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Farben schmecken

von

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Prolog

Embry POV
 


 

„Nein Veronica. Es tut mir leid. Wirklich. Es liegt nicht an …“
 

„Wage es nicht diesen Satz auszusprechen! Dieser ist so alt, wie die Menschheit selbst. Ich verlange eine klare Antwort von dir, verflucht nochmal“, kreischte sie mir ins Ohr.
 

Ich kniff meine Augen zusammen und zischte, als mein Trommelfell gefährlich zu vibrieren anfing. Ein solches Gebrüll, war unerträglich für meine guten Wolfsohren.
 

„Embry, verdammt!“
 

Ein Schluchzen auf der anderen Seite der Leitung drang zu mir durch. Entsetzt weitete ich meine Augen und sah betroffen zum Boden. Was konnte ich ihr schon sagen? Es lag wirklich nicht an ihr!

Verdammt. Nein. Ganz und gar nicht.
 

Es war meine Schuld.
 

Denn ich hatte von Anfang an den Fehler gemacht, als ich ihren Avancen nachgegeben hatte. Wohlwissend, dass diese Beziehung eines Tages enden musste, denn ich war nicht der Richtige für sie oder besser gesagt, ich war nicht der Eine, für den sie mich hielt.

Ich war nicht ihre bessere Hälfte. Nicht ihr fehlendes Puzzleteil. Und schon gar nicht war ich ihr Seelenverwandter.
 

Verdammt!
 

Ich wüsste es doch als Erster, wenn ich es wäre. Doch mein Wolf hatte sie nicht gewählt. Sie hatte ihn nicht berührt und deswegen war unser Ende schon von Anfang an bestimmt gewesen.
 

„Embry, bitte! Gib mir noch eine Chance. Sag mir an was es liegt und ich ändere es. Du kannst nicht alles einfach so wegwerfen“, wimmerte Veronica.
 

Verzweifelt biss ich mir auf die Lippen. Ich hätte es nicht tun sollen. Meine Brüder hatten mich davor gewarnt, doch ich hatte es so satt gehabt, alleine zu sein. Ich hatte es so satt gehabt zu warten. Wer hätte gedacht, dass ich kurz darauf sie treffe?
 

Ich seufzte.
 

„Tut mir Leid“, murmelte ich nur und legte auf.
 

Verdammte Scheiße, ich hatte so sehr gehofft, dass es funktionieren könnte. Dass es mir leicht fallen würde, ein Arschloch zu sein und ich die Beziehung einfach abbrechen konnte, wenn ich die Eine gefunden hätte.
 

Doch dem war nicht so.
 

Schmerzhaft zog sich mein Herz zusammen, als ich an ihren verzweifelten Gesichtsausdruck von gestern zurückdachte. Ihre wunderschönen blauen Augen, die mich durch einen Schleier von Tränen entsetzt anstarrten und sie mich aufforderte, die Worte noch einmal zu wiederholen.

Augen, die mich als Mensch verzaubert hatten. Augen, die mich hypnotisiert hatten und mich glauben ließen, dass alles gut werden würde.
 

Hypnose.

Ich schnaubte.
 

Es war mehr als das.

Nach zehn Jahren, die ich damit verbracht hatte zu warten, hatte ich es einfach satt gehabt. Jedes Mal wenn ich das Bett einer Fremden verließ, hatte es mich innerlich zerrissen. Ich war einfach nicht der Typ für One-Night-Stands.
 

Verzweifelt raufte ich mir die Haare.

Das hatte ich nicht gewollt. Veronica das Herz zu brechen, war nicht meine Absicht gewesen. Aber ein halbes Jahr war einfach nicht so einfach auszulöschen, wie es ein One-Night-Stand war. Das hätte ich wissen müssen.
 

„Embry ist alles in Ordnung?“
 

Ein Schauer lief mir über den Rücken, als ich ihre rauchige Stimme vernahm. Sie war warm und voller Zärtlichkeit. Mein Wolf seufzte auf und ich konnte nicht anders als zu lächeln. Vergessen war die Beklommenheit, die mich vor einem Moment noch beherrscht hatte.
 

„Norah. Natürlich. Alles bestens“, antwortete ich zu schnell auf ihre Frage.
 

Meine Stimme klang belegt, durch den Kloß in meinem Hals. Sie hörte es und zog skeptisch ihre Augenbrauen in die Höhe. Ihr Mund, der sich traurig nach unten verzog, verriet mir, dass sie meine Lüge erkannt hatte. In meinem Inneren hörte ich meinen Wolf, der mich bedrohlich anknurrte, weil ich sie verletzte, doch was hätte ich tun sollen?
 

