Zum Inhalt der Seite

Und die Reise geht weiter

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Sooo, hier kommt Kap. 2!!
Viel Spaß!! :D Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, hier kommt auch schon Kapitel drei, das ist diesmal etwas kürzer geworden.
Viel Spaß!^^ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Tut mir Leid wegen der ewig langen Pause. Ich hatte wirklich einiges an Problemen und ans Schreiben war eigentlich gar nicht zu denken.
Aber es wäre doch zu schade, diese Geschichte abzubrechen, wo sie doch gerade erst richtig losgeht. Ich habe auch noch so viele Ideen und Szenen im Kopf, die geschrieben werden müssen (es werden wohl doch ein paar mehr Kapitel als ursprünglich geplant.) und gebe mein bestes, jetzt wieder schneller weiterzuschreiben.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch erstmal herzlich für die Favos bedanken. Und besonderer Dank geht natürlich an ryuuka für den Kommi! Ich hoffe, du bist trotz der langen Pause weiterhin mit dabei.
Und Lob, Kritik oder Anregungen sind natürlich weiterhin sehr gern gesehen.
Übgrigens hab ich die Charakterbeschreibung noch ein wenig überarbeitet. Die wirkte doch ein bisschen mau, haha. Jetzt ist es hoffentlich besser. Schaut mal rein.
Nun aber genug der Vorrede, weiter geht’s. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Bergidylle?!

 

 

Here we are to find something

Here we are to make a move

And I just need a little bit

I just need a little bit love

(Sunrise Avenue: Little Bit Love)

 

 

„Wo sind wir denn diesmal wieder gelandet? Tolles Wetter, so frische Luft, fast schon Urlaubsfeeling, würde ich mal sagen“, plapperte Fye in gewohnt fröhlichem Ton.

Die Reisenden Shaolan, Kurogane, Fye und Mokona hatten gerade eine neue Welt erreicht. Es war ein sonniger Tag. Berge, die in einen tiefblauen Himmel ragten, leuchteten in der Ferne durch das strahlend helle Sonnenlicht. Vögel sangen, Steinadler flogen durch die Lüfte und Gemsen kletterten auf der Suche nach schmackhaften Kräutern die steilen Hänge  leichtfüßig herauf. Es schien alles vorerst nach Friede, Freude, Eierkuchen.

„Ja, Urlaub, Urlaub!“, meldete sich Mokona, das kleine, weiße Tier mit den hasenartigen Ohren, zu Wort und hüpfte voller Übermut auf Fyes Schulter.

Shaolan blickte sich überlegend um. „Wir sind offensichtlich in einem Gebirge gelandet. Ich schätze, in dieser Welt waren wir noch nie zuvor. Kannst du irgendwas Verdächtiges feststellen, Mokona?“

Das Reisbällchen wurde still und konzentrierte sich. Dann änderte sich auf einmal sein Gesichtsausdruck und spiegelte Nachdenklichkeit und Betrübtheit wider.

„Was ist los mit dir, stimmt etwas nicht, Mokona?“, erkundigte sich Shaolan besorgt.

Die Angesprochene zögerte kurz und schüttelte dann den Kopf. „Es ist alles in Ordnung … Aber ich kann eine seltsame Energie spüren. Die Quelle scheint dort hinten zu sein, ziemlich weit weg“, Mokona deutete in eine Himmelsrichtung. Sie folgten dem mit den Augen, die sie wegen der blendenden, heiß vom Himmel brennenden Sonne mit der Hand abschirmen mussten, und sahen einen schlecht befestigten Weg, der auf einen Wald zuführte.

„Sieht so aus, als heißt es mal wieder durch die Wildnis trampen. Wann sind wir das letzte Mal gewandert?“, kommentierte Fye. So beschloss die Gruppe also loszuwandern.

Der Weg führte in einen dunklen Fichtenwald; selbst am helllichten Tag schien das Licht nur spärlich flimmernd durch die dicht aneinander stehenden Bäume. Das Laufen war hier wirklich nicht ganz einfach, da sie ständig über umgestürzte Baumstämme oder herumliegende Äste klettern und achtgeben mussten, nicht zu stolpern. Die Vier liefen einige Stunden ohne Unterbrechung. Nach einer gefühlten Ewigkeit beschlossen sie, eine Pause einzulegen und sich etwas zu stärken. Sie setzten sich auf einen Baumstamm und Mokona spuckte eine Picknickdecke und diverse Lunchboxen aus.

„Es war eine sehr kluge Idee von dir in der letzten Welt genügend Proviant einzupacken, Fye-san“, stellte der Brünette, an einem Onigiri kauend, fest. „Ja, wir landen ja schließlich nicht immer nur bei Bekannten oder alten Freunden“, entgegnete der Blonde.

„Mama Fye denkt immer an alles!!“, alberte Mokona und dann waren die beiden gleich wieder am schmusen. Darüber konnte Kurogane nur die Augen verdrehen, er hatte sich zwar im Laufe der Reise schon an einige Albernheiten gewöhnt - das Band zu der Gruppe und vor allem zu dem Blondschopf war äußerst stark geworden. Um genau zu sein, waren die beiden ein Paar, seit sie nach ihrem Aufenthalt in Ceres das erste mal gemeinsam in Kuroganes Heimatland Japan gelandet waren. Aber er fragte sich, ob man das unter diesen Umständen überhaupt Paar nennen konnte. In Japan hatten sie sich ihre Liebe zueinander gestanden, sich geküsst - und seitdem war nichts mehr Derartiges zwischen ihnen passiert. Wie lange war das mittlerweile her, in ihrer Zeit gemessen?, fragte sich Kurogane. Ein paar Monate? Ein halbes Jahr? Er konnte es nicht genau sagen, er führte nicht Buch über ihre Reise, wie der Magier es tat. Kurogane und Fye hatten wenig passende Gelegenheiten, mit dem jeweils anderen allein zu sein und außerdem war diese Beziehung für Kurogane noch etwas sonderbar, denn er hätte es, bevor er Fye getroffen hatte, nicht für möglich gehalten, dass er sich mal in einen Mann verlieben würde.

- Wie auch immer, sagte er zu sich, mit diesem Mama und Papa-Quatsch würde er sich wohl nie ganz anfreunden können.

 

Bevor die Vier in dieser Welt angekommen waren, waren sie mal wieder bei Watanukis Geschäft zwischengelandet. Kimihiro Watanuki hatte nach dem Tod der Ladenbesitzerin Yuko Ichihara deren Geschäft übernommen und sich dafür entschieden, es ganz allein weiterzuführen. Die ehemalige Aushilfe führte ihre Rolle als „Mädchen für alles“ also fort. Und das machte diese ‚Aushilfe‘ ziemlich gut. Das Geschäft schien immer aufgeräumt, sauber und gepflegt zu sein. Jedes mal wurden die Reisenden bei ihrer Ankunft ganz herzlich empfangen und es stand auch immer schon ein Bankett bereit, bei dem sich alle so richtig satt essen und Proviant einpacken konnten (Alkohol war natürlich auch immer reichlich vorhanden).

Watanuki liebte das Kochen, vor allem japanisch, was sehr zu Kuroganes Gefallen war, denn der stammte ja auch aus „Japan“, wenn auch aus einem anderen, wo es aber sehr ähnliches Essen gab. Mokona war hier ebenfalls immer sehr happy, denn sie konnte mit dem schwarzen Mokona zusammen sein. Shaolan freute sich besonders, Watanuki wieder zu begegnen, dem er sehr nahe stand, denn die beiden waren im Grunde die gleiche Person. Und Fye war sowieso immer bester Laune und vor allem, wenn sein Lieblingsninja glücklich war, wie in diesem Fall. Kurogane verzog während ihres Aufenthaltes zwar kaum eine Miene und sagte nur das Nötigste, aber der Magier bemerkte immer sofort jede Emotion des Schwarzhaarigen.

So saßen sie also im Vorgarten des kleinen Geschäftes an diesem Sommerabend und unterhielten sich über Verschiedenes. Shaolan fragte Watanuki: „Wie geht es dir hier jetzt so? Kommst du allein gut mit allem klar?“

Der Ladeninhaber redete zwar nur ungern darüber, berichtete aber dann doch von seinen anfänglichen Problemen, die er gehabt hatte, vor allem bei der Festlegung der Gegenwerte für die Wünsche. Während seiner Erzählung nahm Watanuki immer wieder tiefe Züge aus seiner Pfeife, die er seit Yukos Tod genauso rauchte, wie diese es einst getan hatte.

„Jetzt geht es mir sehr gut. Es ist fast so, als hätte ich nie ein anderes Leben geführt.“ Diesen Satz sprach Watanuki mit einem leicht ironischen Unterton aus.

 

Darauf sagte Mokona, die die Gefühle von Menschen um sie herum erspüren konnte, zu ihrem Gastgeber: „Du fühlst dich im Grunde sehr einsam, oder?“

Watanuki zeigte ein Lächeln, das etwas traurig war. „Unsinn. Ganz allein bin ich doch gar nicht. Das schwarze Mokona und Maru und Moro sind doch immer bei mir“, er warf den zwei kleinen Geistermädchen einen freundlichen Blick zu. „Außerdem habe ich doch oft Besuch. Heute zum Beispiel seid ihr doch da.“

Mokona schüttelte den Kopf. „Ich meine, du hast doch, außer wegen Shaolan und diesem Preis[1], noch einen weiteren Grund, warum du dich entschieden hast, das Geschäft weiterzuführen.“

Shaolan horchte auf.

Der junge Mann mit der Brille lachte in sich hinein. Für einen Moment konnte Shaolan seine Augen nicht mehr sehen, da das Licht des Vollmondes sich in seinen kreisrunden Brillengläsern spiegelte. „Ich wusste, dass du das fragen würdest. Ja, das stimmt, Mokona. Wisst ihr, es ist wegen Yuko. Mir ist sehr wohl bewusst, dass sie erloschen ist, aber mein Wunsch, sie wiederzusehen ist größer denn je und er bestärkt mich in dem Glauben, dass es  eine Zeit oder eine Welt gibt, in der dies möglich ist, ja, mir ist, als wäre es meine Aufgabe, hier auf sie zu warten.“

Shaolan hätte gerne etwas erwidert, wusste aber nicht, wie er sich hätte ausdrücken sollen. Er konnte den jungen Mann sehr gut verstehen, diese Hexe war mit Sicherheit für ihn eine sehr bedeutende Person geworden, und er hatte sie verloren. Auch Shaolan hatte sich ja etwas eigentlich Unmögliches und völlig der Vernunft Widersprechendes gewünscht, wofür ihm kein Preis zu hoch war. Für den Zweck, Sakura vor dem sicheren Tod zu bewahren, ließ er die Zeit anhalten und zurückdrehen. Der Brünette wusste nicht, welche Gefühle Watanuki für Yuko empfand, konnte aber nur hoffen, dass sein Seelenbruder nicht auch noch einen ähnlich leidvollen Weg vor sich hatte, wie er selbst ihn bereits gegangen war.

 „Nun aber genug der Trübseligkeit“, unterbrach Watanuki Shaolan in seinem Gedankengang, der stumm dasaß und in sein Glas starrte, das er in der Hand hielt. „Erzähl mir doch lieber noch ein wenig von euren Abenteuern, Moko-chan“, sagte er fröhlich. Das tat Mokona liebend gern. So plauderten sie noch ein wenig. Nach einer Weile sagte Watanuki, der mit geheimnisvollem Blick den Vollmond ansah, aus einer Eingebung heraus: „Ah, wir bekommen gleich Besuch, Domeki ist mit den Einkäufen auf dem Weg hierher. Wurde auch Zeit. Er war heute wohl wieder länger in der Uni.“ Das schwarze Mokona sah ihn erwartungsvoll an. „Ja,  und er bringt wieder neuen Sake mit.“

„Toll, wir bekommen Besuch, Besuch! … und dann machen wir wieder ein Gelage!“, der schwarze Kloß tanzte mit Maru und Moro und das weiße Mokona stimmte mit ein.

„Das tun wir doch schon die ganze Zeit! Haach, manchmal sind sie ein bisschen anstrengend“, meinte Watanuki. 

Mokonas Ohrring leuchtete auf, was bedeutete, dass es Zeit war, in eine neue Welt aufzubrechen. Sie erhoben sich und wurden von einem Strudel aus buntem Licht erfasst. Doch kurz bevor sie verschwanden, zuckte Watanuki plötzlich zusammen, als hätte er eine wichtige Eingebung. Schnell rief er ihnen noch zu: „Ich habe gerade etwas vorhergesehen! In der nächsten Welt werdet ihr einen Gegenstand finden. Ihr braucht ihn mir nicht zu zeigen[2], nehmt ihn mit.“

„Was meinst du dam -“ Shaolan setzte zu einer verwunderten Frage an, doch die Zeit reichte nicht mehr für eine Antwort. Das letzte was er sah, war der zuversichtliche Gesichtsausdruck seines Seelenbruders.

 

Nach der Pause marschierte die Gruppe weiter, bis es Nacht wurde. Es umgab sie eine fast undurchsichtige Finsternis, die auf ihre Art etwas Bedrohliches an sich hatte. Durch die dichten Baumkronen sah man nur selten den Himmel, aber auch da, wo man ihn sah, war es nicht heller, denn er war jetzt mit dichten Wolken verhangen, nicht einmal Mondlicht erhellte ihren Weg. Umso deutlicher waren die verschiedensten Geräusche zu hören, mit denen der Wald erfüllt war, Rascheln und Trampeln, das wahrscheinlich von Wildschweinen stammte, das Rufen von Eulen und das Rauschen des kühlen Windes in den Baumwipfeln. Fye setzte seine Zauberkräfte ein, um einen Lichtstrahl zu  erzeugen, der wenigstens verhinderte, dass sie die Hand vor Augen nicht mehr erkennen konnten. Manche Bäume sahen in diesem Licht fast aus wie Menschen, die die Reisenden mit verzerrten Gesichtern anstarrten.

„Sagt mal, wie ist diese Welt beschaffen, gibt es hier Zauberei oder sowas?“, fragte Kurogane, der als einziger der Freunde keine Magie beherrschte.

„Direkt Magie gibt es nicht. Ich schließe aber nicht aus, dass hier Geister oder andere nichtmenschliche Wesen existieren können“, gab Fye zur Antwort.

Shaolan fröstelte leicht, er glaubte fast, die Anwesenheit solcher Lebensformen spüren zu können, aber vielleicht war es auch nur eine Illusion, die durch seine Müdigkeit in Verbindung mit dieser Dunkelheit hervorgerufen wurde.

Mit der Zeit spürten alle allmählich, wie ihre Beine zunehmend schwerer und matter wurden.

 „Wie weit ist es denn noch, Kloß?“, erkundigte sich der Ninja, langsam etwas ungeduldig, bei Mokona, die auf Shaolans Handflächen saß.

     „Schon noch ein ganzes Stück, denke ich“, entgegnete diese.

     „Und es wäre auch schön zu wissen, wonach wir eigentlich-“

Plötzlich sahen sie, dass der Wald sich lichtete und die Sicht auf eine hügelige Ebene freigab. Auf dieser Stand ein Fachwerkhaus, dessen Fenster hell erleuchtet waren.  

     „Wenn wir schon mal hier sind, können wir vielleicht fragen, ob es möglich wäre, hier zu übernachten“, schlug der Magier vor.  Das kam allen das sehr entgegen.

 

Ein älterer Herr, mit sehr langem, grauem Bart und Augen, die durch seine buschigen Augenbrauen zugewachsen schienen, öffnete ihnen die Tür. Er bat sie hinein und sie kamen mit ihm ins Gespräch, in dem er einen sehr freundlichen Eindruck machte. Sie erfuhren, dass er Herr Peterson hieß und dass er hier mit seiner Frau und seiner Enkelin wohnte. Besagte Frau wirkte auf den ersten Eindruck ebenfalls sympathisch. Sie bot der erschöpften Gruppe gleich ein paar Erfrischungsgetränke an. Vom Aussehen her war sie rundlich, hatte zerzaustes, graues Haar, trug Arbeitskleidung und war etwa in den Siebzigern. Das hier sei ein kleiner Bauernhof, erzählte das Paar, sie lebten größtenteils von der Selbstversorgung und betrieben Viehzucht. Und um sich noch etwas dazu zu verdienen, vermieteten sie ein paar Zimmer als eine Art kleine Pension, aber viele Gäste hatten sie nicht.  

 „Würden Sie uns sagen, wie dieses Land heißt und was für eine Währung es hier gibt?“, fragte Shaolan in der vagen Hoffnung, dass sie das richtige Geld bei sich hatten. Als der Pensionsbetreiber ihnen zu verstehen gab, dass sie in „Deutschland“ waren und die Währung sich hier „Euro“ nannte, mussten sie leider passen. Doch die Leute blieben sehr freundlich und meinten, die Sache wäre getan, wenn sie morgen einfach ein bisschen bei der Arbeit helfen würden.

„Das Enkelkind schläft schon, nehme ich an?“, brachte der Blonde zur Sprache.

Frau Peterson bestätigte dies lächelnd und erzählte den Reisenden über ihren Schützling: „Wissen Sie, das Enkelkind ist noch ein Kleinkind. Ihre Eltern sind beide Studenten in der nächsten Großstadt. Da sie nur wenig Zeit haben, sich um ihre Tochter zu kümmern, haben wir als Großeltern uns bereiterklärt, das zu übernehmen. Es fällt uns beiden zwar nicht mehr ganz so leicht, aber es bleibt uns keine andere Wahl, denn wir wollen ja nur das Beste für die Kleine.“

Als ihre Begrüßung beendet war, wurde den Reisenden freundlicherweise ein Zimmer zugewiesen. Es war ein einfach eingerichtetes, aber sehr gemütliches Gästezimmer mit einem Doppelbett und einem Zustellbett. Mokona sprang aus Shaolans Händen auf eines der Betten und hüpfte auf und ab.

„Hui, hui!“ Dann blieb sie reglos liegen.

„Bin ich kaputt“, sagte sie matt.

Nachdem sich die Pensionsinhaber verabschiedet hatten und die Tür hinter ihnen geschlossen war, ergriff Kurogane das Wort: „Das sind ja komische Vögel. Wenn die sowieso schon nicht besonders betucht sind, warum haben sie uns nicht wieder rausgeschmissen, als sie erfahren haben, dass wir keine Kohle haben?“

 „Tja, das ist die Frage, Kuro-wan. Vielleicht sind sie ja einfach nur froh, etwas Gesellschaft zu haben. Sehr viel scheint hier ja nicht los zu sein“, überlegte Fye laut.

Mit diesem Gedanken mussten sie sich erst einmal trösten und wollten sich schließlich schlafen legen.

Mokona schlief bei Shaolan in dem Zustellbett und Fye und Kurogane sollten sich das Doppelbett teilen.

„Ich setz mich lieber auf den Boden“, betonte der Ninja.

„Och, Kuro-rin, zier dich doch nicht immer so“, sagte der Blonde, der sich an den Schwarzhaarigen schmiegte und seinen speziellen Schlafzimmerblick einsetzte.

„A-Also …“, Kurogane geriet sichtlich in Verlegenheit.

Es folgte sofort ein amüsiertes Kichern von Seiten Mokonas, die meinte: „Kuro-pi, du bist einfach zu schüchtern, du musst mal die Initiative ergreifen, damit eure Beziehung vorankommt.“

Shaolan hüstelte verlegen, woraufhin der Schwarzhaarige prompt rot anlief, „SCHLUSS JETZT MIT DEM UNFUG!!!“ brüllte und ein Kissen nach dem weißen Kloß warf, der jedoch viel zu schnell war, um getroffen zu werden.

