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Star Trek - Icicle - 04

Kampftaktiken
von

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Alarmstufe: ROT

Logbuch der USS ICICLE

Commander Pasqualina Mancharella

Sternenzeit: 58684.7

 

Soeben wurde die Red-Alert-Group – eine aus zehn Schiffen bestehende Kampfgruppe des STRATEGICAL STARBASE 71 Komplexes, zu der in dieser Woche auch die U.S.S. ICICLE gehört – von Commander No´Leen Ra Taragenar, dem efrosianischen Stellvertretenden Kommandanten der Station, alarmiert.

Vor weniger als einer Minute war auf STRATEGICAL STARBASE 71 ein Notruf der U.S.S. LIGHTSPEED aus Sektor-1091 eingegangen, der von einer Attacke mehrerer Gornschiffe auf Captain McKinneys Schiff berichtete.

Ich habe sofort Rotalarm auslösen lassen. Lieutenant Singh-Badt hält Verbindung mit der U.S.S. INTRUDER, dem derzeitigen Führungsschiff des RAG-Verbandes, und gibt soeben unsere Startbereitschaft durch. Captain Dheran, der vor einer knappen Stunde erst die Zentrale verlassen, und seine Kabine aufgesucht hatte, wurde bereits von mir alarmiert.

Sobald der Captain der INTRUDER den Befehl erteilt, werden wir in Alarmformation starten, um Captain McKinney und seiner Crew zur Hilfe zu eilen.

 
 

* * *

 

„Aus dem Weg!“, brüllte Tar´Kyren Dheran, während er, im Sprintertempo, um die Gangecke zu Turbolift-2 hetzte. Ein junger bajoranischer Crewman konnte gerade noch zur Seite hechten, damit der Captain ihn nicht einfach überrannte. Noch bevor er richtig wusste wie ihm geschah, war Dheran bereits in der Liftkabine verschwunden, und der junge Bajoraner fragte sich, ob er das eben wirklich erlebt hatte.

Währenddessen war der andorianische Captain bereits in der Kabine von Turbolift-2 verschwunden und auf dem Weg nach Deck 1.

Auf der Brücke blickte der Steuermann, Lou-Thorben Ivarsson, zu Ensign Charall, der bolianischen Navigatorin, und meinte kopfschüttelnd: „Der Captain hat das Glück wirklich gepachtet - ausgerechnet wenn die ICICLE RAG-Dienst schiebt gibt es Alarm.“

Charall nickte nur bestätigend, wobei sie dem Norweger ein verhaltenes Lächeln schenkte, und aktivierte dabei den taktischen Bereich ihrer Konsole, der die Pulsphaser-Kontrollen beinhaltete. Da die Pulsphaser nur in Flugrichtung feuern konnten, unterstanden sie sinnvollerweise ihr, und nicht der Taktik.

„Sie sagen es!“, stimmte Commander Mancharella zu und aktivierte ihren Kommunikator: Commander Mancharella an Commander Kunanga: Vollalarm für alle Jagdstaffeln. Melden Sie mir, wenn Sie einsatzbereit sind, Mancharella Ende.“

Sie wandte sich an Ensign Charall: „Navigator: Verankerung lösen.“

„Aye, Commander.“

Einen Moment später stürmte Captain Dheran auf die Brücke.

Der muss geflogen sein dachte Pasqualina Mancharella flüchtig, als er sie erreichte.

„Bericht“, verlangte er knapp.

„Die LIGHTSPEED wurde von einem Gorn-Verband in Sektor-1091 attackiert und hat einen Notruf abgesetzt“, erklärte die Spanierin ruhig. „Commander No´Leen Ra Taragenar hat uns eben den Einsatzbefehl übermittelt.“

Der Andorianer nickte knapp. „Status?“

„Voll operationsfähig und startbereit, Captain - Unser Jagdgeschwader wurde alarmiert. Vollzug steht noch aus.“

„Danke Commander.“ Dheran wandte sich an Rania Singh-Badt. „Hat sich Captain Frank von der INTRUDER schon gemeldet?“

Die Inderin bestätigte: „Startbefehl läuft soeben ein. Der Verband soll sich formieren. Angriffsformation EPSILON sobald wir gestartet sind.“

„Danke, Lieutenant.“ Dheran blickte hinüber zu Turbolift-1 aus dem soeben Lieutenant Farok heraus trat. „Das hat aber lange gedauert, Mister Farok. Sie übernehmen den Platz an der OPS.

Farok bestätigte knapp und Dheran setzte sich neben seinen XO auf die Kante seines Sessels. Auf dem Hauptschirm erkannte der Andorianer, dass sich die gewaltigen Hangarschotts der Pilzsektion bereits öffneten.

„Mister Ivarsson, wir starten“, forderte er den Steuermann auf, nachdem Captain Sebastian Franks Schiff ein normaler AKIRA-KLASSE Kreuzer, abgelegt hatte und das sich öffnende Schott der Pilzsektion ansteuerte. „Achten Sie darauf, dass Sie dran bleiben.“ Er wandte sich von Ivarsson zu Charall: „Sobald wir draußen sind werden wir umgehend unsere Position in der Formation EPSILON einnehmen.“

Knapp sechs Minuten nach der Alarmierung jagten die zehn Schiffe des RAG-Verbandes, in Keilformation durch das Forlan-System auf die Asteroidenschale zu.

Die zehn Schiffe durchflogen das Asteroidenfeld an einer der weniger dichten Stellen und gingen knapp sechs Minuten nach der Alarmierung auf Warp, um Captain McKinney und seiner Crew zur Hilfe zu eilen...

 
 

* * *

 

Auf der Brücke der U.S.S. LIGHTSPEED, einem Schiff der TANTALUS-KLASSE, herrschte das übliche, geordnete Chaos; wie immer, wenn es zu Kampfsituationen kam.

Captain Angus McKinney, ein kampferfahrener irischer Offizier, den so schnell nichts erschüttern konnte, saß vorgebeugt in seinem Sessel, auf der Brücke, und rieb sich seinen, schon recht früh ergrauten, Vollbart. Die blau-grauen Augen des hochgewachsenen, breitschultrigen Iren drückten jene Härte und Entschlossenheit aus, wie sie für die meisten Captains der Taktischen Flotten üblich war, während er mit verschlossener Miene auf den Bildschirm sah.

Eine Gruppe von fünf schweren Gornkreuzern hatte der LIGHTSPEED am Rand eines unbenannten Sonnensystems aufgelauert. Die schweren Kriegsschiffe schoben sich soeben aus dem Ortungsschatten des äußeren Planeten. Die beiden Inneren der insgesamt sechs Planeten des Systems standen, von der LIGHTSPEED aus gesehen, hinter der kleinen, orange-roten Sonne der K-Spektralklasse, während die nächsten drei beinahe in Opposition, rechts des äußeren Planeten lagen.

Captain McKinney wandte sich an seinen Taktischen Offizier: „Mister Gorall, Waffen klarmachen. Das Feuer werden Sie jedoch erst eröffnen, falls wir angegriffen werden. Schilde aktivieren.“ McKinney wandte sich von ihm zur Noralanerin, Birin Forel: „Versuchen Sie die Gorn anzurufen, Ensign Forel. Ich habe zwar keine große Hoffnung, dass die Brüder antworten werden, aber man weiß ja nie.“

Der Izarianer ersparte sich jeglichen Kommentar und sagte, gleich Forel, lediglich: „Aye, Captain.“ Inaro Gorell kannte schließlich seinen Captain, denn ihm hatte er es zu verdanken, dass er nicht vollends dem Alkohol verfallen war – damals nach dem Dominion-Krieg. McKinney gestattete für gewöhnlich seinem Gegner den ersten Schuss. Allerdings pflegten seine Antworten auf solcherlei Beweise kriegerischen Tuns immer recht heftig aus zufallen.

Neue Offiziere hatten mit dieser Einstellung des Captains anfangs oft Probleme und wurden nervös, doch nach einer gewissen Zeit färbte die ruhige Gelassenheit des hart gesottenen Haudegens auf sie ab, und sie gewöhnten sich an diese Vorgehensweise.

„Keine Antwort, Captain“, antwortete die Noralanerin und warf mit einer schnellen Kopfbewegung ihr violett schimmerndes Haar zurück. Im Gegensatz zu Gorell spielte ihre Hautfarbe etwas mehr ins Grün-Bläuliche.

„Wollen wir genau zwischen den beiden Führungskreuzern hindurch fliegen?“, fragte der andorianische XO, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte an Captain McKinney gewandt. Commander Dharas war bekannt für solche halsbrecherischen Ideen – darin unterschied er sich kaum von anderen Andorianern, die in der 5.Taktischen Flotte dienten. Und nur allzu oft folgte der Captain diesen Ideen. Zusammen mit dem andorianischen Captain, Tar´Kyren Dheran, galt McKinney als einer der risikofreudigsten Captains auf STRATEGICAL STARBASE 71.

Lieutenant-Commander Gorell antwortete mit einem diplomatischen: „Wir könnten den Anschein erwecken, als würden wir den Gorn diesen Gefallen tun.“ Nach Gorells Meinung konnten sie eine ganze Menge machen, aber ganz sicher nicht zwischen den beiden anfliegenden Gorn-Kreuzern hindurch fliegen, ohne in eine atomare Gaswolke verwandelt zu werden.

Im nächsten Moment wandte der Captain sich an den haliianischen Steuermann. „Lieutenant Oriell: schwenken Sie um zwanzig Grad über die Grünkoordinate ab.“

Karon Oriell schien förmlich auf diesen Befehl gelauert zu haben, denn fast augenblicklich drehte die LIGHTSPEED auf den rechten der beiden Gornkreuzer zu.

Die drei Gornkreuzer im Hintergrund reagierten und schwenkten auf einen Abfangkurs ein.

Auf Angus McKinneys angespanntes Gesicht erschien ein grimmiges Lächeln. Er wechselte einen amüsierten Blick mit seinem XO und mit entschlossenem Tonfall sagte er zu Lieutenant Oriell: „Steuermann, wir gehen auf den alten Kurs zurück.“

Oriell reagierte umgehend, obwohl der Kurs, den er das Schiff einschlagen ließ entschieden gegen alles ging, woran er glaubte. Er hoffte nur, dass der Captain, wie schon so oft zuvor, wusste was er tat.

Die Reaktion der Gorn bewies, dass der Captain richtig taktierte. Oriell erkannte nun auch, was der andorianische Commander sich mit dem scheinbaren Wahnsinnskurs gedacht hatte und warum der Captain dem Vorschlag so bereitwillig folgte. Schnell steuerte er den leichten Kreuzer so zwischen die Gornschiffe, dass nur zwei der Feindschiffe auf sie feuern konnten, während das vordere rechte Gornschiff den drei hinteren die Sicht auf die LIGHTSPEED nahm.

Als die beiden Feindkreuzer, ohne Vorwarnung das Feuer eröffneten, beschleunigte Oriell das Schiff.

Gleichzeitig kommandierte McKinney mit ruhiger Stimme: „Feuer, Mister Gorell!“

Der Izarianer reagierte umgehend. Mit den Phasern nahm er die Schilde des rechten Gornkreuzers unter Punktbeschuss, während er drei Quantentorpedos auf exakt dieselbe Stelle feuerte. Als die LIGHTSPEED zwischen den beiden Kreuzern hindurch raste, brach der Schirm des beschossenen Gornkreuzers zusammen. Gleich darauf feuerte Inaro Gorell zwei Quantentorpedos aus den hinteren Launchern auf den schutzlosen Kreuzer, der in einer Energieorgie aus einander brach.

Zwei Phasertreffer schüttelten das Föderationsschiff durch, doch die Schutzschilde hielten stand, während Oriell die LIGHTSPEED in eine enge Wende legte. Noch bevor das Schiff sie vollendet hatte, nahm Gorell das Heck des zweiten Gornkreuzers unter Feuer. Es gelang dem Izarianer den Heckschild des Schweren Kreuzers zu durchschlagen und einen Phasertreffer im Antriebsbereich anzubringen, bevor die anderen Gornkreuzer heran waren und der Captain befahl: „Mister Oriell: Ausweichmanöver DELTA-4!“

Der Haliianer ließ das Schiff über die rechte Seite nach unten weg gleiten, wobei er den hilflos treibenden, beschädigten Gornkreuzer zwischen die LIGHTSPEED und die drei noch voll aktionsfähigen Feindschiffe brachte. Gleichzeitig beschleunigte er das Schiff mit voller Impulsgeschwindigkeit.

Im nächsten Moment meldete sich Birin Forel mit sichtlich erleichterter Stimme. „Captain, zehn Raumschiffe der 5.Taktischen Flotte verlassen soeben, an der Grenze des Systems den Subraum. Sie werden in zwei Minuten hier sein. Captain Frank von der INTRUDER ruft uns.“

„Auf den Schirm, Ensign.“

Im nächsten Moment erschien das gemütlich, beinahe phlegmatisch wirkende, Gesicht des deutschen Captains auf dem Hauptschirm. Nur wer Sebastian Frank näher kannte, der wusste, dass dieser Eindruck vollkommen falsch war. Captain Frank lächelte gemütlich, bevor er sagte: „Sie halten die Red-Alert-Group schon auf Trab, Captain McKinney. Wir nähern uns aus Vektor Gelb – Minus 23. Zeit bis zum Eintreffen liegt bei T minus einhundert. Halten Sie so lange durch?“

„Positiv!“, bestätigte McKinney knapp. „Die Gorn werden sich vermutlich jetzt schon überlegen, ob sie es mit der RAG aufnehmen wollen.“

Frank machte ein zufriedenes Gesicht. „Sobald wir bei Ihnen sind, schließen sie sich der MARYLAND an, und dann werden wir den Spieß umdrehen und diese drei Gorn zur Abwechslung jagen. Frank, Ende.“

McKinney blieb kaum genug Zeit zu bestätigen, bevor die INTRUDER die Verbindung unterbrach.

Gleich darauf meldete Gorell: „Die drei Gorn brechen die Verfolgung ab und fliegen, zu dem beschädigten Kreuzer, zurück in das System.“

McKinney nickte in Gedanken. „Danke, Mister Gorell. Lieutenant Oriell, hart Wenden und Geschwindigkeit an die MARYLAND anpassen, sobald sie uns erreicht.“

„Aye, Sir“, bestätigte Oriell, während Angus McKinney sich im Sessel zurück lehnte und grimmig überlegte, dass es nun anders herum ging, und die Jäger zu Gejagten werden würden.

 
 

* * *

 

Commander Namoro Kunanga saß in der Führungsmaschine des Jagdgeschwaders der ICICLE und wartete angespannt auf das Zeichen zum Einsatz.

Noch ruhte der SKORPION-Jäger, wie alle anderen auch, auf seinen kurzen Auslegern, die magnetisch auf dem Hangarboden verankert waren. Zum zweiten Mal, seit er die Jagdverbände der ICICLE übernommen hatte, würde er sie als CAG – als Commander Air Group – oder Wing-Commander, wie man es früher einmal genannt hatte, in eine Schlacht führen. Er vertraute dabei auf seine Fähigkeiten, und auf die seiner Piloten, die für speziell solche Einsätze trainiert worden waren. Kunanga wusste aber auch, dass es einen gewaltigen Unterschied gab, zwischen Training und Ernstfall. Sie hatten sich jedoch bei ihrer Feuertaufe bestens bewährt, und Kunanga hoffte, dass es diesmal genauso sein würde.

Als der Operations-Officer, von der Brücke aus, Kontakt mit ihm aufnahm, dass der Einsatz in weniger als einer Minute beginnen würde, aktivierte Kunanga die Ringverbindung und befahl: „CAG an Geschwader: X-Zeit minus vierzig Sekunden. Start erfolgt Staffelweise. Ende und Aus.“

Zwanzig Sekunden später öffneten sich die drei Panzerpforten des Roll-On-Roll-Off Hangars und Kunanga aktivierte die Aggregate seiner Jagdmaschine im Leerlauf. Nur die leichtbläulich schimmernden Kraftfelder verhinderten dabei einen sofortigen Druckverlust. Fünf Sekunden vor dem Start fuhr er, als einer der Letzten, die Ausleger ein und zählte in Gedanken die restlichen Sekunden herunter.

Als das Grünzeichen über den Hangarpforten aufleuchtete, und das Kommando des Ops-Officers kam, ging Kunanga auf Volle Beschleunigung. Von einem Augenblick auf den anderen war die Umgebung des Hangars verschwunden und die Schwärze des Weltalls, mit seinen Myriarden von Sternen umgab ihn. Bei den beengten Verhältnissen im Inneren des Jägers, fiel Kunanga spontan eine Aussage das Captains wieder ein, der einmal gemeint hatte: In einen SKORPION-Jäger steigt man nicht ein, den zieht man an.

Seine Instrumente zeigten Kunanga an, dass auch die INTRUDER ihre Jäger gestartet hatte. Auch das Schiff von Captain Frank hatte vierzig der neuen Angriffsjäger an Bord, von denen bereits zehn ausreichten, um auch einem mittelschweren Kreuzer gefährlich werden zu können. Staffelweise zu jeweils zehn Maschinen, formierten sich die Jäger und bildeten vor den Schiffen der RAG einen keilförmigen Abwehrkordon, der unliebsame Überraschungen bereits im Vorfeld verhindern konnte. Fünfhundert Kilometer vor den Schiffen der RAG überschritten die kleinen wendigen Jagdmaschinen die äußere Planetenbahn und hielten Kurs auf den fliehenden Gornverband.

Commander Kunanga rechnete jedoch damit, dass die noch operationsfähigen Kreuzer der Gorn schon bald auf Warp-Geschwindigkeit gehen würden, um sich dem Zugriff der Red-Alert-Group zu entziehen.

Das Komm-Signal unterbrach seine Gedankengänge.

„ICI-101, hier INT-101. Irgend etwas stimmt mit diesen Gorn nicht. Die wissen, dass sie uns haushoch unterlegen sind, mit ihren paar Schiffen. Warum hauen die nicht ab? Kommen.“

Das war Commander Patrizia Miranetti gewesen, die CAG der INTRUDER. Ihre Überlegungen stimmten mit denen Kunangas überein und so erwiderte er: „INT-101, hier ICI-101. Sie haben recht, diese Gorn verhalten sich seltsam. Möglicherweise gibt es einen Stützpunkt der Allianz in diesem System und die LIGHTSPEED hat in ein Wespennest gestochen, als sie hier auftauchte. Kommen.“

„Möglich, Commander. Ich werde mit dem OPS-Officer der INTRUDER Verbindung aufnehmen. Vielleicht haben die Langstrecken-Scanner der großen Schiffe etwas ungewöhnliches aufgefangen. Ende und Aus.“

 
 

* * *

 

Beinahe im selben Moment stellte Tar´Kyren Dheran, auf der Brücke der ICICLE, dieselben Überlegungen an. Mit hochgezogenen Augenbrauen und nach vorn gebogenen Antennen saß er vorgebeugt auf der Kante seines Sessels, blickte Commander Pasqualina Mancharella an und fragte: „Finden Sie es nicht auch merkwürdig, Commander, dass die Gorn nicht verschwinden, sondern in Kauf nehmen von unserem Verband gestellt zu werden?“

„Möglicherweise gibt es einen Orbitalstützpunkt hinter einer der abgewandten Planetenseiten“, orakelte die Spanierin und wies auf den Hauptschirm, in dessen Zentrum der vierte und fünfte Planet zu sehen waren. Die vier Gornschiffe hielten auf einen Punkt zu, der genau zwischen den beiden Planeten lag.

Dherans Antennen richteten sich etwas auf. „Aber Sie sind davon nicht überzeugt?“

Pasqualina blickte Dheran eindringlich an. Davon, dass sie vor zwei Wochen zum ersten Mal mit einander geschlafen hatten, war in diesem Moment nichts zu bemerken.

„Nein, Captain. Die Schiffe würden dann längst zu einem der beiden Planeten abschwenken. Es scheint viel mehr so, als wollten sie uns dazu verleiten, genau zwischen den Planeten hindurch zu fliegen, um uns dann mit dem zu überraschen, was sich möglicherweise im Ortungsschatten der beiden Planeten verbirgt.“

Dheran erlaubte sich ein feines Lächeln und blickte neugierig zu Lieutenant Farok hinüber. „Ihre Meinung, Mister Farok?“

Der Vulkanier hob leicht die Augenbrauen und erklärte ruhig: „Ich errechne eine 67,3-prozentige Wahrscheinlichkeit, für die Annahme des Commanders, Sir.“

„Danke, Mister Farok.“ Dherans Antennen spreizten sich als er seinem XO einen schnellen Seitenblick zu warf. „Dass Mister Farok ein Schlitzohr ist war mir bekannt, aber dass Sie auch zu dieser Gattung gehören, Commander, ist mir neu. Gute Arbeit.“

Er wandte sich an Rania Singh-Badt. „Eine Verbindung zum Führungsschiff des Verbandes, Lieutenant.“

Die Inderin bestätigte und bereits wenige Sekunden später baute sich auf dem Hauptschirm das Abbild der INTRUDER-Brücke auf.

Captain Sebastian Frank saß gelassen, wie es seine Art war, im Sessel des Captain und blickte leicht fragend. Der Captain der INTRUDER war gelernter Anwalt, was Dheran anfangs zu der Annahme verleitet hatte, dass er bei der 5.Taktischen Flotte fehl am Platz sein könnte. Dass Captain Frank alles Andere war, als ein lahmarschiger Winkeladvokat hatte er jedoch schnell unter Beweis gestellt. Und nicht umsonst hatte Admiral Tarun ihm das Kommando über diesen RAG-Verband übertragen. Darum ließ sich der Andorianer auch nicht vom etwas gemütlichen Aussehen dieses Menschen täuschen. Frank galt als geistiges Chamäleon mit der Intelligenz eines Hochschulprofessors. „Was kann ich für Sie tun, Captain Dheran?“

„Was halten Sie von dem Manöver der Gorn, Captain? Ich fürchte wir sollen genau zwischen die beiden Planeten, vor uns, gelockt werden.“

Captain Frank blieb gelassen. Wir beurteilen die Lage also gleich, Mister Dheran. „Was schlagen Sie vor?“

Dheran erhob sich abrupt und stellte sich in Position. „Unsere kleineren Einheiten können die Planeten außen umfliegen, wenn die Gorn sicher sind, dass wir ihnen folgen. Mit der INTRUDER und der ICICLE im Nacken sorgen wir dafür, dass sie nicht auf die Idee kommen zu wenden und uns zu entkommen. Zusammen mit unseren Jägern sollten wir in der Lage sein, allein klar zu kommen, bis unsere Schiffe die Lage auf der anderen Seite der beiden Planeten sondiert haben. Wenn im Ortungsschatten der Planeten weitere Schiffe der Allianz auf uns warten, dann werden sie zwischen Hammer und Amboss geraten.“

Franks Lächeln vertiefte sich. „Wenn das ihre Idee ist, dann habe ich noch eine bessere Idee: Genau so werden wir es machen. Da die ICICLE als Führungsschiff am Besten geeignet ist, werden Sie das Kommando über die MARYLAND, die LIGHTSPEED, die SIRIUS und die ESSEX übernehmen, wenn wir auf der anderen Seite sind – die Captains werden bereits informiert. Viel Glück, Captain Dheran.“

Es dauerte einen kurzen Augenblick bis Dherans Antennen sich spreizten. „Dann sind wir uns einig. Dheran, Ende.“

Der Andorianer ließ sich wieder auf der Sesselkante nieder. Einen Verband von mehreren Schiffen zu führen, würde eine neue Erfahrung für ihn sein. Dennoch blieb er ruhig. Wenn sein bester Freund einen Verband von 40 Schiffen führen konnte, dann würde er mit dieser Aufgabe auch klar kommen. Er blickte Farok an und sagte: „Mister Farok, Sie bleiben in Verbindung mit unseren Jagdgeschwadern.“ Dann wandte er sich zu Lieutenant Singh-Badt um. „Sie haben es gehört, Lieutenant. Halten Sie Verbindung mit den vier Schiffen und achten Sie auf meine Anweisungen.“

„Aye, Captain!“ Die Stimme der Inderin zitterte leicht.

Pasqualina Mancharella erhob sich und schritt zu ihr an die Taktische Station. „Nur die Ruhe, Lieutenant“, raunte sie der Inderin leise zu. „Sie schaffen das schon.“

Rania blickte die XO dankbar an. Bisher hatten sie beide keinen so optimalen Start gehabt, aber die Inderin hoffte dass sich ihr Verhältnis zum Ersten Offizier der ICICLE bald verbessern würde. Wobei sich die Inderin nicht recht erklären konnte, warum sie und Commander Mancharella einen so holprigen Start mit einander gehabt hatten.

Rania Singh-Badt wäre sicher mehr als erstaunt gewesen, hätte sie geahnt, dass sich Pasqualina Mancharella momentan dieselbe Frage stellte. Die Spanierin kam zu dem Schluss, dass sie nach diesem Einsatz ein klärendes Gespräch mit dem Lieutenant würde führen müssen. Natürlich würde sie der Inderin nicht auf die Nase binden, was der wahre Grund für ihr bisheriges ablehnendes Verhalten ihr gegenüber war – das ging sie nichts an. Aber eine allgemein gehaltene Entschuldigung würde auch ihre Wirkung entfalten. Sie stützte sich mit den Händen auf das Geländer und blickte auf den Hauptschirm.

Irgendwo dort vor ihnen flogen die Jagdgeschwader der beiden AKIRA´s und würden als Erste zu spüren bekommen, ob sich ihr Verdacht bewahrheiten würde.

 
 

* * *

 

Längst waren die beiden Planeten rechts und links aus dem Sichtbereich gewandert, und Namoro Kunanga spürte, dass sich sein Magen rhythmisch zusammen zog.

Vor wenigen Augenblicken hatte der OPS-Officer der INTRUDER mit beiden Jagdgeschwadern Kontakt aufgenommen, und vom Plan der beiden AKIRA-Captains unterrichtet. Wenn deren Vermutung stimmte, dann sollten er, und die Piloten der beiden Jagdgeschwader eigentlich jeden Moment davon erfahren.

Als wären seine Überlegungen das Stichwort gewesen, kam im selben Moment ein Warnsignal von seinen Ortungsinstrumenten.

Kunanga aktivierte die Ringverbindung. „ICI-101 an Geschwader: Feindkontakt! Den Energiesignaturen nach handelt es sich um Schiffe der Tzenkethi. Ende.“

„ICI-101, hier INT-101. Bestätigt. Aber haben sie sich einmal die Werte angeschaut? Ich wusste nicht, dass die Tzenkethi so riesige Schiffe besitzen. Ende.“

Kunanga las die Werte der Scanner ab und hatte das Gefühl, eine eisige Hand würde nach seinem Herzen greifen. Aus dem Ortungsschatten beider Planeten schob sich ein riesiges Schiff von über 800 Metern Länge. Damit übertrafen sie die größten Schlachtkreuzer der Föderation noch um mehr als 100 Meter.

Der Commander hatte noch nie von so großen Kreuzern, oder Trägerschiffen, der Tzenkethi gehört. Bisher hatte der Sternenflotten-Geheimdienst stets davon gesprochen, dass dieses Volk nur über eine große Anzahl kleiner Schiffe verfügte. Mit einer so unangenehmen Überraschung hatte er nicht gerechnet.

Bereits im nächsten Moment wurde ersichtlich, dass die Lage noch weitaus unangenehmer werden würde, denn zahlreiche Jagdmaschinen – ebenfalls mit eindeutigen Tzenkethi-Signatur – traten aus dem Ortungsschatten beider Planeten heraus und hielten Kurs auf die Jagdgeschwader der Föderation. Und so wie es aussah, waren sie ihnen zahlenmäßig mindestens 2:1 überlegen.

Die Stimme des Operations-Officers der INTRUDER klang auf: „Chief-Flight-Operations an Jagdgeschwader. Sie haben Befehl die anfliegenden Jäger der Tzenkethi abzufangen. Es besteht Grund zur Annahme, dass der Feind auch Jagdbomber mit im Verband hat. Diese sind vordringlich abzufangen. Um die Trägerschiffe der Tzenkethi kümmern sich INTRUDER und ICICLE, Ende.“

Der ist lustig, dachte Kunanga. Als wären die vier noch übrigen Gorn-Kreuzer nicht vorhanden. Danach bestätigte er und nahm Verbindung zu den drei übrigen Staffelführern des ICICLE-Jagdgeschwaders auf.

„Kunanga an Staffelführer: Staffel Eisvogel und Staffel Eisbär übernehmen, etwas hängend, den Flankenschutz. Staffel Eisfee bleibt an meiner Seite. Wir nehmen Keilformation ein, greifen frontal an und fliegen eine harte Wende. Quantentorpedo-Einsatz erst nach dem Durchbruch. Kunanga, Ende.“

Noch während die drei Staffelführer bestätigten, nahmen die Jäger bereits ihre Positionen ein. Anerkennend stellte er, bei einem Blick auf die Instrumente fest, dass Patrizia Miranetti eine ähnliche Formation befohlen hatte.

Noch befanden sich die gegnerischen Verbände etwa 10 Millionen Kilometer von einander entfernt, wobei sie sich gegenseitig mit etwa 70.000 Kilometern pro Sekunde einander näherten. Damit blieb noch etwa eine Minute Zeit, bis die gegnerischen Einheiten auf einander prallen würden. Wahrscheinlich sogar etwas mehr, da beide Verbände, zur besseren Manövrierfähigkeit auf halben Impuls verzögern würden. Das wiederum gab den leichten Einheiten der RAG die Gelegenheit die Planeten zu umrunden um den Gegner in die Zange zu nehmen. Noch eine Minute, dann ging der Tanz los.

 
 

* * *

 

Mit voller Impulsgeschwindigkeit jagten die MARYLAND, die LIGHTSPEED, die SIRIUS und die ESSEX in knapp 5000 Kilometern Abstand zur Oberfläche, um den namenlosen Planeten, der nur eine dünne Methanatmosphäre aufwies, herum.

Mit einem Abstand von wenigen Schiffslängen zu einander flogen die MARYLAND und die LIGHTSPEED an der Spitze, während die SIRIUS, ein Schiff der STEAMRUNNER-KLASSE unter Captain Chris O´Donnell den Planeten etwas näher am Südpol umflog um die etwas geringere Geschwindigkeit seines Schiffes durch einen kürzeren Weg zu kompensieren. Die ESSEX ein Schiff der SABRE-KLASSE, flog aus demselben Grund ein identisches Manöver auf der entgegengesetzten Seite des Planeten. Auf diese Weise würden die vier Schiffe, etwa zur selben Zeit, an drei unterschiedlichen Punkten hinter dem Planeten auftauchen und ihn hoffentlich überraschen.

Auf der MARYLAND warf Captain Revers, ein erfahrener Captain von 52 Jahren, dessen Haare bereits vor Jahren schon frühzeitig ergraut waren, seinem Ersten Offizier einen grimmigen Blick zu.

Commander Kristin Perkins, eine Australierin von Mitte Vierzig, die hinter ihm an der Taktischen Station arbeitete, erwiderte ihn schmunzelnd, weil sie ahnte, was zum Teil an diesem leichten Grimm schuld war. Schließlich kannten sie, und der Captain, sich seit beinahe acht Jahren. Ihre Heiterkeit schlecht verhehlend, sagte sie leise: „Der Große Blaue kocht auch nur mit Wasser. Wenn Sie eine AKIRA fliegen würden hätte Frank sicherlich Ihnen das Kommando über den Halbverband übertragen.“

„Machen Sie sich darüber mal keine Gedanken, Kristin“, raunte Revers zurück. „Dieser andorianische Bengel kann schon was. Das wird ohnehin eine ziemliche Prügelei werden, mit den Tzenkethi, und Sie wissen doch, dass ich Prügeleien verabscheue.“

„Und wie“, spielte die Australierin das kleine Geplänkel mit. „Nie gab es einen friedfertigeren und verständnisvolleren Pazif...“

„Das reicht, Commander“, zischte Revers und sein Blick sagte Kristin Perkins dass es keine gute Idee gewesen wäre, den kleinen Ulk noch weiter auf die Spitze zu treiben.

„Aye, Sir“, antwortete der XO förmlich, doch das vergnügte Funkeln ihrer Augen verriet Revers, wie es wirklich um ihre Gemütslage bestellt war.

Frank Revers seufzte entsagungsvoll und meinte dann: „Alle Waffensysteme bereit halten, Commander. Feuerbefehl abwarten.“

„Aye Captain“, antwortete die blonde Frau grinsend und konzentrierte sich wieder auf ihre Aufgabe.

Als die USS MARYLAND in Dienst gestellt wurde, hatte man keinen geeigneten Kandidaten als Taktischen Offizier finden können. Als die 5.Taktische Flotte kurze Zeit später Qo´nos gegen einen Angriff der Allianz verteidigen musste, hatte Kristin Perkins die Aufgabe des Taktischen Offiziers, zusätzlich zu ihren Obliegenheiten, als Erster Offzier des Schiffes übernommen. Diese Einteilung hatte sich so gut bewährt, dass es bei dieser Aufgabenverteilung geblieben war.

Einen Moment später meldete der Steuermann: „Wir treten aus der planetaren Deckung heraus. Vier Gornkreuzer kommen direkt von vorne auf uns zu.“

Frank Revers nickte grimmig: „Die verspeisen wir zum Frühstück. Die restlichen Schiffe der RAG können dann ja die Knochen abnagen.“

„Feindschiffe noch 500.000 Kilometer entfernt“, ergänzte Lieutenant-Commander Meraxan, der benzitische Einsatzoffizier, ohne auf den Spruch einzugehen.

Auch Commander Perkins widmete sich aufmerksam ihren Anzeigen auf der Konsole. Eines ihrer Markenzeichen war, dass sie sich im Gefecht, zu 100% konzentrierte, egal was um sie herum passierte.

„Quantentorpedos bereit“, sagte Revers ruhig und beugte sich ein Stück im Captains-Sessel nach vorne.

Meraxan begann die Entfernung laufend durch zugeben.

Als die 300.000 Kilometermarke unterschritten wurde gab Revers das Kommando: „Ziel nach eigenem Ermessen! Feuer frei!“

Die Australierin reagierte prompt.

In schneller Folge jagten sechs grellweiß glühende Torpedos auf den vorderen der Gornkreuzer zu. Zeitgleich griffen die anderen drei Schiffe in den Kampf ein. Auch die LIGHTSPEED feuerte auf das Schiff, welches Kristin Perkins auf´s Korn genommen hatte. Bereits die letzten beiden Torpedos drangen zum Schiffskörper durch und richteten verheerende Schäden bei dem länglichen Gornschiff an. Vier Quantentorpedos der LIGHTSPEED schlugen mittschiffs des nun ungeschützten Gornkreuzers ein und rissen ihn, in einer grellen Explosion, auseinander.

Die beiden Leichten Kreuzer schwenkten ab. Während die MARYLAND über die Grünkoordinate ausscherte um die SIRIUS zu unterstützen, drehte die LIGHTSPEED in den Rotsektor ab und nahm bereits wieder einen Gornkreuzer unter Feuer.

„Die geben sich nicht mit den Knochen zufrieden“, stellte Kristin Perkins ironisch fest, während sie das abdrehende Gornschiff unter Phaserfeuer nahm. Zusammen mit drei Torpedos aus den hinteren Launchern und der Feuerunterstützung der SIRIUS, bedeutete dies das unrühmliche Ende auch dieses Gornschiffes, dass in einer Kaskade aus Energie in mehrere Teile zerbrach, die wirbelnd auseinander drifteten.

„Taktische Anzeige!“, befahl Revers und Kristin Perkins schaltete den Hauptschirm in den Taktikmodus. Augenblicklich erkannte Revers, dass die SIRIUS und die ESSEX, zusammen mit den fünf Schiffen, die nun von der anderen Seite auf die restlichen beiden Gornschiffe zu jagten, spielend mit dem Gegner fertig werden würden.

Im selben Moment meldete Meraxan: „Signal von der ICICLE, Captain. Die MARYLAND und die LIGHTSPEED sollen aufschließen.“

Revers erkannte auf der taktischen Darstellung, dass drei Schiffe des anderen Halbverbandes ebenfalls abdrehten um sich den beiden riesigen Tzenkethi-Trägerschiffen zuzuwenden. „Steuermann, setzen Sie einen Kurs. Ziel: Das Schiff der Tzenkethi im Grünsektor.“

Während das Schiff einen neuen Kurs einschlug, dachte Revers, der die vielen kleinen Punkte zwischen den Planeten betrachtete, dass er nicht in der Haut der Jagdpiloten stecken mochte.

 
 

* * *

 

Der gegnerische Jagdbomber der Tzenkethi verwandelte sich in eine Energiewolke, als Kunanga schon dachte, er würde direkt in das Schiff hinein fliegen. Das Arbeitsgeräusch der Systeme steigerte sich hörbar und für einen Moment schnellte die Belastungsanzeige des Schutzschirms auf fast einhundert Prozent, als seine Maschine durch die Energiewolke hindurch flog. Im nächsten Moment war er hindurch und Kunanga atmete erleichtert aus.

Zwei Disruptorstrahlen verfehlten den Jäger um Haaresbreite. Dann waren sie durchgebrochen und Kunanga gab Befehl zu wenden. Noch war das Geschwader der ICICLE komplett. Kunanga hoffte, dass es so bleiben würde.

Während sie nun die Jäger und Jagdbomber der Tzenkethi verfolgten, stellte der Commander fest, dass die Feindjäger in enger Formation flogen.

„Das werden wir zu unserem Vorteil nutzen“, brummte Kunanga und gab Befehl: „Kunanga an ICICLE-Geschwader: Torpedoeinsatz auf mein Kommando.“

Der CAG der ICICLE war kaltblütig genug zu warten, bis die Tzenkethi fast auf Schussweite an die beiden AKIRAS heran gekommen waren, bevor er den Feuerbefehl gab.

Aus den beiden Torpedolaunchern an den Flügelspitzen der Jäger, jagten Quantentorpedos, grellweiß auf die Jägerpulks der Tzenkethi zu. Dabei versuchte Kunanga sich die Überraschung auf Seiten des Gegners vorzustellen, denn normalerweise besaßen so kleine Maschinen, wie die SKORPION-Jäger keine Torpedo-Bewaffnung.

Drei Sekunden später explodierten die Torpedos in den Pulks der Tzenkethi und die Tönung der Frontscheibe verstärkte sich übergangslos, um das Licht der grellen Explosionen auf ein erträgliches Maß abzumildern.

Dennoch kniff Kunanga instinktiv die Augenlider zusammen. Für eine Weile erkannte er nur den gewaltigen Wirbel aus Licht, dem sein Geschwader auswich. Sekunden später wurde ersichtlich, dass nur eine Handvoll Jäger der Tzenkethi den gewaltigen Feuerüberfall der beiden Geschwader funktionsfähig überstanden hatten. Bevor sie gefährlich werden konnten, waren die Staffeln der beiden Trägerschiffe auf Schussweite für die schweren Pulsphaser an der Spitze der Rückenfinne, die tatsächlich den Eindruck vermittelten, die Jäger würden eine Art Giftstachel besitzen.

Kompromisslos eröffneten die Föderationsjäger das Feuer und vernichteten innerhalb einer halben Minute die restlichen Jagdmaschinen des Feindes.

Es war nichts weiter als ein Zufall, dass Kunanga den Break-Befehl erteilt, und bereits zur Wende angesetzt hatte, als zwei grell-grün gleißende Strahlen durch die Formation der Jäger schnitten und sich am Abwehrschirm der ICICLE trafen.

Kunanga hatte keine Zeit darauf zu achten, sondern machte sich bereit, nun gegen eines der feuernden Tzenkethi Schlachtschiffe vor zu gehen. So bekam er nicht mit, wie der Schutzschild der ICICLE grell aufleuchtete und nach wenigen Sekunden zusammenbrach. Er machte sich bereit zum Angriff auf das kapitale Schiff.

 
 

* * *

 

Nur der blitzschnellen Reaktion von Lieutenant Ivarsson war es zu verdanken, dass die ICICLE von den schweren Disruptoren der Tzenkethi nicht voll getroffen wurde. Bevor die Schilde endgültig versagten, zwang er das Schiff in eine harte Rechtswende nach oben, wobei Oben natürlich ein relativer Begriff im Weltall war.

So trafen die beiden Kampfstrahlen den Leichten Träger nur an einer Randsektion des linken Katamarans, vor dem Pylon der Warpgondel. Für einen kurzen Augenblick kamen mehrere Gravos durch, als das Schiff aus dem Kurs gerissen wurde und es kam zu zahlreichen leichten und mittleren Blessuren unter der Besatzung.

„Womit schießen die auf uns?“, donnerte Dherans erboste Stimme durch die Zentrale. Ungläubig blickte er von Rania Singh-Badt, die, über ihre Taktische Konsole hinweg, halb über ihn geworfen worden war, zu Jörn Harling, der fieberhaft an seiner Konsole arbeitete.

