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Lebenslügen und Liebesspiel

Seto & Joey | Puppyshipping
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
~hallöchen!

Vielleicht kennt der ein oder andere von euch schon Puppyshipping-Geschichten von mir – diese wird etwas anders. (Ich glaube, das schreibe ich jedes Mal. x'D)
Achtet auf die Genre-Angaben!

Inspiriert hat mich die TV-Serie »Pretty Little Liars«. Allerdings habe ich die Serie nicht komplett gesehen. Nur das Grundkonzept (Clique teilt Geheimnis, bekommt nach Tod eines Mitglieds seltsame Nachrichten) ist übernommen. Ich spiele damit und lasse ansonsten meinen Ideen freien Lauf.
Und wie immer verselbstständigen sich Joey und Seto und zerstören eh meinen geplanten Plot. ; )

Ich freue mich über Leser und Kommentare!

Viel Spaß beim Prolog!

Jaelaki

PS. Die Geschichte hält sich nur bedingt an den Canon. Das heißt, die Charaktere sind (so hoffe ich doch) IC, aber inhaltlich orientiere ich mich nicht am Canon.

Noch ein paar grundlegende Infos:

- Ägypten etc. spielt keine Rolle (also wer eine Fantasy-angehauchte Geschichte lesen möchte, ist hier nicht richtig).
- Auch die Yamis spielen hier nicht mit.
- Das Kartenspiel spielt nur sehr am Rande eine Rolle.
- Es wird eindeutig Shounen-Ai (Boys Love)
- es wird düster (man beachte die Genre-Angaben) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
~vielen Dank für die vielen Favos und die Kommentare!
Euer Interesse haut mich um! ; )

Geplant sind 16 Kapitel (inkl. Prolog und Epilog).
Es handelt sich hier um einen ersten Entwurf! Fehlerchen sind daher nicht auszuschließen. Bitte meldet mir Ungereimtheiten, Tippfehler etc.! Ihr helft mir damit unbeschreiblich!

Viel Spaß bei meinem Experiment Thriller/Mystery! ; )

Eure
Jaelaki Komplett anzeigen

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Fünf Jahre später

Domino Rundschau am 23.07.2011
 

Vermisst: Yugi Muto

Geburtstag am 4. Juni 1992, gefärbtes Haar (lila mit blonden Strähnen), ca. 153 cm, sehr schlank. Zuletzt getragen: schwarze Jeans, schwarzes T-Shirt und Gürtel mit Nieten.
 

Hinweise bitte an die polizeiliche Dienststelle in Domino.

0213/19931012
 

Der 19-jährige Schüler Yugi Muto aus Domino wird seit Samstagmorgen vermisst. Der junge Mann hatte am Freitagabend an einem Sommerfest der Marco-Domino-Gesamtschule teilgenommen. Gegen 2.30 Uhr war er dort von Mitschülern zum letzten Mal gesehen worden.

 

 

 

 

 
 

5 Jahre später
 

Er kneift die Augen zusammen, als jemand mit einem Ruck den Vorhang zurückreißt und sich das Tageslicht über das Bett ergießt, dreht sich um, schaut auf den Wecker, dessen Display sieben Uhr schreit, und murmelt »Arsch« und »Geldsack«.

Etwas trifft ihn am Kopf. Mit einem »Hey! Was zur –« fährt er hoch und funkelt die Silhouette an, die wie ein Schatten gegen das Licht durch die wandhohen Fenster erscheint.

»Lies.«

Seto Kaibas Angewohnheit, alles in Befehlsform zu formulieren, provoziert ihn zu der Erwiderung, er könne ihn mal und er solle ihn wecken, wenn es Mittagessen gebe.

»Wheeler«, knurrt Kaiba, »lies den verdammten Artikel!«

Etwas in seiner Stimme lässt ihn die Augenlider doch wieder einen Spalt breit öffnen und als er sieht, wie sich Seto Kaiba durch das Haar fährt und seine ordentlichen Strähnen damit zum Abstehen bringt, greift er nach der Zeitung und liest.

Mit jeder Zeile jagt eine Welle Kälte, gefolgt von Hitze durch seine Adern. Seine Augen weiten sich, während er mit der Übelkeit kämpft, die seine Lungen hinaufwandert.

 

»Domino Rundschau am 23.01.2016

Mordfall in Domino«, ein Bild von Pegasus' Villa prangt unter dem Titel, Polizei- und Krankenwagen stehen vor der Mauer, die das Gelände umschließt. »Die Identität der Leiche, die in einer Villa von Industrial Illusions Gründer Maximillian Pegasus gefunden wurde, ist geklärt. Der junge Mann war seit Sommer 2011 vermisst worden.«

 

Sein Hals zieht sich zusammen. Er glaubt, keine Luft zu bekommen, während bunte Pünktchen vor seinen Augen zu tanzen beginnen. Er blinzelt, versucht tief durchzuatmen, aber da ist ein Loch in seinen Lungen.

 

»Ein Sprecher der Polizei teilte mit, es handele sich um einen 19-jährigen Schüler, der seit fünf Jahren vermisst wurde. Der junge Mann war nach einem Sommerfest der Marco-Domino-Gesamtschule verschwunden.  Zur Todesursache wird noch ermittelt, man gehe aber von Mord aus.«

 

Er starrt auf das Papier, auf das Bild, auf die Worte, die vor ihm verschwimmen. Das Bett dreht sich. Sein Blick wandert zu Kaiba, als gebe es nur ihn, doch in seinem Kopf hämmern die Worte der Zeitung. Als brauche er seinen Halt, aber es gibt keinen. Kaiba bewegt sich nicht, macht keinen Schritt auf ihn zu, das macht er nie, aber er ist da. Sie schauen sich an, als kommunizieren sie ohne Worte, als brauchen sie es nicht laut aussprechen, aber vielleicht zeugt das auch nur von ihrer Ignoranz.

Kaiba durchschnitt die Stille als erster, so wie er immer überall der erste sein möchte, und Joseph Wheeler wendet seinen Blick ab, als habe er sich an Kaiba verbrannt.

»Du bist vor dem Mittagsessen aus dem Haus«, ordnet er an.

»Aber es gibt Lasagne«, erwidert Joey, als sei das ein plausibles Gegenargument und schaut ihn vorwurfsvoll an. Sein Magen rebelliert, als sein Blick wieder über die Zeitung schweift. Kaiba lässt sich nicht einmal zu einer Antwort herab, fixiert ihn nur, als sei er unidentifizierbarer Dreck, der an seinen Schuhen hängt. Joey kennt diesen Blick, aber ein schiefes Grinsen breitet sich auf seinen Lippen aus, das sich anfühlt, als ziehe jemand Fremdes seine Lippen nach oben.

