicht an die Dusche denken! Bei meinem Glück kriegt Meilo noch was spitz. Also nicht verräterisches tun, Nic.

Meilo trollt sich ins Badezimmer und lässt mich allein zurück.

Eilig räume ich meinen Kram wieder in die Tasche, greife sie mir, inklusive Meilos, und trage sie ins Schlafzimmer. Dort landen sie wieder auf dem Boden und ich auf dem Bett.

Meine Augenlider werden schwer. Ist auch nicht groß verwunderlich nach diesem stressigen Tag. Das Gehetze fing heute morgen schon an.

Nicole hatte das Badezimmer belagert, die Kaffeemaschine wollte nicht so wie ich und dann konnte ich meinen Autoschlüssel nicht fingen. Meine Mutter hat ihn dann zum Glück gefunden. In einer meiner dreckigen Hosen. Wie der da hingekommen ist, keine Ahnung. Ich bin mir sicher gewesen, dass ich ihn wieder ans Schlüsselbrett gelegt habe. Aber so ist das manchmal. Man wird mit den Jahren alt und schusselig ...
 

"Nic? ... Hey Süßer." Ich schrecke auf. Jemand berührt mich an der Schulter. "Nicht einschlafen." Meilo lächelt auf mich hinab.

"Oh", krächze ich. "Sorry." Bin ich echt eingenickt?!

Meilo setzt sich neben mich und streichelt mir durchs Haar. "Müde?"

"Ach was", lüge ich. "Nur ein bisschen ausgeruht vor der Partytour."

"Ah ja." Meilo glaubt mir nicht. Deshalb setze ich ein strahlendes Lächeln auf und richte mich auf, denn was ich auf keinen Fall will, ist, dass unser erstes gemeinsames Silvester ins Wasser fällt, bloß weil ich müde bin. Ich muss mich zusammenreißen. Sobald ich über meinen müden Punkt hinweg bin, geht's wieder.

"Hast du mein Shirt schon anprobiert?" An hat er es jedenfalls nicht. Bis auf ein Handtuch ist er nämlich gänzlich unbekleidet.

"Noch nicht", verneint er. "Ich muss noch schnell Unterwäsche holen."

"Achso. Na dann tu das mal." Ich lasse mich wieder in die weichen Laken fallen.

Mein Meilolein steht derweil wieder auf, läuft zum Kleiderschrank und nimmt sich eine Pantie heraus. Viel mehr ist da auch gar nicht mehr drinnen.

Mir wollen gerade wieder die Augen zufallen, da sehe ich schemenhaft, wie mein Verlobter das Handtuch fallen lässt. Wie soll ich denn da die Augen schließen können?

Lüstern starre ich auf seinen Knackpo. Das macht er doch extra! So wie er langsam und sexy in den Schlübber steigt, kann das kein Zufall sein.

Ich atme laut aus. Am liebsten würde ich jetzt aufstehen und ihm das Ding wieder runter reißen. Hm. Wieso eigentlich nicht?

Ehe Meilo sich wieder vom Schrank weggedreht hat, bin ich auch schon bei ihm. Er schmunzelt leise, als ich meine Arme von hinten um seinen Bauch schlinge, und meine Nase in seinen Nacken drücke. Da kommt mir doch eine Idee.
 

Zärtlich fahre ich dort mit meinen Lippen hin und her, bis ich einen geeigneten Platz gefunden habe, an dem ich mich festsaugen kann.

"Du willst mir einen Knutschflecken verpassen?", amüsiert er sich.

"Hmhm", mache ich nur, damit ich auch ja weiter an Meilos Nacken saugen kann. Jetzt darf ich das. Endlich kann ich Meilo auch an öffentlichen Stellen 'markieren'. Damit jeder sehen kann, dass er mir gehört. Meins, meins, meins!

Als ich mir hinterher mein Werk anschaue, grinse ich zufrieden. Genau so muss ein Knutschfleck aussehen. Schön tief Kirschrot.

"Alles zu Ihrer Zufriedenheit?", höre ich Meilo fragen.

"Vollends", bestätige ich.

"Kann ich mich dann wieder anziehen?" Wie bitte?! Er will sich anziehen? Wo ich gerade so verdammt dicht an seinen Hintern gepresst stehe, meine Hände auf seinen Bauch und mich ihm regelrecht an den Hals schmeiße?

Na warte! Die gebe ich anziehen! Aber vorher pelle ich dich nochmal aus deinem Höschen mein Freund. Doch erst, wenn du mich darum anbettelst, und das wirst du. Das schwöre ich, so wahr ich Niclas Ittninger heiße!

So. ... Wo war ich stehen geblieben? Mal den oberen Text nochmal durchgehen ... Ah ja! Genau! Nicht anziehen, sondern das Höschen wieder ausziehen.
 

"Nic?" Meilo deutet an, sich umdrehen zu wollen, doch nicht mit mir. Mein Griff um ihn wird fester.

"Hier geblieben", raune ich ihm von hinten ins Ohr. "Ich bin noch nicht fertig mit dir."

Verspielt lasse ich meine Zunge hinter seinem Ohr entlang tanzen, ehe ich mit den Lippen das kleine weiche Ohrläppchen einfange.

Sanft sauge ich daran, während meine Finger tiefer wandern, befühle die feste, warme Haut auf Meilos Bauch. Allerdings komme ich nur bis zum Bund seiner Panties. Weiter dringe ich nicht vor. Noch nicht.

Meilos Atem geht jetzt schon viel schneller als normal. Gut. Ihm gefällt mein Tun also. Wäre ja auch schlimm, wenn nicht.

Langsam gehe ich hinter meinem Schatz in die Knie, eine feuchte Spur auf seiner Wirbelsäule hinterlassend. Auch hier stoppe ich am Gummibund und rutsche halb um Meilo herum, bis ich vor ihm knie. Neugierig schaue ich nach oben. Ein ebenfalls neugieriger Blick begegnet mir. "Willst du dich immer noch anziehen gehen?", frage ich ihn.

"Kommt drauf an", feixt er.

"Auf was?"

"Auf das, was du da unten vorhast zu tun."

"Nach was sieht es denn aus?"

"Bis jetzt nach nicht viel." Boha! Mein Ehrgeiz ist geweckt.

Ein Ruck, und die Pantie hängt ihm in den Kniekehlen. Den Plan, Meilo danach betteln zu lassen, muss ich jetzt wohl sausen lassen.
 

***
 

"Hier müssen wir raus", ruft Meilo mir zu und schnappt nach meiner Hand. Mühsam schlängeln wir uns durch die feierwütige Menschenmasse.

"Scheiße!", japse ich auf dem Bahnsteig, als wir endlich den Wagon verlassen haben. "Ist die U-Bahn immer so voll um diese Uhrzeit?" Es ist kurz nach halb vier. Morgens wohlgemerkt.

"Normal nicht. Silvester eben." Meilo zuckt mit den Schultern. Seine Hand hält noch immer meine und zieht mich vorwärts.

"Bei uns zuhause ist sicherlich schon alles totenstill." Da fällt mir ein, ich habe weder meine Eltern noch Ingo oder Ed angerufen. Na ja was soll's. Nachher, wenn alle ihr Suffkoma ausgeschlafen haben, ist dazu auch noch Zeit. Sie wissen ja, dass ich beschäftigt bin.

"Das bedeutet, nächstes Jahr werden wir jetzt schon im warmen Bettchen liegen?" Meilo grinst schelmisch und reibt mit dem Daumen über meinen Handrücken.

"Wahrscheinlich", bestätige ich.

"Was man da alles machen könnte ..."

"Soweit ich mich erinnere, haben wir das vorhin schon gemacht." Kleine Blitze schlagen in meinem Unterbauch ein, als ich mich an die vergangene Stunde zurückerinnere. Meilo war total übermütig und hat sich für sein Schnellfeuer gebührend bei mir entschuldigt. Wir verbrachten viel länger im Schlafzimmer, als wir eigentlich vorgehabt hatten. Ein neuer Lebensabschnitt hat für uns beide begonnen und das hatte uns ausgelassener werden lassen, als beabsichtigt.

Ich bin jedenfalls froh, dass die U-Bahn so voll war, und wir keinen Sitzplatz hatten finden können. Mit meinem Podex hätte ich nicht lange sitzen können, fürchte ich.
 

"Und wohin gehen wir jetzt?", frage ich nach. Wir stehen auf dem Gehweg neben dem U-Bahn Abstieg.

"Wohin wir wollen. Die Clubs hier in der Gegend sind alle gut."

"Okay", nicke ich einträchtig und schlage mit ihm eine beliebige Richtung ein. Irgendwas wird uns schon ins Auge springen.

Zuerst hatten wir überlegt, zum Brandenburger Tor zu fahren, und zu schauen, was da noch so los ist. Da geht bestimmt immer noch die Post ab, aber den Gedanken verwarfen wir schnell wieder. Zu überlaufen, zu krasse Sicherheitsvorkehrungen.

Also schlug Meilo vor, mir Berlins Szene zu zeigen. Der Vorschlag gefiel mir ausgesprochen gut und nun sind wir hier. "Der hier wäre was", meint Meilo. Er deutet auf einen Club keine fünf Meter von uns entfernt. Grüne Lichtröhren strahlen verheißungsvoll. Bassgeschwängerte Musik dröhnt zu uns rüber. "Die haben eine ganz gute Mischung an Musik und leckerer Drinks."

"Drinks? Was ist mit unserem Schampus?" Ich deute auf die schon halb geleerte Flasche. Meilo wollte sie unbedingt mitschleppen. Auf dem Weg hier her haben wir uns schon einige große Schlucke genehmigt.

Meilo bleibt stehen. "Die vernichten wir jetzt."

"Nicht dein Ernst?"

"Doch. Ist es. Die werden uns bestimmt damit nicht in den Club lassen." Meilo deutet auf die beiden Türsteher. Keine Sekunde später hält er sich die große Flasche an den Mund.

"Danach sind wir total besoffen."

"Und? Hier." Mir wird der Schampus entgegen gehalten.

"Auf deine Verantwortung", grummle ich. "Als Schnapsleiche bin ich unausstehlich."

"Echt? Ich habe das etwas anderes in Erinnerung." Meilo grinst sich einen ab.

Ich hebe bloß eine Augenbraue und schütte das Schampusgesöff runter. Fast leer überlasse ich es Meilo, sie vollends zu eliminieren. Danach wirft er sie in einen Mülleimer, der praktischerweise in unmittelbarer Reichweite einer Straßenlaterne hängt.

Meine Mundwinkel ziehen sich dümmlich nach oben. "Nun, Lili Marleen? Können wir?" Lalle ich? Einen leichten Seegang habe ich jedenfalls, glaube ich.

"Lili Marleen?" Mein Meiloschatzi sieht verwirrt aus.

Mit schweren Schritten tapse ich auf Meilo zu, der mich überraschender Weise auffängt. Ups. Bin ich gestolpert? Ich grinse immer noch, als ich meine Arme um seinen Hals lege und ich in meiner Erinnerung nach dem Text suche, den meine Oma früher immer gesungen hat. Tief in meinem Inneren weiß ich, ich sollte es nicht tun, dennoch beginne ich die paar Textfetzen zu singen, an die ich mich noch erinnern kann. "Aus dem stillen Raume, aus der Erde Grund, hebt mich wie im Traume dein verliebter Mund. Wenn sich die späten Nebel drehn, werd' ich bei der Laterne stehn, wie einst Lili Marleen." Kichernd lege ich die Stirn gegen Meilos Schulter.

"Okaay", höre ich ihn gedehnt sagen. "Keine bunten Drinks heute für dich."

Ich hebe den Kopf wieder und schiebe meine Unterlippe vor. "Och!" Dann gönne ich mir eben etwas anderes. Nämlich den verliebten Mund meiner Lili Marleen.

Knutschend unter einer Straßenlaterne. Das neue Jahr beginnt wirklich nach meinem Geschmack. So kann es weitergehen.

Meilo scheint anderer Meinung zu sein. Er löst sich von mir, kaum dass der Kuss begonnen hat, wirbelt mit mir um die Laterne und legt den Arm um meine Taille. Bei der Aktion wird mir leicht schwindelig und ich stütze mich schwer gegen Meilo. Er zieht mich Richtung Club. "Lass uns lieber rein gehen, bevor du noch eine Musicalnummer aus der Straßenlaterne machst", grinst er. Ich schmolle erneut. Dabei habe ich so schön gesungen!
 

Die Türsteher vor dem Club winken uns einfach durch. Außer uns will momentan keiner hinein. Die paar Leute, die vor dem Club stehen, rauchen und unterhalten sich miteinander.

Drinnen schlägt uns warme Luft entgegen. Mir wird kurz flau im Magen, doch das legt sich Gott sei Dank wieder. Der Champagner-Rausch scheint sich wieder leicht gelegt zu haben.

Wir geben unsere Jacken ab und Meilo steckt sich die Abhol-Marke ein. Dann geht's zur Tanzfläche.
 

Der Club ist noch gut besucht. Getanzt wird eher nicht, vielmehr getrunken, geredet und hier und da miteinander gefummelt. Wie sagte Meilo vorhin? Eine gute Mischung. Wo ich das jetzt so sehe, kann ich dem nur beipflichten. Genau in der Reihenfolge bitte.

Erst mit Meilo einen trinken, ein bisschen quatschen und dann auf Teufel komm raus auf der Tanzfläche mit ihm fummeln. Ich will endlich in aller Öffentlichkeit mit meinem Verlobten angeben.

"Was willst du trinken Schatz?" Beschwingt steuere ich die Bar an.

"Ein Wasser", antwortet er.

Entrüstet drehe ich den Kopf herum. "Wasser?" Was ist denn in den gefahren? "Erst füllst du uns mit Schampus ab, und dann kneifst du?"

"Eben drum", lacht er. "Keinen Alk mehr für dich, deshalb auch keinen mehr für mich. Ist nur fair."

"Du verbietest mir wirklich zu trinken?" Meilo nickt. Dieser Schuft! Hn ... Andererseits ..."Was bietest du mir als Entschädigung?" Gespannt überkreuze ich meine Arme vor der Brust.

"Mich", schnurrt Meilo und zupft an einem meiner Ärmel. "Reicht das nicht?" Oh und wie mir das reicht! Aber das muss ich ihm nicht extra noch auf die Nase binden. Es reicht, ihn zu umarmen und meine Lippen auf seine zu pressen. Ich glaube, dass ist ihm Antwort genug.
 

******
 


 

* Gibt es noch jemanden unter euch, der bei dem Wort Atemlos immer an dieses nervige Lied denken muss? Das versaut einem fast die Stimmung.

Love bite 62 - Katerstimmung

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 62 - Katerstimmung (Ohne Adult)

Morgen ^^

Ich habe euch mal wieder warten lassen. Zu meiner Verteidigung, die Zeit rennt wie im Flug und ich war total im Schreibfieber. Meiner Muse scheint die derzeitige Ruhe bei mir zu gefallen xD

Und hier geht es nun erstmal weiter mit dem Morgen danach. Die Kapitelüberschrift sagt schon alles ;D

Viel Spaß beim Lesen, eure Fara
 


 

Love bite 62 - Katerstimmung (Ohne Adult)
 

Oh Gott! Wie ist denn das passiert?

Okay. Nur die Ruhe. Überleg Nic. Was ist das Letzte, an das du dich erinnern kannst?

Der Club, in den wir zuerst sind, fällt mir wieder ein. Und dann? Wir haben getanzt. Die Stimmung im Club war allerdings bald nicht mehr unser Ding, also sind wir weitergezogen. In dieses kleine Szenelokal, in dem so komische psychedelische Musik lief. Die hatten ein Happy-Hour-Silvester-Spezial. Alle soften Spirituosen zum halben Preis. Wenn ich meinen Kopfschmerz so fühle, waren die alles andere als Soft. Aber wahrscheinlich hat's am Ende dann doch die Menge gemacht, und nicht die Qualität der einzelnen Drinks.

Wieso habe ich Meilo auch nur dazu überredet, doch noch ein Paar der bunten Cocktails zu probieren? Jetzt habe ich den Salat.

Wann wir schließlich heim sind, weiß ich gar nicht mehr. Wie spät ist es jetzt eigentlich?

Mühsam stemme ich meine Augenlider auf. Hell! Schmerz!

Stöhnend drehe ich mich zur Seite. Mein Kopf pocht wild. Das war echt zu viel letzte Nacht.

Trotzdem nehme ich mich zusammen und öffne vorsichtig die Augen, doch: "Scheiße!" Ich bin nicht bei Meilo!

Der Kopfschmerz tritt in den Hintergrund. Irritiert setze ich mich auf. Das ist ein Hotel! Ganz eindeutig. Und ich bin nicht allein. Jemand liegt neben mir. Begraben unter einer strahlend weißen Bettdecke. "Bitte lass es Meilo sein", bete ich leise vor mich hin und spähe unter die Daunen. "Gott sei Dank!" Es ist Meilo. Er ist sogar noch angezogen. Ich auch, nebenbei bemerkt. Nur, wie sind wir hier hergekommen? Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Vielleicht weiß Meilo ja Bescheid. Doch bevor ich ihn wecke, muss ich erstmal auf Toilette. Außerdem muss ich unbedingt irgendwie den pelzigen Geschmack aus meinem Mund loswerden.
 

Nach einem sehr schwankenden Gang zur Toilette, lege ich mich wieder neben Meilo ins Bett. Auf meinem Handy, das neben mir auf dem Nachttisch liegt, lese ich die Uhrzeit ab. Halb zwei! Nachmittags!

Mann oh Mann. Wir müssen wirklich zugeschlagen haben.

Mit einem leisen Seufzer drehe ich mich zu Meilo um und robbe an ihn heran, bis ich dicht an seinen Rücken liege. Vorsicht umarme ich ihn und drücke meine Nase in sein Haar, worauf hin ich meine kräusle. Es riecht nach Kneipe.

"Meilo? Meilo, aufwachen." Er brummt ungnädig. "Schatz? Wir haben schon halb zwei."

"Wahnf?" Wahnf? Er meint bestimmt was.

"Aufstehen", sage ich und richte mich auf, damit ich in Meilos halb im Kissen verborgenes Gesicht gucken kann. "Die Sonne lacht." Mehr oder weniger.

"Ich ... hn ... Moment." Endlich regt er sich.

Meilo dreht sich mühsam auf den Rücken. Die Augen noch geschlossen. Täuscht mich das Licht im Zimmer, oder sieht Meilo grün im Gesicht aus? "Nic?"

"Ja?"

"Mir geht's Scheiße."

"Willkommen im Club", schnaube ich und fahre mir durchs Haar. "Wie sind wir hier her gekommen?"

"Weiß nicht mehr."

"Nicht?" Dann weiß er hundert pro auch nicht mehr, dass wir in einem Hotel abgestiegen sind. "Soll ich mal bei der Rezeption unten anrufen und fragen, für wie lange wir das Zimmer haben?"

Meilo runzelt die Stirn. "Rezeption?" Flatternd öffnen sich seine Augen. Ein Zischen folgt, aber er behält sie tapfer offen. "Wir sind in einem Hotel?"

"Jepp", sage ich.

"Wie sind wir denn hier hin gekommen?"

"Das Gleiche habe ich dich eben auch schon gefragt", lache ich leise. Meilo brummt abermals.

Dann geht allerdings ein Ruck durch seinen Körper und die Bettdecke fliegt. "Meilo?" Verdutzt schaue ich ihm nach, wie er ins Badezimmer stürmt. Ein paar Sekunden später: Würgegeräusche. Oh weia.

Bei den Geräuschen wird mir ebenfalls leicht übel, aber es bleibt zum Glück nur bei einem leichten Grummeln im Bauch.

Ich schwinge meine Beine auch aus dem Bett. Mal schauen, ob ich Meilo irgendwie helfen kann.
 

Im Bad angekommen hängt mein armer Schatz immer noch über der Kloschüssel. Wenigstens würgen tut er nicht mehr. Er sieht aber ziemlich jämmerlich aus, wie er sich da so ans Klo klammert. Ich verdränge schnell die aufkommenden Gedanken bei dem Anblick. Von wegen, wie ordentlich hier geputzt wird und so.

Ich nehme mir eins der Handtücher, halte ein Ende kurz unter den Wasserhahn und beuge mich zu Meilo hinab. "Geht's wieder?" Er nickt schwach. "Hier." Mit zittrigen Händen nimmt er mir das Handtuch ab und wischt sich damit über den Mund. "Daran ist nur der Schampus schuld. Der recht sich für deinen Diebstahl", scherze ich. Meilo allerdings findet das gar nicht zum Lachen. Er stöhnt mitleiderregend und rutsch von der Toilette weg. An die hohe Duschwanne gelehnt bleibt er mit geschlossenen Augen hocken.

"Magst du ein Glas Leitungswasser?" Kopfschütteln. "Irgendwas anderes?"

"Tabletten", krächzt er.

"Ich schau mal, was sich da machen lässt", erwidere ich und stehe auf.

Leider habe ich nichts dergleichen einstecken. Das heißt, ich muss irgendwo eine Schmerztablette auftreiben. Die Mühe, an der Rezeption anzurufen, spare ich mir. Ich gehe gleich persönlich runter. Auf diesem Weg kann ich mich auch mal schlau machen, für wie lange wir das Zimmer eigentlich haben. Und ob es schon bezahlt ist. Keine Ahnung, ob Meilo überhaupt noch genug Geld einstecken hat. Mein Bargeld ist jedenfalls so gut wie aufgebraucht. Für eine Packung Aspirin reicht es noch, aber nicht mehr für ein Hotelzimmer. Meine EC-Karte habe ich natürlich bei Meilo liegen lassen.

"Guten Morgen", begrüßt mich eine Frau mittleren Alters freundlich.

"Morgen." Ich lehne mich gegen die Rezeption. Mann, ist mir schwindelig! "Ich hätte mal eine kurze Frage. Unser Zimmer, für wie lange haben wir es nochmal gebucht?"

"Ich schaue nach. Welche Zimmernummer?" Sie tippt fröhlich auf ihre Tastatur ein. "Bis heute Abend", verkündet sie mir.

"Danke." Und nun zum unangenehmen Teil. "Und äh, haben wir das Zimmer schon bezahlt?"

Ein verwunderter Blick. "Ja. Haben Sie." Innerlich atme ich tief aus. Was für ein Glück!

"Vielen Dank." Ich stoße mich von der Rezeption ab, will schon wieder hoch zu Meilo gehen, als mir wieder mein eigentlicher Auftrag einfällt. Wieder drehe ich mich zu der Frau. "Entschuldigen Sie nochmal. Wissen Sie zufällig, ob hier irgendwo in der Nähe eine Apotheke geöffnet hat?"

"Da müsste ich nachschauen", meint sie. "Was brauchen Sie denn?"

"Kopfschmerztabletten", antworte ich verlegen. "Wir haben gestern wohl etwas zu tief ins Glas geschaut."

Die Frau lächelt frech. "Mit ein, zwei Schmerztabletten könnte ich Ihnen auch aushelfen."

"Wirklich?" Sie nickt und läuft in einen Raum hinter der Rezeption. Das ist ja freundlich von ihr.

Als sie kurze Zeit später wieder zurückkommt, reicht sie mir zwei Blister. Ich bedanke mich bei ihr und mache mich wieder auf den Rückweg.

Im Zimmer angekommen, liegt Meilo wieder im Bett. Die Vorhänge sind zugezogen und er hat die Bettdecke über den Kopf gezogen.

Im Badezimmer hole ich ein Glas voll Leitungswasser und setzte mich dann neben Meilo auf die Matratze. "Hier. Deine gewünschten Tabletten", verkünde ich.

"Danke." Zaghaft kommt Leben in meine Schnapsleiche.

Es dauert, bis er sich aufgesetzt, und sich die beiden Tabletten aus meiner Hand gefischt hat. Er schluckt sie trocken und ich muss ihn regelrecht dazu zwingen, ein paar Schlucke Wasser hinterher zu trinken.

"Wieso hast du zugelassen, dass ich soviel trinke?", jammert er hinterher.

Ich stelle das Glas ab und blicke schuldbewusst drein. Schließlich trifft mich tatsächlich die Schuld an Meilos Zustand. Obwohl er ja nicht so viel hätte trinken müssen. "Tut mir leid", sage ich kleinlaut und klettere über Meilo, um mich neben ihn zu legen. "Da sind irgendwie die Pferde mit mir durchgegangen."

"Und haben mich im vollen Galopp dabei überrannt", schnaubt er und mümmelt sich in die Bettdecke ein. "Hast du gefragt, wie lange wir da Zimmer für uns haben?"

"Ja. Bis heute Abend."

"Gut", flüstert er. "Dann gute Nacht."

Meine rechte Augenbraue fliegt nach oben. "Du willst weiterpennen?" Ein schwaches Nicken. "Und was mache ich solange?" Mir geht es inzwischen wieder ganz gut.

"Auch schlafen", schlägt er vor.

"Hn." Das wäre sogar akzeptabel, gäbe es da nicht ein Problem: "Und was ist mit deiner Wohnung? Die muss bis heute Nachmittag um vier geräumt sein." Meilo zischt verstimmt. "Soll ich das machen?", frage ich. "Das bekomme ich auch allein geregelt. Viel ist es ja nicht mehr. Nur noch die paar Klamotten aus deinem Schrank, oder?"

"Nein." Meilos Kopf taucht vor mir auf. "Da ist noch mehr im Keller. ... Shit!" Abermals fliegt seine Bettdecke. "Wo sind meine Schuhe?"
 

In der U-Bahn sitzt Meilo wie ein Häuflein Elend neben mir. Er ist aber nicht der Einzige. Es sind noch mehr alkoholgeschädigte Partygänger unterwegs. Wehe, einer kotzt!

Wir schaffen es ohne Kotzzwischenfall bis zu Meilos Wohnung. Meilo schleppt sich regelrecht die paar Meter vom Aufzug in seine Wohnung. Dort angekommen, flüchtet er direkt in sein Schlafzimmer. Als ich nach ihm eintrete, liegt er schon wieder flach. "Wie spät?", höre ich ihn mich fragen.

"Äh ... genau viertel nach drei." Er stöhnt gequält. "Wenn du mir sagst, wo alles liegt, räume ich alles in mein Auto."

"Vorletztes Kellerabteil. Schlüssel hängt an meinem Schlüsselbund. Der mit dem roten Ring drum."

"Alles klar." Dann werde ich mal anfangen Meilos Bude leer zu räumen.

Meilos Schlüssel liegen auf dem Esszimmertisch. Ich schnappe ihn mir und trabe los.

Das Kellerabteil ist nicht schwer zu finden. Was aber schwer sein wird, die drei Kartons von hier zu meinem Auto zu bekommen. Schon der erste Karton, den ich versuche anzuheben, wiegt beinahe eine Tonne. "Was hat er da nur reingepackt?", knurre ich verärgert und wuchte den Karton aus dem Abteil.

Das Abteil wieder abgeschlossen (man weiß ja nie, ob sich nicht einer daran bedienen möchte), starre ich seufzend auf den hellbraunen Karton. Aber das alles hilft ja nix. Irgendwie muss ich den zu meinem Auto bekommen.

Den Weg vom Keller hinaus in den Hausflur schiebe ich ihn einfach vor mir her. Ab da an muss ich ihn allerdings schleppen. Ich wuchte ihn in meine Arme und eile los. Bis ich an meinem Auto angekommen bin, bin ich fast am zusammenbrechen.

Und das soll ich jetzt noch zwei mal machen? Im Leben nicht!

Kurzerhand setzte ich mich hinters Steuer und fahre direkt vor den Hauseingang. Hier ist eigentlich parken verboten, aber die können mich mal! Ich mache den Warnblinker an und hechte los. Heute ist Feiertag. Da werden bestimmt keine Politessen unterwegs sein.

Mit dem zweiten Karton verfahre ich genauso wie mit dem ersten. Erst schieben, dann ins Auto damit. Ich beeile mich und zerre auch den letzten Umzugskarton aus dem Kellerabteil. Noch schnell abschließen und los geht's.

Der ist zum Glück nicht so schwer. Also trage ich ihn kurzerhand die letzten Meter vom Kellerabteil bis zu meinem Auto.

Alles verstaut, setze ich mich hinters Steuer. Hoffentlich ist die Parklücke nicht wieder bese... "Was soll denn das jetzt? Ne, oder?" Ein Knöllchen! Auf meiner Windschutzscheibe!
 

"Hier!" Angepisst halte ich Meilo, der immer noch fröhlich im Bett herumlümmelt, den kleinen Liebesbrief einer pflichtbewussten, an Feiertagen arbeitenden Politesse vors Gesicht.

"Was ist das?"

"Ein Knöllchen! Wegen deinen Umzugskartons!" Meilo runzelt die Stirn. "Ich musste vorm Haus parken, weil die dummen Kartons so schwer waren, dass mir fast die Arme abgerissen sind!"

"Oh."

"Ja oh." Sauer werfe ich den Wisch aufs Bett. "Den Rest schleppst du!"

Meilo guckt mich mit großen Bambiaugen an. "Tut mir leid." Man sieht ihm an, dass es ihm immer noch total elend geht. Meine Wut verpufft. Ich kann meinen Schatz einfach nicht leiden sehen.

Ich atme tief ein und lasse mich aufs Bett fallen. "Egal jetzt", gebe ich nach. "Wie geht es dir?"

"Mein Kopf bringt mich um."

"Helfen die Tabletten nicht?"

"Nicht mehr", krächzt Meilo.

Ich schmiege mich an ihn und schaue in sein immer noch grünlich aussehendes Gesicht. "Und was machen wir jetzt? Heimfahren oder für einen Tag nochmal in ein Hotel einchecken?"

Er überlegt kurz. "Wir fahren", beschließt er. "Ich kann ja im Auto noch ein wenig pennen."

"Ist gut." Ich stehe wieder auf. "Dann packe ich den restlichen Kram von dir noch ins Auto."

"Ich dachte, ich soll ab jetzt meinen Kram selbst schleppen." Meilo lächelt schwach.

"In diesem Zustand kann ich froh sein, wenn ich dich nicht auch noch schleppen muss", ärgere ich ihn und fange an, Meilos restliche Kleidung zusammen zu räumen.
 

***
 

"Wenigstens war die Straße frei", murmle ich in meine Handfläche.

Meine Mutter nickt mitfühlend. "Lassen wir ihn seinen Kater ausschlafen. Er sah eben ja wirklich zum Fürchten aus." Jetzt nicke ich. "Sicher, dass er keine Erkältung ausbrütet?" Meine Mutter eilt zum Herd. Sie hat Wasser aufgesetzt, in dem festen Glauben, dass Meilo jetzt einen Tee vertragen könnte. Soll sie ruhig versuchen, ihm den anzudrehen.

"Er bekommt keine Erkältung", winke ich ab. "Wir haben bloß zu viel getrunken. Du wirst schon sehen, Morgen ist er wieder auf den Beinen."

Sie schüttelt mit den Kopf. "In eurem Alter noch so wild feiern."

Ich gucke empört. "In unserem Alter? Was soll den das heißen?"

"Ich meine ja nur. Man wird älter. Da steckt man manche Sachen nicht mehr so leicht weg wie früher."

"Danke", knurre ich. "Morgen fahre ich zum Bestatter und suche mir schon mal einen Sarg aus." Ob es Doppelsärge gibt?

Mama legt den Kopf schief, wird dann jedoch vom Pfeifen des Wasserkessels abgelenkt. Das ist mein Stichwort. "Ich gehe mal nachschauen, was Meilo macht."

"Warte! Bring ihm eine Tasse Tee mit!"

"Glaube mir, der will keinen Tee." Hinterher übergibt er sich wieder.

Wie gut, dass ich Meilo vorsorglich eine Mülltüte in die Hand gedrückt hatte, bevor wir vorhin losgefahren sind. Nach etwa der Hälfte der Fahrt, konnte er sie gebrauchen.

Nun liegt er in meinem Bett und ist fest eingeschlafen. An mir nagt auch die Müdigkeit. Ist ja auch schon spät. Aber wo lege ich mich hin? Das Bett ist ganz schön klein und Meilo hat es komplett in Beschlag genommen. Wecken möchte ich ihn nicht.

Kurzerhand entschließe ich mich für unsere Couch. Für eine Nacht wird das gehen.

Leise suche ich mir Kleidung raus. Doch dann rutscht mir die Schranktür aus der Hand und schlägt laut zu. Ich schließe die Augen und ziehe die Schultern hoch. Mist!

"Nic?" Und er ist wach.

"Sorry."

Das Licht geht an. "Was tust du da?"

"Mir einen Schlafanzug raussuchen."

"Für was?"

"Ich schlafe heute Nacht auf der Couch. Dann hast du genug Platz zum Katerauskurieren." Meilo guckt mich verständnislos an.

"Quatsch nicht! Komm schon her." Er rückt dichter an die Wand.

"Nein, nein. Geht schon."

"Du kommst jetzt auf der Stelle her. Wie soll ich denn meinen Kater auskurieren, wenn du nicht bei mir bist?"

"Du bist so kitschig", grinse ich.

"Von mir aus." Er zuckt mit den Schultern.

Ihm scheint es schon besser zu gehen. "Also gut. Überredet." Ich steige aus meinen Klamotten und krabble neben Meilo ins Bett. "Weißt du, was mit gerade einfällt?"

"Hm?"

"Wir waren noch gar nicht duschen." Meilo müffelt immer noch nach Kneipe.

"Morgen früh", meint er und kuschelt sich an mich. "Heute stehe ich nicht mehr auf."

"Na schön." Es ist auch viel schöner sich an Meilo zu schmiegen, als unter die Dusche zu springen.

"Außerdem mögen Kater kein Wasser. Weißt du doch." Auch wieder wahr.
 

Am nächsten Morgen sind Meilo und ich schon vor allen anderen wach. Meilo, weil er fast den gesamten letzten Tag verpennt hat, ich, weil Meilo mich geweckt hat.

"Dafür, dass du gestern beinahe mein Auto vollgekotzt hast, bist du heute aber wieder ganz schön gut drauf", lache ich und strecke den Hals etwas mehr. Meilos Lippen saugen an meinem linken Ohrläppchen.

"Das liegt nur daran, dass du dich so lieb um mich gekümmert hast."

"Habe ich ... ah! ... das?" Oh Gott! Seine Finger ...

"Natürlich hast du das. Und deshalb" er löst sich von mir und hebt die Decke an "bekommst du von mir jetzt ein Spezial-Dankeschön." Ich kann mir denken, was das ist.

Doch so schön es gerade auch im Bett ist: "Aber erst gehen wir duschen." Meilos Augenbrauen schieben sich kurz zusammen, dann seufzt er.

"Wäre sicher nicht schlecht." Sage ich doch.
 

Die Dusche tut unglaublich gut. Nach dem gestrigen Tag umso mehr.

Während ich mich nach der Dusche gründlich abtrockne, kramt Meilo seine Zahnbürste hervor.

Lächelnd beobachte ich ihn im Spiegel dabei, wie er beginnt sich damit die Zähne zu putzen. "Waf?", fragt er mich mit schäumenden Mund.

Ehe ich antworte, schmiege ich mich an seinen Rücken und stütze das Kinn auf seiner rechten Schulter ab. "Ich kann es immer noch nicht glauben", sage ich leise zu ihm, hauche einen Kuss in seinen Nacken und umschlinge seinen Bauch. "Endlich jeden Morgen mit dir zusammen aufzuwachen und dir beim Zähneputzen zuschauen."

Meilo lächelt und spuckt ins Waschbecken. Ist es merkwürdig, dass mich selbst das unglaublich glücklich macht? "Willst du nur dabei zuschauen oder selbst mitmachen?", fragt er mich und hält mir seine benutzte Zahnbürste hin.

Ich rümpfe die Nase. "Nur, wenn ich meine eigene Zahnbürste nehmen darf."

Mein Schatz grinst und schiebt sich seine Zahnbürste wieder selbst in den Mund.

Also gut. Wenn ich schon mal hier stehe, kann ich meine Zähne auch gleich mit putzen.
 

