Zum Inhalt der Seite

Composer of Time

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Musik

Etwas im Manafluss änderte sich abrupt.

Er hätte gern gesagt, dass er es spürte, aber dem war nicht so. Obwohl er ein Eternal war, fühlte er sich nicht in der Lage, derartige Dinge wahrnehmen zu können. Es war ungewöhnlich für jene seiner Art, aber für ihn schon lange nichts Neues mehr.

Stattdessen bemerkte er diese Veränderung in der Musik, die den Raum erfüllte, in dem er sich aufhielt und bis eben friedlich auf einem Sofa gedöst hatte. Die einst so friedlichen Geigenklänge wurden plötzlich verstimmt, als ob die Saiten mittendrin beschlossen hätten, sich zu lockern.

Durch die Müdigkeit, die er noch immer spürte, dauerte es einen Moment, bis ihm klar wurde, was das bedeutete. Aber dann traf es ihn umso härter.

Im nächsten Moment saß er bereits aufrecht auf dem Sofa, richtete seine verrutschte Brille und blickte dann zu einem runden Tisch hinüber, der einige Schritte entfernt stand. Auf diesem stand ein kleines Podest, auf dem eine blau glühende Kugel thronte, in deren Inneren sich stets etwas zu bewegen schien und dabei die Laute erzeugte, die er hörte.

Schwerfällig erhob er sich schließlich vollständig und ging hinüber, um nachzusehen, worum es sich bei dieser Störung handelte. Es gab verschiedene Gründe für Differenzen im Manafluss, die Geburt einer neuen Welt, das sterben einer alten, die Ankunft eines Eternal...

Letzteres wollte er am Allerwenigsten erleben. Es bedeutete stets Ärger und beinhaltete viel zu viel Anstrengung, der er sich vor allen in diesem Moment nicht aussetzen wollte. Er hoffte, betete regelrecht, dass es keine weiteren Probleme gab – und stellte entsetzt fest, dass genau das eingetreten war, was er immer befürchtet hatte.

Aber was könnten Eternal in dieser Welt wollen?

Er war ziemlich ruhig, bemühte sich stets darum, nicht aufzufallen und ließ alles in allem auch alle Bewohner dieser Welt in Ruhe, mischte sich nicht in ihre Kämpfe und beobachtete lediglich die Entwicklung, die alles nahm. Es gab also keinerlei Grund, dass ein Eternal einmal auf ihn aufmerksam geworden sein konnte, insofern gab es lediglich die Möglichkeit, dass sie hier waren, um der Welt selbst zu schaden. Etwas, das ihn eigentlich nichts angehen müsste – wenn da nicht noch die Wahrscheinlichkeit bestünde, dass er in diesem Verlauf ebenfalls litte, schon allein weil er eigentlich kein Interesse daran hegte, diese Welt zu verlassen und sich eine neue zu suchen.

Er müsste herausfinden, worum es sich bei diesen Eternal handelte, was sie hier wollten, ohne dass sie dabei jemandem schaden könnten und das ging nur auf eine Weise.

Vorsichtig berührte er die glühende Kugel, konzentrierte sich dabei auf die Vorstellung, die dabei durch sein Inneres wandelte. Die verstimmte Musik stoppte abrupt und dann begann eine neue Melodie zu spielen, eine viel feinere und wohlklingende, während sich die Welt, zumindest teilweise, ganz nach seinen Wünschen zu ändern begann.

Aufziehender Sturm

Ein Himmel, bedeckt mit schwarzen Wolken, die einen nahenden Sturm ankündigten, sah in jeder Welt gleich aus, stellte Yuuto wieder einmal fest. Sein Blick galt diesen Wolkenbergen, zu denen sich in der Ferne bereits Donnergrollen gesellt hatte. Unwillkürlich war er stehengeblieben, um das Wetter genauer zu mustern, obwohl er sich damit nicht weiter auskannte. Aselia war darin geübt, sie konnte ihm bei jeder Witterung allein durch einen Blick zum Himmel sagen, wie es werden würde, er aber war darauf beschränkt, diese absolut offensichtlichen Zeichen zu deuten.

Aselia blieb deswegen auch nicht stehen und lief einfach weiter, als ob ihr gar nicht aufgefallen wäre, dass er nicht mehr an ihrer Seite war.