»Das heißt, die ganze – Geschichte –«, seine Stimme klingt, als höre er sich selbst durch ein Telefon, »ist endlich – vorbei.«

Kaibas Blick streift sein Gesicht, dann die Zeitung, die noch immer in Joeys Fingern liegt, aber er antwortet nicht, hebt nur seine Augenbrauen und dreht sich um. Sein Mantel bauscht sich dabei hinter ihm auf und Joeys Blick folgt ihm bis zur Tür. Dort hält er inne.

»Diese Geschichte ist erst vorbei, wenn Pegasus das Spiel verliert.«

Kaibas Mimik bleibt unberührt, als spreche er von Geschäften, die ihn nicht interessieren, doch in seinem Ton klirrt Kälte. Joey schweigt und blickt zurück auf die Zeitung.

»Wann glaubst du, nehmen sie Pegasus fest? Vor oder nach dem Mittagessen?«, murmelt er und bringt Kaiba zum Schnauben.

»Sie haben ihn schon mit auf das Polizeipräsidium genommen. Ich schätze, er ist noch vor dem Mittagessen wieder draußen.«

Joey hakt nicht nach, woher Kaiba die Information bezüglich Pegasus erlangt hat. Solche Fragen stellt er schon lange nicht mehr. Stattdessen wirft er die Decke zurück und zieht sich das Shirt, auf dessen linker Brustseite die Initialen KC gestickt sind, über den Kopf, während er durch Kaibas Schlafzimmer Richtung Bad trottet. Er spürt, wie Kaibas Blick über seinen Oberkörper wandert.

»Ich würd dich ja fragen, aber du hast ja eine Firma zu leiten«, redet Joey vor sich hin, zuckt mit den Achseln und schaut erst als er den Satz beendet über die Schulter zu Kaiba. Dessen Finger liegen auf der Türklinke, doch sein Blick versenkt sich in Joeys.

»Oder willst du trotzdem auch mitkommen

Als Joey mit den Augenbrauen wackelt, atmet Kaiba tief durch, massiert seine Nasenwurzel, ein Symptom von Anspannung und Ungeduld, reißt dann die Tür auf und verschwindet ohne ein weiteres Wort. Manche Antworten liefert Kaiba wortlos.

 

Sechs Stunden später schiebt Joey seine Lasagne auf dem Teller herum, während er immer wieder Yugi vor sich sieht. Yugis Lachen. Yugis Blick. Yugi. Er weiß noch, wie er geklungen, wie er geschaut, wie sein Lachen in Joeys Bauch vibriert hat. Vielleicht verschwimmen Erinnerung und Phantasie inzwischen aber auch so, dass Joey sich gewundert hätte, hätte er Yugis Lachen noch ein einziges Mal in der Realität hören dürfen. Als Kaibas Angestellte ihm mit einer Entschuldigung auf den Lippen einen Brief zuschiebt, zuckt er zusammen.

»An Joseph Wheeler von Y.«, steht in gedruckten Buchstaben auf dem Papier. Er erstarrt, vergewissert sich, dass ihn niemand beobachtet, liest wieder und wieder die Zeile und öffnet den Umschlag mit zittrigen Fingern. In seinem Kopf brüllt die Leere. Das Rascheln des Papiers füllt den Raum, als er es herauszieht und auffaltet und fallen lässt.

 

»Liegst du immer noch oder schon wieder in seinem Bett?

Fast wie ein Deja-Vu.

Ich weiß noch immer, wo du in jener Nacht warst.

Erinnerst du dich, Joey?

Y.«

 

In diesem Moment klingelt sein Smartphone.

Spiele und Sterben

Kapitel 1

 

 

 
 

Frühling, 2008

 

»Yugi? Hey, Yugi!«

Draußen schien die Sonne und sie saßen trotzdem in dem kleinen Laden, in dem Staub in den Strahlen tanzte. An den Wänden standen Regale, die sich unter den Gewichten von Spielkartons, Figuren und Mangas bogen. Neben dem Verkaufstresen hockten sie sich an einem wackeligen Tisch gegenüber. Das Radio dudelte vor sich hin und erfüllte den Raum mit Popmusik, die dann den Nachrichten wich.

Joey wedelte mit seinen Spielkarten auf der Hand vor dem Gesicht seines Gegenübers herum und verzog seine Schnute zu einem Grinsen.

»Hör auf zu träumen oder ich feg dich weg, Alter! Du bist dran!«

Der Junge blinzelte und fuhr sich durch seine gegelten Haare, die ihm wie die Stacheln eines Igels vom Kopf standen.

»Warte. Hör mal«, murmelte er, während er das Radio anstarrte und die Nachrichtensprecherin lauter drehte.

»– dementierte die Kaiba Corporation, Mokuba Kaiba hätte einen Abschiedsbrief hinterlassen. Es heißt, er werde seit gestern Abend vermisst. Seto Kaiba stand für keinen Kommentar zur Verfügung. Die Polizei schließt eine Entführung nicht aus.«

»Oh«, machte Joey und atmete zwischen den Zähnen aus. Er jetzt bemerkte er, dass er die Luft angehalten hatte, während er der Meldung lauschte.

Yugis Blick schweifte in die Ferne, aus dem Laden, durch das Fenster, als könnte er dort eine Antwort finden auf eine Frage, die er nicht stellte.

Joey betrachtete ihn und seufzte.

»Yugi, wenn du keine Lust mehr hast zu spie-«

»Glaubst du, dass der Mensch gut ist oder böse?«

Joey blinzelte.

»Äh –«

Er diskutierte leidenschaftlich über die neuesten Games auf dem Markt, wusste die Preise jeder Figur im Laden und könnte in zehn Minuten eine Karikatur von Kaiba kritzeln, die in jeder Zeitung hätte abgedruckt werden können, aber er war wirklich nicht der richtige Ansprechpartner für philosophische Fragen.

Yugi erwiderte seinen Blick mit einer untypischen Beharrlichkeit, die ihn unruhig auf dem Stuhl hin und her rutschen ließ. Er fühlte sich, als säße er in einer mündlichen Prüfung. Dann wurde Yugis Blick sanft.

»Ich meine«, fuhr er fort, runzelte die Stirn und stützte sein Kinn auf die Hand, während er mit der anderen seine Spielkarten hielt. »Warum machen Menschen so etwas? Kinder entführen? Jemanden umbringen und –«

»Hey! Komm mal runter!«, fuhr Joey dazwischen und blies sich eine blonde Franse seines Ponys aus dem Gesicht. »So'n negativer Scheiß passt nicht zu dir! Wahrscheinlich kommt Mokuba total gesund heut Abend zurück und hat nur bei nem Kumpel gepennt. Hätt' ich so'n Geldsack als großen Bruder, würd ich auch ab'n zu abhaun'n«, murmelte er.