Zurück in meinem Zimmer falle ich heilfroh in mein Bett. Keiner meiner Familie hat uns bemerkt. Das ganze Haus ist immer noch in völliger Ruhe versunken. Wir können uns also ganz ungestört miteinander vergnügen.

"Komm her." Einladend klopfe ich mit der Hand auf die Matratze. Meilo folgt der Einladung umgehend und klettert zu mir unter die Decke.

"Darf ich jetzt weitermachen?" Da fragt er noch?
 

*
 

Schwer bleibt er auf mir liegen. Meine Beine, die immer noch zittern, als würden sie unter Strom stehen, rutschen langsam von Meilos Rücken.

Behäbig rollt sich Meilo von mir runter, nachdem er durchgeschnauft hat. "Nic?"

"Hm?"

"Guten Morgen", japst er und lacht.

"Morgen." Und was für einer!

"Das hatte ich eigentlich schon gestern mit dir vor."

"Ja?" Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Meilo nickt.

"Frohes neues Jahr."

"Cheers!"

Wir fangen an zu lachen.

Ich drehe mich auf die Seite, um mich an Meilos Bauch kuscheln zu können. Völlig verschwitzt, wie wir sind, wird es schnell kalt, weshalb ich die Bettdecke weiter nach oben ziehe. Jedoch halte ich das nicht lange aus. "Kommst du mit?"

"Wohin?"

"Nochmal unter die Dusche." Ich fühle mir klebrig. Daran ist jedoch nicht allein der Sex gerade schuld. Nachdem wir letzte Nacht ungeduscht im Bett gepennt haben, und der Sporteinlage eben, fühlt sich meine Bettwäsche komisch an. Mein Bett muss nachher dringend bezogen werden!

"Das sollten wir wohl wirklich nochmal", meint Meilo, gähnt aber. "Wenn nur das Aufstehen nicht wäre." Ich verstehe, was er meint. Trotzdem.

"Auf jetzt!" Ich patsche ihm sanft auf den Bauch und rapple mich aus dem Bett. "Bevor die anderen wach werden und nacheinander das Bad besetzen."

"Na schön", gibt mein Liebster nach, dem die Vorstellung, warten zu müssen, bis alle anderen vor ihm das Bad benutzt haben, anscheinend auch nicht gerade in Freudensprünge versetzt.
 

Nach Dusche Nummer zwei, die dieses Mal etwas länger gedauert hat, geht es mir gleich viel besser. So gut, dass ich gleich danach anfange, mein Bett neu zu beziehen und danach die Fenster aufreiße.

Um nicht zu erfrieren, zerre ich Meilo mit mir in die Küche. "Oh Morgen." Meine Mutter ist ja schon wach. Dabei ist es erst sieben Uhr.

"Guten Morgen ihr beiden." Sie grinst uns komisch an.

"Muss Papa heute arbeiten?"

"Nein. Warum fragst du?"

"Weil du schon wach bist."

"Konnte nicht mehr schlafen."

"Einen schlechten Traum gehabt?", fragt Meilo und hilft mir den Tisch zu decken.

"Nicht direkt", grinst sie. "Da war so ein Lärm, der mich aus den Schlaf gerissen hat."

"Lärm?" Ich schaue auf. "Ich habe nichts gehört. Du?" Meilo schüttelt den Kopf.

"Das glaube ich euch nicht", lacht Mama auf. "Schließlich habt ihr den Lärm veranstaltet."

"Was sollen wir geta..." Und eben macht es klick. Mein Gesicht wird heiß. "Ihr habt uns gehört?!" Ach du große Scheiße! Das darf nicht wahr sein!

"Die Wände sind dünn", sagt sie Achselzuckend, immer noch grinsend.

Am liebsten würde ich mich unter dem Tisch verstecken, aber das geht leider nicht. Ich bin keine fünf mehr und passe auch gar nicht mehr drunter. Außerdem würde mein Rücken dagegen Einspruch erheben. "Jetzt guckt nicht so", schmunzelt meine schadenfrohe Mutter. "Ist doch schön, dass es Meilo wieder gut geht." Ja. Sehr schön. "Möchte noch jemand Frühstückseier, oder hattet ihr schon genug?"

"Mama!" Gibt es denn sowas? Wo hat die Frau denn bloß diese Sprüche her?
 

Kleinlaut hocke ich mich an den Küchentisch und versuche das einfach nur noch zu vergessen. Das ist nur nicht so leicht. Schlimm genug, dass meine Eltern mich beim Sex gehört haben, aber wie zum Geier schafft Meilo es, nach diesem Zwischenfall sich so ungezwungen mit meiner Mutter weiter zu unterhalten?

Er hat postwendend gleich mal ein Frühstücksei bei ihr geordert und nun diskutieren sie über die perfekte Kochzeit.

"Sechs Minuten. Damit das Ei außen hart, das Innere aber noch flüssig ist", findet meine Mutter.

"Ich mag sie lieber hart", wendet Meilo ein.

"Das glaube ich dir." Meine Mutter grinst schon wieder so komisch.

"Mama! Bitte hör endlich damit auf!" Ist das peinlich!

"Du bist ein Spielverderber, Niclas. Warst du schon immer." Sie wedelt mit dem Kochlöffel vor mir herum.

"Bin ich nicht!", wehre ich mich. "Ich mag es nur nicht, von meiner Mutter irgendwas über harte Eier erzählt zu bekommen." Gruselig.

Meilo, der neben mir hockt, grinst sich einen ab. Ja, fall mir doch in den Rücken!

Ich verschränke die Arme vor der Brust und beschieße, nichts mehr zu dem Thema zu sagen. Sollen sich die zwei eben über harte Eier unterhalten. Mir doch egal!

"Morgen alle zusammen." Mein Vater betritt die Küche.

"Morgen", sagen Meilo und ich gleichzeitig.

"Gut erholt?" Papa blickt uns fragend an.

"Als ob du das nicht schon längst wüsstest", grolle ich.

Die Mundwinkel meines Vaters zucken leicht. Dennoch bleibt er ernst. "Das nächste Mal bitte etwas leiser. Nicole muss das nicht mitbekommen. Carola? Ist der Kaffee schon durch?" Das hat mir gerade noch gefehlt. Nicole! Logisch, dass die uns ebenfalls gehört haben muss.

Gestern war sie schon total grantig, weil sie mir die Schuld an Meilos Katerzustand gegeben hat, und sie ihn deshalb nicht belästigen konnte. Ich will gar nicht wissen, wie sie das jetzt aufnehmen wird.

"Wollen wir in meinem Zimmer essen?", frage ich Meilo flüsternd.

Er tut nachdenklich. "Hmmm nein." Ich sinke in mir zusammen. Was für ein grauenhafter Morgen!

"Ich glaube, ich bekomme einen Kater", maule ich und starre die Kaffeekanne böse an, die zwar für all das gar nichts kann, aber wen soll ich sonst böse anschauen?

Meilo bemerkt das und beugt sich zu mir. "Soll ich dich wieder ins Bett bringen?" Oh Meilo! Manchmal könnte ich dich ...

"Morg'n." Auftritt Nicole.

Sofort wird jeder still in der Küche und alle starren meine pubertierende Schwester an.

"Guten Morgen Schatz. Möchtest du auch ein Frühstücksei?" Mama findet zuerst ihre Sprache wieder. Fast bin ich versucht zu fragen, ob sie es weich oder hart will.

"Nee", verneint sie kopfschüttelnd. "Keinen Hunger." Sie lässt sich schwer auf den noch freien Stuhl fallen und mustert die Tischdecke vor sich. Ein leichter roter Hauch liegt um ihre Wangen herum. Sie hat es also wirklich mitbekommen.
 

Nicole traut sich gar nicht uns anzuschauen und hockt da, wie ein zusammengesackter Mehlsack. Sie so zu sehen müsste eigentlich weitere Scham in mir auslösen, tut es aber nicht. Ich schalte von Scham auf stur.

Sie weiß doch, dass Meilo und ich zusammen sind. Ergo kann sie sich auch denken, was wir zusammen im Bett machen. Nicole hat es ja schon mal so gut wie mitbekommen. Damals, als sie uns erwischt hat, wie Meilo mir, na ihr wisst schon. Sie soll sich nicht so anstellen! Das ist mein Mann, mit dem ich machen kann, was ich will. Punkt!

Ich setze mich wieder aufrecht hin und greife mir eins der Brötchen. Dabei schaue ich zu meiner Mutter rüber. "Mama? Machst du mir bitte doch noch ein Ei? Schön hart, ja?"
 

***
 

"Sie wird sich daran gewöhnen."

"Das wird sie müssen", sage ich zu Meilo. "Wir werden noch ein paar Wochen hier wohnen. Und ich sehe nicht ein, wegen ihr immer Rücksicht zu nehmen." Zumal ich das nicht immer kann. Versucht ihr mal ruhig zu sein, wenn Meilo euch in Grund und Boden vö...

"Vielleicht geht der Umbau ja schneller als geplant. Morgen fangen die Handwerker mit den Wänden für mein Tonstudio an", meint Meilo. "Weißt du was?"

"Hm?"

"Wollen wir nachher mal zum Haus fahren und uns schon mal überlegen, wie wir es einrichten?"

Ich drehe meinen Kopf zu Meilo rüber, der auf meinem Bürostuhl hockt, während ich flach auf dem Bett liege. "Deine Möbel sind doch noch gar nicht da", erinnere ich ihn.

"Das nicht, aber wir könnten gleich ein paar deiner Kisten im Keller abladen und alles genau ausmessen." Unwillkürlich stelle ich mir Meilo vor, wie er mit einem Zollstock bewaffnet von Wand zu Wand tigert und fange an zu grinsen.

"Na schön", gebe ich nach. "Aber du fährst."

"Und wie, ohne Auto?" Da sein Audi der Plattenfirma gehört, hat er im Moment noch keinen fahrbaren Untersatz.

"Hallo? Wie wäre es mit meiner Karre?"

"Muss ich?"

"Was soll denn das heißen?"

"Nichts", grinst er frech.

"Ey!" Ich werfe mein Kopfkissen nach ihm. Natürlich verfehle ich, und es landet neben ihm auf dem Boden. "Nichts gegen mein Auto, ja? Es hat mich immer zuverlässig zu dir gebracht!"

"Ist ja schon gut." Er grinst immer noch.

"Pff!", mache ich und stehe auf. "Gut, ich fahre. Dann musst du aber die Räume ausmessen."

"Deal."

"Und wehe, du kannst mit dem Teil nicht umgehen." Meilo grinst mich frech an. Und wie er mit gut mit Teilen umgehen kann ...
 


 

An unserem zukünftigen Heim angekommen, bleiben wir einen Moment davor stehen und saugen den Anblick in uns auf. Meilo hat einen Arm um mich gelegt. Ich wette, wenn uns jemand von hinten beobachtet, toppt das jede Werbung für eine Eigenheimfinanzierung.

"Trautes Heim, Glück allein", säuselt Meilo auch noch vor sich hin.

"Glück allein?" Mit erhobener Augenbraue wende ich meinen Blick von der Hausfassade ab und gucke Meilo an. "Du meinst, Glück zu zweit."

"Oder so", schmunzelt er. "Lass uns rein gehen."

Vor der Haustür überlasse ich es Meilo aufzuschließen. Ich war ja schon ein paar Mal hier. Ohne ihn, weil er ja arbeiten musste.

Drinnen ist es kalt. Nicht so kalt wie draußen, aber ich ziehe trotzdem die Schultern höher. Die Heizung ist bloß auf die niedrigste Stufe gestellt, damit nichts einfriert, für mich jedoch noch viel zu kühl, weshalb ich gleich mal die Heizung im Wohnzimmer höher drehe.

Meilo ist währenddessen mitten in den Raum geschlendert und schaut sich um. "Und?", frage ich nach. "Glaubst du, deine Couch passt hier rein?"

"Ganz sicher", antwortet er mir. "Nur, wie wollen wir sie stellen?"

"Hm." Ich schaue mich um. "Mit Blick in Richtung Garten wäre schön, aber das geht schlecht, wegen dem Fernseher."

"Nicht, wenn wir es so stellen." Meilo stellt sich seitlich zur Terrasse und breitet die Arme aus. "Dann würde dort auch noch mein Klavier hinpassen."

"Ach stimmt. Das haben wir ja auch noch." Das hätte ich beinahe vergessen. "Geht das denn? Wegen der Sonne und so." Müssen Klaviere nicht irgendwie geschützt stehen?

"Hier ist die Nordseite. Das funktioniert."

"Na wenn das so ist", nicke ich. "Und den Fernseher hier an die Wand?" Meilo bejaht. "Dann hätten wir auch noch Platz für einen Sessel, oder so. Für Gäste."

"Könnten wir machen." Das Wohnzimmer wäre somit vorerst abgehakt und da die Küche sich nicht großartig verändern lässt, die Küchenzeile haben wir vom Vorbesitzer übernommen, gehen wir hoch in den nächsten Stock.

"Wie groß soll unser Bett sein?"

"Na so groß wie möglich", kichere ich. "Der Raum ist großzügig genug." Und mehr als ein Bett muss hier sowieso nicht rein. Der Kleiderschrank ist ja schon vorhanden.

Meilo legt den Kopf schief und umarmt mich. "So groß wie möglich? Willst du mich los haben?"

"Ganz und gar nicht", verneine ich. "Aber je mehr Platz, desto größer unsere Spielwiese."

"Ahso ..." Meilo bekommt wieder dieses Glitzern in den Augen. "Gutes Argument." Meine Lippen werden erobert.

Ich schließe die Augen und rücke noch dichter an Meilos Körper. Die Kälte ist wie weggeflogen.

Meine Arme schieben sich um Meilos Nacken und mein linkes Bein zwischen seine. Er keucht, was mich im höchsten Maße erfreut. "Wenn wir weitermachen ... dann garantiere ich ... für gar nichts mehr", japst er gegen meinen Mund.

"Dann sollten wir lieber ... aufhören."

"Sollten wir ..."

"Jetzt ..."

"Unbedingt ..."

"Nur noch ein bisschen ..."

"Ja ..."

Tüdelüü Tüdelüü!

Mann! Was war die Welt ohne Handy damals noch so schön!

"Ja, Mama?" Sie ruft wie immer zum geeignetsten Zeitpunkt an.

/Hallo Niclas. Könntet ihr auf dem Rückweg Brot mitbringen?/

"Machen wir."

/Ach und Butter! Vielleicht auch noch eine große Packung Bandnudeln. Ich weiß nicht, ob die für uns alle noch reichen. Und ein Netz Paprika. Aber nur die Roten, ja?/

"Alles klar. Bringen wir mit", schnaufe ich und schaue Meilo nach, der im Bad verschwindet.

/Wunderbar! Und vergesst nicht, dass es in zwei Stunden Abendessen gibt./

"Aber nur, wenn wir die Einkäufe mitbringen."

/Äh ja. Stimmt. Beeilt euch./ Aufgelegt.

Ich seufze und stecke das Handy wieder weg. "Meilo? Meine Mutter braucht was aus dem Supermarkt. Sonst müssen wir heute Abend verhungern." Ich linse ins Bad hinein. Die Toilettenspülung geht. "Oh. Sorry."

"Nichts passiert", lacht Meilo und wäscht sich die Hände. "Willst du gleich losfahren?"

Ich nicke. "Imaginäres Einrichten können wir ja immer noch machen."

"Ist vielleicht wirklich besser, wenn die Möbel erstmal da sind. Dann können wir sie erstmal grob an Ort und Stelle stellen lassen und hinterher an ihren Platz schieben. Viel ist es ja eh nicht."

"Jepp."

"Gut." Meilo greift sich meine rechte Hand. "Dann nichts wie ab in den Supermarkt. Nicht, dass du mir noch verhungerst."
 

***
 

Mit Meilo Lebensmittel einkaufen. Weltpremiere.

Es hat so was alltägliches. So banal und dennoch macht es mich unheimlich glücklich. Alltag. Genau das ist es, was ich mir schon seit Monaten wünsche. Und jetzt haben ich es. Alltag, zusammen mit meinem Mann.

Kein Hetzen, weil er wieder zurück in irgendein Studio oder zu einem Shooting muss. Kein schmerzhafter Abschied, ohne zu wissen, wann wir uns das näcste Mal wiedersehen. Einfach nur schnödes Einkaufen. Wenn da nur nicht diese kichernden Teenager wären!

Da! Schon wieder zwei Mädchen. Sie stehen dicht beieinander, die Köpfe zusammengesteckt und kichern in unsere Richtung.

Früher hätte ich gedacht, die tun das, weil sie spitz bekommen haben, dass Meilo und ich ein schwules Pärchen sind. Doch heute bin ich mir da gar nicht sicher.

Erkennen sie in Meilo etwa Keith? Laufen sie uns deshalb hinterher? Wissen sie es? ... Ach Mensch! Dabei hatte ich so sehr gehofft, diese Keith-Scheiße endlich hinter uns gelassen zu haben. Und nun mache ich mir schon wieder Gedanken darüber, entdeckt worden zu sein. Ich will nicht, dass das wieder anfängt! Ich will mir nicht schon wieder den Kopf über die ganze Scheiße zerbrechen! Ich werde noch paranoid, wenn das so weitergeht!

"Nic? Kommst du?"

Ich zucke zusammen und halte nach Meilo Ausschau. Er steht schon vorn beim Gemüse. "Ja." Mit ratternden Einkaufswagen eile ich ihm nach.

"Ist was? Du wirkst abgelenkt." Soll ich es ihm sagen? Hinterher mache ich ihn damit nur verrückt und er wird genauso paranoid wie ich.

"Da laufen ständig Teenager kichernd hinter uns her."

"Und? Lass sie doch", sagt er ganz gelassen.

Ich schaue ihn baff an. "Sie lassen? Hast du denn keine Angst, dass sie dich" ich beuge mich dichter an ihn heran und spreche leiser "erkennen?"

"Das ist mir relativ egal. Außerdem werden sie das schon nicht."

"Was macht dich da so sicher?"

Meilo blickt von den Paprika auf, die er in den Händen hält. "Du machst mich sicher", antwortet er und verpasst mir einen Kuss.

Überrumpelt bleibe ich wie angewurzelt stehen, während Meilo die Paprika in den Einkaufswagen legt. "Kommst du? Deine Mutter wollte noch Butter, richtig?"

"Richtig", murmle ich und zockle ihm mit kurzer Verzögerung nach zu den Kühlregalen.
 

Ich sollte es wahrscheinlich wie Meilo handhaben. Es ist egal. Lassen wir den Teens ihren Spaß. Weshalb auch immer sie uns kichernd auflauern, sollen sie eben.

Und falls es daran liegt, dass sie glauben, Keith zu erkennen, dann wird das sicher bald vorbei sein. Keith gehört der Vergangenheit an. Man wird ihn bald vergessen haben.

Und falls es daran liegt, dass wir ein schwules Pärchen sind, na dann können wir sowieso nichts daran ändern. Und dieser Grund wäre mir erst recht schnurz-egal. Es war mir schon immer Schnuppe, ob andere ahnen oder gar wissen, dass ich auf Kerle stehe, solange sie mir deshalb nicht ans Leder wollen.

Also sei es drum. Ignorieren wir die kichernden Mädchen. Ignorieren wir die Frage, warum sie das tun. Konzentrieren wir uns lieber auf das Wichtige im Leben. Nämlich endlich unser gemeinsames Leben, das wir nach dem ganzen Trubel im letzten Jahr miteinander aufbauen werden.
 

******
 


 

Eigentlich könnte hier schon ein dickes ENDE stehen, findet ihr nicht?

Aber nein. Es macht mich viel zu wehmütig, wenn ich auch nur daran denke, jetzt Schluss zu machen. Nein, nein. Es geht noch ein bisschen weiter. Ein paar Kapitel und Ideen habe ich noch. Außerdem steht ja noch das Neujahrsessen an.

Meilo und Niclas werden euch (und auch mir) also noch ein bisschen erhalten bleiben.

Ihr könnt also schon mal gespannt auf das nächste Kapitel warten. ^^

Love bite 63 - Verliebt, verlobt, ver.. äh ... verflixt!

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 63 - Verliebt, verlobt, ver.. äh ... verflixt! (Ohne Adult)

Hallöchen ^^

Kapitel 63. Nie hätte ich gedacht, dass Love bite solche Ausmaße annehmen würde. Deshalb bin ich auch so traurig, dass dieses Kapitel schon das Vorletzte ist :-( Aber nicht verzagen. Ich habe noch ein kleines Bonus-Leckerli in der Hinterhand ^^

Jetzt aber erstmal viel Spaß bei der Familienfeier. Ihr seid bestimmt schon gespannt darauf ^^
 


 

Love bite 63 - Verliebt, verlobt, ver.. äh ... verflixt! (Ohne Adult)
 

"Ich will aber bei euch mitfahren!"

"Nein."

"Aber wieso nicht?"

"Weil wir keinen Platz im Auto haben", erkläre ich meiner nervigen Schwester.

Sie guckt mich mit zusammengekniffenen Augen an. "Gut." Gut? Wieso beunruhigt mich das jetzt? "Dann frage ich eben Meilo." Na, was habe ich gesagt? Schon stampft sie zu meinem Entsetzen davon.

"Nicole! Warte!" Ich hechte ihr nach. Sie rast die Treppen runter, aus der Haustür hinaus in den Hof, wo Meilo dabei ist, mein Auto zu beladen. Bitte lass es bis oben hin voll sein!

"Meiloho?" Nicole ist schon bei ihm angekommen. Fuck! "Darf ich bei euch mitfahren?"

"NEIN!", will ich rufen, doch zu spät.

"Klar. Hinten ist noch Platz", antwortet mein Esel von einem Freund treudoof. Ahhrg!

Siegessicher grinst mich Nicole an. "Siehste? Doch noch Platz für mich."

"Super." Ich knirsche mit den Zähnen und schicke Meilo böse Blicke. Der runzelt bloß die Stirn und schließt die Heckklappe.

"Ich hole schnell meine Tasche, die ich für die Fahrt brauche." Nicole rauscht fröhlich davon.

"Du wolltest nicht, dass sie mit uns fährt?", kommt es von meinem Schnellmerker Meilo.

"Wie hast du das denn erraten?" Ich schmolle mit verschränkten Armen vor mich hin.

Verzeihend grinst mich mein Nullchecker-Freund an und kommt auf mich zu. Als er seine Arme um mich legt und mich küssen möchte, drehe ich den Kopf weg. "Echt jetzt? Ist es so schlimm, dass Nicole bei uns mitfährt?" Ich nicke bloß. "Ach Sweetheart." Meilo schmust mir über die Wange. Nicht einknicken Nic! Hier geht es ums Prinzip! "So schlimm ist es doch gar nicht."

"Ist es wohl!", begehre ich auf. "Ständig ist meine Familie um uns! Ich hatte mich so auf eine Fahrt zu zweit gefreut. Nur wir beide. Ohne nervige Familienanhängsel." Traurig aber wahr. Zweisamkeit ist nicht viel im Moment bei uns. "Wir leben wie Ölsardinen in einer Dose!" Meilo fängt doch tatsächlich an zu lachen! "Das ist nicht lustig!"

"Doch. Irgendwie schon."

Ich schlage leicht gegen Meilos Brust. Nicht aus Zorn, sondern weil sein Lachen ansteckend ist. "Verdammter Mistkerl." Natürlich meine ich das nicht ernst, was mein Grinsen ihm auch sofort verrät.

"Hör zu", sagt er, nachdem sein Lachen abgeebbt ist. "Heute Abend werden wir beide ganz allein in meinem großen Bett liegen. Und dann ..."

"Kommt Daisy und wirft ihren zerbrechlichen Hundekörper auf uns", beende ich seinen Satz.

"Das wollte ich nicht sagen."

"So wird es aber ausgehen", prophezeie ich.

"Daisy bekommt Zimmerverbot."

"Echt?"

"Echt. Sie wird unten im Flur nächtigen müssen."

"Versprochen? Ich weiß doch, dass du bei ihren großen Hundeaugen immer schwach wirst." Ich nicht weniger, aber ich kann mich besser beherrschen als er.

"Ich verspreche es", schwört er mir und gibt mir einen kleinen Kuss. "Es gibt nämlich Augen, bei denen werde ich noch viel schwächer."

"Erzähl bloß ..." Wir grinsen uns an und schauen uns tief in die Augen. In meinem Bauch flammt ein starkes Kribbeln auf.

"Oh ja ...", haucht mein Meilolein und schon liegen seine Lippen auf meinen. Mir fallen die Augen zu und ich lehne mich schwer gegen Meilos Körper. So schön ...

"Ey! Nicht knutschen! Wir wollen los!" Ahhrg! Nicole, du Nervensäge!
 

***
 

"Können wir an der nächsten Raststädte anhalten? Ich habe Hunger und dort gibt es einen Burger King."

Ich verdrehe die Augen. "Frag zuerst Mama", grante ich nach hinten.

"Okay." Nicole hält sich ihr Handy ans Ohr. "Mama? Ich sterbe vor Hunger. Halten wir am nächsten Rastplatz? ... Super!" Und wieder verdrehe ich die Augen.

"Du hast ihr nichts vom Burger King erzählt."

"Und?" Meine Schwester spielt die Ahnungslose.

"Hättest du es, hätte sie nein gesagt."

"Hätte sie nicht. Essen ist Essen." Und wie Mama nein gesagt hätte! Ob ich sie verpetzen soll? Mein Magen sagt nein. Der hat nämlich auch Kohldampf und die Aussicht auf Hamburger und Pommes findet der total klasse.
 

Leider bereue ich meine Entscheidung, kaum dass wir durch die Tür des Schnellrestaurants getreten sind. Plärrende Kinder, lautes Gerede, drei lange Schlangen vor den besetzten Schaltern. Das laute Piepen der Gerätschaften dahinter ist sogar noch nerviger als das Kinderplärren.

Seufzend lehne ich mich gegen Meilos Arm. "Nur die Ruhe", meint er und drückt kurz meine Hand. Der hat leicht reden.

"Dagegen ist ja die Autofahrt mit Nicole die reinste Ruheoase", brumme ich. Tatsächlich war Nicole ganz brav auf ihrem Rücksitz. Sie hörte Musik über ihre Kopfhörer und daddelte an ihrem Handy herum. Bestimmt hat sie mit ihrem Freund gesimst. Das ist im Moment ihre Lieblingsbeschäftigung, das heißt, wenn sie nicht bei ihm ist oder sich an Meilo hängt. Letzteres ist meinem Vater natürlich am liebsten. Er hat es immer noch nicht ganz verkraftet, dass Nicole jetzt ebenfalls einen Freund hat.

"Sucht ihr uns doch schon mal einen Platz, ja?", meint meine Mutter. "Nicole und ich bestellen das Essen." Papa brummt zustimmend. Auch ihm geht das Getöse hier drinnen auf den Zeiger.

Und so teilen wir uns auf: Die männliche Fraktion geht auf Futterplatzsuche, die Frauen kämpfen um die Nahrung. Das nennt sich Emanzipation.
 

Wir ergattern einen Tisch ganz hinten in einem Eck, an dem noch gerade so genügend Platz für uns ist. Ich muss mich mit Meilo auf die Eckbank quetschen, aber das ist mir ganz recht. Nahe bei meinem Meilo ist es eben immer noch am Schönsten.

"Bis die da vorn am Bestellen sind, bin ich schon verhungert", beschwert sich mein Vater. Oha. Hungrig und genervt. Eine tödliche Kombi bei ihm.

"Im Auto liegen noch geschmierte Brote. Soll ich dir eins holen?", ärgere ich ihn. Er guckt mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle. "Dann halt nicht." Papa seufzt. Ich lasse ihn besser in Frieden. Wenn er in so einer Laune ist, ist nicht gut Kirschen essen mit ihm. Deshalb beschäftige ich mich lieber mit Meilo, dessen Hand ich unter dem Tisch ergreife und eifriges Daumenfangen mit ihm spiele. Am Ende gewinnt er und hat somit 3000 Gummipunkte gewonnen, die er in allen teilnehmenden Geschäften einlösen kann.
 

"Kinder! Was für ein Gedränge!" Schnaufend kommt meine Mutter an unseren Tisch und knallt ein volles Tablett mit liebevoll in Papier eingewickelten Lebensmitteln auf die Tischplatte. Nicole hat ebenfalls eins in der Hand und stellt es daneben. "Der Rest wird uns gebracht", erklärt Mama und setzt sich. "Keine Ahnung, wem was ist. Bedient euch." Papa leistet dem umgehend folge.

"Ey! Das ist meiner!" Nicole entreißt ihm seine Beute. "Das hier sind deine." Sie deutet auf einen Stapel Hamburger.

Meilo und ich fischen uns unseren Teil der Bestellung aus den beiden Haufen. Einzig die Pommes fehlen noch. Die werden uns jedoch umgehend geliefert.

"Guten Appetit", wünscht Mama uns. Wir antworten schmatzend und sie verdreht die Augen. Tja. Bei Fastfoot darf mein keine Tischmanieren verlangen.

"Was bin ich aufgeregt", schnattert meine Mutter und zupft sich mit Daumen und Zeigefinger eine Pommes aus der Tüte. "Nach allem, was ich über deine Eltern und dein Zuhause gehört habe Meilo, muss es ja ganz schön beeindruckend dort sein."

"Ach was", winkt mein Schatz bescheiden ab. "Bei uns ist es wie in jeder Familie."

"Nur, dass ihr in einem riesigen Hotel lebt", schwärmt Nicole. "Wenn das die Fans von Kei..."

"ÄHBÄBÄB!", unterbreche ich sie mit wütenden Blick und erhobenen Zeigefinger. "Das K-Wort ist ab jetzt Tabu. Vor allem in der Öffentlichkeit."

"Oh. ... Sorry." Nicole guckt uns geknickt an. "Hab nicht dran gedacht."

"Schon gut." Meilo lächelt meine Schwester lieb an. Ach Schatz. Du bist zu gutmütig.

"Apropos Hotel", fällt mir bei dem Thema an. "Wo schläft meine Sippschaft eigentlich?" Fragend schaue ich meinen Liebsten an.

"Niclas!" Mich trifft Mamas böser Blick.

"Was denn?" Ich tu so, als wüsste ich nicht, wofür ich den verdient habe.

"Sippschaft? Wir sind deine Familie!"

"Ist doch das Gleiche." Mehr oder weniger.

"Nein. Die Sippschaft enthält alle blutsverwandten Angehörigen unserer Familie. Und da die nicht alle mitgekommen sind, sind wir auch momentan keine Sippschaft", klugscheißert Nicole.

"Seit wann bist du so ein Intelligenzbolzen?", blaffe ich sie an.

"Sowas weiß man." Sie grinst schäbig. Die macht sich lustig über mich!

"Meine Mutter meinte, ihr könnt alle bei uns im Haus schlafen. Wir haben selbst noch zwei Gästezimmer", schaltet Meilo dazwischen, bevor ich meine Schwester mit einer spitzen Pommes erdolche.

"Ein Hotel und Gästezimmer?" Papa bringt sich auch mal ins Gespräch ein.

"Ja", nickt Meilo. "Die Familie schläft immer bei uns. ... Es sei den, bei großen Anlässen. Da würde unser Haus nicht reichen." Unweigerlich stelle ich mir die ganze Meilo-Familie vor, wie sie sich in dem Wohnhaus der Haugs zusammenquetscht.

"Wenigstens wäre es dann warm", lache ich.

"Stimmt. Holz nachlegen würde damit flach fallen", stimmt mir mein Schatz zu.

"Und die Hunde würden sich auch freuen."

"Besonders Daisy. Die liebt Aufmerksamkeit."

"Besonders deine", grummle ich. "Und besonders, wenn wir beide miteinander ..."

"ÄHBÄBÄB!" Jetzt ist es Mama, die mich unterbricht. "Hier sind Minderjährige am Tisch."

"Mama!" Nicole gibt sich, wie immer, zickig.

"Die weiß besser Bescheid als ihr." Hat uns ja schon im Flagranti erwischt, das kleine Aas.

"Arsch!" Etwas trifft mich am Bein. Nicoles Fuß.

"Ey! Aua!" Die Rache folgt auf dem Fuße in Form einer fliegenden Pommes.

"Niclas!" Schiedsrichter Mama gefällt das gar nicht. Sie patscht mir auf die Hand.

"Die hat mich getreten!" Man wird sich ja wohl noch wehren dürfen, oder nicht?

Meine Mutter seufzt und lässt den Kopf hängen. "Wir sind umgeben von kleinen, kreischenden Kindern, und welche sind wieder am schlimmsten von allen? Meine beiden Holzköpfe."

"Ey!", beschweren Nicole und ich uns gleichzeitig.

Es herrscht kurz Stille, dann beginnt Meilo auf einmal schallend zu lachen. Fragend schauen wir vier ihn an. "Oh man!", gackert er. "Meine Eltern werden begeistert von euch sein."

Daraufhin tut meine Mutter geschmeichelt, Papa grunzt, Nicole stopft sich ungefragt eine Hand voll Pommes von mir in den Mund und ich verziehe resigniert den Mund. Wieso nur habe ich das dumme Gefühl, dass dem genau so sein wird? "Ich sehe meine Mutter jetzt schon mit deiner über unsere Kindertage tratschen", flüstere ich Meilo zu.

"Und? Dann haben sie wenigstens was zu tun und wir können ..."

"ÄHBÄBÄBÄB!" Entgeistert gucke ich zu Nicole rüber. "Ich bin doch auch noch da." Oh Fuck!
 

***
 

"Meilo! Niclas!" Lautes Gebell. Meilos Mutter mitsamt allen Hunden kommt auf uns zu. Puh! Gerade mal aus den Auto gestiegen und es geht los.

Dennoch freue ich mich, Doro wiederzusehen. Sie begrüßt mich als erstes und umarmt mich fest. Danach ist Meilo an der Reihe.

"Und wer bist du?", fragt sie meine kleine Schwester.

"Nicole. Nics Schwester." Sie klimpert mit ihren Wimpern. Doro fällt voll drauf rein. Auch sie wird umarmt.

Neben mir taucht meine Mutter auf. Sie wirkt nervös und fummelt ununterbrochen am Kragen ihres Mantels herum. Ich grinse in mich hinein. Es geht ihr wie mir das letzte Mal.

"Doro? Das sind meine Eltern. Cora und Werner", stelle ich ihr mein nervöses Nervenbündel und meinen endlich wieder gut gelaunten Vater vor. Erst schüttelt Doro ihnen die Hand, doch dann werden auch meine Eltern in ihre Arme gezogen. "Endlich treffen wir uns", lacht sie meine Mutter an, die jetzt gar nicht mehr so nervös aussieht.

Meilo stellt sich neben mich. Er atmet tief durch. "Sie scheinen sich zu verstehen, oder?", fragt er mich leise.

"Hab ich doch gesagt." Ich lege den Arm um seinen Rücken. Meilo sieht wirklich erleichtert aus. Er hatte immer noch leichte Bedenken, sie könnten sich nicht leiden. Und das obwohl meine Mutter und seine in den vergangenen Tagen schon einige Mal miteinander telefoniert hatten. Wie es dazu kam weiß ich gar nicht so genau. Irgendwas wegen dem Essen. Wie Mütter nun mal so sind. Alles muss durchgeplant werden. Es muss ja schließlich auch jeder wissen, welchen Salat er mit zur Party bringen muss. Hinterher hat mal zwei Nudelsalate dastehen. Katastrophe!

"Mein Mann ist noch im Stall, müsste aber jeden Moment wieder kommen", plaudert Doro auf meine Eltern ein. "Kommt doch alle erstmal mit rein. Ich habe Kuchen und Kaffee gemacht."

"Hört sich verführerisch an", kichert Mama und trabt neben ihr ins Haus rein.

Ich versuche derweil die Hunde von mir zu bekommen. Warum finden die immer meine Schuhe am interessantesten?
 

Drinnen empfängt uns warme Kaminluft. Richtig wohltuend.