Nach einigem Herumgepolter und als Kurogane genug geärgert war, kehrte schließlich Ruhe ein. In dem Zimmer war nichts zu hören außer das leise Zirpen und Sirren verschiedener Insekten, das von einem frischen Luftzug durch das geöffnete Fenster hereingetragen wurde. Bis plötzlich eine leise Stimme die Stille brach:

„Seid Ihr noch wach?“, fragte Mokona etwas zögernd.

„War ich eigentlich nicht mehr, aber jetzt wieder, ja“, log Kurogane, der natürlich nie richtig fest schlief, wie sich das für einen Ninja gehörte. Er saß, noch immer mit geschlossenen Augen, angelehnt an der Wand neben der Tür.

„Ich habe über etwas nachgedacht“, berichtete Mokona.

„Das ist ja mal was Neues. Worum geht’s?“

„Diese Energiequelle, die hier irgendwo sein muss, fühlte sich für mich sehr merkwürdig an. Irgendwie so … vertraut. Ich glaube fast, oder besser, ich bin mir sicher, dass ich Yuko gespürt habe.“

„Was, Yuko, die Hexe der Dimensionen?“, fragte Kurogane, gleichzeitig erstaunt und schockiert.

Alle setzen sich auf und waren mit einem Schlag wieder hellwach. Das war ein Ding der Unmöglichkeit. Yuko war doch tot? Wie war das also möglich? Sollten sie der Hexe der Dimensionen vielleicht hier noch einmal begegnen?

„Ich war mir erst nicht sicher und dachte, das könnte eigentlich nicht wahr sein. Ich wollte euch auch nicht beunruhigen, deshalb habe ich nichts gesagt.“

„Das ist in der Tat äußerst merkwürdig“, dachte Fye laut, „aber wenn du das sagst, Moko-chan, muss schon was dran sein. Lasst uns baldmöglichst weiter nach diesem … was auch immer suchen.“

So legten sich alle erstmal wieder hin. Mokona blieb in dieser Nacht noch lange wach, bevor sie endlich, eng an Shaolan gekuschelt, einschlief.

 

Am nächsten Morgen standen sie mit dem Sonnenaufgang auf und brachten beim Frühstück, das ihnen freundlicherweise serviert wurde, das Thema ins Gespräch. Sie fragten das ältere Ehepaar, ob diese schon einmal etwas von der Hexe der Dimensionen gehört hatten. Zu aller Überraschung bejahten diese und meinten, dass Yuko-san oft hierher zum Urlaub kommen würde und dass sie ihnen schon richtig ans Herz gewachsen wäre.

Die Reisenden warfen sich einen absprechenden Blick zu. Diese Menschen waren offensichtlich Freunde von Yuko gewesen und wussten noch nichts von deren Tod. Und wenn es für jene nur kurze Zeit her war, dass sie die Hexe das letzte Mal gesehen hatten, konnte den Reisenden diese Zeitspanne viel länger vorkommen, da die Zeit in verschiedenen Welten unterschiedlich schnell verging.

Shaolan brachte es mit Anteil nehmenden Gesichtsausdruck zur Sprache: „Wir müssen Ihnen die traurige Mitteilung machen, dass Yuko nicht mehr unter uns weilt.“

Herr Petersons Gesichtsausdruck verdüsterte sich schlagartig und wirkte überrascht und schockiert. „Oh, das wussten wir nicht. Das ist natürlich eine äußerst traurige Nachricht. Ich… ich kann es gar nicht glauben. Sie wirkte immer so … lebensfroh.“ Auch seine Frau war zutiefst betrübt.

Mokona kullerte eine Träne aus dem Augenwinkel. Fye nahm sie in den Arm. „Ist ja gut, Mokona. Wissen Sie, Yuko bedeutete Mokona sehr viel.“

Nach einer kurzen nachdenklichen Pause meldete sich Frau Peterson wieder zu Wort. „Wissen Sie, Sie erinnern mich an irgendetwas, was die junge Frau uns mal gesagt hat … Was war es noch gleich? Uh … Ich bin etwas vergesslich“, sie kratzte sich am Kopf. Nach einigen Sekunden fiel es ihr ein: „Ich glaube es war ‚Sollte eine Gruppe von drei Reisenden und einem sprechenden kleinen weißen Tier hier auftauchen - sie kommen aus einer anderen Welt und es sind gute Freunde von mir‘.“

Yuko hatte also vorhergesehen, dass die drei hier vorbeikommen würden. Es war Fügung, dass sie hier angekommen waren, denn laut der Hexe gab es keine Zufälle. Das konnte durchaus bedeuten, dass die vier an diesem Ort irgendeinen Zweck erfüllen mussten.

Shaolan ergriff das Wort: „Erinnern Sie sich an irgendwelche ungewöhnlichen Vorfälle, die hier in letzter Zeit stattgefunden haben?“

Zunächst reagierten die Petersons mit betretenem Schweigen, so, als würde in ihnen eine Erinnerung geweckt, die sie längst verdrängt hatten. Dann raffte sich die alte Frau doch zu einer Antwort auf. „Ja, hier ist wirklich etwas passiert. Aber das ist eigentlich völlig absurd … Wissen Sie, die Hexe hat uns mal erzählt, es gebe hier aus irgendeinem Grund verschiedene seltsame, nichtmenschliche Wesen. Sie nannte sie Dämonen. Außerdem erzählt man sich in dieser Gegend Sagen, die zum Beispiel davon handeln, dass es hier zahlreiche Geister gibt, vor allem an den Berghängen. Geister von verunglückten Bergsteigern, die in Felsspalten stürzten, aber nie geborgen werden konnten … Ja, und diese Dämonen - wir haben absolut nicht an sie geglaubt und das tun die meisten in dieser Welt wahrscheinlich auch nicht - jedenfalls kam es dazu, dass wir von so einer Kreatur angegriffen wurden. Es war ein ganz furchteinflößendes Ungeheuer … und sie hat uns davor gerettet.“

Mit „sie“ konnte nur eine gemeint sein. Shaolan hakte nach: „Yuko-san hat ihnen geholfen? Und wo kam dieses Wesen her? Hat sie Ihnen das gesagt? Sie meinen ja, es gäbe in dieser Welt normalerweise keine solchen Vorfälle.“

„Nun ja, so absurd es auch klingen mag, die Hexe meinte … Diese Dämonen ernähren sich von den Geistern. Und je mehr Geister es gibt, desto stärker können diese Dämonen werden. Eigentlich greifen sie keine Menschen an, aber wenn sie nicht mehr genügend Nahrung finden, werden sie aggressiv und fressen Fleisch von lebendigen Wesen. Wo die Dämonen allerdings herkommen, hat sie uns nicht gesagt.“ Die Petersons blickten sehr verstört drein.

Dieser Bericht klang in der Tat ziemlich absurd. Aber die Gruppe hatte schon ein paar Mal mit gefährlichen Kreaturen zu tun gehabt. Das Ganze erinnerte sie ein wenig an das Land Oto, wo sie gegen Onis hatten kämpfen müssen. Diese waren wohl etwas Ähnliches. Allerdings hatte sich jene Welt dann aber als virtuell herausgestellt. Vielleicht haben diese Vorfälle etwas mit der von Feiwan Reed zerstörten Vernunft zu tun, dachten sich die Reisenden besorgt.

Wie auch immer, das erklärte leider nicht, was Mokona als Energiequelle wahrnehmen konnte.

 

Nach diesem Gespräch waren alle etwas nachdenklich gestimmt, machten sich aber wie versprochen an die Arbeit. Jeder bekam ein paar Aufgaben zugewiesen. Das Wetter war ähnlich wie am vorherigen Tag, als sie in dieser Welt eingetroffen waren. Die Sonne brannte vom Himmel und verbreitete eine ziemliche Hitze. Bevor sie loslegten, lernten sie noch das Enkelkind kennen, das zuvor nicht am Frühstück teilgenommen hatte, da es länger geschlafen hatte, und stellten sich gegenseitig vor. Das Mädchen hieß Amy, war fünf Jahre alt und hatte rote Locken, die zu zwei Zöpfen geflochten waren. Die Kleine betrachtete die drei Reisenden, vor allem Mokona, etwas schüchtern, aber fasziniert, so ein Wesen sah man schließlich nicht alle Tage. Doch sie taute schnell auf, denn sie freute sich sehr über den Besuch und schüttelte jedem die Hand.

Dann ging es los. Shaolan erklärte sich zum Holzhacken bereit, Kurogane beschloss, ihm zu helfen. Fye wollte sich lieber in der Küche nützlich machen und Frau Peterson, die für das Zubereiten der Mahlzeiten zuständig war, mit seinen Kochkünsten unterstützen. Er meinte: „Holzhacken ist eine schwere Arbeit, das können ruhig die Männer erledigen.“

Vorher gab es aber noch anderes zu tun, zunächst mussten der Stall ausgemistet, die Hühner gefüttert und die Wäsche gemacht  werden, wobei auch Amy schon fleißig half. Der Großvater Herr Peterson war schon früh losgegangen, um die Schafe, die sie sich hielten, auf die Weide zu bringen.

Amys Großmutter schlug Fye vor, mit ihnen loszugehen, um Kräuter zu sammeln, wie es bei ihnen Brauch war, diese Familie lebte sehr naturverbunden. Dem willigte er gerne ein, denn er interessierte sich sehr für Heilkräuter und deren Wirkung, denn mit der Heilkunst befasste er sich in letzter Zeit intensiver und mit größerer Motivation als damals bei König Ashura. Dort war es ihm nie gelungen Heil- oder Genesungszauber zu erlernen. Er hatte die Formeln einfach nicht in seinem Gedächtnis behalten können und sich bevorzugt auf Angriffs- und Verteidigungsflüche spezialisiert. Jetzt war sein Interesse da, doch nun hatte der Magier keinen Zugang mehr zu Literatur, die sich mit Heilzaubern beschäftigte (oder einem Lehrmeister). Nur ein einziges Werk war ihm unter die Augen gekommen, seit er König Ashura in Ceres verlassen hatte - dabei handelte es sich um ein Buch von Domeki, das dieser auf dem Dachboden seines Schreins gefunden hatte, doch konnte Fye damit nicht allzu viel anfangen, es behandelte nicht die Form von Magie, die er einsetzte und studierte hatte.

Nun dachte er sich, wenn schon keine Heilmagie, dann wenigstens etwas Verwandtes und   befasste sich als Alternative eben mit  Naturheilkunde und Ähnlichem, wenn Zeit dazu war.

So begleitete Fye die beiden durch den Wald und über Bergwiesen. Frau Peterson zeigte ihm dann auch, wie man aus Pflanzen verschiedene Tees und Salben herstellen konnte, wie es an diesem Ort Brauch war.  

Dann ging es ans Kochen. Fye war die Küche dieses Landes bisher unbekannt, aber er konnte sich  ganz nützlich machen mit seinem langjährigen Kocherfahrungsschatz.

Nach einiger Zeit verließ Frau Peterson die Küche, um kurz nach dem Kind zu sehen, das mit Mokona draußen spielen gegangen war. Der Magier blieb in der Küche um aufzupassen, dass nichts überkochte. Die Minuten vergingen. Fye gähnte, setzte sich auf einen Stuhl am Küchentisch und hörte dem Köcheln des Essens und dem monotonen Ticken der Wanduhr zu. Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch. Dann ging er zum Fenster und sah hinaus: Shaolan und Kurogane waren mit Holzhacken fertig geworden und nun zu einem Schwertkampftraining übergegangen. Sie beschäftigten sich jetzt mit  einem Übungskampf. Shaolan ist jetzt auch Schüler von Kurogane, genau wie „Er“ es war, dachte Fye. Dazu kam noch, dass der Shaolan, der jetzt mit ihnen unterwegs war, die Erinnerungen und damit auch alle Fähigkeiten von seiner Kopie bei ihrem Erlöschen übernommen hatte, falls es bei ihren Schwertkampf-Fähigkeiten überhaupt Unterschiede gegeben hatte. Jedenfalls konnte es nicht schaden, diese Kunst weiterhin regelmäßig zu üben.

Der Blonde beobachtete, am Fenster stehend, genau die Bewegungen der Trainierenden. Shaolan war ein ausnehmend guter Schwertkämpfer. Und er wurde zunehmend besser. Fye erinnerte sich, wie der andere Shaolan-kun anfangs damit zu kämpfen gehabt hatte, dass er auf dem rechten Auge blind war. Als Folge dessen war seine Reaktion auf Angriffe von der rechten Seite leicht verzögert gewesen. Davon war hier natürlich rein gar nichts festzustellen, der Junge zeigte auf beiden Seiten ein gleichschnelles Reaktionsvermögen. Behände ließ er die Schwertklinge durch die Luft fahren, mit kraftvoller Eleganz und großem Geschick. Shaolans Bewegungen kamen aus seiner Mitte und ließen seine Füße blitzschnell über den Boden gleiten, Angriffen ausweichen und eigene Attacken starten. Fye musste nicht ohne Stolz auf seinen Freund zugeben, wenn Shaolan so weitermachte, konnte er sich bald mit seinem Lehrer messen.

Doch dieser war seinem Schüler noch immer in Vielem voraus. Kuroganes Stil war um zahlreiche Kampferfahrungen ausgereifter und sicherer; er kannte den Stil seines Schülers mittlerweile so genau, dass er dessen Reaktionen und Angriffe voraussehen konnte. Aber der Ninja kämpfte natürlich nicht um eines schnellstmöglichen Sieges Willen, sondern ließ noch immer Gelegenheiten, den Jüngeren mit einem Schlag außer Gefecht zu setzen, absichtlich verstreichen. Kuroganes Prothese, die seinen linken Arm ersetzte, den er sich im Tausch für Fyes Leben selbst abgeschlagen hatte, machte ihm keine Probleme mehr; Fye wusste genau, dass der Ninja anfangs starke Schmerzen gehabt hatte, obwohl er diese so gut wie möglich zu verbergen versucht hatte. Das hatte dem Blonden große Sorgen bereitet und er war wirklich froh und erleichtert, dass sich diese Beschwerden jetzt gegeben zu haben schienen.

Aufgrund der Hitze und dieses schweißtreibenden Sports trainierten die beiden mit freiem Oberkörper. Fye konnte nicht verhindern, dass seine Gedanken abdrifteten. Er musste sich mal wieder eingestehen, dass Kurogane einfach ein Bild von einem Mann war. Der Blonde beobachtete das eindrucksvolle Muskelspiel von Kuroganes durchtrainiertem Körper, dessen geschmeidige und starke Bewegungen, dieses Feuer in seinen glühend roten Augen, das immer bei einem Kampf auf so leidenschaftliche Weise aufflammte und volle Konzentration widerspiegelte. Wie liebte Fye es, in jene Augen zu blicken und wie gerne wäre er, und nur er selbst, derjenige, der einzig und allein von ihnen angesehen wurde und sich in ihrem Feuer verlor … Für den Blonden fühlte sich die Temperatur in dem Raum jetzt noch ein paar Grad wärmer an.

Fye löste sich aus seiner Trance und wirbelte herum, denn in diesem Moment kamen Frau Peterson und Amy in die Küche. Amy trat auf den Blondschopf zu, mit Mokona unter dem Arm geklemmt, und sagte schüchtern: „Ich möchte euch jemand vorstellen.“

Fye beugte sich zu ihr herunter und fragte freundlich „Wen denn? Ist denn noch ein Gast gekommen?“

„Nein, wohnt auch hier“, antwortete das Mädchen.

„Na so was, ich dachte, wir kennen schon alle hier“, Fye musste schmunzeln, das war sicher eines der Tiere, die die Leute auf der Farm hielten.

„Ich stelle euch vor, ihr müsst alle mitkommen!“, rief sie übermütig.

Frau Peterson unterbrach sie mit strenger Stimme: „Das kann bis nach dem Essen warten. Es steht eh schon etwas zu lang auf dem Herd.“

 

Nach dem Essen gingen sie also nach den Tieren sehen. Die kleine Amy trippelte vorneweg und zeigte den anderen den Weg zu der Weide, auf dem die Schafe grasten. Kurogane war ziemlich genervt und meinte, es gäbe sicher Besseres zu tun - müssten sie jetzt auch noch Babysitter spielen?

„Mokona, was ist mit der Energiequelle? Hat sich da irgendwas verändert?“, fragte Shaolan.

„Das ist irgendwie seltsam - sie scheint in Bewegung zu sein. Ich glaube nur ein paar Kilometer entfernt … aber sie scheint sich nicht weiter weg zu bewegen“, überlegte das Zauberwesen.

„Hm, es handelt sich also um etwas oder jemand Lebendiges beziehungsweise die Hexe der Dimensionen …. und, wenn sie sich nicht entfernt, haben wir hoffentlich noch etwas Zeit, sie aufzusuchen“, stellte der Brünette fest.

Auf der Weide, wo sie hinwollten, war auch Herr Peterson, der mit einem Hütehund aufpasste.  

Das Kind stellte sich an den Zaun und zählte ihnen verschiedene Namen der einzelnen Tiere auf, die sie scheinbar auseinanderhalten konnte. Die Schafe hatten alle sehr unterschiedliche Wollfarben.

„Und das hier ist Blacky“, sie zeigte auf ein kleines Lamm, das als einziges ganz schwarz war.

„Komm her, Blacky!“ Sie rief nach dem Tier und es kam gleich angetrabt. Das war also der weitere „Mitbewohner“, den Amy gemeint hatte. Amy öffnete das Tor des Zaunes und holte das Lamm heraus. Das Tier blickte die Reisenden aus schwarzen Knopfaugen verwundert an.

 „Oh mein Gott… ist das…ist das… süß“, Fye war gleich ganz vernarrt in das Lamm und musste es sofort knuddeln.

„Er heißt Blacky, weil er so schwarzes Fell hat“, erklärte Amy, „und ist sehr intelgent.“ Shaolan musste darüber schmunzeln, wie die Kleine das Wort „intelligent“ aussprach.

Fye kicherte schelmenhaft. „Blacky? Könnte etwas schwierig werden, euch auseinanderzuhalten, Kuro-pon.“

„Wie bitte?!“, entrüstete sich der Schwarzhaarige.

„Oh, ja, stimmt genau! So was aber auch!“ Mokona hatte sich aus Amys Arm befreit und sprang jetzt voller Energie auf Kuroganes Schulter und versuchte, sich an sein Gesicht zu heften. Kurogane schnappte sie und zog ihr die Ohren lang. Dann wandte er sich dem Blonden zu.

„Na warte, und jetzt bist du fällig, Magier!“

Amy verhinderte den Schwertangriff Kuroganes, mit dem er Fye zu Gulasch verarbeiten wollte: „Schaut mal, was ich Blacky beigebracht habe!“

„Hä?!“ Sie hielten inne. Amy holte eine Art Tennisball aus der Tasche ihrer Schürze und warf ihn weg. „Los, hol ihn zurück, Blacky!“ Ungläubig starrte die Gruppe das Tier an. Es würde sich ja wohl nicht wie ein Hund verhalten. Doch das Schäfchen lief tatsächlich hinterher.

Das Ganze funktionierte jedoch nicht hundertprozentig so, wie es sich das Kind vorgestellt hatte. Das schwarze Lamm blieb neben dem Ball stehen, begutachtete interessiert einige Kräuter und lief dann wahllos in eine Richtung davon.

„Stop! Komm zurück, Blacky!“ Amy pfiff zweimal laut über die Finger. Das Schaf drehte sich um und kam zurück. Jetzt lief es geradewegs auf Kurogane zu und schickte sich an, an dessen Umhang zu kauen. „Hey, weg da!“, forderte er das Tier nachdrücklich auf.

„Sieht so aus, als gefielst du ihm, Kurogane-san“, stellte das Mädchen fest.