»Joey!«

Yugi schaffte es, ihm mit einem Blick ein schlechtes Gewissen zu verpassen. Seine Augen wirkten viel zu unschuldig für einen Sechzehnjährigen und er schob seinen Mund vor, als wäre er mehr beleidigt, als empört.

»Ist doch wahr«, brummte Joey und wich trotz seiner Aussage Yugis Blick aus.

Mit einem Seufzen zog Yugi eine Karte vom Stapel und machte seinen Zug. Musik spielte erneut aus den Boxen, aber die Worte der Nachrichten hingen zwischen ihnen wie Spinnweben.

»Sag mal. Was denkst du?«, wollte Joey nach ein paar Minuten wissen, in denen Yugi schwieg.

»Ich mein – was denkst du wegen – sind Menschen gut oder böse?«, spezifizierte er seine Frage und legte eine Karte ab.

Er beobachtete Yugi, der eine Karte vom Stapel zog, sie zu denen auf der Hand sortierte, während er auf seiner Unterlippe herumkaute und dann langsam aufsah. Seine Augen wirkten riesig, wie die eines Rehs und gaben Wärme ab, wie der Schein einer Kerze.

»Ich glaube trotz allem an das Gute im Menschen«, sagte er und lächelte.

 

 

 
 

Frühling, 2016

 

Joey Wheeler starrt das Handy in seinen Händen an, als habe er vergessen, was er damit anfangen soll, dann läuft ein Ruck durch seinen Arm und er nimmt den Anruf an. Das sture Piepsen und Vibrieren verstummt, doch schon im nächsten Moment knurrt eine Stimme in sein Ohr.

»Wo steckst du? Bist du schon wieder bei dem –?«

»Reg dich ab, Tris«, brummt Joey Wheeler in den Hörer und verdreht genervt die Augen, obwohl sein Kumpel das nicht sehen kann – vielleicht auch gerade deswegen.

»Du hast's aber mitbekommen, oder?«, raunt Tristan. »Die Nachrichten. Sie haben –«

»Ich weiß, ich weiß «, murmelt Joey und reibt sich über die Augen, als könne er damit die Müdigkeit aus den Winkeln vertreiben, die nichts mit Schlaf zu tun hat. Es ist die Art Müdigkeit, die die Glieder befällt, wenn das Gewicht der Welt auf sie drückt.

»Ich hab die ganzen Jahre gedacht, dass Yugi eines Tages wieder an die Tür klopft. Dass das Ganze nur ein beschissenes Spiel ist. Dass er –«

Tristans Stimme verliert sich.

Joey schweigt und schaut von der Küche aus dem Fenster. Die Sonne scheint, die Blühten der Krokusse strecken ihre Fühler aus und durchbrechen das Braun der Erde mit lila-weißen Köpfen. Solche Tage passen nicht zu Gedanken an Mord.

»Glaubst du«, Tris räuspert sich, als habe er sich verschluckt, »Pegasus hat ihn echt – also –«

Er wispert, als schrecke er sonst etwas auf, als rüttele er an einem Gerüst, das mit den falschen Worten ineinander breche.

Joey kneift die Augen zusammen.

Yugis Lachen hallt in seinem Hinterkopf. Vor einer Flut innerer Bilder strahlen seine Augen.

Joey stützt sich auf dem Küchentresen ab.

Ich glaube trotz allem an das Gute im Menschen.

Und atmet tief durch.

»Ich weiß es nicht«, flüstert er.

Sie schweigen, während jeder in seine Gedanken verstrickt ist und irgendwann verabschiedet sich Tris mit den Worten »Muss arbeiten«.

Joey seufzt, lässt das Phone in seine Hosentasche gleiten und schlendert durch die Küche, nimmt sich einen Apfel aus der Obstschale, beißt hinein, verzieht den Mund, schnappt sich stattdessen einen Schokoriegel aus dem Regal, während er Richtung Flur zieht, um seine Jacke über den Arm zu schmeißen.

 

Er lässt Kaibas Villa hinter sich, fährt an Herrenhäusern mit englischen Gärten und Gärtnern vorbei, bis er in die Innenstadt abbiegt und sich mit seinem Kleinwagen durch den Stadtverkehr schlängelt.

Statt durch einen Garten, von Gärtnern bepflanzt, schlendert er eine Viertelstunde später durch eine Anlage mit angesprayter Parkbank, der die Rückenlehne fehlt. Ein kränklicher Baum verliert sich zwischen Abfalltonnen und Autos, denen die Zulassung mangelt. Knospen sprießen an den Zweigen. In einer Astgabelung hängt eine Bierdose. Joey wundert sich über solche Dinge schon lange nicht mehr. Stattdessen kramt er nach seinem Schlüssel und schließt die Eingangstür zu ihrem Wohnblock auf. An die Tür hat jemand »Scheiss Fluchtlinge« geschrieben. Mit einem Schnauben tritt Joey ein.

 

Im obersten Stockwerk öffnet er die Tür, pfeffert seine Jacke in die Ecke des Flurs, zieht sich seine Schuhe aus und lässt sie unterwegs liegen, während er Richtung Bad stiefelt.

Er fühlt sich schmutzig, als habe ihm jemand einen Eimer Dreck übergeschüttet, obwohl er morgens schon geduscht hat. Als hafte ein Gestank an ihm, den er nicht loswird. Mit jedem Gedanken an Yugis Lachen, drängen Bilder dazwischen, wie er wohl gefunden worden ist. Allein, verletzt, tot.

Gänsehaut überzieht Joeys Arme und breitet sich bis in die Zehen aus. Kälte durchdringt seinen Körper, während er seinen Pullover über den Kopf zieht und vor der Badtür fallen lässt, die Jeans folgt. Er stellt das Wasser der Dusche viel zu heiß, nur um die Kälte, die ihn befällt, loszuwerden, reibt sich ein mit irgendwelchen Duschgels, um den Geruch von Blut und Erde und Verwesung zu vertreiben.

Das heiße Wasser prasselt auf ihn nieder, aber er spürt nur die Kälte.

»Meine Güte, Joey! Hier ist es ja unerträglich heiß drin!«, nörgelt eine Frauenstimme, betritt das Bad ohne anzuklopfen und dreht den Wasserhahn auf. »Hey, benutzt du mein Duschzeug?«

Joey verdreht die Augen, antwortet nicht, während der Wasserstrahl auf sein Genick trifft und er den Dampf auf der Haut spürt.