Meilo hängt unsere Mäntel auf. Ich warte auf ihn. Gemeinsam betreten wir die Küche, wo alle anderen schon laut plappernd herumstehen und das Aussehen des Kuchens loben.

"Setzt euch doch schon mal. Ich schaue schnell, wo Eberhard bleibt." Doro rauscht aus der Küche, die Hunde hechten ihr nach.

"Ist das schick hier", staunt meine Mutter und sieht sich um.

"Soll ich dich herumführen?", frage ich sie mehr aus Spaß.

"Nachher gern." Ups. Eigentor.

"Und wo ist das Hotel?", möchte Nicole wissen.

"Da sind wir doch vorbeigefahren." Dummerchen.

"Echt?" Ich nicke. "War das das graue große Haus da vorn?" Wieder nicke ich. "Cool! Gehen wir da nachher hin?"

"Nur wenn du brav bist", ärgere ich sie und handele mir prompt einen Stupser von Mama ein.

"Benehmt euch!" Tzäh! Die Dame des Hauses ist doch gar nicht anwesend.

"Ihr könnt euch ruhig schon Kuchen nehmen", weist Meilo meine Familie an und schenkt jedem eine Tasse Kaffee ein.

"Wir warten noch auf deine Eltern. Solange ist noch Zeit." Mamas Wort ist Gesetz. Also trinken wir brav Kaffee, während wir darauf warten, dass Meilos Eltern zu uns stoßen. Keine viertel Stunde stehen beide im Raum.

Auch Eberhard begrüßt uns alle, verschwindet dann jedoch, um sich schnell frisch zu machen. "Er hat die Ställe ausgemistet", erklärt Doro. Das riecht man auch. Es geht doch nichts über frische Landluft.
 

Einen halben Kuchen und zwei Kannen Kaffee später, schleppen mein Vater und ich die Taschen und Koffer ins Haus. "Kaum zu glauben", ächze ich "wie viel die alle eingepackt haben."

"Du kennst doch deine Mutter. Sie hat für jeden eventuellen Anlass etwas dabei."

"Stimmt ... uff!" Koffer erfolgreich im Gästezimmer abgeladen. "Trotzdem übertreibt sie es. Wir sind kaum zwei Tage hier." Meilo und ich haben bloß je eine Reisetasche. Der Rest ist Zeug, den er von seiner alten Wohnung hier her bringen wollte. Das meiste ausgemistete Kleidung, das Doro spenden wird. Sie ist in irgendeinem gemeinnützigen Verein drinnen, weshalb Meilo die Kleidung auch nicht in den Altkleidercontainer werfen durfte. Dann noch ein kleines Schränkchen, dass Meilo nicht mehr braucht und das ganze Essen, dass Mama eingepackt hat. Voll war mein kleines Auto. Ach ja! Und nicht zu vergessen, der versprochene Kasten Wein, den ich bei KP für Meilos Eltern geordert habe.

Ich schaue mich im Gästezimmer um. Hier werden meine Eltern nächtigen. "Nett", finde ich. "Wie ein Hotelzimmer." Ich grinse meinen Vater an.

"Apropos Hotel. Deine Mutter wollte noch eine Führung."

"War das nicht Nicole?"

"Die ist schon mit Meilo losgezogen."

"Was?!" Dieses Biest! "Woher weißt du das?"

"Sie hat es mich um Erlaubnis gefragt, ehe ich raus zum Auto bin", meint mein Vater ruhig.

Sie hat ihn um Erlaubnis gefragt?! Das hat sie doch nur getan, weil sie weiß, dass Papa mir das früher oder später erzählen wird. Sie wollte es mir auf die Nase binden!

"Na warte", grolle ich und lasse meinen Vater einfach stehen. "MAMA!"
 

"Geh doch nicht so schnell!"

"Komm schon. Sonst holen wir die zwei nie ein!" Gnadenlos zerre ich meine Mutter mit mir.

"Und? Du willst doch nur so schnell zu ihnen, weil es dir sauer aufstößt, dass Nicole und Meilo allein im Hotel sind." Treffer.

"Nein", lüge ich dennoch. "Weil Meilo sich im Hotel auskennt und dir alles viel besser erklären kann als ich." Das ist keine Lüge. "Also los! Hopp, hopp!"

"Ja, ja", stöhnt meine Mutter. Einen Kommentar zum 'ja, ja' spare ich mir ausnahmsweise.

Abgehetzt kommen wir am Hotel an. "Meilo?" Keiner da. Die Lobby liegt verlassen da.

"Ist das schön!" Staunend dreht sich meine Mutter einmal im Kreis. "Hier wäre ich auch gern aufgewachsen. Muss aufregend gewesen sein."

"Hmhm", mache ich bloß und schaue in den Salon neben der Lobby hinein. Auch niemand. "Sie müssen bei den Zimmern sein", überlege ich laut. "Im Gewächshaus sind sie bestimmt noch nicht."

"Bestimmt haben sich hier schon viele Liebestragödien abgespielt. Wie in einem Rosamunde Pilcher Roman. Ja, genau so sieht es hier aus!" Ich reibe mir genervt über die Augen. Meine Mutter mal wieder. "Hier machen wir im Sommer Urlaub!" Sie ist total begeistert. "Ich muss unbedingt die Zimmer sehen!" Meine Hand wird geschnappt. Jetzt bin ich derjenige, der im schnellen Schritt herumgezogen wird.

"Warte doch mal!", keuche ich. "Wir haben doch gar keine Zimmerschlüssel! Wie wollen wir da in die Zimmer rein?"

"Ach so." Meine Mutter schaut betrübt drein.

"Meilo hat sicher welche", lüge ich ein weiteres Mal. "Suchen wir erst ihn, dann schauen wir uns ein paar Zimmer an, ja?"

"Na schön." Ha! Gewonnen! "Und wo könnte er sein?"

"Frag mich etwas leichteres."

Ich führe meine Mutter hinauf in die erste Etage. Die Flure sind leer. Auch im zweiten Stock ist niemand zu sehen. "Oben sind nur Lagerräume", sage ich. "Da ist er sicher nicht." Vielleicht ist er dann doch im Gewächshaus ...

"Und unten? Was ist da?"

"Nur der Pool ..." Und da klingelt es bei mir. "Nicole wollte doch schwimmen!" Dann werden sie hundert pro unten am Pool sein!

"Dann zeig mir mal den Pool", grinst Mama, harkt sich bei mir ein und gemeinsam laufen wir die Treppen wieder nach unten. "Also wenn man hier arbeitet, bleibt man aber fit wie ein Turnschuh", schnauft sie, als wir unten angekommen sind. Nur noch eine Tür trennt uns vom Poolbereich.

"Glaube ich auch." Ich muss an Sebastian denken. Er ist wirklich immer auf zack gewesen, als wir das letzte Mal hier gewesen sind. Und er hat kein Gramm zu viel auf den Rippen. "Vielleicht sollte ich umschulen und hier als Page anfangen." So wie Henning. "Und Meilo bekommt eine Anstellung als Küchenjunge", lache ich. Die Vorstellung gefällt mir. Inklusive heimliche Nächte in der Hochzeitssuite …

Das wäre doch mal ein guter Rosamunde Pilcher Roman! Doch zuerst muss ich erstmal Meilo finden, um mit ihm Pilcher-Mäßig auf den Putz hauen zu können.
 

Ich öffne die Tür zum Poolbereich. Und was sehe ich? Eine schwimmende Nicole und einen Meilo, der es sich auf eine der Liegen bequem gemacht hat.

"Versteckst du dich vor mir? Wenn ja, gut gemacht. Ich hab dich überall gesucht."

Völlig entspannt schaut Meilo zu mir auf. "Du hättest mich auf dem Handy anrufen können", meint er lapidar.

Ich knirsche mit den Zähnen. "Daran habe ich nicht gedacht", gebe ich zu.

Meilo lacht und schnappt sich meine Hand. "Typisch für dich." Ich puste eingeschnappt, lasse mich jedoch von ihm rittlings auf seinen Schoß ziehen. "Nicole wollte unbedingt in den Pool. Ich dachte, ich bringe sie schnell hin, aber dann bin ich auf der Liege eingedöst." Verzeihend reibt er mir über die Oberschenkel. "Außerdem konnte ich sie ja auch nicht allein hier lassen. Hinterher passiert ihr was."

"Sehr löblich", schnurre ich. Die massierenden Hände bringen mich ganz schön durcheinander.

Mit einem leisen Seufzen beuge ich mich vor und lege mich auf Meilos Bauch. Umgehend schnappt sein Mund nach meinem. Mir fallen die Augen zu, doch leider gönnt man uns unsere kleine Schmuserei nicht.

"Meilo! Habt ihr hier auch Handtücher?" Nicole, du kleine Bratze!

"Ich hole dir eins", ruft Meilo ihr zu und schon hocke ich alleine auf der Liege. So ein Scheiß!

Mama taucht neben mir auf und lacht leise. "Hör auf damit!", grante ich sie an.

"Du bist wie ein kleiner Junge, der nicht mit seiner Schwester teilen will", zieht sie mich auf.

"Meilo ist mein Freund! Den muss ich nicht mit meiner Schwester teilen." Wäre ja noch schöner! "Sie würde mir die Augen auskratzen, wenn ich ihrem Freund als auf die Pelle rücken würde." Gar keine schlechte Idee ...

Meine Mutter sieht mich teils belustigt, teils mitleidig an und setzt sich zu mir auf die Liege. Eingeschnappt schaue ich Meilo dabei zu, wie er Nicole das Handtuch reicht, sie vorher aber noch aus dem Pool zerrt. "Früher habt ihr euch um mich gestritten."

"Bitte?" Mit hochgezogener Augenbraue sehe ich Mama an.

Sie nickt und guckt mit nostalgischem Blick auf den Pool. "Jeder von euch wollte meine Aufmerksamkeit. Besonders du. Und als Nicole noch ein Baby war, warst du so eifersüchtig auf sie, dass du sogar mal nachts heimlich ihre Zimmertür mit deinen Spielsachen und Büchern verbarrikadiert hast", lacht sie. "Damit wir nicht mehr zu ihr können." Stimmt. Da war mal was. "Als sie wir sie dann übers Babyphone schreien gehört haben, wollte dein Vater zu ihr. Er hätte sich beinahe langgelegt, weil er im verschlafenen Zustand deine aufgebaute Barrikade nicht gesehen hatte."

"Ich erinnere mich. Ich bekam drei Wochen Stubenarrest." Völlig überzogen. Hätte mein Vater mal gucken müssen, wo er hinlatscht.

"Du warst ein Satansbraten."

"Bitte?! Ich war ja wohl das bravste deiner Kinder!" Ich werde skeptisch angestarrt. "War ich wohl!"

"Was warst du?" Meilo ragt über mir auf.

"Ein braver Junge", kläre ich meinen Liebsten auf.

"Echt?" Ich nicke. "Ich habe dich aber lieber, wenn du ein böser Junge bist ..." Schluck.

"Okay ... Nicole? Wir gehen." Meine Mutter steht auf.

"Ja aber Meilo wollte ..."

"Nachher Schatz. Wir fragen Dorothea, ob wir ihr noch bei irgendetwas helfen können."

"Was? Aber ..."

"Nichts aber. Du durftest in ihren Pool, dann musst du auch was dafür tun." Jawohl! Zeig ihr, wie der Hase läuft.
 

Schadenfroh grinsend schaue ich meiner Schwester und meiner Mutter nach. Weg sind sie.

Die Liege knarrt. Meilo setzt sich zu mir. Ich hebe meine Arme und lege sie um seinen Nacken, um ihn zu mir ziehen zu können. "Allein", flüstere ich und schmuse über seine weichen Lippen.

"Aber nur kurz. Ich habe meinem Vater versprochen, mit ihm in die Stadt zu fahren."

"Was?" Och nö, oder?

"Nicht böse werden, ja?"

Ich schnaube. "Auf einmal? Ich dachte, du magst es, wenn ich ein böser Junge bin."

Meilo legt den Kopf schief. "Also gut", grinst er. "Einen Blowjob. Dann muss ich aber los." Äh ... was?
 

*
 

Meilo braucht nicht lange darauf zu warten, dass ich komme.

Wieder einigermaßen im Hier und Jetzt angekommen, öffne ich die Augen. Verschmitzt grinst Meilo mich von unten her an. "Und? Zufrieden?" Ich schüttle erschöpft den Kopf. "Nicht?"

"Komm her", schnaufe ich und mache kleine Winkbewegungen mit meinem Zeigefinger. Meilo rutscht an mir hinauf. Neugierig sieht er mich an. "Ich liebe Dich." Aus seinem Grinsen wird ein strahlendes Lachen.

"Ich Dich auch, du böser Junge." Den Namen habe ich jetzt anscheinend weg. "So! Ich gehe dann mal zu meinem Vater. Willst du mit?"

So schnell, wie Meilo sich über mich hergemacht hat, ist er nun auch wieder von mir abgerückt. Mit fahrigen Bewegungen schließe ich meine Hose. "Und du?", frage ich ihn. "Willst du nicht auch?"

"Jetzt nicht", winkt er ab.

"Sicher?" Das ist ja mal ganz was neues. "Muss ich mir Sorgen machen?"

Meilo lacht. "Musst du nicht."

"Und wieso willst du nicht?"

"Ich warte damit lieber bis heute Abend", gurrt er und hilft mir beim Aufstehen. "Dann haben wir Zeit und ich kann mich ganz ausgiebig um dich kümmern ..."

Das heiße Kribbeln kehrt in meine Eingeweide zurück. "Guter Plan", pflichte ich ihm bei und raube mir noch einen verlangenden Kuss, damit er auch ja weiß, was ihn heute Abend alles erwarten wird.
 

***
 

"Was soll denn das sein?" Mein Vater runzelt die Stirn. "Cora. Kannst du nicht mal ordentlich zeichnen?"

Meine Mutter stemmt die Hände in die Hüfte und schnauft. "Das sieht doch ein Blinder, was das ist!"

"Selbst Steven Hawking würde dieses Gekritzel nicht erkennen." Oha. Ehestreit.

Mama guckt, als wolle sie Papa mit bloßen Blicken zum implodieren bringen, dann dreht sie ihren Kopf zu Nicole. "Erkennst du, was das sein soll?"

"Logisch. Das oben ist eine Scheune, das andere ein Tor. Scheunentor."

"HA!", macht meine Mutter und reißt die Arme hoch. "Ab jetzt spiele ich mit meiner Tochter!" Sie legt den Stift auf das Clipboard und lässt sich demonstrativ neben Nicole auf das Sofa fallen. Papa zuckt nicht mal mit der Wimper.

"Gibt das jetzt einen Punkt?", frage ich Doro, die in dieser Runde den Punktevorsitz hat. Da wir eine ungerade Zahl an Spielern sind, wechseln wir uns damit ab.

"Nein. Nicole spielt doch mit Eberhard zusammen." Pech für Mama. "Niclas? Du bist dran."

Ich stehe auf und ziehe mir ein Kärtchen. So, dass Meilo nicht draufgucken kann. Hm. Palmengarten. Das müsste ganz gut zu zeichnen sein.

Bis jetzt sind Meilo und ich gar nicht mal so schlecht. Wir haben eben einen guten Draht zueinander.

Als erstes zeichne ich eine ganz passable Palme, die Meilo auch sofort errät. Dann ist der Garten dran. "Äh ... Palmenblatt! ... Palmenhaus!" Ich schüttle den Kopf und deute auf das wirre Gektizel vor dem Haus, das den Garten darstellen soll. "Palmengarten!"

"Ja!" Ich klatsche mit Meilo ab und wische das Clipboard wieder sauber.

"Na das hätte ich auch erkannt", motzt mein Vater. "Zeichnen hat der Junge eindeutig von mir geerbt."

"Das hättest du erkannt?", keift meine Mutter zurück. Papa nickt. "Pff!"

"Jetzt regt euch wieder ab", gehe ich dazwischen. "Ist doch nur ein Spiel."

"Ein Spiel, da wir verlieren wegen deinem Vater."

"Du hast doch schon mit mir zusammen gewonnen", schaltet sich Nicole ein.

"Ja, mein Schatz. Wenigstens auf dich kann ich mich verlassen."

Ich wusste, dass ein Spieleabend eine schlechte Idee gewesen ist. Bei uns enden Spiele immer mit wütenden Blicken und bösen Worten. Meine Mutter verliert nicht gern. Aber sie ist eine genauso schlechte Gewinnerin.

Es gab mal einen Abend, an dem unser Monopoly-Spiel im hohen Bogen aus dem Fenster geflogen ist. Ohne Witz. Mein Vater hatte so die Faxen dicke, dass er es aus unserm Haus verbannt hat und bisher durfte nie wieder ein Mitglied der Familie Ittninger eins mit hineinschleppen. Seitdem spielen wir eigentlich nur noch Karten. Das ist das Höchste der Gefühle. Die tun auch nicht so weh, wenn sie auf einen zugeflogen kommen. Es sei denn, die scharfe Kannte erwischt einen im Gesicht ...

"Was haltet ihr davon, wenn ich uns allen noch einen Tee mache, bevor hier noch ein Krieg ausbricht?", schlägt Doro vor und klatscht in die Hände.

"Gute Idee", meint Meilo. "Es ist sowieso schon recht spät." Ein Blick auf die Uhr über dem Kamin verrät, dass es schon halb zwölf durch ist.

"Ich will aber noch nicht aufhören", schmollt Nicole, die sicher schon ahnt, wo das gleich hinführt. Nämlich ins Bett. Und darauf ist sie ganz und gar nicht scharf. Hier ist alles viel zu aufregend für sie. Wann ist man schon mal im Elternhaus seines Lieblingspopstars?

"Doro hat Recht", sage ich zu ihr. "Du weißt doch, wie sonst die Spieleabende bei uns immer enden." Sie seufzt nickend und schielt zu Mama.

"Dann mache ich mal den Tee." Doro steht auf.

Meine Mutter ebenfalls. "Ich helfe dir!"

"Und wir räumen das Clipboard weg", beschließt Meilo und klopft mir aufs Bein.

"Ich helfe euch!" Natürlich. Wenn Meilo sich bewegt, springt Nicole ihm nach.
 

Wir räumen alles wieder an Ort und Stelle. Als wir damit fertig sind, stehen unsere Mütter mit dem versprochenen Tee im Wohnzimmer. "Für uns nichts", sagt Meilo. "Wir wollen hoch." Wollen wir? Meilos Zeigefinger streicht über meinen Handrücken. Und ob wir hoch wollen!

"Ja. Bin total KO", erwidere ich und setze noch ein schönes Gähnen als Sahnehäubchen oben drauf. Zwar bin ich nicht wirklich müde, aber das müssen unsere Eltern ja nicht wissen.

"Och bleibt doch noch." Nicole legt ihren Dackelblick auf. Nur wirkt der gerade nicht bei Meilo. Bei mir hat er noch nie gewirkt.

"Wir sehen uns morgen wieder", vertröstet Meilo sie.

Wir wünschen allen eine gute Nacht, dann verschwinden wir. Mit großen Schritten nehmen wir gleich zwei Stufen auf einmal, bis wir endlich oben sind. "Komm!" Meilo schnappt sich meine Hand. Fast rennen wir die letzten Meter bis zu seiner Zimmertür, so eilig haben wir es plötzlich.

Kaum in Meilos Zimmer, schmeißt er die Tür zu, schließt ab und drängt mich dagegen. Hart schmiegt sich sein Körper an meinen. "Endlich", keucht er und schiebt seine Finger unter meinen Pullover. Fingernägel kratzen fest über meine bereits harten Nippel und sein Mund streift über meinen Hals. "Am liebsten würde ich dich gleich hier im Stehen nehmen."

"Dann tu's doch", keuche ich und fummle mich hektisch aus meinem Oberteil. Meilo hilft mir, es über den Kopf zu ziehen. Als dies geschafft ist, machen sich seine Zähne sofort über meine Brust her. Ich erschaudere. Mein Hinterkopf rumpelt unsanft gegen die Tür, doch ich ignoriere den leichten Schmerz. Stattdessen versuche ich meine Hose aufzubekommen, schaffe es nach einigen Anläufen, und drücke sie nach unten, bis sie von allein runterrutscht. Und als hätte Meilo nur darauf gewartet, packen seine Hände nach meinem Hintern. Ich lache auf und biege mich ihnen entgegen. Ungestüm wird mir daraufhin auch noch die Unterhose von den Hüften gestreift.

"Bleib so stehen", werde ich angewiesen, ehe Meilo mich plötzlich allein dastehen lässt. Er eilt zu seiner Tasche, kramt darin herum, und kommt anschließend wieder zu mir. Neben mir höre ich etwas auf den Boden fallen, dann geht Meilo vor mir auf die Knie. Fix hilft er mir, aus dem Hosenwust zu meinen Füßen zu steigen. Sie fliegen im hohen Bogen vors Bett, doch das bemerke ich kaum noch. Meilos Mund in meinem Schritt ist viel interessanter.

"Sollte ich das nicht ... oh! ... Bei dir machen?", frage ich ihn keuchend.

"Eher nicht", haucht er gegen meine erhitzte Haut. "Du bleibst schön brav stehen und lässt mich machen." Ich erschaudere. Ihn machen lassen ... Nichts lieber als das!
 

*
 

"Nic?"

"Hm?"

"Du wirst mir langsam zu schwer." Unter mir zappelt etwas. Bei genauerer Untersuchung seitens Fühltest und Analyse der Richtung, aus der Meilos Stimme kommt, muss es Meilo selbst sein, der da zappelt. "Runter!"

"Is ja schon gut." Schwerfällig lasse ich mich zur Seite fallen. Auf dem Rücken liegend öffne ich die Augen und mustere die Zimmerdecke. Nicht, dass es dort etwas interessantes zu sehen gäbe, aber zu mehr bin ich momentan nicht imstande.

Mein Herz rast noch immer und meine Lungen scheinen immer noch nicht genug Luft zu bekommen.

Schwer landet ein Arm auf meiner Brust. "Das hatte ich nötig", murmelt Meilo. Und ich hätte jetzt eine erneute Dusche nötig, aber dazu bin ich jetzt eindeutig zu faul. Ich schaffe es gerade so, meine Hand zu heben und sie auf Meilos Unterarm zu legen. Das ist aber auch das Höchste aller Gefühle.

Mir fallen die Augen wieder zu. Schlafe ich eben nackt, verschwitzt und mit dem Kopf am Fußende im Bett. Was soll's? Solange ich mich an Meilos Arm festhalten kann, ist doch alles tutti.
 

***
 

"Oh nein! Ich glaube, ich habe die Saure Sahne vergessen!" Meilos Mutter sucht verzweifelt den gesamten Inhalt des Kühlschranks ab. "Keine da", lautet ihr schon vermuteter Verdacht.

"Soll ich schnell welche holen?"

Dankbar sieht Doro ihren Sohn an. "Das wäre toll. Dann könntest du auch noch zwei Kästen Wasser mitbringen."

"Dann brauche ich aber Hilfe", grummelt mein Schatz und sieht mich fragend an.

"Klar." Wozu hat man schließlich einen Verlobten?

Meilo und ich machen uns auf den Weg. Wir schaffen es sogar, von Nicole unentdeckt zu bleiben. Apropos Schwester. "Wo ist eigentlich Nicole die ganze Zeit über?", frage ich Meilo, der darüber sicher besser Bescheid weiß, als ich. "Die habe ich nur kurz beim Frühstück gesehen, dann war sie verschwunden." Sehr merkwürdig.

"Sie versucht einen neuen Rekord im Dauerschwimmen aufzustellen", lacht Meilo.

Verwundert schaue ich rüber zu Meilo, der auf dem Beifahrersitz sitzt. "Sie ist schon wieder im Pool?" Er nickt. "Wusste gar nicht, dass sie so eine Wasserrate ist. Früher hatte sie immer Angst vorm Schwimmunterricht."

"Dafür schwimmt sie aber ganz gut", grinst Meilo.

"Kann sein. So genau habe ich sie dabei noch nicht beobachtet."

"Muss sie von dir geerbt haben."

"So?" Ich lege meine Stirn in Falten. "Woher willst du das wissen?"

"Soweit ich weiß, schwimmst du auch ganz gern ... und gut ..." Ah verstehe. Ich weiß, worauf er hinaus will.

"Damals, in dem Hotel, in dem ich dich das erste Mal besucht habe", erinnere ich mich. "In Bremen."

"Hmhm...", säuselt Meilo. Eine seiner Hände schiebt sich auf meinen Oberschenkel. "Du sahst so heiß aus in meinem Höschen." Die Erinnerungen werden immer lebendiger. Er und ich im Wasser ... die Nacht danach ... Ich schenke Meilo einen vielsagenden Seitenblick. "Was?"

"Nichts", grinse ich und biege auf den Supermarktparkplatz ein.

"Sag schon."

"Nein. Es ist nichts."

"Lügner!", lacht Meilo empört. "Sag mir, an was du eben gedacht hast."

"An Bremen." Stimmt auch. In gewisser Weise. Ich schere in eine freie Lücke ein und ziehe den Autoschlüssel. Dabei kommen mir die ganzen anderen Städte in den Sinn, in die ich letztes Jahr gefahren bin, um bei Meilo sein zu können. Und auch Henning und Heiko kommen mir in den Sinn. "Das letzte Jahr war wirklich verrückt", denke ich laut nach.

"Wie kommst du jetzt darauf?"

"Na ja", kichere ich. "Ich wurde von meinem Freund verlassen, treffe kurz darauf einen netten Kerl, mit dem ich mich super verstehe und mich so schnell in ihn verliebe, dass ich selbst ganz überrumpelt davon war, finde nebenbei noch heraus, dass er ein berühmter Popstar ist und meine Schwester ihn anhimmelt, und dann reise ich ihm auch noch durch ganz Deutschland nach." Ich schnalle mich ab, lehne mich rüber zu Meilo und tupfe ihm einen kleinen Kuss auf.

"Total verrückt", schmunzelt mein Meilolein.

"Sage ich doch."
 

Wir steigen aus und laufen gemütlich zu den Einkaufswagen, wo sich Meilo einen schnappt und wir dann danach den Supermarkt betreten. Ich laufe ihm bloß nach, während er alles in den Wagen wirft, was seine Mutter benötigt.

Gelangweilt schaue ich mich um. Brauche ich was? Da ich keinen Hunger habe, spricht mich vom Angebot nicht wirklich was an. Doch dann, vor dem Zeitungsregal. "Oh Shit." Ich bliebe stehen.

Meilo, von meinem Gebrabbel aufmerksam geworden, bleibt ebenfalls stehen. "Was denn?" Ich deute ein Nicken Richtung Zeitungsregal an. Er braucht einen Moment, sieht dann jedoch, was los ist. "Keith Kandyce pausiert wegen Kehlkopfentzündung", liest er laut vor. "Keine schnelle Genesung vorauszusehen."

"Tse!", mache ich. "Da sieht man mal wieder, alles Lug und Betrug."

"Hm." Nachdenklich nimmt Meilo die Teeniezeitschrift in die Hand und blättert zum Artikel. "Vielleicht ganz gut so, dass sie nicht die Wahrheit schreiben."

"Das du aufhörst, weil du den Scheiß satt hast? Das du schwul bist und mit deinem Verlobten zusammenziehst?", frage ich ihn leise.

"Genau." Er schenkt mir einen frechen Seitenblick.

"Und wie wollen die dann erklären, dass Keith gar nicht mehr auf der Bildfläche erscheint?"

"Wahrscheinlich gar nicht", meint er. "Keith verschwindet in der Versenkung und wird vergessen." Meilo legt die Zeitschrift wieder zurück und legt anschließend seinen Arm um mich. "Es ist mir ganz Recht, dass sie wegen der genaueren Umstände lügen."

"Ich weiß doch", seufze ich. "Es erschreckt mich trotzdem, dass sie es tun. Da fragt man sich, wobei man noch so belogen wird."

"Ich glaube, dass wollen wir manchmal gar nicht wissen", meint Meilo, drückt mich kurz an sich und lässt mich wieder los.

Unbekümmert rollt er samt Einkaufswagen auf die Kasse zu. Mit einem merkwürdigen Gefühl im Bauch schaue ich ihm nach. Täuscht mich dieses Gefühl, oder klang da eben irgendwas in Meilos Satz mit?

Ich atme einmal tief ein und schüttle über mich selbst den Kopf. Was soll da schon mitklingen? Weder belügt Meilo mich, noch habe ich den geringsten Grund, dies anzunehmen. Wahrscheinlich bin ich immer noch leicht paranoid. Ich sollte mich zusammennehmen und endlich aufhören mir darüber Gedanken zu machen.

Keith ist tot. Lang lebe Meilo.
 

Während Meilo alles aufs Band legt, laufe ich vor und suche zwei Kartons raus, in dem wir unsere Einkäufe verstauen können. Alles eingeräumt und bezahlt, halten wir noch kurz beim Backshop. Die Schlange ist lang, aber Meilo möchte noch unbedingt Kuchen holen. "Im Moment könnte ich für Süßkram töten", lacht er.

"Wenn es nur das ist. Aber wehe, du wirst fett." Ich grinse ihn frech an.

"Gehört das nicht dazu?", will er stirnrunzelnd wissen.

"Wozu?"

"Na zu einer Beziehung. Du hast doch auch über dein Beziehungsbäuchlein geschimpft."

"Hey! Mein Beziehungsspeck ist fast weg und so soll das auch bleiben."

Meilo lacht. "Ich erinnere dich morgen früh daran, wenn du schon wieder nicht mit mir joggen gehen willst." Das hat gesessen. Bis jetzt bin ich bloß einmal mitgelaufen.

"Am frühen Morgen ist sowas ja auch Folter. Ich jogge lieber abends."

"Gut. Dann heute Abend." Meilo hält mir seine Hand entgegen.

Ich ergreife sie. "Abgemacht."

"Und morgen früh."

"Was?" Ich will meine Hand wegziehen, doch er lässt sie nicht los.

"Morgen früh. Laufen. Gegen deinen mächtigen Muskelkater."

"Ich werde keinen Muskelkater haben!" Na? Wer lügt jetzt?

"Und ob du den haben wirst, mein kleines Speckmonster." WA..?

"Na schön! Morgen früh!" Dem zeig ich, wer hier das Speckmonster ist!

"Fein." Mit einem Siegeslächeln wendet Meilo sich der Verkäuferin zu. Wieso nur habe ich das dumpfe Gefühl, gerade mächtig übers Ohr gehauen worden zu sein?
 

Zuhause schleifen wir die Einkäufe in die Küche, wo sie schon freudig von Doro und meiner Mutter erwartet werden. "Ihr habt aber lange gebraucht!", schimpft sie mit uns. "Habt ihr noch was anderes gemacht?" Das Wort anderes betont sie mit einem komischen Unterton.

"Nein, haben wir nicht. Es war viel los im Supermarkt", verteidigt Meilo uns.

"Hm. Dann wollen wir dir das mal glauben", lacht Doro. "Dann helft uns wenigstens."

"Ist gut." Meilo und ich werden zum Zwiebeln schneiden verdonnert. Wieso eigentlich immer Zwiebeln, eh?

Doro und Mama sind die ganze Zeit über am Schnattern, während Meilo und ich stumm die Zwiebeln klein haken. Wir hängen beide unseren eigenen Gedanken nach. Sicher schlägt Meilo der Zeitungsartikel doch auf den Magen, auch wenn er vorhin so locker getan hat. Seine Fans werden sich sicher Sorgen um ihn machen, ihm Genesungswünsche zukommen lassen ...

"Wer beantwortet jetzt eigentlich deine Fanpost", platzt mir auch schon raus.

"Hm?" Meilo guckt mich verwirrt an.

"Na Keiths Fanpost. Bestimmt bekommst du jetzt viele Genesungswünsche."

"Ach so." Meilo zuckt mit den Schultern. "Das wird das Management schon regeln. Irgendeiner wird sie beantworten." Irgendeiner?

"Machst du dir keine Gedanken darum?"

"Nö. Das ist nicht mehr mein Problem. Es gibt wichtigeres, um das ich mich kümmern muss." Hä? Was bedeutet denn das nun wieder?

"Um was musst du dich kümmern?", hake ich nach und lasse die Zwiebel, Zwiebel sein.

Meilo sieht mich ernst an. Da ist es wieder, dieses flaue Gefühl im Bauch, dass da was nicht stimmt. Das Messer, das er in der Hand hält, legt er aufs Brett und dreht sich zu mir um. "Nic? Ich muss dir was sagen." Mir rutscht das Herz in die Hose. Regungslos bleibe ich stehen, schlucke hart und starre meinen Freund an. Dieser stellt sich vor mich, schaut zu Boden, dann wieder in mein Gesicht. "Es gibt da jemanden in meinem Leben ... Jemanden ganz, ganz besonderen." Mir wird schwindelig. Was kommt denn jetzt?! "Der mir so wichtig ist, dass mir alles andere egal ist." Meilo greift nach meinen Händen und geht plötzlich in die Knie. Moment mal! "Und dieser Jemand ..." Meilos Mundwinkel zucken "Dieser Jemand ... bist du!" Ich brauche einige Sekunden, um zu raffen, dass er mich schon wieder auf die Schippe genommen hat.

"Du Idiot!", schimpfe ich, muss aber selbst lachen. "Veräpple mich nicht andauernd!"

Meilo lacht wie ein Irrer, als er schwankend wieder auf die Beine kommt. "Sorry, aber das musste sein. Du sahst so verschreckt aus, ich konnte nicht anders", gackert er, wofür er gleich ein paar Schläge mit dem Küchentuch verpasst bekommt.

"Danke!", schmolle ich. "Das war das letzte Mal, dass ich mir Sorgen um dich gemacht habe." Pfüh!

"Och Nicilein ... Sweetheart ..."

"Nix Sweetheart!" Beleidigt schiebe ich die Unterlippe vor, was Meilo zum Anlass zu nehmen scheint, mich küssen zu wollen. Dahin ist meine Wut über seinen hinterhältigen Anfall. "Du bist furchtbar", grinse ich ihn an.

"Hmhm. Furchtbar verliebt." Abermals begegnen sich unsere Lippen. Hach ...

"Ey ihr Komiker! Hebt euch das für heute Nacht auf!" Doro jagt uns wieder auseinander. Frechheit!

Meine Mutter sieht uns mit schräg gelegten Kopf nachdenklich an. "Das sah ja fast wie ein Heiratsantrag aus eben. Ich hatte schon Herzklopfen vor Vorfreude." Äh ...

"Wozu denn? Die beiden sind doch schon längst verlobt", platzt es aus Doro, die sofort, nachdem sie sich verplappert hat, erschrocken die Luft anhält.

"Mama!" Meilo sieht sie böse an.

"Oh je", seufzt sie und sieht uns drei mit großen Augen an.

Meine Mutter schaut indessen von einem zum anderen. Solange, bis sie zu verstehen scheint, was hier gerade abläuft. "Wartet mal", richtet sich meine Mutter an Meilo und mich. "Ihr beiden seid verlobt?" Sie deutet auf uns und sieht dabei gar nicht glücklich aus.

"Nun ja", antworte ich ihr notgedrungen. "Eigentlich ..." Ja was eigentlich? "Nicht so richtig." Eigentlich sind wir schon richtig verlobt. Nur nicht offiziell. Aber das kann ich meiner Mutter nicht sagen, sonst reißt sie mir den Kopf ab. Obwohl, das wird sie ohnehin schon tun, fürchte ich.

"Wie, nicht richtig?", fragt sie auch schon nach. "Entweder ihr seid es, oder nicht!" Hilfesuchend schaue ich zu Meilo, weil ich mit meinen Einfällen am Ende bin.

"Wir wollten unsere Verlobung noch nicht an die große Glocke hängen", sagt er zu meiner Mutter, wobei er ihr aber auch gleich die Wahrheit hätte sagen können.

"Nicht an die große Glocke hängen? Und warum weiß Dorothea Bescheid?" Ups. Sie stemmt die Hände in die Hüften. "Wann wolltet ihr uns von dieser Neuigkeit in Kenntnis setzen?"

"Wenn es soweit ist", antworte ich ihr kleinlaut.