„Solltest du ihr nicht folgen?“

Die Stimme schnitt durch seine Gedanken wie ein unangenehmes Klingeln. Es war sanfter als das seines alten Shinken, aber manchmal immer noch unangenehm anzuhören, besonders wenn er nicht darauf vorbereitet gewesen war, wie eben in diesem Moment.

Irgh... Hör endlich auf, mich zu erschrecken.

„Was soll ich denn tun?“, erwiderte die Stimme, die zu 'Seiken' gehörte, empört. „Dir vielleicht erst auf die Schulter tippen?“

Yuuto hätte abgewunken, aber er wusste, dass das nicht nötig war, deswegen seufzte er nur und schloss sich Aselia an, ehe sie aus seiner Reichweite verschwinden könnte. Allerdings würde das nicht so schnell geschehen, da sie inzwischen ebenfalls stehengeblieben war. Es war der Eingang eines kleinen Dorfes, das von einer kleinen Mauer geschützt wurde, die auch schon bessere Zeiten gesehen hatte. Die Häuser waren zwar aus Stein gefertigt, aber die Dächer waren noch mit Stroh gedeckt, als wäre verpasst worden, dass Ziegel wesentlich praktischer waren.

Es war still im Ort, fast schon mehr als es Yuuto gefiel. Alle schienen sich vor dem drohenden Sturm in Sicherheit gebracht zu haben und er bekam das Bedürfnis ebenfalls, als der Wind heftig zu wehen begann. Er rüttelte an den hölzernen Fensterläden, obwohl sie fest verschlossen waren und erzeugte damit einen polternden Chor, der Yuuto einen Schauer über den Rücken jagte und ihn glauben ließ, dass sich von allen Seiten jemand für einen Angriff zu nähern versuchte.

„Wir sollten ein Gasthaus aufsuchen“, schlug er daher vor, als er Aselia endlich eingeholt hatte.

Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und nickte. „Mhm.“

Seit einigen Wochen, Monaten – es fiel ihm noch immer ein wenig schwer, in Eternal-Maßstäben zu denken, obwohl er bereits schon lange ein solcher war – benahm sie sich bereits wieder so distanziert wie damals, als sie sich begegnet waren. Die Unwissenheit über den Aufenthaltsort ihrer Tochter setzte ihr dermaßen zu, dass sie sich emotional distanzierte und wieder zu ihrem alten Ich zurückkehrte, vermutlich, weil sie sich damals unter Kontrolle halten konnte.

Sie folgte Yuuto zu einem Haus, an dem ein verwittertes Schild angebracht war. Die Buchstaben darauf waren nur noch schwer zu lesen, aber sie verrieten eindeutig, dass es sich hierbei um eine Herberge handelte. Die Matte, die vor der Tür lag, hieß die Besucher willkommen, was Yuuto ein warmes Gefühl vermittelte.

Als er die Tür öffnete, erklang das helle Läuten einer Glocke, das den Besuch ankündigte. Dumpf erklang aus einem Hinterzimmer eine Stimme, die sie aufforderte, einen Moment zu warten.

Der Empfangsraum war überraschend dunkel, wie Yuuto fand, aber immerhin sauber. Eine Treppe führte nach oben und direkt daneben gab es einen Empfangstresen, auf dem eine Gaslaterne ein wenig Licht spendete, während nur noch wenig davon durch die Fenster neben der Treppe fiel.

Aselia legte eine Hand auf ihr Herz, während sie sich umsah und seufzte leise. „Es ist still...“

Tatsächlich war es im Gebäude wesentlich leiser als draußen, das Poltern war kaum noch zu hören, aber als still hätte Yuuto es sicherlich nicht bezeichnet.

„Glaubst du, Tokimi ist bereits hier?“, fragte Yuuto, um die Geräusche von draußen zu übertönen.

Aselia sah zu ihm hinüber und neigte den Kopf, dabei stellte sie einen klar verwirrten Gesichtsausdruck zur Schau, den er richtiggehend süß fand. Es war noch immer genau derselbe wie zu jener Zeit, als sie sich kennengelernt hatten und Yuuto hoffte, dass sich daran niemals etwas ändern würde, egal wie lange die Ewigkeit andauerte.

„Ich kann sie nicht spüren“, erklärte sie schließlich.