„Das ist ja nicht zum aushalten“, meinte dieser und ging an seinem Umhang ziehend ein paar Schritte zur Seite - das Lamm hinterher.

Eine Ader an der Schläfe des Schwarzhaarigen begann zu pochen und er warf dem Tier einen tödlichen Blick zu, das sich aber nicht mal ansatzweise daran störte. Als Fye vor lachen losplatzte, wollte Kurogane sicher erneut wütend auf ihn stürzen. Der Blonde rannte jedoch weg, Kurogane hinterher; Blacky blieb letzterem auf den Fersen.

Shaolan, der auch über diese Szene grinsen musste, denn das ganze sah einfach zu dämlich aus, blieb mit Mokona stehen. Das Mädchen, das ebenfalls sehr amüsiert war, hatte sich angeschickt, mit den anderen über die Wiese zu toben. Dann trat Herr Peterson neben ihn.

Da fiel Shaolan etwas ein: „Beinahe hätte ich‘s vergessen, gut, dass wir Sie gefunden haben. Bitte, wir sollten ihnen dieses Essen vorbeibringen“, der brünette Junge reichte ihm eine Brotbox mit einem Teil des Mittagessens.

„Danke, Sie sind ein guter Mensch. Und danke, dass Sie uns hier etwas zur Hand gehen. Auch unser Enkelkind scheint sehr glücklich zu sein. Ihr habt ihr eine große Freude mit eurem Besuch gemacht.“

Der ältere Mann setzte sich auf einen Stein, wobei man seine Gelenke knacken hörte. „Kommen Sie, setzten Sie sich doch zu mir.“ Shaolan nahm neben ihm Platz. Die beiden schauten über die Wiese und betrachteten den Wald und die Berge im Hintergrund, fasziniert von der überwältigenden Schönheit dieser Landschaft. Sie unterhielten sich noch etwas.

„Haben Sie hier wirklich so selten Gäste?“, fragte Shaolan.

„Die Konkurrenz ist eben ziemlich groß. Nicht weit von hier entfernt ist ein Ferienort mit vielen Hotels und Ferienhäusern. Das Geschäft mit der Pension läuft nicht besonders“, berichtete Herr Peterson. „Altersbedingt können wir aber leider diesen Bauernhof nicht mehr lange betreiben und es wird vermutlich auch niemanden geben, der ihn fortführt. Unser Sohn studiert und wird dann wahrscheinlich nicht mehr hierher zurückkehren. Und Amy muss bald eine Schule besuchen.“

„Das ist wirklich schade“, sagte Shaolan mitfühlend.

 

Als die anderen fertig mit Herumtoben waren und wieder zu ihnen stießen, fragten sie, ob sie noch irgendetwas tun sollten, ansonsten würden sie dann weiterziehen. Herr Peterson verneinte dies.

„Gut, dann möchten wir uns gerne von Ihnen verabschieden“, sagte Fye.

Also gingen sie zurück zum Haus, um auch Frau Peterson Auf Wiedersehen zu sagen. Amy war sehr traurig über den Abschied, aber sie versprachen ihr, bald mal wieder vorbeizukommen.

 

 
 

[1] Siehe Tsubasa Band 28, Kapitel 232, S.236. Joa … Das war ja alles ziemlich komplex, aber soweit ich das verstanden habe, haben Shaolan und Watanuki, um aus dieser Raum-Zeit-Spalte zu entkommen, als Preis bezahlt, dass Shaolan immer weiterreisen und Watanuki dagegen im Geschäft bleiben muss.

[2] Ich gehe davon aus, dass die Mokonas immernoch miteinander kommunizieren, also als eine Art Bildtelefon. 

Die Herkunft der Dämonen

Als sie aufbrachen, war der Nachmittag bereits weiter fortgeschritten. Nachdem sie eine Zeitlang gewandert waren, fragte Kurogane den Magier: „Nicht, das es etwas Ungewöhnliches wäre - aber warum grinst du mich schon die ganze Zeit so an? Das nervt langsam.“

 „Oh, tue ich das? Ach es ist nichts, ich fand es nur so unglaublich süß, wie Blacky heute ständig hinter dir hergelaufen ist und gar nicht mehr von deiner Seite weichen wollte. Du hast wohl einen Seelenverwandten gefunden.“

„Quatsch nicht so einen Müll“, brummte Kurogane genervt. Musste Blondi schon wieder damit anfangen? Er war froh, jetzt wieder seine Ruhe vor diesem Vieh zu haben, sagte er sich.

Fye grinste nur weiter in sich hinein. Kuro-sama wollte ja nur nicht zugeben, dass er dieses niedliche Geschöpf auch mochte!

Die Gruppe folgte Mokonas Richtungsangabe weiter durch den dichten, unwegsamen Wald, dann über eine felsige, nur spärlich mit Gräsern bewachsene Hochebene, und wieder in den Wald.

„Kommen wir der Sache schon näher, Mokona?“, erkundigte sich Shaolan und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

„Die Energiequelle entfernt sich jetzt von uns“, sagte Mokona beunruhigt.

„Na super“, meinte Kurogane, „wir müssen sie irgendwie einholen.“

Ihnen blieb nichts anderes übrig, als ihre Schritte zu beschleunigen und dieses Etwas weiter zu verfolgen. Doch besonders schnell kamen sie zu Fuß nicht voran. Doch sie ließen sich nicht beirren, selbst nach Einbruch der Dunkelheit trampten sie unermüdlich weiter durch das Unterholz der Wälder, über Stock und Stein, kämpften sich durch Büsche, kletterten über riesige, umgestürzte Bäume, bis sie wieder auf einen halbwegs befestigten Weg kamen.

Nach einigen Stunden fiel es ihnen auf.

„Wir sind im Kreis gelaufen“, stellte Fye erschöpft fest.

Das konnte doch nicht sein. Sie waren wieder bei dem Bauernhaus angelangt. Wozu hatten sie eigentlich stundenlang wandern müssen?

Doch nun verkündete der weiße Kloß: „Wir haben es fast geschafft. Die Energiequelle hat angehalten. Sie befindet sich jetzt nicht mehr weit von hier! Nur ein paar hundert Meter! Schnell, darüber!!“ Die anderen schöpften neue Kraft und liefen weiter, direkt zum Bauernhaus und sahen sich nach allen Seiten um. Von der Rückseite des Hauses, dort wo der Stall der Schafe war, kamen aufgeregte Rufe und Angstschreie. Sie folgten ihnen. Als sie um die Ecke bogen, erblickten sie ein abscheuliches Ungetüm. Es musste sich um so einen Dämon handeln, von dem Frau Peterson heute Morgen berichtet hatte. Das Monster war etwa vier Meter hoch und sah aus wie eine übergroße Gottesanbeterin. Es hatte sechs Beine, wobei das erste Beinpaar zu kräftigen Fangbeinen mit rasiermesserscharfen Dornen umgewandelt war und wenn es das Maul öffnete, um einen markerschütternden Schrei auszustoßen, zeigte es seine zahlreichen Reißzähne.

Daneben standen die verängstigten älteren Leute.

„Ist das etwa die Energiequelle, nach der wir suchen, Mokona?“, fragte Shaolan.

„Ja, es sieht ganz so aus“, bestätigte das Zauberwesen schockiert.

„Was? Das Ding sieht der Hexe aber nicht sehr ähnlich“, bemerkte Kurogane verwirrt. Der Klops hatte doch irgendwas von wegen Yuko erzählt? Aber jetzt mussten sie sofort handeln.

Kurogane und Shaolan rannten auf die Bestie zu und zogen kampfbereit ihre Schwerter, dabei riefen sie: „Achtung, gehen Sie in Deckung!“ und starteten gleichzeitig einen Angriff.

Das schien das Monster zu überraschen; erschrocken schickte es sich an, blitzschnell in den Wald zu flüchten. Doch nicht ohne Beute:  Ein Schaf klemmte in einer seiner Klauen - es war das schwarze Lamm. Das Tier zappelte noch, kläglich rufend, und sein Blut tropfte auf den Boden.

 „Los, Junge, wir schnappen uns das Vieh!“, rief der Schwarzhaarige und stürmte los, um die Bestie zu verfolgen, Shaolan ebenso. „Ja, schnell, bevor es entkommt!“

 „Mokona kommt auch mit, Mokona kann euch die Richtung zeigen, falls ihr es aus den Augen verliert!“ Das Zauberwesen sprang auf Kuroganes Schulter.

Die Bestie flüchtete mit beeindruckender Geschwindigkeit und schlängelte sich behände durch das Unterholz. Dabei hinterließ sie kaum Spuren, aber eine kleine Schneise blieb doch, der sie folgen konnten. Vorher hatten sie diese zwar schon bemerkt, aber sie hätte genauso gut von einem kleineren Tier stammen können.

Das Vieh war verdammt schnell. Sie rannten so schnell sie konnten durch die Nacht, wobei sie angestrengt versuchten, dem Monster auf den Fersen zu bleiben. Glücklicherweise schoben sich die Wolken zur Seite und gaben den Vollmond frei, dessen fahles, silbernes Licht ihren Weg beleuchtete. Der Wald lichtete sich und der Boden, auf den Felsen düstere Schatten warfen, wurde steinig. Sie erreichten einen steilen Abhang und erkannten von weitem, dass das Untier dort hinuntersprang.

 

Der Magier wendete sich an die verschreckten alten Leute. „Ist bei Ihnen alles in Ordnung?“

„Ja, vielen Dank, Sie haben uns in letzter Sekunde gerettet. Aber was machen Sie denn noch hier?“, fragte Herr Peterson überrumpelt.

„Wir sind einer seltsamen Energiequelle gefolgt, die Mokona gespürt hat. Das war offensichtlich dieser Dämon.“

Amy kam aus dem Haus gelaufen. „Oma, Opa, was ist denn passiert?“ Als sie sah, dass die Stalltür aufgebrochen war, erschrak sie. „Ist Blacky etwas passiert?“

„Amy, du solltest doch im Haus bleiben!“, sagte Frau Peterson gleichzeitig besorgt und verärgert, aber sie fing sich wieder. „Es ist alles gut. Komm mit, wir gehen wieder rein.“ Die beiden liefen zurück ins Haus. Fye sprach den Opa an. „Ihre Frau sagte heute Morgen, dass Yuko Sie vor einem Monster gerettet hätte. Es war nicht das gleiche Monster wie das hier?“

„Ja, es ist wie meine Frau sagte. Die Hexe der Dimensionen hat es vernichtet. Aber sie hat uns auch gesagt, dass es nicht das einzige Monster wäre. Sie könne nicht verhindern, dass erneut welche auftauchen.“

Der Magier dachte sich, das hört sich gar nicht gut an … Warum hatte Yuko nicht verhindern können, dass solche Wesen erneut angriffen? Und wo kamen sie überhaupt her? Das galt es für sie herausfinden.

 

Am Rand des Abhanges blieben Shaolan und Kurogane keuchend stehen und blickten hinunter. Es war zwar steil, aber nicht unmöglich, hinunterzugelangen. Dort war auch der Dämon, der sich ohne Mühe an dem Hang halten konnte. Sie schauten sich gegenseitig an, nickten sich zu und rutschten dann gleichzeitig todesmutig nach unten. Shaolan wich einem der Klauen des Untiers um wenige Zentimeter aus. Sie landeten leichtfüßig auf dem spärlich mit Gräsern bedeckten Boden. Ihr Gegner drehte sich kreischend zu ihnen um, das Maul mit den Reißzähnen weit aufreißend; seine riesigen, roten Augen blitzten gefährlich. Dann hörten sie das leise Rufen eines Schafes. Es kam von einer kleinen Höhle im Fels, die sich knapp über dem Boden befand. Offenbar lebte das Lamm noch und die Gottesanbeterin wollte es hier ungestört und möglichst qualvoll schlachten, so etwas bereitete einem solchen Ungeheuer sicher besonderes Vergnügen, dachte sich Shaolan, und das gleiche hatte es mit Sicherheit jetzt auch mit ihnen vor. Dabei fiel ihm die kleine Amy ein, die so an diesem Lamm gehangen hatte und eine riesige Wut überkam ihn.

„Kurogane-san, wir werden diesem Ungeheuer den Garaus machen“, sagte er, sich der Bestie zuwendend.

„Du sagst es, Junge“, pflichtete ihm der Schwarzhaarige mit einem freudigen Grinsen angesichts des bevorstehenden Kampfes bei, ging neben ihm in Kampfposition und zog sein Schwert Silberdrache. Mokona ging hinter einen Baum in Deckung. Der Dämon sprang mit einem mächtigen Satz auf sie zu und schlug hammerartig mit seinen riesigen Klauen nach Kurogane, der nur knapp entkommen konnte. Dieser Angriff hatte eine solche Wucht, dass er einen Krater im felsigen Boden hinterließ. Die Reaktionsschnelligkeit des Dämons war beachtlich. Die beiden Kämpfer griffen ihn jetzt von zwei Seiten an, Shaolan war unter einem der dünnen Beine des Ungetüms durchgeschlittert und attackierte es jetzt von rechts hinten mit einem Schwerthieb, den er mit seiner Magie verstärkte, wodurch sein Schwert hell wie wie ein Blitz aufleuchtete. Kurogane setzte frontal eine Attacke ein. Doch der Dämon stampfte mit dem Bein auf, bevor er getroffen werden konnte und sein Chitinpanzer leuchtete plötzlich weiß auf. In diesem Moment schossen Schlingpflanzen aus den Felsspalten hervor, die sich schnell auf die Kämpfenden zubewegten.

„Passt auf!“, rief Mokona. Shaolan sprang zur Seite und rollte sich ab. Die Schlingpflanze verfehlte ihr Opfer und schoss weiter auf den nächsten Baum zu, wo Mokona stand. Kurogane reagierte rasch und hieb mit dem Schwert einige ihn angreifende Pflanzen ab. Das Reisbällchen wich hüpfend den Rankenhieben aus.

„Klops, lauf weg und bring dich in Sicherheit!“, forderte Kurogane Mokona auf. Diese  gehorchte nur widerwillig, denn sie wollte so gerne helfen, vor allem wünschte sie sich, sie könnte Blacky irgendwie befreien, doch das schien fast unmöglich, da dieser sich in der Felsspalte direkt hinter dem Monster befand und Mokona war jetzt rechts vor ihm, ca. zwanzig Meter entfernt. Sie beschloss zu den anderen zurückzulaufen und Fye zu holen, der sicher auch schon unterwegs hierher war. Sie machte einen großen Bogen um das Kampffeld und sprang schnell den Abhang von Fels zu Fels nach oben; dabei wich sie noch einigen Schlingpflanzen aus, die versuchten, das weiße Wesen zu attackieren. Ihre winzige Größe und ihre Flinkheit waren ihr von Vorteil, daher kam sie wohlbehalten oben an. Mokona hoffte, dass sie sich noch an den Rückweg erinnern würde und sah sich nach Orientierungspunkten um. Schließlich folgte sie der Spur aus umgeknickten Ästen, die das Untier hinterlassen hatte.    

Shaolan und Kurogane kämpften weiter gegen den Dämon. Ihr Problem war, dass sie  damit beschäftigt waren, die Attacken der Pflanzen abzuwehren und nicht wirklich an das Ungeheuer herankamen. Als Kurogane sich bis unmittelbar vor die Bestie vorgekämpft hatte, stieß diese einen lauten Schrei aus und kleinen Öffnungen ihres Chitinpanzers entwichen seltsame geisterhafte Schemen, die zur Bergwand heraufschossen und dort mit der Wand eins zu werden schienen. Die gesamte Wand begann zu leuchten und plötzlich lösten sich Felsbrocken, die auf den Schwarzhaarigen herabstürzten.

„Achtung, Kurogane-san!“, rief der Jüngere erschrocken, doch dadurch ließ seine Aufmerksamkeit bezüglich der Schlingpflanzen kurz nach und eine von ihnen erwischte den Arm, in dem er seine Waffe hielt. Sie schnürte sich so fest um sein Handgelenk, dass dieses fast zerquetscht wurde und er mit schmerzverzerrtem Gesicht die Waffe fallen ließ. Er versuchte, Magie einzusetzen, doch mit Entsetzen musste er erkennen, dass sie nicht funktionierte. Er hatte das Gefühl, die magischen Kräfte wurden ihm entzogen. Jetzt kamen noch mehr der Pflanzen auf ihn zugeschossen und Shaolan versuchte in aufkommender Panik, sich dagegen zu wehren, dass sie ihn fesselten und würgten. Er erinnerte sich an eine ähnliche Situation im Land Oto. Damals hatte er, oder besser gesagt der Shaolan, dessen Erinnerungen er übernommen hatte, sich mit Hilfe eines Feuerzeuges befreien können. Doch leider funktionierte das hier nicht, da diese komischen Pflanzen durch das Grundwasser im Boden noch sehr feucht und damit nicht brennbar waren. 

Kurogane blieb mit weit aufgerissenen Augen regungslos stehen und starrte die riesigen herabstürzenden Felsbrocken an. Doch er wäre nicht der stärkste Kämpfer, wenn er ihnen nicht hätte ausweichen und sie mit dem Schwert zerschneiden können. Silberdrache fuhr mit sauberen Schnitten durch die Steine wie durch Butter und die Felsenhälften landeten mit lautem Krachen auf der Erde. Doch diese Steine waren ein weiteres Hindernis davor, das Ungeheuer zu zerlegen. Und dummerweise wurden es nicht gerade weniger, musste sich Kurogane eingestehen, und für den Jungen sah es auch gar nicht gut aus, er wurde gerade von den Schlingpflanzen eingewickelt wie ein Geburtstagsgeschenk.

Die Bestie schien ungeduldig zu werden, da sie hungrig war und daher nicht länger auf ihre wohlverdiente Mahlzeit verzichten wollte. Sie stürmte auf Kurogane zu, mit einer ihrer mächtigen Krallen zu einem Schlag ausholend. Der Ninja wich mit einem Sprung aus, rollte sich geschickt auf dem Boden ab, kam sofort wieder auf die Füße und setzte sein Schwert ein. Mit einem kräftigen Schlag wollte er die Kreatur in der Mitte spalten. Doch sie bewegte sich schnell zur Seite und der Ninja erwischte nur einen Arm des Ungetüms, der abgetrennt wurde. Er fiel herab, ohne das Blut herausquoll. Sie hielt kurz inne, bewegte sich dann aber kreischend ungerührt weiter auf den Schwarzhaarigen zu, wollte ihn mit ihren Reißzähnen zerfleischen. Spürte sie möglicherweise keinen Schmerz?

Gleichzeitig stürzte eine weitere Steinlawine herab. Der Schwarzhaarige sprang leichtfüßig in großen Sätzen ein paar Schritte zurück und wich ihr aus und wollte erneut zum Angriff übergehen. Doch plötzlich fuhren weitere Schlingpflanzen aus dem Boden, die sich in Sekundenschnelle um seine Beine wickelten und ihn festhielten. Jetzt begannen sie auch, seine Arme zu packen, ehe er seine Füße befreien konnte. Ihm war klar, dass alles aus war, wenn er Silberdrache jetzt los lies. Doch die Pflanzen fesselten, zogen und zerrten an ihm und rissen ihn fast auseinander. Sein rechter Arm konnte dieser Gewalt fast nicht mehr standhalten und er spürte einen reißenden Schmerz in der Schulter.

Die beiden Kämpfer waren bewegungsunfähig. Angstvoll überschlugen sich ihre Gedanken. Das hier konnte doch unmöglich das Ende sein? Shaolan dachte an Sakura, er hatte ihr versprochen, wohlbehalten zu ihr zurückzukehren. Nein. Er würde hier nicht sterben. Shaolan schloss die Augen und versuchte seinen Atem zu beruhigen. Er leerte seinen Geist. Wenn er doch nur an sein Schwert, das vor ihm lag, herankommen konnte … Er blickte zu seinem Lehrer hinüber. Da kam ihm ein Geistesblitz. Ja! Das war ihre letzte Hoffnung.