Mit einem Ruck reißt jemand den Duschvorhang zurück.

»Mai«, brummt Joey und fährt sich durch sein nasses Haar.

»Wie lange duschst du schon? Ich bin vor einer dreiviertel Stunde gekommen und –«

»Mai, ich dusche

»Ja, das sehe ich, Schätzchen.«

Ihr Blick geistert über seinen Körper ohne mit der Wimper zu zucken.

»Es wird kalt.«

»Ja, das sehe ich auch«, bemerkt sie süffisant und hebt die Augenbrauen.

Er seufzt.

»Lass mich mit runter oder geh mal endlich raus! Ich hab mir nach dem langen Tag eine warme Dusche verdient. Und danach können wir schön was zusammen essen. Ich hab –«

»Ich muss los«, brummt er und steigt vor ihrer Nase aus der Duschkabine, schnappt sich ein Handtuch und trocknet sich ab.

»Herr Muto wartet sonst im Laden auf mich. Ich bin schon spät dran.«

Er spürt ihren Blick, der seinen Rücken verbrennt, aber er dreht sich nicht um, rubbelt sich stattdessen das Haar trocken und lauscht dem Geräusch des Wassers, das hinter dem Duschvorhang auf Fließen fällt.

»Joey«, beginnt sie und der sanfte Ton lässt ihn doch aufblicken, »egal was, ich bin da, okay?«

Er schaut sie einen Moment an, wie sie einfach da in BH und Slip steht und ihre Augen nichts Anderes als Wärme spiegeln, trotz ihres groben Auftretens. Ihre Hand ruht auf seiner Schulter.

»Du hast's also doch gehört«, nuschelt er.

»Schätzchen, jeder in Domino wird es mitbekommen haben.«

Er nickt, aber weicht ihrem Blick aus, dann macht er einen Schritt Richtung Tür und ihre Hand fällt von seiner Schulter.

»Weißt du«, meint sie, als er schon fast aus dem Zimmer ist, »es ist okay zu weinen.«

»Ich hab nicht geweint«, erwidert er sofort, seine Hand umklammert den Türgriff, als brauche er ihn zum Stehen.

»Ich weiß«, entgegnet sie sanft und er verlässt nur mit einem Handtuch um die Hüfte das Bad.

 

Eine Viertelstunde später steht er volllbekleidet mit Jacke und Rucksack über einer Schulter vor einem zweigeschossigen Gebäude in der Innenstadt, das auf den ersten Blick den Eindruck macht, als werde es sich nie verändern. Bei näherer Betrachtung sind die bröckelnde Fassade und der Riss in der Schaufensterscheibe ersichtlich, wie Falten, die sich unerwartet in einem vertrauten Gesicht zeigen.

Über der Tür verkünden die Buchstaben »GAME«, dass es sich um einen Spielladen handelt.

Als Joey die Tür aufdrückt, zieht sie Klingel die Aufmerksamkeit auf ihn und ein älterer Mann mit Bart schaut hinter dem Verkaufstresen auf.

»Sorry für die Verspätung«, nuschelt Joey, doch der Mann winkt ab. Tiefe Falten graben sich um seinen Mund und die Augen. Seine Augenlider öffnet er nur halb, als leide er unter jahrelangem Schlafmangel.

»Bakura ist hinten, oder?«, fragt Joey, doch Herr Muto antwortet nicht, stattdessen starrt er auf eine Spielfigur, die er in seinen Händen hin und her dreht. Es ist ein Magier mit lila Gewand.

Joey schluckt und reißt seinen Blick los, ehe er in den Lagerraum hastet.

An den Wänden stehen Regale, in denen sich Spiele stapeln, Figuren und Magazine. Staub macht die Luft schwer und tanzt in den Sonnenstrahlen, die sich durch ein rundes Fenster drängeln.

»Joey! Da bist du ja!«

Mit Spielkartons vor der Brust tritt ein junger Mann zwischen zwei Regalen hervor, der seinen weißblonden Pony aus den Augen pustet, und zeigt auf einen riesigen Karton, der noch in Plastik gehüllt, aber geöffnet ist. Darin befinden sich tragbare Spielekonsolen und Brillen.

»Die neue Bestellung ist schon gekommen.«

Joeys Blick wandert über Bakura, der ihm einige Spiele in die Arme drückt. Die langen Fransen seines Ponys verdecken seine linke Gesichtshälfte, sein Haar fällt bis über die Schultern, doch dort, wo der hohe Rollkragen endet, schlängeln sich Verbrennungsnarben. Joey wendet verlegen seinen Blick ab.

»Gut, ich mach dann mal«, murmelt er und beginnt die Spiele in den Verkaufsraum zu tragen, wo er sie in einer abschließbaren Vitrine ausstellt, dabei bleiben seine Augen auf dem Hersteller kleben. Das Emblem der Kaiba Corporation lässt ihn die Lippen kräuseln.

»Verdammter Arsch«, nuschelt er vor sich her, »ist einfach überall.«

»Alles okay, Joey? Du hast so lange –«

Er fährt herum.

Bakura betrachtet ihn mit hochgezogenen Brauen, während er mit weiteren Spielkonsolen hinter ihm wartet.

»Weißt du, du kannst auch frei machen. Heute – ist eh nicht viel los, ich meine – wegen –«

»Nein«, fährt Joey ihm zwischen seine Worte und funkelt ihn an. Er will es nicht hören. Sein Blick fällt auf Herrn Muto, der an die Decke starrt, zwischen den Händen die Spielfigur, als bete er.

»Es ist alles okay«, behauptet Joey gefasster, dreht sich wieder um und stapelt die Verpackungen der Spielkonsolen übereinander. Dann eilt er erneut in die Lagerkammer, wo er tief durchatmet und nach den nächsten Kartons greift, doch noch bevor er sie mit den Fingern erreicht, zieht er seine Hände zurück und greift stattdessen nach einem Stapel Karten. DuelMonsters steht auf den Verpackungen in einem Karton.

Er reißt das Kartenpack auf und erstarrt und starrt die Bilder an, bis er bemerkt, dass es Erinnerungen sind.

»Joey?«

Bakuras Ton klingt nach einer Frage, die Joey nicht hören will. Er dreht sich nicht um, wendet ihm nicht einmal das Gesicht zu. Bakura räuspert sich. Er hört, wie er Schritte macht und dann legt sich eine Hand auf seine Schulter. Joey zuckt zusammen und Bakura zieht seine Finger zurück.