Das musste nicht viel bedeuten, wie er wusste, Tokimi war geschickt darin, ihre Präsenz zu verschleiern – aber viel wahrscheinlicher war doch die Tatsache, dass sie sich noch nicht in dieser Welt befand. Wenn er daran zurückdachte, dass sie erst nach Ende des Krieges nach Phantasmagoria gekommen war, glaubte er nicht daran, dass Tokimi irgendwo zu früh hinkam. Sie selbst würde vermutlich sagen, dass sie immer zur richtigen Zeit erschien, aber für alle anderen schien es eher so als würde sie einen warten lassen. Vielleicht verließ einen Eternal aber nach einer Weile auch nur das normale Zeitverständnis.

„Dann müssen wir wohl eine Weile warten.“

„.. mhm.“

Damit fiel sie wieder ins Schweigen zurück und wandte auch den Blick ab, als wäre es ihr zu müßig, ihn anzusehen, ohne ein Wort mit ihm zu wechseln.

Hinter dem Tresen öffnete sich eine Tür, die Yuuto bis dahin gar nicht aufgefallen war. Er erwartete, dass eine junge Frau herauskommen würde, so wie sie in vielen Gasthäusern, in denen sie bislang gewesen waren, am Empfang gestanden hatten. Doch es war ein Mann, der schließlich heraustrat. Über seiner einfachen Kleidung trug er eine braune Schürze, die zu seinem braunen Haar passte, das zwar sorgsam zurückgekämmt worden war, aber dennoch schafften es einige Strähnen, sich daraus zu lösen, so dass er nicht ganz so streng wirkte.

„Herzlich Willkommen in Pandorem“, grüßte er die Besucher mit einem Lächeln. „Ihr habt euch nicht gerade das beste Wetter ausgesucht.“

„Sieht ganz so aus.“ Yuuto seufzte leise. „Aber wir haben Zeit, bis das Wetter wieder besser wird.“

Davon hatten sie sogar jede Menge, wenn er darüber nachdachte, immerhin stand ihnen die Ewigkeit zur Verfügung. Aber das musste er natürlich niemandem auf die Nase binden.

Der Gastwirt – der sich ihnen als John vorstellte – verneigte sich leicht vor ihnen. „Das freut mich wirklich sehr. Ihr wollt also eine Nacht bleiben?“

Sie nickten beide gleichzeitig, worauf John sie in das Gästebuch eintragen ließ.

„Ich wünsche euch einen angenehmen Aufenthalt und hoffe, der Sturm heute Nacht wird euch nicht unnötig wachhalten.“

Er beschrieb ihnen den Weg zu ihrem Zimmer, worauf sie dieses sofort aufsuchten. Die Fensterläden waren noch geöffnet, so dass Yuuto die riesigen Regentropfen sehen konnte, die gegen die Scheibe klatschten. Sie waren offenbar gerade noch rechtzeitig ins Gasthaus gekommen.

Um zumindest etwas Licht zu schaffen, entfachte Yuuto die bereitgestellte Gaslaterne, auch wenn es ihm danach eher so vorkam, als wären die Schatten noch dunkler als zuvor.

Das Bett, das an der Stirnseite des Raumes stand, war aus einfachem, hellem Holz, der Tisch direkt gegenüber schien aus genau demselben Material zu bestehen. Einen Schrank suchte man vergeblich, aber das Zimmer war ohnehin derart klein, dass er auch gar nicht mehr hineingepasst hätte.

Aselia stand am Fenster und blickte wieder hinaus, als suche sie dort nach etwas. Yuuto konnte sich durchaus vorstellen, worum es sich dabei handelte, auch wenn er wusste, dass die Wahrscheinlichkeit, es zu entdecken, gegen Null ging.

Anfangs hatte er ihr Durchhaltevermögen, ihren Optimismus, bewundert. Aber inzwischen machte er sich nur noch Sorgen um sie, es störte ihn sogar schon fast, dass sie das immer noch tat.

„Das tut es nur, weil es dir zeigt, wie wenig Hoffnung du selbst noch hegst.“ 'Seikens' Stimme zersplitterte die Stille in seinem Inneren.

Das hat nichts mit Hoffnung zu tun. Ich mache mir lediglich Sorgen um sie. Ich weiß, dass sie auf sich achten kann, aber...