"Und wann wäre das eurer Meinung nach? Wenn ihr verheiratet seid?" Oha. Sie ist wirklich richtig sauer.

"Ach Mama", poltere ich los und werde langsam auch sauer. "Es ist doch noch überhaupt nichts spruchreif! Unsere Verlobung war eine spontane Sache."

"Und trotzdem seid ihr es! Still und heimlich, ohne deinem Vater oder mir etwas davon zu sagen", zickt sie mich an und verlässt plötzlich fluchtartig die Küche.

Doro sieht ihr geknickt nach. "Ich wollte mich nicht verplappern", entschuldigt sie sich bei uns.

Seufzend sage ich ihr, dass es nicht ihre schuld ist. "Ich hätte es ihr sagen müssen. Für sie ist das ein großes Ding." Wie lange wünscht sie sich schon, dass ich unter die Haube komme? Wahrscheinlich schon seit meiner Geburt. Nur sah sie mich da noch mit einer errötenden Braut vor dem Altar stehen, und nicht mit einem knattergeilen Kerl an meiner Seite. "Ich gehe besser mal zu ihr", seufze ich und wische mir die Hände am Handtuch ab.

"Soll ich mit?", fragt Meilo mich, doch ich schüttle den Kopf.

"Das mache ich lieber allein."
 

"Mama?" Ich finde sie im Wohnzimmer wieder. Sie sitzt auf dem großen Sessel vorm Kamin und streichelt einen der Hunde. Herkules höchst persönlich, wenn ich mich nicht irre. "Ich hätte es euch irgendwann schon erzählt", wage ich einen weiteren Versuch, ihr das mit unserer inoffiziellen Verlobung zu erklären. Doch sie schweigt. Das macht mich erst recht nervös. Mit einer schweigenden Cora Ittninger ist nicht zu spaßen. Einmal war sie auf Papa so sauer, wegen was, weiß ich gar nicht mehr, dass sie ihn eine geschlagene Woche lang angeschwiegen hat. Mein armer Vater war total fertig deswegen. "Gut. Dann hör einfach weiter zu, ja? Dann erkläre ich dir alles von Anfang an." Sie zuckt noch nicht mal mit der Wimper, sondern streichelt weiterhin den großen Hundekopf, der inzwischen auf ihren Beinen liegt und vor Wonne kleine Grunzer von sich gibt.

Und dann erzähle ich ihr alles. Angefangen mit Meilo und meinem Gespräch in der Kirche, dass die Verlobung erst nur eine Art Missverständnis war und dann zu dem Versprechen wurde, dass wir erst eine Hochzeit in Erwägung ziehen, wenn die Ehe zwischen homosexuellen Paaren die der heterosexuellen gleichgestellt ist. "Bis dahin wollten wir das für uns behalten", schließe ich meine Erzählung.

Meine Mutter tätschelt weiterhin den Hundekopf, sieht mich nun jedoch endlich wieder an. "Und woher weiß Dorothea dann davon?"

"Meilo hat sich verplappert. ... Scheint in der Familie zu liegen." Ich lächle, in der Hoffnung, dass sie es ebenfalls tut. Falsch gehofft. "Bitte Mama. Das wir nichts zu euch gesagt haben, hat nichts damit zu tun, dass wir es vor euch geheim halten wollten." Mehr oder weniger. "Wir wollen diese Verlobungssache ganz ruhig angehen lassen."

"Fein", erwidert sie und steht auf. Mit schnellen Strichen fährt sie über ihre Hose, um die Hundehaare loszuwerden. "Dann gehe ich mal wieder in die Küche. Das Essen für eure Verlobungsfeier vorbereiten." Äh ...

"Was? Verlobungsfeier? Aber wir sind hier, um Silvester nachzufeiern!"

Sie lächelt mich überlegen an. "Glaub ja nicht, dass du so einfach mit dieser 'Verlobungssache' davonkommst." Schluck!

"Ja aber ..."

"Ihr seid verlobt, also wird das gefeiert." Mit diesen Worten düst sie davon, zurück in die Küche.

"Na super!" Ich lasse mich auf die Couch fallen, was den großen Wolfshund wieder auf den Plan ruft. "Eine Verlobungsfeier!" Das macht jetzt wohl alles offiziell, oder? "Na ja. Aber wenigstens scheint sie nicht mehr böse auf mich zu sein, hm?" Fragt sich nur, was besser gewesen wäre. Die Verlobungsfeier im trauten Familienkreis, oder eine eingeschnappte Mutter.
 

***
 

"Das ist ja eine Überraschung!" Meilo strahlt wie ein Honigkuchenpferd und auch ich freue mich riesig. Gwen, Carl und die Kinder stehen überraschend vor der Tür.

Es ist richtig schön, dass sie hergekommen sind. Ich habe sie das letzte Mal so lieb gewonnen, dass es mir so vorkommt, als seien sie schon immer ein Teil meiner Familie.

"Was macht ihr denn hier?", fragt er Gwen nach einer großen Umarmungsorgie.

"Doro hat uns letzte Woche angerufen und gefragt, ob wir auch vorbeikommen wollen. Wie konnten wir da nein sagen?", lacht Gwen.

"Wunderbar! Ich freue mich!" Meilo kriegt sich gar nicht mehr ein.

"Kommt mit ins Esszimmer. Da stelle ich euch meine Familie vor", vordere ich die Mannschaft auf.

Es wird laut im Haus. Alle begrüßen sich, reden wild durcheinander und stellen sich einander vor. "Was für ein Gewusel", meint Meilo neben mir. Er hält die kleine Pauline auf dem Arm. Sie döst noch halb, quengelt aber leise vor sich hin und lutscht an ihrem Daumen. Die Fahrt ist für sie wohl sehr ermüdend gewesen.

Doro klatscht laut in die Hände. Alle verstummen und sie hat die allgemeine Aufmerksamkeit. "Ich wollte euch nur daran erinnern, dass das Essen wartet." Sie zeigt mit dem Zeigefinger auf den bereits gedeckten Tisch. "Setzt und bedient euch, sonst wird alles kalt. Reden können wir auch beim Essen." Das lassen wir uns kein zweites Mal sagen. Mein Magen knurrt mittlerweile schon wie ein Berglöwe. Beim Kochen helfen, ohne probieren zu dürfen, ist auch ganz schön gemein. Hätte Meilo mir kein Kuchenstück zugeschmuggelt, wäre ich sicher schon längst verhungert.
 

Jeder sucht sich ein Plätzchen. Als alle sitzen, wird es kurz still. Das nutzt Doro, um ein paar Worte zu sagen. Auf ein schönes neues Jahr, auf den Familienzuwachs, und so weiter und so fort. Nachdem sie ihre Rede beendet hat, will ich schon beherzt nach dem Servierlöffel greifen, werde jedoch von meiner Mutter ausgebremst. Sie steht plötzlich auf, räuspert sich und streicht ihren Rock glatt. Dann faltet sie die Hände in ihrem Schoß und sieht feierlich in die Runde.

Ich denke noch bei mir, dass sie doch gar nicht der Typ für große Tischgebete ist, da beginnt sie auch schon ihr Glas in die Hand zu nehmen, und loszureden. "Bevor wir anfangen, würde ich auch gern noch ein paar Worte loswerden", sagt sie feierlich und hebt das Glas in die Höhe. "Ich wollte einen Toast aussprechen. Auf Meilo und meinen Sohn Niclas." Och. Das ist aber nett von ihr. Bin ja ganz gerührt. Solche Ansprachen gibt's sonst nur an Geburtstagen.

Die umstehenden Gläser werden ebenfalls erhoben. Auch Meilos und meines. "Es freut mich unheimlich, dass ihr beiden euch gefunden habt. Trotz all der kleinen Schwierigkeiten." Klein? Ein paar mächtig große waren auch dabei. "Deshalb macht es mich auch so glücklich und stolz", lacht sie "dass ihr beiden euch dazu entschlossen habt, zu heiraten!"

Mir klappt die Kinnlade runter. Gwen und Carl starren erst meine Mutter, dann uns mit tellergroßen Augen stumm an. Nicole lässt im selben Moment die Gabel fallen und haucht: "Meilo wird mein Schwager?"

"Das ist ja eine tolle Nachricht!", freut sich Gwen jauchzend und springt auf. "Meinen Glückwunsch!" Ich werde stürmisch umarmt, ein Kuss auf die Wange folgt. Danach ist Meilo an der Reihe, während ich von Carl die Hand geschüttelt bekomme.

Das war's dann wohl endgültig mit dem schönen heimlichen verlobt sein. Danke Mama. Herzlichen Dank!
 

***
 

So verging der Abend. Mit viel Essen, Quatschen, Lachen und Familientratsch. Von Letzteren hatte meine Mutter einiges auf Lager. Sehr zu meinem Ärgernis, denn ratet mal, wer meist der Hauptakteur dieser Geschichten war?

Die Erzählung meines Outings war einer der Höhepunkte. Aus der Sicht der anderen wohlgemerkt. Ich wäre am liebsten unterm Tisch verschwunden. Denkt jetzt nicht, es wäre mir nicht recht, wenn alle darüber Bescheid wissen, aber wenn meine Mutter die Story schon zum Besten geben muss, dann bitte bei meiner Abwesenheit.

"Hey. Bist du immer noch eingeschnappt?" Meilos Arme legen sich von hinten um meine Brust.

Wir stehen im Bad. Der feierliche Abend ist seit gut einer halben Stunde in die Familiengeschichte eingegangen und alle Erwachsenen (Nicole ausnahmsweise mitgezählt) sind nun dabei, in ihre Betten zu kriechen. Ich bin total KO und bin froh, dass Meilo scheinbar vergessen hat, dass wir heute Abend noch Joggen gehen wollten.

Ich putze mir gerade die Zähne, weshalb ich Meilo bloß einen müden Blick im Spiegel zuwerfen kann. Er schmunzelt und beginnt, meine Schulterpartie entlang zu küssen. Ich spucke ins Waschbecken. "Wie will ich denn so Zähneputzen?", nuschle ich. Meilos Schultern zucken, doch aufhören, mir die Schulter nass zu lutschen, tut er nicht.

Die Zahnbürste fliegt in meinen Kulturbeutel. Mir doch egal, dass sie noch nass und voller Zahnpastaschaum ist. "Du bist rotzfrech. Hat dir das schon mal jemand gesagt?", frage ich ihn grinsend.

"..a. Fu." Hä?

"Man spricht nicht mit vollem Mund." Tadelnd tippe ich mit dem Daumen gegen Meilos Stirn.

"Ja du. Du hast es mir schon mal gesagt", wiederholt er. Dieses mal ohne meine Schulter an seinem Mund.

"Scheint nichts geholfen zu haben."

"Eher nicht." Wir grinsen und im Spiegel gegenseitig an.

"Du bist unmöglich."

"Ich weiß", antwortet er gespielt überheblich.

Ich drehe mich in seinen Armen um, bis wir uns gegenüberstehen. Ohne weitere Worte zu verlieren, küssen wir uns. Allerdings werden wir nach wenigen Augenblicken jäh unterbrochen. "Niclas?" Mein Vater klopft an die Tür.

"Komm rein", rufe ich ihm zu und löse mich von Meilo, der sich schnell ein Handtuch um die Hüfte wickelt.

"Oh." Mein Vater guckt verlegen zur Seite. "Störe ich?" Schon irgendwie.

"Nein." Ich schüttle leicht den Kopf. "Ist was passiert?" Die Frage ist meiner Meinung nach berechtigt, denn dass mein Vater zu so später Stunde noch mit mir sprechen möchte, ist schon merkwürdig.

"Nein, nein", winkt er ab. "Ich wollte mich bloß kurz mit dir unterhalten." Ach?

"Über was denn?" Eine kurze Pause entsteht, in der mein Vater Meilo abwartend ansieht.

"Ich bin dann schon mal im Schlafzimmer", sagt Meilo daraufhin und lässt uns allein.
 

"So eine schlimme Unterredung, dass du Meilo nicht dabei haben möchtest?" Die Frage konnte ich mir nicht verkneifen.

"Nichts schlimmes", schwört er mir. "Wie gesagt. Ich will mich nur kurz mit dir unterhalten."

"Okay." Ich lehne mich gegen das Waschbecken und schaue meinen Vater abwartend an.

"Du bist jetzt also verlobt", sagt er. Keine Frage. Eine Feststellung.

"Mit einem Kerl", merke ich unnötigerweise an.

Papa legt den Kopf schief. Eine Geste, die er sich eindeutig von Mama abgeguckt hat. "Ach? Wäre mir gar nicht aufgefallen." Wir müssen lachen. "Aber mal im Ernst", fährt er fort. "Das ist eine große Sache."

"Eigentlich nicht." Ich zucke mit den Schultern. "Mama macht daraus bloß riesiges Ding."

"Oh ja. Das kann sie gut." Papa grinst. "Doch darum geht es mir gar nicht."

"Um was dann?"

Er blickt mich ernst an. "Du weißt, ich war damals gar nicht glücklich darüber, dass du ... na ..."

"Schwul bin", helfe ich ihm auf die Sprünge. Er hat immer noch Probleme, es auszusprechen. Er nickt. "Hört sich so an, als wärst du immer noch nicht glücklich darüber."

Papa macht ein entsetztes Gesicht. "Nein!", ruft er sofort. "Natürlich bin ich inzwischen glücklich darüber!" Klar wusste ich, dass er sich daran gewöhnt hat, dass sein Sohn auf knackige Männer steht, doch es ist trotzdem schön, es mal wieder aus seinem Mund zu hören.

"Schön. Freut mich. Und weiter?"

Er muss kurz überlegen. Hab meinen alten Herrn anscheinend leicht aus dem Konzept gebracht. "Ich wollte eigentlich nur sagen, dass ich mich für euch freue", schließt er hektisch.

"Danke", schmunzle ich.

"Nach dem ganzen Desaster mit Kilian hast du es wirklich verdient, glücklich zu werden." Finde ich auch. Er kommt auf mich zu und umarmt mich fest. Etwas befremdlich für mich, denn ich trage bloß meine Unterhose. "Alles Gute für dich und Meilo. Und viel Glück in eurem neuen Heim."

"Dankeschön." Ich drücke ihn ebenfalls kurz fest an mich, dann lassen wir uns wieder los.

"Und falls du mal eine Pause von dem ganzen Verlobungstamtam brauchst, denn deine Mutter sicher in nicht allzu ferner Zukunft veranstalten wird, gibt mir Bescheid. Ich pfeife sie dann zurück." Das nenne ich doch mal ein Angebot.

"Darauf werde ich bestimmt zurückkommen", schwöre ich ihm.
 

******
 


 

*Mein dusseliges Rechtschreibprogramm kennt das Wort Adoniskörper nicht. Stattdessen will es mir das Wort Klitoriskörper andrehen. O____o

Erstens, liebes Rechtschreibprogramm, eine Klitoris hat in 99% aller Fälle in meinen Storys mal so gar nichts zu suchen und zweitens, was zum Teufel ist ein Klitoriskörper?! O________o
 

**Einige von euch kennen sicher diese praktischen Programme oder Internetseiten, mit denen man Synonyme für Wörter suchen kann. Wenn ich ein anderes Wort suche und mir keins einfällt, benutze ich die immer ganz gern. So auch mit dem Wort Spalt. Will ja nicht immer das selbe Wort schreiben. Und was wurde mir da vorgeschlagen?

'Stemmloch' und 'Zapfenloch'. Ich hätte mich fast an meiner eigenen Zunge verschluckt, als ich die gelesen habe.

Nic bedient sich heftig an Meilos Stemmloch xDDDD *buwaahhhhhh* da bekommt man leichte Angstzustände, oder?

Mir würde jetzt auch noch was mit Zapfen einfallen, aber lassen wir das lieber XD

Love bite 64 - Stolpersteine

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Love bite 64 - Stolpersteine (Ohne Adult)

Love bite 64 - Stolpersteine (Ohne Adult)
 

"Wie wäre es mit diesem?"

Ich verziehe das Gesicht. "Nein. Das gefällt mir nicht. Buche gefällt mir überhaupt nicht. Hässlich!" Als ob er nicht wüsste, dass ich kein helles Holz mag. Alles in meinem Kinderzimmer war früher aus heller Buche. War damals eben modern. Heute habe ich mich daran total satt gesehen und will sowas auch nicht in unserer Wohnung haben.

"Das gibt es auch noch in anderen Farben", weist Meilo mich darauf hin. "In weiß auch. Das würde zu dem Schrank passen."

"Ich hätte aber gern ein dunkles Bett", bestehe ich. "Richtig dunkle Eiche, etwas in Palisander, oder so. Aber kein Tropenholz!"

"Du hast Wünsche, mein kleiner Weltverbesserer", schmunzelt mein Freund.

"Was ist falsch daran, auf die Umwelt zu achten?"

"Nichts", meint Meilo. "Aber lackierte Buche ist doch gar kein Tropenholz. Es gibt also nicht den geringsten Grund, wieso du dieses Bett so herunter redest."

Ich seufze. Gegen Meilo anzureden nützt sowieso nichts. "Lass uns erstmal weiter gucken, okay?"

"Na schön", lacht Meilo und legt seinen Arm um meinen Rücken.

Es dauert nicht lange, da werden wir auch schon von den anderen Möbelhausbesuchern dumm angeglotzt. Ich ignoriere es. Ehrlich gesagt, finde ich es auch ganz schön, denn so wissen alle, dass dieser tolle Mann zu mir gehört und ich zu ihm. Sollen sie eben glotzen. Es gibt ja auch so wenig, was man in einem Möbelhaus anglotzen könnte.

"Schau mal das." Meilo deutet auf ein großes Doppelbett ein paar Meter vor uns.

Ich inspiziere es genaustens. "Hm ... Ja, nicht übel." Es ist schlicht, naturbelassenes, dunkles Holz und soweit ich es von hier erkennen kann, gibt es das Bettgestell auch in verschiedenen Lasuren. Vorzugsweise Palisander oder Teak.

"Gehen wir mal rüber." Meilo zieht mich vorwärts. "Probeliegen?" Da fragt er noch?

"Also die Matratzen sind Müll", finde ich.

"Meine geht."

"Ja? Ist das eine andere?" Nach einem Blick auf die Etiketten nickt er. "Lass uns mal tauschen." Ich klettere über Meilo hinweg und er robbt sich unter mir hindurch. Ich schaue mich erst gar nicht um, ob wir dabei wieder beobachtet werden.

Ich wippe etwas auf und ab, drehe mich auf die Seite und wieder zurück. "Ja, die geht. Steht da ein Modell drauf?"

"Ja. Hier."

Wir stehen wieder auf und notieren uns den Namen der Matratze. Für alle Fälle, wenn wir beim Matratzen-Probeliegen nachher nichts finden.

"Und das Bett? Kommt das in die engere Auswahl?" Meilo tippt sich mit dem Stift gegen die Unterlippe und sieht mich abwartend an. Sieht das sexy aus!

"Es ist nicht schlecht", antworte ich und betrachte es nochmal genauer. "Es ist schlicht, das Kopfteil nicht zu hoch und es gibt das Gestell in meiner Wunschfarbe. Von mir aus kommt es mit auf die Liste."

"Wunderbar!" Meilo grinst breit und freut sich 'nen Horst.

Ich kann ihn verstehen. Bisher haben wir uns schon gefühlte dreihundert Betten angeschaut, aber immer hatte einer von uns etwas auszusetzen. Vorrangig ich, muss ich gestehen. Mein Schatz ist da nicht so wählerisch. Dabei ist ein Bett eine sehr intime und wichtige Angelegenheit. Das muss gut überlegt und ausgesucht sein. Schließlich werden wir darin hoffentlich zusammen alt und klapperig werden.

Aus diesem Grund stehen auch noch nicht viele Modelle auf der Liste. Gerade mal zwei. Beide aus verschiedenen Möbelhäusern. Allerdings sind auch die nur Notlösungen.

"Sieht du irgendwo ein Schild?" Ich helfe Meilo suchen.

"Hier!" Mit dem Zeigefinger deute ich ans hintere Ecke des Kopfteils und fummle das in Plastik eingeschweißte Schild hervor.

"Wie heißt es?"

"Ähm ... Es heißt ... oh. Das gibt's nicht!"

"Was denn?"

"Weißt du, wie es heißt?"

"Wie?"

"Herkules", lache ich.

"Echt?" Ich nicke und halte das Schild hoch. "Wenn das mal kein Zeichen ist", amüsiert sich mein Schatz und schreibt den Namen Herkules breit auf unsere Liste. Er unterstreicht ihn sogar zweimal. "Bestellen wir es gleich?"

"Ohne uns noch weitere Betten angeschaut zu haben?"

Meilo lässt seine Hände sinken. "Wirklich? Du willst einen göttlichen Hinweis mit dem Namen Herkules, dem Herkules, an dem wir unser erstes Date hatten, einfach so ignorieren?"

"Will ich nicht", verteidige ich mich. "Aber es schadet auch nichts, sich auf dem Weg zu den Matratzen noch weitere Gestelle anzuschauen, oder?"

"Wenn du meinst", grummelt Meilo. "Aber ich bin trotzdem für Herkules." Er kann ja so putzig sein, wenn er beleidigt ist!

Mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht schmiege ich mich an ihn und schaue in seine grünen Augen. "Heißt das, ich reiche dir nicht mehr?"

"Was?" Nun guckt er ganz entsetzt.

"Ich meine ja nur. Wenn du im Bett noch Herkules unter dir brauchst um ..."

"Och du!", brummelt Meilo. Lachend erwidere ich seinen darauffolgenden Kuss. Ortsbedingt fällt dieser leider viel zu kurz aus. "Von mir aus können wir auch auf einer Rollmatratze schlafen, solange du neben mir liegst. Denn sonst brauche ich gar nichts."

"Gute Antwort", lobe ich Meilo glücklich und ziehe diesmal ihn mit mir. "Dann können wir ja endlich zu den Matratzen."

"Das bedeutet, wir nehmen Herkules?"

"Bedeutet es", bestätige ich ihm. Nehmen wir eben Herkules. Von den bereits ausgesuchten gefällt mir das Bettgestell immer noch am besten. Und wer bin ich, diesen Schicksalswink zu ignorieren? "Aber ohne Rollmatratze." Bei Matratzen verstehe ich keinen Spaß. Die müssen passen. Hinterher bekommt man es im Kreuz, wenn man es zu wild auf ihnen treibt …
 

Meilos klingelndes Handy durchkreuzt unseren Plan, die Matratzenabteilung zu überfallen. Wir bleiben stehen, damit er es aus seiner Hosentasche ziehen kann. Stirnrunzelnd mustert er das Display. "Unbekannte Nummer", meint er, hebt aber gleich darauf ab. "Ja?"

Während mein Schatz sich dem unbekannten Anrufer widmet, gucke ich mir ein paar der Nachttische an. Brauchen wir überhaupt welche? Eigentlich schon. Gab's zu Herkules passende? Mal gucken.

"Willst du es jetzt doch nicht?" Meilo steht plötzlich neben mir.

"Äh doch. Ich habe mir nur die Nachttische angeschaut. Fertig mit telefonieren?" Er nickt. Irre ich mich, oder wirkt er abwesend? "Wer war es denn?", möchte ich von ihm wissen.

"Ach. Nur wegen den Umbauarbeiten im Tonstudio", antwortet er und mustert ebenfalls die Nachttische. "Sollen wir die dazu nehmen?"

"Wieso nicht? Die passen ganz gut." Ist ja auch von der selben Serie.

"Fein. Dann noch zwei Nachttische", sagt Meilo, lächelt mich wieder wie ganz der Alte an und legt seinen Arm um meine Schulter. "Zu den Matratzen?" Da sage ich nicht nein.
 

In der Matratzenabteilung testen wir sofort munter drauf los. Es dauert nicht lange, da steht auch schon eine Verkäuferin bei Fuß. "Guten Tag. Benötigen Sie Hilfe?" Sie lächelt uns an, während wir nebeneinander auf zwei verschiedenen Modellen liegen und sie zwischen unseren Füßen hindurch mustern.

"Wir suchen zwei Matratzen", lautet Meilos Erklärung. Ich schlucke einen Kommentar runter. Als ob wir hier dreihundert Gramm Aufschnitt suchen würden!

"Da sind Sie hier genau richtig", lacht die Verkäuferin. Ich weiß nicht, ob ich ebenfalls lachen, oder es lassen soll. Ich entscheide mich für letzteres. "Möchten Sie lieber eine härtere Matratze, oder eine weichere?"

"Wir haben vorn bei den Betten eine ausprobiert, die war ganz gut." Meilo kramt die Liste raus und zeigt sie der Verkäuferin. Die weiß sofort Bescheid und zeigt uns noch ein paar Ähnliche Modelle.

Es dauert beinahe eine halbe Stunde, bis wir uns entschieden haben. Am Ende landen wir beide bei der gleichen Matratze. Sehr praktisch. Ich stehe auf Seitentausch und so können wir eine durchgehende Matratze bestellen.

Einzig bei dem Lattenrost sind wir anderer Meinung. Mir reicht ein völlig normales Model. Meilo möchte aber unbedingt einen mit sieben Zonen. Soll er haben. Ich bin glücklich mit meiner Wahl.

Wir bestellen alles, inklusive dem Bettgestell und sind freudig überrascht, als uns die Verkäuferin sagt, dass wir alles schon am nächsten Tag geliefert bekommen können.
 

"Ich hätte jetzt mit vier, fünf Wochen Lieferzeit gerechnet", meint Meilo zu mir, als wir uns mit dem Zettelkram, auf dem unsere Bestellung notiert ist, Richtung Kassen machen.

"Ich auch. Aber dann können wir vielleicht Morgen Nacht schon in unserem neuen Heim schlafen."

"Das wäre wirklich unglaublich toll." Meilos Augen strahlen. Meine bestimmt nicht minder.

"Ich kann es kaum noch erwarten, endlich von meiner Familie wegzukommen."

"So schlimm ist es doch gar nicht", wendet mein Schatz ein.

"Ach nein?" Er sieht mich leicht verloren an. Natürlich ist es schlimm! "Wir hatten seit Silvester kaum eine Minute Privatsphäre, sieht man von dem Besuch bei deinen Eltern ab."

"Ich weiß."

"Und wenn wir mal alleine waren, hat Nicole plötzlich an dir geklebt wie Pattex." Was ein Wunder war, denn sie verbringt eigentlich ihre ganze Freizeit bei ihrem Freund.

"Ich weiß."

"Und zwischendurch noch der ganze Umzugsstress. Mal ganz abgesehen davon, dass ich von dem kleinen Bett einen schmerzenden Nacken habe."

"Geht mir auch so."

"Leider das Einzige, was diesen Monat öfter steif war ...", murmle ich.

"Ich weiß."

Ich seufze. Es ist nicht zu glauben, was für ein Liebestöter meine Familie sein kann!

Wegen des Umzugs hatten wir sowieso schon wenig Zeit füreinander, aber die, die wir hatten, wurden wir meist noch von meinen Eltern oder Nicole gestört. Ed und Ingo waren natürlich auch noch da und verlangten unsere Aufmerksamkeit. Und als wir dann Abends im Bett lagen, waren wir meist so erschöpft, dass wir gleich einschliefen, und falls das mal nicht der Fall war, verging uns die Lust ganz schnell wieder, weil mein Bett so laut quietscht, dass man jede noch so kleine Bewegung hören kann, und wir befürchten müssen, beim Bettsport wieder Zuhörer zu haben. Es ist zum Heulen!

So verging der Januar, von dem nur noch sechs Tage übrig sind. Und trotz der schönen Aussichten auf unser Haus, schiebe ich dennoch ein wenig Frust. Hoffentlich klappt das morgen mit dem Bett!

"Wollen wir heute Abend schon mal unsere restliche Kleidung ins Haus fahren?", frage ich, in der Hoffnung, ab morgen mit meinen Verlobten endlich allein sein zu können.

"Und was ziehen wir morgen an?"

"Nichts", lache ich. "Es sei denn, wir schlafen heute Nacht auf der Couch." Den Vorschlag habe ich ihm schon öfter unterbreitet, aber er meinte, die Couch sei noch unbequemer als mein kleines Jugendbett, was ich zwar nicht glaube, da diese auch als Schlafcouch genutzt werden kann. Dieses Mal sollte ich ihm das vielleicht etwas schmackhafter machen. "Für eine Nacht wird es sicher gehen. Und ab Morgen haben wir ja unser Bett."

"Und wenn wir das Bett an einem Tag nicht aufgebaut bekommen?" Mein Schatz ist immer noch skeptisch.

"Wir könnten ja notfalls die Matratze auf die Couch legen. Darauf würden wir auf jeden Fall besser liegen als auf meinem kleinen Bett."

"Hm", macht er. "Wäre einen Versuch wert." Was? Habe ich richtig gehört?

"Du bist einverstanden?" Er nickt und lächelt mich an.

Voller Freude ziehe ich Meilo in eine Küchennische (wir sind gerade in der Küchenabteilung) und drücke ihm einen feuchten Kuss auf. "Dann lass uns nachher unsere restliche Kleidung in unsere Wohnung schaffen, was meinst du? Und morgen den Rest."

Meilo lacht. "Du kannst es gar nicht mehr erwarten, oder?"

"Du etwa?", frage ich ihn.

"Ehrlich gesagt, nein", antwortet Meilo sehnsüchtig und kneift mir in den Hintern. "Ich bin so froh, wenn ich endlich mit dir allein sein kann."

"Und ich erst", flüstere ich heiser gegen Meilos Lippen.
 

Bevor wir zur Kasse gehen, suchen wir noch allerlei Nippes und Dekokram zusammen. Unser trautes Heim soll ja auch gemütlich werden.

Meilo darf die Kissen schleppen, während ich mich mit zwei Vasen, einem Klobürstenhalter und einem Lampenschirm abquäle. Doch trotz meiner Schlepperei, Meilo hat das schwerere Los. Durch den hohen Kissenturm sieht er nicht wo er hinläuft. Ich muss ihm die Richtung vorgeben und aufpassen, dass er nirgendwo gegen läuft. An einem Ausstellungstisch voller Geschirr wäre es beinahe soweit gewesen. Meilo konnte sich aber zum Glück fangen, bevor er dagegen gekracht wäre. Wir sind jedenfalls froh, als wir vor der Kasse stehen und alles aufs Band werfen können.

"Möchten Sie eine Tragetasche?", fragt das junge Ding hinter der Kasse.

Normalerweise nicht, aber heute ist so ein Plastikbeutel ausnahmsweise mal sehr praktisch. Meilo nimmt gleich zwei von diesem Meeresverschmutzern. Wenigstens geben die noch ordentliche Mülltüten ab. Oder ich lasse sie im Auto. Falls wir wieder einen Nippes-Großeinkauf planen.

Der gekaufte Nippeskram landet zusammengepresst hinter den Vordersitzen, ehe wir die Rückbank umklappen, und an der Warenausgabe noch schnell das vorher ausgesuchte Bücherregal abholen. Eine ganz schöne Plackerei, die ganzen eingepackten Pakete in mein Auto zu bekommen. Zum Glück habe ich ein paar Expander mitgenommen, denn die Teile haben etwas Überlänge.

Als wir endlich alle Pakete drinnen haben, versperren sie zwar einen Teil der Sicht des Rückspiegel, aber bis wir zuhause sind wird das schon so gehen. Glücklich über unseren erfolgreichen Einkauf, düsen wir zu unserem Häuschen.

An das Gefühl, Hausbesitzer zu sein, habe ich mich immer noch nicht so recht gewöhnt. Obwohl meine Eltern ja ebenfalls ein Eigenheim ihr Eigen nennen können, und es mir ja auch irgendwie zu einem Teil gehört (in ferner Zukunft einmal), ist es schon etwas vollkommen anderes, jetzt eins mit Meilo zu besitzen und zu beziehen. Es gehört uns. Nur uns allein, und ist der Start in ein gemeinsames Leben.

Leider ist dieser Start in unser gemeinsames Leben noch nicht so wunderschön anzusehen. Eine einzige Baustelle erwartet uns.
 

Oben sind die Handwerker im vollen Gange. Vor dem Haus stehen allerlei Autos und Lieferfahrzeuge. Im Vorgarten stapeln sich Baumaterialien. Von dem furchtbaren hellen Staub, der sich überall drüber legt, will ich gar nicht anfangen zu sprechen. "Die haben schon wieder das ganze Pflaster mit ihren Dreckschuhen eingesaut", beschwere ich mich bei Meilo, als wir Paket Nummer eins durch die Haustür schleppen.

"Nicht aufregen. Die sind ja bald fertig."

"Fragt sich nur wann." Abgemacht war Anfang Februar, aber immer wieder hat sich irgendwas verzögert, sodass ich nicht glaube, dass der Termin eingehalten werden kann.

Im Wohnzimmer verfrachten wir das Paket an die Wand, wo wir es aber noch eingepackt lassen. Von oben dröhnt ohrenbetäubender Lärm zu uns. "Ich gehe mal nachschauen, wie weit sie sind", sagt Meilo und macht sich auf den Weg.

"Dann lade ich schon mal die Tüten aus."

Alles landet im Wohnzimmer. Der einzige Raum im Haus, in dem noch ein wenig Platz ist. Da fällt mir ein, wir müssen das Schlafzimmer noch freiräumen. "Oh nein", seufze ich auf.

"Ist was?" Meilo kommt die Treppe nach unten und hat wohl mein Gejammer gehört.

"Das Schlafzimmer. Da stehen noch all die Kartons mit unseren Kleidern und dem Badezimmerkram herum."

"Ach ja." Meilo kratzt sich nachdenklich an der Stirn und sieht sich im Raum um. "Wenn wir sie einfach hier runter tragen?"

"No way!", stoppe ich seine Überlegungen. "Ich schleppe das Zeug nicht erst hoch, nur um es dann wieder runter, und später wieder hoch zu schleifen."

"Dann bleibt uns nur eins: Den Inhalt der Kisten an Ort und Stelle schaffen."

Ich verziehe das Gesicht. "Jetzt?"

"Morgen ist es zu spät." Ich nicke, wenn auch gar nicht begeistert.

"Wir brauchen bestimmt den ganzen Platz zum Aufbauen des Bettes", mutmaßt Meilo. "Die Sachen für das Badezimmer können wir ja erstmal in den Kartons lassen, und in der Badewanne aufstapeln."

"Besser nicht", verwerfe ich hektisch seinen Vorschlag.

"Wieso nicht?"

"Na äh ... wenn wir heute hier schlafen, dann brauchen wir doch eine Wanne."

"Die Dusche langt doch." Ahrg! Oller Spielverderber!

"Ich will aber lieber baden."

Meilo runzelt die Stirn, willigt dann jedoch ein. "Gut. Aber dann räumst du die Kisten im Bad aus."

"Okay. Die Klamotten hier sind sowieso fast alle dir." Meilo hat wirklich eine Menge Kleidung. Die Schuhe noch gar nicht mitgezählt. Die sind aber zum Glück alle im Keller verstaut. Meilo will sich einen der Räume nur für seine Schuhe ausbauen. Soll er eben. Hauptsache ich habe genug Platz für mein Rad und den anderen Krempel, der in den Keller gehört.
 

Ich mache mich also auf ins Badezimmer, bepackt mit einer Kiste, die ich dort öffne, und dann für jedes Teil einen geeigneten Platz suche.

Viele Möglichkeiten gibt es dafür noch nicht, aber es reicht, um das Wenige, was wir haben, zu verstauen. Handtücher und derlei wollen wir uns erst noch zulegen. Bis es soweit ist, habe ich von meiner Mutter ein paar geschnorrt. Schließlich werde ich die heute Abend brauchen, oder vielmehr, Meilo und ich werden sie brauchen. Ich habe nämlich eine Kleinigkeit geplant. Endlich Zweisamkeit für uns. Und das lasse ich mit einem gemütlichen Bad beginnen.