„Blacky, komm her!“, rief er, so gut das mit seiner abgedrückten Lunge möglich war. Es regte sich nichts. „Kurogane-san!“, jetzt wendete er sich dem Ninja zu, „Ruf Blackys Namen! Die Wahrscheinlichkeit, dass er auf dich hört, ist größer“, Shaolan bekam kaum noch Luft, weswegen die letzten paar Worte seines Satzes nur noch als leises Röcheln zu hören waren.

Kurogane konnte sich denken, was der Junge vorhatte. Es war nicht sehr wahrscheinlich, dass das funktionierte, das Lamm musste dazu noch fit genug sein, um herlaufen zu können.  Aber er musste es wohl versuchen, so peinlich es ihm auch irgendwie war, aber es war ja niemand da außer ihnen beiden und schon gar nicht Blondi. Der würde ihn mit Sicherheit wieder damit aufziehen. Aber im Grunde war Kurogane sehr froh, dass Fye nicht hier und somit außer Gefahr war, obwohl Kurogane vermutete, dass der Blonde die Bestie mit seiner Magie vielleicht sogar schneller hätte vernichten können. Aber das war ihm völlig egal. Das hier war sein und Shaolans Kampf, den Kurogane als eine Art Notwendigkeit ansah, und es verstieß gegen seine Ehre, wenn sich da jemand einmischen würde.

Aber dieser Fall erforderte da leider eine Ausnahme. Also holte er tief Luft und rief: „Blacky, sei brav und komm her!“

Tatsächlich. Blacky kam aus der Höhle raus, rutschte das kleine Stück Abhang herunter, das noch zu bewältigen war und humpelte in Kuroganes Richung. Das schien die Bestie, die den Ninja gerade mit ihren Reißzähnen bearbeiten wollte, zu überraschen und sie hielt für einen Moment in ihrer Bewegung inne, wobei sie ihren Kopf dem Lamm zuwendete. In diesem Augenblick spürte Kurogane, dass sich die Schlingpflanzen um seinen Schwertarm durch die nachgelassene Aufmerksamkeit des Ungeheuers ein klein wenig lockerten. Jetzt hatte er das Vieh. Kurogane mobilisierte seine gesamte Kraft. Er fühlte eine starke Energie, die von Silberdrache ausging und durch seinen ganzen Körper strömte. Er konzentrierte sich und setzte eine mächtige Attacke ein, die eine gewaltige Druckwelle erzeugte und seine Fesseln sprengte.

„Erddrachen Kreisformation!“

Diesmal traf er den Dämon frontal. Aufgeschlitzt stürzte er zu Boden und blieb regungslos liegen. Mit seinem Verenden lösten sich die Schlingpflanzen von Shaolans Körper, zogen sich zurück und verschwanden immer kleiner werdend im Boden oder in den Felsspalten, aus denen sie gekommen waren. Shaolan schnappte keuchend nach Luft.

Dann drehten sie sich nochmals zu der toten Kreatur um: Dem Kadaver entwichen zahlreiche geisterhafte Schemen, die blitzschnell in alle Himmelsrichtungen davonflogen und sich scheinbar im Nichts auflösten. Dann zerfiel das, was noch von dem Dämon übrig war, zu Staub. Doch da wo der Dämon gelegen hatte, blieb etwas zurück. Es war ein hölzern wirkender, länglicher Gegenstand.

„Alles in Ordnung, Junge?“

Shaolan bewegte langsam prüfend seine Gelenke. „Ja, alles noch dran. Wie sieht es bei dir aus?“

„Könnte nicht besser sein“, antwortete Kurogane.

Als Shaolan und Kurogane sich wieder halbwegs erholt hatten, traten auf den seltsamen Gegenstand zu. Shaolan bückte sich, hob den Fund auf und betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn.

„Das sieht aus wie eine alte Schriftrolle“, stellte Kurogane verwundert fest.

Die beiden betrachteten sie genauer. Die Rolle war ziemlich dick und wirkte sehr abgenutzt. Außen waren verschiedene Schriftzeichen in einer Reihe nebeneinander angeordnet.

In diesem Moment hörten sie ein Rufen. Fye, Mokona und Herr Peterson waren oberhalb des Abhanges angelangt. „Ist alles in Ordnung da unten?“

„Ja, wir haben den Dämon erledigt!“, antwortete Shaolan, „wartet, wir kommen rauf!“

Kurogane wollte sich das Lamm schnappen und den Berg hochtragen, doch ein starker Schmerz in seiner rechten Schulter hielt ihn davon ab. Daher ging er wortlos voran und überließ Shaolan das Tier, der es sich unter den Arm klemmte. Dabei passte er auf, ihm möglichst nicht noch mehr wehzutun, denn es hatte zwei Wunden an beiden Seiten seines Bauches, eine davon zog sich bis an sein rechtes Hinterbein. Es sah beunruhigend aus.

Sie krakselten den Hang wieder hinauf. Als sie auf die anderen trafen, sagte Fye: „Gute Arbeit, ihr zwei! Seid ihr auch nicht verletzt?“

„Mir geht es blendend“, betonte Kurogane.

„Bei mir ist auch alles in Ordnung“, sagte der Brünette, „nichts gebrochen. Diese komischen Pflanzen haben mir nur etwas die Luft abgedrückt -“

„Komische Pflanzen?“, fragte Fye interessiert nach.

„Oh Fye, es war ganz schrecklich“, meldete sich Mokona zu Wort, die, als sie die beiden hergeführt hatte, noch keine Zeit gehabt hatte, etwas zu erzählen, „dieser Dämon konnte Schlingpflanzen aus dem Boden wachsen lassen und Felslawinen auslösen - aber Mokona hat tapfer gekämpft!“

„Magie also …“, murmelte der Blonde.

„ - Nur der kleine hier scheint einiges abbekommen zu haben“, fügte Shaolan mit besorgter Miene hinzu. Herr Peterson sah sich das Tier an. „Es sind zum Glück keine Lebenswichtigen Organe betroffen. Das kann man leicht kurieren. Wir brauchen nur schnell etwas, um die Blutung erstmal zu stillen.“

Kurogane entwich zu seiner eigenen Überraschung ein erleichtertes Grinsen. Dann schnitt er mit seinem Katana ein Stück seines Umhanges ab, damit es als Verband verwendet werden konnte. Mokona sagte gerührt: „Danke, Kuro-pon, du bist so selbstlos!“

„Klappe, weißer Klops.“

 „Shaolan, was hast du da?“, fragte Mokona dann, die die Energiequelle, die von ihm Ausging, sofort bemerkt hatte. Der Braunhaarige zeigte ihr die Schriftrolle. „Sie ist auf dem Boden liegengeblieben, als sich der besiegte Dämon aufgelöst hatte. Es muss irgendwie in ihm drin gewesen sein … Ist das das, was du die ganze Zeit gespürt hast, Mokona?“

„Ja, genau das ist es. Diese Schwingungen, die es umgeben, fühlen sich an, als wäre es Yukos Magie.“

Shaolan berichtete: „Kurogane-san hat den Dämon gespalten. Dann hat er sich zu Staub aufgelöst und diese Schriftrolle lag dann einfach auf dem Boden … es war sehr eigenartig … Und diese Schriftzeichen, die außen draufstehen, das könnte eine alte chinesische Schrift sein … aber lesen kann ich sie leider gar nicht“, überlegte Shaolan laut.

Auch die anderen konnten nichts lesen, trotz Mokonas Eigenschaft, Sprachen zu übersetzten, und auch nicht zu entrollen, denn sie war mit einem Bann versiegelt.

Fye betrachtete die Rolle näher. Bei König Ashura hatte er mal gelernt, wie man einen Bann auflöste. Er beschloss es zu versuchen. Er konzentrierte sich und sprach eine Zauberformel. Ein roter Lichtschein, ein leichter Wind - und dann versuchte der Magier noch einmal, die Schriftrolle zu entrollen - diesmal gelang es.

Das Pergament war ausgerollt mehrere Meter lang. Sie breiteten es auf dem Boden aus.

„Der Bann ist nur zum Teil gelöst“, stellte der Blonde enttäuscht fest, „Die Schrift ist noch immer nicht für uns lesbar. Mokona kann sie nicht übersetzen.“

Seine Augen flogen über das mit unbekannten Schriftzeichen übersäte Pergament. Es wirkte ziemlich abgenutzt. Die Schrift war mal sauberer, mal krakeliger und immer wieder waren Textteile durchgestrichen oder Ergänzungen vorgenommen worden. Fye kam zu folgendem Schluss: „Das muss eine Art magisches Tagebuch sein. Dort schreibt ein Magier hinein, woran er gerade arbeitet oder Ähnliches. In meiner Welt wurde so etwas häufig genutzt. Nur geschah das natürlich nicht in Form einer Schriftrolle. Das hier muss uralt sein.“ Sein Blick blieb an einer Stelle hängen.

„Seht mal hier“, der Blonde zeigte auf ein paar Zeilen, fast am Ende, die sich vom Rest unterschieden, hier wechselte die Schriftart zu einer Art Runenschrift. „Das kann ich lesen“, sagte er erstaunt.

„Was bedeutet das Fye-san?“, fragte Shaolan gespannt.

„Eine Zauberformel …“, Fye dachte angestrengt nach, „Was ist das für ein Zauber? Ich kann mich nicht erinnern so einen schon mal verwendet zu haben … Aber ich habe mal davon gelesen … Dimensionswechsel … Nein, nicht zum Wechseln einer Dimension. Wartet mal … Genau! Das ist eine Art Umkehrzauber.“

Fragende Blicke.

„Ich erkläre es euch. Es  gibt für den Zweck zur Überwindung von Dimensionen verschiedene Zauber. Einerseits kann man die Dimension durch Entmaterialisierung und Materialisierung wechseln. Das ist das, was wir tun. Es gibt aber noch andere Möglichkeiten. Eine davon ist, dass ein Loch in die Materie, die die Welten verbindet, gerissen wird, wodurch man dann in eine andere Welt gelangt. Das ist sehr energieaufwändig. Diese Methode wurde angewendet, bevor Magier auf andere Weise die Dimensionen wechseln konnten. Sie ist streng verboten, da sie das Gefüge der Welten erheblich durcheinanderbringen kann. Das hier ist die Umkehrung dazu, zum Verschließen von Dimensionslöchern.“

„Aber wozu soll das gut sein?“, fragte Mokona.

Fye überlegte und kam zu folgendem Schluss: „Da nur diese Zeilen und gerade für mich lesbar sind, soll ich diesen Zauber wohl anwenden. Als wir in dieser Welt angekommen sind, hast du mich gefragt, ob es hier Magie gäbe, Kuro-rin. Ich habe dir gesagt nein, aber dieses Monster besaß starke magische Fähigkeiten. Doch diese Leute hier meinten, das käme sonst nicht vor, mal abgesehen von Yuko, die aber nicht aus dieser Welt stammt. Möglicherweise kam auch dieses Wesen aus einer anderen Welt, durch ein solches Dimensionsloch.“

„Dann … wollte Yuko also, dass es verschlossen wird“, murmelte Shaolan nachdenklich.

„Genau, Yuko wollte wohl, dass ich es verschließe, sie hat mit Sicherheit vorhergesehen, dass wir in dieser Welt landen würden. Aus irgendeinem Grund konnte sie das nicht selbst tun … oder aber, es ist erst nach ihrem Tod wieder eines entstanden.“

„Wenn das so ist, sollten wir es schnell finden!“, rief Mokona.

 „Die Bestie hat Blacky in eine Höhle an diesem Abhang hier verfrachtet. Ich hielt es für ihren Unterschlupf. Wir sollten uns den mal näher ansehen!“, sagte Shaolan.

„Gut ich gehe mit Shaolan runter. Kuro-pon, Mokona, ihr bleibt hier bei Herrn Peterson“, forderte der Magier die beiden auf.

„Ts, meinetwegen“, erwiderte der Ninja leicht gelangweilt.

Fye stieg mit Shaolan erneut den Abhang hinunter. Shaolan zeigte Fye die Stelle, an der sich die Höhle befand. Sie schauten hinein und Fye erzeugte einen Lichtstrahl, denn dort drinnen war es stockfinster. Ihre Vermutung bestätigte sich. Auf den ersten Blick sah man nichts Besonderes, doch als sie genauer hinsahen, entdeckten sie hinten an der Wand etwas, das wie eine Lichtspiegelung oder Fatamorgana aussah, das Gestein wirkte verzerrt, so, wie wenn man durch Wasser hindurchsieht.

„Das ist er, der Durchgang in die andere Welt“, stellte der Magier fest.

„Kein Zweifel“, bestätigte Shaolan und reichte dem anderen die Schriftrolle, der sie entrollte. Dann konzentrierte er sich und begann, die Zauberformel vorzulesen. Es funktionierte - das Dimensionsloch verschwand.

 

Auf dem Rückweg zu ihrer Unterkunft fragte das weiße Zauberwesen „Wie kam die Schriftrolle wohl in dieses Monster?“

„Das gilt es noch herauszufinden“, antwortete Fye.

Kurogane meinte: „Diesen Auftrag hätte sie uns ja auch anders mitteilen können, als sie noch lebte.“

„Tja, das hielt sie wohl so für die beste Möglichkeit“, entgegnete der Magier.

„Kontaktieren wir doch noch mal diesen Watanuki, der kann sicher was mit dieser Schriftrolle anfangen. Am besten geben wir sie ihm“, schlug der Ninja vor.

„Ja, da hast du schon Recht, aber wisst ihr noch, was er uns gesagt hat? Das muss dieser Gegenstand sein, von dem er gesprochen hat. Wir sollten ihn behalten. Vielleicht soll sie ja nochmal irgendwie von Nutzen sein, oder wir treffen denjenigen noch, der etwas damit anfangen kann.“

Wie sie so liefen, fiel Fye auf, dass Kurogane den rechten Arm anders bewegte als sonst, irgendwie verkrampfter. Damit wusste er, dass der Ninja gelogen hatte, als er angab, unverletzt zu sein.

„Dir geht es wirklich zu hundert Prozent blendend, Kuro-pi?“, fragte er ihn nun noch einmal, wobei er ihm einen durchdringen Blick versetzte.

„Was soll das schon wieder heißen? Das sagte ich doch“, fuhr der Schwarzhaarige seinen Freund mürrisch an und blickte zur Seite. Fye versetzte es jedes Mal einen kleinen Stich, wenn Kurogane seine Schmerzen vor ihm verbarg, denn er wünschte sich im Grunde, dass der Mensch, der ihm am wichtigsten war, vollkommen ehrlich zu ihm sein könnte. Doch Fye kannte Kurogane genau, das war nun einmal seine Art, sein Stolz ließ es nicht anders zu, so sehr Fye das auch wurmte. Der Schwarzhaarige wollte auf diese Weise eben einfach niemandem Sorgen bereiten. Diese Eigenschaft war es auch, in der er Shaolan sehr ähnelte. Aber genau das liebte er eben an Kurogane, und er wusste, dass der andere seine Liebe erwiderte, er besaß eben nur diese verschlossene Art. Aber er würde ihn schon noch irgendwie etwas auftauen!

„Versuch’s gar nicht erst“, sagte der Magier schmunzelnd und gab Kurogane einen liebevollen Klaps auf die Schulter, der als Folge davon mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammenzuckte.

Als sie müde und erschöpft bei ihrer Unterkunft eintrafen, begann der Morgen bereits zu dämmern und Frau Peterson und Amy erwarteten sie schon.

Das Mädchen war überglücklich, ihren Blacky lebendig wiederzubekommen und schloss ihn in die Arme. „Vielen Dank, ihr seid die größten Helden, die ich kenne! Wenn ich mal groß bin, werde ich auch so stark und mutig!“

„Mokona hat auch mitgeholfen! Mokona ist auch ein Held und hat mit dem Monster gekämpft“, hob sich das Reisbällchen selbst hervor und hüpfte auf Amy zu, die es auf die Handflächen nahm.

„Ehrlich?! Ist ja Wahnsinn!!“, sagte das Mädchen mit vor Ehrfurcht leuchtenden Augen, „Erzähl mir bitte, wie du gekämpft hast!“ Sie setzten sich auf eine Holzbank, die neben der Eingangstür des Hauses stand. Shaolan tat es ihnen gleich.

„So, komm mit, Kuro-pi, ich sehe mir jetzt erst mal deine Schulter an!“ Fye hakte sich bei Kurogane unter und zog den protestierenden Ninja ins Haus.

 

Kurogane saß auf einem Stuhl und Fye begutachtete sorgfältig dessen Schulter. Äußerlich war nichts zu sehen, außer einigen blauen Flecken.

„Wie weit kannst du das Gelenk bewegen?“, fragte ihn Fye, der schon wie ein Quacksalber klang, fand der Schwarzhaarige.

„Es ist ok“, sagte Kurogane nur in leicht genervtem Ton.

„Kuro-puu, ich sage es dir immer wieder. Tu bitte nicht immer so, als wäre alles in Ordnung, wenn du eine Verletzung hat. Du weißt, wir alle machen uns sonst nur noch mehr Sorgen um dich, wenn das rauskommt. Shaolan ist genauso. Den sehe ich mir nachher auch noch mal an“, sagte Fye mit einem gezwungenen Grinsen.

Kurogane ächzte müde. „Ich habe dir doch gesagt, dass es nichts Ernstes ist, höchstens eine kleine Zerrung. Jetzt übertreib mal nicht.“ Er wollte schon aufstehen und gehen, doch der Blonde hielt ihn davon ab.

„Nicht so schnell, Kuro-pon. Hier, nimm wenigstens das hier. Der Magier wollte ihm eine Salbe, die er gestern hergestellt hatte, in die Hand drücken. Doch dann kam ihm eine Idee. Bevor der Ninja wieder protestieren konnte, begann er, die Schulter damit einzureiben.

„Und, hilft es schon ein wenig?“, hauchte der Blonde ihm ins Ohr, was bei dem Schwarzhaarigen ein Kribbeln im Bauch hervorrief.

Kurogane wollte erst protestieren, das könne er ja wohl noch selbst, lies es dann aber doch bleiben. Er spürte Fyes kühle, schlanke Finger auf seiner Haut, die seine Schulter sanft massierten und den Schmerzen Linderung verschafften. Sie erinnerten ihn daran, wie gut doch allein schon seine Nähe tat. Wie sehr liebte er diese stets sorgenvollen, heilenden Hände, die Trost spendeten und seine Schmerzen linderten.

 „So, das war‘s, hier, du kannst sie haben, verwende sie am besten die nächsten Tage noch ein paar Mal“, sagte der Blondschopf und reichte ihm das Schälchen mit der Mixtur, drehte sich um und steuerte langsam auf die Tür zu. Doch plötzlich stand Kurogane hinter ihm und hielt Fye am Handgelenk fest.

„Hey! Warte ...“

Das Herz des Blonden setzte einen Schlag aus, hatte es funktioniert? Es vergingen ein paar Sekunden, in denen keiner ein Wort sagte oder sich bewegte.

Dann drehte Fye sich um und blickte erwartungsvoll aus großen, eisblauen Augen in die feuerroten des Schwarzhaarigen. „Ist noch irgendetwas?“, fragte er, so kühl, wie ihm das gerade möglich war.

 „Danke“, sagte der Ninja, beugte er sich zum ihm hinunter und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. Treffer, dachte sich Fye, erwiderte ihn und der Kuss wurde verlangend und leidenschaftlich.