„Dann mach dir nicht zu viele Gedanken darum. Sie wird wiederkommen, wenn ihr Auftrag erledigt ist.“

Manchmal fragte Yuuto sich, ob 'Seiken' wirklich verstehen konnte, wie man sich als Mensch fühlte und wie komplex das Zusammenspiel von Hoffnung und Verzweiflung waren. Aber er stellte diese Frage nicht an das Shinken selbst, weil die Antwort ohnehin nicht zufriedenstellend für ihn wäre.

„Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Yuuto. „Warten wir bis Tokimi uns kontaktiert?“

„Mhm. Wir haben keine Wahl.“

Das stimmte tatsächlich. Tokimi hatte sie herbeordert, ihnen aber keine Gründe genannt, weswegen sie nicht davon ausgehen konnten, dass es sich hierbei um einen wichtigen Auftrag handelte. Er hielt es auch für unwahrscheinlich, dass sie Euphoria gefunden hatte, sonst wäre sie es gewesen, die sie aufsuchte, um ihnen ihre Tochter zurückzubringen.

Also blieb ihnen wirklich keine Wahl, außer zu warten, dass Tokimi zu ihnen kommen oder ihnen eine weitere Nachricht senden würde. Yuuto gefiel das nicht im Mindesten, er hasste es zu warten, die Hände in den Schoß zu liegen und zu beobachten. Das hatte er während seiner Zeit in Phantasmagoria oft genug getan, deswegen wollte er es nun nicht mehr tun. Als Eternal war er wesentlich kraftvoller als damals als Mensch, er war mächtig und diese Fähigkeiten wollten nützlich eingesetzt, wollten verwendet werden. Deswegen war er immerhin ein Eternal geworden.

Aselia löste sich schließlich vom Fenster, als der Sturm stärker zu werden begann und Blitze über den Himmel zuckten. Yuuto konnte sich an kein Gewitter in Phantasmagoria erinnern, weswegen er überzeugt war, dass es Aselia manchmal Furcht einflößte, auch wenn sie es sicher niemals zugeben würde.

Sie setzte sich auf das Bett und streifte ihre Schuhe ab. „Yuuto... denkst du, es wird noch lange dauern, bis Euphoria wieder zurückkommt?“

Was sollte er ihr nur antworten? Er war überzeugt, dass es noch lange dauern würde, bis sie wiederkam, dass die ihr von Rogus auferlegte Mission noch einiges an Zeit in Anspruch nehmen würde. Ansonsten hätte es keinerlei Sinn gemacht, dass der Anführer selbst ihr diesen Auftrag erteilte, statt ihn, wie sonst durch jemand anderen weiterzutragen.

Aber er konnte ihr das nicht sagen. Er sah in ihren Augen, dass sie auf eine positive, eine optimistische Antwort von ihm hoffte, sie wollte hören, dass alles gut werden würde und das bald.

Also tat er ihr diesen Gefallen: „Sie kommt bestimmt bald wieder. Du wirst sehen, es wird nicht mehr lange dauern.“

Er lächelte sie aufmunternd an und nach wenigen Sekunden erwiderte sie es bereits, ihre blauen Augen nun nicht mehr derart verunsichert, sondern ebenfalls voller Überzeugung und Optimismus. „Danke, Yuuto.“

Es erleichterte ihn, sie so zu sehen, es gab ihm ebenfalls die Hoffnung, dass alles gut werden würde, zumindest irgendwann einmal – und als Eternal verfügten sie immerhin über jede Menge Zeit.

„Wir sollten jetzt schlafen“, sagte er schließlich. „Viel zu tun gibt es ja nicht mehr.“

Sie nickte lächelnd und klopfte dann auf den freien Platz neben sich, eine Aufforderung, der er sich nicht entziehen wollte und die er sofort mit einem eigenen Lächeln wahrnahm.

Zumindest in dieser Nacht wollte er die Sorgen vergessen und nicht mehr beständig daran denken, dass seine Tochter irgendwo da draußen war und er sie furchtbar vermisste.

Nach dem Sturm

Am nächsten Morgen war der Sturm vorübergezogen. Als Yuuto aus einem traumlos erscheinenden Schlaf erwachte, erinnerte er sich immerhin sofort, weswegen er eigentlich in diesem fremden Bett lag. Aber dann fiel ihm auch wieder ein, dass er seit Jahren nicht mehr in einem vertrauten Bett geschlafen hatte, da es für einen Eternal keine wirkliche Heimat mehr gab.