Ich habe schon heimlich alles dafür ins Haus geschafft. In irgendeiner Kiste muss es versteckt sein. Kerzen, Badekugeln mit Rosenduft (als keine Homage an das Hochzeitszimmer) und meine Computerboxen samt Mp3-Player für leise Musikuntermalung. Nachdem ich das alles eingepackt hatte, musste ich kurz über mich selbst den Kopf schütteln. Dass ich mal so einen romantischen Kitsch veranstalten würde für meinen Freund. Bei Kilian hätte ich das niemals gemacht. Wahrscheinlich nur ein weiterer Beweis dafür, dass er und ich gar nicht richtig zusammengepasst haben.

Apropos Kilian. Ich wollte Clem heute noch anrufen. Er wollte sich die Fortschritte im Haus anschauen. Ich zücke mein Handy und rufe ihn gleich mal an.

"Hey Clemy-Boy", trällere ich und stelle das Duschgel in die Halterung der Dusche.

/Clemy-Boy? Hast du was getrunken?/

"Ja. Heute Morgen Kaffee und dann Wasser."

/Eins davon muss schlecht gewesen sein./

"Vielleicht war die Milch sauer."

/Das wird's geewesen sein/, lacht er. /Was gibt's?/

"Du kannst vorbeikommen. Meilo und ich sind im Haus."

/Jetzt?/

"Ja jetzt", erwidere ich. "Sonst würde ich nicht anrufen und sagen, dass wir hier sind."

/Hn ... Es ist nur gerade sehr schlecht. Ich hab ... ehm ... nichts an./

Ich hebe beide Augenbrauen. "Und? Dann zieh dir was an."

/Das geht nicht. Kilian kommt gleich nach hause./ Aha. Daher weht der Wind.

"Verstehe", grinse ich, zugegebener maßen, leicht neidisch. "Dann komm wann anders vorbei."

/Mach ich. ... Oh. Ich muss auflegen. An der Haustür klappert es./

"Okay. Bye und ..." Aufgelegt. "Viel Spaß noch. ... Pfüh!" Ich stecke mein Handy weg.

"Niclas?"

"Ja?"

"Komm mal her." Ui. Hört sich dringend an. Könnte es sein, dass ...?

"Was denn?" Voller Erwartung betrete ich das Schlafzimmer.

Meilo steht vor einem halbe Dutzend geöffneter Kartons. Voller Eifer stapelt er die darin verstauten Kleidungsstücke auf einem weiteren Karton aufeinander. "Wie wollen wir den Kleiderschrank aufteilen? Damit ich gleich alles richtig einsortiere." Ich seufze enttäuscht. "Ist was?" Treudoof guckt Meilo mich an.

Ja. Es ist was. Clem und Kilian treiben es gleich und ich, so geil wie zehn Matrosen, darf um die Einteilung des Kleiderschrankes nachdenken, weil meinem Freund anscheinend nichts Wichtigeres einfällt. Das Leben kann ja so ungerecht sein!
 

***
 

"Ich kann nicht mehr!", schnaube ich verschwitzt und lehne mich gegen Meilo. Er schnauft genauso sehr wie ich.

"Wir sind aus der Übung", meint er und gähnt.

"Kann nicht sein. So etwas verlernt man nicht."

"Dann haben wir eben keine Kondition mehr."

"Ach?" Ich hebe den Kopf und grinse Meilo an. "Und das, wo du doch jeden Morgen deine Runde joggst."

"Joggen ist was anderes. Da benutzt man ganz andere Körperpartien."

Ich nicke, weil ich am ganzen Körper spüren kann, dass er Recht hat. Besonders an einer Stelle. "Mein Hintern tut verdammt weh. Morgen habe ich Muskelkater." Vorsichtig befühle ich meine linke Pobacke. "Autsch!"

Meilo lacht auf. "Stell dich mal nicht so an. Als ob du jahrelang kein Fahrrad mehr gefahren wärst!"

"Bin ich ja auch nicht. ... Nicht so oft." Wer fährt schon Fahrrad, wenn man ein Auto hat? Mit dem Führerschein kam die Bequemlichkeit.

"Ist das so? Dann wirst du dich aber daran gewöhnen müssen. Ich fahre nämlich sehr gern Rad. Hatte nur leider die letzten Jahre kaum Zeit dafür."

"Wieso muss ich mich daran gewöhnen, wenn du fahren willst?"

"Na weil du mit mir zusammen fährst. Allein macht das doch keinen Spaß." Meilo grinst mich hinterlistig an und will nach mir greifen, doch ich weiche ihm grinsend aus und stehe von der Couch auf.

"Ich gehe mal den Keller abschließen. Nicht, dass unsere Fahrräder geklaut werden", sage ich und laufe in den Flur.

"Warum habe ich bloß den Verdacht, dass dir das gar nichts ausmachen würde", lacht Meilo hinter mir. Ich werfe ihm einen Luftkuss zu und verlasse unser Häuschen.
 

Draußen schüttet es seit ein paar Minuten wie aus Kübeln. Wir hatten großes Glück, dass wir noch trocken heim gekommen sind. Vorhin, als wir losgefahren sind, hat sogar mal die Sonne geschienen. Das war auch der Grund, weshalb ich der von Meilo vorgeschlagenen Radtour überhaupt zugestimmt habe. Das, und der laute Lärm, der vom oberen Stockwerk bis in unsere strapazierten Gehörgänge gedrungen ist.

Wir hatten eigentlich gehofft, wenn wir wieder von meinen Eltern hier her kommen würden, wären die Handwerker für heute verschwunden, aber falsch gehofft. Heute sind sie extrem fleißig. Und extrem laut. Dann hätte ich mir doch lieber das Trauerkloßgesicht meiner Mutter angetan, als wir ihr sagten, dass wir ab heute ins Haus ziehen.

Dass sie die Nachricht gar nicht so toll fand, war ihr so sehr anzusehen, dass mein Vater sie sogar trösten musste. "Es war so schön, die ganze Familie beisammen zu haben", sagte sie traurig. "Endlich war mal wieder Leben im Haus."

"Warte nur ab. Bald zieht Nicoles Freund hier ein. Dann ist Leben genug in eurer Bude", habe ich gescherzt, woraufhin mein Vater so blass um die Nase geworden ist, dass mir der Spruch schon beinahe leid getan hat. Aber nur fast.

Nicole dagegen nahm die Nachricht lockerer auf. Sie will uns besuchen kommen, meinte sie. Aber erst will sie mit Papa den Durchbruch von ihrem in mein Zimmer in Angriff nehmen. Fein. Das wird dauern. Und danach: Solange sie nicht den ganzen Tag hier abhängt, kann sie ruhig mal zu uns kommen. Bin ja kein Unmensch.

Na ja. Jedenfalls, als wir zurück in unser Heim gekommen sind, schlug Meilo eine kleine Radtour vor. Nur solange, bis wir das Haus wieder für uns haben. Er fragte nach, wie lange die Arbeiter noch da sein würden, und schon ging es los.

Die Tour dauerte am Ende schließlich gut zwei Stunden. Ich war am Ende. Bin es immer noch, um genau zu sein. So kaputt, dass ich vergessen habe, den Keller zuzuschließen. Das muss ich nun nachholen. Ausgerechnet im strömenden Regen.

Ich versuche mich zu beeilen, laufe in geduckter Haltung um die Vorderseite unseres Hauses herum, um die seitlich gelegene Kellertür abzuschließen. Inzwischen regnet es so stark, dass ich Mühe habe, mit meinen nassen Händen den Schlüssel in das das Schloss zu bekommen. "Komm schon! Du Mistding. Geh rein!"
 

Endlich abgeschlossen, komme ich klitschnass ins Haus gestolpert. "Oh weia." Meilo steht vor mir. Den Telefonhörer in der Hand. "Spring lieber schnell unter die warme Dusche. Ich bestelle uns derweil eine Pizza, wenn du magst." Pizza? Klingt verführerisch. Aber was wird dann aus meinem Plan?

"Jetzt schon?" Ich setze ein fragendes Gesicht auf. "Warten wir doch noch damit, bis ich fertig bin. Sonst kommt die Pizza und wird kalt. Der Lieferdienst ist gleich hier um die Ecke." Mein Einwand scheint bei Meilo zu ziehen.

"In Ordnung", nickt er. "Dann mache ich schon mal Platz, um nachher die Couch ausziehen zu können."

"Klasse!", freue ich mich und mopse mir von Meilo einen Kuss. "Ich kann es noch gar nicht glauben, dass wir endlich allein sind."

"Geht mir auch so", grinst Meilo. "Jetzt aber ab mit dir unter die Dusche. Je eher du fertig bist, desto eher können wir es und auf der Couch gemütlich machen." Wenn du wüsstest, mein Süßer, was ich noch mit dir vorhabe, würdest du das jetzt nicht sagen.
 

Ich beeile mich, nehme zwei Stufen auf einmal und komme schnaufend im Schlafzimmer an. Leise fluchend tätschle ich meinen Hintern. Wenn der jetzt schon so sehr schmerzt, wie wird das dann erst morgen sein?

Geflissentlich verdränge ich diese Frage. Da muss ich jetzt durch. Außerdem muss ich mich auf andere Dinge konzentrieren. Nämlich: wie bekomme ich Meilo dazu, zu mir ins Bad zu kommen?

Na mal sehen. Erstmal wird im Bad alles fertig gemacht. Dann sehe ich weiter.

Zuerst Wasser in die Wanne. Das dauert am längsten. Einen großzügigen Schuss Badeschaum, die Badekugeln nicht vergessen. Danach verteile ich die Kerzen. Die Meisten stelle ich um die Wanne herum. Licht aus, um den Effekt zu testen. "Perfekt!" Und die Wanne ist auch schon halb voll. Die Musik lasse ich kurzentschlossen weg. Wer braucht schon Musik, wenn er gleich Meilos schönste Laute zu hören bekommt?

Ich ziehe mich schnell aus, verfrachte die nasse Kleidung in die nächstbeste Ecke und teste mit dem Fuß die Wassertemperatur. Könnte noch ein bisschen wärmer sein, doch andererseits ... Uns wird sicherlich noch heiß genug. Also lasse ich die Temperatur so wie sie ist und warte noch darauf, dass die Wanne komplett vollläuft.

Und während ich das tue, nutze ich die Zeit, um mich für meinen Schatz schon mal vorzubereiten. Allein macht das zwar nur halb so viel Spaß, aber die prickelnde Vorfreude macht das wieder wett.

Am Ende bin ich sogar so sehr abgelenkt, dass die Wanne droht überzulaufen. Der Überlauf steht schon unter Wasser und gibt gurgelnde Geräusche von sich. "Shit!" Ich hechte zur Wanne und stelle das Wasser ab. Gerade rechtzeitig!

Wieder etwas Wasser abgelassen, tapse ich zurück ins Schlafzimmer. Dort stelle ich mich auf den Treppenabsatz.

Und was jetzt? "MEILO?!"

"Ja?"

"Kommst du mal? Hab hier ein Problem." Irgendwie stimmt das ja auch. Unser Bad wäre schließlich beinahe abgesoffen. Und ich mit ihm mit.

"Was denn für eins?" Dass du nicht bei mir bist, mein Liebling. Aber dieses Problem ist uns ja nicht neu.

"Komm einfach!" Ich kann förmlich sehen, wie er die Stirn runzelt, seufzt, und aufsteht. "Beeil dich!" Und ich beeile mich, wieder ins Badezimmer zu kommen.

Schnell steige ich in die Wanne und puste ein paar frech gewordene Schaumwolken vor mir weg, die mir ins Gesicht schweben wollen.

Aufgeregt höre ich Meilo die Stufen hochkommen. "Nic?"

"Im Bad!" 'Und warte sehnsüchtig auf dich!'

"Was gibt es denn so dringen... oh." Meilos Augen zucken durch den Raum, ehe er verschmitzt zu lächeln beginnt. "Ich sehe schon", kichert er. "Dieses 'Problem' also."

"Ich dachte, wir weihen die Badewanne gemeinsam ein", erwidere ich und lasse etwas Schaum aufstoben.

"Gute Idee", werde ich gelobt, als Meilo auch schon Anstalten macht, sich aus seinen Klamotten zu schälen.

Im Nu ist er nackt und schwingt, darauf achtend, keine der Kerzen umzustoßen, ein Bein über den Badewannenrand. Er wartet kurz, testet die Temperatur und setzt sich dann endlich, lässig mit einem Arm auf den Rand der Badewanne gelegt, mir gegenüber. "Hast du das geplant?", möchte er schlussendlich von mir wissen.

"Nein. Ich bade immer mit einer Tonne Schaum im Kerzenschein", erwidere ich mit einem sarkastischen Grinsen.

"Gut zu wissen."

"So?" Er nickt. "Wieso?"

"Weil ich nun weiß, wie du es gern hast."

Ich lache auf. "Als ob du das nicht schon längst wüsstest!"

"Auch wieder wahr", grinst er und winkt mit seiner Hand. "Komm her." Wenn er mich so nett darum bittet ...

Ich ziehe die Beine an, bis ich zwischen Meilos Beinen knie und rutsche nach vorn, wo ich mich breitbeinig auf seinen Schoß setze. Meilo beugt sich mir umgehend entgegen. Kurz darauf küssen wir uns auch schon gierig.
 

Ich werde an Meilos Brust gezogen. Sehnsüchtig falle ich gegen ihn und schlinge meine Arme um seinen Nacken. Meilos Hände schieben sich auf meinen Rücken, wo sie mich sanft zu streicheln beginnen.

Seufzend löse ich unseren Kuss, lehne mit meiner Stirn gegen seiner und schaue ihm in die Augen. "Endlich", hauche ich.

Meilo lächelt. "Endlich." Das viel mehr in diesem kleinen Wort liegt, als bloß der Umstand, endlich mit Meilo wieder etwas ungestörte Zweisamkeit zu verbringen, ist uns beiden klar. Nach dem letzten Jahr grenzt es für mich schon fast an ein Wunder, dass wir es bis hier her geschafft haben. Dass wir unbeschadet aus dieser Vertragssache gekommen sind, dass wir es tatsächlich geschafft haben, in dieser Zeit eine Beziehung aufzubauen und nun hier sitzen, in unserer Badewanne, in unserem eigenen Haus, als Paar, obendrein noch verlobt und sogar glücklich darüber, ist schon was Unglaubliches. Etwas unglaublich schönes.

"Ich liebe dich", wispere ich Meilo zu, doch ehe er mir darauf antworten kann, versiegele ich einfach seinen Mund.

Schluss mit reden. Es ist alles gesagt. Jetzt sind andere Dinge wichtig.
 

Langsam lasse ich meine rechte Hand über Meilos Brust gleiten. Ertaste die feste Muskulatur, necke die kleinen, sich mir frech entgegen streckenden Knospen und erkunde die Vertiefungen seiner Bauchmuskeln, zeichne sie nach und tauche dabei Stück für Stück tiefer.

Meilo stöhnt auf und kratzt mit den Fingern leicht über meinen Rücken, womit er mir wohl sagen will, dass ich mich lieber um einen ganz anderen Muskel kümmern soll, als um seine festen Bauchmuskeln.

Ich rate einfach mal blind drauf los und "Oh!" Da lag ich wohl richtig.
 

Ich lasse wieder von Meilo ab und richte mich auf. Ein sehr unzufriedenes Knurren entweicht ihm, wobei er mich ansieht, als hätte ich gerade einem kleinen gallischen Dorf den Krieg erklärt. "Erst lädst du mich ein, und dann lässt du mich zappeln?"

"Ich lasse dich doch nicht zappeln!", entrüste ich mich, kann aber ein Grinsen nicht verhindern.

"Lässt du wohl." Wie süß er doch schmollen kann. "Wie einen Fisch im Trockenen."

"Kann nicht sein. Du sitzt doch im Wasser."

Meilos Augen verengen sich. "Ich warne dich Nic. Das nächste Mal wirst du der Fisch sein." Oho! Nun bekomme ich aber Angst.

"Solange ich nicht der Wurm am Harken bin" ich zucke mit den Achseln und beuge mich runter "bin ich ganz zufrieden", hauche ich, ehe ich Meilo einen kleinen Kuss auf seinen Schmollmund drücke und dann seinen Hals in Beschlag nehme.

Ich höre, wie er leise schmunzelt und spüre, wie er den Kopf in den Nacken legt.

"Mach mir nicht wieder so viele", brummt er nach einer Weile leise.

"Wieso? Jetzt darf ich doch." Oder etwa doch nicht?

"Schon, aber die Bauarbeiter gucken mich immer total schräg an, wenn sie die ganzen Flecken auf meinem Hals zu Gesicht bekommen."

Ich fange an zu lachen. "Mein armer Schatz. Was machen wir denn da?"

"Weiß nicht", raunt Meilo mir zu und schmust mit seinen Lippen zärtlich über meine.

"Ich glaube, dann verpasse ich dir lieber dort Flecken, wo die Bauarbeiter sie niemals zu Gesicht bekommen."

"Ganz wie in alten Zeiten", lacht Meilo.

"Hört das niemals auf?" Theatralisch seufzend verpasse ich Meilos Schlüsselbein einen sanften Biss.

Mir wird ins Ohr geblasen. "Ich habe ja nicht gesagt, dass du es ganz lassen sollst. Halte dich bloß noch etwas zurück."

"Hmpf", mache ich und richte mich wieder auf. "Zurückhalten, ja?" Mein Schatz nickt und guckt mich an, wie ein frecher Schuljunge, der gerade der Lehrerin einen Streich gespielt hat. "Pff!" Von wegen zurückhalten! Jetzt erst recht nicht mehr! Ich habe lange genug darauf gewartet, Meilo endlich ganz für mich zu haben. Da werde ich wegen so ein paar Bauarbeitern doch nicht wieder kneifen!

Ich lehne mit der Stirn gegen Meilos und blicke ihm tief in die Augen. "Das kannst du vergessen."

"Ja?"

"Oh ja!" Irre ich mich, oder bekommt Meilo kleine Lachfältchen um die Augen herum. Sexy. "Geben wir den Bauarbeitern morgen etwas zu glotzen", raune ich meinem Schatz zu und schlinge meine Arme um seinen Nacken, bevor ich mich aufmache, seine Haut mit meinen Lippen zu erkunden. Und wehe, einer der Typen guckt meinen Meilo morgen schräg deswegen an! Dann bekommen sie es mit mir zu tun! Aber sowas von!
 

***
 

"Nic?"

"Hm..." Ist das Meilos Stimme? Wo kommt die her?

"Nic, aufwachen. Ich war beim Bäcker und habe Brötchen geholt." Was?

Meine Augenlider sind so schwer, dass ich fast daran zu scheitern drohe, sie nach oben zu schieben. "Endlich wach?", werde ich von einem lachenden Meilo gefragt.

"Bäcker?", krächze ich und versuche etwas von meiner Umgebung zu erkennen. Nur nach und nach wird mir bewusst, dass wir in unserem Wohnzimmer liegen.

Meine Laune steigt. Meilo hat mir Frühstück ans Bett äh an die Couch gebracht. Und das Beste: Wir sind ganz allein!

Ich rapple mich ungelenk auf und betrachte das aus einem Stuhl improvisierten Tablett. Alles da, was man braucht. Vor allem "Kaffee." Ich brauche Koffein, um richtig wach zu werden. Wie will ich sonst unser erstes gemeinsames Frühstück in unserem Heim genießen?

"Sollst du bekommen", schmunzelt Meilo und macht es sich erst einmal neben mir bequem. Den Stuhl, auf dem das Frühstück steht, schiebt er dicht an uns heran. "Bitte schön." Ich nehme die mir gereichte Tasse entgegen und trinke gleich mehrere Schlucke. Gleich darauf fühle ich mich schon etwas wacher.

"Danke." Ich recke mich rüber zum Stuhl und angle mir ein Croissant. Herzhaft beiße ich hinein. "Lepfer", schmatze ich.

Meilo grinst. "Bedeutet das, ich muss jetzt jeden Morgen zum Bäcker?" Ich nicke eifrig. "Wie gut, dass der auf meiner neuen Joggingroute liegt", sagt er und sucht sich ein Schokobrötchen aus.

"Wann kommt unser Bett?", möchte ich wissen, nachdem ich das Croissant aufgefuttert habe. Gemütlich lehne ich mich gegen Meilos Schulter und überlege, was von den leckeren Teilen als nächstes dran glauben muss.

"Um elf."

"Und wie spät ist es jetzt?"

"Halb sieben." Ich rümpfe die Nase. Das bedeutet, die Handwerker stehen in gut einer Stunde vor der Tür.

"Ade Zweisamkeit", seufze ich.

"Nicht schmollen." Meilo legt seinen Arm um mich und drückt mich kurz. "Die Umbauarbeiten sind doch bald abgeschlossen. Nur noch ein, zwei Wochen."

"Hoffen wir es!" Ich glaube nicht ganz daran, dass sie zum ausgemachten Zeitpunkt fertig werden. Dazu sieht alles noch zu sehr nach Baustelle aus. Aber was verstehe ich schon vom Baugeschäft?
 

Meilo und ich lassen uns relativ viel Zeit beim Essen. So lange, bis es auch schon an der Haustür klingelt. "Ich lass sie schnell rein." Meilo springt auf und lässt den Trupp einmarschieren. Wehe, die versauen wieder unsere schöne Holztreppe! Und wehe, einer glotzt auf Meilos Knutschflecken!

Als der ganze Haufen oben ist, klettere ich aus den Federn. Meilo war so gütig, mir von oben eine Jeans und Unterwäsche herunterzuholen. Sonst müsste ich jetzt nackt herumrennen. Das wäre nicht so gut gekommen, bei den Handwerkern, fürchte ich. Wenn sie schon bei Love bites dumm gucken, möchte ich nicht wissen, was sie von meinem nackten Popöchen halten.
 

Ich knöpfe mir die Jeans zu und laufe zur Terrasse. Frischluft muss her. Trotz der hineinströmenden Kälte tut die klare Luft richtig gut. "Hey. Du erfrierst mir noch, wenn du halb nackt vor der offenen Terrassentür stehst." Meilo legt mir eine Decke über die Schultern. Welch Service!

Dankbar lehne ich mich mit den Rücken gegen seinen Brustkorb und schaue hinaus in den Garten. Unseren Garten. "Wirst du dich in zehn Jahren noch genauso um mich kümmern wie jetzt?", frage ich ihn und stelle mir unweigerlich die Frage, was noch alles auf uns zukommen wird.

"Natürlich werde ich das", raunt er mir ins Ohr. "Bis das der Tod uns scheidet."

"Fang nicht schon wieder damit an", nörgele ich. "Es reicht schon, dass meine Mutter ständig fragt, wann es endlich soweit ist." Da nützt es auch nichts, dass wir jedes Mal sagen, dass wir noch warten wollen, bis wir in Deutschland soweit sind, wie in Irland.

"Sie freut sich halt für uns", wendet Meilo schmunzelnd ein.

"Sie freut sich, dass sie endlich Verwendung für das kitschige Schwulen-Plastik-Hochzeitspärchen hat."

Meilo lacht und drückt mir einen Kuss auf die Wange. "Denk was du willst, aber ich finde, dass sich deine Mutter viel mehr für uns freut, als darüber, endlich das Schwulenpärchen auf eine Torte setzen zu können."

"Wenn du meinst."

"Meine ich." Da klingt aber einer überzeugt.

"Herr Haug?" Einer der Handwerker stört unsere Zweisamkeit. "Könnde Sie ma gugge? Weche dem Ohschluss."

"Komme."

Mich überläuft es. "Was für ein furchtbarer Akzent! Verstehst du den überhaupt, wenn der was sagt?"

"Zu zwei dritteln", lacht mein Schatz und lässt mich los. "Bin gleich wieder da."

"Das hoffe ich doch!"

Ich schließe die Terrassentür wieder. Genug gelüftet. Es ist recht frisch geworden in der Bude. Ich ziehe mir die Decke fester um den Körper und laufe rüber zur Couch. Wir sollten vorerst alles so liegen lassen. Wer weiß, ob wir das Bett heute noch aufgebaut bekommen. Oder es kommt heute gar nicht. Kann alles passieren.

Ein Klingeln lenkt mich von meinen Grübeleien ab. Meilos Handy. Es liegt in der Küche. Ich beschließe, dran zu gehen. Vielleicht was Wichtiges. Meilo telefoniert zur Zeit mit vielen Produzenten.

"Hier bei Haug", melde ich mich.

/.../ Leise Atmengeräusche.

"Hallo? Jemand da?"

/Meilo?/

"Nein. Hier ist Niclas. Meilo ist gerade verhindert. Kann ich ihm was ausrichten?"

Wieder kurzes Schweigen. Ich runzle die Stirn und bin versucht, einfach aufzulegen, doch /Sag ihm, Benedikt hat angerufen./ Es knackt in der Leitung. Aufgelegt.

"Benedikt? Wer ist Benedikt?" Ich überlege angestrengt. Irgendwie kommt mir der Name bekannt vor, kann ihn jedoch nirgends hinstecken.

"Es sieht gut aus! Die Arbeiten gehen schneller voran als gedacht." Meilo kommt um die Ecke gelaufen.

"Wer war nochmal Benedikt?" Fragend schaue ich Meilo an. Der wird komischerweise total käsig um die Nase herum, sieht mich an, dann sein Handy, das immer noch in meiner Hand liegt.

"Hat er etwa eben angerufen?" Mir wird das Handy entrissen. Hektisch tippt Meilo darauf herum. Dann erstarrt er kurz und sieht mich wieder an. "Was hat er gesagt?"

Ich hadere einen Moment mit mir. Wäre es nicht angebrachter, ihn zu fragen, was das ganze Theater soll? Wer dieser Benedikt ist, und wieso Meilo so panisch auf ihn reagiert? "Er wollte, dass ich dir sage, dass er angerufen hat", berichte ich ihm.

"Sonst nichts?" Ich schüttle den Kopf. Meilo atmet erleichtert aus.

"Wirst du mir jetzt endlich verraten, wer Benedikt ist?" Langsam werde ich nervös.

Ich verschränke die Arme vor der Brust, so gut es mit der Decke geht, und schaue Meilo abwartend an. Der guckt plötzlich wie ein verletztes Reh und steckt das Handy in seine Hosentasche. "Mein Ex", antwortet er mir. So leise, dass ich erst glaube, mich verhört zu haben.

"Dein Ex?", harke ich nach und dann fällt bei mir der Groschen. Benedikt. Der Arsch, der ihn betrogen hat, weil er so eifersüchtig war, dass er dachte, Meilo würde ihn bei jeder Gelegenheit betrügen. "Warum ruft er dich an?" Will er etwa wieder was von ihm?

"Warum wohl", sagt er. Ich erkenne an seinem Blick, dass ich mit meiner Vermutung richtig liege.

Besorgnis regt sich in mir. "Seit wann gehen diese Anrufe schon?"

"Ungefähr seit zwei Wochen."

"Und warum erfahre ich davon nichts?" Aus der Sorge wird Wut. Meilo hat doch was vor mir verheimlicht!

"Ich wollte nicht, dass du dich darüber aufregst."

"Glückwunsch. Das ist dir ja hervorragend gelungen." Er schluckt hart und seufzt. Es ist nicht so, dass ich ihm nicht glaube, oder gar unterstellen würde, er hätte wieder was mit diesem Idioten am Laufen, aber dass er es vor mir verschwiegen hat, dass macht mich wirklich traurig.

"Ich dachte, wir verheimlichen nichts mehr voreinander."

"Ja, ich weiß", gibt er sich reuevoll. "Aber wegen dem ganzen Umzugsstress, die beengten Verhältnisse, unter denen wir bei deinen Eltern gelebt haben … Ich habe einfach gedacht, es tut uns nicht gut, wenn ich dir von Bens Anrufen erzähle." Ich sage es nicht gern, aber er hat wahrscheinlich recht. "Ich wollte mir nächste Woche eine neue Nummer geben lassen. Sobald ich die habe, hören seine Anrufe bestimmt auf."

"Weiß er, dass du mit mir zusammen bist?"

"Ja." Meilo nickt eifrig.

"Und weiß er, wo wir leben?"

"Nein. Er hat null Ahnung. Und ich habe auch schon jedem in meiner Familie gesagt, dass sie es ihm nicht sagen sollen. Was sie zwar sowieso nicht gemacht hätten, aber man weiß ja nie."

"Gut", seufze ich. "Dann ist das ja geklärt."

Meilo sieht mich überrascht an. "Du bist nicht sauer?"

Nachdenklich sehe ich ihn einen Moment lang an. "Hm. Doch. Noch ein bisschen zumindest." Ich grinse ihn frech an. "Und als Entschädigung für deine Geheimniskrämerei, habe ich einen Wunsch bei dir offen."

"Jeden, den du willst."

"Ich nehme dich beim Wort."

"Kannst du gern machen." Meilo kommt auf mich zu und umarmt mich. "Immer und überall ...", wispert er mir zu, bevor sich seine Lippen gegen meine pressen. Na, wenn das mal kein Angebot ist!

"Herr Haug? Könne Sie nochmal gugge?" Oh nein!

Wir trennen uns voneinander und schauen uns deprimiert an. "Bin gleich da!", ruft Meilo. "Tut mir leid."

"Kein Ding. Geh schon. Ich räume derweil den Geschirrspüler ein." Hab ja sonst nichts zu tun.
 

Meilo dampft davon und ich klappere mit dem dreckigen Geschirr herum.

Vielleicht mag es überraschen, dass ich nicht mehr Aufhebens um die Sache mit Meilos Ex mache. Aber warum soll ich mich aufregen? Wahrscheinlich bin ich über meine Eifersuchtsphase hinweg, hoffentlich! Aber ich weiß eben auch, dass mein Schatz mir treu ist. Dazu brauche ich ihm nur in die Augen zu sehen, und schon bin ich mir dessen sicher. Früher hatte ich für Leute, die so etwas über ihren Partner gesagt haben, nur ein müdes Lächeln übrig. Jemanden blind zu vertrauen, das kann man doch gar nicht. Dachte ich bis vor einiger Zeit jedenfalls noch. Aber inzwischen weiß ich, dass sowas möglich ist. Und deshalb regen mich Bens Anrufe bloß geringfügig auf. Solange es nicht ausartet, und die Anrufe mit Meilos Nummerwechel aufhören, werde ich keinen Gedanken mehr daran verschwenden.

Tja, und außerdem, dass Meilo diesen Ben nicht mal mehr mit der Kneifzange anfassen würde, darüber bin ich mir auch mehr als sicher.

Ebenso kann ich die Gründe verstehen, weshalb er mir diese Anrufe verschwiegen hat. Es war ein sehr turbulenter und zehrender Monat, kann ich euch sagen. Ich glaube, ich an Meilos Stelle, hätte genauso gehandelt.

Wehmütig lächelnd kratze ich die Brötchenkrümel vom Teller. Welche Stolpersteine wir in Zukunft noch in den Weg geworfen bekommen, wir werden sie schon weggeräumt bekommen. Schließlich haben wir schon genug Geröll erfolgreich aus dem Weg geschleppt.
 

Ich schließe die Klappe des Geschirrspülers. Fertig. Jetzt ziehe ich mir noch schnell einen Pullover an, dann wird hoffentlich bald unser Bett kommen. Ein arbeitsreicher Tag wartet auf uns. Ich kann es kaum noch erwarten, wenn alle Arbeit erledigt ist, und Meilo und ich unser neues Heim genießen können. Unser gemeinsames, neues Heim ...

"Nic?"

"Ja?" Ich schaue auf, Richtung Flur.

"Ich glaube, der LKW des Möbelhauses steht vor der Tür!" Eilige Schritte auf der Treppe. Meilo kommt runtergespurtet.

"Jetzt schon?" Er zuckt mit den Schultern und öffnet die Haustür. Jetzt aber nichts wie hoch, was anziehen!
 

ENDE
 


 

Ich wette, ihr denkt jetzt: 'Was? So ein schnelles und abruptes Ende?'

Ähähäh. Ich habe noch ein paar Bonuskapitel für euch ;-) Und der Epilog wartet auch noch auf euch. ^^

Außerdem, habe ich mir überlegt, schreit dieses Ende geradezu nach einer Fortsetzung, oder?

Benedikts Anrufe … Da ließe sich doch noch was mit anstellen. Und inzwischen habe ich auch schon einige Ideen, wie es mit Meilo und Niclas weitergehen könnte.

Wir werden sehen. Mal gucken, was meine Muse dazu sagt ;-)

Epilog - Always and forever

Epilog - Always and forever
 

"Wenn ich hier den Wert verändere, und hier eine Null einfüge, dann ... Hm?" Ich horche auf. Musik. Der Wecker meines Handys. Dahin ist die Konzentration.

Brummend schalte ich den Alarm aus, recke anschließend meine Arme in die Höhe und strecke meine Wirbelsäule, während ich meine Kopf langsam kreisen lasse. Meine Gelenke knacken dabei ungesund.

Ich war so vertieft in meine Arbeit, dass ich total die Zeit vergessen habe. "Dann speichere ich mal alles ab", sage ich zu mir selbst und beende meine Programmierarbeit. Eine Kopie davon landet postwendend auf den Firmenspeicher. Bitteschön und auf Wiedersehen. Jetzt habe ich erstmal Urlaub!

Den PC heruntergefahren, ziehe ich sicherheitshalber alle Stecker, bevor ich mein Büro verlasse. Das ist mir lieber, wenn wir nicht Zuhause sind.

"Meilo?!" Keine Antwort. Warum rufe ich ihn auch? Er sitzt in seinem schalldichten Tonstudio und tüftelt an neuen Songs.

Meilo strotzt nur so vor neuen Ideen und arbeitet stundenlang an ihnen herum. Ich freue mich für ihn. Er konnte, dank seiner Kontakte, sogar schon einen kleinen Erfolg feiern. Endlich macht ihm seine Arbeit wieder Spaß. Genauso wie mir meine neue Arbeit Spaß macht.
 

Seit drei Monaten arbeite ich in einer großen Firma für Softwareentwicklung, und das die meiste Zeit über von Zuhause aus, da die Firma in Darmstadt sitzt. Es gefällt mir unglaublich gut, ich kann einerseits an meinem Programm arbeiten, andererseits helfe ich bei anderen Projekten mit. Mein Traumjob! Das ich meinen Berufswunsch endlich wahr machen konnte, habe ich immer noch nicht so ganz realisiert. Wie ein Traum eben.

Genau wie das Zusammenleben mit Meilo, und dass wir dieses tolle Haus besitzen, für mich immer noch wie ein Traum ist.

Es läuft perfekt zwischen uns. Hier und da gibt es schon kleine Reibereien. In welcher Beziehung gibt es die nicht? Aber wir vertragen uns jedes mal recht schnell wieder. Besonders, weil Meilo immer so gute Argumente hat. Wörtliche und körperliche. Ihr versteht?

Auch die Sache mit Meilos Ex hat sich in Wohlgefallen aufgelöst. Mit dem Nummernwechsel hörten die Anrufe auf und bis jetzt haben wir auch keinen Pieps mehr von ihm gehört. Dafür verstehe ich mich mit meinem Ex Kilian wieder ganz gut. Rein freundschaftlich, versteht sich. Clem würde mir auch sonst den Kopf, oder etwas Wichtigeres, abreißen.

Der hat sich inzwischen zu einem meiner besten Freunde gemausert. Neben Ed und Ingo ist er einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben geworden. Er ist oft bei uns. Mit und ohne Kilian.

Neben den beiden bekommen wir natürlich auch oft Besuch Ed und Ingo, sowie Nicole. Die ist übrigens immer noch mit dem Kerl aus ihrer Schule zusammen. Meinem Vater ist er weiterhin ein Dorn im Auge. Er befürchtet, dass mein Schwesterlein sexuell aktiv werden möchte. Wenn der wüsste ...

Nun, und zu guter Letzt sind da noch unsere Nachbarn.
 

Links neben uns ein wohnt ein junges Pärchen. Elke, Bianca und ihre beiden Kinder Tobias und Ilka. Tobias ist sieben und Ilka vier Jahre jung. Sie sind gut ein Jahr vor uns eingezogen. Wir verstanden uns auf Anhieb, und spielen auch mal Babysitter für sie. Elke scherzt immer, wir wären ideal dafür, da den Kleinen weibliche Vorbilder ganz gut täten. Wenn sie den Spruch loslässt, bekommt sie von mir immer einen Arschtritt. Natürlich rein metaphorisch.