Nach einiger Zeit hörten sie ein Rufen vom Hausflur. „Kurogane-san, Fye-san! Wir müssen weiter!“ Das war Shaolan. Mokonas Ohrclip leuchtete, sie mussten sofort aufbrechen.

„Also dann, auf geht’s“, sagte Fye grinsend, als sie sich voneinander lösten.

„Auf geht’s“, antwortete Kurogane, ebenfalls grinsend, aber etwas enttäuscht über die Unterbrechung. Doch da war nichts zu machen, wenn sie weiter mussten, mussten sie eben weiter.

.

Vor dem Haus warteten Mokona und Shaolan schon. Die Petersons standen ebenfalls dort. Amy verabschiedete sich schweren Herzens von Mokona und drückte sie noch einmal fest.

„Auf Wiedersehen, Mokona“, sagte das kleine Mädchen mit Tränen in den Augen.
„Vielen Dank für alles und kommt bald mal wieder vorbei! Ihr seid hier jederzeit willkommen“ sagten ihre Großeltern.

„Ja, wir freuen uns darauf. Und passen Sie gut auf sich auf“, sagte Shaolan.

„Machs gut, Blacky“, das weiße Zauberwesen winkte dem schwarzen Schäfchen, das neben Amy stand und einen neuen Verband trug. Es wirkt schon wieder wohlauf, dachte sich Shaolan erleichtert.

Die Reisenden wurden von einem magischen Staubwirbel umgeben, der sie nach und nach verschluckte, dann sah die Familie nur noch eine dünne Lichtsäule, die sich schließlich einem Traum gleich im Nichts auflöste.

Das Wesen der Magie

Es war ein ganz normales Wohngebiet, Menschen liefen geschäftig durch die Straßen, gingen in Vorgärten ihrer Arbeit nach oder saßen einfach nur herum.

Als plötzlich ein heller Lichtblitz erschien, der sich in eine große Lichtsäule verwandelte, blieben die Menschen verschreckt und verwundert stehen, manche rannten schnell ins Haus.

Als die Lichtsäule verschwunden war, standen wie aus dem Nichts drei Männer in sehr ungewöhnlicher Kleidung mitten auf der kleinen Straße. Sie hatten ein weißes Plüschtier bei sich.

„Wo sind wir?“, fragte Fye und kratzte sich am Hinterkopf.

„Diese Welt kommt mir irgendwie bekannt vor“, fiel Kurogane auf.

Stille. Dann begann es bei ihnen zu dämmern. Doch bevor einer den Mund aufmachen konnte, um etwas zu sagen, hörten sie ein lautes Rufen und sahen an der nächsten Straßenecke eine Staubwolke auftauchen, die sich mit großer Geschwindigkeit auf sie zubewegte.

„Shaolan-kuuuun, Fye-saaaan, Kurogane-saaaan!“

Was die Staubwolke aufwirbelte, war ein aufgewecktes Mädchen im Teenageralter. Sie trug ein auffallendes Kleid im Lolita-Stil und hatte sehr langes, brünettes Haar, das ihr bis zu den Hüften reichte. Bei sich hatte sie eine Handtasche, in dem ein blauer, ziemlich böse dreinblickender Plüsch-Hund saß. Das Mädchen konnte gerade noch rechtzeitig stoppen, um die Gruppe nicht umzurennen. Dabei stolperte sie über ihre eigenen Füße - „Achtung, Kaputtoooo!“, brüllte der blaue Plüsch-Hund in tiefem Männerbass - und Shaolan fing sie auf. „Kobato-chan, schön, dich zu sehen“, sagte er erfreut, „Wie geht es dir?“

Kobato schaute auf. Nun war es das zweite Mal, dass sie in dieser Welt vorbeikamen [1], und Shaolan war aufs Neue erstaunt, wie sehr Kobato ihn an seine Sakura erinnerte, sowohl äußerlich, als auch vom Charakter her. Er errötete leicht und ließ sie los, als sie wieder fest auf den Füßen stand.

„Sehr gut, danke! Schön, dass ihr mal wieder hier vorbeikommt! Oh! Aber ihr seht sehr müde aus! Ihr könnt euch gerne erst mal etwas bei mir zu Hause ausruhen“, sagte sie.

Dieses Angebot schlugen sie ungern aus, da sie noch immer sehr mitgenommen von den Strapazen der letzten Welt waren und nach ihrem letzten Kampf ohne Auszuruhen weitergereist waren.

Da die Leute um sie herum immernoch Augen wie Spiegeleier machten, beschloss Fye nach eindringlicher Aufforderung des Plüsch-Hundes Ioryogi, sie erst mal zu beruhigen und erzählte ihnen irgendetwas von einem Filmdreh und Specialeffects, was ganz gut funktionierte.

Sie machten sich auf den Weg zu Kobatos Wohnung.

„Wolltest du gerade nach Hause gehen, Kobato?“, fragte Shaolan.

 „Äh, nein, eigentlich war ich gerade auf dem Weg zu meinem Nebenjob im Café Tirol, ich habe heute Spätdienst und morgen, also am Wochenende, Frühdienst.“

„Du bist fleißig, wie immer, Kobato“, bemerkte Shaolan. „Wenn du nichts dagegen hast, kann ich dir morgen ja wieder etwas zur Hand gehen.“

„Oh, vielen Dank für das Angebot! Klar, kannst du mitkommen! Wisst ihr, bei uns sind eh gerade einige Arbeitskräfte wegen Krankheit ausgefallen … Da sind wir dankbar für jeden freiwilligen Helfer!“

„Wenn das so ist, kommen Kuro-wan und ich diesmal auch liebend gern mit!“, schlug Fye vor. Es folgte ein verächtliches Schnauben von Kurogane. Café, das klang so nach - Süßigkeiten. Und er hasste Süßigkeiten. Aber er fand sich damit ab; solange er keine essen musste, war es noch zu ertragen.

 

In Kobatos Wohnung angekommen, die ausschließlich aus einem einzigen Zimmer ohne Möbel bestand - nur auf dem Boden lag ein Futon ausgebreitet - setzten sich die Reisenden erst einmal.

„So, ich muss jetzt schnell weiter, bis später dann.“

„Vielen Dank, bis später“, sagte Shaolan. Kobato rauschte nach draußen und sie hörten Ioryogi noch schimpfen: „Trödel nicht rum, Kaputto!“

Dann konnten sie sich entspannen und schliefen schnell ein.

 

Fye saß im Schnee, einsam und verloren. Um ihn herum war alles grau und eiskalt. Er sah neben sich den Turm, in dem sein Bruder gefangen gehalten wurde. Er wollte zu ihm, er war das einzige was er noch hatte, wie ein Teil von ihm, der untrennbar zu ihm gehörte. Wie oft hatte er versucht, an den Mauern hochzuklettern, doch es war stets vergebens gewesen. Nun hatte er keine Kraft mehr, konnte nur noch dasitzen und nach oben schauen, zusehen, wie immer mehr Schneeflocken vom schwarzen Himmel fielen.

Aber es waren keine Schneeflocken, sondern Kirschblüten.

Mitten in der Nacht war der Magier wach geworden, nachdem ihn mal wieder die Erinnerungen an seine Vergangenheit gequält hatten. Er war aufgestanden, hatte sich nach draußen geschlichen, und befand sich nun im Innenhof des Wohnhauses, in dem ein paar Kirschbäume in voller Blüte standen. So stand er an einen der Baumstämme gelehnt und betrachtete diese Blüten, die aber nicht aufhören wollten, wie Schnee auszusehen. Obwohl es für die Jahreszeit recht mild war, war ihm eiskalt. Er hätte es sich denken können, nach draußen zu gehen, zu diesen Kirschbäumen, war keine sehr hilfreiche Idee gewesen. Sie weckten Erinnerungen.

Gerade wollte er woandershin laufen, als er bemerkte, dass er nicht allein war.

„Was ist, Kuro-pi? Auch etwas schlaflos?“

Kurogane lehnte an der anderen Seite des Baumstammes.

„Quatsch, als ob ich viel Schlaf bräuchte. Ich wollte mir nur etwas die Beine vertreten. Außerdem war ja nicht zu überhören, wie du nach draußen gegangen bist“, log Kurogane, denn auch er hatte keine Ruhe gefunden, zu viele Gedanken wollten ihn nicht loslassen, Gedanken an früher, an seine Mutter, manchmal kamen ihm auch Zweifel am Sinn ihrer Reise. War es nicht eigentlich die Jagd nach einem Phantom? Wie würde ihre Zukunft aussehen? Konnte er wirklich irgendwann in seine Heimat zurückkehren? Er konnte Shaolan auf seiner Suche nicht einfach allein lassen.

Die beiden standen eine Weile einfach nur da und schwiegen. Nach einer Weile fragte Fye: „Wie geht’s deiner Schulter?“

„Keine Schmerzen mehr.“

„Wirklich, gar keine, ist das wahr?“, der Blonde schaute ihn prüfend an, ob er auch die Wahrheit sagte.

„Wenn ich’s doch sage.“

Fye lächelte zufrieden. „Freut mich, dass es dir besser geht.“

Kurogane schien etwas zu beschäftigen. Schließlich sagte er: „Nun ja, ich war doch überrascht, dass die Schmerzen nach der Behandlung mit deiner Salbe plötzlich weg waren. Ich hatte gedacht, die Heilung würde schon etwas länger dauern.“

Der Blonde wirkte erst erstaunt, dann klatschte er erfreut die Hände zusammen. „Das ist ja prima, ich habe es zum ersten Mal geschafft!“

„Hä? Was geschafft?“

Fye grinste wie ein Honigkuchenpferd. „Heilmagie!“

„Heilmagie? Hätte ich mir eigentlich denken können. Aber du hattest mal gesagt, du beherrscht keine Heilzauber oder so.“ Der Schwarzhaarige bewegte, wie um dies zu bestätigen, nochmals die vermeintlich verletzte Schulter - ohne, dass irgendwas wehtat.

„Habe ich bis vor kurzem auch nicht. Das ist das erste Mal, dass es wirklich funktioniert hat.“

„Dann hast du sie dir selbst beigebracht? Funktioniert denn das so einfach?“

„Nein, einfach war es für mich ganz und gar nicht. Das ist eine lange Geschichte … Als ich bei König Ashura gelebt habe, habe ich mich sehr viel mit dem Studium der Magie beschäftigt. Aber ich habe es nie geschafft, einen Heilzauber zu erlernen. Deswegen habe ich mir schon damals oft Vorwürfe gemacht. Doch es war nur eine Frage der Einstellung, mir fehlte im Grunde das nötige Interesse. Ich versuchte es nicht länger, sondern gab das Studium der Heilmagie auf. Doch das habe ich sehr bereut, als Ashura von dieser Krankheit befallen wurde und ich nichts anderes tun konnte, als ihn in Schlaf zu versetzen. Als ich später miterleben musste, wie du schwer verletzt im Sterben lagst - und das nur wegen mir - das war so unerträglich für mich, dass ich, wenn du … gestorben wärst, ich weiß nicht was ich getan hätte.“

Fye musste kurz innehalten, ehe er seine Stimme wiederfand. „Ich hatte von da an einfach den starken Wunsch, den Menschen, die ich liebe, helfen zu können, nicht nur durch Verteidigungs- und Angriffszauber. Da ich aber keinen Zugang mehr zu Lehrbüchern der Magie hatte, habe ich das Studium der Medizin begonnen. Und nun ist es mir gelungen, dass ich meine eigene Form der Heilmagie entwickelt habe.“

Fye erzählte das so voller Stolz, als wäre das etwas ganz Besonderes für einen Magier.

„Wie, ‚eigene Form‘? Gibt es denn verschiedene Formen?“, hakte Kurogane nach.

„Magie ist nicht gleich Magie. Es ist so: Jeder Magier benötigt als Voraussetzung, Magie ausüben zu können, natürlich seine magischen Kräfte, die er, vor allem je größer sie sind, lernen muss, zu kontrollieren. Es gibt die verschiedensten Arten und Methoden, dies zu lernen, in jeder Kultur, wie auch in jeder Welt, in der wir waren, geschieht dies etwas anders. Alle Zauber, die ich bisher beherrsche, stammen aus Büchern von Ashuras Bibliothek, die die unterschiedlichsten Formeln und Zaubersprüche enthielten. Um diese alle zu studieren, hätte ich wohl noch mein ganzes restliches Leben dort verbringen müssen … Und diese Heilzauber, die ich einzusetzen versuche, entwickle ich selbst, die gab es eben in der Form noch nicht.“

„ … Ah.“

Fye schien in Erinnerungen zu schwelgen. Dann erzählte er: „ Als ich noch bei Ashura lebte und gerade wieder total am Boden war, weil ich es nicht schaffte, mir die Formeln für Heilzauber zu merken, sagte er zu mir, dass ich mir deswegen keine Vorwürfe zu machen bräuchte und … und dass ich allein mit meinem Lächeln seine Seele geheilt hätte.“ [2]

Fye schloss die Augen und machte eine Pause.

 „Mir wurde klar, dass Magie nicht nur das ist, was in Lehrbüchern steht oder wozu spezielle Kräfte als Voraussetzung benötigt werden. Im Grunde steckt in Allem Magie: In der Natur, den Tieren und Pflanzen, in jedem Menschen, in der Kunst. Wir Magier nutzen sie nur für uns und verstärken die Wirkung durch spezielle, uns eigene Kräfte.“

 Kurogane interessierte sich nicht für Fyes Vergangenheit. Er war ein Mensch, der generell Vergangenes Ruhen ließ. Was vorbei war, war eben vorbei und nicht zu ändern. Wichtig war, dass man nach vorne sah.

Und doch berührte ihn die Tatsache, dass der Magier ihm solches Vertrauen entgegenbrachte, Dinge aus seiner Vergangenheit zu erzählen, die er sonst niemandem erzählte. Der Ninja erinnerte sich, wie verschlossen der Blonde anfangs gewesen war und sich hinter einer Maske aus aufgesetzter Fröhlichkeit und Lügen versteckt hatte. Nun war er selbst derjenige, dem Fye sich so ehrlich anvertraute - weil er ihn liebte. Er lächelte.

Der Blonde bemerkte dies. Den Schwarzhaarigen sah man so selten lächeln. Deswegen fügte er hinzu: „Weißt du, auch Worten wohnt große magische Kraft inne. Sie können wie Waffen verwendet werden oder auf heilende Weise. Oder, wenn ich dir sage, ‚Ich liebe dich, Kurogane‘, dann kann auch das Magie sein.“

Kurogane legte seine Arme um den anderen.

Sein Körper wärmte Fye. Er sah nun nicht länger Schneeflocken, sondern sah das, was sie waren - nichts als herabsegelnde Kirschblütenblätter.

Sie setzten sich und Fye bettete seinen Kopf auf dem Schoß des Schwarzhaarigen.

„Sollten wir nicht lieber wieder reingehen?“, fragte Kurogane.

„Geht schlecht, wir konnten keinen Wohnungsschlüssel mitnehmen.“

„Erzähl keinen Quatsch, wozu bist du ein Magier?“

„Oh, erwischt.“

„Lass besser deine Scherze.“

„Dann bring mich doch zum Schweigen.“ Sie küssten sich. Es war ein zärtlicher, leichter Kuss.

Die beiden blieben noch eine ganze Weile draußen und genossen die Zeit, die sie in Zweisamkeit verbringen konnten.

 

Als Mokona aufwachte, war es mitten in der Nacht. Sie war aus dem üblichen Grund aufgewacht. Sie bemerkte stets, wenn die anderen nicht schlafen konnten, weil es ihnen nicht gut ging. Jeder der Gruppe war nach wie vor auf seine Weise einsam. Sie blickte sich um und bemerkte, dass Fye und Kurogane nicht da waren. Sie hopste leise, um die anderen nicht aufzuwecken, zum Fenster und sah hinaus. Da sah sie den Magier draußen stehen, an einen Baum gelehnt, mit verträumtem Blick nach oben starrend. Sie spürte seinen seelischen Schmerz. Fye hatte es noch nicht überwunden, dachte sie, er dachte wieder an früher.

Das weiße Zauberwesen war erfüllt von großem Mitleid. Dann sah sie eine große, dunkle Gestalt aus dem Schatten der Kirschbäume hervortreten. Es war Kurogane. Das weiße Zauberwesen konnte es nicht genau erkennen, aber die zwei schienen miteinander zu sprechen und lagen sich schließlich in den Armen. Sie fühlte, wie der Schmerz der beiden geringer wurde. Lächelnd wendete sie den Blick ab und hopste zu Shaolan, der auf dem Boden schlief.

Immer hatte er eine kleine Sorgenfalte auf der Stirn. Er brauchte sich zwar um Sakura keine Sorgen zu machen, da sie in Sicherheit war. Aber sie war eben nicht bei ihm und er konnte auch nicht oder nur zu selten bei ihr sein. Mokona wollte sich zu ihm legen, da merkte sie, dass seine Augen geöffnet waren.

„Du kannst nicht schlafen, Shaolan?“, flüsterte Mokona.

Stille.

„Du denkst an Sakura.“

„Ihr Geburtstag steht bevor. Oder besser gesagt, mein und Sakuras Geburtstag. Ich habe im Traum mit ihr gesprochen.“

Der Traum war derzeit die einzige Möglichkeit, wie die beiden sich begegnen und auch miteinander kommunizieren konnten.

„Dann werden wir auf jeden Fall hingehen!“, sagte Mokona.

„Ja, ich wünsche mir sehr, dass das möglich sein wird …“, entgegnete Shaolan traurig.

„Wir bringen ihr ein passendes Geschenk mit, dann wird sie sich riesig freuen“, schlug der weiße Kloß vor.

„Danke, Mokona. Gute Idee, wir gehen nach Hause …“, Shaolans Augen schlossen sich wieder, er fühlte sich ruhiger, „ja, und wir bringen ihr natürlich etwas ganz Besonderes mit.“

Und mit einem Lächeln auf den Lippen schlief er ein.

 

 

Am nächsten Morgen bei Kobatos Nebenjob in „Bäckerei und Café Tirol“. Außer Kobato war noch einer ihrer Arbeitskollegen da, ein Mann mittleren Alters namens Ishii-san.

„So, das ist der richtige Moment, mein neues Rezept für Windbeutel auszuprobieren!“, verkündete Fye voller Elan.

„Tolle Idee, was du bäckst, ist immer so lecker, das wird der Verkaufsrenner!“, pflichtete Mokona ihm begeistert bei, „Und ich helfe dir!“

„So, ihr müsst euch aber erst mal diese Schürzen umbinden, hier hinten sind sie“, Kobato führte sie in ein Nebenzimmer. Fye wusste sofort, wofür er sich entscheiden sollte. „Ich nehme das hier!“

Kurogane erschrak. „WAS?“

„Das ist perfekt.“

„Aber Fye-san“, setzte Shaolan an. Doch Fye war schon verschwunden und als er wieder hervorkam, war er in voller Montur, einem perfekt sitzenden Maidkostüm.

Die anderen waren zwar erst etwas perplex, mussten aber dann doch zugeben, dass ihm das wirklich gut stand. „Ganz bezaubernd!“, schwärmte Mokona.

„Ja“, meinte Kobato.

„Das kannst du nicht machen“, brachte Kurogane nur mit erstickter Stimme hervor.

„Jetzt reg dich doch nicht gleich auf, Kuro-wan. Ich wollte es ja nur kurz anprobieren“, beruhigte ihn der Blonde.

Kurogane ächzte. Das war zu viel für ihn. Das war einer dieser Momente, in denen er sich fragte, warum er nicht sofort in seine Welt zurückkehrte. Aber natürlich ging das nicht - wieso hatte er sich in so jemanden verliebt?