»Vielleicht«, flüstert er, »ist es sogar besser so.«

»Was?«, fragt Joey scharf und funkelt ihn von oben her an.

»Dass er jetzt gefunden wurde. Vielleicht können wir so damit abschließen. Erst wenn die Wunde –«

»Erzähl keinen Scheiß«, knurrt er, doch im selben Augenblick beißt er sich auf die Lippe.

»Sorry, Bakura, ich mein – gerade du – und –«

Stille tanzt zwischen ihnen wie der Staub und macht die Luft schwer.

Joeys Finger umklammern die Karten und seine Augen sind auf die Bilder gerichtet, doch er sieht Yugi vor sich, wie er Karten gemischt und ausgeteilt und gezogen und gelacht hat, wie er ihm die Regeln erklärt und immer und immer wieder mit ihm gespielt hat. Obwohl er ständig gegen ihn verloren hat, erinnert er sich an kein Wort der Schadenfreude. Yugi ist immer viel zu freundlich gewesen. Er hätte niemals jemandem absichtlich wehgetan.

»Es war ein Unfall«, erwidert Bakura langsam, doch seine Stimme klingt dumpf, als spreche er etwas aus, das er sich selbst viel zu oft vorgesagt hat, um es zu verinnerlichen.

»Glaubst du, Pegasus steckt wirklich mit drin in der ganzen Sache?«, wispert Bakura nach einem Moment und Joey fährt sich durch seine blonde Mähne.

»Vielleicht, aber Pegasus würde nicht einmal einsitzen, wenn die Polizei fotografieren könnte, wie er dabei ist und Yugi grade – wenn ich an die Sache mit Mokuba –«, er verstummt, obwohl ihm nach Schreien zu Mute ist. Er ballt seine Hand um die Karten zwischen seinen Fingern.

»Wenigstens hat die Ungewissheit ein Ende, wo er ist«, behauptet Bakura.

Joey schnaubt, weiß nicht, ob Bakura Yugi oder Mokuba meint, aber fragt nicht nach.

Als stille das den Schmerz, dieses Gefühl in seiner Brust, das er etwas verloren hat, das nie wieder gefunden werden könne. Als wäre die Gewissheit besser. Als wäre die Erinnerung wertvoller als die Möglichkeit, Yugi würde zurückkomme, dass alles nur ein riesiger Irrtum wäre.

Doch dann nickt er, um das Gespräch zu beenden. Bakura lässt ihn.

 

Gegen Abend schiebt Joey seinen Kopf in den Verkaufsraum. Bakura wiegt gerade das Münzgeld und füllt danach die Kasse.

Das Schild an der Tür ist bereits auf »geschlossen« gedreht, die Rollläden herunter gelassen.

»Ich bin fertig«, erklärte Bakura, den Kassenschieber unter dem Arm. Joey nickt und wirft einen Blick Richtung Treppe, die in den ersten Stock, zu den Privaträumen der Familie führt. Früher ist er öfters dort oben gewesen als hier unten.

»Wenn du willst, kann ich Herrn Muto Bescheid geben und –«, beginnt Bakura zögerlich, doch Joey schüttelt seinen Kopf.

»Nein, mach ich schon, keine Sache.«

 

Während sich Bakura auf den Heimweg begibt, schlurft Joey die Treppe nach oben. Es riecht so, wie damals, nach Holz und der Beteuerung hier immer wieder die neuesten Spiele auszuprobieren.

Er atmet tief durch. In seinem Magen wühlt Übelkeit.

Die Räume erzählen von Übernachtungen, in denen kein Auge geschlossen worden war, Gespräche, deren Wortlaut niemals jemand hören würde und Versprechen, die gebrochen worden sind.

»Herr Muto?«

Seine Stimme krächzt, als habe er nicht genug getrunken.

 »Herr Muto, ich schließe den Laden für –«

Er lässt den Satz unbeendet.

Yugis Zimmertür steht einen Spalt auf. Er schiebt die Tür weiter und linst hinein, kneift die Augen zusammen, als könne er so das Lachen von Yugi wahrnehmen oder sein Rufen.

»Joey! Guck mal! Ich hab die neue Karte von –«

Er schüttelt den Kopf.

Mitten im Raum steht nicht Yugi, sondern sein Großvater. Er wirkt verloren. In seinen Händen zwirbelt er die Spielfigur, als biete sie ihm Halt. Sein Blick springt zwischen dem gemachten Bett, den Regalen voller Bücher und Spiele und dem Schrank, dem Schreibtisch, auf dem Spielfiguren stehen, hin und her. Es wirkt, als habe Yugi den Raum erst vorhin verlassen.

»Er wird nie wieder hier drin –«, der Satz verliert sich zwischen einem trockenen Schluchzer. Herr Muto dreht sich nicht um, er schaut aus dem Fenster. Seine Schultern beben.

»Seine –«, er bringt das Wort Leiche nicht über die Lippen, »er liegt im gerichtsmedizinischen Institut in Domino. Mein Yugi.«

In Joeys Kopf tauchen Fragen auf, die in solchen Situationen gestellt werden. Aber welche Fragen werden in solchen Situationen gestellt?

»Kann ich etwas für Sie tun? Brauchen Sie etwas? Wie geht es Ihnen?«

Joey fragt nicht, stattdessen teilt er das Schweigen mit Yugis Großvater, atmet die Luft des Raumes ein, in dem Yugi für ihn auf ewig präsent sein würde. Er schließt einen Moment lang die Augen und glaubt, Yugis Schritte zu hören. Im nächsten Moment würde er die Tür öffnen und ihn zu einem Spiel herausfordern.

Joey schlägt die Augen auf.

Niemand öffnet die Tür.

 

Eine Woche später steht er in einem geborgten Anzug mitten unter Menschen mit betroffenen Mienen um ein ausgehobenes Grab. Das Schwarz der Kleidung der Menschen kontrastiert mit dem zarten Grün des Frühlings und der Farbenpracht der Blüten. Die Sonne strahlt und wärmt. Joeys Hemd kratzt, die Hose zwickt und das Schluchzen dieser Frau rechts hinter ihm, die er nicht einmal einordnen kann, raubt ihm den letzten Nerv.

»Alter«, brummt Tris von links, »hör auf damit!«

»Es juckt«, zischt Joey ihm entgegen und kratzt sich am Oberschenkel. Mai schnäuzt sich, um ihr Lachen zu ersticken.

Jemand jammert leise vor sich her und schnäuzt die Nase.

Der Pfarrer erzählt, wie traurig der Verlust ist.