Sein Blick fiel neben ihn, wo er einen leeren Platz erwartete – aber zu seiner Überraschung entdeckte er eine friedlich schlafende Aselia. Sie lag mit dem Rücken zu ihm, die Knie angewinkelt, die Hände unter ihr Gesicht gelegt.

Normalerweise war sie stets vor ihm wach, saß dann bereits am Fenster oder war trainieren, je nachdem, wo sie sich eigentlich gerade befanden. Aber da sie im Moment noch schlief, wollte Yuuto sie nicht stören. Er wusste ja nicht, wie lange es gedauert haben mochte, bis sie endlich eingeschlafen war. Deswegen stand er möglichst leise auf und trat selbst ans Fenster, das er öffnete.

Der Himmel war vollkommen klar, die Luft so wunderbar rein, wie er sie niemals vor seinem Besuch in Phantasmagoria erlebt hatte. Möglichst tief sog er die gereinigte Luft ein, genoss sie, lebte für einen kurzen Moment regelrecht auf, obwohl es so früh am Morgen war.

Erst nach diesem Atemzug fielen ihm auch die Geräusche in diesem kleinen Ort auf. Die geschäftigen Rufe, das Klappern der Wägen und das Dröhnen irgendwelcher Arbeiten, verrieten, dass das Dorf wirklich nicht so verlassen war, wie es am Vortag noch gewirkt haben mochte.

Zu sehen war von ihrem Fenster, das in einen Hinterhof zeigte, allerdings nichts. Im Moment konnte er nur einen verlassenen roten Ball entdecken, der darauf wartete, dass sein Besitzer zurückkehrte, um mit ihm zu spielen.

Yuuto fuhr herum, als er hörte, wie sich im Bett hinter ihm etwas bewegte. Aselia sah ihn aus bereits hellwachen Augen an, sagte aber nichts.

„Guten Morgen, Aselia.“

Sie erhob sich aus dem Bett, kam mit raschen Schritten auf ihn zu – und umarmte ihn. Das Gesicht gegen seine Brust gedrückt, murmelte sie etwas, das sich wie „Guten Morgen“ anhörte … jedenfalls wenn Yuuto es richtig verstand.

Nachdem sie ihm versichert hatte, dass sie gut geschlafen habe, löste sie sich wieder von ihm und sah selbst aus dem Fenster hinaus. Yuuto betrachtete sie dabei von der Seite. Sie wirkte nicht mehr so unnahbar wie noch am Tag zuvor, vermutlich hatte sie gut geträumt, jedenfalls hoffte er das.

„Yuuto“, sagte sie plötzlich, ohne ihn anzusehen, „können wir uns die Stadt ein wenig ansehen?“

„Natürlich.“

Wenn sie ohnehin nichts anderes tun konnten, als auf Tokimis Ankunft zu warten, machte es auch nichts, wenn sie zwischendurch beobachteten, wie die Menschen in dieser Welt lebten. Immerhin störten sie den natürlichen Ablauf nicht.

Aselia schloss das Fenster wieder, dann zog sie sich ihre Rüstung an, die sie zum Schlafen stets ablegte. Yuuto zog derweil seine alte Schuluniform wieder an (wie lange nutzte er diese eigentlich schon zum Kämpfen?) und warf sich danach den weißen Mantel über, den er einst als Etranger von Rakios erhalten hatte. Es waren Dinge, die ihn mit seinem alten Leben als Mensch verbanden, deswegen wäre es eigentlich vernünftiger, sie endgültig loszuwerden – aber er brachte es einfach nicht übers Herz, sich davon zu trennen.

Als sie beide fertig waren, verließen sie das Zimmer wieder und kehrten in den Vorraum des Gasthauses zurück. Niemand war zu sehen, aber da sie nicht frühstücken wollten, kümmerte Yuuto sich auch nicht darum.

Auf den Straßen bemerkte Yuuto sofort, dass die Aufregung des heutigen Tages daher rührte, dass es sich um einen Markttag handelte. Nur wenige Schritte nach dem Verlassen des Gasthauses, gelangten sie auf die Hauptstraße, die mit allerlei Marktständen gesäumt war. Die Luft vibrierte regelrecht von all den verschiedenen Stimmen, die durcheinandersprachen, zu handeln versuchten oder erklärten, wie sie eine reife Frucht erkannten, oder sich über die neuesten Ereignisse in ihren Familien unterhielten, meckernd oder lachten.