„Nimm es nicht so schwer, Kurogane-san“, Shaolan wusste nichts, außer ihm tröstend auf die Schulter zu klopfen. Na super, jetzt wurde er schon von seinem Schüler bemitleidet. Der Tag fing ja schon mal gut an.

 

Kurogane war gerade dabei, das Schaufenster zu putzen, als er sie vorbeilaufen sah. Er erschreckte sich sosehr, dass ihm der Lappen aus der Hand fiel und Mokona traf, die gerade darunter stand. Schon hing der Schwarzhaarige am Fenster und drückte sich die Nase platt. Fye bemerkte dieses für den Ninja so ungewöhnliche Verhalten. „Was gibt’s denn so Interessantes, Kuro-pi?“

Die Frage erübrigte sich, denn in diesem Moment ging die Tür auf und eine Jugendliche mit langen schwarzen Haaren betrat den Laden.

„Hallo, Tomoyo-chan!“, grüßte Kobato.

Alle Blicke waren auf sie gerichtet. Tomoyo schien dies aber überhaupt nicht aufzufallen. Kein Zweifel, es handelte sich um Tomoyo, sie besaß dieselbe Seele, aber es war eine andere Person, als die, denen sie schon begegnet waren.

„Hmm, was nehme ich denn diesmal …“

„Die Windbeutel sind seit heute neu im Angebot“, empfahl Kobato.

„Dann nehme ich doch gleich zwei Stück. Du, Kobato-chan, ich bin eigentlich gekommen, weil ich kurz mit dir sprechen wollte. Wann hast du Pause?“

 

In der Mittagspause gingen sie nach draußen. Kobato stellte ihre Freunde vor und erzählte, wo sie herkamen. Tomoyo hörte mit großem Interesse zu. Bei Shaolan fiel ihr auf, dass er jemandem, den sie kannte, zum Verwechseln ähnlich sah und sogar denselben Namen hatte. Das war wirklich mehr als eigenartig. Aber sie hielt es für einen komischen Zufall und erwähnte es nicht. Aber zu Mokona sagte sie: „Du bist ja süß. Noch ein Zauberwesen!“

„Wieso ‚noch ein‘? Kennst du denn noch mehr?“, fragte Mokona verdutzt.

„Ja, einige, zum Beispiel Kero-chan und Spinel.“

Mokona war erfreut. Hier gab es also auch einen Kero-chan. In einer anderen Welt hatte sie bereits einen kennengelernt.

„Woher kennen du und Tomoyo-chan euch, Kobato-chan?“, fragte Fye.

„Tomoyo-chan kauft hier oft ein, sie ist sozusagen schon Stammkundin. Wir hatten aber noch nie miteinander gesprochen, bis sie Ioryogi vor ein paar Tagen aus der Patsche geholfen hat. Als ich hier Dienst hatte und Ioryogi als Maskottchen getarnt auf der Ladentheke saß, hat ein kleines Kind ihn mitgenommen, weil er ihm wohl so gefallen hat. Ich war gerade so im Stress, dass ich es nicht bemerkt hatte. Draußen ist das Tomoyo-chan aufgefallen. Sie hat ihn zurückgebracht und so sind wir ins Gespräch gekommen.“

Nun meldete sich Tomoyo wieder zu Wort: „Ich bin eigentlich vorbeigekommen, weil ich dich zum Kirschblütenfest einladen wollte, Kobato-chan. Meine Freunde und ich sind schon seit heute Morgen im Park. Ihr könnt auch gerne mitkommen, je mehr desto lustiger!“

„Natürlich, ich komme gern vorbei! Um zwei kann ich heute Schluss machen“, sagte Kobato.

„Au ja, au ja, das wird ein Spaß, wir machen ein Gelage“, begeisterte sich Mokona. Auch die anderen hatten nichts einzuwenden.

„Toll, also dann bis nachher, ich hole euch am südlichen Eingang des Pinguin-Parks ab!“

Und weg war sie. Die Gruppe ging wieder an die Arbeit. Als die anderen gerade nicht hinhörten, wandte sich Fye neckend an den Schwarzhaarigen: „Ts, ts, noch eine Tomoyo. Das wird langsam etwas viel für dich, Kuro-rin, stimmt’s?“

„Ach was, irgendwann verwundert einen nichts mehr.“

„So? Das sah vorhin aber nicht so aus, als du ihr durch die Scheibe so völlig perplex hinterhergeschaut hast.“ Um die leichte Eifersucht, die in seiner Stimme mitschwang, zu verbergen, fügte er schnell noch hinzu: „Das sah wirklich komisch aus, wie du dir die Nase am Schaufenster platt gedrückt hast.“

Kurogane wollte seinem Gegenüber erst einfach sagen, er solle die Klappe halten. Doch ihm war der Unterton in dessen Stimme nicht entgangen. Er beschloss zu kontern. „Eifersüchtig?“

In Fyes Augen flackerte zunächst etwas überrascht auf.

„Vielleicht“, antwortete er schließlich.

 

Der Weg zum Pinguin-Park führte vorbei an verschiedenen Geschäften. Auf den Straßen herrschte buntes Gewimmel. Mokona fühlte sich pudelwohl. Sie hopste überall herum und schaute in jedes Schaufenster.

„Seht mal hier, so ein schönes Schaufenster! Oh, und hier, noch eins! Und …. oh, so viele Menschen. Ach wie schön, mal wieder so richtig unter Leuten zu sein!“

Ioryogi, der in Kobatos Handtasche saß, wirkte sehr angespannt. „Hey, Mokona, komm sofort zurück hierher!“, rief er, aber zu leise, „Sagt ihr, sie soll zurückkommen, sie zieht viel zu viel Aufmerksamkeit auf sich!“

Die anderen verstanden. Shaolan holte den weißen Kloß zurück. „Du musst in dieser Welt so tun, als wärst du ein Stofftier, Mokona.“

„Och, stimmt ja“, sagte sie ein wenig enttäuscht, „aber hier gibt es doch so viele interessante Sachen zu sehen. Sag mal, Shaolan, hier findest du doch sicher irgendein Geschenk für Sakura.“

„Für Sakura?“, fragte Fye nach.

„Ja, sie hat bald Geburtstag“, antwortete der Brünette.

„An dem Tag müssen wir unbedingt wieder in Clow Country sein!“, fügte Mokona hinzu.

Fye blickte nachdenklich drein. „Zu dumm nur, dass wir kein Geld dieses Landes haben.“

„Blöd“, sagte Mokona enttäuscht, „da können wir ja gar nichts kaufen.“

„Ich hab’s“, sagte Fye, „vielleicht können wir ja etwas eintauschen. Mokona, was hast du noch alles in petto?“

In der Hoffnung, dass sie in den letzten Welten, in die sie gereist waren, etwas Brauchbares eingesammelt hatten, gingen sie in eine Seitengasse und Mokona spuckte alles aus: Leere Lunchboxen, ein paar Decken und die Schriftrolle, die sie in der vorherigen Welt gefunden hatten. Da war nichts dabei, was man zu Geld hätte machen können.

„Das ist alles? Dann müssen wir uns wohl noch etwas anderes einfallen lassen.“

Doch erst mal mussten sie weiter, sie hatten schließlich eine Verabredung.

Tomoyo erwartete sie schon am Eingang des Parks. Sie wirkte aufgedrehter als vorhin.

„Wie schön, dass ihr da seid! Kobato-chan, ich kann dir heute meine allerbeste Freundin vorstellen“, sagte sie ganz hibbelig. „Sie war in Hongkong und es hieß, sie reist erst morgen wieder hier an. Aber gerade habe ich eine SMS von ihr erhalten und sie will sogar heute schon vorbeikommen! Oh Gott, ich bin so aufgeregt, ich war gerade schnell noch mal bei mir zu Hause, um meine Kamera zu holen, damit ich diesen besonderen Moment festhalten kann, wenn sie zurückkommt. Ich wollte eigentlich mit Touya zum Flughafen, um sie abzuholen, aber ich hatte euch ja versprochen, euch hier zu treffen.“

„Jetzt beruhig dich erst mal, Tomoyo-chan“, sagte Fye.

„Du hast Recht. Erst mal tief durchatmen“, sagte das Mädchen zu sich selbst. „Kommt mit, ich stelle euch meine anderen Freunde vor.“

Sie durchquerten ein ganzes Stück des Pinguin-Parks, der sehr weitläufig war. Überall standen Kirschbäume in voller Blütenpracht und dazwischen hatten es sich Menschen auf Picknickdecken gemütlich gemacht.

„Was hat deine Freundin denn in Hongkong gemacht?“, fragte Kobato. „Studiert sie vielleicht dort?“

„Ach so, das habe ich ja noch gar nicht erzählt. Nein, sie war bei ihrem Freund Shaolan zu Besuch. Den bringt sie dann auch gleich mit.“

Shaolan horchte auf: Das war doch gerade sein Name gewesen? Konnte das ein Zufall sein, oder bedeutete es vielleicht sogar … „Tomoyo-chan, wie heißt deine Freundin?“, Shaolans Stimme klang belegt. Die Antwort nahm Shaolan wie aus weiter Ferne wahr.

„Sie heißt Sakura Kinomoto.“
 


 

[1] Sie waren ja schon mal in Kobatos Welt, das müsste etwa in Folge 20 gewesen sein.

[2] Siehe Tsubasa Band 21, Kapitel 161 ^^

Das Kirschblütenfest

Shaolan blieb abrupt stehen, ohne dass er selbst es bemerkte. Hatte Tomoyo da gerade „Sakura Kinomoto“ gesagt? Sakura und Shaolan.

Shaolans Gedanken überschlugen sich. Abgesehen von den Kopien, die durch Feiwan „angefertigt“ worden waren, waren sie auf ihrer Reise bisher nie einem anderen Shaolan und einer anderen Sakura begegnet. Obwohl das nicht ganz unwahrscheinlich war, denn sie hatten ja schon öfters gleiche Menschen in verschiedenen Welten getroffen. Aber eben noch nie sich selbst. Shaolan konnte es sich nicht erklären, aber irgendwie keimte in ihm neue Hoffnung auf. Vielleicht würde er seinem Ziel durch die Begegnung mit diesen beiden einen entscheidenden Schritt näher kommen. Seinem Ziel und seinem innigsten Wunsch, an dessen Erfüllung er schon beinahe aufgehört hatte zu glauben.

Auch die anderen hielten an und tauschten verständige Blicke.

„Ist irgendwas nicht in Ordung?“, fragte Tomoyo Shaolan, der ziemlich blass geworden war und riss ihn damit aus seinen Gedanken.

„Was? Ach so … Nein, nein, alles in Ordnung. Entschuldige, ich habe nur ganz kurz über etwas nachgedacht.“

Also liefen sie weiter und Shaolan versuchte, nicht allzu viel von seiner Aufregung nach außen dringen zu lassen.

 

 

„So, hier drüben ist es“, verkündete Tomoyo.

Auf aneinandergelegten Picknickdecken saß eine kleine Truppe unterschiedlicher Personen. Shaolan erkannte zwei der Gesichter aus anderen Welten. Yukito, den Priester aus Clow Country und Fujitaka, den König von Clow Country. Dann waren noch eine Frau mit Bobfrisur anwesend und drei unbekannte schwarzgekleidete Frauen mit Sonnenbrillen.

Die Frau mit Bobfrisur stellte Tomoyo als ihre Mutter Sonomi vor.

„Und wer sind diese Damen?“, fragte Kurogane.

„Ach so, die. Das sind unsere Leibwächterinnen. Meine Mutter ist Besitzerin eines großen Konzerns und die brauchen wir eben zu unserer Sicherheit. Deswegen soll ich auch nie allein rumlaufen. Diese drei sind aber auch gleichzeitig Mamas beste und langjährige Freundinnen“, Tomoyo stellte sie noch mit Namen vor.

Diese Welt ist dann wohl weniger friedlich, als sie den Anschein macht, dachte Kurogane dabei.

Tomoyo stellte noch die Reisenden vor und alle nahmen Platz in der fröhlichen, kleinen Runde.

Wie zuvor Tomoyo, fiel auch Fujitaka und Sonomi auf, das Shaolan eine außergewöhnliche Ähnlichkeit mit einem Jungen hatte, den sie sehr gut kannten.

„Stimmt“, kommentierte Yukito, „ das ist ja witzig“, er lachte.

Shaolan schluckte leicht nervös. Sie schienen nichts zu ahnen. Aber wieso sollten sie auch? Schließlich kamen nicht jeden Tag Doppelgänger aus Parallelwelten zu Besuch vorbei.

 

 

Shaolan saß Yukito gegenüber, der gerade eine angeregte Unterhaltung mit Tomoyos Mutter führte. Seine Gegenwart fühlte sich für Shaolan seltsam an. Er konnte bei ihm große magische Kraft spüren und die hatte ja auch der Priester von Clow Country. Doch da war auch etwas Befremdliches - er sah aus wie ein Mensch, aber war er ein menschliches Wesen? Shaolan beschloss, das mal anzusprechen. Aber wie fing er das am besten an?

„Ähm, Yukito-san, was machst du so beruflich?“, das war vielleicht nicht der geschickteste Gesprächseinstieg. Aber den Reisenden interessierte es doch, ob er hier nicht vielleicht auch so etwas wie ein Priester war.

„Ich bin Student an der Uni hier. Ich studiere Biologie mit Schwerpunkt Meeresbiologie.“[1]

„Oh, interessant.“ Also kein Priester. Der Brünette beschloss, ihn auf seine Magie anzusprechen, doch Kobato meldete sich dazwischen:

„Oh, die Uni?“, rief sie energisch, „Ein sehr guter Freund von mir studiert auch dort. Er wird Rechtsanwalt. Er heißt Fujimoto-san, du kennst ihn sicher“, Kobato vergaß in ihrer etwas naiven Art mal wieder, dass die Uni ja ziemlich groß war und sich dort nicht automatisch alle kannten.

Yukito musste verneinen.

„Und du Shaolan?“, fragte er dann interessiert. „Du sagst ihr seid auf Reisen. Wo kommen du und deine Freunde eigentlich her? Und was macht ihr so? Erzählt doch mal.“

Shaolan beschloss, zunächst einmal eine etwas ausweichende Antwort zu geben.

„Wir kommen aus verschiedenen Ländern, reisen aber zusammen. Ich z.B. komme aus einem fernen Wüstenland namens Clow Country. Und die anderen auch von sehr weit weg. Die Länder kennst du bestimmt nicht.“

Yukito war beeindruckt. „Davon habe ich noch nie gehört. Und du sprichst sehr gut Japanisch. Wo liegt dieses Land?“

Shaolan zögerte. Dann sah er zu Kurogane und Fye. Konnte er hier die Wahrheit erzählen? Sie nickten bestätigend. Versuchen konnten sie es zumindest. Die Leute hier wirkten insgesamt vertrauenserweckend. Und mehr als die Geschichte nicht glauben konnten sie wohl nicht.

Die Aufmerksamkeit aller Anwesenden war jetzt auf die Neuankömmlinge gerichtet.

„Clow Country liegt in einer anderen Welt. Wir kommen alle aus verschiedenen Welten und reisen gemeinsam durch die Dimensionen.“

Shaolan gab diese Antwort ruhig und ohne eine Miene zu verziehen. Jetzt konnten sie ihm glauben oder es bleiben lassen.

Die Reaktion der Zuhörer war nicht ungläubig oder schockiert. Sie wirkten nur etwas verwundert, fast schon fasziniert. War man sich hier also doch, wie auch etwa in Piffle World oder Infinity Country, der Existenz anderer Welten bewusst?

Auf Shaolans Nachfrage erklärte Tomoyo, dass Magie oder auch das Reisen in andere Dimensionen von den meisten als Hokuspokus abgetan wurde. Deshalb mussten die wenigen Eingeweihten, auch zum Schutz der allgemeinen Ordnung, die Existenz von Magie geheim halten.

„Du hast vorhin erzählt, du kennst magische Wesen“, wendete sich nun Fye an Tomoyo.

Das Mädchen lächelte amüsiert. „Ja, ich kenne einige. Sie haben, als ich sie vor einigen Jahren kennengelernt habe, mein Leben ziemlich auf den Kopf gestellt. Aber am meisten sicher das von Sakura … Eins z.B. lebt mit Sakura zusammen und ein anderes sitzt Shaolan direkt gegenüber.“

Yukito. Hatte Shaolan es sich doch gedacht. Er war kein Mensch.

„Warum reist ihr?“, fragte Yukito nun.

„Wir sind auf der Suche nach etwas“, ihre Standartantwort. Alles zu erklären würde seine Zuhörer vermutlich überfordern. Zum Glück fragte niemand weiter nach.

„Aber das hört sich doch sehr aufregend an“, bemerkte Tomoyo begeistert, „dann erlebt ihr doch sicher einiges.“

„Oh, ja“, warf nun Mokona mit vor Stolz geschwellter Brust ein, „und ob es das ist! Wir erleben ganz viele Abenteuer und trotzen Gefahren!“

„Wow!“

Mokona fing an zu erzählen und genoss es sichtlich, ihre Zuhörer zu fesseln.

Schließlich berichteten sie von der Welt, die sie zuletzt bereist hatten. Sie erzählten, was sie dort gefunden hatten und dass dieser Gegenstand wohl einen bestimmten Zweck erfüllen oder eine Botschaft für jemanden übermitteln sollte. Vielleicht kamen sie diesbezüglich ja hier weiter.

„Und woher wisst ihr, dass gerade das nun gerade eure Aufgabe ist? Ich meine, es könnte ja auch eine ganz normale Schriftrolle aus dieser Welt sein, die irgendjemandem dort gehört“, bemerkte Tomoyo.

„Nun ja, es klingt für euch jetzt vielleicht ein wenig verkorkst … Ein sehr guter Freund von mir, der Hellseher ist, hat es vorausgesagt.“

„… Wie meinst du das?“

„Er meinte, dass wir einen Gegenstand finden würden. Wir sollten ihn mitnehmen. Es war eindeutig, dass er diese Schriftrolle gemeint hat, als wir sie gefunden haben.“

„Okay“, das klang ja wie ein Abenteuer aus einem Online-Game, freute sich Tomoyo.

Shaolan beschloss nachzufragen, ob diese Leute hier Yuko ebenfalls kannten.

 „Dann hat sich herausgestellt, dass diese Schriftrolle einer sehr guten Bekannten von uns gehört. Der Hexe der Dimensionen.“

Keine Regung bei den Zuhörern. Sie kannten sie wohl nicht.

„Und die ist auch die Chefin und Vorgängerin dieses Freundes“, fuhr Shaolan fort.

„Vorgängerin?“

„Äh, ja, der Freund hat ihr Geschäft übernommen. Also jedenfalls hat sich auch herausgestellt, dass sie es war, die das Ding in dieser Welt, in der wir es finden sollten, deponiert hatte.“

„Und jetzt wisst ihr nicht, was ihr damit tun sollt? Könnt ihr diese Hexe nicht irgendwie kontaktieren und sie fragen?“, fragte Tomoyo.

Shaolan schüttelte den Kopf. „Leider nicht. Sie ist bereits verstorben.“

„Oh, entschuldige.“

„Schon gut. Konntest du nicht wissen … Wir hatten gehofft, jemand von euch könnte uns diesbezüglich vielleicht weiterhelfen.“

Ratlose Gesichter. Hier konnte ihnen wohl niemand weiterhelfen.

Tomoyo wühlte in ihrer Handtasche, kramte ein Mobiltelefon hervor und wählte eine Nummer.

„Hallo, Eriol-kun? Sag mal, hast du heute vielleicht Zeit?“, sprach sie ins Telefon, „Ja? Das ist klasse! Wir sind im Pinguin-Park. Kannst du heute noch vorbeikommen? ... Super, bis nachher dann!“, Tomoyo legte auf und steckte ihr Handy wieder ein.