»Hast du Flöhe, oder was?«, spöttelt Tris von der Seite und Joeys Blick versenkt sich in seinem, doch ehe er ihm Konter geben kann, verpasst ihnen jemand von hinten einen Klaps auf den Hinterkopf.

»Jungs!«, knurrt eine Stimme dabei. »Ihr seid nicht mehr in der Mittelstufe!«

»Ist ja gut«, wispert Tris und reibt sich wehleidig seinen Kopf.

Joey wirft einen düsteren Blick zurück.

Thea hat sich kaum verändert, obwohl er sie zuletzt vor sieben Jahren gesehen hat. Ihr braunes Haar trägt sie etwas länger und sie ist ein Stück größer, doch das sind nur Oberflächlichkeiten. In ihren blauen Augen schwimmen Tränen, aber auf ihrer Zunge liegen Worte, die Joey und Tristan sofort zum Schweigen bringen können. Dabei reicht dafür meistens schon ein Blick.

Mai lehnt sich zu ihnen und zwinkert ihnen hinter Thea zu.

Der Pfarrer erzählt, wie schön es war, Yugi zu kennen.

Joey schnaubt und schaut sich um.

Wer von diesen Menschen hat Yugi schon wirklich gekannt?

Tris, Thea, Mai und er selbst. Yugis Großvater und –

»Wo ist eigentlich Bakura?«, raunt Joey und Tris horcht auf.

Es ist keine Seltenheit, dass Bakura in der Menge nicht auffällt, seine Zurückhaltung und Schweigsamkeit lassen über ihn hinwegblicken, doch sein weißblondes Haar sticht gewöhnlich aus der Masse hervor. Joey entdeckt ihn nicht.

»Mh, seltsam«, murmelt Tris.

Der Pfarrer erzählt, wie viel Freude Yugi in das Leben so vieler gebracht hat.

Yugis Großvater hält sich auf den Beinen.

Joeys Blick wandert weiter und sein Rücken versteift sich, als er ihn entdeckt.

Gegenüber, hinter der Menschenmenge, lehnt ein hochgewachsener Mann an einem Baum und beobachtet. Sein weißer Mantel sticht zwischen dem Braun und Grau der Baumstämme hervor. Sein Kinn gereckt, seine Arme vor der Brust ineinander gefaltet, steht er da, daneben ein junger Mann mit schwarzem Schopf, der ersteren überragt.

»Was macht denn Kaiba hier?«, murrt Tris.

»Er war ebenfalls mit Yugi –«, Thea zögert, »befreundet.«

»Befreundet«, spöttelt Tristan, »Mokuba hat ihn bestimmt hierher geschleift«, doch verstummt, als sein Blick auf Joey fällt.

Der gibt kein Zeichen, dass er zugehört hat, stattdessen reißt er seinen Blick von Kaiba los und konzentriert sich auf die Rede des Pfarrers.

Irgendwann  treten die Menschen nacheinander vor und werfen Blumen in das Grab. Joey erschließt sich der Sinn nicht.

Als er vor dem offenen Grab steht, kramt er zwei Spielfiguren aus seinen Hosentaschen, blinzelt, wirft einen Blick zurück und wirft sie heimlich hinunter.

Yugi braucht keine Blumen, er hat stets Spielfiguren bevorzugt. Das würde sich sicherlich auch nicht im Tod ändern.

»Joey, wusstest du, dass die Niederlage in Spielen den Tod symbolisiert?«

»Echt? Komisch, Alter.«

»Mh, ja, aber wenn man drüber nachdenkt. Sag mal, hast du Angst vor dem Tod?«

»Hä? Was ist'n das für'ne bekloppte Frage? Natürlich. Jeder hat Angst vorm Tod.«

»Naja. Ich glaub, ich habe keine Angst vorm Tod.«

»Nee, ist klar, Yugi.«

»Ehrlich. Ich glaub, ich hab höchstens Angst vorm Sterben.«

»Komm, Joey«, spricht Thea ihm zu, »komm mit.«

Er spürt, wie seine Beine zittern und wie jemand einen Schluchzer loslässt. Seine Stimme versagt ihm, also lässt er sich von Thea und Tris und Mai wie in Trance vom Grab wegführen.

In dem Moment geht ein Raunen durch die Menge.

»Was zur Hö-«

Thea verpasst Tristan einen Rippenstoß, aber murmelt etwas, das sich nach »Dass der sich wagt, hier aufzutauchen, dieser –« anhört.

Joey reckt seinen Kopf und erstarrt.

Ein Mann mit weinrotem Jackett und weißem Haar, das ihm bis zur Schulter reicht, schreitet zum Grab, zwei Männer im Anzug dicht hinter ihm. Eine theatralisch betroffene Mimik zur Schau stellend, wirft er eine weiße und eine korallenrote Rose hinein.

Die Menschen tuscheln. Joey ballt seine Hände zu Fäusten, doch Tris und Thea packen ihn an je einer Schulter.

»Lasst mich los, Leute«, geifert er, seine Stimme zurück, was seine Freunde dazu veranlasst, ihre Griffe zu verstärken.

»Joey, Süßer, halt dich zurück«, ermahnt ihn Mai, »lass dich nicht von dem –«

»Du verdammter Dreckssack!«, brüllt er, blendet seine Freunde aus, die seufzen und ihre Finger an die Stirn legen und sich bemühen, ihn zum Schweigen zu bringen. Doch er zeigt unverwandt mit seinem Finger auf Maximilian Pegasus.

Das Raunen der Menschen schwillt an.

Die Augen von Yugis Großvater weiten sich. Er öffnet den Mund, aber kein Laut tritt über seine Lippen.

»Damit kommst du nicht durch!«, schreit Joey ohne Hemmungen. »Du wirst sehen, das wirst du bereuen! Du verdammter –«

Tristan verpasst ihm einen Schlag in den Magen und er geht ächzend in die Knie.

»Wir treffen uns wie verabredet im Spielladen«, ordnet Thea durch das Getuschel der Menschen an und Tristan schleift Joey an dessen Kragen mit sich.

Das Letzte, das Joey in der Menschenmenge erkennt, ist Maximilian Pegasus' selbstzufriedenes Lächeln.

 

Der Kame-Spielladen ist »aufgrund privater Umstände« geschlossen, wie es ein Schild an der Eingangstür verkündet.

Joey sitzt mit steinerner Miene in der Essecke im ersten Stock und lässt die Tirade seiner Freunde an sich vorüberziehen, während Herr Muto schweigend seine Kaffeetasse umklammert. Den Kuchen hat keiner angerührt.