Marktschreier, zumeist männlich, versuchten, Kunden anzulocken, in denen sie ihre Waren anpriesen, dabei taten sich besonders jene Verkäufer hervor, die Stoffe oder Fleisch anboten – allerdings waren bei beiden derartigen Anbietern die Preise derart schwindelerregend hoch, dass sich kaum jemand dorthin verirrte, und auch Yuuto zog es vor, bei den wesentlich günstigeren Farmständen innezuhalten, um sich dort das Angebot anzusehen. Aselia blieb dabei stets bei ihm, ihren linken Arm in seinem rechten untergehakt.

Die unterschiedlichsten Obst- und Gemüsesorten, die sie beide nie zuvor gesehen hatten, waren auf ihnen aufgebaut. Besonders beeindruckt war Yuuto von einem Stand, der lila Äpfel verkaufte. Allein vom Aussehen her wirkten sie exotisch wie giftig, aber gleichzeitig erinnerten sie ihn auch an das Haar von Aselia und Euphoria. Ersterer ging es wohl ebenso, denn sie hatte den Kopf ein wenig geneigt und betrachtete die Äpfel ebenfalls.

Der eigentliche Händler hinter dem Stand war gerade mit einigen Kunden beschäftigt, aber rechts des Tisches stand eine junge Frau, deren blondes Haar in zwei Pferdeschwänze geteilt war. Obwohl ihr Gesicht von der Sonne gebräunt war, was für Arbeit auf dem Feld sprach, waren ihre Sommersprossen doch recht deutlich zu sehen.

Irgendwie süß.

„Menschen“, hörte er 'Seikens' Stimme in seinem Inneren, „ich werde euch wahrscheinlich nie verstehen.“

Das erwarte ich auch nicht von dir.

„Gut.“

Die Frau, die bislang als Marktschreierin gedient hatte, wandte sich ihnen mit einem strahlenden Lächeln zu. „Guten Morgen~. Seid ihr Reisende?“

Aselia reagierte wie gewohnt nicht, deswegen übernahm Yuuto es, den Morgengruß zu erwidern und dann zu antworten: „Das ist richtig. Wir sind gestern Abend erst angekommen.“

Begeistert davon klatschte sie in die Hände. „Wir haben nicht oft Reisende hier~. Vor allem keine, die so besonders aussehen.“

Als sie das sagte, blickte sie hauptsächlich die immer noch abwesend wirkende Aselia an.

Keine große Überraschung. Immerhin ist sie die Außergewöhnliche von uns beiden.

„Möchtet ihr vielleicht einen Malnae?“, fragte die Frau. „Als kleine Kostprobe und als Gastgeschenk.“

Ehe einer von ihnen antworten konnte, hatte sie bereits einen besonders hübschen lila Apfel – das musste dann wohl das sein, was sie Malnae nannten – herausgesucht und reichte diesen an Aselia weiter. Dadurch erwachte sie aus ihrem traumgleichen Zustand und nahm die Frucht verwirrt an sich. Es blieb an Yuuto, sich dafür zu bedanken, doch die Frau winkte sofort ab. „Kommt einfach wieder, wenn euch die Frucht schmeckt. Übermorgen ist der nächste Markttag. Ich zähle auf euch.“

Sie zwinkerte den beiden verschwörerisch zu, Yuuto dagegen fragte sich, ob sie wirklich derart überzeugt von ihrem eigenen Produkt war.

Da sie sich wieder ihrer eigentlichen Aufgabe, Aufmerksamkeit zu generieren, zuwandte, setzten Yuuto und Aselia ihren eigenen Weg fort. Dabei bemerkte er, dass sie die Frucht ratlos in der Hand drehte, als wüsste sie nichts damit anzufangen.

„Willst du ihn nicht essen?“, fragte Yuuto.

„Nein“, erwiderte sie leise. „Er erinnert mich an Euphie.“

Genau wie ihn schon zuvor. Aber wenn sie ihn nicht aß, wurde er mit der Zeit schlecht, das konnte sie doch unmöglich wollen – oder?