Ich konnte es ihr nicht sagen. Sie würde es falsch verstehen und ich wollte sie nicht verlieren. Nicht den Menschen, der seit einem Monat mein Lebenssinn war.
 

Norah Cleveland.
 

Eine Frau, die meinem Leben eine neue Bedeutung gab. Der Grund, warum ich Veronica verletzte, ohne es zu bereuen.

Ja, ich hatte ein schlechtes Gewissen, aber ich bereute es nicht. Niemals.

Denn Norah war die Eine, die meine Welt komplett machte. Der Grund, dass mein Herz in einem neuen, stärkeren Rhythmus schlug. Eine kleine, zierliche Frau, die mir meine Welt aus anderen Perspektiven zeigte. Die mich lehrte jeden Tag mein Bestes zu geben. Die mir zeigte, dass in allem Schlechten auch etwas Gutes enthalten war.
 

Norah, die Eine, für dessen Glück ich sterben würde.
 

Ich spürte, wie sich das Sofa neben mir senkte und sie ihre kleine, zerbrechliche Hand auf meine Brust legte.
 

„Du klingst verspannt und dein Herz“, sie strich über die besagte Stelle, „es schlägt unregelmäßig.“
 

Es überraschte mich immer wieder, wie viele Details sie hören konnte. Wie gut ihre menschlichen Ohren waren. Wie viel sie dadurch sehen konnte.

Eine Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper und ich hatte das Gefühl, dass die Haut unter ihrer Hand zu glühen anfing
 

Beschämt sah ich in ihr schönes Gesicht.
 

Ihre rostbraune Haut schimmerte im fahlen Abendlicht, das durch das Fenster fiel und ihre schulterlangen Haare schmiegten sich in leichten Wellen an ihr schmales Gesicht, als sei es aus schwarzer Seide.
 

Ihr voller Mund verzog sich zu einem aufmunternden Lächeln, das mich beruhigen sollte. Doch die beabsichtigte Wirkung trat nicht ein. Stattdessen zog sich mein Magen zusammen und machte Platz für tausende Schmetterlinge, die gegen meine Bauchwand trommelten.
 

Ich schluckte und fasste den Mut ihr in ihre großen, mandelförmigen Augen zu sehen.
 

Irden, die mich von einem Moment auf den anderen gefesselt hatten. Die Iris war in einem satten braunen Farbton mit einem ungewöhnlichen grünen Stern um die Pupille herum. Für mich waren sie die schönsten Augen, die ich je gesehen hatte.
 

Augen, die mich – ohne mich wirklich richtig anzusehen – in den Bann zogen.
 

„Mach dir keine Sorgen. Es ist alles okay, Norah.“
 

Wenn ich doch nur geahnt hätte, was für ein Chaos meine Entscheidungen auslösen würden. Wie viel Schmerz ich Norah durch diese Lüge zufügen würde. Dann hätte ich ihr von Anfang an die Wahrheit gesagt und alles über mich erzählt.

Hand in Hand

Ein Monat zuvor
 

Das helle Läuten meines Weckers riss mich aus meinem ruhigen Schlaf. Aufstehen gehörte zu einem der Dinge in meinem Leben, die ich verabscheute. Denn Schlaf war für mich viel mehr, als nur eine Notwendigkeit für den Körper.
 

Es war wundervoll, die Augen zu schließen und in die Projektionen des Gehirns einzutauchen. Eine Welt, die es für mich außerhalb eines Traums nicht geben würde. Farben, deren Namen ich nicht mehr kannte, erfüllten die Dunkelheit. Mein kleiner Projektor im Gehirn ließ mich sehen, was sich mein Unterbewusstsein als kleines Kind gemerkt hatte.
 

Ich seufzte nur. Heute Nacht könnte ich wieder dahin zurückkehren, doch jetzt hieß es, dem Alltag wieder die Stirn zu bieten.
 

Müde rieb ich mir meine Augen wach und strich mir meine wirren Haare zurück. Ich musste morgens schrecklich aussehen, wenn ich es nach meinem Gemütszustand beurteilte.

War es normal sich im wahren Leben so deprimiert zu fühlen? Unausgeglichen und irgendwie leer?
 

Ich raffte mich jeden Tag aus diesem Bett, stolperte durch die Straßen von La Push, hatte ein geregeltes Leben und doch fehlte es an etwas.
 

„Hör auf darüber nachzudenken Norah“, tadelte ich mich selbst.
 

Meine Stimme klang anders in der Früh. Rauer als normalerweise, doch keineswegs unangenehm.