»Was hast du dir dabei gedacht, Joey?«

»Du bist ein verdammter Idiot!«

»Was glaubst du, was du da von dir gegeben hast, Schätzchen?«

Thea steht breitbeinig und mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihm, während Tristan am Küchentresen lehnt und an einem Kaffee nippt. Mai fährt sich mit einem tiefen Seufzten durch ihre blonden Locken und betrachtet ihn, als sei er ein verlorener Welpe.

»Du kannst nicht einfach solche bescheuerten Drohungen von dir geben, während die Polizei in einem Mordfall ermittelt, Joey!«, tobt Thea und er glaubt, dass nicht viel fehlt, damit sie mit ihren Füßen aufstampft.

Mit einem Ruck erhebt er sich, schreitet zum Fenster, wo er aus dem Fenster in den Garten hinter dem Laden stiert.

»Sie suchen derzeit nach allen möglichen Hinweisen und wenn du –«

»Wir wissen alle, dass der Bastard davon kommt«, flüstert Joey, was Thea verstummen lässt. Er glaubt zu spüren, wie sie und Tris und Mai hinter seinem Rücken Blicke tauschen, aber keiner widerspricht ihm.

»Alter, ich will einfach nur noch aus dem scheiß Anzug raus«, flucht er, drehte sich um und verschwindet aus der Küche.

Er rauscht Richtung Bad, aber bleibt in Yugis Zimmer hängen, schlägt die Tür hinter sich zu und atmet wie nach einem Sprint.

Ein Schniefen durchschneidet die Stille des Raumes.

Er will die Person hinter sich anfahren, sich endlich zusammenzureißen. In dem Augenblick bemerkt er, dass er alleine ist.

 

 

 
 

Frühling, 2008

 

In Yugis Zimmer stapelten sich die neuesten Erscheinungen. Karten-, Brett-, Rollen- und Videospiele.

Sie hockten vor den Konsolen und zockten schon stundenlang.

Vor ihnen lagen Chipstüten und Gummibärchen und Schokolade, daneben Flaschen mit Cola und Limo. Eine Pizzaschachtel auf dem Schoß, ein Stück zwischen den Zähnen, hackte Joey mit seinen Daumen auf den Controller ein.

»Ach, verdammt«, stöhnte er, als auf seinem Bildschirm in fetten, roten Lettern »You lost« erschien.

»Sag mal«, begann Yugi mit einem Zögern, während er den Controller zur Seite legte und in der Gummibärchen-Packung kramte. »Nach dem Sommer – ich mein, du gehst ab und machst deine Ausbildung und Tris auch und Thea geht nach Amerika und ich bleibe hier und mach mein Abi und es wird alles ganz anders werden und –«

Joey hob seine Augenbrauen und blickte Yugi von der Seite an, als der verstummte und seine Hände ineinander wrang.

Das Selbstbewusstsein, das ihn durchdrang, wenn er spielte, fiel von ihm ab wie eine Maske. Zurückblieb ein Junge, der vor Verlegenheit seinen Blick gesenkt hielt und seine Hände unter die Beine grub.

»Ich glaub, es wird richtig cool«, bemerkte Joey und griff in einer Tüte nach Chips.

Yugi kaute auf seinen Lippen.

»Ja. Vielleicht«, erwiderte er weniger überzeugt und Joey klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken.

»Du wirst schon sehen, Yugi!«

»Aber – also – wir bleiben Freunde, oder?«, wollte er wissen, ohne ihm in die Augen zu sehen.

Joey riss seinen Mund auf, aber im ersten Moment kam kein Ton über seine Lippen, dann fasste er sich.

»Was? Natürlich! Für immer! Keine Sorge, Alter! Wir bleiben für immer Freunde!«

Joey sah, wie sich ein Lächeln auf Yugis Lippen ausbreitete und in seinem Magen dehnte sich Wärme aus, die ihn grinsen ließ.

»Und irgendwann, wenn du achtzig bist oder so, dann denkste an jetzt und wir lachen uns zusammen einen Ast, was wir für kleine Idioten waren.«

Yugis Blick fand seinen und sie brachen zusammen in Lachen aus.

 

 

 
 

Frühling, 2016

 

Joey sitzt auf der Bettkante in Yugis Zimmer, stützt seinen Kopf mit beiden Händen und starrt auf den Boden zwischen seinen Füßen. Die Krawatte hängt ihm nur halb um den Hals, den Hemdkragen hat er aufgeknöpft. Als sein Phone vibriert, zieht er es automatisch aus der Hosentasche und drückt den Knopf.

Eine ungelesene SMS erscheint auf dem Bildschirm.

Er öffnet sie und Kälte sticht in seinen Bauch.

 

»Das Spiel hat eben erst begonnen. Wer wird als nächstes verlieren? Y.«


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich verspreche mehr Kaiba in den nächsten Kapiteln.

Was haltet ihr von dem Kapitel?

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Kommentare zu dieser Fanfic (15)
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Von:  Tales_
2017-01-15T15:13:18+00:00 15.01.2017 16:13
Hi,
schade dass deine Fanfic nicht fertiggestellt ist, denn sie hat mir vom ersten Moment an gefallen. Horror war zwar bis jetzt noch nicht wirklich mit dabei, aber die Fanfic ist ja auch noch am Anfang. Für den Wettbewerb muss die Fanfic abgeschlossen sein, auch wenn ich sie mit bewerte. Trotzdem danke ich dir für deine Einsendung und ich hoffe du schreibst die Fanfic zu Ende. Ich würde sehr gerne weiter lesen!

Lg Shanti

Von:  Marron
2016-03-09T14:15:27+00:00 09.03.2016 15:15
Aha, hier also das zweite Kapitel. Eine Menge Andeutungen und eine Menge Gedanken, die nicht zu Ende gedacht werden.
Ja, so einige Erinnerungen können schmerzhaft werden. Du hast dieses Merkwürdige bei einer Beerdigung und die Trauer von Herrn Muto super getroffen. Echt, man kann es richtig verstehen, wie Joey Spielfiguren ins Grab wirft anstatt Blumen. Nur frage ich mich, was Kaiba da zu suchen hatte? Wollte er teilnehmen, aber nicht direkt erkannt werden? Oder hat er noch etwas, was ihn antreibt? Wollte er für Joey dasein? Und wusste überhaupt jemand, wieso Pegasus da war und nachher gegrinst hat? *Kopf raucht* ?.?