„Ich habe einen Freund angerufen, der sich mit solchen Dingen sehr gut auskennt. Vielleicht kann der euch ja weiterhelfen. Er kommt später noch vorbei.“

„Vielen Dank, Tomoyo-chan“, bedankte sich Fye. Wer weiß, vielleicht gab es hier ja wirklich jemanden, der ihnen Informationen zu ihrem Problem geben konnte.

 - Und bis der vorbeikam, waren sie mit Essen gut versorgt und es gab natürlich auch eine „kleine Auswahl“ an alkoholischen Getränken.

Als trinkfesteste Person bewies sich Kurogane, dicht gefolgt von Tomoyo.

„Versuch nicht, mir Konkurrenz zu machen, Kleine!“, kam es vom Ninja fast schon herausfordernd.

„Das wird sich noch zeigen“, sie funkelte zurück.

Der Magier spürte das Knistern in der Luft zwischen den beiden und begann unruhig auf seinem Platz hin und her zu rutschen.

„Hey, Kuro-wan, was ist mit mir?“, mischte er sich ein und hatte es auf einmal sehr eilig sich ordentlich nachzuschenken.

„Ja, kämpfe um deine Liebe, Fye!“, Mokona hopste neben Fye.

Kurogane konnte Mokona schnappen und sie ein paar Meter weit weg schleudern.

Sie landete etwas unsanft.

„Das gibt Rache, Kuro-wau-wau!“,  sie rieb sich den Hintern.

„Nenn mich nicht Wau-Wau! Ich bin KEIN verdammtes Hündchen!“

Mokona beschloss vorerst nichts mehr zu erwidern und gab sich erstmal beleidigt. Dann wendete sie sich Ioryogi zu, der auch einiges in sich hineinkippen konnte. Kobato fragte sich bei ihrem Plüschhund immer, wo das ganze Zeug eigentlich Platz hatte.

„Sag mal, Ioryogi, bist du eigentlich der einzige deiner Art? Ich habe jedenfalls noch nie einen sprechenden Plüschhund getroffen.“

„Natürlich bin ich der einzige. Ich kenn‘ jedenfalls keinen weiteren“, antwortete er knapp.

Ioryogi schien vorerst genug getrunken und gegessen zu haben. Er streckte sich nun auf dem Gras aus und gähnte.

„Soll ich dir was verraten?“, begann er wieder zu sprechen, „Ich bin eigentlich gar kein Plüschtier.“

Mokonas Kopf arbeitete sichtlich. „Kein Plüschtier? … Und was dann?“

Ioryogi sprang energisch auf die Füße. „Ich kann das Wort Plüschtier schon nicht mehr hören! Plüschtier hier, Plüschtier da! Ein stolzer Krieger war ich! Samurai und Führer einer ganzen Armee meines Landes. Zudem beherrsche ich die Kunst des Ninjutsu wie kaum ein zweiter!“

Der weiße Kloß war beeindruckt. „Wow … dein Land war nicht zufällig Japan?“

„Doch. Aber nicht dieses hier.“

Cool, vielleicht ja Kuroganes Land, dachte Mokona. Oder vielleicht auch nicht. Wie auch immer.

„Aber warum bist du jetzt kein Krieger mehr?“

Ioryogi setzte sich wieder und verschränkte zähneknirschend die Arme.

„Das ist allein die Schuld eines verkorksten Herrschers, der sich „Gott“ schimpft. Er hat mich in dieses erbärmliche Viech verwandelt und in diese Welt verbannt. Eine Strafe soll dass sein. Zudem muss ich dafür sorgen, dass Kobato eine Flasche mit verletzten Herzen füllt. Wenn ich das geschafft habe, ist meine Strafe abgesessen - Hmmmmm“, Ioryogi knurrte vor sich hin, „Wenn es dann wirklich vorbei wäre, wäre es ja gerade noch erträglich. Aber der verdammte Zeitrahmen ist viel zu eng gesetzt. Das wird unmöglich rechtzeitig zu schaffen sein …“

Mokona schien angesichts dieser Informationen bereits überfordert. „Es … gibt auch noch einen Zeitrahmen dafür?“

„Ja leider. Ich hab keine Ahnung, ob meine Strafe jemals aufgehoben wird und ich in meinen alten Körper zurückkann.“

„Herrje, das klingt ja furchtbar! Was … was hast du gemacht, dass du bestraft wurdest?“

Ein Schatten schien sich auf Ioryogis Gesicht zu legen, so sehr verfinsterte es sich. Das Zauberwesen spürte einen Schauer seinen Rücken herunterlaufen.

„Ich hatte mich in einen Engel verliebt, doch ich stamme aus einer anderen Welt als dieser und laut Gottes Gesetzen war es mir verboten, mit ihr zusammen zu sein … Aber das ist doch völliger Humbug! Ich beschloss zu kämpfen und zog mit einer Armee gegen Gott in den Krieg … Wir haben verloren. So einfach ist das. Fertig aus.“

Mokona fehlten eine Zeitlang die Worte.

„Aber das heißt ja, du wirst niemals mit der Person zusammen sein können, die du liebst? Sie liebte dich doch auch? Also wartet sie jetzt die ganze Zeit auf dich, trotzdem ohne Hoffnung, dich wiederzusehen?“

„Nun ja, ganz so ist das nicht. Das Ganze ist etwas komplizierter …“, Das Plüschtier stockte. Sollte er das jetzt einfach so einem dahergelaufenen Klops erzählen? Er entschied sich dafür. Er hatte ja einmal angefangen. Und im Grunde war sein Gegenüber ja auch nur ein weißer Kloß. Außerdem musste er ganz nebenbei zugeben, dass es ihm bis hierher sogar guttat, mit jemandem darüber zu sprechen. [2]

„Der Engel hieß Kobato“, Ioryogi sah wie erwartet Mokonas fragenden Blick, „Und das ist kein Zufall in dem Sinne. Die beiden haben die gleiche Seele.“

„Ich weiß, was du meinst. Wir haben auf unserer Reise schon viele Personen mehrmals getroffen, die die gleiche Seele hatten.“

Gut, dachte der Plüschhund, dann klingt das Ganze wenigstens nicht ganz so unverständlich für den Kloß.

„Wir fielen also in den Himmel ein, um den Engel zu holen. Gottes Armee war unerwartet stark. Enorm stark. Es kam zu erbitterten Kämpfen. Als ich mich schließlich fast bis zu Gott vorgekämpft hatte, standen sich unsere stärksten Kämpfer gegenüber. Es wurden gewaltige, zerstörerische Schockwellen freigesetzt. Unter den ‚Hogan‘, so nannte sich Gottes Armee, war auch Kobato. Sie war leider zur falschen Zeit am falschen Ort. Gott wollte mich angreifen, als ich gerade handlungsunfähig war und holte zum tödlichen Schlag aus. Sie wollte das verhindern und warf sich eben dazwischen. Dabei wurde sie schwer verletzt. Das war der Wendepunkt. Wir kapitulierten. Glücklicherweise konnte Gott Kobato mit seiner Heilmagie retten … Aber dieser Krieg ist nicht ohne größere Verluste geblieben. Es gab leider auch viele Opfer …“, Ioryogi hielt inne. Er schien eine Weile in eine sehr schmerzhafte Erinnerung versunken.

„Und nicht nur das“, fuhr er schließlich fort, „die Wellen dieses Kampfes, sprich diese enormen freigesetzten Kräfte, waren derart stark, dass sie die Dimensionen erschütterten und Kobato, ein unschuldiges Waisenmädchen, das in dieser Welt lebte, wurde von ihnen erfasst und bekam eine unheilbare Krankheit. Sie hätte sterben müssen. Doch der Engel Kobato hatte das vorausgesehen und entschied sich, mit ihrer Seele den Körper des Mädchens zu übernehmen um sie zu heilen und ihr so zu ermöglichen, weiterzuleben. Aber es war nicht klar, ob ihr das gelingen würde. Hätte sie das nicht geschafft, wären beide draufgegangen. Also versuchte ich, ihr das auszureden, bat sie innigst, das sein zu lassen. Doch sie entschuldigte sich nur bei mir und sagte, das sei eben ihr Wunsch. Dann verschwand sie. Ich sank kraftlos auf den Boden des Schlachtfeldes. In diesem Moment war ich wohl nur noch ein Schatten meiner selbst. Schließlich flehte ich Gott auf Knien an, Kobato noch einmal zu helfen, sie nicht sterben zu lassen. Ich stand ziemlich neben mir und wusste, glaube ich, kaum noch wo oben und unten war. Und den Rest kennst du: Meine engsten Verbündeten und ich wurden in Tiere verwandelt und in diese Welt verbannt.“

Es war schmerzlich für Ioryogi gewesen, das zu erzählen. Es wühlte unangenehme, um nicht zu sagen traumatische Erinnerungen auf. Überhaupt war Mokona die erste Außenstehende, der er das Ganze erzählt hatte. Aber trotzdem musste zugeben, dass er sich nun tatsächlich ein wenig erleichtert fühlte.

Mokona hätte nicht erwartet, dass Ioryogi eine derart erschütternde Vergangenheit hatte. Sie musste das ganze selbst erst einmal verdauen. Sie wünschte, sie hätte etwas für Ioryogi tun können.

„Wurden deine Verbündeten eigentlich auch hierher verbannt?“, schickte sie sich schließlich an, zu fragen.

 „Du willst es wirklich wissen, was?“, der Plüschhund schien nicht allzu gern darüber sprechen zu wollen, „Ja, sie sind hier. Sogar ganz in der Nähe von hier. Einer ist ein Papagei, einer ein Hase und einer ein Bär, der als Baumkuchenbäcker arbeitet“, dann murmelte er mehr zu sich selbst als zu Mokona: „worin er seine Berufung gefunden hat ...“

Doch Mokona hatte es gehört. „Berufung? Kann er denn so gut backen?“

„… Was? Und ob. Er behauptet von sich sogar, der Beste seines Faches zu sein. Ob das stimmt, ist zwar fraglich, aber ich habe jedenfalls noch keinen besseren Baumkuchen gegessen“, Ioryogi lief ein Speichelfaden aus dem Mund.

Da durchzuckte Mokona ein Geistesblitz. Sie dachte daran, dass sie ja noch kein Geschenk für Sakuras Geburtstag hatten. Und so ein Baumkuchen vom besten Baumkuchenbäcker wäre doch sicher ein sehr schönes Mitbringsel. Mokona nahm sich vor, welchen zu besorgen und dafür würde sie dann sicher ein Riesenlob bekommen! Das Zauberwesen strahlte und glitzerte vor sich hin.

Das ging nicht unbemerkt an Ioryogi vorüber.

„Äh, was ist?“

Mokona packte mit beiden Ärmchen eine Pfote des Plüschhundes.

„Ioryogi, kannst du mich bitte kurz zum Baumkuchenbäcker bringen? Du hast doch gesagt, er wäre hier ganz in der Nähe.“

Was war denn plötzlich in den weißen Plüschball gefahren? Hatte er jetzt auf einmal Appetit bekommen? Trotz des ganzen Essens hier? Wobei, im Grunde war es Ioryogi auch egal.

„Hmpf, meinetwegen. Wir müssen aber ein Stück laufen.“ Ioryogi erhob sich.

„Klasse, vielen Dank!“, freute sich Mokona.

Ioryogi kam das eigentlich auch ganz recht. „Ein kleiner Spaziergang kann ja nicht schaden. Hier und allgemein als Plüschtier sitzt man sich eh viel zu oft den Hintern platt.“

 

 

Kobato bemerkte, dass sich die beiden Stofftiere von der Gruppe entfernten und rief ihnen noch hinterher: „Ioryogi-san? Wo wollt ihr denn hin?!“

„Nur kurz die Beine vertreten. Sind gleich zurück“, kam als Antwort von eben genanntem.

„Ach so, ok. Bis später dann.“

Kobato war Ioryogis Alleingänge bereits gewohnt, daher zerbrach sie sich nicht weiter den Kopf. Doch Shaolan war etwas verwirrt, denn das war eher ungewöhnlich für Mokona. Aber sie wusste schon, was sie tat. Er konnte ihr vertrauen. Außerdem war Ioryogi ja bei ihr und der schien sich hier bestens auszukennen. Also brauchte sich Shaolan auch nicht zu sorgen.

 

Mokona folgte Ioryogi durch den Pinguinpark. Nach etwa einer halben Stunde blieb Ioryogi bei einer Rutsche in Form eines großen Pinguins stehen.

„So, hier ist es.“

Mokona schaute sich um. Konnte aber nichts entdecken, das wie eine Bäckerei aussah. Doch bevor sie zu einer verwunderten Frage ansetzen konnte, erklärte Ioryogi:

 „Hier befindet sich ein Durchgang zu einer Parallelwelt. Dort oben über der Rutsche.“

Mokona schaute leicht verwundert nach oben.

Man konnte diese Öffnung, die die Welten verband, kaum sehen. Sie wäre unsichtbar für jemanden, der nicht wusste, dass sie da war. Doch Mokona sah genau hin - wie eine kleine Luftspiegelung.

Um dort durchzugelangen, mussten sie die Pinguinrutsche zur Hälfte hinunterrutschen und dort, genau auf halber Strecke, nach oben springen. Dies war zwar etwas umständlich, weil sie aufpassen mussten nicht gesehen zu werden, klappte aber schließlich problemlos.

 

 

Sie betraten das kleine Häuschen, über dessen Eingang der Schriftzug „Bär, der Baumkuchenbäcker“ angebracht war.

„Hey Bär“, grüßte der Plüschhund

„Wen hast du da mitgebracht?“, brummte der Bär fragend.

Mokona war erstaunt, vor ihr stand tatsächlich ein richtiger Bär, riesig und furchteinflößend. Wobei letzteres weniger zutraf, wenn man bedachte, dass er eine Schürze umhatte und sprach.

„Mokona ist Mokona! Sehr erfreut!“, stellte Mokona sich überschwänglich vor, „ich wollte dich um etwas von deinem leckeren Baumkuchen bitten.“

Erfreut über die Kundschaft ließ er verlauten „Kommt sofort.“

Geschäftig wirbelte er herum, doch hielt dann plötzlich in seiner Bewegung inne. „Moment mal, kannst du denn auch bezahlen?“

„Der geht auf’s Haus, Bär“, sagte Ioryogi schmatzend. Er hatte sich angeschickt, den Baumkuchen, der gerade zum Abkühlen auf dem Fensterbrett stand, zu vernaschen.

„HEY!“, brüllte der Bär wütend, „Wer hat dir erlaubt, meinen Baumkuchen anzurühren! Das machst du jedes Mal, wenn du herkommst! Du hast zu bezahlen und deine Schulden abzuarbeiten!“

„Erinnerst du dich noch an diesen hochwertigen Honig, den du neulich in dieser Doku gesehen hast? Ich besorge dir zehn Gläser davon. Und nun pack bitte den Baumkuchen für die kleine hier ein.“

„Das ist ja nett, danke“, warf Mokona ein, sich schonmal im Voraus bedankend, „ach so, und gleich als Geschenk wäre nicht schlecht.“

Doch der Bär ging auf Ioryogis Aussage ein. Seine Miene hellte sich etwas auf. „Wirklich, genau den? Na dann, gerne. Aber wehe, du lässt dich erwischen, wenn du vorhast ihn zu klauen! Du weißt, wenn Gott Wind davon bekommt, sind wir dran!“, betonte er eindringlich. Mokona spürte in diesem Augenblick bei Bär ernsthafte Besorgnis. Doch bei Ioryogi schien dies weniger der Fall zu sein. 

„Ach, mach dir doch nich‘ so’n Kopf. Niemand würde ein Stofftier verdächtigen“, seine Zähne blitzten gefährlich.

 

 

Bär verzierte den Kuchen noch mit einer Widmung und packte ihn hübsch als Geschenk ein. Mokona verschlang das Geschenk.

„Hey, das ist ja praktisch. Das würde ich auch gern können.“ Ioryogi war etwas neidisch auf Mokonas Fähigkeit, denn er musste seinen Baumkuchen selbst schleppen.

Die beiden Plüschfiguren hatten sich auf den Rückweg gemacht und durchquerten wieder das Portal, das zurück in die andere Welt führte.

Plötzlich blieb Ioryogi stehen und drehte sich um. „Ich weiß, dass du da bist, Ginsei“, rief er, in seinen Augen blitzte etwas hell auf, was Mokona beunruhigte. „Mit wem sprichst du?“

„Komm schon raus!“, Ioryogi ignorierte Mokonas Frage und sein Grinsen erinnerte den Kloß an Kuroganes freudiges Grinsen angesichts eines bevorstehenden Kampfes.

Und schon wurde er angegriffen. Wie aus dem Nichts schoss ein Schatten auf sie zu, blitzschnell und ganz dicht an Mokona vorbei, so dass diese sich einmal um sich selbst drehte, taumelte und mit dem Gesicht im Gras landete. Als sie sich wieder aufgerappelt hatte, sah sie direkt neben sich einen großen Hasen mit Augenklappe, der sie in Angriffsposition feindselig anstarrte. Er stand auf zwei Beinen und an seinen Pfoten waren überlange, scharfe Krallen.

„Wer ist das?“, fragte der Hase mit eiskalter Stimme.

Mokonas Herz raste vor Schreck. War das etwa auch einer von Ioryogis Freunden?

„Nur eine Bekannte. Sie ist auf der Durchreise. Lass sie in Ruhe.“

„So ...“

„Machen wir lieber einen kleinen Übungskampf“, lenkte der Plüschhund  vom Thema ab und stellte sein Baumkuchenpaket ab.

„Was … Übungskampf?“, der weiße Kloß war verwirrt.

 

 

Mokonas Protest, sie sollten lieber zu den anderen zurück und warum sie jetzt unbedingt kämpfen müssten, nicht beachtend, entbrannte ein heißer Kampf zwischen Ginsei und Ioryogi. Mokona schlussfolgerte, dass dieser „Ginsei“, wenn sie den Namen richtig verstanden hatte, wohl ein Freund von Ioryogi war. Einer, der für Ioryogi wohl eine Art Trainingspartner war.

 Mokona hätte nicht erwartet, dass Ioryogi ein so guter Kämpfer war. Man hätte meinen können, Ioryogi müsste der Unterlegene sein, in seiner Plüschtiergestalt, doch er schlug sich sehr taff. Geschickt wich er Ginseis Krallen aus und attackierte ihn mit Tritten. Sie waren blitzschnell, der Hase konnte auf Bäume springen und von Ast zu Ast, Ioryogi ihm dicht auf den Fersen. Menschen waren in diesem Teil des Parks vergleichsweise wenig zu sehen. Und selbst wenn sie jemand sah, wurden sie durch ihre Geschwindigkeit für Eichhörnchen oder Ähnliches gehalten.

Mokona hopste (leicht genervt) hinterher. Nach einiger Zeit rief Ioryogi ihr zu: „Geh ruhig schon mal vor zu den anderen. Das hier kann noch eine Weile dauern.“

Na toll, dachte Mokona. Aber sie war erleichtert, hier nicht länger warten zu müssen. Bisher hatte sie sich sowieso nur aus Höflichkeit so geduldig gezeigt.

„Also, bis später, dann“, rief sie den beiden noch zu. Dann drehte sie sich um und machte sich auf den Rückweg.

 

 

Mokona beeilte sich, in Vorfreude darauf, wie sie den anderen das Geschenk präsentieren und dafür ein großes Lob einheimsen würde. Sie hopste so schnell sie konnte.