„Überschwere Disruptoren, Sir“, kam die prompte Antwort des Wissenschaftlers, während die Inderin mit geröteten Wangen auf ihren Platz zurück kletterte. „Allerdings scheinen sie genau auf unserer Schildfrequenz zu arbeiten.“

„Zufall?“

Jörn Harlings wenig geistreiches Gesicht sprach Bände. „Unbekannt, Captain.“

Während Commander Pasqualina sich um die Schadensmeldungen kümmerte, wies Dheran die Taktik an: „Feuer nach eigenem Ermessen erwidern, Lieutenant Singh-Badt.“

„Aye, Sir!“ Sie vergaß die peinliche Szene von eben und schaltete gedanklich sofort um. Bereits im nächsten Moment jagten die ersten Quantentorpedos aus den hinteren sechs Torpedolaunchern auf die Trägerschiffe der Tzenkethi zu.

„Die Schilde der Gegner halten bei 37%, obwohl mindestens sieben Torpedos im Ziel saßen“, meldete die junge Inderin einen Moment später ungläubig. „Regenerieren sich bereits wieder.“

Dheran benutzte einen andorianischen Kraftausdruck, den zum Glück niemand auf der Brücke verstand – hoffte er zumindest. Dann befahl er knapp: „Verbindung zur INTRUDER!“

Kaum, dass die Verbindung stand, begann Captain Frank, zu sprechen: „Wir haben es gesehen, Captain Dheran. Rufen Sie ihre Jäger zurück, und sagen sie den vier Schiffen Bescheid. Wir verschwinden hier. Wer weiß, was die noch im Ärmel haben!“

„Sehe ich auch so!“, stimmte Dheran finster zu, dem ein Rückzug zwar nicht passte, der aber einsah, dass man hier auf verlorenem Posten stehen würde, sollten noch weitere Schlachtschiffe der Allianz, mit ähnlichen Waffensystemen hier auftauchen. „Dheran, Ende.“

Ohne eine besondere Aufforderung abzuwarten, hatte Farok bereits die Jäger informiert. Auch Rania Singh-Badt schaltete bereits auf die Frequenz der vier Schiffe des Halbverbandes. Während sie auch Revers, O´Donnell, McKinney und Captain Hu Xin Li von der ESSEX unterrichtete, warf Dheran ihr einen wohlwollenden Blick zu, der sich schnell verlor, als er den prüfenden Seitenblick seines XO bemerkte.

Die beiden AKIRA-Träger wendeten bereits, wobei die INTRUDER die angeschlagene ICICLE deckte, deren Schutzschirm sich bereits wieder aufbaute.

Auf der ICICLE blickte Tar´Kyren Dheran, nun wieder gewohnt distanziert, zu Lieutenant Singh-Badt und wies sie an: „Geben Sie Großalarm für STRATEGICAL STARBASE 71, Miss Singh-Badt. Wenn die Tzenkethi und die anderen Völker der Allianz auf den glorreichen Gedanken kommen sollten, ihre Kampfschiffe zusammen zu ziehen, und einen Angriff auf das Forlan-System zu starten, dann stecken wir bis über beide Antennen im Dreck.“

„Aye, Captain!“ Die Inderin nahm die entsprechenden Schaltungen vor. Gleich darauf meldete sie: „Signal wird durch Interferenzen gestört, Sir.“

„Ursprung feststellen!“ Dann rief er Farok zu: „Wie weit sind Sie mit dem Einschleuse-Manöver unserer Jäger?“ Dheran beschränkte sich auf die nötigste Kommunikation.

„Hangartore sind geöffnet – Jäger im Anflug. Schilde wurden partiell gesenkt“, gab Farok ruhig Auskunft. Gleichzeitig versuchte Rania Singh-Badt weiter Kontakt mit STRATEGICAL STARBASE 71 zu bekommen. Erfolglos.

Einen Moment später meldete Lieutenant Singh-Badt: „Interferenzen kommen aus der Nähe des Dritten Planeten. Moment, Sir, soeben empfange ich die Ortungsimpulse von sieben weiteren großen Schiffen. Eindeutig Schlachtschiffe der Gorn. Von ihnen gehen die Impulse aus, die unseren Subraum-Langstreckenfunk stören.“

„Eine Verbindung zur MARYLAND!“, befahl Dheran.

Einige Sekunden später erschien das Konterfei von Captain Revers auf dem Hauptschirm. Freundlich beugte Revers sich im Sessel vor und hob an zu fragen, was Dheran wünschte, doch der Andorianer kam ihm zuvor und meinte laut: „Zuhören, Revers! Sie werden mit Ihrem Schiff STRATEGICAL STARBASE 71 anfliegen – mit Allem was ihre miserablen Warpgondeln hergeben. Mir ist egal, ob Sie das Schiff zu Schanden fliegen, aber Sie müssen Admiral Tarun berichten, was sich hier abspielt – und das ein wenig Zack. Er soll Großalarm für die Station geben, damit die Allianz unser HQ nicht mit herunter gelassenen Hosen erwischt. Haben Sie verstanden?“

Revers wirkte für einen Augenblick als habe man ihn überfahren, doch dann straffte sich seine Haltung und er entgegnete knapp: „Aye, Captain Dheran. Wir sind schon weg!“

Dheran nickte ihm knapp zu und gab Rania Singh-Badt ein Zeichen die Verbindung zu unterbrechen.

Im nächsten Moment gab Farok bekannt: „Der letzte Jäger ist gelandet. Die Hangartore werden bereits geschlossen.

Dheran dankte und sagte zu Rania Singh-Badt: Feuern sie weiter nach eigenem Ermessen auf die beiden Tzenkethi-Träger. Achten Sie darauf, ob weitere neue Einheiten ankommen!“ Danach wandte er sich an den Norweger: „Mister Ivarsson: Abschwenken über die Grünkoordinate. Ausweichmuster THETA-7.“

Ivarsson bestätigte und die ICICLE schwenkte hart nach rechts.

Der Steuermann der INTRUDER, der auf dieses Manöver anscheinend nur gewartet zu haben schien, lenkte das Leitschiff ebenfalls auf einen anderen Kurs. Keinen Moment zu früh, denn schon im nächsten Moment jagten zwei grelle Disruptor-Strahlen zwischen beiden AKIRA-Schiffen hindurch.

„Sir, die INTRUDER ruft uns über Ringverbindung“, meldete die Inderin von der Taktik.

„Auf den Schirm.“

Sebastian Franks Gesicht erschien auf dem Schirm. Dheran wusste, dass er gleichzeitig auf den Bildschirmen der anderen Föderationsschiffe zu sehen war. „Wir werden uns in das Forlan-System zurückziehen. Gegen Schiffe mit dieser Feuerkraft benötigen wir Unterstützung. Captain Frank, Ende.“

Dheran bestätigte und wies Ensign Charall an einen Kurz zu setzen. Dann legte er Lou-Thorben Ivarsson eine Hand auf die Schulter und sagte: „Volles Programm, Mister Ivarsson.“

Der Norweger bestätigte und nahm die entsprechende Schaltung vor. Einen Moment später blickte er ungläubig zu Dheran auf. „Das Schiff reagiert nicht, Sir!“

Dheran tippte auf seinen Kommunikator: „Bericht, Mister McMahan! Was ist mit unseren Maschinen los?“

Ein schnaufendes Geräusch kam über den Kommunikator, bevor der Chief überrascht antwortete: „Alle Aggregate arbeiten mit Nominalwerten, Sir. Was soll denn mit den Maschinen nicht stimmen?“

„Wir sind nicht in der Lage auf Warp zu gehen – das stimmt nicht mit unseren Maschinen. Sind Sie sicher, dass kein Fehler an unseren beiden Warpkernen, den Warpgondeln, oder an anderen Schlüssel-Aggregaten vorliegt, Chief?“

„Absolut, Sir! Hier ist alles in Ordnung.“

Noch während sich die Gedanken hinter der Stirn des Andorianers jagten, meldete Rania Singh-Badt: „Captain, die anderen Schiffe der RAG haben dasselbe Problem, wie wir. Kein Schiff ist in der Lage den Warpantrieb zu aktivieren.“

Sowohl Dheran, als auch Pasqualina Mancharella wandten sich bei diesen Worten in Richtung Jörn Harling. Dheran schritt zur Station des Wissenschaftlers und fragte ungeduldig: „Können Sie dort draußen etwas anmessen, das Auswirkungen auf unsere Überlicht-Aggregate hat, Mister Harling?

„Ich registriere eine merkwürdige Subraumanomalie, Sir. Aber eine so flache Energiekurve habe ich zuvor noch nie gesehen. Sie scheint ihren Ursprung bei den beiden Planeten zu haben.“

Dherans Antennen bogen sich so scharf nach vorne, dass Pasqualina, die ihm einen schnellen Seitenblick zu warf, schon befürchtete, sie würden sich über das normale Maß hinaus, in die Länge strecken. „Wollen Sie etwa behaupten, die Tzenkethi oder die Gorn haben d´ran gedreht, dass wir hier nicht weg können? Das ist doch...“ Der Andorianer hatte unmöglich sagen wollen, doch seit er, vor einigen Monaten, das Transwarpnetz der Cryllianer kennen gelernt hatte, wusste er ziemlich genau, dass man dieses Wort besser aus seinem Sprachschatz streichen sollte.

„...ungeheuerlich!“, beendete Dheran den begonnenen Satz schließlich und blickte sich zu Commander Mancharella um. „Commander, geben Sie Mister Kunanga Bescheid. Möglicherweise muss er noch einmal hinaus.“

„Aye, Captain!“

Während die Spanierin den CAG von der aktuellen Lage unterrichtete, wandte sich der Andorianer zur CON. „Lieutenant Ivarsson, scharfe Wende! Ensign Charall: Setzen Sie einen Angriffskurs auf den Träger der Tzenkethi, der sich uns am nächsten befindet.“

„Sir, Captain Frank ruft uns“, meldete sich die Inderin von der Taktik. „Ich schalte auf den Hauptschirm.“

Dheran warf ihr lediglich einen zustimmenden Blick zu und wandte sich dem Konterfei des Captains der INTRUDER zu.

„Wie ich sehe, haben Sie sich den Gegner bereits ausgesucht“, begann Frank. „Konzentrieren Sie und ihr Halbverband das Feuer auf diesen Tzenkethi Träger. Ich werde mich, mit dem Rest um den anderen Träger kümmern. Start für alle SKORPION-Jäger – die müssen uns die Gorn vom Hals halten, soweit es irgendwie geht. Frank, Ende.“

„Verstanden, Ende.“

Während Dherans XO bereits handelte, und Kunanga den Startbefehl übermittelte, begab der Andorianer sich zu seinem Platz und setzte sich auf die Kante seines Sessels. Auf den Hauptschirm blickend fragte er sich nachdenklich, warum keine andere Einheit der Sternenflotte auf den ersten Notruf, von Angus McKinney, geantwortet hatte. Mindestens zwei Sektorenflotten befanden sich innerhalb der Rufreichweite seines Schiffes, darunter die seines besten Freundes. Man könnte jetzt seine Hilfe ganz gut gebrauchen.

Die Stimme von Rania Singh-Badt riss ihn aus seinen Überlegungen.

„Captain, vierzig schwere Einheiten verlassen den Subraum und dringen von oben in das System ein!“

„Ich ahnte es – die Gorn machen den Sack zu. Wann sind die Schiffe in Schussweite, Lieutenant Singh-Badt?“

„In weniger als einer Minute, Captain. Aber es sind keine Gorn. Ich messe eindeutig Sternenflottensignaturen an. Wir werden auf Ringverbindung gerufen!“

„Auf den Schirm!“

Zu Tar´Kyren Dherans Überraschung wurde das Abbild seines Freundes Valand Kuehn auf dem Schirm sichtbar. Und auf den Schirmen der anderen Schiffe des Verbandes.

Captain Frank orientierte den Konteradmiral über die Lage. Dheran bekam mit, wie Kuehn Captain Frank anwies mit den Schiffen der Taktischen Flotte zu den beiden Planeten durchzubrechen, die Basen zu finden und auszuschalten, die für die Subraumstörungen verantwortlich waren. Er selbst wollte sich um die Schiffe der Allianz kümmern. Kaum hatte Kuehn abgeschaltet, als Frank sich meldete und ihn anwies den Startbefehl für die Jäger zurück zu nehmen und mit seinem Halbverband den vierten Planeten anzufliegen. Frank selbst schwenkte, mit seinen Einheiten bereits in Richtung des fünften Planeten ab.

Dheran gab den Befehl weiter und die ICICLE hielt mit ihren nunmehr nur noch drei Begleitschiffe auf den vierten Planeten zu.

„Captain, ich habe die Koordinaten der Planetenbasis errechnen können“, meldete Jörn Harling triumphierend. „Ich überspiele die Daten zur Navigation und zur Taktik.“

„Gute Arbeit, Mister Harling“, lobte der Andorianer und fügte mit grimmiger Entschlossenheit hinzu: „Miss Singh-Badt, Daten an unsere Begleitschiffe senden. Quantentorpedo-Einsatz, sobald wir in Schussweite sind.“

Die Inderin bestätigte, während die vier Schiffe auf einen Punkt in der Nähe des Nordpols, des vierten Planeten zu hielten. Dabei fand es der Andorianer gar nicht so schlimm, dass die Gorn den Subraumfunk unterbanden. Er war ohnehin kaum in der Stimmung den Echsen ein Ultimatum zu stellen und Gefangene zu machen. Er glaubte auch nicht, dass die Gorn darauf eingehen würden.

Die Schiffe der 5.Taktischen Flotte näherten sich unaufhaltsam dem Planeten. Alle Einheiten warteten nur auf den Feuerbefehl vom Captain des Führungsschiffes. Als die vier Einheiten die Entfernung von 300.000 Kilometern unterschritten wandte sich Tar´Kyren Dheran an die Inderin: „Feuer, Miss Singh-Badt.“ Gleichzeitig gab er den Befehl, via Ringverbindung, an die Captains der übrigen drei Schiffe.

Innerhalb weniger Augenblicke feuerten die vier Schiffe mehr als fünfzig Quantentorpedos ab, die alle auf einen einzigen Punkt der Planetenoberfläche zu hielten. Gleichzeitig verzögerten die vier Schiffe, wobei sie weitere Wellen von Quantentorpedos abfeuerten. Seit mehr als fünf Jahren war ein solcher Feuerschlag auf ein einzelnes Bodenziel nicht mehr geführt worden.

Mit elementarer Wucht explodierten die Torpedos, dort wo sich die feindliche Basis befinden musste. Nach einigen Sekunden bildete sich, nach einer verheerenden Sekundärexplosion, die das Ende der Feindbasis anzeigte, plötzlich ein ultraheller Feuerball, der sich schnell über ein Viertel der sichtbaren Planetenoberfläche ausbreitete.

„Sir, wir müssen sofort hier weg!“, brüllte Harling, ungewohnt heftig, von seiner Station. Sein Gesicht war eine Maske des Entsetzens. „Dort unten müssen gewaltige Mengen an Antimaterie und Reaktionsmasse gelagert worden sein, die nun ebenfalls in den Kernprozess mit eintritt. Die Planetenkruste bricht in wenigen Augenblicken!“

Bevor Dheran einen entsprechenden Befehl dazu geben konnte, hatte Rania Singh-Badt alle übrigen Schiffe bereits gewarnt. Über Ringverbindung gab er sicherheitshalber nochmals die allgemeine Warnung, vom vierten Planeten abzudrehen.

Noch während die Schiffe sternförmig abdrehten und mit vollem Impuls auf Gegenkurs gingen, meldete Harling, diesmal wieder beherrscht: „Vom vierten Planeten gehen keinerlei Subraumstörungen mehr aus. Die vom fünften Planeten werden ebenfalls schwächer. Wir sollten ein kurzes Fluchtmanöver mit Warp-Geschwindigkeit riskieren, Sir.“

„Verstanden!“, erklärte Dheran knapp und gab den Befehl, mit Warpgeschwindigkeit auf Abstand zum vierten Planeten zu gehen. Dann wandte er sich wieder an seinen Chefwissenschaftler: „Wie lange noch, Mister Harling?“

„Nur noch wenige Sekunden, Sir!“

Dheran wandte sich seinem Steuermann zu. „Volles Programm, Mister Ivarsson! Sicht nach Achtern!“

Auf dem Hauptschirm war zu erkennen, dass sich glühende Risse über die Oberfläche des Planeten zogen. Einzelne Bruchstücke des Planeten wurden bereits bis in die oberen Schichten der Atmosphäre geschleudert. Die Risse verbreiterten sich und bildeten neue.

Im selben Moment, als Ivarsson auf Warp-Geschwindigkeit beschleunigte, wurde der Planet unter dem Inneren Druck, der nicht mehr länger aufgehalten werden konnte, zerrissen.

Pasqualina Mancharella, die sich bereits im Zentrum der Explosion gesehen hatte, atmete erleichtert auf. Leise raunte sie Dheran zu: „Diesmal waren wir dicht dran.“

Die Antennen des Andorianers bewegten sich schnell zur Seite, um sich gleich darauf wieder aufzurichten. „Eine halbe Sekunde hätten wir sicher noch bleiben können.“ Er zwinkerte Pasqualina verschmitzt zu und wandte sich an Ivarsson. „Wir gehen in zwanzig Sekunden wieder unter Warp, Lieutenant.“ Danach wandte er sich an Rania Singh-Badt und wies sie an den Befehl weiter zu geben.

Als die ICICLE zusammen mit ihren Begleitschiffen einige Million Kilometer außerhalb des Systems auf Impulsgeschwindigkeit verlangsamte, war das Licht der planetaren Katastrophe noch nicht bei ihnen angekommen. Innerhalb der nächsten zehn Minuten trafen auch die restlichen Schiffe der RAG und Kuehns Sektorenflotte-Bajor ein. Die überlichtschnellen Scanner der Schiffe liefen auf Hochtouren. Als zwei Minuten später das Licht der Katastrophe bei ihnen eintraf blickten die Brückencrews gebannt und in grausiger Faszination auf die mit maximaler Vergrößerung arbeitenden Bildschirme. Zunächst schien es so, als würde sich der Planet gegen sein Schicksal wehren zu wollen, doch dann brach er schließlich unaufhaltsam aus einander.

Captain Dheran wandte sich schließlich an Rania Singh-Badt: „Haben Sie feststellen können, ob die Schiffe der Gorn und der Tzenkethi entkommen konnten?“

„Nein, Sir.“ Das Gesicht der Inderin wirkte verschlossen. „Keine Echos feststellbar.“

„Möglicherweise sind diese Schiffe vorher entkommen“, warf Jörn Harling ein. „Diese Wahrscheinlichkeit ist zwar nicht sehr hoch, aber sie besteht immerhin.“

Der Andorianer blickte von ihm zu Rania und meinte schließlich ein wenig verdrießlich: „Vermutlich werden wir es nie erfahren, oder erst dann, wenn die Tzenkethi uns wieder an den Kragen wollen.“

„Sir! Wir werden vom Leitschiff der Sektorenflotte-Bajor gerufen“, meldete die Inderin im nächsten Moment.

„Auf den Schirm.“

Einen Augenblick später wurde die markante Erscheinung von Konteradmiral Kuehn auf dem Hauptschirm der ICICLE sichtbar. Seine Hände hatte er auf den Rücken gelegt und mit einem hintergründigen Schmunzeln sagte er zu dem Andorianer: „Du machst wirklich keine halben Sachen, mein Freund. Hat Admiral Tarun dir denn erlaubt den Sektor aus einander zu nehmen, oder arbeitest du auf eigene Faust?“

„Wenn ich mich recht erinnere habe ich auf den Befehl eines gewissen Konteradmiral der Sternenflotte hin gehandelt, Sir.“

Valand Kuehn lachte offen. „Touché, Captain. Ich habe gerne ausgeholfen. Das soll natürlich keine Erinnerung an die selbstverständliche Dankespflicht der Taktischen Flotte sein.“

„Das war auch dein Glück“, grummelte Dheran unverständlich. Laut sagte er: „Du bist gerade zur rechten Zeit erschienen, Freund Valand. Ich hoffe wir sehen uns demnächst bei den Sektoren-Meisterschaften im Degenfechten.“

„Schon um dich daran zu erinnern, wer dir das Fechten beigebracht hat“, bestätigte Kuehn launig. „Ich bin mal gespannt, wie du dich schlagen wirst.“

„Verlass dich darauf, dass ich seit der Akademie noch Einiges dazugelernt habe.“

„Das gilt für uns beide, Freund Tar.“ Kuehn lächelte zielsicher. Dann wurde er übergangslos ernst. „Leider habe ich nicht die Zeit noch länger zu bleiben. Bis spätestens in zwei Wochen also, auf STRATEGICAL STARBASE 71. Auf diese Weise komme ich endlich mal in den Genuss mir diese beeindruckende Station genauer anzusehen.“

„Ich freue mich bereits darauf. Viel Glück, bis dahin.“

Kuehn verschwand vom Bildschirm und machte wieder der Schwärze des Weltalls Platz. Noch während die Sternenflotteneinheiten abdrehten und den Sektor verließen, nahm Sebastian Frank Verbindung mit den Schiffen der RAG auf und befahl den Aufbruch nach STRATEGICAL STARBASE 71.

Die zehn Schiffe formierten sich. Während sie gemeinsam Fahrt aufnahmen blickte Dheran zu Pasqualina. „Ich hörte, dass Sie auch am Turnier teilnehmen, Commander?“

Pasqualina nickte zustimmend. „Und ich habe vor ins Finale zu kommen.“

„Wer sich weniger vornimmt, der sollte erst gar nicht antreten“, stimmte der Andorianer anerkennend zu. „Aber bedenken Sie, dass Admiral Tarun auch mit von der Partie ist – und es heißt, dass er meisterhaft mit dem Rapier umgehen kann.“

„Hätten Sie Lust mit mir zu trainieren, Captain?“, fragte die Spanierin und blickte den Andorianer abwartend an.

Dheran lächelte unmerklich. „Eine hervorragende Idee, Commander. Das wird sicherlich interessanter, als gegen Hologramme anzutreten.“ Beinahe nebenbei gab er Ivarsson, als der Verband bereit war auf Warp zu gehen, das Kommando: „Volles Programm!“

Trainingseinheiten

No´Leen Ra Taragenar blickte kurz auf, als die Captains Sebastian Frank, Angus McKinney und Tar´Kyren Dheran die OPS auf STRATEGICAL STARBASE 71 betraten und neben einander die Treppenstufen zu Admiral Taruns Büro hinauf schritten.

Gleich nach der Landung hatte der Oberbefehlshaber der 5. Taktischen Flotte die drei Captains zum Rapport befohlen. Dass Frank und McKinney erscheinen sollten war für Dheran nachvollziehbar. Allerdings fragte sich der Andorianer, warum Tarun zusätzlich ihn sehen wollte. Zuerst mein Urlaub und jetzt das, dachte Dheran düster. Der Mann wird echt lästig.

Sebastian Frank legte seine Hand auf den Meldekontakt. Als sich das Schott öffnete trat er, gefolgt von McKinney ein. Der Andorianer bildete den Abschluss und baute sich, rechts von McKinney, vor dem Schreibtisch des Admirals auf.

Tarun stand mit ernster Miene neben seinem Sessel, die Arme vor der Brust verschränkt, und musterte die drei Captains nach einander. „Meine Herren, ich möchte einen ausführlichen Bericht, was sich in Sektor-1091 ereignet hat. Captain McKinney, beginnen Sie.“

Der Ire begann damit von dem Überfall durch die Gorn zu berichten. Er endete schließlich damit, dass die RAG erschien, und sich sein Schiff eingliederte.

Admiral Tarun nickte dem Captain der LIGHTSPEED zu und wandte sich Captain Sebastian Frank zu. „Was geschah dann, Captain Frank?“

Der Captain der INTRUDER berichtete vom Fortgang der Kämpfe, dem Auftauchen der Tzenkethi und dem Einsatz der überschweren Disruptoren. An der Stelle, als Frank zum Beschuss der ICICLE durch die Tzenkethi kam, wandte sich Tarun an den Andorianer: Captain Dheran, was passierte, als die Tzenkethi auf Ihr Schiff feuerten?“

„Mein Chief wurde ziemlich wütend, Sir.“

Eine steile Falte bildete sich auf der Stirn des Trill. Bevor er jedoch etwas erwidern konnte, fuhr Dheran schnell fort: „Die überschweren Disruptoren basieren auf einer Art Hyperschall, passten sich permanent unserer rotierenden Schildfrequenz an, und brachten innerhalb weniger Augenblicke unsere Schilde zum kollabieren – und das, obwohl es sich lediglich um einen Streifschuss handelte. Die Tzenkethi zögerten jedoch auffallend damit erneut mit diesen schweren Waffen auf uns zu feuern. Es ist nur eine Vermutung, Sir, aber möglicherweise haben die Tzenkethi Energieversorgungsprobleme, bei diesem Waffensystem.“

Tarun fixierte ihn mit scharfem Blick. Dann wandte er sich an Frank und McKinney: „Sie beide können wegtreten. Captain Dheran, Sie bleiben bitte noch einen Moment.“

Die beiden menschlichen Captains tauschten bedeutungsvolle Blicke und traten ab. Als sich das durchsichtige Schott hinter ihnen geschlossen hatte, entnahm Tarun dem Regal hinter sich eine Flasche saurianischen Brandy, die dem Andorianer ziemlich bekannt vor kam und umrundete seinen Schreibtisch. Er deutete auf die Sitzecke und meinte: „Nehmen Sie bitte Platz, Captain. Da Sie anschließend frei haben, möchte ich Ihnen einen hervorragenden Tropfen anbieten.“

Die Antennen Dherans bogen sich leicht nach vorne. Er nahm an derselben Stelle Platz, wie vor gut drei Wochen und beobachtete den Admiral dabei, wie er die Flasche auf den Tisch stellte um dann zwei Gläser zu besorgen. Noch war der Miene des Trill nicht zu entnehmen, worüber er mit ihm reden wollte, deshalb fasste sich Tar´Kyren Dheran zwangsläufig in Geduld.

Tarun goss in aller Ruhe die beiden, nicht gerade kleinen, Gläser voll und prostete dem Andorianer zu.

Die beiden Männer tranken genießerisch einen Schluck, bevor sie ihre Gläser auf den Tisch stellten und Tarun schließlich ruhig fragte: „Sie kennen Commodore Carey schon sehr lange Zeit, nicht wahr?“

Captain Dheran blickte den Admiral ehrlich verwundert an. Er hatte so ziemlich mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass Tarun mit ihm über Christina zu reden gedachte. Bedächtig antwortete er: „Ja, Admiral. Wir kennen uns schon seit meinem letzten Jahr an der Akademie. Aber, warum fragen Sie, Sir?“

Der Admiral lehnte sich bequem in seinem Sessel zurück und sagte nachdenklich: „Mir ist, in der letzten Zeit eine subtile Veränderung an Christina aufgefallen. Zuerst dachte ich, es wäre wegen meiner Reaktion gewesen, als die ESCORIAL, unter ihrem Kommando, vernichtet wurde. Wissen Sie, ich habe stets eine besondere Beziehung zu den Schiffen aufgebaut, die ich kommandierte, Captain. Natürlich war ich alles andere als erfreut darüber zu erfahren, dass Christina damals meinen Befehl missachtete, und plötzlich bei der Schlacht um Qo´nos erschien. Bei dieser Schlacht hat sie das Schiff als Schild benutzte und die zu diesem Zeitpunkt von mir kommandierte, schwer angeschlagene, ARIES gerettet – besser gesagt, das Kommandomodul.“

„Es wäre Ihnen umgekehrt lieber gewesen?“ Dherans Gesicht drückte echtes Erstaunen aus. „Das verstehe ich nicht ganz, Admiral.“

Tarun runzelte seine Stirn. „Was meinen Sie?“

Die Antennen des Andorianers spreizten sich etwas weiter aus einander. „Was ich meine ist dies: Wenn sich Christina an Ihren Befehl gehalten hätte, wäre die ESCORIAL zwar noch intakt, Sie jedoch tot. Und Ihre Verlobte wohl auch. Und ich bezweifle, das Sie damit letztlich glücklicher geworden wären. Ganz davon abgesehen von ihrer Tochter, die ohne Eltern aufgewachsen wäre.“

Tarun blickte den Captain an wie ein Wundertier. Einerseits weil er die damalige Situation nie aus dieser Perspektive betrachtet hatte, andererseits, weil Dheran über die gemeinsame Tochter von seiner Verlobten und Ihm Bescheid wusste. Er begann zu ahnen, dass die Warnungen von Kuehn und Carey, diesen Andorianer nicht zu unterschätzen, durchaus ernst gemeint gewesen waren.

„Woher wissen Sie denn das schon wieder?“, fragte der Admiral schließlich.

„Mein Vater war General der Andorianischen Imperialen Garde – einschließlich der Verbindungen, die ein solcher Rang üblicherweise mit sich bringt.“

„Dann ist meine Tochter bereits allgemeines Gesprächsthema auf Andoria?“

Dherans verhaltenes Grinsen wirkte beinahe jungenhaft, als er beruhigend antwortete: „Nein, Sir. Auf Andoria wissen lediglich drei Leute davon – inklusive meiner Person. Und zu Ihrer Beruhigung: Keiner von uns Dreien gilt als übertrieben klatschsüchtig.“

Tarun nickte verstehend und nahm einen langen Schluck aus seinem Glas, bevor er den ursprünglichen Faden wieder aufnahm. „Wie dem auch sei. Zunächst dachte ich, unsere frühere Vertrautheit würde sich bald wieder einstellen, aber irgend etwas hat sich verändert, seit dieser Zeit. Und ich frage mich, was es sein könnte.“ Tarun blickte den Andorianer forschend an. „Glauben Sie, Christina könnte eventuell Probleme haben?“

„Ja, uns Beide.“

Erst als der Trill in gelinder Verblüffung seine Augenbrauen hob, wurde Dheran bewusst, dass er seine Gedanken laut ausgesprochen hatte. Verlegen nahm der Andorianer einen Schluck von seinem Getränk und beugte sich zu Tarun vor. „Nun ja, irgendwann wären Sie ohnehin darauf gekommen, Admiral. Ich bin mir sicher, dass Christina mehr als nur Sympathie für Sie empfindet.“

Der Admiral lächelte wissend: „Aber natürlich. Wir sind sehr gute Freunde, Captain Dheran.“

Der Andorianer hob lediglich seine Augenbrauen und wartete darauf, dass Tarun seine Worte in voller Konsequenz erfasste. Als die Miene des Trill zur Maske des Unglaubens wurde, ahnte Dheran, dass der Admiral endlich verstanden hatte.

„Sie müssen sich irren, Captain. Das ist...“ Tarun unterbrach sich, trank sein Glas aus und füllte beide Gläser wieder auf. Während er einen weiteren Schluck nahm hob der Andorianer seine Brauen noch etwas weiter an.

Schließlich fragte Dheran ruhig: „Was sagt ihnen Ihr Gefühl, Admiral?“

Taruns Miene verschloss sich. Er erinnerte sich an verschiedene Begebenheiten der letzten Jahre. An Careys Verhalten und an Dinge, auf die er sich bislang keinen Reim hatte machen können. Schließlich seufzte er nachdenklich: „Zumindest würde es einige Dinge erklären. Darf ich Sie etwas sehr Persönliches fragen, Captain?“

„Wenn die Antwort dieses Büro nicht verlässt – bitte.“

Tarun räusperte sich und senkte seine Stimme etwas ab: „Wie steht es mit Ihnen, Captain? Lieben Sie Christina?“

Dheran nahm einen Schluck von seinem Brandy und dachte daran, dass er sich vor drei Wochen mit einer anderen Frau von der Erde eingelassen hatte. Er war sicher gewesen, das Richtige zu tun, aber diese direkte Frage des Admirals weckte Zweifel in ihm. Nach einem langen Moment sagte er nachdenklich: „Ich baue gerade eine Beziehung zu einer anderen Frau auf, Sir. Würde jedoch Christina im nächsten Moment herein kommen, mir ihre Liebe gestehen und mich bitten sie zu heiraten, dann hätte ich wohl ein ziemliches Problem.“

Tarun nickte verstehend. „Ich denke, ich kann Ihnen folgen, Captain.“ Seine Gestalt straffte sich und mit einem etwas väterlichen Tonfall fügte er hinzu: „Ich wollte nicht zu sehr in ihr Privatleben eindringen, Captain. Sollten Sie jedoch irgendwann einmal einen... Vermittler benötigen, dann wenden Sie sich vertrauensvoll an mich.“

Dheran ging auf diese letzte Bemerkung nicht ein. Er leerte sein Glas und blickte den Admiral fragend an: „Gibt es sonst noch etwas, Sir?“

„Nein, Captain. Sie können wegtreten.“

Dheran erhob sich und schritt zum Schott. Zwei Schritte davor verharrte er jedoch und wandte sich zu Tarun um. „Wessen Idee war es eigentlich, Sir – Ihre, oder die meines Freundes Valand?“

In maßlosem Erstaunen blickte der Trill zu Dheran. „Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht ganz, Captain.“

Dherans Augen blitzten gefährlich auf, und seine Miene belehrte den Admiral, dass er die Hoffnung fahren lassen konnte, ihm etwas vor zu spielen. Seine Stimme klirrte wie Eis, als er sagte: „Doch, Sir. Im Gegensatz zu mir verstehen Sie sehr gut, was ich meine. Und ich bin sicher, Sie werden mich informieren, wenn Sie den Moment für gekommen halten. Bis dahin werde ich warten. Denn das, was ich Ihnen vor drei Wochen in diesem Büro sagte meinte ich auch so. Sollten Sie jedoch meine Loyalität oder mein Vertrauen missbrauchen, dann wird Ihnen der Krieg gegen die Allianz wie Spielerei vor kommen.“

Damit wandte er sich ab und ging.

Tarun wartete, bis sich die transparenten Schotthälften hinter dem Andorianer geschlossen hatten, bevor er aus vollem Herzen sagte: „Scheiße!“

 
 

* * *

 

Im SEVENTYFIRST CLUB, dem Lokal für Offiziere der 5.Taktischen Flotte, herrschte das übliche Kommen und Gehen, als Tar´Kyren Dheran, herein kam. Zielstrebig ging er zur Bar, bestellte sich ein andorianisches Ale und begab sich schließlich mit seinem Glas zu einem Tisch im hinteren Teil des Lokals, an dem er Frank Revers, zusammen mit Angus McKinney und Sebastian Frank entdeckte.

Die drei Captains machten einen geradezu ausgelassenen Eindruck, während sich Dheran ihnen näherte.

„Da kommt der Planetenkiller“, flachste McKinney als sich der Andorianer zu ihnen gesellte. „Seien Sie nur froh, dass man keine Abschussmarkierungen mehr auf die Schiffe malt, wie es in der Frühzeit der Menschen der Fall war. Bei einem Planeten müsste man dann vermutlich gleich die gesamt ICICLE neu streichen.

Dheran musterte den Iren grimmig und erwiderte herausfordernd: „Lachen Sie nicht so laut – Sie waren auch dabei!“

„Stimmt“, gab McKinney zu. „Nichts für Ungut. Stimmt es übrigens, dass sie bei den Sektorenmeisterschaften im Degenfechten antreten?“

Dheran blickte in die Runde. „Ja, ich lernte das Degenfechten während meiner Kadettenzeit. Es trainiert nicht nur den Körper sondern auch den Geist, denn zum Fechten gehört ein hohes Maß an Disziplin. Mein Freund, Valand Kuehn, hat mich darauf gebracht. Wir lernten uns auf der Akademie kennen.“

„Ist sicher ein guter Ausgleich zum Dienst in der Taktischen Flotte“, vermutete Revers. „Für mich ist das allerdings nichts. Vielleicht überlege ich es mir, wenn irgendwann einer auf die Idee kommt, das Ganze auf einem Segelschiff stattfinden zu lassen.“

McKinney, der wusste, dass Revers ein begeisterter Hobby-Segler war, erlaubte sich ein unterdrücktes Lachen. „Der Getupfte wird wohl auch mit von der Partie sein“, orakelte er. „Weiß jemand, wer letztes Jahr das Rennen gemacht hat?“

„Ich“, antwortete Sebastian Frank, der sich bisher bescheiden im Hintergrund gehalten hatte. Er fuhr sich mit einer verlegen wirkenden Geste über das braune Haar.

Dheran blickte ihn auffordernd an. „Prima, und wer war es nun?“

Franks braune Augen blickten einen Augenblick verständnislos, bevor er begriff, dass Dheran seine Antwort falsch interpretiert hatte. Schmunzelnd erklärte er: „Ich meinte nicht, dass ich es weiß, sondern, dass ich Derjenige war, der letztes Jahr gewann.“

Dheran musterte den introvertierten Mann mit neu erwachendem Interesse. „Ich hoffe, wir werden während des Turniers Gelegenheit haben, die Klingen zu kreuzen.“

„Falls nicht, können wir uns gerne nach dem Turnier zu einem Duell treffen“, bot Frank dem Andorianer an.

„Ich werde sicherlich darauf zurück kommen“, versicherte Tar´Kyren Dheran begeistert und trank von seinem Ale. „Übrigens möchte ich Ihnen für Ihren Mut danken, die ICICLE zu decken nachdem Sie die Wirkung der Tzenkethi-Disruptoren gesehen hatten.“ Bei einem Blick zum Eingang bemerkte er, dass Pasqualina Mancharella ins SEVENTYFIRST CLUB kam. „Sie entschuldigen mich nun bitte, meine Herren.“

Damit nickte der Andorianer Captain Frank noch einmal zu und ging hinüber zur Bar, an der sich die Spanierin einen Platz hatte erkämpfen müssen, weil die Leute dort nun bereits in zweiter Reihe standen.

Die drei zurückbleibenden Captains blickten ihm nach und McKinney meinte: „Dieser Andorianer hat das Glück wirklich abonniert. Dieser hübsche Commander ist sein XO, wenn ich richtig informiert bin. Da kann ich leider nicht mithalten.“

„Ich auch nicht“, knurrte Frank zustimmend und blickte zu Revers. „Sie kommen ja auch nicht schlecht weg, wie man hört.“

„Der Herr gibt es den Seinen“, meinte Revers amüsiert und blickte hinüber zur Spanierin, die nach einer kurzen Unterhaltung mit Dheran, gemeinsam mit dem Andorianer die Bar verließ. „Allerdings scheint er eine spezielle Vorliebe für einen gewissen blauhäutigen Kollegen zu haben.“ Er bemerkte, aus den Augenwinkeln heraus, wie sein Steuermann und sein Einsatzoffizier ihn zu sich herüberwinkten, und einladend auf ihre Gläser deuteten. Mit entschuldigendem Lächeln meinte er: „Ich werde auch verschwinden. Meine Offiziere erwartet mich.“

 
 

* * *

 

Als Tar´Kyren Dheran erwachte, wurden ihm zwei Dinge sofort bewusst: Das Thema Christina Carey war noch lange nicht erledigt für ihn – und Pasqualina wollte er auf keinen Fall verletzen. Er war sich nur nicht sicher, ob das auch möglich sein würde. Sein momentanes Dilemma, das war ihm ganz klar, bestand darin, dass er weder seine Gefühle für Christina, noch das, was er für Pasqualina empfand, verraten wollte.

Doch wie sollte das funktionieren?

Konnte das überhaupt funktionieren?

Hatte er einen Fehler gemacht, als er sich mit Pasqualina eingelassen hatte? Oder war es ein Fehler Christina nicht endgültig los zu lassen?

Unruhig drehte er sich auf die Seite und schloss wieder die Augen.

Wer bist du – Was willst du – Worauf kommt es an?

Er selbst hatte diese Fragen erst vor Kurzem an der Sternenflottenakademie den Kadetten des Abschlussjahrgangs gestellt. Er war sich sicher gewesen, diese drei Fragen für sich beantwortet zu haben, doch im Moment konnte er auf mindestens eine davon keine klare Antwort geben.

Der Andorianer öffnete seine Augen wieder und beschloss aufzustehen. Er stieg aus dem Bett und verschwand nach Nebenan ins Bad. Zwanzig Minuten später betrat er fertig angezogen den Wohnraum seiner Kabinenflucht, wo er es sich auf dem Sofa der Sitzecke bequem machte. Hunger hatte er keinen und so blickte der Andorianer nachdenklich hinüber zu seinem Schreibtisch, hinter dem sein Toledo-Salamanca Degen, zusammen mit dem dazugehörigen, ledernen Gehänge, an der Wand befestigt war. Direkt über seinem Arbeitssessel hing ein Gemälde, das seinen Vater, in der Uniform eines Generals der Andorianischen Imperialen Garde zeigte.

Pasqualina war gestern Abend ziemlich frustriert gewesen, als er nach einem gemeinsamen Abendessen erklärt hatte, dass er die Nacht allein zu verbringen gedachte während sie sich zu Andocksektion 7 – Liegeplatz 8, auf die ICICLE begeben hatten. Offensichtlich hatte sie weitergehende Pläne für den weiteren Verlauf des Abends gehabt. Doch das Gespräch mit Admiral Tarun hatte ihm erneut klar gemacht, wie sehr sein Herz für beide Frauen schlug.