„Ich werde ihn erst einmal behalten“, sagte sie, nachdem sie die Frucht an ihrer Kleidung ein wenig abgerieben hatte.

Damit war das Thema erledigt, deswegen ließ Yuuto wieder den Blick schweifen – und bemerkte dabei ein nagendes Gefühl in seinem Gehirn, das ihm etwas mitzuteilen versuchte, ohne dass er an die Botschaft selbst gelangen konnte.

„Und du willst der Weise sein“, spottete 'Seiken', aber er wartete auf keine Reaktion seitens seines Trägers. „Erinnerst du dich an den Sturm letzte Nacht? Denkst du nicht auch, dass es dafür erschreckend trocken ist?“

Natürlich! Er war während des tosenden Sturms eingeschlafen, aber trotz des starken Regens sah hier alles so aus, als hätte es seit mindestens einer Woche kein Wasser mehr gesehen.

„Aselia.“

„Mhm?“ Sie hob den Kopf, um ihn anzusehen.

„Kannst du spüren, ob sich die Luftfeuchtigkeit in letzter Zeit geändert hat?“

Als ehemals blauer Spirit, heute aber Eternal, der immer noch eine Affinität zu blauem Mana aufwies, sollte das eigentlich ein Kinderspiel für sie sein. Und tatsächlich konnte sie ihm antworten, wenn auch nicht unbedingt so, wie er erwartet hatte: „Die Luft ist trocken. Es dürfte schon lange nicht mehr geregnet haben.“

Sie zog die Brauen zusammen, also bemerkte auch sie, dass etwas nicht richtig sein konnte.

„Wir sollten ins Gasthaus zurück“, sagte Yuuto. „Wir müssen überlegen, was hier vorgeht.“

Und das gelang sicher am besten, wenn sie unter sich waren und nicht auf eventuelle Zuhörer achten mussten. Bislang waren sie zwar allen noch ziemlich egal, wie er mit einem kurzen Blick umher feststellte, aber er wollte nicht riskieren, dass sich das änderte. Falls sie in eine Falle getappt waren, sollte der Fallensteller nicht sofort erfahren, dass sie bereits davon wussten.

Gemeinsam kehrten sie ins Gasthaus zurück, diesmal war aber jemand hinter dem Tresen – allerdings handelte es sich dabei nicht um John. Stattdessen war es eine Frau, die ein hell gemustertes Kopftuch über ihrem dunkelbraunen Haar trug. Die Ähnlichkeit zwischen ihr und John war offensichtlich, deswegen konnte man sich denken, dass sie verwandt waren – aber inwiefern?

Als sie die beiden sah, lächelte sie sofort, wodurch kleine Fältchen um ihre Augenwinkel entstanden. „Hallo. Braucht ihr ein Zimmer?“

Aselia neigte wieder den Kopf, deswegen übernahm Yuuto erneut das Reden, wie er es inzwischen gewohnt war: „Ja, wir möchten gern noch eine Nacht bleiben.“

Sie schien sich zwar ein wenig an dem noch zu stören – jedenfalls runzelte sie ihre Stirn –, sagte aber nichts dazu, sondern gab ihnen nur einen Schlüssel. „Das Zimmer ist ganz das eure. Ich hoffe, ihr werdet eine schöne Nacht haben.“

Yuuto bedankte sich und nahm den Schlüssel an sich. Aselia schien derweil genug von dem Schweigen zu haben: „Wo ist John?“

Die Frau hinter dem Tresen blinzelte irritiert. „Hm? Tut mir leid, ich kenne keinen John.“

Um ihr neu erwachtes Misstrauen sofort zu bekämpfen, schaltete Yuuto sich wieder ein: „Wir haben den Namen nur in der Stadt gehört. Vielleicht haben wir da etwas verwechselt?“

Ihre Stirn glättete sich augenblicklich wieder. „Oh, das kann sein. Mein Name ist Jane, das klingt ähnlich wie John. Vielleicht deswegen?“

„Das wird es sein.“ Yuuto lächelte nervös, hoffte aber, dass Jane das nicht bemerkte. „Wir gehen dann besser mal nach oben. Lasst Euch von uns nicht stören.“

Ehe Aselia noch etwas sagen konnte, zog Yuuto sie bereits mit sich, die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer. Es war mehr als deutlich, dass etwas nicht in Ordnung war – und sie müssten nun erst einmal klären, worum genau es sich dabei handelte.
 