Die Bäume warfen bereits lange Schatten auf den mit orangefarbenem Licht durchfluteten Park. Der Nachmittag ist fast vorbei, bemerkte Mokona. Die anderen wurden sicher schon unruhig, weil sie so lange weg war, und beeilte sich gleich noch ein bisschen mehr.

Doch als sie an einer Weggabelung angelangte, stellte Mokona fest, dass die Wege hier alle gleich aussahen. Wo musste sie noch gleich abbiegen, links oder rechts? Oder war sie bereits auf dem falschen Weg? Das Reisbällchen stellte fest, dass es sich verlaufen hatte.

Mokona konzentrierte sich, um Fyes Magie zu erspüren. Aber die Schwingungen waren dummerweise nicht feststellbar, wahrscheinlich da er die Magie nicht eingesetzt hatte oder gerade einsetzte. Und was waren das für andere Schwingungen, die sie umgaben?

Sie überlegte, was sie nun tun konnte. Zurück zu Ioryogi würde sie sicher nicht mehr finden. 

Ihr blieb keine andere Wahl, als auf gut Glück einfach irgendeinen der Pfade weiterzugehen, die sich vor ihr gabelten.

Mokona fühlte sich sehr mies, dass sie so verloren und so weit weg von den anderen war, ohne ihnen vorher Bescheid gesagt zu haben, wo sie hinwollte. Irgendwann blieb sie verzweifelt stehen, was nun?

Sie sah, wie die Kirschblütenblätter langsam und lautlos herabsegelten und den Boden bedeckten. Lückenlos bedeckten. Ihre Füße bedeckten. Und es wurden immer mehr. Mokona versank schon fast darin. Konnten Bäume so viele Blüten haben?

Das Reisbällchen kämpfte sich durch die Blütenblätter-Berge, bis sie wieder einen normalen Weg erreichte.

Irgendwann kam sie in einen Bereich des Parks, der ihr bekannt vorkam. Hier saßen wieder mehr Leute auf Picknickdecken herum. Sie glaubte sich zu erinnern, mit Ioryogi vorhin hier vorbeigekommen zu sein. Ja, sie war sicher schon fast wieder bei den anderen! Sie bog auf einen schmaleren Pfad ab, hielt aber plötzlich verwundert an. In der einen Sekunde zauberte das Sonnenlicht noch sich bewegende Muster auf den Boden, in der nächsten war es stockfinster.

„Was zum … Ist es denn schon Nacht?“, fragte sich Mokona erschrocken. Und es war mehr als nur Nacht. Es war nichts mehr zu erkennen, keine Umrisse von Bäumen, keine Sträucher, keine Sterne oder Wolken. Da war nur eine einheitliche Schwärze.

Mokona kämpfte gegen die aufsteigende Panik an. Sie zwang sich logisch nachzudenken. Hier stimmte etwas ganz und gar nicht. Es wurde dunkel, obwohl es eigentlich noch Tag sein sollte. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Sie konzentrierte sich so, wie sie es immer getan hatte, wenn sie eine von Sakuras Federn aufspüren wollte - und spürte Magie. Sie hatte sich vorhin nicht getäuscht, da war irgendetwas. Die Magie kam nicht nur von einer einzigen Quelle, sondern von verschiedenen ganz in ihrer Nähe. Und es waren zwei verschiedene Arten. Doch Moment, täuschte sie sich oder war das -

Ein Rufen unterbrach sie in ihrem Gedankengang. Es war die helle Stimme eines Jungen.

„Dark? Flower! Was macht ihr denn schon wieder? Kommt bitte sofort zurück!“

Plötzlich wurde es wieder hell. Das Licht der spätnachmittäglichen Sonne schien wieder durch die Zweige der Bäume. 

 

 

Mokona drehte sich um, um in die Richtung zu schauen, aus der die Stimme gekommen war.

„Wer seid ihr denn?“, vor ihr standen zwei junge Frauen in eigentümlichen, schmuckvollen Gewändern. Eines war schwarz und eines rosa und mit Blumen verziert. Diese beiden waren keine Menschen, sondern magische Wesen, dessen Magie Mokona erspürt hatte.

Die beiden wendeten sich ab und erst jetzt bemerkte Mokona, wer da gerufen hatte.

Ein paar Meter von ihr entfernt stand ein relativ kleiner Junge mit einer großen runden Brille und einem weichen Lächeln auf dem Gesicht. Er hielt zwei Karten demonstrativ in die Höhe. Die Wesen schwebten darauf zu - und verschwanden in den Karten.

Von diesem Jungen ging die zweite Art der Magien aus, die sie spürte. Und diese kam ihr sehr bekannt vor. War das etwa … Aber das war unmöglich.

„Clow, bist du es?“, fragte sie etwas zögerlich.

„Hallo Mokona, schön, dich wiederzusehen.“ [3]

Er hatte gerade ihren Namen genannt. Er kannte sie. Also war das wirklich Clow Lead? Der Clow, den sie gekannt und so geliebt hatte, wie einen eigenen Vater? Aber was dagegen sprach, war sein völlig verändertes Erscheinungsbild. Ein kleiner Junge. Seine magische Kraft war zwar unverkennbar, doch sehr viel schwächer als früher.

„Clow … was machst du hier und wieso bist du ein kleiner Junge?“, brachte der weiße Klos heraus.

Der Junge seufzte.

„Clow Lead ist tot. Ich bin nicht mehr Clow. Ich bin seine Reinkarnation, mein Name ist jetzt Eriol.“

Mokona öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, brachte aber keinen Ton heraus. Sie wusste nicht, welche Frage sie zuerst stellen sollte.

„Aber das ist eine lange Geschichte. Die werde ich dir später in Ruhe erzählen.“

Mokona fand schließlich ihre Stimme wieder.

„Wer oder was waren diese beiden Frauen?“

„Ach das. Das waren zwei Clow Cards. Sie gehören eigentlich Sakura-chan. Sie ist nach mir die Hüterin über diese ‚Karten‘ geworden. Ich passe nur auf sie auf, während Sakura-chan in Hongkong bei ihrem Freund zu Besuch ist. Da das Haus, in dem ich wohne, ziemlich abgelegen ist, können sie sich auch mal frei bewegen. Leider kann man ihnen nicht abgewöhnen, sich immer wieder mal kleine Scherze zu erlauben. Ich hoffe sie haben dich nicht zu sehr erschreckt.“

„Ach was, überhaupt nicht. Mokona erschreckt sich nie“, musste sie natürlich sofort kopfschüttelnd antworten. Aber das war ja interessant. Vielleicht sprach er von derselben Sakura wie Tomoyo vorhin. Und diese kannte Clow also auch - sowas!

Clow oder Eriol sah auf die Uhr seines Smartphones.

„Es wird Zeit“, stellte er fest. Dann wandte er sich wieder dem kleinen Zauberwesen zu.

„Komm mit Mokona“, er lächelte und hielt ihr einladend seine Hand entgegen, „du willst doch zu den anderen zurück? Ich bin auch gerade auf dem Weg dorthin. Tomoyo hat mich eingeladen.“

Das war typisch Clow. Alles konnte er vorhersehen. Und wie er das so sagte und seine ganze Art wirkten so vertraut auf sie. Kein Zweifel, für sie war er immernoch ihr Clow, egal wer er zu sein behauptete.

Mokona kletterte frohen Mutes auf seine Schulter und so machten sich die beiden auf den Weg.

 

 

Unter anderen Umständen hätte Shaolan sicher geschmunzelt aufgrund der Tatsache, dass Toya, sobald er wieder zu den Freunden stieß, als erstes Yukito einen Kuss geben musste. Die beiden verband offensichtlich auch in dieser Welt eine wohlgemerkt ziemlich tiefe Freundschaft.

Doch die Umstände waren in diesem Moment selbst für einen Dimensionsreisenden wie Shaolan, der schon so viele eigentlich unmögliche Dinge erlebt und gesehen hatte, dermaßen absurd, dass er gerade um sich herum nichts wahrnahm. Außer zwei Personen, die auf ihn zukamen. Shaolan schwindelte und er vergaß für einen Moment zu atmen. Er stand sich erneut selbst gegenüber.

 

 

Shaolan Li und seine Freundin Sakura Kinomoto waren noch ziemlich müde von ihrer langen Reise aus Hong Kong. Shaolan hätte sich am liebsten erstmal etwas aufs Ohr gehauen. Doch Sakura hatte darauf bestanden, Tomoyos Einladung nachzukommen. Nur kurz Hallo sagen würde ja ausreichen, hatte sie gemeint, und allzu lange müssten sie ja nicht bleiben. Shaolan kannte Tomoyo gut genug, um zu wissen, dass sie Feuer und Flamme war, Sakura endlich wiederzusehen. Also hatten sie nur schnell ihr Gepäck bei Sakura zu Hause abgestellt und hatten sich mit Toya gleich wieder auf den Weg gemacht.

 

 

Als sie an ihrem Treffpunkt im Park ankamen, wurden sie erstmal überschwänglich begrüßt. Tomoyo und Sakura fielen sich in die Arme.

„Sakura-chan“, Tomoyo schluchzte.

„Ist ja gut, Tomoyo-chan. Wir waren doch nur ein paar Wochen weg.“

„Mir kommt es aber vor wie Jahre, wenn du nicht da bist.“

„Komm schon. Wir haben doch jeden Tag telefoniert“, versuchte Sakura sie zu beruhigen.

„Natürlich, du hast Recht. Entschuldige, mit mir sind schon wieder die Gefühle durchgegangen. Die Wiedersehensfreude hat mich einfach übermannt.“

Plötzlich fing sie sich wieder und klatschte in die Hände.

„Oh! Ich muss diesen einmaligen Moment natürlich festhalten!“, Tomoyo kramte ihre Kamera hervor. „Lächeln!“

Sakura versuchte sich an einem schiefen Grinsen.

„Wie hübsch du wieder aussiehst! … Fast hätte ich’s vergessen. Du musst bitte noch das hier anziehen und das aufsetzen“, sie hielt ihr ein Kleidungsstück in leuchtenden Grün- und Gelbtönen entgegen und einen dazu passenden Hut.

„Äh, danke. Aber das wäre doch nicht nötig gewesen …“

„Doch, du musst doch für die Kamera top aussehen, diese Farben passen perfekt zu deinem Typ - Stimmt doch, oder Shaolan?“, Tomoyo wendete sich Sakuras Freund zu.

Aber der hatte gerade überhaupt nicht zugehört. Ihm waren gerade diese Neuen aufgefallen. Die hatte er ja noch nie gesehen. Und der eine - Shaolan Li hatte fast das Gefühl, man hätte einen Spiegel vor ihn gestellt. Der Typ könnte sein Zwilling sein. Aber ihm war nichts davon bekannt, dass er evtl. einen hätte.

Dieser Zwilling stand da wie eine Salzsäule und starrte ihn an, als wäre er grün und gerade einem Ufo entstiegen. Sein Blick sprang zwischen ihm und Sakura hin und her. Irgendwie ließ das Shaolan einen Schauer seinen Rücken hinunterlaufen. Er blickte hilfesuchend zu Sakura und bemerkte, dass sie wieder diesen verklärt-wissenden Blick drauf hatte, den sie immer bekam, wenn eine Situation eintrat, die sie zuvor im Traum gesehen hatte.

„Tomoyo, nun lass mich doch auch mal zu Wort kommen“, meldete sich Fujimoto dazwischen, „Ich habe meiner Tochter noch gar nicht hallo gesagt.“

Fujimoto begrüßte und umarmte Sakura und meinte: „Und nun setzt euch doch erstmal alle. Hier, nehmt was zu trinken.“

Das brachte Shaolan dazu, sich aus seiner Erstarrung zu lösen und stellte sich und die anderen Reisenden vor.

„Hallo, mein Name ist übrigens Shaolan und das sind Kurogane-san und Fye-san. Wir sind auf Reisen“, er konnte nicht verhindern, dass seine Stimme etwas gehetzt klang.

Shaolan Li wurde leicht flau im Magen. Shaolan … Was hatte das zu bedeuten? Träumte er gerade? Da stand ihm jemand gegenüber, der genauso aussah wie er selbst und sogar den gleichen Namen hatte. Klar, es war nicht ausgeschlossen, dass das ein Zufall sein konnte. Doch in diesem Fall war er sich sicher, dieses Treffen war wohl Fügung.

 „Ich wusste bereits, dass wir uns hier treffen würden“, sagte Sakura, direkt an Shaolan gewendet.

Das kam jetzt etwas plötzlich für Shaolan Li. Ungewollt klappte sein Mund ein Stück auf.

„Sakura hat mal erwähnt, sie habe mit einer anderen Sakura im Traum gesprochen. Also warst du das?“, fragte Shaolan unverwandt.

„Ja, sie hat mir bereits alles über euch erzählt.“

„Was?“, Shaolan Li schaute perplex aus der Wäsche, „Ich glaube, ich habe etwas verpasst.“

Sakura zeigte ein entschuldigendes Lächeln.

„Tut mir leid, Shaolan. Ich hätte dir längst davon erzählen sollen …“

„Was erzählen?“

„Das … ist eine längere Geschichte. Ich wollte dich bloß nicht beunruhigen. Tut mir leid“, sie schien ein schlechtes Gewissen zu haben.

„Dann wird es Zeit, dass mich jemand aufklärt, oder?“

„Nun setzt euch doch erstmal alle“, kam es zum zweiten Mal von Fujimoto. Er hatte Recht, sie mussten hier ja nicht länger so komisch rumstehen. Es war wohl das Vernünftigste, der Aufforderung erst einmal nachzukommen.

Kaum hatten sie sich gesetzt, begann sich Sakuras Tasche von selbst in Bewegung zu setzten. Zudem kam ein Flüstern aus der Tasche.

„Psst, Süße, kann ich rauskommen?“

Sakura schlug sich die Hand vor das Gesicht. „Natürlich, muss ich den denn immer vergessen? … Ja, keine Gefahr mehr in Sicht, Kero-chan.“

Sakura öffnete die Tasche und ließ das gelbe, katzenartige Wesen mit den zwei weißen Flügeln heraus.

„Kero-chan?!“, riefen die Neuankömmlinge im Chor. Den hatten sie doch auch schon mal getroffen!

Als er die Reisenden erblickte, bekam er, wie zuvor Sakura, einen seltsam verklärt-wissenden Blick. Doch dann änderte sich seine Miene schlagartig zu einem fröhlichen Grinsen. „Hi Leute“, sagte er dann nur cool.

 

 

Die Reisenden erzählten Shaolan und Sakura ihre Geschichte und umgekehrt. Während Sakura Kinomoto vieles bereits klar war, erschien Shaolan das Ganze noch äußerst bizarr. Ihm war bereits einiges über Magie bewusst, er hatte bereits eine Schulung seiner magischen Fähigkeiten erhalten. Auch die Existenz anderer Welten war dabei erwähnt worden. Dennoch übertrafen die Berichte dieser Besucher gänzlich seine bisherigen Vorstellungen. Ihm war zwar klar gewesen, dass der gleiche Mensch in verschiedenen Dimensionen existieren konnte, doch es war noch mal viel erschütternder, seinem anderen Ich dann persönlich zu begegnen. Sie waren die gleiche Person, doch in dem, was sie erlebt und erfahren hatten, hätten sie unterschiedlicher nicht sein können, fand Shaolan Li. Dessen Alter-Ego hatte im Gegensatz zu ihm selbst überhaupt nichts Kindliches an sich. Er wirkte älter, seine Gesichtszüge schienen gezeichnet von den Strapazen übermenschlicher Anstrengung, vom Leid, dass er mitansehen musste, ohne helfen zu können, von dem Schmerz, den es kostete, um das Leben geliebter Menschen zu kämpfen und doch zu verlieren. Und nicht zuletzt von der großen, auf sich geladenen Schuld.

All das berührte Shaolan in den Tiefen seiner Seele.

„Wenn es doch nur einen Weg gäbe, diesen Preis schneller abzubezahlen …“, rutschte es Sakura heraus. Sie hatte das Ganze sicher auch alles andere als kalt gelassen. Damit hatte sie ausgesprochen, was sich im Grunde alle wünschten, von dessen Unwahrscheinlichkeit sich aber auch alle bewusst waren. Aber Shaolan kannte Sakura und deren Hilfsbereitschaft und Hartnäckigkeit.

„Ich wünschte, ich könnte etwas für euch tun …“, redete sie weiter, „Eriol meinte, meine magischen Kräfte seien bereits größer als die Clow Leads. Aber … ich habe leider keine Ahnung, wie ich sie einsetzten oder kontrollieren kann …“ [4], Sakura schaute betreten zu Boden.

„Eriol?“, bemerkte Kurogane, „das ist doch der, den Tomoyo vorhin angerufen hat, oder? Wer ist das eigentlich?“

Die Antwort kam von einer ihnen unbekannten Stimme, die sie herumfahren ließ.

„Ich bin Eriol.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[1] Kennt ihr das Bild im 3. Artbook von CCS? Das zeigt Yukito und Touya mit verschiedenen Lehrbüchern XD

[2] Die Geschichte von Ioryogi und Kobato habe ich jetzt mal teilweise etwas umgedichtet oder weitergesponnen. Sie wird später noch eine größere Rolle spielen.

[3] Ich gehe davon aus, dass Mokona Clow Lead kennt. In Tsubasa sagt Yuko mal, sie hätte gemeinsam mit Clow die beiden Mokonas erschaffen.

[4] Nein, nicht wie Hulk.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, das war das erste Kapitel ^0^. Hoffe es hat gefallen :D (und war nicht zu langweilig x____x)
Das Schaf kommt auf Wunsch von himbeer-temari vor, weil sie Schafe so mag :3 Ich hoffe du bist zufrieden ^^

Im nächsten Kapi gibt’s mehr Action!! Einschließlich KuroFye xD

Und ich freue mich auf jeden Fall sehr über Kommis und nehme auch Kritik dankbar an ^^
Bis zum nächsten Mal ^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Soweit, so gut =__=
Mir gefällt es nicht wirklich … Ich hoffe, ich bessere mich noch.
Ich gratuliere denen, die sich bis hierher durch diese ellenlangen Kapitel gekämpft haben! (falls es die gibt x’D)
Bis zum nächsten Mal! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
So, bis hierhin erstmal ^^
Was empfindet ihr so beim Lesen?
Ich freue mich auf eure Rückmeldungen.
Bis zum nächsten Mal! Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  ryuuka
2015-04-16T18:17:04+00:00 16.04.2015 20:17
Yay neues Kapitel! Und natürlich bin ich noch mit von der Partie.
Ich musste allerdings die komplette fic nochmal lesen, weil ich nicht mehr wirklich wusste worums ging ^^"
Aber dabei ist mir aufgefallen, dass dein Schreibstil sich sehr verbessert hat mit den Kapiteln und besonders das hier ist sehr flüssig und spannend geschrieben. Witzigerweise habe ich in letzter Zeit nach TCRxCCS Crossovers gesucht^^. Ich muss sagen, ich habe Kobato nicht wirklich gelesen oder gesehen, eig nur die Folge mit den TCR Charakteren, aber die Hintergrundgeschichte vom Plüschhund hat mir gefallen. Bin mal gespannt was du noch so in petto hast, bis jetzt kann ich nicht voraussehen in welche Richtung sich deine Geschichte entwickeln wird.

Liebe Grüße,
ryuuka
Von:  ryuuka
2014-09-15T15:38:44+00:00 15.09.2014 17:38
Sugooii! Eine wirklich gelungene Fortsetzung. Ich habe den Manga heute erst fertig gelesen (War echt verwirrend) und dann hab ich gleich deine FF gefunden. Du schreibst wirklich toll und ich bin schon gespannt wie es wohl weiter gehen wird. Bitte schreib bald weiter, ja?


Zurück