Dheran fragte sich mürrisch, wie es möglich sein konnte, zwei Frauen mit der gleichen, leidenschaftlichen Intensität zu lieben, und warum dies ausgerechnet ihm passierte.

Er wusste nicht, wie lange er so, in trübe Gedanken versunken da gesessen hatte, als der Meldekontakt ihn aus seinen Gedanken riss.

„Herein!“, sagte Dheran und entriegelte mit diesem Stimmenkommando das Schott.

Es war Pasqualina, die herein kam und zwei Schritte vor ihm stehen blieb. Fragend blickte sie zu ihm hinunter und erkundigte sich: „Gilt dein Angebot noch, mit mir für das Turnier zu trainieren?“

„Ja, sicher.“ Dheran erhob sich abrupt, schritt zu seinem Schreibtisch hinüber und nahm das Gehänge mit dem Degen an sich.

Die Spanierin warf einen Blick auf den Griff der Waffe und bemerkte: Sieht aus, wie ein Toledo-Salamanca. Ist der echt?“

„Ja, Valand schenkte ihn mir zu meinem 17. Geburtstag. Er selbst besitzt eine ebensolche Klinge. Damals wusste ich noch nicht, wie kostbar das Geschenk war.“

„Darf ich den Degen einmal halten, Tar´Kyren? Ich habe schon einige Male mit einer solchen holografischen Klinge gefochten, aber einen echten Degen dieser Machart durfte ich bisher noch niemals in die Hand nehmen.“

Dheran reichte der Spanierin den Degen, froh darüber, dass sie ganz normal mit einander redeten, und sie anscheinend nicht sauer auf ihn war.

Vorsichtig zog Pasqualina blank, trat einen Schritt zurück und führte einige vorsichtige Attacken damit aus. Mit leuchtenden Augen reichte sie schließlich dem Andorianer die Waffe zurück und sagte anerkennend: „Eine wunderbare Klinge.“

„Ja, das ist sie.“ Dheran betrachtete den Degen sinnend und legte ihn schließlich auf den Schreibtisch. „Ich werde ihn hier lassen, und ebenfalls mit einer holografischen Klinge kämpfen, um einen unfairen psychologischen Vorteil zu vermeiden.“

„Immer korrekt, nicht wahr?“

„Sofern es sich einrichten lässt“, stimmte Dheran zu.

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zu Holosuite-2. Dheran hatte sie für die nächsten zwei Wochen für das Turniertraining reserviert. Sie schwiegen während des gesamten Weges. Erst in der Holosuite ergriff Pasqualina wieder das Wort.

„Ich habe ein selbst erstelltes Holoprogramm mit einem ansprechenden Ambiente, das ich normalerweise zum Training benutze. Ich würde es dir gerne vorführen.“

„Ich bin gespannt darauf, es zu sehen“, erwiderte Dheran.

Die Spanierin sagte laut: „Computer: Pasqualina Mancharella – Trainingsprogramm Die drei Musketiere, ohne Figuren starten. Kleidung: Einmal Musketier und einmal Garde des Kardinals – Seitenwahl über Zufallsgenerator. Bewaffnung: Standard-Degen.“

Matrix wird konfiguriert – Programm startet, meldete die Computerstimme.

Im nächsten Moment veränderte sich die Umgebung, und zu seiner Überraschung fand sich Dheran im Korridor eines Schlosses wieder. Zu seiner linken erkannte er eine breite Marmortreppe, die weiter unten in eine weite Empfangshalle führte. Sonnenstrahlen schnitten wie Messer aus Licht durch die hohen Fenster und fluteten den prächtigen Korridor mit goldenem Licht.

Als Dheran an sich hinunter sah, bemerkte er, dass er nun weite blaue Hosen, Stulpenstiefel und ein weites Wams, über einem Spitzenhemd aus Seide, trug. Auf dem Kopf saß ein breitkrämpiger Hut mit Feder. An seiner linken Hüfte entdeckte er einen schweren Degen, mit kunstvollem, versilberten Handschutz, in den ein Kreuz aus Saphiren eingearbeitet war. Die ledernen Handschuhe fühlten sich im ersten Moment merkwürdig an.

Der Andorianer konnte sich ein Schmunzeln nicht ganz verkneifen, als er Pasqualina in einer ganz ähnlichen Aufmachung erblickte, allerdings war ihre Kleidung überwiegend rot gehalten. „Diese Sachen sehen ganz bezaubernd an dir aus“, meinte er amüsiert. „Ich bezweifele jedoch, ob sie mir genauso gut stehen.“

„Nicht zu bescheiden sein, Tar´Kyren. Ich finde du siehst geradezu klassisch aus. Hoffentlich kannst du so gut fechten, wie du aussiehst.“

„Das wird sich herausstellen, nar y´ner mai Kumari. Welche Wertung entscheidet über den Sieg?“

„Wir könnten die Sicherheitsprotokolle abschalten und es handhaben, wie in der guten alten Zeit der Erde – mit drei Körpertreffern. Es sei denn du fürchtest Schmerzen.“

Dheran blickte sie verwirrt an, als ihm klar wurde, dass sie ihre Worte vollkommen ernst gemeint hatte. „Ich möchte dich nicht verletzen, Pasqualina.“

„Du solltest lieber aufpassen, dass du nicht von mir verletzt wirst.“

Dheran musterte sie eingehend und erkannte, dass sie sich nicht von ihrem Entschluss würde abbringen lassen. Darum sagte er schließlich, vollkommen ruhig: „Wie du willst.“

Dheran war etwas merkwürdig zumute, während er seinen langen Degen zog und die Elastizität der Klinge prüfte.

Die Spanierin strich einige imaginäre Stäubchen von ihrer Kleidung und schritt auf Dheran zu. „Gute Arbeit, nicht wahr? Diese Klingen entstanden zwar nicht in Toledo, aber sie erfüllen durchaus ihren Zweck. Wie du sachkundig bemerken wirst, handelt es sich um Nachbildungen echter spanischer Degen aus dem 16. Jahrhundert mit beidseitigem Schliff und beachtlicher Schwere. Ich darf Dich der Fairness halber darüber aufklären, dass diese Klingen auch sehr gut als Hiebwaffen verwendet werden können.“

„Wem erzählst du das, Pasqualina? Ich darf Dich meinerseits darüber informieren, dass ich sowohl die hohe Schule des italienischen Fechtmeisters Florio de Liberi als auch die unkonventionelle andorianische Ushaan-tor-Kampfweise beherrsche. Wie lauten die Regeln für die Wertung der Treffer?“

Pasqualina Mancharella überlegte kurz und meinte schließlich: „Ich würde sagen, drei Körpertreffer, gleichgültig, wo immer angebracht, sollten als Sieg bewertet werden. Ich möchte Dich nicht heftiger als nötig blessieren.“

„Einverstanden.“

Die Spanierin besiegelte die Abmachung mit einer angedeuteten Verbeugung.

Dheran streckte seinen Degen kurz vor und visierte über die Schneide. Die scharfe Klinge glänzte im Licht, welches durch die hohen Fenster fiel.

Dheran und Pasqualina Mancharella standen sich schließlich gegenüber. Die Spanierin entbot den Gruß mit zierlich schwingendem Degen. Dheran machte es eckiger und weniger elegant.

Sie begann um den Andorianer herum zu tänzeln, in beinahe vollendeter Meisterschaft. Sie bevorzugte vorerst die weite Mensur, bei der der Gegner nur durch einen Schritt vorwärts mit Ausfall berührt werden konnte. Pasqualinas Faustposition wurde von Dheran sofort durchschaut. Der Andorianer bot eine Blöße, eine Einladung an, aber die Frau ließ sich nicht zum Angriff verleiten. Sie wartete, bis Dheran mit einem blitzschnellen Kopfhieb rechts die Bewegung eröffnete und parierte mit einer gekonnten Quintparade links. „Nicht übel, El Capitan! In der Tat, nicht übel.“

Aus ihrer Parade heraus führte sie einen geraden Stoß nach Dherans Oberarm. Die Klinge des Andorianer beschrieb mit der Spitze einen wirbelnden Kreis. Diese Kontraparade riss Commander Mancharella beinahe den Degen aus der Hand. Dherans blitzschnell folgende Battuta, mit aller Härte auf die Klinge der Spanierin geschlagen, erschütterte sie nochmals so stark, dass Pasqualina Dherans Stoß rechts hoch nicht mehr exakt genug mit einer Sixtparade links abwehren konnte. Die Kleidung zerfetzte über der rechten Schulter des Commanders. Pasqualina reagierte jedoch schneller als erwartet. Ihr Arretstoß fuhr in Dherans Angriff hinein. Die Klinge fuhr an der Schläfe des Andorianers entlang und hinterließ einen blutenden Hautriss.

Kurz darauf gelang es ihr noch ein zweites Mal seine Deckung zu durchbrechen und landete eine Stichtreffer an seiner linken Schulter.

Angriffe und Paraden wechselten in so schneller Folge, dass selbst ein sachverständiger Zuschauer kaum die einzelnen Hiebe, Stöße und komplizierten Paraden voneinander hätte unterscheiden können.

Pasqualina blutete an der rechten Schulter. Seit wenigen Minuten wusste sie, dass sie einem wahren Könner gegenüber stand. Der andorianische Captain suchte mit verblüffender Schnelligkeit und Härte die enge Mensur.

Dherans Bein und Fußhiebe kamen wie zuckende Blitze. Dazwischen schlug er Figuren aus der Bindung heraus, die in keinem Lehrbuch standen. Pasqualina Mancharella kämpfte, im übertragenen Sinne, um ihr Leben. Ein zweiter Treffer schnitt ihre rechte Wade auf. Das zerschnittene Hosenbein färbte sich dunkel.

Dheran führte den spanischen Raufdegen oftmals wie einen leichten Rapier. Wenn sich Pasqualina einigermaßen auf die Hiebe eingestellt hatte, folgten einfache und Doppelfinten mit anschließenden Stößen auf alle Partien des Körpers.

Pasqualina hatte es nur ihrer schnellen Fußarbeit zu verdanken, dass sie nicht längst schwerer getroffen oder wenigstens entwaffnet war. Sie wich zurück, suchte erneut die weite Distanz und schaffte sich somit etwas Luft. Trotzdem verlor sie ihr Lächeln nicht.

„Ausgezeichnet, El Capitan. Ich bin glücklich, einen würdigen Gegner gefunden zu haben. Deine Prim-Einladung ist etwas zu durchsichtig.“

Dheran blickte besorgt auf ihre Schulter und auf das Bein. Er stand kurz davor, sich dazu zu entschließen, das Duell abzubrechen.

Erneut griff die Spanierin an, und Dheran hatte Mühe einen Treffer zu verhindern. Doch auch Pasqualina konnte ihre Deckung nur mühsam aufrecht erhalten. Als sie ihm für einen Moment zu nahe kam, machte er einen überraschenden Schritt nach vorne und versuchte sie Richtung Treppe zu drängen. Erst kurz vor dem Treppenabsatz gelang es der Spanierin, die Rückwärtsbewegung zu stoppen, wobei sich ihre Gesichter fast berührten. Pasqualina wusste, dass der Andorianer ihr kräftemäßig überlegen war, deshalb musste ihr schnell etwas einfallen.

Noch während sie fieberhaft überlegte, wie sie aus dieser misslichen Lage herauskommen konnte, umarmte Dheran sie plötzlich und küsste sie, durch die gekreuzten Klingen hindurch, fordernd auf den Mund.

Im ersten Moment, ohne darüber nachzudenken, erwiderte sie innig seinen Kuss, bevor sie sich zurückzog und ihm mit der behandschuhten Linken einen kräftigen Fausthieb ins Gesicht verabreichte.

Dheran strauchelte zurück und Pasqualina nutzte die Gelegenheit, ihm mit der Spitze ihrer Klinge den linken Handschuh aufzuritzen. Blaues Blut färbte ihn ein und bewies, dass sie getroffen hatte. Nach den abgesprochenen Regeln hatte sie gewonnen.

Dheran brauchte einen Augenblick länger für diese Erkenntnis. Für einen Moment blickte er die Spanierin beinahe feindselig an, bevor er den Degen erzürnt zu Boden warf und mit lauter Stimme sagte: „Computer: Programm beenden.“

Mit einem duotronischen Zirpen löste sich die Umgebung auf und die beiden angeschlagenen Führungsoffiziere der ICICLE standen sich, einen langen Moment lang, wie Feinde, gegenüber, bevor Dheran die Spanierin anfuhr: „Komm mit, zur Krankenstation. Victoria Leandros ist zwar nicht an Bord, aber Irgendwer wird uns schon zusammenflicken.“

Damit schritt der Andorianer zum Ausgang des Holodecks. Die Spanierin folgte ihm, weder stolz noch erfreut über den Sieg. Noch weniger erbaut war sie darüber wie sie gewonnen hatte. Obwohl sie sich sagte: ER hat es herausgefordert. Sie verwünschte den Verlauf des Morgens und beeilte sich, dem Mann, den sie doch liebte, zu folgen.

 
 

* * *

 

Die bajoranische, medizinische Assistentin, Lieutenant Junior-Grade Gillen Rian blickte verwundert auf, als kurz hinter einander Captain Dheran und Commander Mancharella, mit Schnittwunden, bei ihr erschienen. Was ihr dabei auffiel war: Dheran und Commander Mancharella kamen nicht herein; sie krachten herein.

Heftig mit einander über Fairness und Kampfregeln diskutierend standen sie in der Krankenstation und schienen erst jetzt zu bemerken, dass sie nicht mehr allein waren.

Gillen Rian blickte beide erschüttert an und fragte schließlich: „Was ist denn mit Ihnen beiden passiert?“

Dheran sah, ihrer Meinung nach, geradezu gemeingefährlich aus. Zu seiner obligatorischen Narbe blutete er an Stirn, Schulter und Handrücken. Außerdem war sein rechtes Auge leicht geschwollen und verfärbte sich außen dunkelblau.

Doch auch der XO wirkte mit blutender Schulter und Wade, als würde sie gerade aus einer größeren Schlacht kommen.

„Behandeln Sie zuerst den Commander“, bestimmte Dheran und setzte sich unaufgefordert auf eine der Medoliegen.

Lieutenant Gillen nahm den medizinischen Tricorder zur Hand. Während sie Dheran und Commander Mancharella scannte meinte sie entschieden: „Die Reihenfolge der Behandlung legt der diensthabende Medizinische Offizier fest.“ Sie legte den Tricorder weg, nahm einen Injektor zur Hand und verabreichte dem Andorianer und der Spanierin, die sich auf die Nachbarliege gesetzt hatte, ein schmerzstillendes Hypospray. Danach versiegelte sie, sehr zu Dherans Verdruss, zuerst seine Stirnwunde, bevor sie ihn aufforderte, seine Schulter frei zu machen und die beiden anderen Schnitte behandelte. Erst danach wandte sie sich zum Commander.

Dheran kleidete sich wieder an, wobei er seine Stellvertreterin mit finsteren Blicken bedachte.

Gillen Rian sagte schließlich: „Sie können gehen, Commander. Captain, bei Ihnen muss ich noch den Bluterguss behandeln.“

Während Dheran ungeduldig die Behandlungsprozedur über sich ergehen ließ, verließ Pasqualina Mancharella eilig die Krankenstation. Wütend auf sich selbst suchte sie ihr Quartier auf. Hastig entkleidete sie sich, warf ihre Kleidung schwungvoll auf die Couch und verschwand im Bad. Unter der heißen Dusche stehend fragte sie sich, was da eben eigentlich passiert war.

Warum hatte sie Tar´Kyren einen Fausthieb verpasst, als er sie geküsst hatte?

Widerwillig gestand sie sich ein, dass sie schlicht frustriert gewesen war, weil er gestern hatte allein sein wollen, während sie selbst sich den Ausklang des Abends ganz anders vorgestellt hatte.

Er hat mich gewarnt, dachte sie bitter. Hätte ich vielleicht doch besser warten sollen, statt meinen Dickkopf durchzusetzen? Nein, das hätte ich nicht besonders lange ausgehalten.

Sie legte den Kopf in den Nacken und ließ sich das Wasser eine Weile direkt über das Gesicht laufen. Wohin wird uns das alles letztlich führen? Hat eine Beziehung, wie diese überhaupt eine Chance? Oder sind wir beide möglicherweise viel zu verschieden – oder viel zu gleich?

Pasqualina Mancharella wünschte sich, sie hätte eine Antwort darauf gehabt.

 
 

* * *

 

Etwa zur selben Zeit feuerte Tar´Kyren Dheran seine Sachen heftig auf die Couch und begab sich ins Bad, um erst einmal eine kalte Dusche zu nehmen. Während das kalte Wasser seine Lebensgeister regenerierte, fragte er sich, was da gerade eben mit Pasqualina und ihm passiert war.

Zugegeben, sein Kuss war sicherlich überraschend gekommen, aber eine so heftige Reaktion von Pasqualina hatte er nun doch nicht erwartet.

Sie ist so ganz anders, als Christina, dachte er und schalt sich im nächsten Moment einen Narren: Oh, nein – jetzt fang nicht damit an beide Frauen zu vergleichen. Das würde letztlich keiner von beiden gerecht. Er gestand sich ein, dass er beide Frauen wegen ihrer individuellen Eigenschaften liebte – das konnte man nicht gegen einander aufrechnen, wie bei einer mathematischen Gleichung. So etwas würde bestenfalls Farok, als Vulkanier, versuchen, und vielleicht nicht einmal der...

Während er weiter duschte begannen seine Gedanken Karussell zu fahren. Pasqualina ist in mich verliebt, ich in Christina und Christina in den Admiral. Jetzt muss nur noch der Admiral seine Beziehung mit Tia´Vareni beenden und Pasqualina seine Liebe gestehen, dann ist das Chaos komplett.

Diese Vorstellung belustigte ihn so sehr, dass er beinahe gelacht hätte. Nein so kompliziert war die Situation nun doch nicht. Seine Gedanken begannen um die Frage zu kreisen, auf welche Art und Weise er vielleicht etwas Ordnung in das emotionale Chaos bringen konnte. Den Gedanken, zu Pasqualina zu gehen, um mit ihr zu reden verwarf er dabei fast augenblicklich. Besser gefiel ihm der Gedanke daran, erst einmal mit Christina zu sprechen. Zwar waren sie sich in den vergangenen Monaten nicht sonderlich näher gekommen, aber momentan hatten sie auch keinen Streit mit einander. Und mit Pasqualina konnte er danach immer noch sprechen, wenn sie sich beide emotional wieder etwas abgekühlt hatten.

Er beschloss es so zu machen, als er schließlich das Bad verließ, und sich ankleidete. Vielleicht gelang es ihm auf diese Weise sogar zwei Fledermäuse mit einem Schneeball zu erlegen.

Als er seine Kabine verließ, stieß er auf dem Gang beinahe mit Pasqualina zusammen, die sich ebenfalls auf dem Weg zum Turbolift befand. Für einen winzigen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, den anderen Lift zu benutzen. Dann sagte er sich, dass ein solches Verhalten höchst albern für einen erwachsenen Andorianer in seinem Alter wäre und setzte unverdrossen seinen Weg fort.

Während sie auf den Turbolift warteten, bemerkte der Andorianer die Blicke des Commanders und wandte sich ihr schließlich zu.

Pasqualina war etwas unbehaglich zumute, als sie seinen fragenden Blick erwiderte. Wo blieb nur der verdammte Lift? Sie atmete tief durch und sagte entschlossen: „Es tut mir leid, Tar´Kyren. Ich weiß auch nicht, welcher Teufel mich vorhin geritten hat.

„Schon gut“, erwiderte Dheran kühl. Momentan war er nicht in der Stimmung für Entschuldigungen.

Schweigend betraten sie die Lift-Kabine.

„Deck-10“, sagte Tar´Kyren Dheran, nachdem sich das Schott geschlossen hatte.

Kaum hatte sich die Kabine in Bewegung gesetzt, da sagte Pasqualina: „Lift anhalten.“ Sie ignorierte Dherans unwilligen Blick und trat, mit funkelnden Augen, dicht an ihn heran.

„Ich möchte, dass du mir zuhörst, wenn ich mich bei dir entschuldige. Ich verstehe, dass du sauer bist, aber mehr als zu sagen, dass es mir leid tut, ist mir nicht möglich, Tar´Kyren.“

Dheran erwiderte ihren Blick eisig. „Du hast gesagt, was du sagen wolltest, und ich habe zugehört. Können wir jetzt weiter fahren?“

„Lift: Weiterfahren! Deck-7.“ Zornbebend zog sich die Spanierin bis zur Kabinenwand zurück und schoss förmlich aus der Liftkabine, als er auf Deck-7 hielt.

Lieutenant-Commander Tal´Inuray Filiz, die auf den Lift gewartet hatte, konnte ihr nur knapp ausweichen. Verwundert blickte sie der Spanierin hinterher, während sie die Lift-Kabine betrat, und warf dem Captain einen fragenden Blick zu.

„Sagen Sie nichts!“, meinte Dheran gefährlich leise, bevor sie eine entsprechende Bemerkung machen konnte. Er erkannte, dass die MACO dennoch einen Versuch machen wollte das Wort zu ergreifen, und fügte etwas entschlossener hinzu: „Sagen Sie überhaupt nichts!“

Als Dheran auf Deck 10 den Lift verließ, entspannten sich die nach Innen gebogenen Antennen der MACO und sie dachte bei sich: Er hätte auch sagen können, dass er es eilig hat. Dann sagte sie: „Deck acht!“

Erinnerungen und Aussichten

Konteradmiral Valand Kuehn stand im Wohnraum seiner Kabine an einem der beiden Fenster und blickte nachdenklich nach draußen, wo die schnell vorbeiziehenden Lichtstreifen anzeigten, dass sich die OBERON mit Warpgeschwindigkeit seinem Ziel, der Station STRATEGICAL STARBASE 71, näherte. Etwas quer ab erkannte er eines der beiden Begleitschiffe, die NOTRE DAME, ein Schiff der NEBULA-KLASSE unter Captain Esmeralda Di Santiago. Sein Freund Tar´Kyren Dheran würde sich sicherlich darüber freuen, denn seine jüngere Schwester, Lieutenant-Commander Tia´Lynara Dheran, versah auf diesem Schiff ihren Dienst als Leitender Medizinischer Offizier. Kuehn wusste, dass beide einander sehr zugetan waren, wie es im Allgemeinen unter andorianischen Familienangehörigen üblich war. Wenn es nicht zu irgendwelchen Zwischenfällen kam, dann würde das Flaggschiff der Sektorenflotte-Bajor in etwa einer Stunde das Forlan-System erreichen.

Das akustische Signal des Türmelders riss den Konteradmiral aus seinen Gedanken. Er wandte sich um und sagte: „Herein!“

Commodore Sylvie LeClerc betrat die Kabine und Kuehns Gesichtszüge entspannten sich. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als sie näher kam. Seit einem halben Jahr waren sie nun zusammen, doch noch immer hatte er sich nicht vollständig an diesen Umstand gewöhnt. Vielleicht deswegen, weil er, nach dem Tod seiner Frau im Jahr 2362 zu lange ungebunden gewesen war. Dabei hatte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht geahnt, dass Sylvie LeClerc, die er bereits auf der Akademie kennen gelernt hatte, und die als junge Kadettin, wie er, der RED SQUAD angehörte, bereits zu dieser Zeit, heftig in ihn verliebt gewesen war.

Seine verstorbene Frau Ahy´Vilara Thren, eine Andorianerin, war auf der U.S.S. ALAMO Medizinische Assistentin gewesen, als er, direkt von der Akademie kommend, als Ensign auf dieses Schiff versetzt wurde. Er hatte sich fast augenblicklich in die Andorianerin verliebt, als er ihr zum ersten Mal begegnete, und sein Glück schien vollkommen, als er feststellte, dass sie seine Gefühle erwiderte.

Siebzehn Monate nach ihrer Hochzeit, kam es jedoch, während einer Forschungsmission der ALAMO zur Katastrophe, als das Schiff, beim Eintritt aus dem Subraum in den Normalraum, in die Ausläufer einer Sternenexplosion geriet. Mehr als 80% der Besatzung fand dabei den Tod, darunter auch Ahy´Vilara.

Aus Rücksicht auf seine Gefühle, hatte Sylvie damals geschwiegen, was ihre Gefühle für ihn betraf – und später hatte sie nie den rechten Zeitpunkt gefunden. Schließlich verloren sie sich für viele Jahre aus den Augen, bis sie sich, Ende 2380, auf DEEP SPACE NINE zufällig begegneten. Sylvie hatte schließlich, bei einem gemeinsamen Abendessen, den ersten Schritt gemacht, und ihm ihre Gefühle für ihn gestanden. Völlig überrascht hatte er sie damals um etwas Zeit gebeten, um sich über seine Gefühle klar werden zu können. Etwa zwei Monate, nachdem er sie für sein neues Kommando als Konteradmiral der Sektorenflotte-Bajor angefordert hatte, war er sich schließlich seiner eigenen Gefühle sicher gewesen.

Seit dieser Zeit waren sie nun zusammen.

Sylvie streckte ihre Hände aus, und Valand nahm sie sanft in seine. Dabei zog er sie langsam zu sich heran und legte ihre Arme um seine Hüften bevor er sie seinerseits in seine Arme schloss.

Liebevoll küssten sie sich, bevor die Französin ihren Freund schließlich neugierig musterte und fragte: „Wie, glaubst du, wird dein Freund, Tar´Kyren, reagieren, wenn er davon erfährt, dass du und Tarun ihn, ohne sein Wissen, als Kurier für brisante Informationen benutzt?“

Kuehn verzog sein Gesicht. „Erinnerst du dich noch daran, wie verheerend sich die Ausläufer der Nova auf die ALAMO auswirkten?“

Sylvie nickte.

„Nun, das hier wird schlimmer.“

Die Französin blickte in das betrübt-ernste Gesicht ihres Freundes und sagte schließlich: „Autsch!“

Kuehn nickte zustimmend: „Das ist genau das richtige Wort dafür.“

Natürlich hatte Kuehn seine Freundin eingeweiht – bevor sie zusammengekommen waren. Sylvie wusste also worum es ging, und warum Dheran so wichtig in der Planung der beiden Admirale war. Nach einem weiteren Kuss meinte sie ernst: „Wenn unser kleines Unternehmen auffliegt, dann werden wir recht unsanft auf unseren Offiziers-Hintern landen, Mon-Ami.“

„Wobei es besonders um Deinen hübschen Hintern schade wäre“, lachte Kuehn und gab ihr einen sanften Klapps auf den Allerwertesten. „Aber hatte ich nicht schon mal vor einigen Monaten gesagt, dass du mich nicht dauernd Mon-Ami nennen sollst?“

„Rate mal, wie egal mir das ist – Mon-Ami?“

Kuehn seufzte leise, doch ein Schmunzeln überflog seine Lippen. Dann wurde er übergangslos ernst und senkte unbewusst seine Stimme ab, als er sagte: „Ich habe gestern eine Nachricht von unserer Verbindungsperson im Gamma-Quadranten erhalten. Er hat die Daten gesichtet.“

Sylvie blickte ihm gespannt in die Augen. „Und?“

„Er sagt, dass es möglich ist.“

„Wird er uns helfen?“

Kuehn machte eine vage Geste. „Ich denke, das kommt auf die Überzeugungskraft des Mannes an, den ich zu ihm geschickt habe.“

Sylvie LeClerc hob unwillig ihre Augenbrauen, weil sie Valand alle Informationen einzeln aus der Nase ziehen musste. „Hat dieser Mensch auch einen Namen?“

Kuehn lächelte hintergründig. „Ich glaube, du hast ihn schon einmal gesehen, zumindest passte deine Beschreibung auf ihn. Sein Name ist – Chakotay...“

 
 

* * *

 

Eine knappe Dreiviertelstunde später fielen die OBERON die NOTRE DAME und die MANASSAS, unter Captain Thomas Jackson, nahe des Forlan-Systems unter Warp. Im engen Formationsflug bahnten sie sich ihren Weg durch das Asteroidenfeld und hielten dann auf die immer gewaltiger vor ihnen anwachsende Station zu. Auf der Brücke der OBERON blickte Sylvie LeClerc zu Kuehn und meinte beeindruckt: „Dagegen ist DS-9 ein Kinderspielzeug. Ich hatte mir diese STRATEGICAL-Station nicht so riesig vorgestellt.“

„Kuehn nickte zustimmend. Und FORTRESS-ALPHA soll mindestens genauso groß werden. Allein die Bauzeit wird fünf Jahre in Anspruch nehmen. Der Admiral verfügt hier über ein beeindruckendes militärisches Potenzial. Langsam beginne ich zu verstehen, warum die Taktischen Flotten im Föderationsrat anfangs so umstritten waren.“

Das Gesicht der Französin verfinsterte sich. „Zusammen mit den Werftkapazitäten und den Installationen zur Ressourcengewinnung stellen diese zehn Taktischen Flotten beinahe einen Staat im Staat dar. Nicht auszudenken, wenn auch nur zwei oder drei der zehn Admirals einen Umsturz der Regierung planen würden.“

„Darum werden an die Oberkommandierenden der Taktischen Flotten auch ganz besondere Ansprüche gestellt. Wer kein hundertprozentig makelloses Psychogramm nachweisen kann hat gar keine Chance.“

Der Commodore blickte skeptisch: „Gibt es hundertprozentige Sicherheit?“

„Nein!“, erklärte Kuehn. „Aber die gibt es bei uns beiden auch nicht – und trotzdem vertraut man uns, nicht wahr?“

Die Französin erwiderte den Blick ihres Freundes und machte eine zustimmende Geste, während der Konteradmiral den Befehl gab, die Fahrt weiter aufzuheben. Dann wandte er sich an seinen Operations-Offizier: „Lieutenant, nehmen Sie Verbindung mit der Station auf und bitten Sie um die Zuweisung dreier Andockplätze.“

Die dunkelhaarige Menschenfrau nickte bestätigend und kam dem Befehl umgehend nach. Nach einer halben Minute wandte sie sich an Kuehn. „Commander No´Leen Ra Taragenar hat unseren Schiffen die Hangarscheibe-2 zugewiesen. Leitstrahlen sind aktiviert.“

Kuehn dankte und wies den Steuermann an dem Leitstrahl für die OBERON zu folgen und in eine der drei gewaltigen Scheiben von jeweils 4,5 km Durchmesser einzufliegen. Er übergab das Kommando seinem Ersten Offizier und wandte sich zu Sylvie. „Kommen Sie, Commodore. Ich bin sicher, dass Tar´Kyren bereits auf uns wartet.“

Ebenso, wie Dheran und Pasqualina, duzten sich Sylvie und Valand nur dann, wenn sie unter sich waren. Gemeinsam verließen sie die Brücke der OBERON.

Als sie fünf Minuten später die Andockschleuse, am Rand der Primärhülle der OBERON, verließen und die Schleuse des inneren Zylinders der Scheibe betraten, wurden sie, wie Kuehn es vorausgesagt hatte, von Captain Tar´Kyren Dheran erwartet. Außer dem Andorianer war eine hochgewachsene, schwarzhaarige Frau zugegen, die am Kragen ihrer Uniform die Insignien eines Commodore trug.

Das also ist die Frau, die Tar´Kyren seit seiner Akademiezeit verehrt, dachte Kuehn und musterte sie mit Interesse. Er musste zugeben, dass sie den Eindruck erweckte es wert zu sein.

Intelligente, blau-graue Augen beherrschten das offene Gesicht, und auch sonst war ihre äußere Erscheinung dazu angetan, den Puls eines Mannes spürbar zu beschleunigen. Sein Freund besaß Geschmack, was Frauen betraf.

Tar´Kyren hatte ihm mal verraten, dass Christina Carey in seinem Jahrgang an der Akademie gewesen war, aber er konnte sich kaum an diese Frau erinnern, obwohl ihm ihr Name bereits damals etwas gesagt hatte. Möglicherweise war sie zu Jugendzeiten unauffälliger gewesen.

Zusammen näherten sich Carey und Dheran. Der Andorianer hielt sich zurück und ließ der Frau an seiner Seite den Vortritt.

„Willkommen auf STRATEGICAL STARBASE 71, Konteradmiral Kuehn und Commodore LeClerc. Ich freue mich, sie beide auf der Station begrüßen zu dürfen.“ Sie reichte beiden nacheinander die Hand. Danach trat sie abwartend zur Seite. Natürlich wusste sie, dass Dheran und der Konteradmiral Freunde waren.

Dheran und Kuehn umarmten sich herzlich, danach wandte sich der Andorianer zu Sylvie LeClerc. „Ich bin erfreut, Sie wiederzusehen, Commodore.“

Sylvie LeClerc lächelte verschmitzt. „Die Freude ist ganz meinerseits. Comment allezvous, Monsieur Dheran?“

„Mir geht es gut, danke der Nachfrage.“

Für einen Moment war die Französin überrascht. Dann erkundigte sie sich neugierig: „Sie haben in vier Wochen Französisch gelernt?“

Dheran wirkte amüsiert. „Nein, nur einige Wörter und Redewendungen, damit Sie mich nicht wieder auf dem linken Fuß erwischen.“

„Stattdessen haben Sie mich erwischt“, lachte LeClerc.

Christina Carey räusperte sich. „Konteradmiral, der Admiral wünscht, dass ich Sie zu seinem Büro geleite.“

„Dann sollten wir ihn nicht warten lassen.“

Während sie sich auf den Weg machten, überlegte Kuehn, dass es gar nicht weiter auffiel, wenn er sich mit Tarun in dessen Büro unterhielt. Wenn ein Konteradmiral auf der Station erschien war es nur natürlich, dass er vom Oberkommandieren empfangen wurde.

Auf dem Weg zum nächsten Transporterzentrum, hielt Sylvie LeClerc den Andorianer am Oberarm zurück und meinte: „Während sich die Admirale unterhalten könnten Sie mir etwas von der Station zeigen. Ich hörte, Sie haben hier eine beeindruckende Einkaufs- und Promenadenmeile.“

„Natürlich, gerne“, antwortete der Andorianer etwas überrascht.

Als sie das Transporterzentrum erreichten, verabredeten sie, sich später im SEVENTYFIRST CLUB zu treffen. Valand wusste, was er seinem Freund schuldig war und wandte sich zu Christina Carey: „Ich bestehe darauf, dass Sie uns dabei begleiten, Commodore.“

Die Irin erahnte zwar das kleine Manöver, stimmte aber dennoch zu.

„Sehr schön“, meinte Kuehn. „Dann sind wir uns also einig.“

Zwei Gespräche unter vier Augen

Beeindruckt, von der Größe der OPS, der Station STRATEGICAL STARBASE 71, verließ Konteradmiral Valand Kuehn den Turbolift, und schritt, neben Christina Carey, zügig auf die Treppe zu Admiral Taruns Büro zu.

Als sich die transparenten Schotthälften öffneten, machte Taruns Stellvertreterin keinerlei Anstalten in Taruns Büro einzutreten, und Kuehn blickte sie fragend an.

„Der Admiral möchte Sie allein sprechen, Sir“, erklärte Carey, die seinen Blick zu deuten wusste. „Ich werde auf der OPS auf sie warten.“

Kuehn nickte gleichmütig und betrat das Büro des Admirals.

Der Trill, der als Kommandant der Strategischen Station und der 5.Taktischen Flotte fungierte, erhob sich hinter seinem gläsernen Schreibtisch, umrundete ihn und schritt dem Konteradmiral entgegen.

Kuehn musterte den Admiral, von dem er bisher nur einige Anekdoten und Berichte vernommen hatte, aufmerksam mit seinen grau-grünen Augen.

Der Trill war gute zehn Zentimeter kleiner, als Kuehn. Wenn der Konteradmiral überrascht war, dass der Admiral, obwohl er zehn Jahre älter war, als er selbst, beinahe ebenso jung aussah, wie er, so ließ er es sich nicht anmerken. Kuehn sagte sich, dass dies wohl mit der relativen Langlebigkeit der Trill-Rasse zu tun hatte. In den durchscheinend blauen Augen des Trill bemerkte der Konteradmiral dieselbe Neugier, wie bei sich selbst. Auch der Admiral taxierte ihn abwägend. Bei dieser Erkenntnis überflog ein leichtes Lächeln seinen Mund.

„Ich begrüße Sie auf STRATEGICAL STARBASE 71, Konteradmiral“, empfing er den hochgewachsenen Mann. „Ich hoffe, Sie hatten einen ruhigen Flug hierher. Wie man hörte, haben Sie bei der kürzlich stattgefundenen Gefecht, gegen die Gorn und Tzenkethi, kräftig mitgemischt.“

Kuehn ergriff die dargebotene Hand des Admirals und erwiderte den kräftigen Händedruck.

„Ich war zufällig in der Gegend, Sir.“

Tarun grinste schelmisch. „Schade, dass ich nicht dabei war.“

Der Trill deutete zur Sitzecke hinüber und bot Kuehn an Platz zu nehmen. Dabei bemerkte er, dass sich der Konteradmiral auf denselben Platz setzte, den auch Captain Dheran bevorzugte, und er grinste belustigt. Im nächsten Moment war nichts mehr davon zu bemerken, und er fragte Kuehn: „Kann ich Sie für einen Drink begeistern, Mister Kuehn?“

Der Konteradmiral schüttelte den Kopf. „Nein, danke, Admiral.“ Er wartete geduldig, bis Tarun Platz genommen hatte, und auf den eigentlichen Grund dieses Treffens kam.

„Konteradmiral, Sie wissen bereits, in groben Zügen, durch die von Captain Dheran im März überbrachten Nachrichten und Daten an Sie, warum ich mit Ihnen sprechen möchte. Lassen Sie mich aber zuvor etwas ausholen, um die Lage zu umreißen:

Anfang des Jahres hatte ich eine Unterredung mit dem Regierungs-Chef der Cardassianer. Elim Garak berichtete mir davon, dass während der Endphase des Dominionkriegs, zahlreiche Familienangehörigen von Legats und Guls in Schlüsselpositionen, von den Jem´Hadar in den Gamma-Quadrant gebracht wurden, so zu sagen, als Geiseln, um die immer wankelmütiger werdenden Verbündeten bei der Stange zu halten. Wie sie wissen, fiel selbst das cardassianische Militär, gegen Ende der Entscheidungsschlacht, über Cardassia-Prime, dem Dominion in den Rücken. Dennoch wurden die Cardassianer, während der Friedensverhandlungen, nicht als Alliierte der Föderation geführt, und dem zufolge galt für sie nicht der Passus des Friedensvertrags, über den Austausch von Kriegsgefangenen. Mit anderen Worten, die cardassianischen Geiseln, überwiegend Frauen und Kinder, befinden sich immer noch in den Händen des Dominion.

Im Zuge des erwähnten Gespräches bat mich Mister Garak, mehr oder weniger deutlich, um die Unterstützung der Föderation, bei dem Versuch, die Geiseln nach Cardassia zurück zu führen. Also schickte ich einen entsprechenden Bericht an das Sternenflottenkommando. Zu meiner Überraschung hat man dort ziemlich schnell darauf reagiert, und mich, über meinen Kollegen im Gamma-Quadranten, darum gebeten, die Daten zu besorgen, die Sie von Dheran überbracht bekamen. Den Rest kennen Sie bereits.“

Kuehn, der angespannt zugehört hatte nickte knapp. „Ja. Man hat nochmals versucht, über die offiziellen Kanäle, etwas für die Cardassianer zu tun, und erhielt von den Vertretern der Gründer den lappidaren Hinweis, es gäbe keine Kriegsgefangenen im Bereich des Dominion, was ja nicht einmal gelogen wäre, denn die Cardassianer haben dem Dominion nie offiziell den Krieg erklärt. Eine spitzfindige Frechheit, wenn sie mich fragen.“

Tarun fuhr sich mit der Linken über seinen Kinnbart, und der Konteradmiral, der sich gelegentlich bei einer ähnlichen Geste ertappte, wenn er über eine schwierige Situation grübelte, wusste dieses Verhalten zu deuten. Dann erklärte er: „Mit dieser Ansicht rennen Sie bei Garak offene Türen ein. Und anscheinend auch bei einigen hochrangigen Vertretern des SFC, denn vor wenigen Tagen erhielt ich eine geheime Depesche. Oder anders formuliert: Man gibt Ihnen grünes Licht für Operation Taranis.