Man, das wird richtig spannend. Vor allem ist ja nicht geklärt, was mit Mokuba nach dem Flashback nun eigentlich passiert ist. Der wird doch nicht auch tot sein? Mich reizen ja vor allem die Gesprächsstücke, die Yugi hier anstößt. Hat schon was philosophisches, oder nicht? Ich bin WIRKLICH gespannt, was noch kommt, vor allem, da mir PLL langsam auch zu langgezogen vorkam. :)
Von:  jyorie
2016-02-29T06:15:48+00:00 29.02.2016 07:15
Hallo (•‿•)

das wird ja immer verzwickter, was da damals vorgefallen sein könnte mit den Erinnerungen die bei Joey aufflackern, als Yugi noch da gewesen ist. (Finde ich aber sehr spannend ^.^) Schon heftig, wie einem die Gefühle und Erinnerungen mitspielen, wenn das alles wieder aufgewühlt wurde mit dem Fund der Leiche.

Der Zwischenfall auf der Beerdigung mit Pegasus, bedeutet dann wohl, das auch die Freunde nur Vermutungen haben und es noch gar nicht so genau raus ist, was damals passiert ist.

Aufrüttelnd war auch der Cut am Ende, mit der SMS „Das Spiel hat begonnen, Y“ ... klingt fast nach Yami. Wobei ich mir aber nicht vorstellen kann, dass er Yugi etwas tun könnte. *abwarten^^* - auf der anderen Seite hatte Yugi ja auch erwähnt, das ein „GameOver“ so was wie ein Tod ist, wobei ich mir aber auch nicht vorstellen kann, das Yugi an der Sache psychopatischer Weise beteiligt ist und man ihm mit dem GameOver das Handwerk legen müsste.

Liebe Grüße, Jyorie

Von:  -Ray-
2016-02-20T22:12:19+00:00 20.02.2016 23:12
Hallo! Sehr spannend und mystisch das ganze. Zwar stelle ich wage Vermutungen an wo das ganze hinführt doch so wirklich sicher sein kann ich mir nicht. Ich bin gespannt wie es weiter geht und wie sich mokubas verschwinden und bakuras Narben aufklären. Mach weiter so!

Antwort von:  Jaelaki
20.02.2016 23:16
Hey! Danke! : )
Ja, ich wollte gerne etwas Neues für mich ausprobieren.
Mich würde natürlich brennend interessieren, was genau du vermutest, weil ich bisher schwer abschätzen kann, wie viele Hinweise nötig sind, um Fragen und Spannung anzukurbeln und wie viele Hinweise zu eindeutig sind.
(Gerne auch als ENS, sollte dir das angenehmer sein.)
Danke für deinen Kommentar! ; )

Jaelaki
Von: abgemeldet
2016-02-20T11:19:25+00:00 20.02.2016 12:19
Ich finde deine Fanfic unheimlich spannend! Der Text ist so gehalten, dass man auf jeden Fall weiterlesen will/muss. Ich freue mich auf das nächste Kapitel :-)
Von:  Marron
2016-01-25T11:03:45+00:00 25.01.2016 12:03
Oho, da traut sich jemand an die Serie heran, bei der man total raus ist, wenn man eine Folge verpasst. Ich bin beeindruckt und begeistert. (Und ein Fan von "Pretty Little Liars") Bin neugierig, was du daraus machst. Vor allem, dass Yugi das Opfer ist, finde ich spannend.

Das Kapitel ist ein schöner Anfang. Ich denke, man merkt, wie Kaiba und Joey irgendwie aneinander hängen und dann wieder doch nicht. Ich bin neugierig, welches Spiel sie meinen, dass Pegasus verlieren soll. Oder kann. Wissen sie etwas und wollen ihn als Schuldigen hinstellen? Oder ist er wirklich der Schuldige? Mach weiter so!
Antwort von:  Jaelaki
19.02.2016 06:18
Haha, das stimmt wohl! Allerdings finde ich, dass sich auch einiges in der Serie wiederholt. Irgendwann hat mich dieses Katz-und-Maus-Spiel auch etwas genervt. Vielleicht bin ich da aber auch einfach zu ungeduldig? ; )
Diese Geschichte basiert allerdings nur ganz lose auf der »Basisidee« von PLL (also ist kein Crossover oä.), daher bitte nicht zu viel in die Richtung erwarten. Spannung und Verwicklungen gibt es trotzdem reichlich. (*schaut ihre Mind-Map an mit all den Charakteren und Geheimnissen*) ; )

Danke! Das freut mich!
Ich hoffe, du bleibst an der Story dran. ; )

LG Jaelaki
Von:  jyorie
2016-01-25T05:31:24+00:00 25.01.2016 06:31
Hey (#´ー´)旦

Der Titel mit den Lebenslügen gefällt mir sehr gut. Es gibt also etwas was nicht so ist, wie es scheint. Also ist demnach auch noch nicht gesagt, das Joey oder Seto die Mörder von Yugi sind, obwohl sie etwas wissen könnten in Verbindung mit seinem verschwinden. Und so geschockt wie Joey war, als er den Artikel in der Zeitung gelesen hat, wäre wohl jeder Freund, wenn er erfährt, dass jemand den er kannte Tod ist. Yamis Brief stört war etwas das Bild, aber für mich ist Joey und Seto jetzt erst mal unschuldig.

CuCu Jyorie

Antwort von:  Jaelaki
19.02.2016 06:14
Hallöchen!

Ja, über den Titel hab ich etwas gebrütet, aber dann fiel er mir geradezu vor die Füße. ; )
Wer der Mörder ist, verrate ich jetzt hier natürlich nicht (das würde ja die Story versauen!), aber eines muss ich an der Stelle aufklären: Die Yamis spielen – wie oft in meinen Geschichten – keine Rolle.
(Inkl. Ägypten etc.)

Danke für deine Rückmeldung! : )

LG Jaelaki
Von:  Onlyknow3
2016-01-24T12:27:39+00:00 24.01.2016 13:27
Das hört sich mehr als nur spannend an, das erste Kapitel macht neugierig auf mehr davon.
Mir gefällt der Einstieg und wie immer ist Seto so kalt und Abweisend wie wir ihn kennen.
Mach weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Jaelaki
19.02.2016 06:11
Danke! Dann ist der Einstieg schon mal geglückt. Hoffe, der Rest gelingt ebenso! ; )

LG Jaelaki
Von:  Herzloser
2016-01-24T02:50:44+00:00 24.01.2016 03:50
Woah *0* <3
Antwort von:  Jaelaki
19.02.2016 06:11
; -D

<3

LG Jaelaki
Von: abgemeldet
2016-01-23T20:24:38+00:00 23.01.2016 21:24
Wow, klasse! Klingt sehr spannend. Werde auf jeden Fall weiterlesen!
Antwort von:  Jaelaki
19.02.2016 06:10
Danke dir! Das freut mich! : ))

LG Jaelaki


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