Dann sind da noch Elisabeth und Udo. Ein putziges Rentner-Ehepaar. Sie leben schon seit der Steinzeit hier. Na ja. Fast. Jedenfalls noch bevor aus dem Stadtteil das inoffizielle Schwulen- und Lesbenviertel wurde. Sie gehen jedoch total locker damit um. Udo ist so eine Art Hausmeister in unserer Straße. Er repariert alles, oder hat gute Tipps, falls man so lebensmüde sein sollte, und selbst Heimwerker spielen möchte.

Mit dem Rest der Bewohner unserer Straße verstehen wir uns ebenfalls ganz gut. Hier kennt jeder jeden. Eigentlich ganz nett. Mitte August ist sogar ein Straßenfest geplant. Das gibt es alle zwei Jahre. Meilo und ich sind schon gespannt darauf.

Und nun, von meinem Traumjob, meinem Traumhaus und meinem Traumleben zu meinem Traummann, dem ich doch Bescheid sagen soll, wenn es Zeit zum Aufbrechen ist.
 

Vorsichtig stecke ich meinen Kopf ins angrenzende Tonstudio, doch es ist still und vor allem menschenleer. "Hm ..." Wo ist er denn? War ich so vertieft in meine Arbeit, dass ich nicht gehört habe, wie er an mir vorbeigelaufen ist? Wäre nicht das erste Mal, dass das passiert. Wenn ich vor meinem Bildschirm hocke, bin ich immer wie weggetreten. In einer ganz anderen Welt. Genau wie Meilo, wenn er an neuen Songideen herumprobiert. Da sind wir uns total ähnlich.

Auf der Suche nach meinem Schatz laufe ich runter ins Schlafzimmer und stolpere fast über die Koffer, die wir heute Morgen erst hier aufgestellt haben, fange mich aber noch auf, als plötzlich sanfte Töne erklingen. Das Klavier!* Das kann nur Meilo sein.

Ich wende, nehme die nächste Treppe, die runter ins Erdgeschoss führt und dort sitzt er. Natürlich am Klavier, das mitten im Raum steht, des Klimas wegen.

Ich laufe langsam auf ihn zu, bleibe dann jedoch stehen und lehne mich an die Wand, hinter der die Küche liegt, und schaue Meilo ehrfürchtig beim Spielen zu.

Mit geschlossenen Augen sitzt er da, lässt seine Finger über die Tasten gleiten und erzeugt damit eine wunderschöne Melodie. Für mich immer wieder ein Wunder. Obwohl die Zeit drängt, kann ich ihn jetzt nicht unterbrechen. Also stehe ich nur da, schaue ihn an und lausche den Klängen, bis die Musik verstummt. Meilos Augen öffnen sich. Er lächelt. "Das war wunderschön", flüstere ich, doch Meilo hat es mitbekommen.

"Der Song ist für dich", sagt er, klappt den Deckel zu und steht auf. Schlendernd läuft er in meine Richtung.

"Schon wieder?", frage ich ihn schmunzelnd. "Deine ganze letzte Platte war doch schon für mich." Wer kann das schon von sich behaupten? Von seinem Liebsten eine ganze Platte gewidmet zu bekommen. Und dann hat sie auch noch einen der schmalzigsten Titel überhaupt: Always and forever. So eine Liebeserklärung bekommt wohl nicht jeder, was?

Ich stoße mich von der Wand ab und gehe ebenfalls auf Meilo zu. Wir treffen uns neben der Couch. "Das Lied eben ist aber was anderes. Das ist nur für deine Ohren bestimmt."

"Wirklich?" Meilo nickt und schlingt seine Arme um meine Taille.

"Alles Gute zum Jahrestag." Seine Lippen treffen meine. Nur kurz, aber es reicht, um meinen Bauch zum Kribbeln, und mein Herz zum Taumeln zu bringen. Ich liebe ihn noch so sehr wie am Anfang unserer Beziehung, wenn nicht sogar noch mehr. Mindestens.

"Danke Schatz, aber ich dachte, wir schenken uns nichts. Bis auf diese eine Sache", grinse ich und hebe meinen Zeigefinger. "Unser spezielles Geschenk, das wir uns bis heute Abend aufheben."

Meilo schnappt mit seinem Mund nach meinem Finger. Er wird feucht. "Das ist was anderes", nuschelt er. "Das Lied gehört eigentlich zu der einen Sache heute Abend."

"Wirklich?", schmunzle ich. Meilo nickt. "Bekomme ich es auch auf CD, oder spielst du es mir immer nur Live vor?"

"Erst mal nur live", grinst er. "Ich weiß doch, dass du es live lieber magst." Oh, wie recht er doch hat! "Und um es heute noch aufnehmen zu können, haben wir keine Zeit mehr, wenn mich nicht alles täuscht?" Oh Mist! Stimmt ja! Da war was.

"Dann beeilen wir uns mal lieber, damit wir noch vor den anderen ankommen."

"Sehe ich auch so", lacht mein Schatz, nimmt meine Hand und geht mit mir hoch, um die Koffer zu holen.
 

***
 

"Hast du alles?"

Ich nicke, schüttle dann allerdings den Kopf. "Nein, noch nicht." Wo habe ich den die dämliche Sonnencreme nur hingeworfen?

"Henning wartet sicher schon."

"Der soll sich mal nicht so anstellen. Wir sind noch für eine ganze Woche hier."

"Das schon, aber unsere anderen Freunde bleiben nur für zwei Tage."

"Ich komme ja schon!" Immer dieses Gehetze. Dabei dachte ich, das wäre vorbei. Ja, gut. Ich übertreibe. Hetzen ist definitiv vorbei.

Meilo grinst und tritt von hinten an mich. Gleich darauf schieben sich seine Arme zwischen meine hindurch und umschlingen meinen Bauch. Federleichte Küsse regnen auf meinem Nacken nieder. So wird das aber nicht mit dem Beeilen. "Was wird das?", möchte ich von ihm wissen.

"Nach was sieht es denn aus?"

"Nach: Scheiß auf die Party, ich will meinen Freund vernaschen."

"Hn ... Gute Idee ..." Meilos Zunge kitzelt mich hinter dem Ohr.

"Erst hetzen, dann fummeln? Du bist ganz schön sprunghaft heute, mein Schatz." Ich setze mir meine Sonnenbrille auf und drehe mich in Meilos Armen um.

"Was dagegen?"

"Eigentlich nicht", schmunzle ich und begrabbele Meilos unbedeckte Brust. Sehr reizvoll ... "Aber ich würde jetzt wirklich gern raus an den See und unseren Freunden meine hart erarbeitete Figur präsentieren." Ich habe wirklich verdammt viel Schweiß gelassen, um mich wieder fit zu bekommen. Während der Beziehung mit Kilian habe ich mich richtig gehen lassen. Mit Meilo wird mir das definitiv nicht passieren. Beinahe jeden Morgen gehen wir gemeinsam Joggen, fahren fast jedes Wochenende Fahrrad, und ein, zwei Mal in der Woche schleift er mich sogar mit ins Fitnessstudio. Meilo achtet wirklich sehr auf seine Kondition. Daran musste ich mich erst gewöhnen, aber zusammen fällt einem sogar schweißtreibender Sport außerhalb des Bettes leichter.

"Reicht es nicht, wenn du nur mir deinen Luxuskörper präsentierst?", raunt Meilo mir zu, während seine Hände unter meine Badehose rutschen und beginnen, meinen Hintern durchzukneten. "Du könntest sofort damit beginnen und mir deine heiße Kehrseite zeigen ..." Ich gerate ernsthaft ins Schwanken, bleibe aber unnachgiebig, entwinde mich Meilos Knetkünsten und seinem verheißungsvollen Sirenengesang.

"Nachher", verspreche ich, küsse ihn und schnappe mir die soeben entdeckte Sonnenmilch. "Jetzt wird sich eingecremt, dann geht es raus in die Sonne!" Meilo zieht einen Schmollmund. "Hör auf mich so anzusehen."

"Aber wir haben Jahrestag."

"Und genau deshalb sind unsere Freunde hier", erinnere ich ihn.

"Und was ist mit uns?"

"Was soll mit uns sein? ... Dreh dich mal um." Während ich Meilos Rücken eincreme, antwortet er mir.

"Ich will mit dir feiern. Du verstehst?"

Lachend gehe ich in die Knie und mache an seinen Beinen weiter. "Klar verstehe ich. Und das werden wir auch. ... Heute Abend. Wie versprochen."

Meilo seufzt. "Ich würde es dir aber viel lieber jetzt schon ordentlich be...schenken." Er grinst frech auf mich nieder. Das Wortspiel war gut, das muss ich ihm lassen, doch umstimmen kann er mich damit dennoch nicht. Ich habe nämlich etwas geplant.

"Würde es dich trösten, wenn ich dir verrate, dass ich heute Abend eine Überraschung für dich geplant habe?"

"Hast du?" Meilo dreht sich um. Gut, dann mache ich gleich mit seiner Vorderseite weiter.

Ich stehe auf, ignoriere das Knacken in meinen Kniegelenken dabei, und nicke mein Meilolein lächelnd an. "Habe ich. Und sie wird dir gefallen." Meilos Augen mustern mich neugierig. "Ich werde dir nichts verraten", grinse ich, bevor er mich weiter ausfragen kann. "Nur so viel: Wir zwei, allein und ungestört und mit nichts weiter als den Sternen über uns."

"Jetzt will ich es erst recht wissen", mault mein Schatz.

"Forget it! Hier." Ich drücke ihm die Sonnencreme in die Hand. "Ich bin dran." Murrend macht er sich an die Arbeit, cremt, schmiert, massiert. An manchen Stellen mehr, an anderen weniger. Ich muss nicht extra erwähnen, dass er weiter versucht mich dazu zu bringen, zu verraten, was ich geplant habe, oder? Aber daraus wird nichts. Ebenso wenig wie hier zu bleiben, und uns noch ein wenig miteinander im Bett zu vergnügen. Erstens warten unsere Freunde unten am See, und zweitens will ich, dass wir uns das für heute Abend aufheben. Komisch was? Das ich mal eine Einladung zum Sex von Meilo ausschlagen würde. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ganz und gar nicht.

"Fein!", rufe ich, als Meilo mich komplett eingecremt hat. "Gehen wir! Ich hab schon Kohldampf." Meilo scheint aufgegeben zu haben, denn er willigt brav ein und schiebt seine Hand in meine, ehe er mich küsst.

Bestens gelaunt verlasse ich mit ihm Hennings und Heikos Wohnung, in dessen Gästezimmer wir die Woche über wohnen werden.
 

Als wir draußen sind, begrüßt uns die warme Sommersonne. Wir gehen am Hotel vorbei, lassen den Teil des Sees, der für die Gäste geöffnet ist, hinter uns, und laufen einen kleinen Trampelpfad entlang, der hinter einem Schuppen verborgen, zu einem abgelegeneren Bereich des Sees führt. Hier her verirren sich so gut wie nie Gäste hin, sodass unsere Gastgeber, unsere Freunde und natürlich Meilo und ich völlig ungestört sind.

Kaum sind wir dort, begrüßen uns alle lautstark. Freunde von Meilo, die ich bis auf Niko, Lars, Basti, Tarik und Stefan selbst teilweise noch nicht kenne, daneben Freunde von mir, Ed, Ingo, Clem und sogar Kilian sind da. Selbst Anne, mit der wir natürlich in Kontakt geblieben sind, ist mit ihrem immer noch Freund Thorsten gekommen.

Umarmungen und Geknutsche im lecker duftenden Dunst des Grillguts, um das sich Heiko kümmert. Mein Magen knurrt. Ausgerechnet Ingo bekommt das mit und lacht sich schlapp. "Gebt dem armen Kerl lieber mal was zu Essen. Scheint so, als hätte er sich schon ganz schön verausgabt heute."

"Neidisch?", frage ich ihn frech.

"Nö", sagt er und zieht Ed an sich, der eben an seiner Cola nippen wollte. Beinahe hätte er alles verschüttet, und guckt Ingo deshalb grimmig an. "Edilein und ich waren heute auch schon fleißig." Und siehe da, Ed läuft rot an.

"Ingo!", zischt er und windet sich aus Ingos Arm.

"Oh oh. Wenn das mal nicht Ehekrach gibt", trällere ich und lehne mich gegen Meilo.

"Der kriegt sich schon wieder ein", meint Ingo, läuft seinem Göttergatten jedoch postwendend hinterher.

"Die zwei mal wieder", lache ich.

"Du musstest Ingo ja mal wieder eine Steilvorlage geben", brummt Meilo, tupft mir allerdings einen Kuss auf den Kopf.

"Für Ingo ist alles 'ne Steilvorlage. Selbst das Wort Steilvorlage."

"Auch wieder wahr", seufzt mein Schatz. "So! Jetzt kümmern wir uns aber erstmal um dein hungerndes Bäuchlein." Sehr gute Idee!

Ich werde Richtung Grill geschoben, wo Henning uns schon Teller hinhält. "Wie schön, dass ihr endlich mal wieder bei uns seid", entgegnet er.

"Finden wir auch. Und danke, dass unsere Freunde alle hier übernachten dürfen." Und das unentgeltlich wohlgemerkt.

"Von Freunden nehmen wir kein Geld. Außerdem haben wir euch eingeladen. Schon vergessen?"

"Wie könnten wir das?", schmunzelt Meilo. "Wenn ihr nicht aufpasst, verbringen wir jeden unserer Jahrestage bei euch."

"Von uns aus gern", lacht Heiko, der die Grillwürstchen umdreht. "Hey! Kommt mal alle her! Das Essen ist fertig!"

Dichtes Gedränge am Grill. Bis jeder was hat, dauert es etwas, doch keiner kommt zu kurz. Henning und Heiko haben für genug Essen gesorgt.

Nachdem jeder einen vollen Teller, sowie ein volles Glas hat, prosten wir uns zu. "Schön, dass ihr alle gekommen seid", ruft Meilo in die Runde. "Einen guten Appetit und auf ein schönes Wochenende!"

"Auf euch", prostet Ingo uns zu, ehe jeder ein Schluck trinkt und sich dann über das Essen hermacht.
 

Gute Freunde, gutes Essen, und das beste: eine glückliche Beziehung mit dem besten Mann der Welt.

Wer hätte das vor einem Jahr gedacht? Ich ganz sicher nicht. Gehofft, ja. Aber ganz bestimmt hätte ich mir damals niemals ausmalen können, wie schön mein Leben ein Jahr später sein würde. Alles, was mir seitdem widerfahren ist, war so unfassbar, so unglaublich, dass es sich kaum in Worte fassen lässt.

Erst die plötzlichen, intensiven Gefühle, die Meilo so schnell in mir ausgelöst hatte, dann der Schock darüber, wer er ist, all das Herumreisen deswegen, das Feilschen nach jeder gemeinsamen Minute und die Freude, wenn wir uns wiedersehen konnten und uns endlich wieder in den Armen lagen.

Hätte mir das jemand vor einem Jahr gesagt, hätte ich ihn für bekloppt erklärt. Aber niemals, wirklich nie und nimmer, hätte ich gedacht, dass ich heute mit meinem Ex du seinem Neuen auf Meilo und meine Beziehung anstoßen würde. Doch das tun wir gerade.

Echt verrückt. Und alles hat heute vor einem Jahr seinen Anfang genommen.

Was ich inzwischen sagen würde, wenn mich einer nach 2015 fragt? Ganz klar: 2015? Was für ein geiles Jahr!
 

******
 

*Wer muss hier noch an Loriot denken? Ein Klavier! Ein Klavier! XDDDDD

Bonus I - Ungeplante Pläne

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Bonus I - Ungeplante Pläne (Ohne Adult)

Und hier ist sie. Bonusstory Nummer eins ^^

Sie schließt an den Epilog an. Was bedeutet, ihr werdet Henning und Heiko wiedersehen ;-)

So. Bevor es aber losgeht, wollte ich noch was loswerden.

Weil so viele Anfragen kamen, was jetzt eigentlich mit Knilch-Niklas passiert ist, und warum er plötzlich verschwunden ist, wollte ich euch noch schnell aufklären.

Für den kleinen Störenfried habe ich schon Pläne gemacht, weshalb ich ihn hier klammheimlich hab verschwinden lassen. Das hat natürlich auch seinen Grund. Aber das verrate ich jetzt noch nicht ;D Lasst euch überraschen ^^
 

Eure Fara
 


 

Bonus I - Ungeplante Pläne (Ohne Adult)
 

"Hast du alles vorbereitet?" Henning nickt.

"Alles erledigt. Du musst ihn dir nur schnappen."

"Hervorragend! Dank dir." Ich klopfe Henning auf die Schulter.

"Nichts zu danken. Viel Spaß euch beiden." Er zwinkert mir zu und geht zu den anderen rüber, die sich an der Feuerstelle versammelt haben.

Es ist richtig kühl geworden. Angenehm, nach dem heißen Tag. Trotzdem ist es ein schöner Tag gewesen. Mit all unseren Freunden, die mit uns zusammen unser einjähriges gefeiert haben, mit uns gegessen und getrunken haben. Doch jetzt, kurz vor Mitternacht, wird es Zeit, ein bisschen Qualitätszeit nur mit meinem Mann zu verbringen. Eine ganz besondere Nacht wartet auf uns.

"Meilo?" Ich trete von hinten an ihn heran. Er sitzt mit den anderen am Feuer und unterhält sich mit Clem. Die zwei verstehen sich inzwischen ebenfalls richtig gut. Kilian, der neben seinem Schatz sitzt, quatscht derweil mit Lars. Irgendwelchen Kram über die Arbeit. Schnarch. Kilian eben. Der wird sich in manchen Dingen niemals ändern.

"Ja?" Meilo lehnt sich gegen meine Beine und schaut zu mir auf. Seine Augen leuchten im Schein des Feuers. Ich kann nicht anders, beuge mich runter und küsse seine süßen Lippen.

"Ich will dir etwas zeigen", flüstere ich. "Kommst du mit?"

"Was willst du mir den zeigen?"

"Verrate ich nicht", grinse ich und trete zurück.

Die anderen grinsen uns ebenfalls an. Sie ahnen womöglich, was ich vor habe. Schwer zu erraten ist das ja auch nicht.

Meilo, der neugierig geworden ist, steht auf, verabschiedet sich von unseren Freunden, die uns anzüglich nachpfeifen und legt seinen Arm um mich. "Bekomme ich jetzt meine Jahrestagsüberraschung?", fragt er, womit er vollkommen richtig liegt.

"Bekommst du", sage ich deshalb und laufe weiter.

"Jippie!" Spinner!

Ich führe uns einen schmalen Weg entlang und hoffe, dass ich mich nicht verirre. Doch Henning hat ganze Arbeit geleistet. Überall hat er kleine Laternen in die Bäume gehängt, die uns den Weg weisen. "Warst du das?" Meilo ist sichtlich überrascht.

"Nein. Henning war das. Er hat mir geholfen alles vorzubereiten, damit du nichts davon mitbekommst." Meilo kichert und zieht mich fester an sich. "Wir sind gleich da."

"Hoffentlich", wispert er mir rau zu. "Ich bin schon den ganzen Abend dermaßen spitz auf dich, dass ich es gar nicht mehr abwarten kann, dir das Badehöschen vom Hintern zu pellen."

"Ach? Aber wer sagt denn, das wir gleich Sex haben werden?" Ich versuche ernst zu klingen, schaffe es aber nicht.

Überrascht lache ich auf, als mich Meilo plötzlich gegen einen Baum drückt und mich seine Körpermitte spüren lässt. Da gibt es wirklich einiges zu spüren. "Vielleicht kann ich deine Gedanken lesen", raunt Meilo mir dunkel zu. Das wollen wir doch gleich mal testen.

"Und was denke ich gerade?"

"Du denkst, dass du es nicht mehr abwarten kannst, mir die Überraschung zu zeigen."

"Ähm ... Nein." Kichernd schüttle ich den Kopf.

"Dann denkst du wahrscheinlich, wieso habe ich noch meine Hose an, obwohl Meilo mir doch gerade ein so vielversprechendes Angebot gegen den Schoß drückt."

"Ähm ... Nö."

"Oh. Verzeih. Das wirst du erst noch denken."

Ich grinse und lege meine Stirn gegen seine. "In die Zukunft kannst du auch noch sehen? Interessant."

"Und wie ich das kann."

"Dann wirst du aber auch wissen, dass, solange wir hier herumstehen, rein gar nichts laufen wird, mein Lieber. Da kannst du mir noch so viele Angebote gegen den Schoß pressen."

Meilo brummt mürrisch und rückt von mir ab. "Gut, dann bring mich zu der Überraschung, damit ich dir mein Angebot endlich genauer unterbreiten kann."

"Wenn du mich so nett bittest", säusle ich, ergreife seine Hand und ziehe ihn abermals hinter mir her.
 

Es ist nicht mehr weit. Keine zehn Meter vor uns lichtet sich das Dickicht und wir stehen vor einem weiteren Abschnitt des Sees. Es sieht eher so aus, als ständen wir vor einer kleinen Lagune, eine dunkle, glitzernde Lagune, denn auch hier hat Henning Lichter verteilt.

In hohen Gläsern, die halb im Sand eingegraben sind, flackern Kerzen. Doch das Hauptaugenmerk liegt eindeutig auf dem Boot, dass er für uns vorbereitet hat. Es ist größer, als die, die sie am großen See vorn am Hotel den Gästen zum Mieten anbieten. Angetäut an einem Baumstumpf, schwankt es sachte im Wasser. An der einen Seite ist eine zeltähnliche Konstruktion angebracht, inklusive Fliegennetz, dass unsere Ärsche von gemeinen Mückenstichen schützen soll. Und in dieser Konstruktion hängen Lichterketten, die das alles in ein warmes Licht tauchen. Innen hat Henning Kissen und Decken ausgelegt, sodass man auch schön bequem liegt. Auch die Holzplanken, die als Sitze beim Rudern dienen, gibt es nicht mehr. Das kann man von hier nicht sehen, aber ich weiß es, da Henning mir vor einer Woche ein Bild davon geschickt hat. Dieses speziell hergerichtete Boot bieten sie als besondere Übernachtungsmöglichkeit für verliebte Paare an. Die Idee hat mir so gut gefallen, dass ich Henning sofort gefragt habe, ob es dieses Wochenende noch frei ist. Und wie ihr seht, hatte ich Glück.

"Wahnsinn", haucht Meilo. "Das hat Henning gemacht?"

"Ja. Er und Heiko haben sich das als kleines Highlight für Paare ausgedacht."

"Das ist unglaublich schön", flüstert mein Schatz, dreht sich zu mir und zieht mich an sich. "Fast wie damals."

"Bis auf die mörder Kälte, ja. Fast wie damals." Und ohne Nebel, möchte ich noch hinzufügen. Meilo beugt sich vor zu mir und küsst mich sanft, doch ich unterbreche den Kuss bald wieder, denn "Gehen wir aufs Boot!" Und schon stürme ich voran, meinen Schatz ziehe ich wieder mit mir.
 

Ich klettere hinein und warte auf Meilo, der das Boot abtäut und dann hinter mir ins Boot klettert. Geschafft! "Und? Wer rudert diesmal?", möchte Meilo wissen.

"Niemand", antworte ich und ziehe Meilo zu mir in das Zelt. "Wir lassen uns treiben ..." Dafür ist das Boot schließlich gemacht. Zum treiben ...

"Treiben hört sich gut an", wispert mein Schatz und begräbt mich unter sich, sein Mund fest auf meinen gepresst.

Ich biege mich ihm entgegen, schmecke ihn und bekomme Besuch von seiner Zunge. Freudig begrüßt meine sie und lädt sie zum Spielen ein. Bald schon reiben wir uns stöhnend und gierig nach mehr aneinander. Die Badehosen, die wir tragen, werden dadurch zu einem störenden Übel. Wie es Meilo vorausgesagt hat. Ich will mehr von seinem 'Angebot' spüren. Umständlich fummeln wir sie uns von der Hüfte, dann über die Beine, bis sie irgendwo im Boot verschwinden. Seis drum. Es gibt Wichtigeres. Meilos Hände zum Beispiel, die sich auf Wanderschaft begeben, und mir an den Seiten entlang streicheln. Mir wächst eine Gänsehaut. Ein heißer Schauer nach dem anderen fegt über mich hinweg. Meine pochende Körpermitte verlangt mehr Beachtung, aber sie muss warten. Zuerst muss ich noch mehr von Meilo kosten, kann nicht genug von ihm bekommen, sauge an seiner Zunge und schiebe sie zurück in ihr eigenes Reich, wo ich mich mit ihr zusammen gründlich umschaue.

"Oh Nic ..." Meilo löst sich von mir. Lustverhangen sieht er zu mir hinab. "Ich liebe dich."

"Ich dich auch", flüstere ich und streichle ihm durchs Haar.

"Ein Jahr, ich kann es kaum glauben."

"Geht mir auch so." Die Zeit verging wie im Flug. "Auf das Nächste", gluckse ich. "Darauf, dass das zweite Jahr genau so weitergeht, wie es heute beginnt."

"Hört, hört!", lacht Meilo und versiegelt mir abermals den Mund.
 

*
 

"Tut mir leid", flüstert Meilo und wischt mit dem Daumen über meine Wange. "Das war nicht mein Plan gewesen."

"Es sei dir verziehen", schmunzle ich. "Ist ja nicht das erste Mal, dass ich es kommen sah. ... Na ja, gesehen habe ich es eigentlich weniger. Vielmehr gespürt und geschmeckt" Ich grinse Meilo frech an.

"Mach mich doch noch fertig!", stöhnt mein Schatz theatralisch. "Sag mir aber mal lieber, ob es hier auch Taschentücher oder sowas in der Art gibt."

"Da neben steht eine Box. Vielleicht hat Henning welche rein getan." Ich zeige außerhalb des Fliegennetzes auf die dort befestigte Kiste. Henning meinte, er hätte dort alles Wichtige, das wir benötigen, hineingetan. Mal sehen, ob er Wort gehalten hat.

Meilo krabbelt, nackt wie er ist, durch das Fliegennetz. "Was für eine hübsche Kehrseite du doch hast", giggle ich und streichle mit dem Fuß über seiner linke Pobacke. Als Dank dafür wackelt er kurz mit dem Hintern, was mich wieder zum Lachen bringt.

"Uff! Ist die schwer!" Meilo zieht an der Box.

"Lass sie doch stehen!", halte ich ihn auf. "Guck doch einfach nach, was drinnen ist."

"Oh", macht er. "Gute Idee." Innerlich schlage ich mir an die Stirn. Man sollte Meilo nach seinem Orgasmus echt keine zu komplizierten Aufgaben stellen. Dabei dachte ich, Taschentücher aus einer Box herausholen, sei ganz unkompliziert ... "Hab welche!", ruft er und wirft mir das Päckchen zu. "Und da ist noch mehr."

"Was denn alles?", frage ich und fische mir eins der Tücher aus der Verpackung.

"Handtücher, was zum Knabbern, und das hier zum Beispiel." Meilo kommt rückwärts zurück gekrochen und präsentiert mir eine Flasche Sekt und eine Tube. Was in der Tube ist, muss er mir nicht groß erklären.

"Eins muss man Henning lassen. Er hat wirklich an alles gedacht. Damit verdient er den Titel für den Hotelier des Jahres", lache ich und schaue Meilo beim Öffnen der Flasche zu.

"Das müssen wir uns für die Onlinebewertung merken: Wunderschönes Ambiente, Sekt gut gekühlt, Gleitgel stets griffbereit." Ich fange an zu lachen, während Meilo immer noch am Sektkorken herumzerrt.

"Lass mich mal!", fordere ich, nehme ihm die Flasche kurzerhand einfach ab und hänge mich mit dem Oberkörper aus dem Fliegennetz und dann über den Bootsrand. Der Korken sitzt fest, aber das ist nichts, was ein wenig Schütteln nicht lösen kann.

"Tu das nicht!", gackert Meilo aufgebracht.

"Warum? Der Korken fliegt doch nur ins WassAHH!" PLOPP! Und weg ist der Korken. Dafür aber auch die Hälfte des Flascheninhalts. "Ihhh!" Ein Drittel davon klebt nun an mir.

"Was habe ich gesagt?", belehrt mich Meilo. "Kann es sein, dass du klebrige Sauereien heute irgendwie magisch anziehst?" Am liebsten würde ich ihm den übrigen Inhalt der Flasche über sein grinsendes Gesicht schütten. Aber da kommt mir schon eine bessere Idee.

"Halt mal." Anstatt ins Gesicht, drücke ich ihm die Flasche in die Hand. Fragend schaut Meilo mich an, sagt aber nichts, als ich ganz aus unserem Unterschlupf krabble und mich auf dem wackelnden Boot hinstelle. "Bye", sage ich, winke Meilo nochmal zu und springe danach kopfüber ins Wasser. Wir sind weit genug weg vom Ufer, und Henning meinte, die Stelle hier sei ziemlich tief. Ansonsten hätte ich das nicht gemacht.

"Nic!" Prustend tauche ich neben dem Boot wieder auf. Meilo hängt am Bootsrand und guckt mich entgeistert an. Das Wasser ist richtig angenehm und noch aufgeheizt von der Sonne heute Nachmittag. Herrlich! "Mensch! Erschrick mich doch nicht so!" ich lache bloß und dann bekommt mein Schatz eine Ladung Wasser ins Gesicht. "Hey!"

"Komm auch rein!", rufe ich. "Los!" Wieder spritze ich eine Wasserfontäne Richtung Boot.

"Und die hier?" Er wedelt mit der Flasche.

"Stell sie zurück in die Box und komm endlich!" Ich tauche unter. Als ich wieder auftauche, sehe ich gerade noch, wie Meilo ebenfalls in den See springt. Neben mir kommt er wieder an die Wasseroberfläche. "Das hat aber gedauert", lache ich und lege meine Arme um ihn. Sofort gehen wir wieder unter, was uns aber egal ist, denn wir beatmen uns einfach gegenseitig.
 

***
 

Grummelnd vergrabe ich mein Gesicht in ... ja in was eigentlich? Ach, egal! Hauptsache, es dämpft das laute Zwitschern und Zirpen, dass mich vor wenigen Minuten äußerst dreist aus meinen Träumen gerissen hat. Tut es aber nicht, wie ich leidvoll feststelle.

Mühsam öffne ich die Augen und hebe den Kopf. Meilo liegt neben mir und pennt mal wieder wie ein Stein. Er schnarcht sogar leise. Ihm macht diese Naturidylle weniger aus. Der würde auch noch selig weiter pennen, wenn neben ihm zwei LKWs zusammenkrachen, würden. Doch weil ich das eben nicht kann, schaue ich mich um und raffe ein paar Kissen zusammen, die ich mir versuchsweise links und rechts neben meinen Kopf platziere. Es hilft nur wenig. "Mistvögel!", zische ich und setze mich auf. Wie will man so in Ruhe wieder einschlafen können?

Griesgrämig starre ich auf Meilo nieder. Er schnarcht einfach weiter und sieht aus, als würde er hervorragend und vor allem noch richtig fest schlafen. Tja. Leider ist das in der Partnerschaft so, dass, wenn einer nicht schlafen kann, der andere gefälligst auch aufzuwachen hat!

Ungnädig pikse ich ihn mit dem Zeigefinger zwischen die Rippen. "Meilo? ... Meilo?"

"Hn ..." Seine Nase kräuselt sich, ebenso seine Stirn.

"Aufwachen. Es wird Zeit." Keine Ahnung, ob es Zeit wird. Ich habe keine Uhr dabei.

"Für was?", brummt er verschlafen.

"Zeit zum Aufstehen."

"Warum?"

"Weil ... es gleich Frühstück gibt!" Gibt es wirklich. Henning hat mir ein schönes Frühstück versprochen. Das wollte er vorn an den kleinen Strand stellen, und ich hoffe mal, dass er das schon getan hat.

"Kein Hunger", knurrt mein Schatz und wirft sich in Rückenlage. Das Boot schwankt gefährlich, kentert aber nicht.

Meilo hat sich seinen rechten Arm über die Augen gelegt und ist wieder im Begriff einzuschlafen. So aber nicht, mein Freund! Da piksen nichts genutzt hat, fahre ich schwerere Geschütze auf. Welche, von denen ich weiß, dass sie bei ihm Wirkung zeigen.

Ich reiße die Decke von uns und strample sie bis runter an unsere Füße. Na da schau an! Sehe ich da etwa ein kleines Lächeln auf Meilos Mundwinkeln? He he. Mit nur einer Bewegung liege ich bäuchlings auf meinem Süßen und ziehe ihm den Arm vom Gesicht. Seine Augenlider heben sich ein kleines Stückchen. "Steh schon auf", säusle ich. "Bitte ..."

"Keine Lust." Oh, mein lieber Meilo. Die wirst du gleich noch haben! Darauf wette ich.

Ich tupfe kleine Schmetterlingsküsse auf Meilos Hals und fange an mich langsam an ihm zu reiben. Allein das bringt meine Männlichkeit dazu, ebenfalls aus ihrem Schlaf zu erwachen. Wäre doch gelacht, wenn mir das bei Meilo nicht auch gelänge!

"Kann es sein, dass du wieder nicht schlafen kannst, weil die Vögel zu laut sind?", höre ich ihn mich plötzlich fragen. Erwischt!

"Vögel, vögeln ... nenne es wie du willst", antworte ich. "Hauptsache, du stehst auf." Das meine ich ebenfalls zweideutig, was Meilo auch ganz genau weiß.

"Noch viel zu müde, der Kleine", brummelt er, grinst aber.

"Ich bin mir sicher, dass er meinem Kleinen nicht lange widerstehen kann."

"So? Glaubst du das?"

"Jeppa", rufe ich lachend und schiebe meine rechte Hand zwischen uns.
 

*
 

"Ich liebe dich", wispert er gegen meine Schläfe und küsst mich.

"Tust du das?" Ich unterdrücke ein Grinsen.

"Du ahnst gar nicht, wie sehr ich das tue." Hm. Eigentlich wollte ich ihn ein bisschen foppen. Sieht so aus, als wolle er nicht darauf eingehen.

Ich löse mich leicht von ihm und umfasse sein Gesicht. "Oh doch mein Lieber", sage ich zu ihm. "Das ahne ich nicht nur, das weiß ich auch." Und ich weiß, dass er das weiß, dass ich es weiß. Oder so ähnlich.

"Dann ist ja gut", schmunzelt er spitzbübisch und überfällt meinen Mund.

Dieser Schuft! Ein Schuft, der verdammt gut küssen kann, wohlgemerkt ...
 

***
 

Nach unserem etwas wackeligen Frühsport haben wir uns nochmal in die Koje zurückgezogen. Frische Waldluft macht müde.

Ein kurzes Nickerchen später halte ich es jedoch nicht mehr aus und will endlich aufstehen. Zudem verspüre ich noch zwei sehr unschöne Gefühle: erstens muss ich mal, zweitens schiebe ich Kohldampf. Also klettere ich wieder aus unserem Nest und schaue mich erst einmal um, wo wir während der Nacht eigentlich genau hingetrieben sind.

"Nic?" Meilo räkelt sich faul und schaut mir nach. "Was tust du?"

"Nachgucken, wo wir sind."

"Achso." Ein Gähnen ist zu hören.

"Wir haben Glück", rufe ich ihm zu, damit er mir nicht wieder einpennt. "Das Ufer ist nicht allzu weit."

"Schön", seufzt er, liegt jedoch wieder mit geschlossenen Augen da.

"Dann brauche ich mir ja keine Sorgen machen, dass du es in deinem Zustand nicht schaffst, uns bis ans Ufer zu bringen", ärgere ich ihn und blicke grinsend zu ihm rüber. Wie erwartet zucken seine Augenlider nach oben.