Der Konteradmiral machte keinen sehr überraschten Eindruck. Entweder, so sagte sich Tarun, war dieser, noch recht junge, Admiral abgebrühter, als er vermutet hatte, oder er besaß Quellen, die besser waren, als seine. Für einen Moment schalt sich der Trill, für den letzten Gedanken, einen Narren, und verwarf diese Überlegung. Ersteres schien ihm wesentlich wahrscheinlicher, denn er spürte die ungeheure Selbstsicherheit dieses Menschen, von dessen Mitgliedschaft bei der RED-SQUAD er gehört hatte, nachdem er seinerzeit, nach einer verheerenden Katastrophe an Bord, die USS ALAMO, nach sechsjähriger Irrfahrt im Beta-Quadranten, sicher wieder nach Hause gebracht hatte. Natürlich hatte Tarun damals davon gehört, denn dieses Thema war wochenlang innerhalb der Sternenflotte herumgegangen. Bereits damals hatte er sich gewünscht, diesen Offizier einmal persönlich kennen zu lernen.

Kuehns nächste Worte rissen den Admiral aus seinen Überlegungen. „Ich habe bereits mit der Einsatzplanung begonnen, Sir. Ich dachte mir, dass wir dadurch die Zeit, bis zur Durchführung des Unternehmens minimieren können. Im Anschluss an das Ende der Sektorenmeisterschaften, werde ich mit der OBERON und zwei weiteren Schiffen meines Verbandes zu den Antares-Fleetyards aufbrechen, um die Schiffe für den geplanten Einsatz zu frisieren. Ich hoffe nur, dass sie uns danach nicht um die Ohren fliegen werden, denn die Strukturelle Integrität wird bei dem, was wir mit diesen Schiffen vorhaben, ziemlich strapaziert werden. Ich denke, dass wir im November soweit sein werden, Sir.“

Tarun machte für einen Moment ein fragendes Gesicht, bevor er unumwunden meinte: „Mich wundert ein Wenig, dass man im SFC nicht auf die Idee kam, meinen Kollegen von der 6.Taktische Flotte, Carzon Seregan, mit in das Unternehmen einzubinden, Konteradmiral. Admiral Seregan hat, meiner Meinung nach, den besten Überblick, über die Situation im Gamma-Quadranten.“

„Man wollte die Taktischen Flotten bewusst heraushalten, denke ich. Außerdem sind die drei Schiffe meines Verbandes, mit die modernsten, die das SFC aufbieten kann.“

„Seien Sie nicht zu bescheiden“, hakte der Admiral ein. „Man wird sich wohl auch an Ihre Fähigkeiten, die Sie während des Dominionkriegs unerschütterlich unter Beweis stellten, erinnert haben. Ihre Exkursionen, und die ihres Freundes Dheran, an Bord der EXODUS, sind mir seinerzeit des Öfteren zu Ohren gekommen.“

Valand Kuehn grinste schief. „Damals waren wir alle noch etwas ungestümer, Sir. Besonders Captain Dheran hat dieser Krieg, gegen Ende, sehr verändert.“

„Sie kennen den Andorianer besser, als ich“, antwortete Tarun, der Dheran, erst vor vier Wochen, wütend in seinem Büro erlebt hatte, diplomatisch. Dann wechselte er das Thema und meinte: „Wie ich weiß, nehmen sie auch dieses Jahr wieder an dem Fechtturnier teil. Wer, glauben Sie, wird diesmal das Rennen im Einzelwettbewerb machen?“

Valand Kuehns Haltung entspannte sich unmerklich, während er antwortete: „Ich, für meinen Teil, werde alles daransetzen zu gewinnen, Admiral.“

„Jetzt weiß ich, woher Captain Dheran seine Einstellung hat“, lachte Tarun und erhob sich, zum Zeichen, dass diese Treffen beendet war.

Kuehn folgte seinem Beispiel und reichte Tarun seine Hand, um sich von ihm zu verabschieden. „Sie entschuldigen mich nun bitte, Sir. Auf der OPS wartet eine reizende Dame, in Person Ihrer Stellvertreterin, um mich zum SEVENTYFIRST CLUB zu begleiten.“

Damit wandte sich der Konteradmiral ab und verließ Taruns Büro, der ihm sinnend nachblickte. Dabei fragte sich Tarun, ob Kuehn wohl von den Gefühlen, die Christina Carey für dessen andorianischen Freund hegte, wusste.

 
 

* * *

 

Als Valand Kuehn, mit Christina Carey das SEVENTYFIRST CLUB betrat, dauerte es eine Weile, bis er Sylvie und Tar´Kyren an einem der Tische entdeckte. Bei ihnen saß ein Captain, der etwa um die Fünfzig war und dessen Haar bereits früh eine grau-silbernen Ton angenommen hatte. Des weiteren saß eine Andorianerin mit am Tisch, die Valand schnell als Dherans Schwester identifizierte, als sie sich dem Tisch näherten. Kuehn hatte die Schwester seines Freundes erst während des Dominion-Kriegs kennen gelernt, als sie bereits Offizier der Sternenflotte war, und er hatte sich gewundert, wie unterschiedlich Geschwister auch bei Andorianern sein konnten.

Tia´Lynara hatte ihre linke Hand auf den Unterarm ihres Bruders gelegt und saß ein wenig zu ihm geneigt, zu seiner Rechten.

Valand Kuehn bemerkte, bei einem schnellen Seitenblick, das leichte Stirnrunzeln seiner Begleiterin und meinte amüsiert: „Man merkt kaum, dass die beiden Geschwister sind, nicht war?“

Carey verbarg ihre Überraschung über diese Eröffnung sehr gut. Dann blieb sie stehen und sagte: „Ich wusste, dass er eine Schwester hat, aber nicht dass sie so hübsch ist.“

„Vielleicht sollten Sie öfter mit ihm reden, jetzt, wo Sie die Gelegenheit dazu haben“, wagte der Konteradmiral einen Vorstoß. Bevor die Frau etwas darauf erwidern konnte, wechselte er das Thema. „Hatten Sie Gelegenheit, seinen Vater kennen zu lernen? Während des Dominion-Kriegs war er noch General im aktiven Dienst, bei den Andorianischen Kommandoeinheiten. Nach der Besetzung seines Heimatplaneten hat er den Widerstand organisiert und die Jem´Hadar schwer vermöbelt.“

Christina Carey blickte Valand Kuehn nur an und schüttelte den Kopf. Dabei versetze es ihr einen leichten Stich im Herzen, so wenig von Tar´Kyren zu wissen.

Sie setzten sich wieder in Bewegung. Die beiden Neuankömmlinge grüßten in die Runde, und Valand Kuehn zog, ganz Gentleman, für seine Begleiterin den Stuhl zu Tar´Kyrens Linken zurück.

Die schwarzhaarige Frau warf ihm einen undefinierbaren Blick zu, setzte sich jedoch wortlos neben den Andorianer.

Kuehn selbst nahm zwischen ihr und dem grauhaarigen Captain Platz, der sich ihm als Frank Revers vorstellte. „Wenn Sie, vor einigen Tagen, nicht zufällig in der Nähe gewesen wären, dann hätte es übel für unseren kleinen Verband ausgehen können. Ich selbst hatte die glorreiche Aufgabe, den Admiral zu warnen.“

Kuehn nickte und meinte: „Dann kommandieren Sie ein leichtes, sehr schnelles Schiff, oder irre ich mich?“

Revers der sich Kuehn gegenüber abwartend verhielt, nickte zustimmend: „MARYLAND-KLASSE, Konteradmiral. Das Typenschiff.“

Kuehn nickte anerkennend. „Eine bemerkenswerte Schiffsklasse, Captain Revers. Ich kenne die Spezifikationen, habe jedoch nie eines dieser Schiffe mit meinen eigenen Augen gesehen. Vielleicht ergibt sich, in den nächsten Tagen, die Gelegenheit, dass Sie mir das Schiff zeigen.“

Revers´ Haltung entspannte sich etwas. Er besaß, durch schlechte Erfahrungen, die er in der Vergangenheit gemacht hatte, ein tief verwurzeltes Misstrauen gegenüber Flaggoffizieren und dem Sternenflottenkommando. Und dass Kuehn um einiges jünger war, als er selbst trug nicht gerade dazu bei, sein Misstrauen zu verringern. Natürlich gab es rühmliche Ausnahmen, wie Admiral Tarun, der noch keine Vierzig gewesen war, als man ihn zum Konteradmiral beförderte. Revers hatte Tarun gut kennengelernt und festgestellt, dass er nicht zum Typ Sternenflottenoffizier gehörte, der für seine Karriere über Leichen ging. Doch beim Rest war sich Revers nicht so sicher. Er glaubte zwar nicht, dass sich Dheran mit solchen Leuten abgeben würde, aber er blieb dennoch abwartend.

„Ich zeige Ihnen gerne mein Schiff“, antwortete er schließlich.

Auf der anderen Seite von Frank Revers unterhielt sich Sylvie LeClerc angeregt mit Tar´Kyren Dherans Schwester.

Der Andorianer und Christina Carey hatten zunächst nur wortlos neben einander gesessen, bis Dheran schließlich das Wort ergriff und fragte: „Was hältst du davon, wenn wir uns zur Bar begeben?“

Christina blickte hinüber zu einigen freien Plätzen an der Bar und seufzte ergeben. Valand hatte vielleicht Recht. Außerdem konnte sie ihm nicht ewig ausweichen. Und sie wollte das auch gar nicht. „In Ordnung, gehen wir hinüber. Aber nur auf einen kleinen Drink.“

Der Andorianer sprang beinahe auf, bei ihren Worten. Sie entschuldigten sich bei den Anderen und gingen langsam zum Ende der Bar, wo sie sich ungestört würden unterhalten können.

Nachdem beide ihre Drinks bestellt und bekommen hatten, nahm Dheran einen Schluck von seinem andorianischen Ale und kam direkt zum Thema. „Christina, wir haben uns bisher nur zweimal kurz unterhalten, seit ich auf STRATEGICAL STARBASE 71 stationiert bin, und ich habe das Gefühl, dass du mir bewusst aus dem Weg gehst. Aber du weißt selbst, dass Schweigen nicht der richtige Weg ist, und eher Probleme schafft, als sie löst. Und irgendwann sollten wir über uns beide reden.“

Die Irin trank einen Schluck von ihrem Guinness und fragte mit erhobenen Augenbrauen: „Und du wirst dir in Ruhe anhören, was ich zu sagen habe, und dich nicht darüber aufregen?“

Dheran legte seine Hand auf ihren Arm und beugte sich etwas auf seinem Hocker nach vorne. „Ich werde mich zumindest bemühen, Christina.“

Die Irin widerstand der Versuchung ihren Arm zurück zu ziehen, auch wenn sie das Gefühl hatte, ihr Arm würde unter seiner sanften Berührung aufglühen. Sie dachte flüchtig daran, wie sie sich, vor einigen Monaten zufällig im Turbolift begegnet waren. Damals hatte sie sich alles Andere als höflich ihm gegenüber verhalten, und sie hatte geglaubt, dass er ihr nun endgültig die Freundschaft kündigen würde. Doch bald darauf hatte sie festgestellt, dass Tar´Kyren so ganz anders war, als sie ihn in Erinnerung gehabt hatte. Sie gestand sich ein, dass sie diesen neuen Dheran sehr gerne näher kennen würde.

Ihre Blicke verschmolzen mit einander und für einen kurzen Moment glaubte sie jene Verbundenheit zu spüren, die vor so vielen Jahren zwischen ihnen geherrscht hatte.

„Du hast dich sehr verändert“, brachte sie schließlich mühsam hervor und ärgerte sich darüber wie flach das klang.

Ein launiges Lachen war die Antwort des Andorianers.

„Irgendwann werden selbst wir blauen Jungs erwachsen. Es bedeutet mir sehr viel, dass wir beide uns hier ganz vernünftig und in Ruhe unterhalten.“

Für den Moment schien Christina nicht daran zu denken, über welche kognitiven Fähigkeiten Dheran verfügte und er war ganz froh darüber, konnte er doch durch den körperlichen Kontakt ihre Gefühle sehr deutlich wahrnehmen. Doch ihre nächsten Worte belehrten ihn bereits eines Besseren.

„Falls du gedacht hast, dass ich deine Fähigkeit der Empathie vergessen habe, dann liegst du falsch, Tar.“ Sie weidete sich einen Moment an seinem Blick und legte dabei, ganz bewusst, ihre linke Hand zusätzlich auf seine. Dann fasste sie sich ein Herz und gestand ihm: „Es tut mir leid, dass ich damals im Turbolift so abweisend zu dir war. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt einfach nicht, wie ich mich dir gegenüber verhalten sollte. Und wie du zu mir stehst. Ich hatte einfach Angst, dass, egal was ich sagen würde, es die Lage nur schwieriger machen würde. Und genau das wollte ich vermeiden.“

Dherans Antennen bewegten sich unruhig als er ungewohnt sanft erwiderte: „Meine Gefühle für Dich sind unverändert stark, Christina. Ich weiß, dass seit unserer Zeit auf Andoria viele Jahre vergangen sind, aber du bedeutest mir immer noch sehr viel, und ich möchte, dass wir zumindest wieder gute Freunde werden.“

Ein feuchtes Glitzern trat in die Augen der Irin „Ich habe nie aufgehört, Dich als meinen Freund zu sehen, Tar. Und ich wollte Dich nie verletzen. Aber damals konnte ich nicht anders, weil...“ Sie schluckte und fand nicht die rechten Worte um weiterzusprechen. Um so erstaunter war sie, in den Augen des Andorianers nicht den befürchteten heftigen Widerspruch zu entdecken, sondern so etwas wie Verstehen.

Dheran lächelte säuerlich, als er sagte: „Wie du weißt, habe ich nie sonderlich viel von der vulkanischen Sicht auf das Leben gehalten, Christina, doch ein Ausspruch, den Botschafter Spock in seinen frühen Jahren getätigt haben soll, ist mir, aus meiner Kadettenzeit, lebhaft im Gedächtnis geblieben. Er soll der Ansicht gewesen sein, dass sich das Universum genau so entwickelt, wie es soll. Er hat jedoch wohlweislich verschwiegen, ob uns diese Entwicklung auch gefällt. Vielleicht sollte und musste es so sein, wie es gekommen ist.“

Einen Moment lang blickte die Irin den Andorianer nur stumm an. Nach einer Weile meinte sie dann: „Du hast dich wirklich sehr verändert, Tar. Und ich würde diesen erwachsenen Tar´Kyren Dheran sehr gerne besser kennen lernen.“

Die Antennen des Andorianers gerieten erneut in Bewegung, während er sich straffte und dann beide Hände der Frau in seine nahm. „An mir soll es bestimmt nicht scheitern, Christina. Was hältst du davon, wenn wir morgen mit einander zu Mittag essen würden?“ Zuerst hatte er nach einem Abendessen fragen wollen, aber er hatte sich vorgenommen diesmal nichts über das Knie zu brechen.

Christina erwiderte den sanften Druck seiner Hände, lächelte ihn an und antwortete: „Sehr gerne, Tar.“

Im Zwiespalt der Gefühle

Lieutenant-Commander Leandros ging im Büro ihrer Krankenstation die Behandlungsprotokolle des Vortages durch, als Captain Dheran und Commander Mancharella, heftig mit einander diskutierend herein gestürmt kamen.

Mit einem letzten Blick auf das Padd schaltete die Ärztin es aus und schritt aus ihrem Büro zum Behandlungsraum hinüber. Mit einem Blick erkannte sie, dass die beiden Führungsoffiziere wegen diverser Schnittwunden und Hautabschürfungen auf ihre Krankenstation gekommen waren. Trotzdem nahm sie den medizinischen Tricorder zur Hand und untersuchte beide kurz, bevor sie sich mit ernster Miene in die Diskussion einmischte und laut fragte: „Training in der sportlichen Disziplin des Degenfechtens, vermute ich? Was ist passiert?“

„Ein kleiner Unfall!“, knurrte Dheran und schien nicht gewillt mehr zu sagen.

„Nichts weltbewegendes“, wiegelte Commander Mancharella ab.

„So, so“, machte die Ärztin, während sie bei der Spanierin den Hautregenerator ansetzte um einen Riss an der linken Wange zu versiegeln. Während sie zwei weitere Schnitte an der Stirn und am rechten Unterarm behandelte, fügte sie scharf hinzu: „Sieht mir fast danach aus, als wäre jemand auf die dumme Idee gekommen die Sicherheitsprotokolle des Holodecks zu deaktivieren.“ Sie blickte forschend in Pasqualinas Augen, bevor sie zu Dheran ging, um seine beiden Schnittwunden zu behandeln.

Als Dheran zu einer Erklärung ansetzen wollte, schnitt sie ihm das Wort ab und fuhr ihn ernst an: „Hören Sie, Captain, ich möchte gar nicht wissen, worum es geht - ich bin Ärztin und kein Counselor. Aber wenn Sie beide noch ein einziges Mal mit Schnittwunden und Blutergüssen auf meiner Krankenstation erscheinen, dann behalte ich Sie und den Commander, bis nach dem Fechtturnier hier unter Beobachtung, und zwar wegen Verdachtes auf vermindete Zurechnungsfähigkeit. Natürlich würde der Admiral von mir zusätzlich einen ausführlichen, medizinischen Bericht bekommen. Ich hoffe das ist Ihnen beiden klar!“

Der Andorianer blickte in das wütende Gesicht seines Leitenden Medizinischen Offiziers und erkannte dass sie fest entschlossen war zu tun, was sie eben angedroht hatte. Und er wusste, dass sie dazu auch die Autorität besaß.

„Vollkommen klar“, antwortete der Andorianer mürrisch.

„Klar, Doktor“, beeilte sich auch Commander Mancharella zu versichern, als sie ihren neugierigen Blick auffing.

Der Andorianer und die Spanierin beeilten sich, die Krankenstation wieder zu verlassen, wobei ihnen Victoria Leandros hinterher rief: „Vergessen Sie es ja nicht – das hier ist eine Krankenstation und kein Tollhaus!“

„Bloß weg von hier“, murmelte Pasqualina und legte einen Schritt zu. „Unsere Chefärztin hat heute Morgen die breite Uniform angezogen.“

Gegen seinen Willen verzogen sich Dherans Mundwinkel zu einem Grinsen. „Wusstest du übrigens, dass unsere Doktorin sich auf Ringkampf versteht?“

Ungläubig blickte die Spanierin den Andorianer an. „Ist das ein Witz?“

„Nein, sie war, während ihrer Akademiezeit, ungeschlagene Meisterin der Frauen.“

„Da bekommt der Begriff auf die Matte legen eine neue Dimension.“

Dheran fand es erstaunlich, wie schnell sie beide ihren Zwist vergessen hatten, während sie sich über die Angewohnheiten ihre Bordärztin amüsierten.

Die Spanierin sah Dheran von der Seite an, während sie gemeinsam zum Turbolift schritten, bevor sie mit verändertem Tonfall fragte: „Du hast gestern, zusammen mit Carey, deinen Freund auf der Station empfangen?“

Dheran machte eine zustimmende Geste. „Ja, ich freue mich, dass er schon eine Woche vor beginn des Turniers kommen konnte. Meine Schwester und Captain LeClerc waren auch dabei. Ich habe Tia´Lynara versprochen, ihr morgen die Station zu zeigen. Hättest du Lust uns zu begleiten? Wir könnten Revers mitnehmen – er und meine Schwester scheinen sich gut zu verstehen.“

„Nein, Danke.“

Dheran wirkte verwundert. „Hast du was?“

„Du meinst, außer dass ich dich und Christina Carey gestern Händchen haltend an der Bar gesehen habe?“

Der Andorianer gab ein Seufzen von sich, was sich bei ihm recht merkwürdig ausnahm. Dann erklärte er: „Wir haben es gestern endlich geschafft, nach beinahe zwanzig Jahren, vernünftig mit einander zu reden, ohne uns im Streit zu trennen. Das Händchen halten wie du es nanntest, war dabei lediglich eine Geste des Verständnisses.“

„Also hast du Zeit mit mir zu Mittag zu essen?“

„Können wir das auf heute Abend verschieben?“, bat Dheran. „Heute Mittag bin ich mit Christina zum Essen verabredet.“

„Ein interessanter Zufall, nicht wahr?“ Die Spanierin blickte ihn gereizt an, während sie auf den Lift warteten. „Ich sage dir jetzt einmal was – finde heraus, was du eigentlich willst. Und das besser schnell, denn solange du auf zwei Hochzeiten tanzt, sehe ich mich nicht als fest gebunden, damit du im Bilde bist.“

Sie betraten den Lift, und fuhren zu Deck-4 hinauf. „Was soll das nun wieder heißen?“, erkundigte sich Dheran gefährlich sanftmütig.

„Das wirst du schon sehen!“, fuhr ihn die Spanierin hitzig an, bevor sie den Lift verließ, als sie auf dem vierten Deck ankamen.

Im ersten Moment blieb Dheran fassungslos im Lift stehen. Dann eilte er hinter Pasqualina her und fragte laut: „Trainieren wir morgen zusammen?“

„Ich hole dich ab“, entgegnete sie, ohne sich umzudrehen, und verschwand im nächsten Moment in ihrer Kabine.

Und dabei soll man nicht wahnsinnig werden, dachte Dheran finster, bevor er seine eigene Kabine aufsuchte, um zu duschen und sich umzuziehen.

 
 

* * *

 

Lieutenant-Commander Christian Sinemus, der Taktische Offizier der NOTRE DAME, stand im Bad und seine grün-braunen Augen musterten kritisch das Spiegelbild. Nach einigen Augenblicken entschied er, dass alles in Ordnung war. Die golden abgesetzte Uniform saß tadellos. Endlich hatte er Dienstfrei und konnte sich die Station ansehen.

Christian Sinemus besaß jene typischen Eigenschaften, wie man sie bei vielen Offizieren mit taktischem Verständnis fand, wenn auch längst nicht bei allen. Er besaß eine nahezu unerschütterliche Ruhe, einen messerscharfen Verstand und die Fähigkeit mit einem Minimum an Ressourcen ein Maximum an Effizienz zu erreichen. Auch wusste er, was er zu leisten im Stande war und er kannte ebenso seine Grenzen. Trotzdem wirkte er nie eingebildet, oder gar hochnäsig. Im Gegenteil sein Auftreten wirkte oft sehr bescheiden. Dennoch wusste er was er wollte, und meistens bekam er es auch, denn es gab nur wenige Wesen, die den Lieutenant-Commander nicht als sympathisch bezeichnet hätten.

Geboren worden war der 1,93 Meter große Mann aus der irdischen Region Österreich in der historischen Stadt Wien, was sich manchmal in seiner lässigen aber dennoch effizienten Art, die Dinge zu handhaben, wiederfand.

Obwohl das Tanzen gesellschaftlich momentan eine eher untergeordnete Rolle spielte, hatte er Wert darauf gelegt, noch zu Akademiezeiten, sowohl die klassischen, als auch moderne Tänze der Neuzeit zu erlernen. Zu seinem Kummer fand er nur sehr selten eine passende Tanzpartnerin, so dass sich seine tänzerische Betätigung zumeist auf Holodeckprogramme beschränkte, wobei er besonders ein historisches Programm mit einer Simulation des österreichischen Hoflebens aus dem 19. Jahrhundert bevorzugte. Ganz im Gegensatz zu den historischen Tatsachen, machte in diesem Programm sehr oft ein ungarischer Graf das Rennen um die reizende, junge Kaiserin, der von niemand Geringerem als ihm selbst verkörpert wurde.

Im realen Leben lief es oft sehr ähnlich, denn seine Fähigkeit schnell Sympathie zu erringen erstreckte sich, nicht zuletzt durch sein gutes Aussehen, auch, oder besser, gerade auf das weibliche Geschlecht fast aller humanoider Rassen. Lediglich bei klingonischen Frauen konnte er nicht punkten, was ihm jedoch ziemlich egal war, da er mit deren kriegerischen Ansichten und Ritualen ohnehin nicht viel anfangen konnte.

Schon des Öfteren war er gefragt worden, warum er dann ausgerechnet in einer Sektorenflotte, wie der von Konteradmiral Valand Kuehn, seinen Dienst verrichtete. Die, für sein jeweiliges Gegenüber zumeist verblüffende Antwort lautete, dass er Machtinstrumente wie die Schiffe der Sektorenflotte lieber in der Hand von Leuten sehen würde, die den Kampf nicht leiden können, als in der Hand jener, die wild entschlossen waren, sie gegen andere Völker einzusetzen. Trotzdem gefiel ihm sein Dienst, nicht zuletzt wegen seines unverbrüchlichen Glaubens daran, dass Verbände, wie die Sektorenflotten notwendig waren, um den Frieden zu bewahren. Er wünschte sich zwar, dass es anders wäre, war jedoch genug Realist, um zu wissen, dass dieser Tag noch in weiter Ferne lag. Möglicherweise kam er nie.

Bestens gelaunt verließ Sinemus seine Kabine und machte sich auf den Weg zur linken Andockschleuse der Primärhülle. Er freute sich schon auf den Wettkampf im Degenfechten, und er machte sich berechtigte Hoffnungen darauf zu gewinnen, denn letztes Jahr hatte er sich im Finale lediglich Captain Frank geschlagen geben müssen.

Als er in den Gang zur Schleuse ein bog traf er auf Tia´Lynara Dheran. Die Chefärztin der NOTRE DAME blickte sich zu ihm um und wartete, bis er zu ihr aufgeschlossen hatte. Sie begrüßten einander und die Andorianerin erkundigte sich freundlich: „Sind Sie auf dem Weg sich gründlich auf der Station umzuschauen, Christian?“

„Ja, endlich habe ich die Zeit dazu. Wie war das Treffen mit Ihrem Bruder?“

Die Andorianerin strahlte. „Einfach fantastisch. Wir hatten uns zuvor mehr als zwei Jahre lang, nicht mehr gesehen. Er ist einfach ein wundervoller Bruder. Was ist mit Ihnen – haben sie Geschwister?“

Christian Sinemus schüttelte den Kopf. „Nein, obwohl ich gerne Geschwister gehabt hätte.“ Er hob neugierig die Augenbrauen. „Was haben Sie den auf STRATEGICAL STARBASE 71 vor?“

„Ich treffe mich mit einigen Offizieren der Taktischen Flotte im GRAVITRON. In dem Lokal gibt es einen so genannten Low-Gravity-Bereich mit mehreren zu einander geneigten Holotanzflächen. Soweit ich weiß, ist dieses Lokal das erste seiner Art.“

„Sagten Sie Tanzflächen?“, erkundigte sich Sinemus hellhörig werdend. „Klingt sehr gut. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mich Ihnen anschließe?“

„Durchaus nicht. Das wird sicher lustig.“

 
 

* * *

 

Nachdem Lieutenant-Commander Sinemus seine Uniform, in einem der Umkleide-Bereiche für männliche Besucher, gegen eine, in allen Farben des Regenbogens schillernde, Tanzkombination gewechselt hatte, betrat er das GRAVITRON.

Der Anblick wirkte schlicht atemberaubend auf ihn – damit erging es ihm wie jedem Besucher dieses Lokals, der zum ersten Mal hierher kam.

Die in verschiedenen Stilen untergliederte Bar, mit ihren zahlreichen Tischen und Sitznischen, bildeten, auf zwei Etagen, einen beinahe einhundert Meter durchmessenden Ring um die siebzig Meter durchmessende, und ebenso hohe Tanzkuppel – das eigentliche GRAVITRON. Die Innenseite der Deckenkuppel diente als Projektionsfläche für die jeweils zur Musik passenden Lightshow. In den Tanzpausen wurden dort, im ständigen Wechsel, Bilder von Sternennebeln, Planeten und anderen interstellaren Objekten projiziert. Doch auch eine Projektion des umgebenden Forlan-Systems war möglich. Was angezeigt wurde, entschied sich durch die Stimmung der Besucher, die über Stimmungssensoren ermittelt wurde, die in den Wänden installiert waren.

Im Low-G-Bereich schwebten dutzende von Besuchern des GRAVITRON, bewegten sich zu den schwingenden Rhythmen der sphärischen Musik, und erfüllten sich den uralten Traum vom fliegen. Ermöglicht wurde das vom so genannten Tanz-Gravitator, der ein Trägheitsdämpfungsfeld um den Träger erzeugte. Die Steuerung dieses Gerätes, welches als flacher Gürtel getragen wurde, erfolgte über ein Steuerungsinterface, wahlweise am linken, oder am rechten Handgelenk der Tanzkombination.

Es dauerte eine Weile, bis auch Tia´Lynara umgezogen war und lächelnd zu ihm kam. „Was sagen Sie dazu, Christian? Ich glaube, Captain Revers hat mir gestern nicht zu viel versprochen, als er mir dieses Lokal empfohlen hat.“

„Es ist überwältigend“, stimmte Sinemus begeistert zu. „So etwas habe ich bisher noch nicht gesehen.“

Neben einander schritten sie langsam den Ringbereich entlang. Erst nachdem beide das GRAVITRON beinahe zur Hälfte umrundet hatten, entdeckte die Andorianerin Frank Revers in der Menge. Neben im erkannte sie einen jungen Andorianer und eine blonde Frau, die den Eindruck erweckte, als würde sie zu ihm gehören. Dann waren da die Captains Minoru Tanaka und Chris O´Donnell. Revers hatte ihr die beiden Männer gestern Abend vorgestellt. Zwei Frauen befanden sich in der Begleitung der drei Männern, die ihr nicht bekannt waren. Eine von ihnen war blond und schien etwas jünger zu sein, als Revers. Die andere Frau wirkte wie deren genaues Gegenteil – sie war etwa in ihrem Alter und machte einen mediterranen Eindruck.

Sinemus und die Andorianerin wurden mit großem Hallo begrüßt und Revers stellte ihnen die beiden Frauen als Kristin Perkins und Pasqualina Mancharella vor.

Den letzten Namen hatte Tia´Lynara Dheran erst gestern von ihrem Bruder gehört, als er ihr von seinen bisherigen Erlebnissen bei der 5.Taktischen Flotte erzählte. Sie war also sein Erster Offizier, mit dem er vor mehreren Monaten eine bemerkenswerte Odyssee erlebt hatte. Sie war es auch, die den Andorianer als Lieutenant Cer´Zydar Taren und seine Freundin als, Crewman Sylvie Gerlach vorstellte. Beide hatten sich, nach Aussage der Spanierin, vor wenigen Wochen für eine Mission auf der ICICLE aufgehalten und waren vor kurzer Zeit erst zu den Taktischen Flotten gewechselt. Gemeinsam dienten sie nun auf der ARGONAUT.

Christian Sinemus zeigte ein auffallendes Interesse an der Spanierin und es war keinesfalls Zufall, dass er sich an ihre Seite gesellte, nachdem Cer´Zydar Taren mit seiner Freundin in der Menge untertauchte, um mit ihr etwas ungestörter zu sein.

Während die Andorianerin von Chris O´Donnell und Minoru Tanaka in eine interessante Unterhaltung verstrickt wurde, beobachtete sie zwischendurch, dass sich die Beiden auf Anhieb zu verstehen schienen. Soweit sie es mitbekam unterhielten sie sich über das kommende Turnier, an dem sie beide teilnehmen würden.

Revers und Kristin Perkins nahmen wechselseitig an beiden Unterhaltungen teil, bis Sinemus die Spanierin zum Tanzen aufforderte.

Als sie in Richtung Tanzbereich verschwanden, fragte Revers die Andorianerin: „Nehmen Sie auch am Turnier teil?“

„Nein, Captain Revers. Als Ärztin schneide ich andere Leute lediglich mit dem Laserskalpell auf. Es gibt böse Zungen, die behaupten, das würde auf dasselbe hinauslaufen.“

Revers grinste amüsiert. „Was sagen denn ihre Eltern dazu, dass Sie und Ihr Bruder so unterschiedliche Karrieren bei der Sternenflotte eingeschlagen haben?“

Die Antennen der Andorianerin bogen sich leicht nach Innen. „Unser Vater war Anfangs gar nicht begeistert davon, als ich mich dazu entschloss zur Sternenflotte zu gehen – und dann auch noch um Medizin zu studieren. Was Letzteres angeht, würde sich Tar´Kyren übrigens gerne an seine Seite stellen. Dennoch hat mein Bruder mich in meinem Entschluss unterstützt und mir den Rücken gestärkt. Möglicherweise haben Sie Tar´Kyren von einer anderen Seite kennen gelernt, aber er ist, wie beinahe alle Andorianer, sehr familiär eingestellt. Und wer ihn nur oberflächlich kennt käme kaum auf den Gedanken, dass er viel lieber Forscher, als Kämpfer wäre, auch wenn ihm Letzteres im Blut liegt.“

Revers, der das Leuchten in den Augen der Andorianerin bemerkte, als sie von ihrem Bruder erzählte, nickte verstehend. Er kannte diese Geschichte, hatte er sie doch beinahe selbst in der Art erlebt. Auch er war der erste seiner Familien gewesen, der zur Sternenflotte gegangen war. Und dann war seine Schwester Diana seinem Beispiel gefolgt. Der Unterscheid zu den Andorianern war nur, dass seine Mutter lange Zeit damit ihre Probleme gehabt hatte. Er schmunzelte kurz als ihm auffiel, dass sowohl seine als auch Dherans Schwester Ärztinnen waren und bemerkte dann: „Sie haben ihn sehr gern, nicht wahr?“

„Ja, sehr. Schon in meiner Kindheit hat er viel Zeit mit mir verbracht. Ich werde nie vergessen, wie er das erste Mal mit mir bis dicht unter die planetare Oberfläche unserer Heimatwelt marschiert ist, und wir dann auf seinem Wok´Aanfor durch einen Eiskanal bis nach Li Mi´She hinunter gefahren sind.“

Chris O´Donnell blickte sie überrascht an. „Er ist mit Ihnen Schlitten gefahren?“

Die Andorianerin überlegte kurz und meinte dann: „So könnte man sagen, nur dass man in einem Eiskanal auf Andoria sehr viel schneller dahin jagt.“

„Da soll noch einer sagen, Andorianer wüssten sich nicht zu amüsieren“, lachte Kristin Perkins und beobachtete interessiert, wie O´Donnell und Tanaka Dherans Schwester zu einem Tanz überredeten.

Während die drei sich zum Low-G-Bereich begaben, blickte Revers ihnen sinnend nach, bis Kristin Perkins ihn sachte in die Seite stupste. „Sie ist zu jung für Sie, Captain“, raunte sie Frank Revers zu.

Der Captain blickte die Australierin überrascht an. „Sind Sie von Sinnen, Kristin? Wie kommen Sie darauf, das ich an ihr interessiert bin.“

„Nun Sie sind nicht gerade ein Discogänger, Frank.“, bemerkte die Frau.

„Robert hat von diesem Laden geschwärmt, und ich dachte mir, ich sehe ihn mir mal an. Bei diesen ganzen jungen Offizieren, die wir an Bord haben, muss ich doch als Captain up to date bleiben.“

„Und dass Dherans Schwester mitkommt, hat damit überhaupt nichts zu tun.“, stichelte Kristin Perkins weiter.

„Sie ist eine faszinierende Frau. Aber man kann auch eine kameradschaftliche Freundschaft zwischen Männer und Frauen aufbauen. Wir beide sind das beste Beispiel.“

Die Stellvertretende Kommandantin der MARYLAND feixte: „Aber uns unterstellt man ja immer mal wieder eine Beziehung. Oder haben Sie das Gerücht schon wieder vergessen, dass ich der Grund für Ihre Scheidung sein soll.“

Frank Revers reagierte nicht darauf sondern bemerkte: „Und selbst wenn ich an ihr interessiert wäre, was ich nicht bin, ist Ihnen nicht klar, wen ich dann zum Schwager bekäme? Und der Vater dürfte ungefähr vom gleichen Kaliber sein.“

Commander Perkins zwinkerte Revers vergnügt zu: „Haben Sie etwa Angst vor den beiden Andorianern?“

„Nein, aber wie Sie bereits sagten: Sie ist zu jung für mich.“ Dann seufzte der Mann und fügte ein leises „Leider.“ hinzu.

 
 

* * *

 

Pasqualina Mancharella stand etwa zehn Meter über dem Boden, und mit einer Neigung von vierzig Grad, auf einer der drei untersten Holotanzflächen, wobei sie jedoch, durch die künstliche Gravitation der Tanzfläche den Eindruck gewann, sie selbst würde sich auf einer geraden Ebene befinden, und der Rest der Welt hätte sich um vierzig Grad geneigt. Etwa zwanzig Meter über sich entdeckte sie Sinemus auf einer anderen Holofläche, die neunzig Grad zum Boden geneigt war.

Sie ging etwas in die Hocke und stieß sich dann kräftig ab. Noch bevor sie die höher gelegene Ebene erreichte, wurde ihr bewusst, dass sie ihren gestreckten Rückwärtssalto etwas zu schwungvoll angesetzt hatte, und sie wäre sicherlich auf dem Po gelandet, hätte Sinemus sie nicht mit seinen kräftigen Händen in der Taille gepackt und sicher auf die Füße gestellt. Einen Moment lang standen sie sich lächelnd gegenüber, bevor der Hochgewachsene sie wieder losließ und fragte: „Alles in Ordnung?“

Die Spanierin nickte lebhaft. „Ja, danke.“

Sie stießen sich ab und schwebten gemeinsam zwischen den verschiedenen Tanzflächen dahin. Über die Handgelenkkontrollen aktivierten sie winzige in die Tanzkombinationen eingelassene Prallfeld-Emitter mit denen sich die Fluglage beliebig steuern ließ. Schwebend umkreisten sich die beiden Offiziere und fühlten sich auf eine besondere Art und Weise, grenzenlos frei.

Während sie gemeinsam bis fast hinauf zur Kuppel schwebten erkannten Pasqualina und Sinemus unter sich Chris O´Donnell Captain Tanaka und Tia´Lynara Dheran, die zu den Klängen der Musik wundersame Kapriolen schlugen, und dabei offensichtlich eine Menge Spaß hatten.

Die Spanierin breitete ihre Arme aus und drehte über die linke Seite nach unten ab. Zwanzig Meter tiefer schwebte sie auf der Stelle und drehte sich dabei, in der Luft, auf den Rücken.

Christian Sinemus winkte ihr kurz zu und folgte dann mit einem kurzen Sturzflug.

Währenddessen hatten sich O´Donnell, Tanaka und die Andorianerin zu ihnen gesellt und gemeinsam schwebten sie schwerelos um einander. Tanaka, der schließlich bemerkte, dass Captain Dherans Schwester fast ausschließlich Augen für O´Donnell hatte, schwebte schließlich als Erster wieder hinab um den Low-G-Bereich zu verlassen und sich wieder zu Revers und Perkins zu gesellen.

Ein wenig neidisch beobachtete der Asiate, wie sich die beiden zwischenzeitlich immer wieder einander annäherten, um sich spielerisch mit den Handflächen zu berühren und lachend wieder abzustoßen, nur um dieses kleine Spiel dann erneut zu beginnen. Er spannte sich an, als Revers ihm eine Hand auf die Schulter legte und in sanftem Tonfall meinte: „Nehmen Sie es nicht tragisch. Denken Sie lieber an die Probleme, die ihnen auf diese Weise erspart bleiben.“

Minoru Tanaka erwiderte das Augenzwinkern des Grauhaarigen mit einem schiefen Grinsen. „Diese Probleme, wie Sie es nennen, würde ich glatt in Kauf nehmen. Aber ich gönne es Chris – er ist ein netter und anständiger Kerl.“

Revers nickte schmunzelnd. „Das will ich hoffen – um seinetwillen.“

Von alldem bekamen Christian Sinemus und Pasqualina nur wenig mit. Sie genossen das schwerelose Dahingleiten, zwischen den Tanzebenen, und erst eine geraume Weile später betätigten sie die Steuerung für die Mikrogravitatoren in den Schuhsohlen, die sie sanft auf den Boden des Low-G-Bereichs zogen.

Auch O´Donnell und Tia´Lynara Dheran hatten sich wieder zu ihnen gesellt.

Später am Abend, verabschiedeten sich Sinemus und die Spanierin von den Anderen und während sie, nun wieder uniformiert, durch die Gänge der Station in Richtung der Promenadendecks schlenderten, fragte der Lieutenant-Commander: „Hätten Sie Lust, mit mir essen zu gehen, Commander?“

Pasqualina Mancharella überlegte kurz, bevor sie lächelnd zustimmte. Warum auch nicht? Er war ein angenehmer Unterhalter, sehr sympathisch und sah auch noch gut aus. Sie schlug eines der kleineren Restaurants vor. Dort würden sie sich in Ruhe unterhalten können, ohne dabei ständig bekannten Gesichtern über den Weg zu laufen.

Später, als sie gerade zu speisen begannen, musste die Spanierin jedoch, zu ihrem Verdruss feststellen, dass sie nicht die Einzige an diesem Abend war, die diese Überlegung angestellt hatte, denn Tar´Kyren Dheran und Christina Carey kamen herein und nahmen einige Tische weiter Platz, ohne sie und Sinemus zunächst zu bemerken.

Die beiden sind wohl ziemlich mit sich beschäftigt, wenn sie nichts hören und sehen, überlegte die Spanierin und spürte dabei, wie Eifersucht in ihr emporstieg. Dabei tat er nichts Anderes, als sie selbst, doch bis zu diesem Punkt führte sie ihre Überlegungen nicht fort.