War es selbstverliebt zu denken, dass der Klang der eigenen Stimme schön war?

Ich lächelte kurz bei diesem Gedanken.

Eitelkeit war doch keine schlechte Eigenschaft. Die erfolgreichsten Menschen unter uns hatten immer eine überaus gesunde Portion an Selbstbewusstsein.
 

Die Schönheit lag im Auge des Betrachters. So sagten es die Menschen zumindest. Menschen, die sehen konnten und doch hatte ich das Gefühl, das sie so oft geblendet sein mussten, denn sie übersahen so vieles.

Vermutlich vertraute ein Mensch seinem Augenlicht mehr, als den Ohren, die so viel mehr über einen anderen herausfinden konnten. Zum Beispiel, wenn sie logen, veränderte sich die Tonlage ihrer Stimme. Wenn sie traurig waren, dann wurde ihre Stimme trüb und tief, bei Nervosität zitterte sie leicht.
 

Es war eine eigene Welt, die mich so viel sehen ließ.
 

Ich schüttelte kurz meinen Kopf, um ihn freizubekommen. Meine Gedanken waren wieder einmal zu wirr. Sobald ich wach war, wanderten sie von einem Themengebiet ins andere. Drehten und wendeten es, inspizierten jeden erdenklichen Teil, der unaufgeklärt war.
 

Es war fast so, als hätte mein Denken ein Eigenleben entwickelt und ich durfte gnädigerweise nur dabei sein.
 

Ein leises Kichern entrang aus meiner Kehle und ich rutschte zum Rand meines Bettes. Routiniert betätigte ich eine Taste und lauschte den Informationen, des kleinen Geräts.
 

„Guten Morgen. Heute ist Freitag, der 8. April 2016. Die Außentemperatur beträgt 50 Grad*. Es wird sonnig. Die Tageshöchstwerte liegen bei 59 Grad* im Schatten“, sprach die mechanische Stimme meines neuen Hilfsgadgets zu mir.
 

Ich mochte diese kleinen Hilfsmittelchen, die mir mein Leben so viel einfacher machten. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Es würde warm werden. Unglaublich, aber wahr! Es sollte tatsächlich die Sonne scheinen!
 

Das erste Mal seit dem Frühlingsbeginn.
 

Ein warmes Gefühl umspielte mein Herz. Ich liebte es, wenn sich die Sonne zeigte. Es war ein unfassbares und einzigartiges Gefühl, dass ihre Strahlen erzeugten. Dieses warme Kitzeln, wenn meine Haut sich mit ihrer Energie auflud.

Wie konnte man an solchen Tagen nicht fröhlich sein?
 

Ich würde den heutigen Tag draußen verbringen. Mit Bailey einen Spaziergang zum Strand machen und danach könnte ich selbst ein paar Dinge einkaufen, ohne Jonathan zu belästigen.
 

Zustimmend nickte ich mir zu und ging auf den Schrank zu. Da es warm werden würde, könnte ich etwas Offeneres anziehen, um mehr von der Sonne einfangen zu können.
 

Ich strich über die Bügel und konzentrierte mich auf das Etikett, das bei jedem Einzelnen angebracht war. Es war Jonathans Idee gewesen, da er meine wild zusammengewürfelten Kleidungsstücke nicht ertragen konnte. Sie hatten oft nicht zusammengepasst. Sich angeblich farblich so stark widersprochen, dass andere Menschen über mich getuschelt hätten.
 

Nicht das mich Letzteres belastete. Ich lebte immerhin in La Push. Einem kleinen Städtchen, das manche als ein Dorf interpretieren würden. Ein Ort, an dem jeder jeden irgendwie kannte und die Nachbarin mehr von einem wusste, als man selbst.

Hier tuschelten sie alle über mich. Vergaßen, dass meine Ohren unfassbar gut waren und ich sie hören konnte.
 

Doch ich mochte die Idee von Jonathan, weshalb ich seinen Vorschlag gerne angenommen hatte. Alles, was mir mein Leben erleichterte, nahm ich gerne an.
 

Ein Etikett verriet mir, dass auf dem Bügel ein bodenlanges Kleid mit Blümchenmuster hing und einer dazu passenden hellen Strickjacke. Perfekt für ein warmes Frühlingswetter.
 

Lächelnd zog ich es aus dem Schrank und ging mit dem Bügel ins Badezimmer.

Während ich mir meine Zähne putzte, spielte ich mit dem flauschigen Teppich unter meinen Füßen, indem ich die Fransen zwischen meine Zehen gleiten ließ. Es kitzelte angenehm und beruhigte mich. Es war eine vertraute Spielerei von mir, die ich, seit ich denken konnte, beim Zähneputzen machte.
 