"Ich?"

"Ja du. Schnapp dir das Ruder und los geht's!" Am Strand kann ich das von Henning versprochene Frühstück sehen. "Mein Magen knurrt." Demonstrativ reibe ich mir über den Bauch.

"Tut er das?" Eindeutig ein kleiner Seitenhieb für vorhin.

"Hmhm", nicke ich bloß.

"Lass mich mal hören." Meilo winkt mich mit seinem Zeigefinger zurück in die Koje.

"Nichts da! Wenn du hören willst, musst du zu mir kommen."

Er mustert mich und scheint zu überlegen, dann setzt er sich auf, kommt wie gewünscht zu mir und presst sein linkes Ohr gegen meinen Bauch. "Hm. Ich höre nichts."

"Dann hör genauer hin", brumme ich.

"Mach ich doch. Nichts zu ... oh. Hab's gehört."

"Siehst du?" Mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen, streichle ich Meilo durchs Haar. Dieser grinst daraufhin genießerisch und räkelt sich wie eine fett gefressene Katze auf meinem Schoß. Fehlt nur noch, dass er schnurrend alle Viere von sich streckt und mir über die Handfläche leckt. "Wärst du nun so gütig, und bringst uns ans Ufer, wo unser Frühstück schon wartet?", frage ich ihn süßlich.

"Keine Lust." Wie bitte?

"Komm schon!"

"Das bin ich heute doch schon mal." Oh dieser ...!

"Du wirst nie wieder kommen, wenn du mich jetzt nicht zum Strand bringst, weil ich nämlich gleich verhungert bin."

"Warum ruderst du dann nicht? Darin bist du doch inzwischen ganz gut geworden." Hä?

"Wann bin ich das letzte Mal gerudert?"

"Na vorhin." Meilo macht eine eindeutige Handbewegung. "War recht beeindruckend."

"Schwein!"

"Perversling!"

Wir fangen an zu lachen. "Bitte Meilo", kichere ich. "Ich habe wirklich Kohldampf und austreten muss ich auch."

"Na schön", gibt er sich geschlagen. Ganz zu meiner Freude. "Doch nur, wenn du mithilfst."

"Wenn es sein muss." Hauptsache, ich muss nicht allein ran.
 

Bevor wir die Ruder zu Wasser lassen, ziehen wir uns noch schnell unsere Badehosen über. Wir wollen ja keine Splitter im Hintern haben.

Das große Boot zu manövrieren ist gar nicht so einfach. Zum Glück weist Meilo mich an, wann ich kräftiger rudern muss, damit wir die Richtung wechseln und auf den Strand zusteuern. Irgendwie bin ich in solchen Dingen ein totaler Nullchecker. Ich bin jedenfalls froh, als wir auf den flachen Sandstrand auflaufen.

"Fast perfekt eingeparkt", lacht Meilo und springt aus dem Boot, um es an dem großen Pfosten dort anzutäuen.

"Das nächste Mal ordere ich ein Boot mit Außenbordmotor."

"Wie unromantisch!"

"Vielleicht", sage ich und springe vom Boot direkt in Meilos Arme, die mich sicher auffangen. "Aber auch praktischer." Meilos Augen verengen sich. Sagen tut er allerdings nichts mehr. Er kommt auch gar nicht mehr dazu, da ich mich eilig aus seiner Umarmung befreie und den nächsten Baum aufsuche. Ich muss mal!

Wieder zurück am Strand sitzt Meilo schon auf der zurechtgelegten Decke und durchsucht den Korb. "Ey! Nicht ohne mich anfangen!" Frechheit!

"Habe ich doch gar nicht. Wollte nur gucken, was da alles drinnen ist."

"Ach ja?" Er nickt scheinheilig. "Und was hast du da eben hinter deinem Rücken versteckt?" Ich habe es genau gesehen. Meilo hat etwas aus dem Korb genommen und dann hastig hinter sich unter die Decke geschoben.

"Nichts." Unschuldig guckt er mich an. Sieht doch ein Blinder, dass er mich anlügt!

"Sag jetzt nicht, du willst all die Delikatessen da drinnen nur für dich." Ich laufe um Meilo herum und will nachschauen, was er da gutes versteckt hat, doch er wirbelt herum, schnappt sich dieses Etwas und klemmt es zwischen seine Beine. "Glaubst du, da traue ich mich nicht dran?" Tut er doch nicht wirklich?

"Verdammt Nic!" Nun sieht er sauer aus.

"Was denn?" Ich, wieder nur Bahnhof verstehend, bleibe vor Meilo stehen und verschränke die Arme vor der Brust.

"Da sollte eine Überraschung werden."

"Eine Überraschung? In der Überraschung, die ich für dich gemacht habe?" Das ist doch bloß eine Ausrede! Oder?

"Ja."

"Dann wusstest du davon?" Ich runzle die Stirn. "Hat Henning dir was hiervon verraten?" Wenn ich den in die Finger bekomme!

"Nein hat er nicht", beruhigt Meilo mich. "Setz dich, dann erkläre ich es dir." Na schön. Dann setze ich mich eben.

Ich hocke mich Meilo gegenüber und warte auf seine Erklärung. "Ich habe Henning gebeten, mein Geschenk für dich in deinem Frühstück zu verstecken. Er meinte, das ginge klar. Er hat rein gar nichts von deiner Überraschung für mich verraten."

"Dann ist ja gut", sage ich. Trotzdem: "Und was hast du da jetzt für mich? Zwischen deinen Beinen." Ich grinse ihn zweideutig an.

"Es wird dir sowieso nicht gefallen", meint er und sieht dabei aus, als meine er es ernst.

"Du schenkst mir etwas, von dem du weißt, dass mir nicht gefallen wird?"

"Ja."

Geplättet starre ich ihn an. "Und was soll das sein? Etwa ein Verlobungsring?", frage ich ihn und lache auf. Meilo setzt seinen Hundeblick auf. Mir gefriert das Lachen. "Nein," hauche ich. "Das hast du nicht zwischen deinen Beinen."

"Doch", nickt er und fummelt ein kleines, viereckiges Kästchen zwischen seinen Beinen hervor.

"Du Idiot! Pack das weg!" Ich werde leicht panisch. "Wenn meine Mutter sieht, dass ich einen Verlobungsring trage, ist sie nicht mehr aufzuhalten!" Das war mein einziger Schutz. Kein Ring, keine offizielle Verlobung.

"Ganz ruhig", lacht Meilo. "Mach es auf, dann wirst du es schon sehen." Er hält mir die kleine Schachtel entgegen.

Notgedrungen nehme ich sie ihm ab. Es ist zwar nicht so, dass ich was gegen einen Verlobungsring habe, schließlich sind wir ja schon lange verlobt, aber so ein Teil am Finger, dass wäre zu viel des Guten. Ja, haltet mich für bekloppt, aber ich will keinen Ring am Finger!

Ich schaue Meilo an, dann das Kästchen. "Nun mach es schon auf, du Schisser."

"Hör auf mich zu drängen!", zische ich. "Und lach nicht!" Er grinst sich einen ab. Ist doch nicht zu fassen!

Ich atme tief ein und bringe es einfach hinter mich. Mit einem leisen Klacken öffne ich den Deckel und ... "Eine Kette?" Darin liegt bloß eine goldene Kette. Ohne Anhänger oder sonstigem Schmuck. Erst bin ich erleichtert, doch dann werde ich leicht sauer. "Du hast mich verarscht!" Schon wieder!

"Glaubst du?"

"Na klar! Das ist doch nur eine Kette!"

"Enttäuscht?"

"Enttäuscht? Warum sollte ich enttäuscht sein?" Ja warum? Ich will doch gar keinen Ring. Ich meine, ich habe doch schon einen. Im Tattoo versteckt. Wieso sollte ich also einen richtigen Ring haben wollen. Einen Ring, der jedem anderen Zeigt, dass ich vergeben bin und zu Meilo gehöre und ... ach du Scheiße! Will ich etwa doch einen Ring? Moment ... Bin ich doch enttäuscht, dass da nur eine Kette drinnen ist?

"Nic?"

"Hm?" Ich schaue von dem Inhalt des Kästchens auf und will Meilo ansehen, doch da versperrt mir etwas die Sicht. Meilo hält was zwischen uns. Etwas goldenes. Rundes. Ein "Ring?"

"Der Kandidat hat hundert Punkte und sich somit einen Kuss verdient", lacht Meilo.

Nun bin ich vollkommen durcheinander. Meine Gefühle wirbeln wie in einer Waschmaschine umher. Soll ich mich jetzt freuen? Wütend sein? Angst haben?

Perplex gucke ich Meilo dabei zu, wie er die Kette aus dem Kästchen fischt, den Verschluss öffnet und den Ring durchzieht. "Hier wird deine Mutter ihn nicht sehen", sagt er ruhig. "Entscheide du, wann du ihn ihr präsentieren willst." Regungslos sitze ich da, während Meilo mir die Kette um den Hals hängt. "Du darfst nur nicht ohne Hemd vor ihr stehen", schmunzelt er und lässt die Kette los, die jetzt um meinen Hals hängt.

Meine Finger fühlen sich ganz taub an, als ich den Ring vorsichtig zwischen sie nehme. Ich weiß, was Meilos Satz, ich solle entscheiden, wann ich den Ring meiner Mutter präsentieren möchte, bedeuten soll. Sobald ich das nämlich tue, bedeutet das, dass wir anfangen können, uns über die Sitzordnung Gedanken zu machen.

"Ein Jahr", flüstere ich.

"Was?"

"Ein Jahr", wiederhole ich für Meilo lauter.

"Ja." Er lächelt selig und streicht mir eine Haarsträhne von der Stirn. "Das schönste Jahr meines Lebens." Ich muss kurz überlegen, über was Meilo da redet. Er scheint mich total misszuverstehen.

"Das meine ich nicht."

"Nicht? Das letzte Jahr war nicht schön für dich?"

"Doch. Natürlich!" Was für eine Frage! "Ich habe nur etwas ganz anderes gemeint."

"Und was?"

Ich lasse den Ring los. Er schwingt gegen meine Brust, wo er ruhig liegen bleibt. Das leichte Gewicht fühlt sich merkwürdig an. Ich trage normalerweise keine Ketten. Erst recht keine mit einem Verlobungsring dran. "Ich meine, noch ein Jahr." Meilo steht sichtlich auf dem Schlauch. "Heute in einem Jahr", helfe ich ihm weiter auf die Sprünge.

"Was ist da?" Ich seufze, fange jedoch an zu lächeln. Manchmal ist er echt schwerfällig.

Ich lege den Kopf schief und ergreife Meilos Hände. "Wenn wir nach Hause kommen, fragen wir nach, ob am 12ten Juli noch Termine für eine Verpartnerung frei sind."

Meilo fällt aus allen Wolken. "Wirklich?" Ich nicke. Meine Mundwinkel wollen gar nicht mehr runter. Mein Schatz sieht einfach zu niedlich aus, wenn er verdutzt ist. Ein seltenes Vergnügen. "Warte mal. Verpartnern? Ich dachte, du willst warten, bis wir es richtig machen können."

"Ja, eigentlich schon. Aber was solls. Wieso darauf warten?"

Meilo schließt mich lachend in die Arme. "Ich freue mich ja so!"

"Ich mich auch", merke ich gerade. Und wer weiß? Vielleicht ist es 2017 ja soweit, und die 'Homoehe' wird endlich gleichgestellt. Es würde auf alle Fälle mal Zeit dafür.
 

Nachdem Meilo mich aus lauter Freude noch ein wenig länger mit bestechenden Mitteln vom Frühstück abgelenkt hat (wenn er mich küsst, vergesse ich so gut wie alles um mich herum), erkunde ich mit immer lauter knurrenden Magen den Inhalt des Korbes. Henning hat auch hier an alles gedacht.

"Baguette?" Ich halte Meilo eins dieser kleinen Mini-Baguettes vor die Nase.

"Lieber ein Vollkornbrötchen."

"Bitte, Schatz."

"Danke Sweetheart."

"Ich liebe es, wenn du mich so nennst", säusle ich und beiße in Meilos Vollkornbrötchen.

"Hey", mault er und hält das Brötchen in die Luft. "Iss du mal lieber dein Baguette."

Lachend fische ich mir ein Messer aus dem Korb und schneide mein Baguette auf. Als Belag wähle ich Butter und Käse.

"Apropos Namen", überlege ich laut, während ich die Butter verschmiere. "Wie regeln wir das mit unseren Nachnamen?"

"Gute Frage", findet Meilo. "Nimm doch einfach meinen an."

Die Butter wird zur Nebensache. Entrüstet richte ich mich an Meilo: "Warum nimmst du nicht einfach meinen

an?"

"Meilo Ittninger?"

"Ja!"

"Hm …" Er runzelt die Stirn. "Hört sich komisch an." Bitte was?! "Niclas Haug klingt viel besser, findest du nicht?"

"Äh …" Niclas Haug. Scheiße! Das hört sich wirklich besser an als Meilo Ittninger. Aber hier geht es ums Prinzip! "Finde ich nicht", schmolle ich und übe mich weiter in Butter-Kampf-Wettschmieren.

"Okay", denkt Meilo nach. "Was würdest du dann von einem Doppelnamen halten? Haug-Ittninger zum Beispiel."

"Ittninger-Haug."

"Anders herum klingt es besser." Ich hasse es, aber er hat schon wieder recht.

Doch: "Ich mag keine Doppelnamen." Mochte ich noch nie. "Als wären wir Lehrer an einem Gymnasium."

"Lehrer?", fragt Meilo kichernd.

"Ja, Lehrer. Die haben doch meist dumme Doppelnamen."

"Unsere Namen sind aber nicht dumm."

"Egal. Hört sich doof an."

"Gut. Dann behalten wir eben unsere Namen." Meilo zuckt mit den Schultern.

Unsere Namen behalten? "Ich will aber, dass wir ein und den Selben Namen haben." Auf unserem Klingelschild soll nur einer stehen. Unser gemeinsame Nachname. Einen Moment sieht mich Meilo an, als würde er etwas sagen wollen, überlegt es sich dann anscheinend anders und lässt sein Vollkornbrötchen sinken. "Was?", frage ich unsicher. "Habe ich was falsches gesagt?" Er schüttelt den Kopf. "Wieso guckst du mich dann so an?" Er wird mir langsam unheimlich.

Der komische Gesichtsausdruck verschwindet. Zum Vorschein kommt mein alter, liebenswerter Meilo, der mich mit diesem unverkennbaren Leuchten in den Augen anlächelt. "Entscheide du", sagt er schließlich.

"Ich? Du willst gar nicht mitentscheiden?"

Meilo beugt sich zu mir. "Egal wie du entscheidest, es wird die richtige Wahl sein", raunt er mir zu und mopst sich einen Kuss von mir. Danach belegt er seelenruhig sein Vollkornbrötchen.

Es wird ruhig. Nur das Zwitschern der Vögel ist zu hören. Zwei Brötchenhälften und eine Tasse Kaffee später bin ich bereit, ihm meine Entscheidung mitzuteilen. War auch nicht sonderlich schwer, angesichts der wenigen Möglichkeiten.

"Haug", habe ich entschieden. "Ich nehme deinen Namen an."

"Echt? Du hast dich schon entschieden?" Meilo sieht mich überrascht an.

Ich nicke. "Aber noch kein Wort zu meiner Mutter! Du weißt, wie sie ist." Ich will mich ihr nicht erklären müssen, wieso ich Meilos Nachnamen annehme, und er nicht meinen. Sie einfach vor vollende Tatsachen zu stellen, ist die bessere Lösung. Sonst muss ich mir ihre Versuche, mich umzustimmen, ein Jahr lang anhören.

"Ich weiß", grinst Meilo. "Sie und die anderen erfahren erst etwas von unseren Plänen, wenn du den Ring am Finger trägst."

"In Ordnung." Ein guter Plan.

Da ich jetzt gesättigt bin, und alles Wichtige geklärt ist, räume ich alles, was vor uns auf der Decke liegt, beiseite, und rutsche vor zu Meilo. "Was wird das?", möchte er von mir wissen.

"Nachtisch", erkläre ich schlicht, hocke mich auf seinen Schoß und unterbinde jedes weiter Wort, indem ich Meilo in einen ungezügelten Kuss verwickle.

Nur Vogelgezwitscher und unsere leisen Laute sind zu hören. Nur wir zwei ganz allein. Was brauche ich mehr?
 

******
 

Nein, es ist immer noch nicht Schluss. Ein Bonuskapitel wartet noch auf euch ;-)

Also bis dann *gg*

Bonus II - Abenteuer deluxe

Inzwischen müsstet Ihr mich ja ganz gut kennen und wissen, dass ich 'Was wäre wenn' Storys einfach nicht widerstehen kann.

Ich war noch gar nicht richtig fertig mit Love bite, da hatte ich diese fixe Idee im Kopf. Schuld daran war ein verschwommener Traum, doch als ich morgens wach wurde, ließ er mich einfach nicht los.

Um was es ging? Um die allseits beliebte Frage meinerseits, was wäre wenn? Wären sich Meilo und Nic überhaupt begegnet, wenn Nic nicht auf diesem Parkplatz angehalten hätte? Diese Frage musste ich mir unbedingt beantworten und ich finde, das sollte ich euch nicht vorenthalten.

Trotzdem mag ich die ursprüngliche Fassung lieber, aber entscheidet selbst. ^^
 

Zum Schluss noch eine kurze Erklärung: Diese kleine Kurzgeschichte beginnt genau dort, wo Niclas nach dem Treffen mit Kilian aus dem Café stürmt.
 

Viel Spaß dabei!
 


 

Bonus II - Abenteuer deluxe
 

Wütend ringe ich nach Fassung. Das war es jetzt endgültig. Kein Zurück mehr. So schnell kann sich also eine scheinbar glückliche Beziehung in Hass verwandeln.

Ich stelle den Karton auf den Beifahrersitz meines Autos, starte den Motor, bleibe aber noch einen Moment in der Parklücke stehen.

Meine Hände, die sich ins Lenkrad gekrallt haben, zittern und nur mit größter Mühe kann ich die aufsteigenden Tränen unterdrücken. Heulen wäre jetzt vielleicht gar nicht das Verkehrteste, doch nicht jetzt und nicht hier. Zu groß ist meine Angst, Kilian könnte es mitbekommen. Ich muss erstmal runterfahren, mich beruhigen, bevor ich mich aus der Parklücke schlängeln kann. Einen angefahrenen Wagen kann ich jetzt nicht auch noch gebrauchen. Deshalb atme ich ein paar mal tief ein, schaue in den Rückspiegel, setzte den Blinker und fahre raus. Im Rückspiegel schaue ich noch mal kurz das Café an. Unser Café. Dort haben wir uns vor knapp vier Jahren kennengelernt. Eine gemeinsame Freundin von uns hatte ein Date angeleiert, dem ich mit gemischten Gefühlen zugestimmt hatte. Damals hatte ich in diesem Café gekellnert, weshalb die Wahl des Ortes darauf fiel. Lange arbeitete ich dort allerdings nicht. Das Gehalt war beschissen und die Trinkgelder meist auch. Dennoch sind Kilian und ich auch noch danach oft dort gewesen. Der Erinnerungen wegen. Nie wieder werde ich auch nur einen Fuß in dieses Café hineinsetzten! Nie wieder!
 

Ich fahre aus der Stadt hinaus und gebe ordentlich Gas. Die Landstraße vor mir ist frei und es ist mir egal, dass hier nur hundert Km/h erlaubt sind. Ich will nur so schnell wie möglich, möglichst viele Meter zwischen mir und dem Café bringen. Die Luft in meinem Auto scheint trotzdem immer dicker zu werden. Etwa vierhundert Meter vor mir gibt es einen kleinen Parkplatz, und ich überlege, ob ich dort anhalten soll, überlege es mir dann jedoch anders und kurble das Fenster runter. Das hilft, wenn auch nicht gänzlich. Ich will nur noch nach Hause und diesen furchtbaren Tag vergessen!
 

Endlich Zuhause angekommen, bleibe ich zuerst ratlos in meinem Wagen sitzen. Was mache ich jetzt mit dem ganzen Zeug?

Ich starre den Karton an und klaube mir schlussendlich nur die Queenplatte daraus hervor. Um den Rest kümmere ich mich später, wenn ich einigermaßen runtergekommen bin. Wahrscheinlich fliegt alles sofort in die Restmülltonne. Das wird das Beste sein.

Mit der Queenplatte unter dem Arm betrete ich mein altes Zuhause. Niedergeschlagen steige ich aus meinen Schuhen und lasse sie einfach neben dem Schuhregal liegen. "Niclas! Und? Hat Kilian dich angefleht, dass du zu ihm zurückkommst?" Plötzlich steht meine Mutter vor mir. Ihr Gesichtsausdruck wechselt von fragend auf mitleidig. Scheiße! Sehe ich so beschissen aus? "Oh Nicilein", flüstert sie und umarmt mich fest. "Wenn er dich nicht mehr will, ist er selbst schuld. Du verdienst ihn gar nicht." Mir wächst ein Klos im Hals und wieder scheint die Luft um mich herum aus dickflüssigen Wackelpudding zu bestehen. "Komm! Ich mach dir einen schönen Schokoladenpudding, ja?" Trotz meinem Befinden muss ich grinsen und nicke schließlich. Vielleicht hilft Schokoladenpudding gegen Wackelpudding in der Luft.
 

In der Küche setze ich mich an den Tisch und lege die Queenplatte neben mir auf einen der Stühle. Mama hantiert derweil am Kühlschrank herum. "Den sollte es zwar als Nachtisch geben, aber du hast ihn gerade nötig." Schon steht ein Schälchen mit Schokopudding vor mir. "Nun erzähl mal. Was ist im Café passiert?" Sie setzt sich mir gegenüber.

"Nicht viel", antworte ich. "Kilian hatte noch Zeugs von mir, das er mir geben wollte und mir danach gesteckt, dass er umzieht zu seinem neuen Stecher." Ein großer Löffel Pudding landet in meinem Mund.

"Wie bitte?" Mama runzelt die Stirn. "Kilian hat schon wieder jemand neuen?"

"Ja", schmatze ich. Ich muss zugeben, der Pudding hilft wirklich gegen die dicke Wackelpudding-Luft.

"Ich hoffe, du hast ihm ordentlich die Leviten gelesen!"

"Habe ich", sage ich und grinse leicht dabei. "Ihm war das alles unglaublich peinlich, wie ich da so durchs Café gebrüllt habe."

"Richtig so!" Auch meine Mutter grinst kurz. "Und wie geht es dir dabei?"

Das Grinsen aus meinem Gesicht verschwindet und ich zucke mit den Schultern. "Wie soll es mir schon dabei gehen? Scheiße."

"Ach Liebling." Sie tätschelt meine Hand, die neben der Schüssel liegt. "Am besten wäre es, wenn du dich auch in eine Romanze stürzen würdest."

"Ja genau", schnaube ich. "Und woher nehmen?"

"Es gibt doch so viele nette Jungs da draußen", lacht sie.

"Ich will aber keinen netten Jungen. Ich will erstmal gar nichts. Bis auf einen guten Job." Ich lege den Löffel beiseite und schaue meine Mutter entschlossen an. "Ich werde mich ab jetzt vorerst nur noch um mich kümmern." Was bedeutet, dass ich mich nur noch auf mein Programm konzentrieren werde, doch das sage ich ihr nicht. Dann fängt womöglich die alte Leier wieder an, dass ich mir doch lieber erst einmal einen ordentlichen Job suchen soll, und darauf habe ich gerade gar keinen Bock.

"Das wäre vielleicht gar keine schlechte Idee", meint meine Mutter. "Du musst erstmal wieder auf die Füße kommen." Ich nicke.

"Finde ich auch."

Sie klatscht mir zwei Mal fest auf den Handrücken und steht wieder auf, um sich um das Abendessen zu kümmern. "Nicole ist heute nicht zuhause", plaudert sie drauf los. "Sie übernachtet bei einer ihrer Freundinnen."

"Schön. Endlich mal Ruhe am Tisch", feixe ich.

"Niclas!" Mamas strafender Blick streift mich, was mich breit grinsen lässt. "Hör auf über deine Schwester herzuziehen und hilf mir lieber. Du könntest schon mal den Tisch decken."

"Aye aye", sage ich und mache mich ans Werk. So muss ich wenigstens nicht an Kilian denken. Nicht allzu viel jedenfalls.
 

Den Tisch gedeckt, kommt auch schon mein Vater von der Arbeit nach Hause. "Du bist spät Schatz", begrüßt ihn meine Mutter.

"Nur eine viertel Stunde", grummelt mein Vater und setzt sich ächzend. "Vor mir ging ein Wagen in Rauch auf."

"Ach du liebe Zeit!" Mama schnappt nach Luft und auch ich horche auf.

"War nichts Schlimmes. Er konnte auf einem Parkplatz halten. Ich habe Ed drüben Bescheid gesagt, der holt ihn gleich mit dem Schlepper ab."

"Wie edelmütig von dir", säuselt Mama und küsst ihn auf die Wange.

"Warum hast du ihn nicht abgeschleppt?", will ich von ihm wissen. "Hättest ihn gleich bei Ed abliefern können."

Mein Vater sieht mich schräg an. "Du hast meine Abschleppstange, vergessen?"

"Oh." Stimmt ja. Die hatte ich mal für Kilian gebraucht, denn dem hatte es letzten Winter den Motor zerfetzt. Wobei wir wieder beim Thema wären. Schnell ein anderes finden! "Ich lege sie dir nachher gleich wieder in den Wagen", verspreche ich ihm.

"Das wäre nett", antwortet er mir und beugt sich über den Topf, den meine Mutter gerade auf den Tisch stellt. "Sieht lecker aus", findet er. Das bringt mein liebes Mütterchen zum Glühen. Schon irgendwie niedlich, wenn gleich auch teilweise zu viel für mich momentan.
 

Das Essen verläuft ohne große Zwischenfälle. Meine Eltern unterhalten sich, ich höre nur zu. Ich habe keine große Lust mich in die Unterhaltung mit einzubringen. Kilian geistert mir ständig durch den Kopf, auch wenn ich es gar nicht will. Ich komme einfach nicht gegen an.

Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich mich frage, wie sein Neuer wohl so ist. Sieht er mir ähnlich? Bin ich ihm schon mal über den Weg gelaufen? Kannte Kilian ihn schon, als wir noch zusammen waren? Hat er etwa …? Nicht darüber nachdenken, Nic!

Trotzdem … Warum sonst konnte sich Kilian so schnell in diesen Typen verlieben? Oder ist es nur eine Phase, ein Hinwegtrösten über mich? Die berühmte Beziehung nach dem Bruch mit der Alten, die zum Scheitern verurteilt ist? Ich finde eine Antworten darauf, und möchte sie eigentlich auch gar nicht. Dennoch wünschte ich auf der anderen Seite, ich wüsste sie.

"Möchtest du noch was?", fragt mich meine Mutter, die schon dabei ist, den Tisch abzuräumen.

"Nein. Ich bin satt. Danke." Ich schiebe den Teller von mir und schnappe mir die Queen LP. "Ich bin in meinem Zimmer." Als ich die Küche verlasse, kann ich regelrecht die mitleidigen Blicke meiner Eltern in meinem Rücken spüren. Wie ich das hasse! Das geht schon so, seit ich hier eingezogen bin. Ich will kein Mitleid. Ich will nur meine Ruhe.
 

In meinem Zimmer setze ich mich auf mein Bett und starre vor mich hin. Auf die Füße kommen ... Wenn das so einfach wäre! Kilian hängt mir immer noch nach, mehr als ich mir gegenüber zugeben möchte, und ich kann nichts dagegen tun. Ich muss es endlich schaffen, einen endgültigen Cut zu machen. Nur wie? "Die Sachen im Karton", fällt mir plötzlich ein. Die wollte ich doch in die Restmülltonne kloppen. Eventuell wäre genau das, was ich jetzt brauche. Das sagen sie doch auch immer in diesen Entrümpelung-Shows. Sobald man nutzlose Teile seines alten Lebens weggeworfen hat, fühlt man sich besser. Einen Versuch schadet es sicher nicht.

Ich stehe also wieder auf, laufe raus in den Flur, steige erneut in meine Schuhe und schnappe mir im Rausgehen noch schnell die Autoschlüssel. Ich bin voller Elan. Weg mit meinem alten Leben in die Mülltonne! Her mit einem neuen, besseren Leben!

Plötzlich kann ich es kaum noch erwarten, den Kram, den Kilian in die Kiste geworfen hat, in die Finger zu bekommen. Und als ich ihn in den Händen halte, mit ihm vor zu den Mülltonnen laufe, habe ich sogar ein ganz gutes Gefühl dabei. Das ändert sich jedoch, als ich sehe, was er mir da zusammengepackt hat. Von einer alten Dose Deo, einer halben Packung Rasierklingen und einem potthässlichen Shirt mal abgesehen, die ich ohne mit der Wimper zu zucken in die Tonne kippe, lässt mich doch eines abermals innerlich zusammensacken. Die kleinen Liebesbriefchen und Post-Its, die ich ihm so oft geschrieben habe. Er hat sie einfach zu dem anderen Schrott in die Kiste gepackt und es mir in die Hände gedrückt! Wie kann man nur so herzlos sein!

Fassungslos starre ich die bunten Zettelchen an und traue mich gar nicht sie zu berühren. Ihr Abbild verschwimmt plötzlich vor meinen Augen. Ich heule! Tränen fallen auf die Papierfetzen und mit entkommt ein Schluchzen. Erschrocken darüber halte ich mir die Hand vor den Mund und hoffe, dass mich keiner sieht. Um schnell das Weite zu suchen, vielleicht in einer stillen Ecke vor mich hin zu heulen, dazu fehlt mir die Kraft. Ich kann einfach nur auf die Blätter starren, mir die Hand vor den Mund halten und mich mit der anderen am Karton festklammern, der gegen die Tonne lehnt.

"So ein Arsch!", zische ich. "Dieser verdammte Arsch!"

Ein Brennen setzt in meiner Brust ein. Wut sammelt sich in meinem Bauch. Es fühlt sich beinahe so an, als würde ein Blitz durch mich hindurch jagen, der bewirkt, dass ich mich wieder bewegen kann. "AHHH!" Ich packe den Karton, kippe die offene Seite, sodass all die kleinen und großen Zettelchen in die Restmülltonne flattern. Aber das ist mir noch nicht genug. Der Karton fliegt, wohin ist mir im Moment total Schnuppe. Es zählt nur noch eins: Diese dämlichen kleinen Zettelchen mit meiner Schrift darauf in Millionen kleine Teilchen zu zerreißen!

Ich greife in die Tonne, die schon ganz gut gefüllt ist, und zerreiße und zerrupfe die Papierblätter. Einige fallen daneben und werden vom Wind davongetragen. Sollen sie doch! Weg mit euch! Euch will keiner mehr! Niemals wieder will jemand lesen, was auf euch niedergeschrieben ist!
 

"Scheiße", schluchze ich, als der unerwartete Anfall vorüber ist und stütze mich am Rand der Tonne ab. Mir egal, dass die schmutzig ist.

Vorn übergebeugt, die Arme ausgestreckt und den Kopf dazwischen nach unten hängend, atme ich schwer ein und aus. Alle Kraft scheint aus mir gewichen. Ich sammle mich wieder, versuche es zumindest, und kann gerade genug Willenskraft dafür aufbringen, um mich wieder aufrecht hinzustellen, und den Deckel der Mülltonne zu schließen. Einen Anblick ins Innere der Tonne spare ich mir dieses Mal. Es ist endgültig vorbei. Ich weiß, das habe ich schon oft gesagt, aber jetzt ist es wohl amtlicher denn je.
 

Mit wackeligen Beinen drehe ich mich um und halte nach dem Karton Ausschau. Vorn auf dem Bürgersteig sehe ich ihn. Er liegt auf der Seite, sein leerer Innenraum scheint mich zu verhöhnen.

Langsamen Schrittes gehe ich auf ihn zu, bücke mich, um ihn aufzuheben und zusammenzufalten, damit er in die Papiertonne passt. Das Ding stellt sich als ziemlich zäh heraus. Am Ende trete ich ihn einfach ein. Hat er nun davon. Ich will ihn gerade wieder aufheben, da sehe ich, wie Ed, unser Nachbar und Mechaniker, mit seinem Abschlepper an mir vorbei braust. Die Bremsen quietschen, als er auf seinen Hof uns gegenüber einbiegt.

Hinten an seinem Haken hängt ein weißer Audi. Nettes Geschoss. Der hat sicher einiges gekostet. Das muss der Wagen sein, den mein Vater erwähnt hat.

Ich drücke noch ein wenig auf dem ehemaligen Karton herum und schiele unauffällig rüber zu Ed, der nun aussteigt und zum Auto läuft, um es vom Haken zu nehmen. Eine weitere Autotür wird zugeschlagen. Ich schätze, das wird dann der unglückliche Fahrer des Audis sein.

Ich versuche noch unauffälliger dem Schauspiel zu folgen. Nicht, dass ich sonst ein neugieriger Geselle bin, aber es interessiert mich, wer so einen Wagen fährt. Nun, der Fahrer überrascht mich dann doch. Er dürfte ungefähr mein Alter haben. Lässige Kleidung trägt er und mit seiner Sonnenbrille will er wohl einen auf cool machen. Ich zucke innerlich mit den Schultern. Wenn es schön macht.

Ich latsche zurück zu den Mülltonnen und pfeffere den Karton in die Papiertonne. Jetzt ist alles weg, doch keine Spur davon, dass ich mich besser oder erleichtert fühle. Vielleicht setzt dieses Gefühl erst später ein? Wenn man alles verarbeitet ha... "AHHH!" Rumms! Ich zucke furchtbar zusammen. Jemand hat geschrien, und dieser Jemand war diesmal nicht ich. Automatisch ruckt mein Kopf zur Seite, rüber zur Nachbarschaft.

Ed steht zur Salzsäule erstarrt zwischen Abschlepper und dem Audi, der nun nicht mehr am Haken hängt. Da muss irgendwas passiert sein.

Ehe ich groß darüber nachdenke, hechte ich auch schon über die Straße auf meinen Nachbarn und guten Freund rüber. "Ed? Alles klar?" Er steht immer noch total erstarrt da. Zudem ist er leichenblass. Vorsichtig berühre ich ihn an der Schulter. "Ed?"

"Er ist einfach ... Ich weiß nicht … Is wohl vom Haken gerutscht." Ach du Scheiße!

"Hast du dir weh getan?" Ed schüttelt stockend den Kopf. "Sicher?" Ein Nicken. "Was für ein Glück!" Ich atme erleichtert aus. Doch dann fällt mir der Fahrer des Audis ein. Wo ist er?

Ein heißes schockähnliches Kribbeln rast durch meine Adern. Ist er etwa ...? "Scheiße! Alles noch dran?" In meinen Augenwinkeln sehe ich eine Bewegung. Der Fahrer! Er kommt aus Eds Werkstatt gerannt. "Jemand verletzt?" Neben uns kommt er zum Stehen und begutachtet Ed besorgt. Dabei zieht er seine Brille aus und hängt sie sich an sein Shirt.

"Nein, nein", murmelt Ed in seiner ruhigen Art. "Ich habe mich nur erschrocken."

"Was für ein Glück!", spricht der Kerl neben mir. Der hat mir meinen Spruch geklaut! "Setz dich lieber erstmal Ed."

"Ja", melde ich mich auch mal zu Wort. "Setz dich. Du bist ganz blass." Das bringt den Autofahrer, dem der geschrotete Audi gehört, auf den Plan.

Erst jetzt scheine ich ihm aufzufallen.

"Hallo", grinst er mich an.

"Hey", hauche ich und blinzle verwirrt. Hat der grüne Augen!
 

Zusammen schaffen wir Ed nach drinnen in die Werkstatt, wo wir ihn auf einen der Gartenstühle setzen. "Bier?", frage ich ihn. Er nickt.

"Ein Bier?", fragt der andere. "Ob das so gut ist in seinem Zustand?"