Schnell wandte sie sich wieder ihrem Begleiter zu, der gerade davon zu erzählen begann, dass er am Turnier teilnehmen würde. Erfreut erfuhr er, dass auch die Spanierin mit von der Partie sein würde und begann mit ihr über verschiedene Attacken und Paraden, die er bevorzugte zu fachsimpeln, und für den Moment vergaß Commander Mancharella ihre zwiespältigen Gefühle bezüglich des andorianischen Captains. Dieser Lieutenant-Commander besaß die Fähigkeit die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu konzentrieren, und für einen kurzen Augenblick spürte sie die ungeheure Präsenz dieses sympathischen Mannes.

Dabei entging ihr Dherans zunächst forschender, dann finsterer Blick, als er sie und den Lieutenant-Commander entdeckte...

 
 

* * *

 

Sie hatten gerade ihre Speisen bestellt, als sich die Haltung des Andorianers spürbar veränderte. Christina Carey blickte Tar´Kyren Dheran fragend an, als sie seinen Stimmungsumschwung bemerkte und fragte, mit leichter Verwunderung: „Hast du etwas, Tar? Du machst ein Gesicht, als wäre dir eben eingefallen, dass man dich morgen Früh hinrichten will.“

„Bitte?“ Dheran war, als erwache er aus einem düsteren Traum. „Oh nein, ich habe nur eben meinen Ersten Offizier hier entdeckt. Wir hatten in den letzten Tagen einige Meinungsverschiedenheiten, bezüglich der Trainingsmethoden beim Degenfechten.“

Christina blickte kurz über die Schulter und nickte dem Commander und ihrem Begleiter freundlich zu, wobei sie feststellte, dass die Spanierin ein genauso missmutiges Gesicht machte, wie der Andorianer.

„Ihr scheint es ganz ähnlich zu gehen“, schmunzelte die Irin und blickte Dheran forschend an. „War wohl eine etwas intensivere Auseinandersetzung, wie?“

Der Andorianer nickte düster. „Das legt sich wieder. Pasqualina und ich sind nicht nachtragend.“

„Ach!“, machte die Irin und warf Dheran einen leicht überraschten Blick zu. „Ihr duzt euch? Ich dachte bisher immer, du würdest nicht viel von dem vertrauten Kommandostil einiger anderer Captains und Admirals halten? Habe ich da vielleicht etwas versäumt?“

Die Antennen des Andorianers bogen sich nach Innen als er meinte: „Das ist auch noch immer so. Wir duzen uns lediglich außerhalb des Dienstes.“

Christina Carey verzichtete darauf im Moment weiter in ihn zu dringen und meinte lediglich: „Bemerkenswert.“

Dheran, dem das Thema nicht behagte, sagte schnell: „Lass uns lieber von etwas anderem reden, okay? Zum Beispiel wollten wir uns über die Gründe unterhalten, warum du dich damals von mir getrennt hast.“

Die Irin seufzte leise. Resignierend blickte sie Tar´Kyren Dheran an und meinte mit zornig flackernden Augen: „Du degradierst jeden cardassianischen Verhörspezialisten zum Stümper, weißt du das? Wenn du ein solches Verhör leiten würdest, dann würdest du so lange die Schuld einfordern, bis dein armes Opfer bereit wäre zuzugeben, dass er es war. Danach müsstest du ihm dann nur noch sagen, was er eigentlich angestellt hat.“

„Möglich“, räumte Dheran finster ein. „Momentan jedoch würde ich mich...“

„Ja – ich weiß, was du wissen willst“, unterbrach ihn die Irin zischend. „Aber warte wenigstens, bis wir gegessen haben.“

Dherans Antennen begannen, sich unruhig zu bewegen, aber er beschloss sich in Geduld zu fassen, was ihm sichtlich schwer fiel. Alles was ihn momentan dazu befähigte, war die Aussicht darauf endlich Antworten auf seine Fragen zu erhalten.

Sie speisten beinahe schweigend, nachdem ihre Bestellung serviert worden war und als der Kellner schließlich die leeren Teller fort genommen hatte, lehnte sich der Andorianer ungeduldig vor, ohne Christina dabei aus den Augen zu lassen.

Die Irin atmete tief durch und blickte den andorianischen Mann, in den sie sich vor so vielen Jahren verliebt hatte, unsicher an, bevor sie leise begann: „Weißt du, Tar – als wir uns auf dem Raumschiff, das uns nach Andoria brachte, zum ersten Mal begegneten, da war es sofort passiert. Du hattest mich mit diesem leicht fragenden Blick gemustert, und mich flüchtig angelächelt. Noch niemals zuvor, und auch danach nicht, hat ein einziger Blick mich so sehr verwirrt. Bereits damals habe ich in dir einen verwandten Geist gesehen, und als wir, nach unserer wahrlich abenteuerlichen Suche, schließlich gemeinsam in Kharon-Dhura standen, da habe ich einen Moment vollkommenen Glücks gespürt. Und das nicht nur, weil wir die versunkene Eisstadt entdeckt hatten. Ich wäre es auch dann gewesen, wenn wir sie vergeblich gesucht hätten.“

Dheran bewegte sich unruhig auf seinem Stuhl hin und her. „Aber dann verstehe ich deine Entscheidung noch weniger, Christina.“

„Vielleicht verstehst du mich besser, wenn ich dir sage, dass ich damals kurz davor stand, die Sternenflotte zu verlassen. Ich habe Dich so sehr geliebt, dass es weh tat, Tar. Ich konnte nicht mehr ohne Dich leben und ich konnte doch nicht bei Dir sein. Es hat mich beinahe zerrissen. Und während dieser Phase wurden mir zwei Dinge klar: Ich wollte meine Karriere nicht aufgeben – und ich konnte nicht so weitermachen, wie zuvor, ohne dabei seelisch zu zerbrechen. Mich von Dir zu trennen war die einzige Möglichkeit, mich wieder mit ganzer Kraft auf meine Karriere in der Sternenflotte zu konzentrieren. Der Gedanke, wie du darauf reagieren würdest hat mir damals so weh getan, dass ich beinahe schwankend in meinem Entschluss geworden wäre.“

Dheran wirkte verwirrt. „Aber warum hast du nicht wenigstens sporadischen Kontakt zu mir gehalten?“

„Ich hätte es nicht über das Herz gebracht, Tar. Dazu habe ich Dich immer noch viel zu sehr geliebt, und dann hätte ich vielleicht doch irgendwann den Dienst quittiert. Gleichzeitig war ich selig, und auch erleichtert, wenn ich zwischenzeitig immer mal wieder etwas von deinen Risikounternehmen aufschnappen konnte. Auf diese Weise wusste ich wenigstens, dass du noch lebst. Du glaubst gar nicht, wie oft ich, während des Dominion-Kriegs Albträume hatte, in denen ich Dich sterben sah. Es verging kein einziger Tag, an dem ich nicht die Verlustlisten studiert habe, immer in der Angst, deinen Namen zu lesen.“

Christina machte eine Pause und blickte Tar´Kyren inständig an, bevor sie leise hinzufügte: „Als du dann, vor einem halben Jahr plötzlich vor mir gestanden hast, da wusste ich nicht was ich sagen sollte. Das Chaos an Emotionen hätte mich beinahe zerrissen. Und dann wusste ich auch nicht, ob du mich nicht mittlerweile hassen würdest.“

Der Andorianer sah dass die Augen der Irin feucht glänzten und auch ohne körperlichen Kontakt begann er zu ahnen, wie es in ihr aussah. Er griff nach ihren Händen und hielt sie sanft in seinen. „Ich habe dich niemals gehasst, Christina, auch wenn ich wegen deiner Entscheidung ziemlich wütend und enttäuscht war. Aber das konnte nichts an meinen Gefühlen für dich ändern, das sollst du wissen.“

Ihre Blicke verschmolzen für einen langen Moment, bevor Christina Carey ihre Hände zurückzog und bestimmt sagte: „Ich möchte jetzt lieber allein sein, Tar. Wenn du magst, dann treffen wir uns morgen.“

Dheran war versucht sie zum Bleiben zu überreden, doch dann besann er sich auf den Vorsatz, welchen er gefasst hatte und sagte lediglich: „Gerne, Christina. Ich melde mich morgen bei dir.“

Die Irin lächelte ihn dankbar an, bevor sie sich abwandte und schnell das Lokal verließ. Bei einem Blick zum Tisch, an dem Pasqualina und der dunkelblonde Lieutenant-Commander gesessen hatten stellte er zu seinem gelinden Erstaunen fest, dass sie bereits gegangen waren, ohne dass es ihm aufgefallen war.

Aufgewühlt trank er den Fruchtsaft aus, den er sich zu seinem Essen bestellt hatte, und verließ ebenfalls das Lokal, um sein Quartier auf der ICICLE aufzusuchen.

Gegensätze und Gemeinsamkeiten

Tar´Kyren Dheran war erleichtert, dass die Vorrunde der Fechtmeisterschaft am nächsten Tag endlich beginnen würde. In den letzten Tagen hatte er weiterhin regelmäßig mit Pasqualina trainiert, dabei jedoch peinlich genau darauf geachtet, dass sowohl die Sicherheitsprotokolle eingehalten wurden, als auch darauf, der Spanierin nicht zu nahe zu treten. Dabei wurde er das merkwürdige Gefühl nicht los, dass ihr Letzteres nicht ganz passte.

Kannte sich einer mit irdischen Frauen aus!

Auch andere Besatzungsmitglieder der ICICLE begannen zu spüren, dass die Luft förmlich zu knistern begann, sobald sich beide gemeinsam in demselben Raum aufhielten.

Intensiver als an allen anderen Tagen hatten beide heute Morgen mit einander trainiert bis sie nahezu kraftlos ihre Degen fallen ließen und sich mit funkelnden Blicken maßen. Vollkommen ausgepumpt versuchten sie wieder zu Atem zu kommen.

Die unerhörte Energie, mit der die Spanierin den Andorianer beim Fechten bedrängt hatte, versetzte ihn immer noch in leichtes Erstaunen. Zwischenzeitlich hatte er den Eindruck gewonnen, es würde ihr nur darum gehen, auf ihn einzuschlagen, und nicht darum einen sportlichen Sieg zu erringen. Er war es schließlich, der das Schweigen brach.

„Begnügen wir uns für heute mit einem Unentschieden, Pasqualina. Ein irdisches Sprichwort besagt: Allzu scharf macht schartig.

„Du gibst also auf?“, fragte die Spanierin lauernd.

Die Antennen des Andorianers bogen sich unaufhaltsam nach Innen. „Vergiss es, nar y´ner mai Kumari. Ich sage, es reicht für heute!“

Pasqualina atmete einige Male tief durch. Dann entspannte sich ihre Haltung und sie schritt langsam auf Tar´Kyren Dheran zu, bis sie dicht vor ihm stand. Beinahe flüsternd fragte sie: „Was empfindest du für Christina Carey?“

Dheran erwiderte forschend ihren Blick und antwortete rau: „Christina war bisher die einzige Frau, mit der ich für Immer zusammen sein wollte. Doch das ist seit langer Zeit vorbei. Heute sehe ich sie als gute Freundin.“

Die dunkelbraunen Augen der Spanierin begannen zu funkeln als sie heftig entgegnete: „Du sagst diese Worte ohne dass dir dabei die Zunge zerspringt – also stimmt es vielleicht. Hör zu Tar´Kyren: Solange du dich nicht eindeutig zu mir bekennen willst sehe ich mich als ungebunden an, das erwähnte ich bereits. Vor einigen Wochen sagte ich, dass ich bereit bin zu warten, aber du solltest nicht zu lange zögern.“ Sie beugte sich schnell vor und küsste ihn sanft auf den Mund, bevor sie sich wieder zurückzog.

„Das habe ich vermisst“, gestand Dheran lächelnd.

Die Spanierin blickte ihn, halb herausfordernd, halb verschmitzt, an und meinte: „Das könntest du jeden Tag haben, mi corazon.“

Sie beendeten das Holodeck-Programm und machten sich auf den Weg zum Turbolift. Als sie unterwegs allein im Gang waren, legte der Andorianer seine Hand auf ihren Po und drückte sanft zu.

Pasqualina revanchierte sich mit einem schnellen Rippenstoß und meinte, mit unschuldigem Augenaufschlag: „Alles unter drei Sekunden gilt als Reflex.“

Sie mussten nicht lange auf den Lift warten.

Kaum dass sich das Schott des Lifts geschlossen hatte, umarmten sie sich stürmisch und Pasqualina küsste Dheran mit leidenschaftlichem Verlangen.

Beinahe zu spät bemerkten sie, dass der Lift bereits auf dem nächsten Deck wieder stoppte und nur einen Augenblick, bevor sich das das Liftschott öffnete, fuhren sie schnell aus einander.

Es war Rania Singh-Badt, die herein kam und freundlich grüßte.

Dheran fing einen vielsagenden Blick des Commanders auf und ging einen zusätzlichen Schritt zu der Inderin auf Distanz, während die Spanierin unauffällig versuchte, ihr etwas zerzaustes Haar in Ordnung zu bringen.

Die junge Inderin hatte das unbestimmte Gefühl etwas verpasst zu haben und sich etwas unwohl in ihrer Haut fühlend, blickte sie abwechselnd von der Spanierin zu dem Andorianer. Sie hatte davon munkeln gehört, dass zwischen beiden gerade die Fetzen flogen, doch diesen Eindruck hatte sie selbst keineswegs, während sie sagte: „Deck Zehn.“

Niemand sprach während der Fahrt ein Wort und doch wurde Rania Singh-Badt das Gefühl nicht los, die beiden Führungsoffiziere würden sich hinter ihrem Rücken unterhalten – auf einer Ebene, zu der sie selbst keinen Zutritt hatte.

Beinahe erleichtert verließ die Inderin die Liftkabine auf Deck Zehn und verlangsamte ihre Schritte erst, als sie um die nächste Gangecke geeilt war. Dabei drängte sich ihr das unbegründete Gefühl auf, so gerade eben entkommen zu sein.

In der Liftkabine sahen sich Dheran und die Spanierin einen Augenblick lang amüsiert an, bevor sie beide gleichzeitig begannen schallend zu lachen. Alle Spannungen der vergangenen Tage schienen sich mit diesem befreiten Lachen aufzulösen. Erst, als sie Deck Vier erreichten, beruhigten sie sich wieder.

Sie verließen gemeinsam den Lift und stießen beinahe mit Lieutenant Farok zusammen, der auf dem Weg zur Astrometrik war. Der Vulkanier grüßte und stellte fest, dass der Captain und der Commander einen gleichermaßen beschwingten Eindruck machten. Er blieb kurz stehen, blickte ihnen mit unbewegter Miene nach und hob schließlich unmerklich die Augenbrauen, bevor er den Lift betrat.

Ohne davon etwas zu bemerken erreichten der Andorianer und Pasqualina die Kabine des Captains. Neugierig fragte Pasqualina: „Sehen wir uns nachher?“

Dheran lächelte fein. „Gerne. Was hältst du von einem Abendessen auf dem Promenadendeck?“

„Was hältst du von einem Abendessen, bei dem es Reibekuchen gibt, in meiner Kabine?“, kam die Gegenfrage von Pasqualina. „Sagen wir, um 19.30 Uhr?“

„Ich werde pünktlich sein“, raunte Dheran ihr zu, bevor die Spanierin ihre Hand auf den Öffnungskontakt ihres Kabinenschotts legte. Sie zwinkerte ihm noch einmal vielsagend zu, bevor sie in ihrer Kabine verschwand.

Zufrieden mit der Entwicklung dieses Tages, wandte Dheran sich ab um seine eigene Kabine aufzusuchen. Er brauchte jetzt ganz dringend eine kalte Dusche.

 
 

* * *

 

Pasqualina erwachte am Morgen um 7.30 Uhr. Sie bewegte sich ganz vorsichtig etwas zur Seite, um Tar´Kyren, der noch fest schlief, nicht zu wecken. Danach richtete sie sich vorsichtig etwas auf, um sein Gesicht beobachten zu können. Es wirkte sanft und, zum ersten Mal, seit einigen Tagen, wieder zufrieden. Vielleicht kann man den wahren Charakter eines Wesens überhaupt nur sehen, wenn er schläft, überlegte die Spanierin. Denn im Schlaf hat es keine Möglichkeit, sich zu verstellen!

Eine Welle der Zuneigung erfasste sie und als sie es nicht mehr länger aushielt beugte sie sich zu ihm hin und küsste ihn auf seine Wangen und seine Lippen, bis der Andorianer einige undefinierbare Brummlaute von sich gab und aufwachte.

„Guten Morgen“, hauchte Pasqualina ganz sanft in Dherans Ohr und küsste ihn dann verlangend.

Noch im Halbschlaf erwiderte er ihren Kuss und legte seine Arme um sie.

Erst nach einer geraumen Weile gab Pasqualina ihn wieder frei.

Dheran blickte sie liebevoll an und meinte ungewöhnlich sanft: “An diese Art geweckt zu werden, könnte ich mich glatt gewöhnen.“ Er drehte sich herum und zog sie dabei mit sich, bis sie, in seinem rechten Arm, auf dem Rücken lag. Halb über sie gebeugt, küsste er sie leidenschaftlich, um seine Lippen dann langsam über ihren Hals zu ihren Brüsten wandern zu lassen. Er saugte zärtlich an ihren empfindlichen Brustwarzen.

Pasqualina war ganz weg, von seiner Zärtlichkeit und gab ein verlangendes Seufzen von sich. Dann zog die Spanierin den Andorianer wieder zu sich herauf, blickte ihn verträumt an und flüsterte: „Ich würde am liebsten schreien, vor Glück.“

„Lieber nicht!“ kommentierte Dheran warnend, „sonst alarmiert der Schiffscomputer ein Überfallkommando der MACO´s. Die stürmen dann die Kabine, mit Lieutenant-Commander Filiz an der Spitze, und finden uns in einer eindeutigen Situation vor. Das gäbe einen handfesten Skandal.“

Pasqualina lachte erheitert, bei dieser Vorstellung und antwortete leise: „Das wäre es mir glatt wert.“

„Küss mich lieber“, raunte Dheran zurück.

Das ließ sich die Spanierin nicht zweimal sagen. Erst nach geraumer Weile lösten sich ihre Lippen von einander und Dheran blickte zur Wanduhr. „Wir haben schon nach acht Uhr“, stellte er verblüfft fest. „Jetzt wird es Zeit für mich, sonst komme ich zu spät zu Valand. Wir sind um neun Uhr auf der OBERON verabredet.

„Das wäre es mir glatt wert“, seufzte Pasqualina.

Sie duschten gemeinsam, wobei sie sich Mühe gaben, sich nicht ständig zu streicheln und zu küssen, was ihnen jedoch nicht ganz gelang, bis Dheran die Spanierin widerstrebend von sich schob und zur Eile mahnte.

In der Tat war er spät dran.

Dheran musste sich mit dem Anziehen beeilen, und schafften es gerade noch so eben, pünktlich bei Valand zu sein, wenn auch ohne gefrühstückt zu haben.

Valand Kuehn empfing den Freund in seiner Kabine. Der Konteradmiral gähnte unterdrückt und wies auf die Sitzecke. „Nimm doch Platz, Tar. Ich habe heute Morgen noch nicht gefrühstückt – möchtest du auch etwas?“

„Gerne“, antwortete Dheran und setzte sich ungezwungen in einen der hell bezogenen Sessel. „Dein Abend scheint wohl auch etwas länger gewesen zu sein?“

Kuehn blickte über die Schulter zu ihm und ein angedeutetes Schmunzeln umspielte seine Lippen. „Auch?“

Dheran wirkte für einen Moment überrascht. In den vergangenen Jahren hatte er wohl vergessen, das sein Freund auch auf kleinste Feinheiten und Zwischentöne achtete. Wenn man nicht permanent von den Besten herausgefordert wird, beginnt man nachlässig zu werden, dachte der Andorianer finster. Dann gestand er: „Es war eine bewegte Nacht.“

„Oh“, machte Kuehn und orderte am Replikator zwei große Portionen Rührei mit Speck und Bratkartoffeln. Dazu zwei Gläser mit andorianischem Mineralwasser. „Hattest du also endlich Erfolg bei Christina?“ Er stellte zwei Tabletts auf den Tisch und ließ sich seinem Freund gegenüber am Tisch nieder.

Der Andorianer zögerte die Antwort hinaus und blickte zunächst auf seinen Teller. Dabei dachte er ironisch, dass seine Arterien bei diesem Anblick vermutlich in Panik geraten wären, wenn er ein Mensch gewesen wäre. Dann erwiderte er den fragenden Blick seines Freundes und erklärte: „Nein, ich war mit Pasqualina zusammen.“

Nur selten hatte Dheran seinen Freund wirklich verblüfft gesehen. Dies war einer der seltenen Momente.

Valand Kuehn legte seine Gabel zur Seite und sagte ehrlich erstaunt: „Da komme ich nicht mehr mit. Seit einer halben Ewigkeit schwärmst du mir etwas von Christina Carey vor, und plötzlich bist du über sie hinweg und es soll dein XO sein? Habe ich was verpasst?“

„Nichts währt ewig – eine Torheit schon gar nicht“, entgegnete Dheran mürrisch. „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es möglicherweise eine fixe Idee ist, sich an einen Traum zu klammern, der längst Vergangenheit ist.“

„Das klingt aber gar nicht nach dem Tar´Kyren, den ich kenne“, meinte Kuehn und setzte sein Frühstück fort. Er musterte den Freund aufmerksam und fügte dann hinzu: „Dein Erster Offizier muss geradezu außergewöhnlich sein, wenn sie es tatsächlich geschafft hat, dass du Christina endgültig losgelassen hast.“

Dheran reagierte lediglich mit einem heftigen Bewegen seiner Antennen.

„Du hast Christina doch losgelassen?“, hakte Kuehn nach.

Tar´Kyren Dheran ließ seine Gabel sinken und blickte seinen Freund mit einem Blick an, den dieser nicht zu deuten wusste. Er hatte ihn bisher noch nie an ihm gesehen. Erst nach einem langen Moment wurde dem Konteradmiral langsam klar, dass Dheran peinlich berührt war, und er brauchte nur einen Augenblick um sich zusammen zu reimen, warum.

„Du empfindest für beide Frauen dasselbe, ist es das?“

Dheran nickte und erklärte: „Ich bin selbst in höchstem Maß erstaunt darüber, Valand.

Und die Tatsache, dass sich Christina vor einigen Tagen mit mir ausgesprochen hat, macht die Lage eher komplizierter, statt einfacher. Was würdest du in meiner Situation machen?“

Der Konteradmiral warf dem Freund einen bedauernden Blick zu. „Ich war nie in einer solchen Lage, daher kann ich dir hier nicht gut raten, Tar. Nur du kannst letztlich eine Entscheidung treffen. Höre auf das, was dein Herz dir sagt.“

„Im Moment spricht es nicht mit mir.“

„Vielleicht hörst du nur nicht richtig zu“, entgegnete sein Freund prompt. Dabei beließ er es und wechselte abrupt das Thema. „Tar, der Grund warum ich mit dir reden wollte ist ein ganz anderer. Tarun erzählte mir von der letzten Frage, die du ihm in seinem Büro gestellt hast, und er bat mich, mit dir zu sprechen.“ Er ließ seine Worte wirken und erkannte an den nach vorn gebogenen Antennen des Freundes, dass dieser ihm aufmerksam zuhörte. „Um es kurz zu machen: Es war meine Idee, nicht die von Tarun. Gleichzeitig bitte ich dich hiermit keinerlei Fragen zu stellen, sondern uns beiden zu vertrauen.“

Dherans Blick bekam etwas wölfisches. „Das klingt ziemlich mysteriös, um nicht zu sagen, verschwörerisch.“

„Keinerlei Fragen!“ wiederholte Kuehn fest entschlossen um unvermittelt zu fragen: „Du warst während deiner ersten Mission für die 5.Taktische Flotte im Delta-Quadranten, und hast dort Kontakt mit einem Voth namens Forra Gegen gehabt?“

Dutzende von Fragen brannten Dheran auf der Seele, doch er hütete sich, nach einem forschenden Blick in Kuehns Augen, auch nur eine einzige zu stellen. Mühsam beherrscht antwortete er statt dessen: „Ja, er war es, der uns zurück in den Alpha-Quadranten brachte.“

„Was für einen Eindruck hattest du von diesem Wesen? Ich meine, wirkte er vertrauenswürdig auf dich?“

Dheran machte ein ernstes, nachdenkliches Gesicht, bevor er antwortete: „Er machte zumindest den Eindruck, auch wenn man sich da bei einer Echse schwer auf den Eindruck verlassen kann, den sie macht, da kaum ein erkennbares Mienenspiel vorhanden ist. Aber wenn du mich nach einer Vermutung fragst – ja, ich denke er ist vertrauenswürdig.“

Kuehn machte einen erleichterten Eindruck. Er rang kurz mit sich, bevor er dem Freund erklärte: „Ich habe einen Offizier der Sternenflotte zu einem Treffen mit ihm geschickt. Sagt dir der Name Chakotay etwas?“

„Der Mann, der als Erster Offizier auf der VOYAGER diente, nachdem sie im Delta-Quadranten gestrandet war. Ich habe ihn nie persönlich kennen gelernt, aber in den letzten Monaten höre ich nun seinen Namen bereits zum zweiten Mal. Forra Gegen bestellte mir Grüße für ihn. Ich hatte den Eindruck, dass er Chakotay als eine Art Freund ansieht.“

„Chakotay hat sich ähnlich geäußert, aber es beruhigt mich, eine Bestätigung von dir zu erhalten. Im Gegensatz zu ihm kenne ich Dich.“

„Vertraust du mir auch?“, hakte Dheran schnell ein.

„Genauso so sehr, wie du mir vertraust“, versetzte Kuehn.

Dheran schluckte diese kleine Spitze kommentarlos und meinte dann: „Ist schon ein komischer Zufall, dass das alles in einem Jahr passiert, in dem die Wahl zum Chiefadmiral ansteht, nicht wahr? Wie man hört hat Sherman gute Aussichten, Stones Nachfolger zu werden. Gehörte nicht Leyton einst zu Admiral Shermans engsten Vertrauten?“

Kuehn nickte finster. „Ja aber irgendwie gelang es Sherman sich rechtzeitig von ihm zu distanzieren.“

Dherans Antennen bogen sich nach Innen. „Ich halte nicht sehr viel von solchen Winkeladvokaten. Bei Männern wie Tarun weiß man, zumindest meistens, woran man ist. Ich denke, dass er ein weitaus besserer Chiefadmiral wäre.“

„In diesem Fall würde die 5.Taktische Flotte einen neuen Oberkommandierenden brauchen“, gab Kuehn zu bedenken. „Kein Vorteil, ohne Nachteil.“

Die beiden Männer beendeten ihr Frühstück.

Als Valand demonstrativ zum Wandchronographen blickte, erhob sich Dheran und meinte: „Die ersten Turnierkämpfe beginnen um 15.00 Uhr. Ich werde mich noch etwas ausruhen, um fit zu sein. Das würde dir wohl auch gut tun.“

Kuehn nickte. „Später habe ich dann noch eine Verabredung mit Captain Revers. Mich interessiert die Schiffsklasse, zu der die MARYLAND gehört, und er hat mir angeboten, mich durch das Schiff zu führen.“

Dheran blickte seinen Freund eindringlich an. Bevor er sich endgültig zum Gehen wandte sagte er ernst: „Ich würde niemals denken, dass du etwas zum Nachteil der Föderation tun würdest, dazu kenne ich dich zu gut, Valand. Du kannst jederzeit auf mich zählen. Aber irgendwann, mein Freund, wirst du nicht darum herum kommen mir alles zu erzählen.“

Mit einer Mischung aus Beklemmung und Erleichterung blickte Valand Kuehn seinem Freund nach, als er die Kabine verließ. Leise murmelte er: „Das werde ich ganz sicher, mein Freund, und dann wirst du dir vermutlich wünschen, ich hätte es nicht getan...“

 
 

* * *

 

Während Captain Frank Revers an Konteradmiral Valand Kuehns Seite durch die hellen Korridore der MARYLAND schritt, legte sich jenes unwohle Gefühl, dass ihn immer in der Gesellschaft höherrangiger Offiziere überkam etwas. Vielleicht weil sich bisher herausgestellt hatte, dass der Konteradmiral nicht seiner allgemeinen Vorstellung von Flaggoffizieren entsprach – besonders nicht jenen im Stab des Sternenflotten-Kommandos. Auch gab er Revers nicht, wie andere Admirale dies gerne taten, den Eindruck, nur Gast auf seinem eigenen Schiff zu sein. Revers mochte die Angewohnheit des Konteradmiral aufmerksam zuhören zu können und mit sachlichen Fragen, schnell zum Kern einer Sache zu kommen.

Sie hatten die Besichtigung des leichten Kreuzers im Maschinenraum begonnen und befanden sich, nach einem kurzen Abstecher zur Krankenstation und zur Astrometrik, auf dem Weg zur Brücke der MARYLAND.

Sie nahmen für das letzte Stück den Turbolift, und nachdem sie ihn auf der Brücke verließen, legte Kuehn die Hände auf den Rücken und blickte sich interessiert um.

Direkt vor dem Turbolift lag die Taktische Station, unmittelbar hinter dem Sitz des Captains. Davor lag die CONN.

Lächelnd erklärte er an Revers gewandt: „Den größten Teil meiner Karriere habe ich auf Schiffen der AKIRA-KLASSE zugebracht. Das kleinste Schiff, auf dem ich gedient habe war ein Schiff der EXCELSIOR-KLASSE, und mein jetziges Schiff ist überhaupt erst der dritte Schiffstyp, auf dem ich Dienst tue. Aber ein kleiner Kreuzer wie dieser hätte mich durchaus gereizt.“

„Ich bevorzuge solche Schiffe, weil sich der Kontakt zu meiner Besatzung persönlicher gestaltet, als es an Bord großer Schiffe möglich wäre.“

Kuehn nickte verstehend. „Manchmal bedauere ich, dass ich nie die Möglichkeit hatte, eines dieser kleineren Schiffe zu kommandieren, Captain Revers.“

„Möchten Sie tauschen, Konteradmiral?“, erkundigte Revers sich launig.

Valand Kuehn lachte leise auf: „Nein, ich bin ganz zufrieden mit der OBERON und seiner Besatzung. Vermutlich möchte man immer gerade das, was man nicht hat.“

Frank Revers grinste schief: „Dazu kam vermutlich, dass man einer Legende des Dominion-Kriegs und einem Mann, der es darüber hinaus fertig brachte, ein so schwer angeschlagenes Schiff wie die ALAMO wieder nach Hause zu bringen, und das gerade mal als Lieutenant, nicht mit einem Minischiff abzuspeisen wagte.“

Kuehn entging nicht der leicht zynische Unterton des Grauhaarigen. Trotzdem blieb er ruhig und erklärte geduldig: „Hören Sie, Captain, dass Dheran und ich, bei all den haarsträubenden Einsätzen während unserer gemeinsamen Zeit auf der EXODUS, immer noch leben ist halb Zufall, halb Schicksal, halb Glück, halb Können und halb verrückt. Nach der statistischen Wahrscheinlichkeit hätte ich nämlich bereits während der Katastrophe auf der ALAMO das Zeitliche segnen müssen. Aber ich hatte Glück und überlebte. Leider reichte dieses Glück nicht auch für meine Frau aus, die sich ebenfalls auf der ALAMO befand. Sie starb in meinen Armen, ohne dass ich etwas für sie tun konnte.

Revers blickte den Konteradmiral betroffen an. „Tut mir leid, das wusste ich nicht.“

„Woher sollten sie auch“, entgegnete Kuehn. „Am Ende überleben Jene die Glück genug haben, und die mit dem meisten Glück befördert man und erklärt sie zu Helden oder Legenden, Captain. Aber es ist eine Tatsache, dass ich nach Ahy´Vilaras Tod beinahe wie paralysiert war, und kaum die Kraft gefunden habe weiterzuleben. Schließlich war es LeClerc, die mir klar machte, dass ich ihren Verlust akzeptieren, und weitermachen muss. Einzig der Wille war es letztlich, der entschieden hat.“

Revers machte ein betretenes Gesicht. „Ich wollte nicht respektlos erscheinen, Sir.“

Valand Kuehn musterte Revers einen Moment lang und lächelte flüchtig: „Das waren Sie nicht, Captain. Wie ist es mit Ihnen? Sind sie verheiratet?“

Positiv überrascht, dass das Thema damit für Kuehn erledigt war, schüttelte Revers den Kopf und erklärte: „Ich war verheiratet. Vor zwei Jahren reichte meine Frau überraschend die Scheidung ein.“

Mehr schien Revers nicht verraten zu wollen, und Kuehn war taktvoll genug, nicht weiter nachzufragen. Er meinte lediglich: „Unsere selbst gewählte Aufgabe ist anscheinend nicht gerade beziehungsfreundlich.“ Er bemerkte den fragenden Blick des Captains und erkundigte sich direkt: „Sie haben noch etwas anderes auf dem Herzen?“

„Ja, Konteradmiral.“ Revers zögerte einen kurzen Augenblick bevor er offen fragte: „Haben Sie nie mit dem Gedanken gespielt, sich zu den Taktischen Flotten versetzen zu lassen?“

„Nein“, gab Kuehn offen zu. „Im Gegenteil, ich habe zwei Anfragen von Admiral Rossdale auf Versetzung zur 1.Taktischen Flotte abgelehnt, da ich der Auffassung bin, dass den Sektorenflotten ebenso viel Aufmerksamkeit zukommen sollte, wie den Taktischen Flotten. Ich halte ein ausgewogenes Verhältnis beider Institutionen für unabdingbar. Mittelfristig werden beide Flottenteile enger zusammenarbeiten müssen, um möglichen Bedrohungen effizient begegnen zu können. Und ich sehe meine Berufung darin meine Sektorenflotte auf eine solche Aufgabe, so gut wie möglich, vorzubereiten.“

Für einen kurzen Moment spürte Revers die Entschlossenheit des Konteradmiral und er zog unbewusst einen Vergleich zu Tar´Kyren Dheran. Ihm wurde in diesem Moment klar, warum diese beiden so verschiedenen Männer Freunde geworden waren. Was er ebenfalls erkannt hatte war, dass dieser Admiral weit davon entfernt war, sich zu einem Schreibtischtäter zu entwickeln, oder den Kontakt zu den Offizieren an der Front zu verlieren, und ein Teil seines Misstrauens, gegen Admirale der Sternenflotte, verlor sich in diesem Moment. Er blickte Kuehn offen an und hakte ein: „Ich finde es interessant, dass Sie und Captain Dheran sich, trotz der offensichtlichen Unterschiede in ihren Charakteren, in mancherlei Hinsicht doch recht ähnlich sind.“

Ein beinahe spitzbübisches Schmunzeln stahl sich auf das Gesicht des Konteradmiral. „Ich glaube, Sie sehen meinen Freund nicht so, wie er wirklich ist. Tar und ich kennen uns seit Akademiezeiten, und ich kann ihnen versichern, dass er nicht der Kalte Krieger ist, als den man ihn oft sieht. Sicherlich liegt ihm der Kampf im Blut, aber das gilt in allen Belangen, und nicht nur für die taktische Kriegsführung. Nur wenige Leute wissen, dass Tar´Kyren Dheran sieben Sprachen, in Wort und Schrift beherrscht, darunter Alt-Bajoranisch, und zwar ohne auf Referenzmaterial zurückgreifen zu müssen. Darüber hinaus hat er seine Studien bezüglich Archäologie, nach seiner Akademiezeit, weitergeführt, und besitzt einen Akademischen Grad auf diesem Wissensgebiet.“

Captain Revers blickte Kuehn für einen Augenblick wie ein Wundertier an. „Doktor Dheran...?“

Kuehn nickte amüsiert. Ja, doch er führt den Titel nicht offiziell. Ihm ging es um die Studien an sich; nicht darum einen Titel zu führen. Erzählen Sie das aber bitte nicht herum, ich denke, dass wäre meinem Freund nicht recht.“

„Ich bin nicht gerade als Klatschtante berüchtigt“, versetzte Revers trocken.

Kuehn musterte den Captain eindringlich, bevor er meinte: „Wenn ich einen anderen Eindruck von Ihnen hätte, dann hätte ich Ihnen nicht davon erzählt. Im Allgemeinen kann ich mich auf meine Menschenkenntnis verlassen, und die sagt mir, dass Sie vertrauenswürdig sind, Captain.“

Frank Revers´ anfängliche Vorbehalte gegen den Konteradmiral verflüchtigten sich, obwohl er den unbestimmten Eindruck gewonnen hatte, dass Kuehns Charakter noch sehr viel vielschichter war, als er ahnte. „Danke, für die positive Einschätzung, Sir“, antwortete er diplomatisch, bevor er meinte: „Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Rest des Schiffes.“

Die Sektorenmeisterschaft

Die einzelnen Kämpfe sollten in der Haupt-Sportarena der Station STRATEGICAL STARBASE 71 ausgetragen werden. Hauptsächlich konnte man diese Arena als gewaltiges Holodeck bezeichnen, auf dem man nur alle erdenklichen Konfigurationen an Zuschauerrängen und Kampfarenen darstellen konnte. Nur wenige Sportstätten der Föderation konnten es mit dieser Arena aufnehmen, was kein Wunder darstellte, war sie doch relativ neu.

In der momentanen Konfiguration bot sie bis zu 100.000 Zuschauern Platz. Auf den Rängen gab es nur noch wenige freie Plätze, als die Mannschaften der verschiedenen umliegenden Stationen und Flottenstützpunkte, zur Hymne der Vereinigten Föderation der Planeten, und unter dem Applaus der Zuschauer, in das weite Rund im Zentrum einmarschierten. Die größten Kontingente stellten STRATEGICAL STARBASE 71, DEEP SPACE NINE und die Sektorenflotte-Bajor. Damit es in den Mannschaftskämpfen jedoch gerecht zuging, war die Größe einer Mannschaft auf lediglich fünf Teilnehmer pro Team beschränkt, der Rest musste sich auf die Einzelkämpfe, die aber ohnehin einen höheren Prestigewert besaßen, beschränken.

Darum störte es Tar´Kyren Dheran nicht weiter, dass er es nicht in die Mannschaft geschafft hatte. Diese Tatsache war ihm jedoch von vornherein klar gewesen, denn der Admiral hatte seine Mannschaft nach den Ergebnissen des letzten Jahres zusammengestellt, in dem er nicht hatte teilnehmen können. Aber selbst wenn wäre es höchst fraglich gewesen, ob er es in die Mannschaft geschafft hätte, denn mit dem Meister des Vorjahres - Sebastian Frank, Pasqualina, Captain Quentin McArthur, und dem Admiral selbst war die Mannschaft hervorragend vertreten. Jeder dieser fünf Teilnehmer würde ihn, je nach Tagesform, besiegen können – das wusste Dheran, und deswegen fiel es ihm leicht damit zu leben, nur im Einzelkampf teilzunehmen. Nicht zuletzt würde er sich mit einem guten Ergebnis in diesen Einzelkämpfen, für eine Aufnahme in die Mannschaft qualifizieren können, die im nächsten Jahr STRATEGICAL STARBASE 71 vertreten würde.

Zumindest falls es dann noch eine Station namens STRATEGICAL STARBASE 71 gab, die eine Mannschaft für die nächste Sektorenmeisterschaft stellen konnte, dachte Dheran morbide, während er links des Admiral, zwischen Pasqualina und Riker, Aufstellung nahm.

Im Gegensatz zu den Mannschaftskämpfen konnte bei der Einzelwertung Jeder auf Jeden treffen. Hier wurden die Paarungen von einer Zufallsroutine des Computers zusammengestellt. Von Anfang an galt hier das K.O.-Prinzip – wer einen Kampf verlor, der war raus. Nur wer von Beginn an siegte kam weiter.

Wie in jedem Jahr hatten sich weniger als 128 Teilnehmer angemeldet, und so hatte der Stationscomputer für die fehlenden Plätze Einladungen an Personen übermittelt, deren Dienstakten man entnehmen konnte, dass sie sich auf das Degenfechten verstanden.

Während die Kämpfer einzeln genannt wurden, dachte der Andorianer daran, dass es bei den einzelnen Kämpfen nicht nur auf das Geschick als Kämpfer ankam, sondern auch darauf, sich auf die jeweiligen Umstände einzustellen, denn jeder Kampf fand in einer anderen virtuellen Umgebung statt. Auf diese Weise kam auch ein Element des Zufalls mit ins Spiel, und machte den Wettkampf noch unvorhersehbarer.

Der Andorianer hatte von den einzelnen Teilnehmern des vergangenen Jahres bereits die tollsten Anekdoten bezüglich dieser Komponente des Wettkampfs gehört.

Die ersten Kämpfe begannen unmittelbar nach der Eröffnungszeremonie. Auf einer großen Holoanzeigefläche erschienen die ersten computergenerierten Kampfpaare.

Es stellte sich heraus, dass der Andorianer gleich als zweiter dran war.