Nachdem ich fertig war und umgezogen wieder zurück ins Wohnzimmer ging, schaltete ich meine Audioanlage ein und ging in die Küche, um mir einen Kaffee zu holen.

Der Holzboden unter meinen nackten Füßen war kalt und rau. Ich trug zu Hause weder Schuhe noch Socken, da ich mein Tastgefühl liebte. Warum sollte ich mir etwas freiwillig nehmen lassen?
 

Ich nahm mir eine Tasse aus der Küchentheke und zog die volle Kaffeekanne aus dem Automaten. Jonathan hatte ihn schon zubereitet, bevor er raus gegangen war. Mittlerweile hatte ich ein Gefühl für die neuen Tassen entwickelt und wusste, wie viel ich hineingießen konnte. Jonathan hatte sie letzten Monat ausgewechselt, weil sie seiner Meinung nach zu alt und hässlich gewesen waren. Als ob mich ihr Aussehen gestört hätte. Ich schmunzelte bei dem Gedanken und ging zurück ins Wohnzimmer. Die Musik zarten Töne meines Lieblingsstücks erfüllten den Raum. Tiefer Bass rumorte in meinem Bauch und ich seufzte. Ich liebte diese Anlage über alles. Man konnte so vieles heraushören. Die Botschaft des Komponisten so deutlich aufnehmen.

Es war einfach wundervoll.
 

Das vertraute Klacken des Türschlosses war im Hintergrund zu hören. Die Tür wurde aufgerissen und der Wind pfiff in einem hohen Ton, als er in die Wohnung peitschte. Genüsslich atmete ich die frische Luft, die aus einer Mischung aus Meer und Wald roch, ein und wartete lächelnd auf Bailey.
 

Keine Sekunde später vernahm ich, wie seine Krallen am Boden schabten, während er zu mir trabte.
 

„Na mein kleiner Junge. War dein Spaziergang mit John schön?“, fragte ich ihn mit einem Lächeln auf den Lippen und grinste, als Bailey seinen Kopf auf meinen Schoß legte.
 

Ich vergrub meine Finger in sein kurzes Fell und kratzte ihn hinter den Ohren, was ihm ein genüssliches Schnaufen entlockte.
 

Bailey war ein Labrador und laut Jonathan, schwarz und mit einem grimmigen Ausdruck im Gesicht. Als ob mein kleiner, zweijähriger Bailey grimmig wäre. Wie alle anderen vertraute John nur seinen Augen und hörte nicht, wie Bailey sich fühlte.
 

Ich schüttelte den Kopf. Menschen, die sehen konnten, waren so unfassbar blind.
 

„Wir waren am Strand. Ich hab alles erledigt. Er hat seinen Haufen gemacht, sich ausgetobt und ist nach dem Frühstück jetzt, bereit für seinen Einsatz“, erzählte mir John und ich grinste, bei seiner gespielt genervten Tonlage.
 

Jonathan hatte wie ich, eine rauchige Stimme, doch seine war viel tiefer und irgendwie auch melodischer. Wenn ich sie hörte, fühlte ich mich geborgen. Sie war mir vertraut, auch wenn ich manchmal seine kindliche Stimme vermisste. Denn diese Tiefe passte nicht zu dem Bild in meinem Kopf, das ich hatte, wenn ich an ihn dachte. Bilder von ihm, die ich noch aus Kindertagen kannte.
 

Ich seufzte leise und spürte, wie Bailey sich zu mir drehte. Liebevoll knuffte ich ihn, damit er sich keine Sorgen machte. Er war ein wunderbarer Hund.
 

„Danke dir, Johnny. Du bist der Beste“, ich sah zu ihm und lächelte ihn an.
 

„Natürlich bin ich das.“ Seine Stimme triefte vor Schalk.
 

Ich konnte nicht anders als dabei zu kichern. Jonathan war der beste Mensch, den es auf dieser Welt gab. Er vernachlässigte all seine Bedürfnisse, um meinen entgegen zu kommen.

Menschen, wie ihn, gab es sehr selten und ich liebte ihn dafür über alles.
 

Ohne ihn und Bailey wäre mein Leben nicht lebenswert. So hatte ich zumindest einen Ansporn zu kämpfen. Jeden Morgen aufzustehen und mich der Dunkelheit gegenüberzustellen.
 

Dank ihnen hatte ich die Kraft mit der Finsternis Hand in Hand durchs Leben zu wandern.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Frohe Ostern :)
Ich hoffe, euch gefällt der Prolog :) Komplett anzeigen

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