"Bier ist bei Ed und Ingo bei jedem Zustand gut", lache ich und reiche Ed eine Flasche. "Auch eine?" Fragend schaue ich den skeptisch dreinblickenden Kerl an.

"Warum nicht", meint er schließlich achselzuckend und nimmt mir eine Flasche ab. "Ich bin übrigens Meilo." Er reicht mir seine freie Hand.

"Niclas", stelle ich mich ihm vor. Sein Händedruck ist fest. Nicht zu fest, eben genau ... richtig. Ach, ich weiß auch nicht! Ich denke wieder Unsinn. Und wer ist daran schuld? Kilian. Er ist einfach allem schuld.
 

ich schüttle meine wirren Gedanken ab und dann setzen wir uns auf die noch freien Stühle. "Wie ist denn das überhaupt passiert?", fragt Meilo Ed.

"Ich weiß nicht genau", antwortet ihm mein Nachbar. "Irgendwie scheint der Haken raus gerutscht zu sein. Ich konnte gerade noch so zurückspringen."

"Du hattest wirklich einen Schutzengel", sage ich zu ihm.

"Oh ja!" Meilo hebt die Flasche in die Mitte. "Darauf stoßen wir an." Dazu sage ich nicht nein. Wenn Ed was passiert wäre, das mag ich mir gar nicht vorstellen! Ingo wäre ausgerastet.

"Ingo verschweigen wir das lieber", sage ich zu Ed. Dieser nickt wieder still. Er macht sich sowieso hin und wieder Sorgen um seinen Liebsten, auch wenn er es nicht zugibt.

"Ingo?" Meilo sieht mich fragend an.

"Er und Ed sind zusammen", erläutere ich ihm. Ed brummt in seine Bierflasche, was mich zum Grinsen bringt. "Ed hat es nicht so gern, wenn man von seinem Liebsten spricht."

"Sei ruhig!", faucht mein schüchterner Nachbar. "Das stimmt doch gar nicht."

Meilo lacht. "Ist doch nicht schlimm", winkt er ab. "Ist doch schön, wenn man verliebt und glücklich ist."

"Ich glaube, Niclas hat es nicht gern, wenn wir jetzt von glücklichen Beziehungen sprechen", sagt Ed, was eindeutig eine Retourkutsche von ihm wegen meines Spruches eben war.

"So?" Meilo wird natürlich sofort hellhörig.

"Bin frisch getrennt", murmle nun ich in den Flaschenhals meines Bieres.

"Oh Scheiße." Amen. "Trennungen sind furchtbar." Doppel-Amen.

Ich zucke mit den Schultern. "Ich versuche es zu überstehen. Eben habe ich den Rest unserer Beziehung in die Mülltonne gekippt." Ich muss an die Zettel denken, verdränge das Bild allerdings schnell wieder.

"Früher oder später kommt man darüber hinweg", klugscheißert dieser Meilo doch tatsächlich. "Das hört sich jetzt bestimmt bescheuert an, gerade, wenn dir das jemand sagt, den du nicht kennst, aber ich habe das auch schon durch."

"Ja?" Meilo nickt und nippt an seinem Bier. "Wie lange ist das her?"

"Lange genug", grinst Meilo. "Bin bereit für neue Abenteuer." Er zwinkert mir zu. Irritiert schaue ich schnell weg. Will der mich etwa anmachen?! "Abenteuer sind wirklich gut, um über zerbrochene Liebschaften hinwegzukommen." Ich starre weiter den Hals meiner Bierflasche an und schaue den kleinen Bläschen im Schaum beim Platzen zu. Sicher guckt dieser Meilo mich immer noch an. Ich kann seinen Blick regelrecht auf mir spüren, und es ist mir unangenehm. Es fühlt sich falsch an. Als wäre ich noch in einer ...

"Beziehung", flüstere ich.

"Was?", fragt Ed.

"Ach nichts", erwidere ich. "Habe bloß laut gedacht."

"Ach so. ..." Ed wendet sich wieder Meilo zu und sie beratschlagen sich, was sie mit Meilos Karre machen. Ich höre nur mit einem halben Ohr zu. In meinem Kopf gehen ganz andere Dinge vor, wichtige Dinge.
 

Genauer betrachtet, hat Meilo recht. Sich ablenken ist gut. Sich in ein Abenteuer stürzen, wieso nicht? Das wäre genau das Richtige, um mir ein für alle mal klar zu machen, dass ich wieder Single bin und das Leben mit beiden Händen packen sollte. Das ungute Gefühl, das ich eben hatte, als ich die leise Vermutung hatte, Meilo würde mit mir flirten, ist allein schon genug Grund dazu. Warum mich deshalb schlecht fühlen? Meilo sieht gut aus und laut seiner Aussage bereit für Abenteuer. Und ich, ich bin wieder solo und brauche tatsächlich Ablenkung. Ja, warum eigentlich nicht?

"Gut. Gehen wir und schauen uns die Sache genauer an." Plötzlich stehen Ed und Meilo auf.

"Wo geht ihr hin?", frage ich sie verwirrt und stehe notgedrungen ebenfalls auf.

"Zu meinem Auto", antwortet mir Meilo. "Schadensbegutachtung."

"Ach so." Ich Idiot! Hätte ich auch selbst drauf kommen können.
 

Draußen begutachtet Ed den Schaden. "Vom Fall ist nichts weiter kaputt gegangen, bis auf eine kleine Schramme, die ich aber weg bekomme. Unentgeltlich natürlich. Nur der Kühler dürfte jetzt ganz im Eimer sein. Der Riss ist größer geworden", ist Eds Bestandsaufnahme. "Ich telefoniere mal nach einem Neuen herum."

"Ist gut", nickt Meilo und schaut grimmig auf seinen Wagen.

"Ed bekommt das schon wieder hin. Er ist der beste Schrauber weit und breit." Das Wort Schrauber hört Ed nicht gern. Aber er ist ja nicht mehr in Hörweite.

"Daran zweifle ich nicht", sagt Meilo nachdenklich. "Leider bringt das alles meinen kompletten Zeitplan durcheinander."

"Musst du dringend wo hin?" Meilo bejaht. "Ich könnte dich fahren", biete ich ihm an, noch bevor ich genau über mein ausgesprochenes Angebot Gedanken machen kann. Ihn fahren! Als ob ich Kohle für Sprit über hätte!

"Nein, nein", lacht Meilo und sieht mich an. In meinem Bauch rumort es, als ich in die grünen Augen blicke. Soll ich wirklich …? "Danke, aber ich muss runter nach Stuttgart."

"Oh." Bis dahin reicht mein Sprit auf keinen Fall! Und mein derzeitiger Geldbeutelinhalt auch nicht ...

"Ich muss erst morgen Abend dort sein. Vielleicht bekommt Ed das bis dahin ja noch hin." Ich nicke abwesend. Bis morgen ... Das bedeutet, er muss irgendwo übernachten ...

"Du Meilo? Also falls du wirklich erst wieder morgen ..."

"Meilo?" Ed rauscht heran und unterbricht mich. Mist! "Der Kühler kommt erst morgen", berichtet er ihm. "Bis zum Mittag schaffe ich es ihn einzubauen. Ich mach mich gleich daran, den Alten raus zu schaffen, dann müsste das machbar sein."

"Danke Ed", sagt Meilo und klopft Ed freundschaftlich auf die Schulter. Ich beiße mir auf die Unterlippe. "Jetzt muss ich nur irgendwo ein Hotelzimmer finden." Mein Stichwort!

"Äh ..."

"Hotelzimmer? Penn doch bei mir. Ich hab 'ne Schlafcouch." AHHH!

"Echt? Das wäre klasse. Danke dir."

In mir brodelt es. Ich wollte Meilo doch anbieten, bei mir zu übernachten! Wie soll ich denn jetzt zu meinem Abenteuer kommen? Eigentlich habe ich Ed voll gern, aber gerade würde ich ihm am liebsten an den Hals gehen!

"Hol dein Zeug aus dem Auto, dann zeige ich dir schnell alles."

"Klar", strahlt Meilo und macht sich an seinem Kofferraum zu schaffen. Derweil funkle ich Ed eingeschnappt an. Er runzelt jedoch bloß die Stirn und trabt auf sein Wohnhaus neben der Werkstatt zu. AHHH!

Die Heckklappe des weißen Audis schlägt zu. Bepackt mit einer Tasche kommt Meilo auf mich zu, lächelt mich an und schreitet an mir vorbei. Das war es dann wohl. Die Chance auf ein Abenteuer mit dem heißen Meilo wäre hiermit vertan. So eine Scheiße!
 

Ich atme geräuschvoll aus und schaue den beiden zu, wie sie im Haus verschwinden. Vielleicht ist das ein Zeichen. Vielleicht bin ich noch nicht so weit, und brauche noch etwas Abstand von meiner gescheiterten Beziehung. Oder meine diesjährige Pechsträhne reißt einfach nicht ab. Außerdem, je genauer ich darüber nachdenke, wäre es mir sowieso viel zu peinlich, Meilo mit zu mir zu nehmen. Nachhause, zu Mama und Papa. Wahrscheinlich ist es besser so, dass er bei Ed pennt.

Wie auch immer, ich drehe mich um und überquere die Straße. Zeit nach Hause zu gehen, mich in meinem Zimmer zu verbarrikadieren und mich an meinen Laptop zu setzen. Wenigstens das habe ich noch unter Kontrolle.
 

***
 

Es klingelt. Soll meine Mutter sich darum kümmern, ich habe zu tun. Ich bin voll in meiner Arbeit abgetaucht. Störungen kann ich da überhaupt nicht gebrauchen. Leider scheint heute aber auch wieder alles gegen mich zu sein. Es klopft an meiner Zimmertür. "Niclas?"

Ich verdrehe die Augen. Muss das jetzt sein? "Ja?!"

"Du hast Besuch." Besuch? Dahin ist meine Konzentration. Wer sollte mich denn besuchen wollen? Dazu noch Abends. Im Moment habe ich nicht viel mit meinen Freunden zu tun. Bis auf Ingo und Ed will ich keinen von denen sehen, da sie alle mehr oder weniger auch mit Kilian befreundet sind. Sie zu sehen brächte unschöne Gedanken und Gefühle hoch, und womöglich würden sie mich bloß wieder über unsere Trennung ausquetschen. Danke, aber was das angeht habe ich wirklich keinen Bedarf.

Deshalb stehe ich auch eher skeptisch von meinem kleinen Schreibtisch auf und laufe zur Tür. Und als ich sie öffne, die Überraschung: "Meilo?"

"Ich hoffe, ich störe nicht?"

"Äh nein! Nein gar nicht. Komm doch rein." Was will der den hier?

Leicht betreten gehe ich zur Seite, damit er in mein (scheiße noch eins!) Kinderzimmerchen eintreten kann. Als er an mir vorbeigeht, schiele ich meine Mutter an, die mich anstrahlt, als hätte sie mich soeben unter die Haube bekommen. Geht's noch?!

Ohne einen Kommentar schließe ich die Zimmertür wieder und lasse sie einfach draußen vor der Tür stehen. Sie soll sich ja nicht hier rein wagen! Schlimm genug, dass Meilo hier auftaucht und nun doch mitbekommt, dass ich bei Mama und Papa lebe.

Innerlich sacke ich in mir zusammen. Auf Abenteuer und Ablenkung kann ich wohl noch lange warten. Jedenfalls so lange, bis ich endlich wieder eine eigene Bleibe und einen Job habe.
 

"Dein Zimmer?", fragt Meilo mich grinsend. Da haben wir es. Er lacht mich aus.

"Ja. Seit meiner Geburt. Setzt dich ruhig auf mein Kinderbettchen." Ich deute auf mein altes Jugendbett. Ein zwei mal ein Meter großes Bett aus Kiefernholz. Eine Augenweide aus den Achtzigern.

"Da liegen doch keine schmuddeligen Unterwäschekataloge deiner Mutter drunter, oder?"

"Falls du welche findest, darfst du sie dir gern anschauen", schieße ich zurück. Meilo lächelt amüsiert und setzt sich anschließend.

Neugierig schaut er sich um. "Du wohnst also noch bei deinen Eltern", schlussfolgert er.

"Meinen Glückwunsch Columbo. Sie haben den Fall gelöst." Ich lasse mich auf meinen Bürostuhl fallen. "Reibe es mir noch unter die Nase." Ich muss ihn anscheinend grimmiger als gewollt anschauen, denn das Lächeln in seinem Gesicht verschwindet abrupt.

"Das war nicht böse gemeint!", japst er. "Ich wollte dich nur aufziehen, um die Stimmung zu lockern und ... Ich weiß auch nicht." Wie ein begossener Pudel sitzt er auf einmal vor mir. Das erhellt mein Gemüt doch wieder ungemein. "Entschuldige. Ed hat mir alles erklärt. Dass du bei deinen Eltern wohnst, weil dich dein Ex rausgeschmissen hast." Er hat was?!

"Hat er das?", frage ich lauernd. Ed macht sich heute bei mir extremst unbeliebt.

"Ja. Nimm es ihm nicht übel, ich habe ihn quasi dazu genötigt, mir mehr über dich zu erzählen."

Mein Herz setzt einen Schlag lang aus. Vielleicht auch zwei, so schwindelig, wie es mir plötzlich wird. "Hast du das?", hauche ich.

"Hmhm." Meilo nickt und steht auf. Mein armes Herz braucht all seine Willenskraft, um nicht vor Schock wieder stehen zu bleiben. "Ich wollte gern mehr über dich erfahren." Herzstillstand.

Ich räuspere mich und lächle verstört, was mein Herz wieder in Bewegung bringt. "Wolltest du das?" Wieso frage ich ständig so doof? Fuck, was geht hier ab?!

"Unbedingt", flüstert Meilo und hockt sich vor mich.

"Wieso fragst du mich dann nicht einfach?", will ich von ihm wissen, froh darüber, dass ich erstens wieder einen richtigen Fragesatz herausbekommen habe, und zweitens, dass sich meine Stimme dabei fest und sicher anhört.

"Aber das will ich doch jetzt tun. Mich mit dir unterhalten. Ohne Ed. Nur wir beide." Bei dem Satz, nur wir beide, bekomme ich wieder dieses Flattern im Bauch. Das ist nicht gut!

Dennoch ziehen sich meine Mundwinkel nach oben und ich antworte: "Dann tun wir das doch." Meilo strahlt mich an. "Aber setzen wir uns dazu lieber ordentlich hin."

"Einverstanden", lacht er und steht wieder auf. "Dann erzähl mir mal ein bisschen was von dir."
 

***
 

Und das tat ich. Ich quatschte mir die ganze Scheiße, die ich in diesem Jahr erlebt hatte, angefangen bei meinen Jobproblemen und meiner Trennung von Kilian, von der Seele. Und das tat total gut. Es war richtig befreiend, sich jemanden anzuvertrauen, der rein gar nichts mit der Sache zu tun hatte.

Und nun, nach meiner wasserfallartigen Redeorgie, sitzen wir immer noch in meinem Zimmer.

Die Schuhe ausgezogen, hocken wir auf meinem Bett uns im Schneidersitz gegenüber und quatschen inzwischen über Gott und die Welt. "Wie spät ist es eigentlich?", fragt Meilo mich schließlich.

"Ähm ..." Ich beuge mich zur Seite, um die Anzeige meines Weckers zu erkennen. "Halb neun schon", stelle ich überrascht fest. "Willst du etwa wieder rüber?" Unsicher schaue ich Meilo an. Ich will nicht, dass er geht. Ich fühle mich richtig wohl in seiner Nähe. Sehr wohl ...

"Eigentlich nicht, oder willst du mich los werden?"

"Nein!" Ups. Meilo grinst wegen meiner hastigen Antwort. "Ich meine nur, du kannst gern noch bleiben ... Wenn du magst." Mein Herz klopft wie wild. Bitte bleib noch!

"Wenn das so ist", grinst er. "Dann bleibe ich gern noch."

"Schön!" Ups. Wieder zu hastig geantwortet.

Meine Wangen brennen und Meilo grinst noch eine Spur breiter. Er hat ein wirklich einnehmendes Grinsen. Man kommt nicht gegen an und muss gleich selbst anfangen zurück zu lächeln. Das gefällt mir. Der ganze Kerl fängt an, mir richtig zu gefallen. Ich kann das Abenteuer förmlich nach mir rufen hören, und es kommt definitiv aus Meilos Richtung.

"Und was machen wir? Wollen wir rüber ins Wohnzimmer gehen, und uns einen Film ansehen?", frage ich ihn. Eigentlich hätte ich gern gefragt, ob er bei mir schlafen möchte, aber das habe ich mich dann doch nicht getraut. Vielleicht erübrigt sich das ja, wenn er nach dem Film zu müde ist, um rüber zu Ed zu gehen. Wo er dann schlafen wird, darüber mag ich erstmal nicht näher nachdenken. In meinem Bett ist zwar nicht viel Platz, aber ...

"Nimm es mir nicht übel, aber an einen Film bin ich gerade so gar nicht interessiert", antwortet er.

"Oh." Mist! "Hast du einen anderen Vorschlag?" Wir könnten unsere Unterhaltung fortführen, bis wir uns müde hinlegen. Obwohl das nicht ganz meinen Wünschen entspräche ...

"Den hätte ich schon", druckst er und beißt sich auf die Unterlippe, ehe er sich zu mir vorbeugt. Umgehend pocht mein Herz schneller. "Nach allem, was du mir den Abend über erzählt hast, finde ich, dass wir dringend etwas gegen deine Herzschmerzen tun sollten."

"Ach ja?", krächze ich immer aufgeregter. Meint er etwa das, was ich glaube, das er meint?!

"Oh ja", haucht Meilo, kommt mir nochmal ein großes Stück entgegen und legt seine linke Hand in meinen Nacken. Sofort fegt eine kribbelnde Gänsehaut über mich hinweg, und in meinem Schoß zieht es pochend. Will er mich küssen?!

Ich versteinere regelrecht, starre geradewegs in Meilos grüne Augen und höre nur noch mein wild schlagendes Herz in meinen Ohren sausen. Anscheinend bemerkt Meilo dies und scheint meinen Zustand komplett misszuverstehen, denn er hält inne und blickt mich unsicher an. "Zu früh?", wispert er mit einem fragenden Tonfall.

"Äh ..." Ich weiß nicht, was ich antworten soll. Am liebsten würde ich laut Nein! schreien. Es ist nicht zu früh! Ich will es doch auch! Aber kein Wort entkommt meiner staubtrockenen Kehle.

"Verstehe." Meilo lächelt verkniffen und nimmt seine Hand aus meinem Nacken. "Ihr wart lange zusammen. Klar, dass du nicht gleich mit einem dir fast fremden Kerl herumknutschen kannst." Doch! Kann ich! Und was heißt hier überhaupt fremder Kerl? Du bist mir nicht fremd! Schon seit gut zwei Stunden nicht mehr.
 

Leise Seufzend lehnt Meilo sich wieder zurück und versucht ganz offensichtlich seine Enttäuschung über den angeblich ihm verpassten 'Korb' meinerseits zu verbergen. So kann ich das nicht stehen lassen! Meilo will es, ich ebenfalls, also worauf noch warten?

Ich handle, noch ehe ich richtig darüber nachdenken kann, stürme nach vorn und überfalle Meilo regelrecht, indem ich ihm meine Lippen aufdrücke. Dieser keucht überrascht auf, allerdings hält seine Überraschung über meine Kussattacke nicht wirklich lange an, denn ich werde nun von ihm gepackt und dichter an den festen, warmen Körper in meinen Armen gezogen.

Eine wahre Explosion zündet in mir. Unser Kuss wird immer verlangender, Hände gehen auf Wanderschaft, stehlen sich unter dünnen T-Shirt Stoff. Keine Ahnung, ob wir noch aufrecht sitzen, oder inzwischen liegen. Ich habe das Gefühl zu schweben, klammere mich an diesen unglaublichen Mann, den ich so gut wie gar nicht kenne, aber mir dennoch irgendwie vertraut vorkommt.

Mein Herz bricht inzwischen alle Rekorde und Meilos Lippen auf meinen bringen meinen Verstand zum Auseinanderfließen. Einfach unglaublich! So unfassbar unglaub...
 

... "Nic? Nihiiic?!"

Ich schlage die Augen auf. "Ja?!"

"Willst du lieber Chips oder Gummibärchen?"

"Ähm ... egal."

"Oki." Es rumpelt und raschelt, dann kommt Meilo wieder zurück zu mir. Noch leicht schlaftrunken strecke ich meine steifen Muskeln. Ich muss weg genickt sein.

"Du warst aber schnell im Bad", gähne ich.

"Eigentlich nicht ... Sag mal, hast du eben gepennt? Im Sitzen?", fragt er mich und setzt sich neben mich.

"Nicht richtig", erwidere ich. "War nur in Gedanken." So ganz stimmt das auch nicht. Ich war zwar nicht wach, aber richtig geschlafen habe ich auch nicht. Denke ich zumindest.

"Du bist mir ja einer", kichert mein Liebling und legt seinen Arm um meine Schultern. "Ist der Film so langweilig?"

"Etwas", gestehe ich. "Die Handlung zieht sich irgendwie."

"Das hast du gemerkt, als du geschlafen hast?", neckt er mich.

"Ja, habe ich", blaffe ich zurück und schnappe mir eine Hand voll Chips. Meilo lacht bloß, legt sich auf die Couch, den Kopf auf meine Schoß und stellt die Schüssel auf seinen Bauch, damit wir beide zugreifen können.
 

Eine Weile lang folgen wir dem Film, oder vielmehr Meilo, denn ich hänge noch meinen eigenen Gedanken nach.

Eine komische Art von Traum, die sich da eben in meinem Kopf zusammengebraut hatte. Die Frage, ob Meilo und ich uns jemals getroffen hätten, wäre ich nicht auf den Parkplatz gefahren, beschäftigt mich ja dann und wann immer mal wieder, aber dass dieser Gedanke jemals solche Früchte tragen würde? Verrückt!

Aber das Verrückteste daran ist eigentlich, dass die Bilder, die sich in meinem Geist zusammengesponnen haben, für mich doch irgendwie plausibel erscheinen. Und wenn ich auf Meilo nieder blicke, ihn anschaue, wie er da ganz konzentriert dem Geschehen auf dem Bildschirm folgt und stockend Chips futtert, dann weiß ich einfach, dass wir uns so oder so auf die ein oder andere Weise früher oder später über den Weg gelaufen wären. Wir sind schließlich Seelenverwandte und für einander bestimmt. So kitschig es sich auch anhört. Seit ich Meilo kenne und liebe, glaube auch ich an diesen kitschigen Kram.

"Alles klar?" Mein Seelenverwandter hat mein Starren bemerkt und sieht mich stirnrunzelnd an.

"Hm?"

"Ob alles klar bei dir ist, oder wieso guckst du so?"

"Bei mir ist alles bestens", grinse ich.

"Wirklich?"

"Oh ja ..."

Blind greife ich mir die Schüssel mit den Chips und stelle sie vor uns auf den Tisch. "Was wird das?", will Meilo wissen.

"Wir brauchen Platz", erkläre ich und nutze den von mir geschaffenen Platz auch gleich darauf. Mit meiner Hand öffne ich Meilos Hose und schiebe danach sein Oberteil ein Stück nach oben.

"Der Film haut dich wirklich nicht vom Hocker, was?"

"Überhaupt nicht." Grinsend schüttle ich den Kopf. "Mein Kopfkino ist viel interessanter."

"Ja?" Ich nicke. "Zeigst du es mir?"

"Was glaubst du, was ich gerade vorhabe", lache ich und beuge mich hinab, um Meilos nach Chipsgewürz schmeckenden Mund zu verschließen.
 

******
 


 

Hach, die zwei sind einfach zu süß ^^

Vielleicht gibt es ja irgendwann noch ein paar Kurzgeschichten mit den beiden. Es stehen ja noch ein paar Feiertage vor der Tür ;-)
 

Und hier, nachdem es schon einige Zeit online ist, der Hinweis, dass ich zum Valentin einen kleinen OS zu den beiden geschrieben habe: https://ssl.animexx.de/fanfiction/autor/723837/339614/1191415/default/#complete



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Von:  queen006
2021-02-11T18:05:28+00:00 11.02.2021 19:05
Wie alt ist Meilo überhaupt?Stand das irgendwo?
Von:  queen006
2021-02-09T16:06:47+00:00 09.02.2021 17:06
Hi
Das kleine Schwestern nerven,unterschreibe ich sofort.Wenn Nicol wüßte ,mit wem ihr Bruder sich durchs Laken fewühlt hat,würde sie sicher explodieren.Und wie Niclas reagiert,darauf freue ich mi h schon.Ich bin mir nämlich sicher,das Meilo Keith ist.Nic weiss bloß noch nicht so richtig,woher et Meilo kennt.
Liebe Grüße von mir,und bis dann mal🌼
Von:  Usaria
2018-09-17T21:08:41+00:00 17.09.2018 23:08
Hallo Fara, nach langer Zeit habe ich mal wieder Sehnsucht nach einer von deinen Geschichten und da diese Geschichte die erste Liebesgeschichte war, die ich gelesen habe, als es mir psychisch wieder besserging, musste ich zurück.

Nick: "Tu nicht so, als ob wir Beide keine Rolle bei deiner Entscheidung gespielt hätten.
Ich verlegenes Grinsen: >>Misst er hat mich durchschaut!<<

Ja ich gebe es zu, sie ist eine von meinen absoluten Lieblingsstorys. Nicht nur Favorit sondern Lieblingsstory drum lese ich sie noch mals.
Das was du im Vorwort geschrieben hast, kenne ich auch. So ergings mir mit meiner Yu-Gi-Oh! FF! Eigentlich nur ne Kurzgeschichte, hmm! Ja! Und was das Andere angeht wird es mir, wohl auch so ergehen, schluck. (Ich muss noch was in die Story bringen, aber alles was dann noch kommen würde.... Ich verschiebe das Ende auf unbestimmte Zeit.

Yami-Yugi:" Wehe! Du lässt mich jetzt wieder in der Luft hängen, dann
Ich: "Ja ich weiß, dann ist das Reich der Schatten mein geringstes Problem!"
Von:  Ryuuen
2017-10-11T11:02:05+00:00 11.10.2017 13:02
Bei Ehe für alle, musste ich an deine beiden süßen hier denken. Meilo wird total aus dem Häuschen sein und Niclas geht es wahrscheinlich jetzt doch zu schnell ;-). Wäre toll wenns bei den beiden dann demnächst weiter geht.
Von:  Laila82
2017-08-06T21:51:19+00:00 06.08.2017 23:51
...während er sich Kalt suchend am Kopfkissen festhält.
Also kalt ist den beiden Schnuckeln bestimmt nicht, ich glaube eher das Meilo -Halt- sucht
Antwort von:  Fara_ThoRn
07.08.2017 08:23
xD Ah! Ja natürlich. Ich ändere es gleich ;-)
Von:  Jensha
2017-07-01T18:03:02+00:00 01.07.2017 20:03
Ehe für alle, kommt jetzt ein Kapitel von der Hochzeit von Meilo und Nic ^^


Antwort von:  Fara_ThoRn
02.07.2017 17:58
Das kommt sicher irgendwann ^^ Ich muss es nur noch schreiben ^_^""
Vorhin habe ich gelesen, dass die AfD (welch Überraschung!) dagegen gerichtlich vorgehen will. Hoffentlich kommt da nicht noch was -__-
Antwort von:  Laila82
02.07.2017 20:11
Das hau mal fleißig in die Tasten Fara.
Antwort von:  Jensha
03.07.2017 11:10
Die AfD kann uns mal.
Dann freu ich mal auf die Hochzeit, wie Laila82 schreibt, hau in die Tasten ^^
Antwort von:  Fara_ThoRn
06.08.2017 18:46
Bis jetzt habe ich noch nicht angefangen. Mich hält gerade ein anderer Kerl auf Trab und der ist eine riesige Plaudertasche ;____;
Antwort von:  Jensha
06.08.2017 19:24
Jemand aus der Reihe,Nic&Meilo,vllt der andere Niclas oder jemand ganz neues?^^
Wann würde das erste Kapitel so kommen, bin richtig aufgeregt, wieder etwas von dir zu lesen.
Antwort von:  Fara_ThoRn
06.08.2017 19:26
Weder noch. Es ist Benny, der beste Freund von Jack aus Augenblicke. Und der quasselt und quasselt und quasselt ... xD
Aber in der Zwischenzeit habe ich für euch Dreadlocks & schräge Töne. Vorhin ging das zweite Kapitel online ;-)
Von:  Laila82
2017-02-26T10:12:36+00:00 26.02.2017 11:12
Und die Auflösung warum Meilo so ein großes Tattoo auf dem Rücken hat steht auch noch aus.
Antwort von:  Fara_ThoRn
27.02.2017 21:30
Hab ich das nicht erwähnt? *grübel* Da muss ich wohl nochmal ran ;-)
Antwort von:  Laila82
27.02.2017 22:16
Ja, ich bitte darum.
Antwort von:  Laila82
28.02.2017 23:28
Bitte Nr. 2
Alzheimer lässt grüßen, deshalb brauch ich ja auch ganz dringend 2 Ärzte...
Kann es nicht ganz zufällig sein das Sasha und Moritz sich kennen. Von nem Ärztekongress oder so. Rene und Moritz im Velvet. 2 schnucklige Ärzte auf einmal.... schmacht Zuckerschock - ich sag ja ich brauch 2 Ärzte.
Antwort von:  Fara_ThoRn
02.07.2017 17:57
Mit Ärzten stehe ich ja auf Kriegsfuß. Denen traue ich keine zehn Meter mehr über den Weg. Aber das ist ein anderes Thema und meinen Jungs, egal welchen Beruf sie haben, vertraue ich voll und ganz *lach*
Bis jetzt steht ja sowieso noch die Story von Sascha und Peter an. Da sind auch ein paar Krankenhausszenen geplant ^^
Antwort von:  Laila82
02.07.2017 18:46
Freu...
Von:  Elija
2017-02-09T10:43:24+00:00 09.02.2017 11:43
Das Gespräch ist göttlich ich musste so lachen herrlich.
Von:  Saavik1701
2017-02-06T04:25:47+00:00 06.02.2017 05:25
Aus und vorbei! *schnief*

Und was das für ein Ende war! o.O

Lieber Himmel, als Nic am Parkplatz vorbei fuhr dacht ich wirklich, Du willst ihn gar von seinem Meilo fern halten, bis Nicole ihn als Taxi oder Anstandwauwau mitschleppt und er da versehentlich in ihn rennt, bevor er in Klamotte und MakeUp ist oder sogar vollständig *schock*umfall*
Kilian bleibt, nebenbei gesagt, nen Depp - aber umso besser für Meilo ♥

Aber andererseits ist es irgendwie auch beruhigend, zu lesen, das egal wie, das Schicksal zwei füreinander bestimmte Herzen und Seelen immer zusammenführen wird ♥
Und Gott sei dank war es nur ein Traum und unsere Lieblinge sind wie immer glücklich zusammen und miteinander beschäftigt :D

Au ja... Fasching, Ostern - bunter Eier suchen macht den beiden bestimmt Spaß! XD, Muttertag, Himmelfahrt, Urlaub, Familienfeiern, das erste gemeinsame, friedliche Weihnachten, oder - ganz langweilig - auch mal "gewöhnlicher Alltag", weil das läuft bestimmt nicht vom ersten Tag an bei den beiden völlig rund *ggg*, und und und XD
(und von Ed und Ingo - also "Blaumann" könnte es ja evtl auch noch die eine oder andere Geschichte geben O:) )
Antwort von:  Fara_ThoRn
08.02.2017 21:20
Noch mehr Taschentücher? ;)

Hey! Das wäre doch mal ne Idee! Was-wäre-wenn-story, ich komme!!! ;DDD
Was wäre wenn Nic Meilo als Keith kennengelernt hätte? *grins* Och Mennoooo! Ich werde nie fertig mit den beiden xD

Miteinander beschäftigt ... das sind sie wirklich oft *ggggg*
Himmelfahrt? Was soll ich denn dazu schreiben? XD Wie die beiden in die Kirche gehen? Mit Nics Mutter :-P
Über Ed und Ingo habe ich auch schon nachgedacht. Ich sage nur Rallye ... Übernachten im Zelt ... Bisher nur in ihrem Kopfkino xD
Antwort von:  Saavik1701
08.02.2017 21:45
Jaaa! *schluchz*

LOOOL - ich bin gerne Deine persönliche Muse und setz Dir noch gaaanz viele Flöhe ins Ohr, was die beiden angeht! XDDD

Wär doch schlimm, wenn nicht...! XD

Nuss! Himmelfahrt ist Vatertag! *lach* Da ziehen die Kerle mit vollgeladenen Bollerwagen bewaffnet durch die Gegend, gehen "Wandern", grillen und kommen irgendwann seeehr spät wieder Heim! XD
Da könnte man doch sowas wie am Herkules (fand das ne super Idee und sehr schöne Schilderung) draus machen, Meilohasi sucht sich mal wieder nen netten Aussichtspunkt/Wahrzeichen und scheucht Nicilein da hin und zur Belohnung gibts dann nach dem grillen "Nachtisch" O:)

Au ja! Dafür!!! Ich kauf schon mal Karten fürs Kopfkino! XD
Von:  Saavik1701
2017-02-06T03:39:36+00:00 06.02.2017 04:39
"Ein Jahr", flüstere ich.
Und damit wars vorbei... Taschentücher ahoi! *nawwww - ist das schööön*schnief*
Mir war nämlich gleich klar, was Nicilein meinte... ♥♥♥

Ich glaube Alles in Allem eines meiner absoluten Lieblingskapitel, da liegt sooo viel Gefühl drinnen und man merkt nicht nur, das Meilo sich immer mehr entspannt, gelöster ist und sein Leben endlich genießen kann, nein, man sieht hier auch deutlich die Wahnsinnsentwicklung, die Nic grade durchmacht! Hatte er zu Beginn noch riesen Probleme mit der Hochzeit/Verlobung/offiziell machen, das es "für immer ist", litt unter Eifersucht... und nun hat er so sehr an sich gearbeitet, schafft es Kompromisse für sich und seinen Schatz zu finden, bzw auch nachgeben zu können und sich gegenüber offener und ehrlicher zu sein - siehe: 'Ring?
Ich will keinen Ring! Äh, wie, doch kein Ring? Scheiße, ich will doch einen, wenn ich ehrlich bin... und eigentlich will ich auch nicht ewig warten, bis es offiziell ist!' ♥
Egal, wie langs dauern wird - ich freu mich jetzt schon riesig auf Teil zwei, die Hochzeit und was sonst noch so kommt :D

Hoffentlich wird sich das mit der Zeit nicht zwischen ihnen ändern und diese liebevolle Zärtlichkeit zueinander abebben *hoff*

Könnte man evtl noch das eine od andere Bildchen von den Beiden bekommen, so zur Überbrückung? O:)
Antwort von:  Fara_ThoRn
08.02.2017 21:15
xDD Oh je! Das nächste Mal stelle ich eine Taschentuchbox dazu ^^

Die zwei haben sich inzwischen ein entspanntes, gemeinsames Leben aufgebaut. Wie sagt man so schön? Es läuft xD
Trubel gibt es zwar immer noch, aber wo gibt es den nicht?
Auf die Hochzeit freue ich mich auch schon. Mal schauen, wann ich es schaffe, die zu Papier zu bringen. Aber bevor ich das tue, will ich noch etwas Abstand von den beiden. Damit ich wieder frisch ans Werk gehen kann, wenn es soweit ist ;-)

Bildchen hätte ich noch, fällt mir da ein. Muss mal gucken, ob ich die auf die Welt loslassen kann xDDD
Antwort von:  Saavik1701
08.02.2017 21:39
Ich bitte darum! Ich bin was das angeht ja sowas von emotional und nah am Wasser gebaut! ^^'''

Au jaaa - büdde büdde büdde! Mehr Bildchen wären Toll! Auch von den Tattoos... *pfeif*flöt*träller*


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