Tar´Kyren Dheran bekam für seinen ersten Kampf einen jungen Bajoraner der Sternenflotte zugewiesen, wobei sich der Andorianer erstaunt fragte, wann man auf Bajor zur Sportart des Degenfechtens gefunden hatte.

Der erste Kampf war relativ schnell vorbei und Dheran machte sich bereit die Arena zu betreten. Am Eingang zur Arena materialisierte ein schwerer Degen. Dheran griff danach und betrat das weite Rund.

Sein Gegner, ein schlanker, bajoranischer Mann mit asketischen Gesichtszügen, kam von der gegenüber liegenden Seite, mit einem Degen gleicher Machart, in das Rund. Die Zeremonie sah vor, dass sich die Kontrahenten in der Mitte der Arena trafen. Dort gab es einen Bodenkontakt und sobald beide Kämpfer auf der Fläche standen, wurde die Kampfumgebung generiert, und die beiden Gegner auf, vom Computer zufällig gewählte, Startpunkte transportiert.

Der Bajoraner trat Dheran entschlossen entgegen.

Im nächsten Moment fühlte sich Dheran bereits angehoben und in eine Höhe von etwa zwanzig Meter katapultiert. Gleich darauf entstand unter seinen Füßen ein schmaler, spiralförmiger Steg, der sich vom Boden zur Spitze hin in immer engeren Windungen erhob.

Der Andorianer entdeckte seinen Gegner etwa fünfzehn Meter über sich knapp unterhalb der Spitze. Froh darüber schwindelfrei zu sein bewegte sich Dheran vorsichtig auf dem schmalen Steg der Spirale und näherte sich in unaufhaltsam dem Bajoraner, der keinen großen Spielraum nach oben hatte. Beinahe zu spät fiel dem schlanken, dunkelhaarigen Mann ein, dass er tunlichst dem Andorianer, so weit wie möglich, entgegen kommen sollte, um diesen Spielraum etwas auszuweiten. Er schaffte jedoch gerade eine halbe Windung, bevor der Andorianer in Reichweite kam.

Dheran suchte entschlossen eine schnelle Entscheidung und griff kompromisslos an, was den Bajoraner sichtlich verunsicherte. Der hagere Mann konnte die ersten Attacken des Andorianers abwehren, doch dann machte er einen zu raschen Schritt nach hinten, trat über die Kante des gewundenen Stegs, verlor das Gleichgewicht und stürzte ab.

Im selben Moment löste sich die Spirale auf und die beiden Kämpfer wurden von der Automatik der Arena auf der Kontaktfläche abgesetzt. Nachdem die Computerstimme der Arena Tar´Kyren Dheran zum Sieger dieses Kampfes erklärt hatte, verneigten sich die beiden Gegner zuerst vor einander und dann erneut in Richtung des applaudierenden Publikums, bevor sie die Arena auf demselben Weg verließen, auf dem sie sie betreten hatten.

Auf den Rängen blickte Commander No´Leen Ra Taragenar, der sich auf einen längeren Kampf gefreut hatte, zu seinem romulanischen Kollegen Tolaron und meinte enttäuscht, mit mürrischer Miene: „Gegen diesen Bajoraner hätte meine Großmutter auch noch gewonnen.“

 
 

* * *

 

Auch Pasqualina, Christina, Kuehn, LeClerc, Sinemus, Frank und der Admiral gewannen ihre ersten Kämpfe souverän. Doch ihnen und allen anderen Gewinnern des ersten Tages war klar, dass es von nun an immer schwieriger werden würde.

Am achten Tag der Sektorenmeisterschaft stand das Ergebnis des Mannschaftswettbewerbs fest. Das Team von STRATEGICAL STARBASE 71 hatte mit Abstand gewonnen und dieses Ergebnis bestätigte dass die Auswahl des Admirals richtig gewesen war.

Im Einzelwettbewerb stand für diesen Tag das Viertelfinale an. Bisher waren noch im Rennen: Admiral Tarun, Konteradmiral Kuehn, Commodore LeClerc, Captain McArthur, Captain Frank, Captain Dheran, Commander Mancharella und Lieutenant-Commander Sinemus. Wie auch in den Jahren zuvor galt ab dem Viertelfinale die Drei-Treffer-Regel, nach der Pasqualina und Dheran trainiert hatten.

Allerdings führte ein Treffer nicht zu einer Verletzung, sondern lediglich zu einem Aufleuchten der jeweiligen Waffe. Dies machte es für die Zuschauer einfacher, den Verlauf des jeweiligen Duells zu verfolgen.

Dheran hoffte, dass der Zufallsgenerator ihm einen der beiden Admirale zuteilen würde, doch es war Quentin McArthur, gegen den er antreten musste. Er hatte sich bisher tapfer geschlagen, und Dheran musste zugeben, dass er keinen leichten Stand gegen den Captain der ALABAMA haben würde.

Die restlichen Partien lauteten: Tarun gegen LeClerc, Kuehn gegen Mancharella, und Sinemus gegen Frank. Der Kampf des Andorianers war, zu dessen Verdruss, der Letzte des Tages. Der Andorianer hasste es warten zu müssen.

Sylvie LeClerc machte es dem Admiral nicht leicht, und das Publikum kam auf seine Kosten, bei dem Kampf, der sich beinahe eine halbe Stunde lang dahin zog, und den der Admiral mit einem denkbar knappen 3:2 für sich entschied.

Die nächste Paarung war Sinemus gegen Frank. Der Lieutenant-Commander kämpfte bewundernswert diszipliniert, und nutzte die wenigen Schwächen seines Gegners konsequent aus. Zur Überraschung Aller fertigte Sinemus seinen Gegner mit einem glatten 3:0 ab, wobei jedoch das Ergebnis den Kampf nicht adäquat widerspiegelte.

Mit Spannung verfolgte Tar´Kyren Dheran das Duell zwischen Valand Kuehn und Pasqualina, wobei er sich nicht recht entscheiden konnte, wem er den Sieg mehr gönnte. Beide schienen in Top-Form zu sein. Kuehn ging relativ schnell mit 2:0 in Front. Doch mit erbitterter Gegenwehr gelang es der Spanierin auszugleichen, und schließlich schaffte sie, beinahe am Ende ihrer Kräfte, sogar noch das 2:3.

Dheran wusste nicht recht, ob er sich nun darüber ärgern sollte, weil er damit keinesfalls mehr die Chance haben würde, sich mit dem Freund zu messen, oder ob er stolz auf Pasqualina sein sollte, wegen ihrer Kampfqualitäten. Er entschloss sich zu einer Mischung aus beidem und bereitete sich dann auf seinen eigenen Kampf vor.

Ein Blick auf die Anzeigetafel, auf der es vor jedem Kampf eine Erklärung der jeweiligen Kampfumgebung gab, belehrte ihn und McArthur, dass, im Gegensatz zu ihren Vorgängern wieder einmal eine der exotischeren Arenen bekamen. Ihr Kampf würde auf einer kreisrunden Fläche ausgetragen werden, die in viele unregelmäßige Sektoren aufgeteilt war, die matt-weiß leuchteten. Die Schwierigkeit bestand darin, dass sich dieser Kampfbereich, mit zunehmender Dauer des Duells immer weiter auflösen würde, wobei es eine kleine Vorwarnzeit gab, in der das jeweilige Feld vorher rötlich aufglühte. Dheran und McArthur würden also nicht nur gegen einander, sondern auch gegen die Tücke der Arena zu kämpfen haben.

Nach dem obligatorischen Gruß gingen beide Kämpfer zunächst auf Abstand und belauerten sich gegenseitig. Im Gegensatz zu seinem sonst eher ungestümen Kampfstil bevorzugte Dheran zunächst die weite Mensur und überließ es McArthur den ersten Angriff einzuleiten. Mit überraschender Härte drang der Captain der ALABAMA auf den Andorianer ein, und nur die Tatsache, dass sich während einer schnellen Doppelfinte McArthurs, der Boden genau unter ihm aufzulösen drohte, rettete Dheran davor früh ins Hintertreffen zu geraten. Doch auch er selbst musste einen aussichtsreichen Angriff im letzten Moment unterbrechen und wieder eine Defensivposition einnehmen, als ihm die Tücke der Arena einen Strich durch die Rechnung machte. Erst, als sich bereits die Hälfte der Bodenfläche unter ihnen aufgelöst hatte, gelang es Dheran einen Treffer anzubringen, nachdem ein rascher Arretstoß von McArthur ins Leere griff. Dheran übernahm nun mehr die Initiative und er bemerkte, dass McArthur überhaupt nicht behagte, dass er nun die enge Mensur suchte. Immer wieder ging er auf Abstand, bis Dheran schließlich aus einer Parade heraus, einen Ausfallschritt machte und einen Fußtreffer anbringen konnte.

Unglücklicherweise begann, genau in diesem Moment, die Bodenfläche unter seinem Standbein zu leuchten und nur durch einen Hechtsprung zur Seite konnte er sich retten, bei dem jedoch McArthur einen Schultertreffer anbringen konnte.

Einen zweiten Treffer konnte Dheran nur mit Mühe verhindern. Der Andorianer überwand die Entfernung zu der 3 mal 4 Meter großen Insel, auf der McArthur nun stand mit einem gewaltigen Satz, bevor er von ihm abgeschnitten wurde. Nun war Schnelligkeit gefordert, bevor der Zufall entschied. Mit erneut entfachter Energie drang Dheran auf seinen Gegner ein und drängte ihn unaufhaltsam immer weiter zum Rand. McArthur wehrte sich tapfer, aber letztlich entschied doch das Glück für den Andorianer, indem der Boden unter dem Captain der ALABAMA in unheilvollem Rot zu glühen begann um sich einen Moment später aufzulösen.

Ein Gongton verkündete das Ende des Kampfes und die Computerstimme erklärte Dheran zum Sieger des Kampfes. McArthur beglückwünschte Dheran zum Sieg und dieser gab zu, dass der Sieg unter anderen Umständen nicht sicher gewesen wäre, bevor sie sich abwandten und die Arena, unter dem Applaus der Zuschauer verließen.

 
 

* * *

 

Als Dheran am Abend das SEVENTYFIRST CLUB betrat gesellte er sich zu seinem Freund Valand, der mit Sylvie LeClerc, Tal´Inuray Filiz, Namoro Kunanga und Rick McMahan an der Bar stand. Sie beglückwünschten den Andorianer zum Einzug ins Halbfinale und wünschten ihm viel Erfolg für den kommenden Tag. Während sie sich über die Kämpfe des Tages unterhielten, trat unauffällig Captain Minoru Tanaka zu ihnen. Er räusperte sich vernehmlich, bevor er zu Dheran gewandt meinte: „Ihr Sieg heute, war lediglich Glück, Dheran. Mit Kampfkenntnis hatte das weniger zu tun, nicht wahr?“

Der Andorianer blickte den Asiaten mit einer Mischung aus Verwunderung und Ärger an. Bevor er jedoch etwas erwidern konnte, hatte sich Tal´Inuray Filiz zwischen den Captain und Tanaka gedrängt und maß ihn von oben bis unten. Dann fragte sie spöttisch: „So klein und schon bei den Taktischen Flotten?“

Dheran legte seine Hand auf ihre Schulter und dirigierte die MACO, mit sanfter Gewalt, wieder etwas nach hinten. „Das regele ich selbst, Lieutenant-Commander.“ Damit wandte er sich an Tanaka und erkundigte sich ruhig: „Sie haben ein Problem mit dem Wertungs-System des Wettkampfes, Captain Tanaka?“

Der Asiate erwiderte den Blick des Andorianers: „Nein, Captain Dheran. Ich traf lediglich eine Feststellung, und wüsste gerne Ihre Meinung dazu.“

„So“, machte Dheran und senkte seine Stimme etwas ab. „Nun, ich stimme Ihnen zu, Mister Tanaka. Letztlich hat das Glück den entscheidenden Ausschlag gegeben.“ Er wandte sich bereits wieder ab, als der Asiate ihn am Unterarm festhielt.

Überrascht von der Schnelligkeit des Andorianers zuckte Tanaka zurück, als Dheran zu ihm herum wirbelte und sich sein Gesicht plötzlich sehr dicht vor seinem befand. Mit gefährlich leiser Stimme meinte Dheran: „Das sollten Sie tunlichst unterlassen, sofern Ihnen etwas an Ihrer gesundheitlichen Unversehrtheit liegt, Captain Tanaka. Und um Ihnen auch diese Frage gleich zu beantworten: Ja, das war eine Drohung – und zwar eine, die Sie besser ernst nehmen. Und falls Sie Hilfe dabei benötigen, gutes Benehmen zu lernen - ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung, Captain Tanaka.“

Minoru Tanaka schluckte. Einem so kalten Blick wie dem des Andorianers war er selten begegnet, und er ließ keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Worte.

Captain Revers, der sich der Szene unauffällig genähert hatte, nahm Tanaka, der seine Hände zu Fäusten ballte, zur Seite und dirigierte ihn von Dheran weg, auf seine andere Seite. Danach stellte er sich demonstrativ zwischen ihn und Dheran. Während er erleichtert feststellte, dass Tanaka sich, mit einem letzten finsteren Blick auf den Andorianer, zum Ausgang begab, wandte er sich an Dheran: „Tanaka ist kein übler Kerl. Er hat nur manchmal eine etwas komische Art, und die Angewohnheit, sich mit den falschen Leuten anzulegen.“

„Ich bewundere Sie für diese gute Meinung“, erwiderte Dheran und schickte Minoru Tanaka seinerseits einen finsteren Blick hinterher.

Revers grinste vergnügt und meinte: „Kommen Sie, Tar´Kyren, Sie legen sich doch auch nur mit den Besten an, wie man hört.“

Dheran ahnte, dass Revers auf seinen Besuch in Taruns Büro anspielte, als er ihm vor wenigen Wochen seinen Urlaub vermasselt hatte. Gegen seinen Willen musste er bei dem Gedanken daran grinsen. „Da ist etwas Wahres dran, Frank. Das zählt.“

Im nächsten Moment hatte er diese unliebsame kleine Episode vergessen. Sein Blick hellte sich auf, als Christina Carey das Lokal betrat und auf ihn zu steuerte. Nachdem Pasqualina ihm, unter fadenscheinigen Vorwänden erklärt hatte, dass sie heute Abend nicht ins SEVENTYFIRST CLUB kommen würde, wenigstens ein Lichtblick.

Revers, der sie ebenfalls kommen sah, trat taktvoll zur Seite und begab sich zu Namoro Kunanga und Rick McMahan.

Dheran und Christina begrüßten einander freundlich. Da der Andorianer wusste, dass Christina keinen Austausch von Zärtlichkeiten, nicht einmal platonischer Natur, in der Öffentlichkeit mochte, verzichtete er darauf, ihr einen Kuss auf die Wange zu geben, obwohl er versucht war es dennoch zu tun. Erneut spürte er in diesem Moment welch widersprüchliche Gefühle in seinem Innern tobten. Einerseits spürte er Eifersucht in sich aufsteigen, bei dem Gedanken, dass Pasqualina sich wahrscheinlich in diesem Moment mit einem gewissen Lieutenant-Commander traf. Andererseits wurde diese Eifersucht gegenstandslos, wenn er, so wie in diesem Moment, in die blau-grauen Augen von Christina sah. In diesem Moment war er einfach nur glücklich, dass sie wieder mit einander redeten.

Später am Abend, als sich nur noch wenige Gäste im SEVENTYFIRST CLUB aufhielten, saßen sie beide an einem der abseits gelegenen Tische und Dheran fragte schließlich: „Hat dir der Admiral eigentlich nie ein eigenes Schiffskommando angeboten? Einen guten Ersten Offizier findet er doch sicher schneller, als einen guten Schiffskommandanten.“

„Doch, das hat er“, gab die Irin zögerlich zu. „Ich hatte bisher jedoch kein Verlangen nach einem eigenen Kommando.“

Dheran blickte die schwarzhaarige Frau forschend an. „Ich frage mich, warum nicht. Als wir uns kennen lernten schienst du mir sehr viel ehrgeiziger.“ Er hob seine Augenbrauen und fügte forschend hinzu: „Oder liegt das am Admiral? Vielleicht möchtest du ja nur nicht von ihm getrennt sein?“

Die Irin fühlte sich ertappt, und Dheran erkannte im gleichen Augenblick, dass er mit seiner Frage genau den Nerv getroffen hatte. Er spürte, wie Zorn und Eifersucht in ihm wetteiferten, die Oberhand zu gewinnen und zischte heftig: „Für mich warst du nicht bereit deine Karriere zu opfern, aber für den Admiral schon. Du hast dich verändert, Christina. Dieser Trill vernebelt deine Sinne, und dein klares Urteilsvermögen.“

„Das bildest du dir nur ein!“, erwiderte die Irin obwohl sie sich darüber im Klaren war, dass Dheran die Lage weitgehend richtig beurteilte. Dazu sollte ein fähiger Captain der Taktischen Flotten auch in der Lage sein, aber im Moment verdammte sie ihn für diese Gabe.

Der Andorianer ließ nicht locker. „Als dein Freund muss ich dir vor Augen halten, dass diese Schwärmerei für den Admiral nicht nur albern, sondern höchst aussichtslos ist, Christina. Der Admiral führt, und das höchst offiziell, eine Beziehung mit der Mutter ihres gemeinsamen Kindes! Verrate mir mal eins: Hast du tatsächlich vor, sie auseinander zu bringen, damit das Kind ohne seinen Vater aufwächst?“

„Nein, natürlich nicht!“

„Was für einen Sinn macht dein Verhalten dann?“

Christina Carey war bewusst, dass jedes Wort von Tar´Kyren Dheran den Kern der Sache traf, doch im Moment hätte sie lieber ihre Zunge verschluckt, als dies zuzugeben. Was fiel Tar´Kyren überhaupt ein, sich so intensiv in ihr Leben einzumischen? Sie schaltete auf Stur und entgegnete heftig: „Ich muss einem mir unterstellten Captain gegenüber, keinerlei Rechenschaft ablegen.“

„Ich glaube, ich werde grün!“, schnappte Dheran bissig. „Wenn uns die Argumente ausgehen, werden wir dienstlich, Commodore?“ Zornig stand er auf. „Bitte um Erlaubnis wegtreten zu dürfen, Sir.“

„Gehen Sie mir aus den Augen, Captain!“, fuhr die Irin Dheran hitzig an, und wäre der Andorianer im Moment nicht so maßlos wütend gewesen, dann hätte ihn diese Reaktion sicherlich mit Stolz erfüllt. So jedoch nahm er zackig Haltung an und entfernte sich mit schnellen Schritten. Dass Christina ihm verzweifelt hinterher sah, bekam er dabei nicht mit.

 
 

* * *

 

Die schon mit Spannung erwarteten Halbfinalpartien gestalteten sich, wie folgt: Captain Tar´Kyren Dheran gegen Lieutenant-Commander Christian Sinemus und Admiral Torias Tarun gegen Commander Pasqualina Mancharella.

Irgendwer sollte mal den verdammten Computer checken, dachte Dheran unwillig. Anscheinend gönnte man ihm kein zünftiges Gefecht gegen den Admiral. Oder das Schicksal meint es besonders gut, und hebt sich das für das Finale auf. Bei diesem Gedanken wirkte der Andorianer schon wieder zufriedener. Außerdem musste er heute nicht warten – der Kampf mit Sinemus und ihm stand zuerst auf dem Plan.

Dheran und Sinemus mussten auf einer Fläche kämpfen, die sich permanent unter ihnen bewegte und in begrenztem Umfang auch ihre Höhe veränderte – ein wahrer Eiertanz, auf einem Wasserbett, wie der Andorianer meinte. Es war schwer sich auf diese Gegebenheit einzustellen. Daran hätte Revers seine helle Freude gehabt, überlegte Dheran zwischenzeitlich. Auf dem schwankenden Deck eines Segelschiffes ging es sicherlich auch nicht sehr viel anders zu.

Trotz seiner gleich darauf wieder angespannten Konzentration unterlag der Andorianer diesmal. Mit einem nicht zufriedenstellenden 1:3 musste er sich dem Lieutenant-Commander schließlich geschlagen geben.

Nachdem er Sinemus zum Sieg gratuliert hatte, beeilte er sich, die Tribüne zu erreichen, auf der er neben Valand Kuehn Platz nahm. Sylvie LeClerc, die auf der anderen Seite des Konteradmiral saß, beugte sich kurz vor und meinte tröstend: „Sehen Sie es einmal so: Jetzt können Sie ganz entspannt diesen Kampf und das morgige Finale genießen.“

„Hurra“, machte Dheran lustlos und starrte dabei gebannt hinunter in die Arena, wo sich gerade der Admiral und Pasqualina zum Duell bereit machten. Beide mussten auf einer Art Eisfläche gegen einander antreten, und Dheran verwünschte die Tatsache, dass er nicht auf diesem Untergrund hatte kämpfen dürfen.

Das wäre nun wirklich zu einfach gewesen, mahnte ihn gleich darauf sein Sinn für Gerechtigkeit. Du warst immerhin unter den letzten vier Teilnehmern – und damit befindest du dich in guter Gesellschaft deines XO oder des Admirals, je nachdem wer hier gleich gewinnen wird. Kein Grund mürrisch zu sein, also.

Dheran wusste, dass sein Gemütszustand nichts mit dem eben verlorenen Duell zu tun hatte, sondern einzig und allein mit dem Streit, am gestrigen Abend. Nur am Rande bekam er die Einzelheiten des Kampfes mit, während er sich ernsthaft fragte, warum Christina seinen Argumenten so abweisend entgegen stand. Sie musste doch einsehen, wie irrational ihr Verhalten, bezüglich des Admirals war.

Frauen, dachte Dheran finster. Man kann sie lieben oder hassen, aber man darf sie nicht mit selbstdichtenden Schaftbolzen steinigen.

Der Andorianer wurde von seinem Freund aus seinen Betrachtungen, über die Ungerechtigkeiten des Lebens, gerissen, als er ihn am Unterarm berührte und meinte: „Sieht ganz so aus, als würde dein Erster Offizier eurem werten Admiral zeigen, was eine Harke ist.“

Bei einem Blick auf die Holoanzeige stellte er fest, dass Pasqualina bereits zwei Treffer hatte anbringen können.

Zwar holte der Admiral auf, aber mit seinem zweiten Treffer kassierte er selbst den dritten, und war damit aus dem Rennen.

Nicht ganz ohne Stolz blickte er hinunter zu Pasqualina, die ihn im gleichen Moment entdeckt hatte und zufrieden lächelnd zuwinkte. Geistesabwesend winkte er zurück, während Valand sich zu ihm herüber beugte und meinte: „Ich beginne zu verstehen, warum du so hin und her gerissen bist, mein Freund. Ich denke dir ist schon klar, dass du die Entscheidung, die du treffen musst, nicht auf deinen XO oder Christina abwälzen kannst. Und dass du nicht von ihnen eine Entscheidung erwarten kannst, die du selbst vor dir her schiebst.“

Dheran blickte in das ernste Gesicht seines Freundes und eine Welle der Sympathie für Valand durchflutete ihn, weil der Freund genau die richtigen Worte gefunden hatte. Natürlich hatte er Recht. Wie konnte er hoffen, dass Christina die richtige Entscheidung traf, wenn er selbst dazu nicht imstande war? Impulsiv legte er seine Hand auf die des Freundes. „Danke, Valand. Ich bin froh, dass du mein Freund bist.“

Der Konteradmiral grinste schelmisch und während er seine Hand zurückzog, meinte er betont humorvoll: „Wenn du jetzt anfängst mit mir Süßholz zu raspeln, dann ist es aus damit – das würde ich nicht überleben.“

Dherans Antennen begannen, sich unruhig zu bewegen. Im nächsten Moment lachte er unterdrückt und erklärte: „Zeit, dass ich meinem Ersten Offizier zum Sieg gratuliere.“

„Vielleicht sollte ich den Admiral trösten“, meinte Kuehn ironisch und fing einen mahnenden Blick von seiner Stellvertreterin auf, während sie dem Andorianer nachblickten.

„Der hat keine Ruhe im Hintern“, schüttelte Sylvie LeClerc schließlich den Kopf. „Wie konnte er es bis zum Captain schaffen?“

„Mit Selbstdisziplin.“ Kuehns Miene wurde ernst. „Wenn du ihn jemals im Gefecht erlebt hättest, dann würdest du weniger schnell spotten.“

„Das war kein Spott“, erklärte die Französin und erwiderte den Blick des Konteradmiral. „Du scheinst vergessen zu haben, dass ich Dheran ebenfalls schon seit Akademiezeiten kenne, wenn auch nicht ganz so gut, wie du. Damals schien er mir immer aus dem Weg zu gehen. Zumindest hatte ich das Gefühl.“

„Du warst ihm bestimmt zu lebhaft“, erklärte Kuehn todernst, bis ihn Sylvies verblüfftes Gesicht zum Lachen reizte. Schnell erhob er sich und forderte sie auf: „Komm, lass uns los ziehen und den Admiral trösten.“

„Dheran und du - ihr seid beide verrückt“, erklärte LeClerc überzeugt und machte sich gemeinsam mit Kuehn auf den Weg zum Ausgang der Arena.

 
 

* * *

 

Entspannt lag Pasqualina Mancharella nackt im Bett auf dem Bauch und ließ sich von Tar´Kyren Dheran den verspannten Rücken massieren. Nur hin und wieder gab sie dabei ein wohliges Schnurren von sich, wobei sie hoffte er würde nicht merken, wie lange er sie massierte, wenn sie nur beharrlich schwieg. Als er dann nach einer ganzen Weile doch aufhörte, seufzte sie behaglich und raunte leise: „Gib zu, dass du das früher immer für andere Frauen gemacht hast, Tar´Kyren.“

„Nun ja“, meinte der Andorianer nachdenklich, während er sich neben sie legte. „Da war zunächst einmal...“

„Stopp! Das will ich nicht wissen!“

Sie drehte sich auf die Seite und funkelte ihn ungehalten an, bis sie an seinem amüsierten Gesichtsausdruck bemerkte, dass seine Worte betont humorvoll gemeint gewesen waren. Er streichelte sanft ihr Gesicht, ihre Schulter und küsste sie sanft auf die Lippen. Erst nachdem er sich wieder von ihr gelöst hatte, meinte sie resignierend: „Mit deinem Humor hat man seine liebe Not.“

„Du hast auf diese Weise begonnen“, verteidigte sich der Andorianer.

„Das ist kein Grund, genauso weiterzumachen.“

Dheran zog die Spanierin in seine Arme und blickte tief in ihre Augen. „Das ist sogar der beste Grund“, lächelte er hintergründig und küsste sie im nächsten Moment, bevor sie erneut widersprechen konnte.

Pasqualina erwiderte seinen leidenschaftlichen Kuss und vergaß darüber, was sie hatte entgegnen wollen. Schließlich löste sie sich widerstrebend von ihm, blickte ihn an und meinte: „Hat dir schon mal Jemand gesagt, dass du ein ganz hinterhältiger Halunke bist?“

„Ja!“

Pasqualinas Anspannung löste sich und ein warmes Lächeln umspielte ihre Lippen. Leise sagte sie dann: „Kuri´Fe na tarin, Tar´Kyren.“

Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, sah die Spanierin den Andorianer wirklich überrascht. Seine Antennen bewegten sich zitternd in alle Richtungen und seine Augen drückten deutlich aus, dass er nicht damit gerechnet hatte, sie plötzlich andorianisch sprechen zu hören. „Wann hast du denn das gelernt?“

„Gestern habe ich mich mit deiner Schwester verabredet. Ich hatte sie darum gebeten, mir einige Wörter und Redewendungen beizubringen. War die Betonung korrekt?“

Dherans Gesicht leuchtete förmlich, und ein wenig beschämt dachte er daran, was er gestern im SEVENTYFIRST CLUB vermutet hatte. Immerhin hat sie sich tatsächlich mit einem Lieutenant-Commander getroffen, ergänzte er gedanklich, bevor er leise sagte: „Es klang perfekt, Pasqualina. Du scheinst ein Talent für die andorianische Sprache zu haben.“ Seine Stimme klang heiser, als er fragte: „Und du bist dir da ganz sicher?“

Eine Welle leidenschaftlicher Emotionen durchflutete ihn auf mentaler Ebene, und nahm ihre Antwort vorweg. „Ja, Tar´Kyren – ich bin mir ganz sicher, dass ich in Dich verliebt bin.“ Sie küsste ihn sanft und ausdauernd.

Der Andorianer fragte sich, ob er diese Frage auch so eindeutig beantworten konnte, während er ihren Kuss erwiderte. Noch immer war da dieses zwiespältige Gefühl im Hintergrund, dass ihm den Namen Christina zu rief. Er ignorierte diesen Ruf und konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt. Alles Andere zählte momentan nicht. Während er die Spanierin immer verlangender küsste, musste er wieder an Botschafter Spocks Worte denken. Ob dem Vulkanier bewusst gewesen war, wie viel Weisheit in diesen Worten lag?

 
 

* * *

 

Als Tar´Kyren am frühen Morgen erwachte, blickte er im Dunkeln in Paqualinas Gesicht. Da Andorianer, mit ihren Antennen einen geringen Infrarot-Anteil aufnahmen, konnte er es relativ klar vor sich sehen, und so bemerkte er das sanfte Lächeln augenblicklich.

Der Andorianer spürte einen leichten Stich bei diesem Anblick denn ihm war bewusst, dass seine Gefühle nicht genauso eindeutig bei ihr waren, wie die ihren bei ihm. Gleichzeitig wurde ihm eindringlich bewusst, dass seine Gefühle ebenso zerrissen gewesen wären, hätte Christina dort gelegen. Er fragte sich, wie er in eine so verzwickte Situation hatte geraten können. Vorsichtig wand er sich unter der Spanierin weg und stand auf, fast ohne dabei ein Geräusch zu verursachen. Schnell ging er hinüber ins Bad, duschte rasch und kam dann, nur mit einem Badetuch bekleidet in den Schlafraum zurück.

Pasqualina schlief friedlich und Dheran schritt lautlos zu den abgedunkelten Fenstern hinüber. Er hob die Lichtundurchlässigkeit soweit auf, dass er hinaus in den riesigen Innenbereich der Hangarsektion blicken konnte. Die Außenseite blieb dabei undurchlässig für Lichtstrahlen aus der Kabine, so dass er zwar hinaus, aber niemand herein sehen konnte.

Rund um den Liegeplatz der ICICLE war alles ruhig. Die hier angedockten Schiffe warteten im STAND-BY-Modus auf den nächsten Einsatz. Auf der gegenüber liegenden Seite des bläulich beleuchteten Großhangars erkannte der Andorianer die WINDTALKER. Erst gestern Mittag war Linara Enari von einem Aufklärungseinsatz zurück gekehrt.

Dheran stellte in Gedanken fest, dass er sich mit diesem verqueren Drei-Gondel-Design wohl zeitlebens nicht mehr anfreunden würde. Da lobte er sich das Design seines eigenen Schiffes und dachte: Ein elegantes Design – aus zivilisierteren Tagen.

Er schmunzelte ob dieses Gedankens. Das klang fast, wie in einem dieser kitschigen Holoromane. Seine Gedanken kehrten zurück zu Pasqualina Mancharella.

Er erinnerte sich lebhaft daran, wie sie zum ersten Mal an einer seiner Kommando-Trainingseinheiten teilgenommen hatte. Damals war sie gerade erst seit zwei Tagen an Bord gewesen, und sie hatte gleich erfahren müssen, wie hoch er die Messlatte für die Leistungen seiner Kommandooffiziere gelegt hatte.

Ein amüsierter Zug stahl sich auf sein Gesicht, als er daran dachte, wie sie ihn hatte ohrfeigen wollen. Damals hatte er darauf verzichtet sie unter Arrest zu stellen. Was Pasqualina nicht wusste: Er hätte sie auch dann nicht arrestieren lassen, wenn es ihr gelungen wäre ihn zu ohrfeigen. Wer austeilt, der muss auch einstecken können. Das war seine Devise. Und er hatte ausgeteilt, sowohl verbal als auch während der damaligen Übung.

Counselor Imania Maray hatte ihn seinerzeit davor gewarnt, zu viel zu verlangen, doch die Entwicklung der Spanierin, in den letzten Monaten, hatte ihm Recht gegeben. Und sie hatte seine anfänglichen Erwartungen noch übertroffen.

Am Anfang gab es immer böse Blicke, wenn Sternenflottenoffiziere auf einen harten Hund trafen und richtig gefordert wurden, doch am Ende wuchsen dadurch überdurchschnittlich befähigte Offiziere heran. Und das war die Hauptsache.

Dherans Gedanken beschäftigten sich mit den Ereignissen der letzten Monate. Pasqualina war so schnell ein Teil seines Lebens geworden, dass er sich kaum noch vorstellen konnte, sie nicht um sich zu haben. Diese Erkenntnis verwunderte ihn – jetzt wo er in Ruhe darüber nachdachte. Erneut drängte sich ihm die Erkenntnis auf, dass sie eine Menge Eigenschaften besaß, die einer Andorianerin sehr gut zu Gesicht gestanden hätten. Wenn er Christina deswegen liebte, weil sie so anders war, als er, so liebte er Pasqualina deswegen, weil sie ihm so ähnlich war. Er war ein Gefangener zwischen Feuer und Eis, und irgendwann würde er sich für ein Extrem entscheiden müssen.

Wie um ihn zu ermahnen begannen seine Gedanken nun um Christina Carey zu kreisen. So viele Jahre war es nun her, seit sie sich kennen – und lieben - gelernt hatten, doch noch immer nahm sie einen besonderen Platz in seinem Herzen ein, und Dheran war sich ziemlich sicher, dass sich dies niemals ändern würde, solange er lebte. Selbst wenn er sich irgendwann doch endgültig für Pasqualina entscheiden sollte.

Vielleicht komme ich während dieses Krieges ja um, dann hätte sich das Problem von selbst erledigt, dachte er in einem kurzen Anfall morbiden Humors. So in seinen Gedanken gefangen bemerkte er nicht, dass Pasqualina erwachte, die Decke um ihren Körper schlang und zu ihm kam. Erst als er ihr Spiegelbild in der Scheibe entdeckte, und sie ihre Arme um ihn schlang, wurde er aufmerksam und legte seine Hände auf ihre.

„Konntest du nicht schlafen?“, erkundigte sich die Spanierin nach dem Offensichtlichen. „Du machst einen so nachdenklichen Eindruck – hast du Sorgen?“

Der Andorianer war versucht, Pasqualina eine ausweichende Antwort zu geben, doch das würde letztlich alles nur noch schlimmer machen. Er musste über sein Dilemma reden, und zwar mit den Frauen, die es betraf, das wurde ihm in diesem Moment klar. Er wandte sich zu ihr um, legte seine Arme um sie und blickte ihr entschlossen in die Augen.

Die Spanierin bemerkte seinen Gemütszustand und sie ahnte den Grund dafür. Mit einem schmerzhaften Gefühl in der Magengrube fragte sie leise: „Ist es wegen Christina?“

„Ja. Es wäre zwecklos es leugnen zu wollen, Pasqualina.“

Die Spanierin schluckte. „Du liebst sie immer noch?“

„Ich fürchte so einfach ist es nicht.“ Dheran blickte sie immer noch offen an. „Wenn es nur das wäre, dann würde ich nicht hier stehen. Seit unserer Trennung ist Christina die Liebe meines Lebens geblieben. Aber seit dem Morgen, in Cadiz, vor einigen Wochen, spüre ich ganz tief in mir, dass sich eine Veränderung vollzieht, die ich nie für möglich gehalten habe. Du bist die erste Frau, für die mein Herz genauso stark schlägt, Pasqualina. Und ich komme mir beinahe wie ein Verräter vor deswegen – und zwar an euch beiden. Das Letzte, was ich möchte ist, mit deinen Gefühlen zu spielen, oder dir weh zu tun. Ich habe dir versprochen, dass ich Dich nicht betrügen würde, aber ich habe den Eindruck genau das zu tun. Mein Dilemma besteht darin, dass ich dieses Gefühl auch hätte, wenn ich jetzt bei Christina wäre.“

Tränen rannen über Pasqualinas Wangen, bei seinen Worten. Doch sie blickte ihn fest entschlossen an, als sie erwiderte: „Du hast mich in Cadiz darauf aufmerksam gemacht, dass es so kommen könnte, und ich habe entschieden, damit zu leben, Tar´Kyren. Ich hoffe nur, dass ich das auch kann, denn ich habe mich rettungslos in Dich verliebt.“

Sie legte ihren Kopf an seine Schulter und begann leise zu schluchzen, wobei sie sich fest an ihn klammerte.

Dheran spürte ihren Schmerz beinahe körperlich durch seinen Geist peitschen. Dennoch hielt er sie fest in seinen Armen und streichelte sanft über ihr Haar. Zusätzlich zu seinen eigenen chaotischen Gefühlen, gleichzeitig auch die Liebe und den Schmerz der Frau in seinen Armen zu spüren brachte ihn fast an den Rand des Erträglichen, und er war froh darüber, dass in ihr schließlich das Gefühl der Liebe wieder die Oberhand gewann.

„Ich werde um Dich kämpfen, Tar´Kyren“, sagte Pasqualina schließlich leise. „Noch gebe ich Dich nicht auf, hast du verstanden?“

Der Andorianer zog sie etwas enger an sich. „Aye, das habe ich. Doch jetzt sollten wir versuchen, noch etwas Schlaf zu finden – zumindest du, damit du nicht übermüdet das Finale bestreitest. Aber egal, ob du nun Erste oder Zweite wirst, ich werde stolz auf Dich sein.“

Das Finale und eine neue Herausforderung

An diesem Morgen war Torias Tarun in bester Laune erwacht. Kein Wunder, lag doch die, zumindest in seinen Augen, hübscheste Frau in seinen Armen und kuschelte sich im Schlaf eng an ihn. Tarun blickte zärtlich in das energische, und doch so frauliche Gesicht der Andorianerin und beobachtete das kaum merkliche Bewegen ihrer Antennen.

Ich bin ein glücklicher Mann, dachte der Admiral und ein warmes Gefühl breitete sich in ihm aus. Ich hoffe, du weißt, wie sehr ich dich liebe...

Das Zirpen des Computers und die folgende Meldung: „Admiral Tarun – bitte sofort auf die OPS kommen!“, riss ihn unangenehm aus seinen Gedanken. Widerstrebend löste er sich von Tia´Vareni und schritt schnell, so wie er war, hinüber in den Wohnraum. Er nahm seine Uniform, tippte auf den Kommunikator und sagte: „Tarun an OPS. Was ist geschehen, dass es nicht ohne mich geht?“

„No´Leen Ra Taragenar hier“, tönte die sonore Stimme des efrosianischen Ersten Offiziers der Station aus dem Kommunikator. „Wir haben eine eingehende, persönliche Subraumnachricht. Der Absender hat uns ein Codewort übermittelt, und wartet nun auf eine Verbindung mit Ihnen, Admiral.“

„Wie lautet das Codewort?“, erkundigte sich Tarun, während er langsam zum Bad hinüber schlenderte.

„Es handelte sich um das Wort: NORDWIND.“

Ein Ruck schien durch den Körper des Trill zu gehen. „Danke, Commander. Ich bin sofort auf der OPS. Tarun, Ende!“ Er beeilte sich, ins Bad zu kommen, machte gerade die nötigste Morgentoilette und zog sich keine fünf Minuten später mit geradezu protokollwidriger Eile an. Mit einem letzten sehnsüchtigen Blick auf seine Verlobte eilte Tarun zum Schott seiner Kabine.

Nur wenige Leute hielten sich in den Gängen zur OPS auf, und kaum dass der Admiral ihre Grüße erwidert hatte war er auch schon an ihnen vorbei gestürmt.

Als Tarun endlich die OPS betrat, rief er Commander No´Leen Ra Taragenar zu: „Legen Sie das Gespräch, auf einem abhörsicheren Kanal, und mit höchster Verschlüsselung, in mein Büro.“

Noch während der Efrosianer die Anweisung ausführte, eilte Tarun die Treppen zu seinem Büro hinauf. No´Leen Ra Taragenar wechselte einen bedeutungsvollen Blick mit Sub-Commander Tolaron und meinte mit grimmiger Vorfreude: „Wenn ein Admiral eine solche Eile an den Tag legt, dann gibt es sicher bald wieder heftige Kämpfe zu bestreiten.“

Währenddessen hatte der Admiral bereits hinter seinem Schreibtisch Platz genommen, die Beine unter der gläsernen Tischplatte ausgestreckt und seinen Deskviewer aktiviert. Auf dem Bildschirm war für einen Augenblick das Logo des Sternenflotten-Geheimdienstes zu sehen, bevor es verschwand und dem Portrait eines dunkelhaarigen Menschen wich. Der Mann mit den fast schwarzen Augen trug die Uniform eines Konteradmirals. Tarun sagte dieses Gesicht nichts, doch die Tatsache, dass er das Codewort NORDWIND kannte bedeutete, dass seine Meldung direkt vom amtierenden Chiefadmiral, Steven Sinclair, kam.