Unzufrieden schnalzte er mit der Zunge. Er hatte es geschafft, die Welt zu ändern – aber die Eternal waren immer noch da. Dummerweise war seine Fähigkeit nicht dazu geeignet, diese mächtigen Shinken-Träger aus der Welt zu entfernen, sie beschränkte sich nur darauf, alles andere Mana zu wandeln. Aber das war auch nicht der Hauptgrund seiner Tätigkeit gewesen.

Normalerweise, wenn er diese Fähigkeit einsetzte, waren die sich selten in diese Welt verirrenden Eternal derart irritiert, dass sie sofort wieder abreisten. Aber diese nicht.

Also musste es doch bedeuten, dass sie wegen einer Mission hierhergekommen waren. Eine Mission, die möglicherweise mit ihm in Verbindung hing, vielleicht sogar seine Vernichtung beinhaltete. Aber das konnte er nicht zulassen.

Also berührte er die Kugel erneut und ließ eine andere Melodie spielen, als er dem Mana dieser Welt erneut seinen Willen aufzwang und es Stück für Stück zu ändern begann.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  LeanaCole
2014-12-24T07:20:26+00:00 24.12.2014 08:20
Direkt mit Kapitel 1 weitermachen, damit Radditz nicht mehr nervt *lol*


Aselia war darin geübt, sie konnte ihm bei jeder Witterung allein durch einen Blick zum Himmel sagen, wie es werden würde

Aselia, der Wetterfrosch! XD


Aselia blieb deswegen auch nicht stehen und lief einfach weiter, als ob ihr gar nicht aufgefallen wäre, dass er nicht mehr an ihrer Seite war.

In Wirklichkeit versucht sie nur zu entkommen, weil sie gemerkt hat, was für ein Idiot Yuuto ist *lol*
Kleiner Scherz XD


Die Unwissenheit über den Aufenthaltsort ihrer Tochter setzte ihr dermaßen zu, dass sie sich emotional distanzierte und wieder zu ihrem alten Ich zurückkehrte

Oh-oh. Die ersten Anzeichen dafür, dass sie an die Grenze ihrer Liebe stoßen *dramatische Musik einspiel*



Sie selbst würde vermutlich sagen, dass sie immer zur richtigen Zeit erschien

Das sage ich meinem Chef demnächst auch, wenn ich zu spät komme :D

Hm, ein recht seichter Einstieg, der aber die momentane Situation von Yuuto und Aselia gut vermittelt hat. Nicht nur, dass sie Euphie schrecklich vermissen, sondern auch, wie sich diese Tatsache auf sie auswirkt. Bei beiden auf ihre ganz eigene Art.
Trotzdem ist es noch gar nicht abzusehen, in welche Richtung diese Geschichte eigentlich geht. Das finde ich gar nicht mal so schlecht, weil es so die Spannung aufrecht erhält.
Also weiter so!
Von:  LeanaCole
2014-12-24T07:20:03+00:00 24.12.2014 08:20
Ich habe eigentlich dieser Geschichte entgegen gefiebert und sie dann trotzdem nicht kommentiert?

Radditz: Skandal!!!!!

Deswegen muss ich das sofort nachholen!


richtete seine verrutschte Brille

Aha, aha. Ein Eternal mit einer Brille... awesome~


Es gab also keinerlei Grund, dass ein Eternal einmal auf ihn aufmerksam geworden sein konnte, insofern gab es lediglich die Möglichkeit, dass sie hier waren, um der Welt selbst zu schaden.

Diese Logik, Dude! Ist ja nicht so, dass andere Eternal auch aus vollkommen anderen Gründen in eine Welt kommen.


Hm, dieser Einsiedler scheint ein besonderer Mann mit einer noch besonderen Gabe zu sein... er erinnert mich an Fuu.
Ich frage mich, wie Melody wohl auf ihn reagieren würde, die ja auch viel mit Musik zutun hat.
Anyway. Ich finde diesen Mann, auch wenn er wohl nicht sehr logisch denken kann, bisher recht faszinierend und bin schon sehr gespannt darauf mehr von ihm zu erfahren.
Aber eins kann ich schon sagen: Wenn er eine Brille trägt, muss er awesome sein *grins*


Zurück