Der Fremde nickte Tarun auf dem Bildschirm zu und sagte dann ohne Umschweife: „Ich grüße Sie, Admiral Tarun. Ich bin Konteradmiral Al-Bayram. Der Grund meines Anrufs ist, dass ich eine Antwort des Chiefadmirals auf ihre Anfrage, bezüglich der vermuteten Flottenwerften des Dominions im Bereich der Allianz habe. SFI hat kürzlich die Informationen ausgewertet, die Commander No´Leen Ra Taragenar und Sub-Commander Tolaron mitbrachten und einen weiteren, gewaltigen Werftkomplex im Einflussbereich der Talarianer lokalisiert. Die Vermutung, dass es sich auch hier um ehemalige Anlagen des Dominion handeln könnte haben sich bestätigt. Auch wenn unser talarianischer Gefangener beharrlich schwieg, als wir ihn mit dem Wissen um diese Tatsache konfrontierten, konnten wir an seinen unbewussten Reaktionen feststellen, dass etwas dran sein muss.“

„Ich wusste es!“, platzte der Admiral heraus. Im nächsten Moment hatte er sich wieder in der Gewalt. „Wissen wir auch, wo genau sich dieser Werftkomplex befindet?“

„Bestätigt“, antwortete der Konteradmiral. „Die Daten werden im Anschluss an dieses Gespräch überspielt. Der Chiefadmiral gibt seine Freigabe für Operation Eiszapfen. Der Gefangene wird bereits morgen bei Ihnen eintreffen. Er glaubt, wir würden ihn der Cardassianischen Regierung ausliefern.“

Admiral Tarun nickte grimmig. „Danke, Konteradmiral. Überspielen Sie nun die Daten. Tarun, Ende.“

Eine Weile studierte der Trill die angefügten Daten, bevor er das Gerät abschaltete, sich abrupt erhob und zum Fenster schritt. Ironisch fragte er sich, wie viele Männer und Frauen schon Weisheit vom Anblick der Sterne erhofft hatten. Er hatte nun endlich ein strategisches Ziel, aber nicht die Mittel um es in kürzester Frist anzugreifen. Die meisten Kampfverbände der Taktischen Flotten und der Sternenflotte standen mit dem Rücken zur Wand und konnten ihre jeweilige Position nur mit Mühe halten. Momentan war es undenkbar, einen schlagkräftigen Flottenverband von den Fronten abzuziehen und mit ihm tief in Feindgebiet einzudringen, um dieses lohnende Ziel zu bekämpfen. Darum musste der von ihm, schon vor längerer Zeit ausgearbeitete Ausweichplan herhalten – ein Plan der ihm nicht gefiel.

Der Admiral wandte sich schließlich vom Fenster ab und tippte auf seinen Kommunikator: „Tarun an No´Leen Ra Taragenar: Beordern Sie umgehend Konteradmiral Valand Kuehn und Commodore Carey in mein Büro.“

Nachdem der Efrosianer bestätigt hatte, begann der Admiral unruhig in seinem Büro auf und ab zu laufen. Er hasste es Offiziere auf Himmelfahrtkommandos zu schicken, und dennoch würde er nicht zögern es zu tun. Weil er nicht zögern durfte es zu tun. Er wusste bereits, wen er gedachte, in den Einsatz zu schicken.

Der Türmelder riss ihn aus seinen Gedanken. „Herein!“

Christina Carey war es, die in sein Büro trat. Kuehn erschien zwei Minuten später. Tarun bot beiden Platz an, deutete auf die Sitzecke und wartete, bis beide Platz genommen hatten, bevor er sich ebenfalls setzte. Er machte beide, ohne um den heißen Brei herum zu reden, mit den neuen Fakten vertraut. Als er zu dem Punkt kam, was er nun zu tun gedachte, reagierten Kuehn und Christina verschieden – im Prinzip jedoch gleich. Sowohl Carey als auch Kuehn blickten ihn ungläubig an. Schließlich war es der Konteradmiral, der zuerst die Sprache wiederfand und erklärte: „Ich bin der Ansicht, Sie sollten wenigstens seinen Ersten Offizier einweihen. Ansonsten ist nicht sichergestellt, ob der Plan auch, wie gewünscht funktioniert.“

Christina Carey fügte schnell hinzu: „Ich bezweifele, ob er der mutwilligen Zerstörung seines Schiffes zustimmen wird.“

Taruns Gesicht wurde ernst. „Er hat keine Wahl.“ Zu Kuehn gewandt meinte er dann: „Wir müssen mit einem strengen Verhör durch die Talarianer rechnen. Deswegen können wir nur den Captain einweihen, denn nur er ist in der Lage, auch telepathischen Verhören stand zu halten. Alle anderen dürfen nichts erfahren. Ich weiß, dass das nicht fair ist, aber wir dürfen in dieser Hinsicht nichts riskieren. Wir werden nur diesen einen Versuch bekommen, und wir müssen ihn unbedingt nutzen.“

Kuehn fand sich damit ab, dass der Admiral Recht hatte und stellte deswegen die nächstliegendste Frage: „Welche Schiffe der 5.Taktischen Flotte nehmen die Verfolgung des Schiffes auf? Ich würde mich gerne beteiligen“

Tarun überlegte kurz, bevor er meinte: „Es muss nicht nur echt wirken, es muss echt sein, Konteradmiral. Von daher wäre es mir lieb, wenn weder Sie, noch Ihre Schiffe diese Aufgabe übernehmen würden, Mister Kuehn.“

Kuehn nickte mit undurchdringlicher Miene. „Aye, Sir.“

Tarun atmete erkennbar auf. Er schien mit Schwierigkeiten von Kuehns Seite gerechnet zu haben, doch der Konteradmiral erwies sich als Profi, der nicht zuließ, dass persönliche Gefühle seine dienstliche Objektivität beeinträchtigte. „Sie können wegtreten, Konteradmiral.“

„Danke, dass Sie mich eingeweiht haben, Sir.“ Kuehn erhob sich, nickte der Irin und Tarun zu, und verließ das Büro.

Tarun blickte ihm sinnend hinterher und meinte dann zu Carey, als sie allein waren: „Er hat das Ganze ziemlich beherrscht aufgenommen. Ich frage mich, ob er schon immer so war, oder ob er erst nach der Havarie der ALAMO so geworden ist.“

Die Irin ging nicht auf diese rhetorische Frage ein sondern fragte: „Möchten Sie nun mit Captain Dheran sprechen?“

Tarun grinste schief. „Nein, aber es wird sich leider nicht vermeiden lassen, fürchte ich. Also werde ich es besser sofort hinter mich bringen.“

„Dann werde ich Sie nun besser allein lassen, Admiral.“

Tarun nickte knapp. Dabei dachte er sarkastisch: Ja, flüchte ruhig. Es reicht ja schließlich wenn er nur mir den Kopf abreißt.

 
 

* * *

 

Pasqualina hatte es tatsächlich geschafft, noch einige Stunden Schlaf zu finden. Später am Morgen verabschiedeten sie und Dheran sich, nach einem ausgiebigen Frühstück.

Der Andorianer blieb nachdenklich in seiner Kabine zurück, bevor er sich entschloss, den Tag zu nutzen. Mit Pasqualina hatte er gesprochen, blieb noch Christina. Und wenn er schon nicht darum herum kam, sich in die Höhle des Löwen zu begeben, warum nicht jetzt gleich? Schlimmer konnte es ohnehin nicht werden, eher besser.

Obwohl der Andorianer letzte Nacht nur wenig Schlaf gefunden hatte, fühlte er sich voller Tatendrang, als er seine Kabine verließ und sich auf den Weg zu Christina Careys Büro machte. Er hoffte, sie dort anzutreffen. Aber falls nicht, dann würde er sie schon finden.

Es dauerte keine zehn Minuten, bis er vor der Tür des Büros stand. Ungeduldig legte er seine Hand auf den Kontaktgeber, doch nichts geschah. Grimmig sagte er: „Computer: Aufenthaltsort von Commodore Christina Carey nennen.“

„Commodore Carey befindet sich im Büro von Admiral Tarun“, kam die prompte, wohl modulierte Antwort des Computers.

Typisch, dachte Dheran wütend und machte sich auf den Weg zur OPS. Unterwegs zirpte sein Kommunikator und ihn erreichte die Meldung, dass er sich umgehend bei Tarun im Büro melden sollte. Er tippte den Sensorkontakt seines Kommunikators an und antwortete: „Hier Dheran. Ich bin unterwegs, Ende.“

Während der Andorianer seine Schritte beschleunigte, fragte er sich, was der Admiral nun wieder von ihm wollte. Wenn ich in der nächsten Zeit noch öfter dort ein und aus gehe, wird er mir das Du anbieten. Dieser Gedanke ließ ihn schmunzeln. Als er den Turbolift fast erreicht hatte, sah er, dass sich dessen Schott öffnete und Christina die Liftkabine verließ. Schnell kam er zu ihr und hielt das Liftschott auf, während er sie fragend ansah und sagte: „Christina, hast du nachher Zeit für mich? Wir müssen mit einander reden.“

Die Irin wollte zuerst schroff ablehnen, doch dann dachte sie daran, dass dies möglicherweise die letzte Gelegenheit sein würde und sie nickte. „Na schön, Tar. Ich bin in meinem Büro. Melde Dich bei mir, wenn du beim Admiral fertig bist.“

„Aye!“ Der Andorianer stieg in den Turbolift. Unterwegs überlegte er, dass Christina noch beim Admiral gewesen sein musste, als er ihn gerufen hatte, sonst hätte sie ja nichts davon wissen können. Er fragte sich warum sie bei ihm gewesen sein mochte und er spürte so etwas wie Eifersucht in sich aufsteigen. Schnell verdrängte er dieses Gefühl.

Als Dheran den Lift auf der OPS verließ nahm Sub-Commander Tolaron gerade eine Überprüfung der Sicherheitslogbücher vor und blickte angespannt auf das Display seiner Konsole. No´Leen Ra Taragenar, der beobachtete, wie der Andorianer zielstrebig in Richtung von Taruns Büro marschierte, gab ein Grunzen von sich und meinte in Richtung des Romulaners: „Wollen Sie wissen, warum ich viel lieber mit diesem Andorianer zusammen arbeiten würde, als mit Ihnen, Tolaron?“

Sub-Commander Tolaron blickte kurz auf und meinte schlicht: „Nein!“ Dann wandte er sich wieder seiner Aufgabe zu und achtete nicht weiter auf die, halb fassungslose, halb wütende, Miene des Efrosianers.

Unterdessen betrat der Andorianer das Büro des Admirals und meldete sich, wie befohlen. Nachdem der Admiral ihn dazu aufgefordert hatte, nahm er Platz.

Tarun wirkte etwas nervös. Doch dann beugte er sich in seinem Sessel vor und meinte entschlossen: „Ich brauche Sie für eine heikle Mission, Captain Dheran.“

„Klingt nach einer netten Abwechslung, im Vergleich zum letzten Mal“, versetzte der Andorianer trocken doch seine Antennen signalisierten Aufmerksamkeit.

Tarun ahnte, dass dem Andorianer seine Ironie bald vergehen würde. Dennoch fuhr er ungerührt fort: „Der Geheimdienst der Sternenflotte, und auch ich selbst und mein Freund Carzon Seregan, vermuteten seit einer Weile, dass die schier unerschöpflichen Raumschiffskontingente der Allianz ihren Grund darin haben könnten, das die Allianz-Völker aufgegebene Werften des Dominion gefunden, und für ihre Zwecke eingesetzt haben könnten. Commander No´Leen Ra Taragenar und Sub-Commander Tolaron konnten dies vor kurzem bestätigen. Außerdem brachten sie verschlüsselte Daten mit, die der Sternenflotten-Geheimdienst ausgewertet hat. Heute habe ich eine Nachricht von SFI erhalten, die meine und Admiral Seregans Vermutung bestätigt hat, dass es mehrere solcher Komplexe in den Reihen der Allianz gibt. SFI konnte anhand der entschlüsselten Daten, den Standort eines gewaltigen Werftkomplexes ermitteln, der tief im Raum der Talarianer liegt. Wir haben damit ein lohnendes, strategisches Ziel. Wir können jedoch nicht genügend Schiffe von den Fronten abziehen, um einen aussichtsreichen Schlag gegen diesen Werftkomplex zu führen.“

Dheran, der im Verlauf von Taruns Ausführungen, immer aufmerksamer zugehört hatte, ahnte worauf der Trill hinaus wollte. „Also ein Kommandounternehmen. Wie viele Schiffe sollen daran teilnehmen?“

„Nur eins, Captain.“

Dheran wirkte für einen Moment verblüfft. „Nur die ICICLE – gegen ein strategisches Hauptziel, dessen Bedeutung auch dem Feind bewusst sein dürfte? Bei allem Respekt, Sir: Das klingt nicht nach einem Plan – das klingt nach Wahnsinn.“

Tarun blieb vollkommen ernst: „Ich fürchte, dass was ich Ihnen noch zu sagen habe wird Ihnen noch weniger gefallen, Captain Dheran. Mir ist bewusst, dass es selbst eine ICICLE unter ihrem Kommando nicht schaffen kann, tief in den talarianischen Raum einzudringen, die Werften im Alleingang zu vernichten und heil wieder zu entkommen. Wenn die ICICLE zu dieser Mission aufbricht, dann wird sie nicht zurück kehren.“

Der Andorianer blieb wie vom Donner gerührt sitzen. Er konnte nicht fassen, was er eben gehört hatte, deshalb fragte er ungläubig: „Sir, Sie wollen mein Schiff vernichten? Und Sie erwarten, dass meine Mannschaft auf ein Himmelfahrtkommando geht?“

„Nein, Captain. Zumindest nicht die gesamte Crew. Ich benötige Sie und einige ihrer Offiziere, um die ICICLE zu dem besagten talarianischen System zu fliegen. Sie werden vorgeben, überlaufen zu wollen. Dass ich die ICICLE für diese Mission gewählt habe hat folgenden Grund: Wenn wir ein Schiff zu einer Bombe umbauen würden, dann kämen die Talarianer, sobald sie das Schiff scannen würden, dahinter und würden es vernichten, bevor es eine Chance hätte nahe genug an den Werftkomplex heran zu kommen. Deshalb hat nur ein Schiff welches keine Anomalien aufweist eine reelle Aussicht auf Erfolg. Ihre ICICLE ist, was Torpedos und somit Sprengköpfe betrifft, am stärksten bestückt. Dazu kommen die Torpedos der Jagdmaschinen. Mein Plan sieht vor, das die ICICLE, sobald sie ihre Endposition eingenommen hat, die Hangartore öffnet, und das Geschwader des Schiffes, per Fernsteuerung, weitere Ziele innerhalb des Systems attackiert. Danach wird die ICICLE, auf ihren Befehl hin, die Selbstzerstörung einleiten. Zusammen mit der Überlastung der beiden Warpkerne, werden sämtliche Torpedos gezündet. Sie und die Leute, die mit Ihnen fliegen müssen versuchen, sich vorher mit einem Shuttle in Sicherheit zu bringen – obwohl die Aussicht, dass dies glückt, eher gering ist. Ihnen muss klar sein, dass bei dieser Aktion kurzzeitig eine zweite Sonne in dem System entstehen wird.“

Der Blick mit dem Dheran den Admiral musterte, war bei Andorianern des Öfteren zu beobachten und drückte eine Mischung aus Wahnsinn und Neugier aus. Ihm war endgültig klar geworden, dass der Trill keinesfalls scherzte. „Wie kommen Sie auf die Idee, dass man die ICICLE nicht bereits lange vorher in tausend Stücke schießt?“

Tarun wand sich in seinem Sessel, bevor er die Katze aus dem Sack ließ: „Unsere Schiffe werden die ICICLE in den Raum der Talarianer verfolgen, und ihr Schiff vorher ziemlich zusammenschießen, Captain. Unsere Leute werden dabei wirklich annehmen, dass Sie desertieren, und sich der Allianz anschließen wollen. Deswegen werden wir beide – zusammen mit einigen MACO´s – morgen Früh ein ziemliches Spektakel in meinem Büro veranstalten. Im Zuge dieses kleinen Manövers werden Sie verhaftet werden und eingesperrt. Um ihr Desertieren für die Talarianer noch glaubhafter zu machen, werden Sie einen hochrangigen Gefangenen, der vermutlich Admiral Endars direkter Stellvertreter ist, befreien und mitnehmen. Da Ihr Counselor nichts von unserem Manöver wissen darf, bleibt uns nur, dass Sie ihm entlocken, auf welcher Fluchtroute Sie und die Crew anschließend die besten Aussichten haben, mit einem Fluchtshuttle zu entkommen. Zum Glück ahnen die Talarianer nichts von Ihren empathischen Fähigkeiten. Dieser Mann namens Torenan Cidar wird morgen auf STRATEGICAL STARBASE 71 eintreffen.“

Der Admiral machte eine kleine Kunstpause und gab dem Andorianer die Gelegenheit, das, was er ihm bisher eröffnet hatte zu verarbeiten. Dann fuhr er fort:

„Sie werden, einen Tag nachdem man Sie arrestiert hat, einige Offiziere ihres Vertrauens bitten, Sie zu besuchen, und sie dazu auffordern, Sie zu befreien, falls nicht vorher einer Ihrer Offiziere Sie kontaktieren sollte. Da meine Anklage gegen Sie auf Meuterei und versuchten Mord lauten wird – die Strafe, die im Krieg dafür droht, kennen Sie – hege ich die berechtigte Hoffnung, dass man Sie tatsächlich befreien wird. Diese Aktion darf aber erst in drei Tagen stattfinden, eher haben wir die ICICLE nicht präpariert. Kunanga, McMahan und Farok sind, außer Ihnen selbst, als Einzige eingeweiht – deshalb werden sie nicht mitfliegen können. Falls man Sie verhören würde, bevor die ICICLE das Ziel erreicht, dann wäre alles umsonst gewesen. Die Gefahr bei Ihrer Flucht ist außerdem, dass wir unsere Leute, auf den verfolgenden Schiffen, nicht in meinen Plan einweihen können. Das Ganze läuft also unter kriegsmäßigen Bedingungen ab, damit Sie im Bilde sind.“

Als Tarun endete, fixierte Dheran ihn einen Moment lang mit seinen blau-violetten Augen, und erkundigte sich heiser: „Sind Sie ganz allein auf diesen Wahnsinns-Plan gekommen, Sir?“

„Nein, Lieutenant-Commander Sheralan hat mir dabei geholfen.“

Dheran lächelte dünn. „Das beruhigt mich, Sir. Ich hatte schon befürchtet, Sie wären, auf Ihre alten Tage, radikal geworden.“

Der Blick des Trill wurde stechend. „Auf meine alten Tage? Sie üben schon für morgen Früh, wie mir scheint.“ Dann wurde der Admiral wieder ernst. „Sie müssen es morgen so einrichten, dass Sie sich meinen Revolver vom Schreibtisch schnappen und mir ins Bein schießen, damit das Ganze auch echt wirkt. Bekommen Sie das hin, Captain?“

Dass der Admiral sich selbst bei dieser Aktion nicht schonte, imponierte Dheran. Andererseits war es das Geringste, was er tun konnte, für einen Captain, von dem er verlangte, sein Schiff zu ermorden. Seine Antennen spreizten sich etwas, als er antwortete: „Ja, Admiral. Ich hoffe sie werden es nicht persönlich nehmen.“

Tarun lachte freudlos auf. „Sie schießen mir ein Blei-Projektil in mein Bein, was sicherlich höllisch weh tun wird. Was sollte ich daran persönlich nehmen?“

Dheran nickte mit düsterer Miene.

Tarun suchte den Blick des Andorianers und senkte seine Stimme etwas ab. „Eins noch, Captain: Ich wünschte, ich müsste nicht zu diesem verzweifelten Plan greifen, aber ich habe keine Wahl, und keinen Kommandooffizier der ihn besser ausführen könnte.“

„Kein Problem, Sir“, entgegnete der Andorianer bestimmt. „Was soll ich meinen Leuten sagen, wenn sie nach dem Grund für meine Wahnsinnstat fragen?“

Tarun, der mit dieser Frage gerechnet hatte antwortete prompt: „Ködern Sie Ihre Offiziere damit, dass Endar möglicherweise dazu bereit wäre, die Allianz zu verlassen, wenn wir seinen Stellvertreter frei lassen. Sie wollten verhindern, dass ich ihn den Cardassianern ausliefere, die ihn hinrichten würden, und damit diese Gelegenheit verstreichen lasse.“

Dheran entgegnete skeptisch: „Da werde ich ziemlich gut schauspielen müssen, Sir.“

Der Admiral musterte den Andorianer als erwarte er noch etwas von ihm. Dann sagte er: „Ich bin, gelinde gesagt, etwas verwundert, Captain Dheran. Von einem Mann ihres Charakters hätte ich erwartet, dass er versucht sein Schiff um jeden Preis zu retten.“

„Sir, die ICICLE ist ein fabelhaftes Schiff, und ich kommandiere es sehr gerne – aber es ist und bleibt nur ein Schiff. Und Schiffe kann man ersetzen.“ Er lächelte offen als Tarun ihn ungläubig ansah. „Wissen Sie, Admiral: Die meisten Männer und Frauen an Bord meines Schiffes denken, die ICICLE wäre ein Teil von mir, ohne den ich nicht leben könnte. Und ich lasse sie in diesem Glauben, denn ich habe festgestellt, dass dieser Gedanke die Crew beruhigt. Komischerweise glauben Viele, wer notfalls bereit ist sein Schiff zu opfern, der ist auch bereit bedenkenlos seine Crew zu opfern, obwohl das zwei verschiedene Dinge sind.“

Der Trill nickte in Gedanken und meinte nachdenklich: „Von dieser Seite habe ich es noch nicht betrachtet. Ich selbst gehöre zu den Leuten, die eine gefühlsmäßige Bindung mit einem Schiff eingehen, Captain.“

Dherans Antennen bogen sich leicht nach Innen, bevor er entgegnete: „Bei allem gebotenen Respekt, Sir: Das halte ich für eine Schwäche.“

„Christina Carey scheint, in dieser Hinsicht, mit Ihnen konform zu gehen“, entfuhr es dem Admiral. „Und den Umstand, dass ich noch lebe, habe ich wohl dieser Denkweise zu verdanken, schätze ich.“

Dherans Gesicht drückte Zustimmung aus.

Tarun und der Andorianer verabschiedeten sich von einander, und während Dheran sein Büro verließ, fragte der Admiral der 5.Taktischen Flotte sich, ob er im umgekehrten Fall diesen Auftrag übernommen hätte. Ja, dachte er bestimmt, denn sonst dürfte ich so etwas nicht von Anderen verlangen.

 
 

* * *

 

Christina Carey stand gedankenverloren am Fenster ihres Büros und starrte hinaus auf die Umgebung des Forlan-Systems, ohne sie wirklich zu sehen. Unablässig kreisten ihre Gedanken um Tar´Kyren Dheran, und darum, dass er vielleicht niemals von seinem nächsten Einsatz zurück kehren würde. Bei diesem Gedanken spürte sie einen Stich in ihrem Herzen.

Verdammt, genau deswegen habe ich mich damals von ihm getrennt, überlegte sie aufgebracht. Und was hat es letztlich gebracht? Nichts. Tar´Kyren ist in meiner Nähe, und sobald er zu einem Risikounternehmen aufbricht, habe ich Angst, dass ihm etwas zustoßen könnte. Ich war eine Närrin, zu glauben, es wäre irgendwann vorbei, nur weil ich ihn nicht mehr sehe. Es war nie vorbei gewesen...

Diese Erkenntnis traf sie mit einer solchen Klarheit, dass sie für eine Weile keinen vernünftigen Gedanken fassen konnte. Die Einsicht, sich vor dieser Tatsache all die Jahre versteckt zu haben, verursachte ihr spürbare Magenschmerzen. Sie schluckte, biss die Zähne zusammen und rang das wehe Gefühl, dass in ihrem Innern aufstieg, gewaltsam nieder.

Die Irin wusste nicht, wie lange sie so da gestanden hatte, als der Türmelder aktiviert wurde, und sie aus ihren trüben Gedanken riss.

„Herein!“

Es war Tar´Kyren, der eintrat. Forschend sah er sie an – beinahe genauso, wie an jenem Abend auf dem Schiff nach Andoria, vor mehr als zwanzig Jahren – und ein merkwürdiges Gefühl der Verbundenheit drohte sie zu überwältigen.

Gerade so, als habe Dheran tief in ihre Seele geblickt kam er langsam näher und sagte: „Ich möchte nicht mit dir streiten, Christina. Ich möchte, dass wir uns ganz in Ruhe unterhalten, ohne dass wir uns gleich wieder an die Kehle springen.“

Christina Carey schritt langsam auf ihn zu und blieb dicht vor ihm stehen. Für einen Moment war sie versucht, ihn in die Arme zu nehmen, doch sie unterließ es und erwiderte lediglich: „Das freut mich.“ Mit der linken Hand griff sie sich an die Schulter und verzog ihr Gesicht. „Ich fürchte, ich habe mir eine Zerrung zugezogen.“

„Vielleicht hilft eine Massage“, meinte Dheran leichthin. „Sicher arbeitest du zu viel.“

Christina drehte sich um und deutete auf die Stelle. „Genau da“, erklärte sie und versuchte sich zu entspannen, während der Andorianer sanft seine Hände auf ihre Schultern legte und vorsichtig mit der Massage begann.

„Oh ja, ich spüre da deutlich eine Verhärtung an der Stelle, die du mir gezeigt hast“, raunte er ihr ablenkend zu. Dann erkundigte er sich vorsichtig: „Ich nehme an, der Admiral hat dich darüber informiert, was er mit mir und meinem Schiff vorhat?“

Christina gab ein wohliges Gurren von sich, bevor sie leise sagte: „Ja, und ich hoffe, du hast dankend abgelehnt.“

„Und auf den ganzen Spaß verzichten? Du solltest mich besser kennen, Christina.“

„Leider.“

Dheran lachte leise, bevor er langsam zum eigentlichen Thema kam. „Der Grund warum ich hier bin ist: Ich habe vor einiger Zeit eine Frau kennen gelernt, die mir sehr viel bedeutet, aber jedes mal, wenn ich mit ihr zusammen bin, dann denke ich dabei an Dich. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich an sie denken würde, wenn du mit mir zusammen wärst. Darum brauche ich Klarheit, Christina. Hier und jetzt.“

Die Irin blickte ihn über die Schulter hinweg an und der Andorianer hoffte, sie wurde noch eine Weile vergessen, wo seine Hände sich befanden. „Sagst du mir, wer sie ist?“, fragte sie neugierig und ein Schatten überflog ihr Gesicht.

Dheran spürte Eifersucht, aber auch Enttäuschung in der Irin toben. „Ihr Name tut nichts zur Sache – wichtig ist nur deine Antwort.“ Sein Griff verstärkte sich unbewusst.

Christina versuchte seinem Blick auszuweichen, doch seine Augen hielten ihn fest, ohne die Möglichkeit, ihm zu entrinnen. Für einen Moment schienen sich ihre Seelen zu berühren und eine Welle inniger Zuneigung durchflutete die schwarzhaarige Frau. „Tar, ich...“

In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass seine Hände noch immer auf ihren Schultern lagen, und sie ahnte auch dass sie sich nicht ohne Berechnung dort befanden. Im nächsten Moment riss sie sich von ihm los, wirbelte herum und funkelte ihn zornig an. „Du verdammter Lumpenhund!“, fuhr sie den Andorianer aufgebracht an. „Du bist der hinterhältigste, gerissenste, berechnendste...“ Sie suchte nach einem passenden Wort für den Andorianer, doch ihr wollte nichts einfallen, was sie noch wütender machte. „Mistkerl!“, fauchte sie schließlich. „Du hast dich um keinen Deut verändert – du hast nur die Taktik gewechselt. Mit einem Frontalangriff hattest du keinen Erfolg, und nun versuchst du es mit einem Flankenangriff!“ Sie versetzte ihm einen wütenden Stoß vor die Brust. „Schaff deinen blauen Hintern aus meinem Büro, bevor ich dich mit einem Kinnhaken hinaus befördere!“

Tar´Kyren Dheran hob beschwichtigend seine Hände und ging rückwärts zum Schott. Als er auf dem Gang stand rief er ihr, durch das sich schließende Schott zu: „In der Liebe und im Krieg sind alle Mittel erlaubt!“

Damit wandte er sich ab und strebte, mit raubtierhaften Bewegungen, dem nächsten Turbolift zu, wobei ein dünnes Lächeln seinen Mund umspielte. Nun wusste er, was er wissen wollte.

Im Büro stand Christina Carey mit geballten Fäusten, noch immer fassungslos, wie raffiniert der Andorianer sie überrumpelt hatte. Seine letzten Worte kamen ihr wieder in den Sinn und langsam entspannten sich ihre Hände. Es sprach für seine Verschlagenheit, dass er dieses irdische, und kein andorianisches Sprichwort zitiert hatte.

„Na warte, du Verbrecher“, sagte sie in Richtung des geschlossenen Schotts. „Wenn du von deiner Selbstmordmission zurück bist, dann werden wir mal ein ernstes Wörtchen mit einander reden.“ An die Möglichkeit, dass er nicht mehr zurück kehren könnte, wollte sie dabei gar nicht denken.

 
 

* * *

 

Als am Nachmittag der Finalkampf stattfand, war die Arena voll, und das obwohl die holografischen Tribünen ausgeweitet worden waren.

Für den Endkampf wurden Pasqualina Mancharella und Christian Sinemus auf eine freischwebende Lounge, von 25 Metern Länge und 5 Metern Breite abgesetzt. Dieser Kampf würde weniger durch holografische Finessen, als wirklich durch Fechtkunst entschieden werden – soviel stand fest.

Um Punkt 15:00 Uhr Stationszeit standen die beiden Finalisten einander gegenüber und entboten den obligatorischen Gruß. Dann begann der Kampf.

Beide Kontrahenten erwiesen sich als annähernd gleichwertig und in den ersten Minuten gelang es keinem, sich einen Vorteil zu verschaffen.

Pasqualina Mancharella kämpfte mit der Disziplin einer Vulkanierin, doch auch ihr Gegner gab sich keine Blöße und hielt sie zunächst mit der weiten Mensur auf Distanz. Dann griff sie an und ließ, nach einem Kopfhieb links, einige schnelle Bein- und Fußhiebe folgen, von denen einer das Ziel erreichte. Doch noch bevor sie wieder Distanz schaffen konnte, traf er sie aus einer Kontraparade heraus an der Schulter.

Die Spanierin legte nun noch mehr Schwung in ihre Attacken und trieb den Lieutenant-Commander von der NOTRE DAME vor sich her, in gefährliche Nähe des Endes der Kampfbahn.

Sinemus erkannte, dass er Gefahr lief, über den Rand der Bahn gedrängt zu werden. Seine Degenspitze beschrieb aus einer Parade heraus eine spiralförmige Bewegung, die Pasqualinas Degen so weit zur Seite drängte, dass er einen zweiten Treffer landen konnte. Für einen Moment lächelte er die Spanierin an und brachte sie damit fast aus dem Konzept, bei seiner überraschenden Attacke.

Im letzten Moment gelang es ihr seinen Kopfhieb mit einer schnellen Quintparade abzuwehren. Aus der Parade heraus stieß sie nach seinem Unterarm und setzte einen Treffer. Bevor Sinemus sich von seiner Überraschung erholen konnte, wollte sie nachsetzen, doch genau das gehörte zu seiner Taktik. Er traf ihre Wade, und ein Gongzeichen verkündete das Ende des Kampfes.

Noch außer Atem ließen Beide ihre Degen sinken und Christian Sinemus wechselte die Waffe in die Linke, um Pasqualina seine Rechte zu reichen. „Sie haben gut gekämpft, Commander. Meine Hochachtung, Sie waren einer der härtesten Gegner, die ich je hatte.“

„Danke. Heute waren sie das entscheidende Quäntchen besser, als ich. Ich hoffe, Sie gewähren mir bei der nächsten Meisterschaft eine Revanche.“

Sinemus nickte lächelnd. „Bestimmt, Commander.“

In der Arena war mittlerweile ein Siegespodest entstanden und Admiral Tarun nahm die Siegerehrung und die Überreichung des Wanderpokals, im Beisein des Vorjahresgewinners vor.

Auf der Tribüne wandte sich Kuehn an seinen andorianischen Freund: „Ich hätte es deinem XO wirklich gegönnt. Aber auch auf diesen zweiten Platz kann sie stolz sein, wenn man bedenkt, wer teilgenommen hat.“

„Zumindest ich bin stolz auf sie“, stimmte Dheran zu. Und in Gedanken fügte er hinzu: Und ich hoffe, dass ich es auch nach dem bevorstehenden Einsatz sein kann.

Gemeinsam machten sie sich, zusammen mit Sylvie LeClerc, auf den Weg zu einem der Ausgänge. Im Anschluss an die Siegerehrung sollte im großen Festsaal eine Feier für die Teilnehmer des Turniers, mit einer Reihe geladener Gäste stattfinden.

Als sie den Saal erreicht hatten, sah sich der Andorianer aufmerksam nach Christina um, aber er fand sie nicht. Er hoffte, sie würde später noch kommen, obwohl sie vermutlich nicht gerade in bester Laune sein würde.

Kuehn entschuldigte sich bei Sylvie und zog Dheran mit sich, in einen ruhigeren Bereich des Saales. Außer Hörweite anderer Anwesender fragte Kuehn mit gedämpfter Stimme: „Hat Tarun mit dir über den Einsatz gesprochen, den du übernehmen sollst?“

Der Andorianer bestätigte und meinte dann: „Warum so verwundert?“

„Ich staune, weil der Admiral noch lebt.“

Dherans Antennen bogen sich nach Innen. „Glaubst du etwa, ich würde zu jenen Captains gehören, die mit ihren Raumschiffen sprechen?“

Valand Kuehn lachte amüsiert. „Nein, und es freut mich zu hören, dass du nicht von dieser Krankheit mancher Captains befallen wurdest. Dann wurde er wieder ernst und fragte leise: „Kannst du das Ding heil über die Runden bringen, Tar? Dir muss klar sein, dass du es, selbst wenn du es schaffst mit deinem Schiff die Station zu verlassen, mit den besten Captains der 5.Taktischen Flotte zu tun bekommst.“

„Du meinst, dass es die besten Captains der 5.Taktischen Flotte mit mir zu tun bekommen. Ich möchte nicht in deren Haut stecken.“

„Mach nur deine Späße“, knurrte Kuehn. „Ich meine es ernst. Gib gut auf Dich acht, mein Freund – und auf jene, die Dich begleiten werden.“

Dheran blickte ernst und erwiderte: „Das werde ich, Valand.“ Dann blickte er hinüber zu den anderen Anwesenden und meinte: „Komm, wir mischen uns wieder unter das Volk. Vielleicht haben wir sehr lange keine Gelegenheit mehr mit einander zu feiern.“

Dheran steuerte auf Pasqualina Mancharella zu, die bei dem Gewinner des Turniers stand und sich mit ihm unterhielt. Sebastian Frank hatte sich zu ihnen gesellt. Sie unterhielten sich über die Möglichkeiten, die beide Finalisten während des Kampfes vergeben hatten, als Kuehn und der Andorianer sich näherten.

Während die Spanierin Dheran ein Lächeln schenkte, wandte sich der Konteradmiral an den Lieutenant-Commander der NOTRE DAME. „Ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Sieg, Mister Sinemus. Sie haben heute der Sektorenflotte-Bajor Ehre erwiesen.“ Er schüttelte dem Taktischen Offizier die Hand.

„Danke, Sir“, erwiderte Sinemus. „Der Commander hat es mir nicht gerade leicht gemacht. Es hätte genauso gut anders kommen können.“

Kuehn wandte sich nun an Pasqualina Mancharella: „Sinemus hat Recht, Commander, Sie haben uns allen einen spannenden Kampf geboten. Auch Ihnen meinen Respekt für die hervorragende Leistung.“

„Danke, Konteradmiral. Ich werde mich bemühen es nächstes Jahr noch etwas besser zu machen.“

„Das werden wir alle, Commander“, schmunzelte der Konteradmiral und warf seinem Freund einen raschen Blick zu. „Nicht wahr, Tar?“

Der Andorianer verstand den Wink. Er beglückwünschte den Lieutenant-Commander und danach die Spanierin.

Kuehn entschuldigte sich und schritt zu Sylvie LeClerc, die am Buffet stand.

Sinemus, der nichts von der Freundschaft zwischen Dheran und dem Konteradmiral wusste, blickte den Andorianer verwundert an und erkundigte sich: „Sie duzen sich? Ich wusste gar nicht, dass Andorianer eine so lockere Art tolerieren.“ Er lächelte Dheran freundlich an und meinte dann: „Wenn das so ist: Mein Name ist Christian.“

Sowohl Pasqualina, als auch Frank hielten den Atem an und erwarteten das Donnerwetter des Captains.

Die Antennen des Andorianers zuckten nach Vorne, doch dann meinte er lediglich mit ironischem Tonfall: „Oh ja, an Bord der ICICLE sprechen wir uns alle mit dem Vornamen an. Mein Vorname ist Captain.“

Sinemus blickte ihn etwas verständnislos an, Pasqualina beherrschte sich eisern, und Sebastian Frank grinste offen. Nur langsam dämmerte dem Lieutenant-Commander, dass er sich einen Schnitzer geleistet hatte. Schließlich war es Frank, der ein Einsehen hatte, und Sinemus leise zu raunte, wie sich die Tatsachen verhielten.

Die Ohren des Taktischen Offiziers der NOTRE DAME nahmen eine sichtbare Rotfärbung an, als er zu Dheran gewandt erklärte: „Entschuldigen Sie, Captain. Ich wollte nicht unhöflich oder respektlos erscheinen.“

Dheran nickte. „Vergessen wir es, Mister Sinemus.“

Christian Sinemus lächelte erleichtert und wandte sich an die Spanierin. „Darf ich Sie zum Tanz auffordern, Commander?“ Er deutete zur Tanzfläche hinüber, auf der sich bereits zahlreiche Paare aufhielten.

„Gerne, Mister Sinemus.“ Sie hakte sich bei dem Lieutenant-Commander ein, als er ihr seinen Arm anbot und und schritt mit ihm auf die Tanzfläche.

Den beiden nachblickend trat Frank zu Dheran und fragte mit gedämpfter Stimme: „Warum haben Sie Ihren Commander nicht zum tanzen aufgefordert?“

Dheran erwiderte missbilligend den fragenden Blick des Mannes und meinte verächtlich: „Denken Sie etwa, ich wäre eine bajoranische Tanzmaus?“

„Ich glaube es muss bajoranische Wühlmaus heißen“, klang eine weibliche Stimme hinter den beiden Männern auf, die beiden Männern bekannt vor kam.

Hinter ihnen stand Commodore Christina Carey und lächelte amüsiert. Doch in ihren Augen lag ein seltsames Funkeln.

Sebastian Frank grüßte freundlich, warf einen schnellen Seitenblick zu Dheran, und meinte dann unbefangen: „Sie beide entschuldigen mich bitte, ich werde mal schauen, was das Buffet zu bieten hat.“

Dheran blickte dem davon eilenden Frank etwas erstaunt nach. Dann konzentrierte er sich ganz auf Christina und murmelte: „Dieser Frank scheint ein Talent dafür zu haben, zu wissen, wann man sich rechtzeitig aus dem Staub machen sollte, findest du nicht?“

Christina Careys Augen redeten eine deutliche Sprache, doch zu Dherans gelinder Verwunderung meinte sie ruhig: „Über dein hinterhältiges Manöver in meinem Büro reden wir, wenn du von deinem nächsten Einsatz zurück bist. Und wage es ja nicht, das Wiederkommen zu vergessen, sonst wirst du mich einmal richtig wütend erleben.“

Dheran schluckte. Insgeheim rechnete er damit, dass sie ihn doch noch anfahren würde, doch die Irin schien tatsächlich fest entschlossen zu sein, nicht heute auf diesen Vorfall einzugehen. Also beschloss er, sich seine Entschuldigung ebenfalls für später aufzuheben.

Carey folgte seinem Blick auf die Tanzfläche, wo sich Sinemus und Commander Mancharella anscheinend prächtig unterhielten. Mit leicht verändertem Tonfall fragte sie: „So, so, du tanzt also nicht? Es gibt also tatsächlich ein taktisches Manöver, welches du nicht beherrschst? Das finde ich interessant.“

Dheran reagierte heftiger, als erwartet, als er entgegnete: „Ich sagte, dass ich keine Tanzmaus bin – von nicht können war keine Rede.“

„Dann beweise es doch.“ Die Irin blickte ihn herausfordernd an, und mehr als je zuvor erinnerten Dheran ihre Augen an die eisigen Gletscher seiner Heimat.

Statt einer Antwort, reichte der Andorianer Carey seinen Arm.

Mit einem undeutbaren Seitenblick legte die schwarzhaarige Frau ihre linke Hand darauf und ließ sich von Dheran auf die Tanzfläche führen.

Der Anschlag

Mit einem leichten Brummschädel behaftet erwachte Tar´Kyren Dheran am nächsten Morgen in aller Frühe.

Nach dem Tanz mit Christina hatten sie sich ganz normal unterhalten, so als sein nie etwas zwischen Ihnen geschehen, doch der Andorianer wusste, dass sie ihre Drohung wahr machen würde, wenn er von seinem Einsatz zurück kam.

Pasqualina hatte es anscheinend nicht besonders gerne gesehen, dass er mit Christina getanzt hatte, denn sie war ihm den gesamten Abend über ausgewichen, wobei Sinemus sich beinahe ständig in ihrer Nähe aufgehalten hatte.

Später hatte er Christina, ganz Gentlemanlike, bis zu ihrer Kabine gebracht und sich dort von ihr verabschiedet. Danach war er zu der Feier zurück gekehrt und hatte sich, ohne eines weiteren Kommentars, einen gewaltigen Rausch angetrunken.

Und nun hatte er besagten Brummschädel.

Der letzte Brummschädel für längere Zeit, vermutete der Andorianer. Zumindest auf Brummschädel in Folge von Alkoholgenuss bezogen.

Er schüttelte die düsteren Gedanken ab und erhob sich entschlossen.

Nach fast einer halben Stunde im Bad, kleidete er sich an und begab sich in den Wohnraum, wo er sich ein opulentes Frühstück am Replikator zusammenstellte. Ein Blick auf die Uhr belehrte ihn, dass er noch eine gute Stunde Zeit hatte, bevor er beim Admiral erscheinen sollte. Kein Grund zur Hektik also.

Während er sein Frühstück verzehrte, ging ihm die Bilder von Pasqualina und Sinemus nicht aus dem Sinn. Er hatte den Eindruck gewonnen, dass sie sich blendend verstanden hatten, und dass dem Lieutenant-Commander sein XO keinesfalls gleichgültig war. Er spürte, wie sich die blau-grüne Kreatur der Eifersucht in seine Innereien fraß, auch wenn er diesen Umstand krampfhaft zu ignorieren versuchte. Die gesamte Situation war vollkommen verfahren, und er würde schnell einen Ausweg finden müssen, wollte er nicht wahnsinnig werden. Aber vielleicht würde sich dieses Problem in den nächsten Tagen von selbst erledigen.

Der Andorianer verwarf diese finsteren Gedanken und versuchte sich vorzustellen, wie der kommende Einsatz sich entwickeln würde. Als er an die Stelle kam, an der er den Befehl zur Zerstörung der ICICLE geben würde, spürte er, wie sich sein Magen zusammen zog. Er würde nicht zögern ihn zu geben, soviel stand für ihn fest, und dennoch war ihm bewusst, dass er dabei emotional längst nicht so unbeteiligt sein würde, wie er vorgab.

Es war sein Schiff. Er hatte es nicht, wie es zumeist üblich war, von irgendeinem Vorgänger übernommen. Es war sein Schiff, und er hatte ihm seinen Charakter aufgeprägt.

Dheran straffte sich. Ein Schiff war ein akzeptabler Verlust, für ein strategisches Ziel, wie diesen Werftkomplex. Und nichts war so konstant wie die Veränderung. Man würde ihm und seiner Crew schon ein neues Schiff zuteilen, falls er die Mission nicht völlig vermasselte. Aber in diesem Fall würde er wohl kaum noch in der Lage sein irgendetwas zu bedauern.

Nach dem Frühstück trank er in Ruhe einen zweiten Kaffee, bevor er sich schließlich auf den Weg zum Admiral machte. Unterwegs überlegte der Andorianer, welchen Eindruck er im Nachhinein auf die OPS-Besatzung machen würde, wenn er gleich, wieder einmal, bei Tarun randalieren würde. Frustriert kam er zu dem Schluss, dass sein Ruf nach dem kommenden Auftritt wohl endgültig ruiniert sein würde.

Die können mich alle mal, dachte der Andorianer dann trotzig. Schließlich handelte er diesmal auf höchsten Befehl, und nicht, weil er Spaß daran hatte. Na ja, zumindest nicht nur weil er Spaß daran hatte, fügte er einschränkend hinzu.

Als er den Turbolift auf der OPS verließ fühlte er sich beinahe beschwingt, und er spürte langsam jene leichte Spannung in sich, die sich immer einstellte, wenn er am Beginn einer besonders interessanten Mission stand. Bald ging es wieder los, und der Andorianer stellte verwundert fest, dass er sich fast darauf zu freuen schien.

Du kannst wider allem kämpfen – aber nicht wider deiner Natur. Diesen Satz hatte ihm einer seiner Ausbilder an der Sternenflotten-Akademie eingeschärft. Und er hatte Recht behalten. Der Kampf lag ihm im Blut und wenn er zu lange keiner Herausforderung nachgehen konnte wurde er unruhig, ob ihm dies gefiel oder nicht.

Freundlich grüßte er in Richtung von Commander No´Leen Ra Taragenar und Sub-Commander Tolaron, wobei er grimmig dachte, dass sich die Beiden schon bald ziemlich wundern würden. Er legte die Hand auf den Türmelder und trat ein, als sich die gläsernen Hälften des Schotts vor ihm öffneten.

Tarun stand hinter seinem Schreibtisch und blickte dem Andorianer mit gemischten Gefühlen entgegen. Immerhin wusste der Trill, dass man in absehbarer Zeit, mit einer ziemlich archaischen Waffe auf ihn schießen würde, und das gefiel dem Admiral gar nicht. Fast ohne Übergang schien sich eine Wandlung mit dem Trill zu vollziehen, als er sich mit den Händen auf die durchsichtige Schreibtischplatte stützte und Dheran anbrüllte: „Da sind Sie ja endlich, Captain! Pünktlichkeit scheint nicht gerade zu ihren Tugenden zu zählen! Ich dulde keine Schlampigkeiten bei meinen Offizieren, klar!“

Dheran blickte den Trill perplex an. Gleichzeitig spürte er eine leichte Wut in sich aufsteigen, so abgekanzelt zu werden, auch wenn das zum Plan gehörte. Dieser Mann wusste, wie man einen Andorianer schnell gegen sich aufbrachte.

„Ich bin pünktlich, Sir!“, brüllte Dheran nicht weniger heftig zurück. „In Ihrem Alter wird man aber anscheinend senil und vergisst, wann man seine Leute zu sich bestellt! Außerdem scheint ihr Urteilsvermögen getrübt zu sein. Wie ich hörte, wollen Sie den talarianischen Gefangenen den verdammten Cardassianern ausliefern, statt die Gelegenheit zu nutzen, den Talarianern Ihren guten Willen zu zeigen!“

„Mein guter Wille?! Sind Sie vollkommen von Sinnen?!“

„Nein, aber anscheinend Sie! Dies wäre die Gelegenheit, die Talarianer auf unsere Seite zu bringen und aus der Allianz heraus zu lösen, doch das verstehen Sie offensichtlich nicht! Ich bezweifele, dass Sie weiterhin in der Lage sind dieses Kommando zu führen! Möglicherweise leiden Sie an einem Burn-Out-Syndrom!“

Nun staunte Tarun mit offenem Mund, und er fragte sich, was an diesen Worten nur gespielt, und was möglicherweise ernst gemeint war. Echter Zorn loderte in Tarun auf.

„Captain Dheran, Sie stellen meine Kommandobefugnis in Frage?! Das ist offene Meuterei! Ich werde Sie unter Arrest stellen!“ Tarun tippte auf seinen Kommunikator und verlangte: „Commander Lo´Ruun Yr Torakan: Kommen Sie mit einem ihrer Leute in mein Büro und verhaften Sie Captain Dheran, wegen Meuterei!“

Während der MACO bestätigte, deutete der Andorianer mit dem Finger auf den Trill und brüllte ihn an: „Das können Sie nicht machen! Merken Sie nicht, wie krank dieser Befehl ist. Sie sind offensichtlich nicht mehr ganz bei Trost!“

Zwei Minuten lang brüllten sich beide gegenseitig an, dass die Wände wackelten, und sowohl Dheran, als auch der Admiral staunten dabei nicht schlecht, über welch farbenfrohen Sprachschatz der jeweils Andere verfügte.

Schließlich stellte Dheran, mit einem schnellen Seitenblick zum Schott, fest, dass Commander Yr Torakan, in Begleitung eines weiteren MACO, die OPS erreicht hatte und dabei war, die Treppen zu Taruns Büro zu erklimmen.

Damit, so durchzuckte es den Andorianer, kam nun der wirklich unangenehme und schwierige Teil des Unternehmens.

 
 

* * *

 

Auf der OPS wechselten No´Leen Ra Taragenar und Tolaron bedeutungsvolle Blicke.

Der Romulaner, der den gebrüllten Befehl Taruns, trotz der Schalldämpfung des Büros, gut verstanden hatte, zog seinen Disruptor, und wollte zur Tat schreiten, bevor die beiden MACO´s auf der OPS erschienen, doch No´Leen Ra Taragenar war schnell neben ihn getreten und hielt ihn zurück.

„Noch ist das eine föderationsinterne Angelegenheit, Sub-Commander. Wehe, wenn sie mir diese Vorstellung verderben, Tolaron. Sollte der Andorianer flüchten wollen, dann können Sie immer noch eingreifen.“

„Sie vergessen anscheinend, dass ich Chef der Stationssicherheit bin?“, entgegnete Tolaron halbherzig. Er blickte etwas bedauernd auf die beiden MACO´s, als sie kurze Zeit später den Turbolift verließen um zum Büro des Admirals zu eilen. „Andererseits hat der Admiral sich auch nicht explizit an mich gewandt.“

„Genau!“, grollte der Efrosianer und verbarg seine Überraschung darüber, dass der Romulaner ebenso gespannt darauf war, zu sehen, was nun passieren würde, wie er.

 
 

* * *

 

Als Dheran erkannte, dass Yr Torakans Begleiter eine Frau war, fluchte er innerlich. Es gehörte nicht zu seinen Angewohnheiten Frauen zu schlagen. Doch um seine Rolle aufrecht zu erhalten, blieb ihm diesmal keine Wahl.

Als sich die gläsernen Schotthälften vor den beiden Uniformierten teilte, stürmte der Andorianer bereits auf sie zu. Er schien zwischen ihnen hindurch fliehen zu wollen. Doch dann ballte er beide Hände zu Fäusten und rammte sie den beiden MACO´s mit Schwung in die Magengrube, als er sie erreichte. Krampfhaft seine gute Erziehung vergessend, versetzte er der sich krümmenden Frau zu seiner linken eine Ohrfeige, die sie zu Boden warf, während er Yr Torakan gleich darauf einen Nackenschlag versetzte, bei dem der Efrosianer ächzend zu Boden ging.

Dheran rannte zum Schreibtisch des Admirals, der die Szene mit echter Fassungslosigkeit verfolgt hatte. Mit dem Ellenbogen die Glasvitrine einschlagend, griff er nach dem Revolver mit Perlmuttgriff, und legte damit auf Admiral Torias Tarun an. „Sie führen die Föderation in den Untergang, und sind es nicht wert zu leben!“, brüllte er dabei den Admiral an.

Tarun wich vor ihm zurück, doch bevor er sich in Deckung warf, erstarrte er für eine halbe Sekunde zur Salzsäule, um dem Andorianer die Gelegenheit zu geben, genau Maß zu nehmen. Im nächsten Moment peitschte der Schuss durch das Büro, und getroffen ging der Admiral zu Boden.

 
 

* * *

 

Auf der OPS blickten sich No´Leen Ra Taragenar und Tolaron bestürzt an.

Der Romulaner zog seinen Disruptor, stellte ihn auf Betäuben und rannte los, dicht gefolgt vom Efrosianer. Mit zwei weiten Sätzen sprang er die Stufen zu Taruns Büro hinauf, überbrückte die Sicherheitssperre und stürmte zusammen mit No´Leen Ra Taragenar hinein.

Dheran, der sich wieder den beiden MACO´s zu gewandt hatte, die ihn am Verlassen des Büros hindern wollten, rammte der Frau gerade seine Handkante gegen die Schläfe, während er die neue Bedrohung in seinem Rücken erkannt hatte, und den Romulaner, mit dem linken Arm einfach zur Seite wischte, wie ein lästiges Insekt.

Doch gleich darauf war der Efrosianer, mit einem gebrüllten Kriegsschrei über Dheran und riss ihn mit sich zu Boden, wo der Andorianer ihm sein Knie in den Unterleib rammte.

Tolaron hatte sich inzwischen wieder gefangen und stürzte sich erneut in den Kampf. Seinen Disruptor konnte er nicht einsetzen, ohne bei dem Gerangel am Boden auch No´Leen Ra Taragenar zu treffen also versuchte er lieber, gemeinsam mit dem Efrosianer, den mittlerweile entwaffneten Andorianer am Boden festzuhalten. Doch das war bei einem kräftigen Andorianer, wie Dheran leichter gedacht als getan.

Inzwischen hatte sich Tarun mit verkniffenem Gesicht wieder erhoben und humpelte auf die drei zu. Er erkannte, dass Dheran weit davon entfernt war, sich zu ergeben und es sah ganz so aus, als könne er auch gegen No´Leen Ra Taragenar und Tolaron gleichzeitig bestehen. Mit dem gesunden Bein stieß er sich ab und warf sich auf das kämpfende Knäuel. Er hatte eine ähnliche Aktion einmal bei einer uralten irdischen Sportart gesehen.

Das zusätzliche Gewicht des Admirals war selbst für Dheran zu viel. Ächzend trieb es ihm die Luft aus den Lungen und Yr Torakan und der weibliche MACO-Petty-Officer nutzten die Gelegenheit, die Arme des Andorianers auf den Rücken zu zwingen und ihm Handschellen anzulegen.

Danach half Commander Yr Torakan dem Admiral auf und brachte ihn zur Sitzecke, während seine Begleiterin ein medizinisches Notfallteam anforderte.

Auch Tolaron und No´Leen Ra Taragenar erhoben sich ächzend, und rissen den Andorianer vom Boden hoch, der sich noch immer wie toll gebärdete und versuchte Tritte auszuteilen.

Halb ernsthaft erbost, griff Tarun nach Yr Torakans Phaser, stellte ihn auf Betäuben, und feuerte auf den Andorianer, der in den Armen seiner Führungsoffiziere zusammensackte. „Schaffen sie dieses Subjekt aus meinem Büro!“, herrschte Tarun den Efrosianer ungehalten an. „Er hat versucht mich zu töten!“

Die beiden MACO´s beeilten sich dem Befehl Folge zu leisten. Erst jetzt schienen sie, und auch No´Leen Ra Taragenar und Tolaron, zu realisieren, was hier soeben passiert war, und betroffen blickten sie sich an, während sie Platz für das Medizinische Team machten.

Nach einem ersten Scann und der Injektion eines schmerzstillenden Mittels nahmen die Ärztin und ihr Assistent einen Ort-zu-Ort Transport zur Krankenstation des Stützpunktes vor, wo die Wunde des Admirals versorgt wurde.

Während der Behandlung schloss Tarun die Augen und war tief in seinem Innern erleichtert, aber auch bekümmert, dass der erste Schritt dieses Unternehmens gemacht worden war. Nun hing alles davon ab, wie gewisse Offiziere der ICICLE reagieren würden. Hier lag der größte Unsicherheitsfaktor und Tarun hoffte, dass er die Veranlagungen der betreffenden Personen richtig eingeschätzt hatte. Es ging um einen hohen Einsatz.

Die Stunde der Patrioten

Bereits eine Stunde nach den bestürzenden Ereignissen in Taruns Büro, war der Anschlag des Andorianers auf das Leben des Admirals Stationsgespräch. Die Nachricht von dieser Wahnsinnstat verbreitete sich mit Transwarp-Geschwindigkeit auf STRATEGICAL STARBASE 71.

Pasqualina Mancharella erfuhr davon, als Valand Kuehn sie auf der ICICLE aufsuchte und, in ihrem Bereitschaftsraum davon, ganz nach Plan des Admirals, in Kenntnis setzte. Die Spanierin hatte zuerst an einen schlechten Scherz des Konteradmiral geglaubt, aber es wurde schnell klar, dass dem nicht so war. Betroffen und verwirrt setzte sie sich in einen der Sessel und blickte Kuehn fragend an. „Was kann passiert sein? Der Captain schnappt doch nicht einfach über und versucht, den Admiral umzubringen.“

Kuehn nickte düster: „Ich kann mir das Verhalten meines Freundes auch nicht erklären, Commander. Stand er in der letzten Zeit unter großer Spannung, oder Stress?

Die Spanierin schüttelte heftig den Kopf. „Nein, nicht dass ich wüsste. Zumindest war ihm nie etwas anzumerken, während unserer gemeinsamen Dienstzeit. Vielleicht hat ihn der Admiral zu dieser Tat provoziert?“

Valand Kuehn blickte Commander Mancharella eindringlich an. „Wir reden von einem Mordversuch, und nicht von einer verbalen Beleidigung. Dafür gibt es Zeugen.“

„Vielleicht wollte er den Admiral gar nicht treffen“, entgegnete die Spanierin und Kuehn spürte, dass sie verzweifelt nach einer Erklärung suchte, die seinen Freund entlastete. Ein gutes Zeichen.

Der Konteradmiral machte vorsichtig den nächsten Schritt. Düster sagte er: „Ich war beim Admiral, und habe genau dieses Argument vor gebracht. Er hat mich gar nicht richtig angehört, Commander. Halten Sie es für möglich, dass es vielleicht gar nicht Dheran ist, sondern Tarun, der sich irrational verhält. Vielleicht hat Tar´Kyren Dheran genau das herausgefunden, und den Admiral damit konfrontiert. Und nun versucht Tarun alles um Dheran mundtot zu machen.“

Pasqualina Mancharella nahm den Ball, den Kuehn ihr zu geworfen hatte, dankbar auf. „Halten Sie das für möglich?“

„Haben Sie sich einmal gefragt, warum der Admiral, gleich nach dem Anschlag, Order gab, die ICICLE auszurüsten und startklar zu machen?“, kam seine Gegenfrage. „Das mutet doch etwas seltsam an, wenn der Captain des Schiffes eingesperrt ist. Für mich riecht das fast so, als würde der Admiral die Crew des Captain ganz bewusst aus dem Weg räumen, damit er Dheran verurteilen kann, solange die ICICLE unterwegs ist. Und Sie kennen die Strafe für Meuterei und einen Mordversuch in Kriegszeiten, Commander.“

Pasqualina blickte den Freund Dherans verzweifelt an. „Was können wir tun?“

„Nicht viel, fürchte ich. Wenn ich Recht habe wird der Admiral mich schon sehr bald, unter irgendeinem Vorwand, von der Station komplimentieren. Und Sie wird er, zusammen mit Ihrer Crew, auf eine längere Mission schicken.“

Gerade so, als wären die Worte des Konteradmiral das Stichwort gewesen, zirpte der Kommunikator des Commanders, und sie wurde umgehend in das Büro des Admirals gebeten. Dieselbe Prozedur wiederholte sich, gleich darauf bei Valand Kuehn und er warf der Spanierin einen vielsagenden Blick zu.

Pasqualina biss an. Unnatürlich ruhig erklärte sie: „Nun, wir werden sehen, was der Admiral wirklich vorhat. Ich werde jedenfalls nicht tatenlos seiner Hinrichtung zusehen.“

„Egal was Sie tun – ich werde Ihnen dabei nicht helfen können, fürchte ich. Denn ich vermute, der Admiral wird meinen Abflug befehlen. Sie werden auf sich allein gestellt sein, Commander.“

Pasqualina Mancharella blickte für einen Moment durch Kuehn hindurch, bevor sie entschlossen entgegnete: „Das bleibt abzuwarten.“

Sie machten sich auf den Weg zum Büro des Admirals.

Als sie das Büro betraten bemerkte Commander Mancharella die abschätzenden Blicke, mit denen sich Tarun und Kuehn musterten. Die Spannung zwischen den beiden Männern schien förmlich greifbar zu sein. Erst nach einem Augenblick bemerkte sie Captain Carey, die ebenfalls anwesend war.

„Konteradmiral Kuehn, ich muss Sie davon in Kenntnis setzen, dass Admiral Ross mich kontaktiert hat. Er benötigt Sie und Captain LeClerc dringend auf STERNENBASIS-375. Bitte machen Sie sich so schnell wie möglich auf den Weg.“

„Aye, Sir“, bestätigte Kuehn kühl.

„Sie können wegtreten, Konteradmiral.“

Valand Kuehn wechselte einen letzten schnellen Blick mit der Spanierin, und die Frau glaubte zu wissen, was er ihr damit sagen wollte. Dann wandte er sich ab und verließ eilig das Büro des Admirals.

„Stehen Sie bequem, Commander“, sagte Tarun freundlich, als sich das Schott hinter dem Konteradmiral geschlossen hatte. „Ich habe sie herbestellt, weil ich die ICICLE für eine Tiefenaufklärungsmission benötige. Da Captain Dheran von mir vom Dienst suspendiert wurde, übernimmt Commodore Carey das Kommando über das Schiff. Ich erwarte, dass die ICICLE in vier Tagen startbereit ist. Der Urlaub der Crew endet am Vorabend um Mitternacht.“ Er erkannte den fragenden Blick der Spanierin und fragte: „Sie haben noch etwas auf dem Herzen, Commander?“

„Darf ich offen sprechen, Sir?“

Tarun musterte sie plötzlich finster. „Wenn es um Captain Dheran geht, dann will ich es nicht hören, Commander.“

„Aber, Sir, der Captain...“

„Wegtreten!“, donnerte Taruns Stimme ungehalten. „Oder Sie werden Ihrem Captain im Sicherheitstrakt Gesellschaft leisten! Sie kennen Ihre Befehle!“

Mit hochrotem Kopf straffte sich Commander Mancharellas Haltung. „Aye, Sir!“ Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und stürmte aus dem Büro.

Als Tarun allein mit Carey war, blickte er seine Stellvertreterin an und seufzte. „Commander Mancharella werde ich von der Liste meiner potentiellen Fans wohl streichen können.“ Er wurde schnell wieder ernst und fragte: „Glauben Sie, dass der Commander in unserem Sinne handeln wird?“

„Ihre Dienstakte besagt, dass sie ein sehr emotionales Wesen hat“, meinte die Irin nachdenklich. „Wussten Sie, dass sie sich vor einigen Jahren, während eines Landurlaubs auf Tellar, mit drei irdischen Händlern in eine Kneipenprügelei verwickelt wurde? Sie selbst kam mit einem geschwollenen Auge und aufgeplatzter Unterlippe davon – die drei Männer sollen wesentlich schlimmer ausgesehen haben.“

Tarun grinste offen und meinte nachdenklich: „Wissen Sie, Christina. Manchmal glaube ich, alles im Universum geschieht nach einem universellen Plan. Dass ausgerechnet Dheran einen solchen XO bekommen hat kann kein Zufall sein.“

Commodore Carey nickte zustimmend und meinte dann: „In drei Tagen werde ich mich bei ihr mindestens genauso unbeliebt gemacht haben, wie Sie, Sir. Ich hoffe nur, dass wir noch die Gelegenheit bekommen, das später aufklären zu können.“

Tarun machte eine zustimmende Geste. „Ich auch, Christina. Solche Offiziere möchte ich keinesfalls an den Feind verlieren. Wir brauchen Männer und Frauen von diesem Schlag, für das, was noch vor uns liegt.“

Christina Carey nickte betrübt. „Ob wir es noch erleben werden, dass es wieder eine längere Phase des Friedens und des ungestörten Aufbaus geben wird, Sir?“

Tarun nickte und ballte seine rechte Hand. „Ich hoffe, der Tag an dem wir den Glauben daran verlieren, wird nie kommen, Christina.“

 
 

* * *

 

Flammende Wut durchflutete Commander Mancharella, als sie im Turbolift, zum Liegeplatz der ICICLE hinunter fuhr. Der Admiral schien ihr seltsam verändert, und die Worte von Valand Kuehn drangen unaufhaltsam in ihre Überlegungen. Der Admiral hatte genauso reagiert wie Dherans Freund es ihr vorher gesagt hatte. Alles roch danach, als wenn der Oberkommandierende der 5.Taktischen Flotte tatsächlich irrational handelte. Oder geschah alles aus Berechnung? Hatte sein Handeln vielleicht etwas mit den bevorstehenden Wahlen zum Chiefadmiral zu tun?

Ein ungeheurer Verdacht kam Pasqualina Mancharella mit einem Mal und er raubte ihr für einen Moment fast den Atem.

Versucht Tarun möglicherweise die Wahlen zu beeinflussen, indem er einen denkbaren Friedensschluss mit den Talarianern hinauszögert? Um dann, rechtzeitig vor der Wahl, Verhandlungen in die Wege zu leiten um als strahlender Held da zu stehen? Möglicherweise konnte ein solches Ereignis, kurz vor der Wahl, entscheidenden Einfluss auf die Wahl nehmen. Hatte nicht seinerzeit Admiral Leyton eine ähnliche Taktik angewandt?

An diesem Punkt ihrer Überlegungen angekommen, änderte Commander Mancharella das Ziel des Lifts. Sie musste Dheran in seiner Zelle aufsuchen und seine Version der Geschehnisse hören. Und dann galt es möglicherweise schnell zu handeln.

Auf der Inhaftierungsebene verließ Pasqualina Mancharella den Turbolift und schritt eilig durch die Gänge, bis sie den Eingang zu Block AA-23 erreichte. Sie durchquerte den Empfangsbereich und blieb vor der Anmeldung für Besucher stehen.

Ein Lieutenant in der golden abgesetzten Uniform des Sicherheitsdienstes grüßte Sie freundlich und fragte: „Was kann ich für Sie tun, Commander?“

„Ich möchte zu Captain Dheran.“

Der Lieutenant blickte zum Wandchronometer und meinte bedauernd: „Tut mir leid, Commander, die Besuchszeit geht morgens nur bis 11:30 Uhr. Bitte kommen Sie um 15:00 Uhr wieder her.“

Pasqualina folgte dem Blick des Lieutenants und stellte fest, dass der Chronograph genau 11:32 Uhr anzeigte. Mit verärgerter Miene blickte sie den Offizier der Sicherheit an und erklärte gefährlich leise: „Also schön, Lieutenant Übergenau. Mein Besuch dauert nur ein paar Minuten, und ich habe eine Erlaubnis vom Admirals. Rufen Sie ihn an und fragen Sie zurück.“

„Bitte, Commander?“

„Fragen Sie den Admiral!“, schrie die Spanierin den überraschten Mann mit überschlagender Stimme an. „Der ist im Moment in einer Bombenstimmung, gegen die meine Laune gar nichts ist. Na los, Mister, worauf warten Sie noch!“

Der Sicherheitsoffizier wand sich, sichtlich unwohl in seiner Haut. Wenn dieser Commander Recht hatte und er den Admiral wegen einer Nichtigkeit von einigen Minuten belästigte, dann konnte sich das sehr zu seinem Nachteil entwickeln. Er seufzte schließlich und öffnete das Schott zu ihrer Rechten: „Na, schön aber nur fünf Minuten.“

Pasqualina Mancharella rauschte bereits davon als sie kalt erwiderte: „Zehn!“

Ein heller, etwa 50 Meter langer Gang, der zur rechten und zur linken Seite, durch Schildemitter gesicherte Zellen besaß, nahm sie auf. Sie erkannte am Ende des Ganges zwei aktivierte Zellenemitter und hielt zielstrebig darauf zu. Während sie den Gang hinunter schritt registrierte sie, aus den Augenwinkeln, die versteckt angebrachten Überwachung-Sensoren.

Als sie das Ende des Ganges erreichte, stellte sie fest, dass außer Dheran ein Talarianer, in der Zelle gegenüber inhaftiert war. Sie achtete nicht auf den untersetzten Fremden, sondern wandte sich in Richtung des Andorianers.

Tar´Kyren Dheran, der unruhig in seiner Zelle auf und ab marschiert war, kam rasch zu der Spanierin, nachdem er sie erkannt hatte.

„Ich hatte gehofft, dass du kommen würdest“, empfing der Andorianer sie erfreut und wurde dann übergangslos ernst. „Pasqualina, ich kann mir vorstellen, dass du nicht viel Zeit hast, darum hör zu: Tarun will den Talarianer, der in der Zelle gegenüber inhaftiert wurde, an die Cardassianer ausliefern. Er vergibt damit die Möglichkeit, auf Frieden mit diesem Volk. Zumindest zögert er ihn hinaus – warum, das kann ich nur vermuten. Aber die Tatsache, dass die Wahlen zum Chiefadmiral anstehen, scheint mir dabei mehr, als reiner Zufall zu sein.“

Die Spanierin nickte zustimmend. „Daran hatte ich ebenfalls gedacht. Der Admiral übergibt Christina das Kommando über die ICICLE. Bereits in vier Tagen sollen wir auf eine Tiefenaufklärungsmission gehen.“

„Damit habe ich gerechnet – er will euch aus dem Schussfeld haben. Nar y´ner mai Kumari, er will die Wahlen manipulieren, ist dir das klar?“

Dherans Worte verfehlten ihre Wirkung nicht.

„Wir haben genau drei Tage Zeit, Tar´Kyren. Was schlägst du vor?“

Der Andorianer musste sich bemühen, nicht triumphierend drein zu schauen, als er verschwörerisch antwortete: „Sprich mit Tal´Inuray Filiz. Sie kann dir dabei helfen, einen Schlachtplan zu entwickeln, mich und den Talarianer zu befreien. Wir werden ihn mitnehmen, und auf eigene Faust die Voraussetzungen schaffen, die Talarianer auf unsere Seite zu bringen. Dann brauchen wir Tearash Corin, Doktor Leandros, Mister Ivarsson, und Ensign Charall. Wir schnappen uns die ICICLE, sobald sie voll ausgerüstet ist.“

„Was ist mit Farok?“

Die Antennen des Andorianers bogen sich nach Innen. „Der wird sich an keiner Verschwörung beteiligen. Und die Taktik kannst ebenso gut du übernehmen. Kunanga und McMahan werden wir hier auf der Station brauchen. Sie müssen die Hangar-Crew ausschalten und uns die Hangarpforten der Scheibensektion öffnen.“

Pasqualina Mancharella blickte ihn zweifelnd an. „Glaubst du wirklich die machen alle mit?“

„Du bist erst seit einem halben Jahr in meiner Crew und machst mit. Die Anderen kenne ich schon wesentlich länger. Es liegt an dir, sie mit Argumenten zu überzeugen.“

Die Spanierin blickte den Andorianer entschlossen an. „Du kannst dich auf mich verlassen, Tar´Kyren. Wann schlagen wir los?“

„In drei Tagen – morgens um genau 2:37 Uhr.“

Dherans XO blickte verwundert drein. „Wie kommst du auf eine so krumme Zeit?“

Der Andorianer lachte spöttisch. „Ihr Menschen habt die unsinnige Angewohnheit, jede Aktion zu glatten Viertelstunden zu starten. Wir werden von diesem vorhersehbaren Schema abweichen, das macht uns unberechenbarer.“

Pasqualina hörte, wie sich das Schott zum Empfangsbereich öffnete und der Lieutenant der Sicherheit, mit ungeduldiger Miene dort auftauchte. „Das waren nun bereits elf Minuten!“, rief er ihr gereizt blickend zu.

„Ich werde mich, während Ihrer Abwesenheit um alles kümmern, Captain“, sagte sie unverfänglich und zwinkerte ihm schnell zu, bevor sie sich abwandte und zurück zum Empfangsbereich schritt.

 
 

* * *

 

In den nächsten Tagen entwickelte Commander Pasqualina Mancharella eine enorme Betriebsamkeit, während ihr gleichzeitig Christina Carey über die Schulter sah.

Überall, und zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten, tauchte der Commodore auf, erkundigte sich nach dem Fortgang der Startvorbereitungen und sorgte ganz allgemein dafür, dass Commander Mancharella sie noch weniger leiden konnte, als bisher.

Dazwischen traf sie sich mit Tal´Inuray Filiz, die sofort ihre Bereitschaft mitzumachen signalisierte, und arbeitete zusammen mit der Andorianerin einen Schlachtplan aus. Die Geburtstagsfeier von Lieutenant-Commander Jörn Harling hatten sie in ihre Planung mit eingebunden. Seiner Verlobten, einer Bajoranerin namens Neela Laren hatte man eingeredet, dass der 37. Geburtstag eines Mannes von der Erde etwas ganz besonderes sei, und von daher ganz groß gefeiert werden müsse, ihr Verlobter jedoch viel zu schüchtern und auch zu bescheiden sei, um die Besatzung der ICICLE zu einer Party einzuladen.

Die Bajoranerin war am Ende so gerührt gewesen, dass sie die Besatzung des Schiffes zu einer Mitternachts-Überraschungsparty, in eines der Stations-Lokale, eingeladen hatte – selbstverständlich ohne ihrem Verlobten, später auf der Party, zu verraten warum. Dass dies Unglück in der Liebe bedeutete – dieses Gerücht hatte man gleich mit gestreut.

Auf diese Art und Weise sollte der Leitende Wissenschaftsoffizier der ICICLE zu seiner tollsten Geburtstagsfete kommen, ohne jemals den wahren Grund dafür zu erfahren.

Auch Ivarsson, McMahan, Kunanga, Leandros und Corin hatte sie danach relativ leicht zum Mitmachen bewegen können. Lediglich Charall hatte anfänglich einige Bedenken geäußert, und nur durch Ivarssons Fürsprache hatte sie die Bolianerin schließlich endgültig auf ihre Seite bringen können.

Am Vorabend der geplanten Befreiungsaktion, um 22:30, waren alle Vorbereitungen abgeschlossen worden, und die ICICLE war bereit in 36 Stunden zu starten. Als Pasqualina in Christina Careys Büro stand, ihr darüber Meldung erstattete und die Irin sich erfreut darüber äußerte, dass die ICICLE startbereit sei, dachte die Spanierin ironisch: Du wirst dich noch wundern, WIE schnell das Schiff aus dem Hangar schießen wird. Leider OHNE dich!

Als sie schließlich zur ICICLE zurück kehrte, machten sich gerade die letzten Besatzungsmitglieder auf den Weg zur Party. Pasqualina erwiderte die Grüße der Besatzung, mit dem Versprechen später nachzukommen. Viel später.

Als sie die Kabine von Tal´Inuray Filiz betrat, waren alle anderen Eingeweihten bereits anwesend. Die MACO hatte für alle Beteiligten passende Einsatzanzüge mitgebracht und in Pasqualina wurden seltsame Erinnerungen wach. Auch Victoria Leandros, Namoro Kunanga und der Tellarit, Tearash Corin, tauschten bedeutungsvolle Blicke.

Commander Mancharella sah die Anwesenden nach einander an und sagte dann: „Ich danke Ihnen allen, dass sie dem Captain und auch mir wahrhaftige Treue erweisen. Ihnen allen muss klar sein, dass es nun kein Zurück mehr gibt, deshalb hoffe ich, dass Sie sich diesen Schritt gut überlegt haben, denn er wird höchstwahrscheinlich das Ende ihrer Sternenflottenkarrieren bedeuten.“

Ausgerechnet der so ruhige Namoro Kunanga war es, der für alle Anwesenden antwortete: „Bisher hat der Captain sehr gut für uns alle gesorgt, und ich habe ihn als aufrechten und ehrenhaften Offizier kennen gelernt. Nun werden wir etwas für den Captain tun, Commander.“

Pasqualina nickte dem, beinahe ebenholzschwarzen Mann zu. Sie spürte sein Vertrauen, und auch das Vertrauen der übrigen Anwesenden, und sie spürte, wie sehr sie bereits Teil dieser Mannschaft geworden war. Ihre Bedenken der letzten Tage schwanden in diesem Moment. „Danke, Mister Kunanga. Gehen wir den Plan noch einmal durch. Mister Corin?“

Der Tellarit spannte sich an. „Ich werde zuerst Mister Kunanga und den Chief, mit dem Transporter der ICICLE, auf Deck 5 der Station beamen. Danach warten wir auf ihr Codewort: Aufbrecher. Sobald es eintrifft werde ich das restliche Team drei Decks über der Inhaftierungsebene in einen Lagerraum beamen, damit sie von dort, über eine Jeffries-Röhre, ungesehen bis auf das Zieldeck gelangen können.“

Die Spanierin nickte wohlwollend.

„Perfekt, Mister Corin.“ Sie wandte sich an das restliche Team: „Filiz und Ivarsson, Sie sind sicher, das Sicherheitssystem der Inhaftierungsebene umgehen zu können?“

„Eine meiner leichtesten Übungen“, bestätigte der blonde Norweger und auch die Andorianerin nickte zuversichtlich. „Aber sobald wir die Schilde der Zellen deaktivieren, wird eine Meldung an die OPS erfolgen. Das können wir nicht verhindern. Und wenn wir keine korrekte Rückmeldung geben, dann wird Alarm gegeben.“

Pasqualina Mancharella erkundigte sich rasch: „Wie lange werden Sie die OPS hinhalten können?“

„Ich hoffe der Captain und der Talarianer sind sportlich auf der Höhe, sonst wird es knapp mit dem Verlassen der Inhaftierungsebene.“

„Wird schon werden.“ Sie wandte sich an Kunanga und McMahan: „Sie sind sich im Klaren darüber, dass Ihnen beiden eine Anklage wegen Verschwörung und Fluchthilfe droht, meine Herren? Wir werden Sie nicht mitnehmen können, da Sie beide unsere Flucht gewährleisten müssen. Sobald wir weg sind, sollten Sie beide sich stellen und keinen Widerstand leisten, dann haben sie eine Chance mit einem blauen Auge aus dieser Angelegenheit heraus zu kommen.“

Kunanga und McMahan, die mehr wussten, als sie sagen durften, nickten knapp.

In diesem Moment schlug auf einem Regal in Tal´Inuray´s Kabine eine altertümliche Uhr genau zwölf mal.

Mitternacht – die Geisterstunde.

Der Tag der Entscheidung brach an.

Epilog

In ihrem Quartier auf Deck-5 der U.S.S. ICICLE erwachte Lieutenant Rania Singh-Badt, gegen 01:47, auf dem Sofa. Sie hatte nur kurz die Augen schließen wollen und dann war sie doch fest eingeschlafen.

Mist, ich verpasse gerade die Geburtstagsfeier des Chefwissenschaftlers, dachte sie mürrisch, überlegte, ob sie noch hingehen sollte und entschied sich dann dafür. Nach einer schnellen Dusche, kleidete sie sich an.

Kaum, dass sie ihre Kabine verlassen hatte, klangen aus dem Nebengang Schritte auf. Sie kamen schnell näher.

Wer konnte das um diese Zeit sein? Die Besatzung sollte sich doch längst auf der Party des Wissenschaftsoffiziers befinden.

Neugierig geworden rannte sie zurück um die nächste Gangecke. Für einen Moment dachte sie, die Schritte würden sich weiter nähern, doch dann entfernten sie sich wieder. Die Neugier der Inderin war jedoch geweckt. Sie wollte wissen, wer um diese nächtliche Stunde durch das Schiff wanderte.

So leise sie konnte, rannte sie zurück zur Gangkreuzung und spähte um die Ecke. Sie sah gerade noch, wie Tearash Corin, Namoro Kunanga und Chief McMahan in den Gang zum Turbolift einbogen. Schnell folgte sie den Dreien. Noch bevor sie die Gangecke erreichte vernahm sie die Stimmen der drei Offiziere. Sie bekam nur einen Teil des Gesprächs mit, doch was sie hörte erfüllte sie mit Erschrecken. Diese drei Offiziere planten eine Verschwörung, gegen den Admiral. Sie musste etwas tun – aber was?

Würde man ihr wohl glauben, wenn sie mitten in der Nacht beim Admiral erschien und etwas von einer Verschwörung erzählte, für die sie nicht den geringsten Beweis hatte?

Wohl kaum.

Leise zog sich die junge Inderin zurück.

Möglicherweise würde sie diese Verräter nicht aufhalten können, aber sie würde zu verhindern wissen, dass dieses Schiff heute Nacht startete...

 

 

Fortsetzung folgt...


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ausnahmsweise gibt es am Ende dieser Episode einen kleinen Cliffhanger.
Die nächste Episode führt die Ereignisse dieser Episode unmittelbar fort und bildet mit dieser quasi eine Doppelepisode. Da sie fertig ist sollte das aber kein Problem sein... ;) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Sanguisdeci
2015-09-05T21:53:42+00:00 05.09.2015 23:53
Wow, welch spannende Wendung und welch fieser Cliffhanger. Da muss ich gleich weiter huschen und wissen, wie es ausgeht o.o"
Antwort von:  ulimann644
06.09.2015 01:26
Yo - bisher der einzige Doppelband. Sonst wäre (mir beim Schreiben) die Episode zu lang geworden.


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