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Mamá

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Chataktere © Hidekaz Himaruya
Idee der Story "Mamá" © Ajaka/me Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, ich muss mich mal zu Wort melden o.o

Ich möchte mich mal für die ganz lieben Kommentare bedanken.
Ich freue mich über jeden Einzelnen und bin froh, dass euch die Ff gefällt ♥
*ganz glücklich ist*
Ich schreibe auch ganz schnell weiter, so schnell, dass Animexx mit dem Freischalten der neuen Kapitel gar nicht nachkommt ^^

So, nun aber viel Spaß mit Kapitel 14 :D Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
So, nun ist die FF auf dem gleichen Stand wie auf Fanfiction.de.
Es kann etwas dauern, bis das neue Kapitel da ist^^ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Nochmals die zensierte Version des 24. Kapitels für die minderjährigen Leser...
Ich hoffe zumindest, dass das nicht schon unter Adult fällt Oo Komplett anzeigen

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Zu Hause

„Das ist der kleine Gilbert. Lassen sie ihn. Er ist immer alleine im Garten.“

Die Leiterin des Kinderheimes führte ein junges Pärchen wieder ins Haus.

Der Junge namens Gilbert seufzte.

Als ob ihn wirklich je einer adoptieren würde! Er war 14! Keines der Kinder hier, die älter als 10 waren, hatte eine hohe Chance, eine Familie zu finden. Aber seine Chancen waren nochmals niedriger.

Keine Familie wollte einen Jungen mit roten Augen und silberblonden Haaren in ihrer Mitte. Sogar die Mitarbeiter des Heimes mochten ihn nicht sonderlich oder meiden ihn ganz.

Gilbert machte sich so klein, wie es das kleine Klettergerüst, auf dem er saß, zuließ, ohne runter zu fallen.

Wenn ihn keiner wollte, wollte er auch keinen! Er war großartig und würde die nächsten vier Jahre hier schon überstehen!

„Hola!“

Fragend sah er auf. Sprach man da mit ihm? Nein, da stand keiner.

„Hey, kleiner Mann. Dreh dich mal um!“

Brummend sah er über seine Schulter. Eine braungebrannte frau mit schulterlangen braunen Haaren stand vor dem Klettergerüst und musterte ihn aus neugierigen grünen Augen. Gilbert starrte stumm zurück.

Es… interessierte sich wer für ihn?

Sofort schlug er die Augen nieder. Ach was, nun sicherlich nicht mehr.

„Wie heißt du denn, kleiner Mann?“, fragte die Frau neugierig.

„Gilbert…“ Trotzig sah er nun wieder auf. „Ich bin der großartige Gilbert!“ Er schwieg erstaunt, als sie leise kicherte.

„Ein schöner Name. Bist du ganz alleine hier, Gilbert? Warum spielst du nicht mit den anderen Kindern?“

„Ach die... die mögen es nicht, dass ich so toll bin und sie nicht!“ Er sah wieder weg. Was redete er mit ihr darüber? So eine junge Frau würde sicherlich eines der Babys mitnehmen.

„Was für ein tapferer Junge.“, murmelte sie und war auch schon verschwunden.

Hah. Es hielt halt keiner lange mit ihm durch. Traurig sah er auf den Boden. Er beneidete das Baby jetzt schon. Die Frau kam ihm so nett vor.

Er wollte gerade rein gehen, als die Heimleiterin nach ihm rief.

„Gilbert! Geh dein Zeug holen!“

Fragend sah er zu dem Haus. Dann rannte er auch schon los in sein Zimmer. Unter seinem Bett zog er einen kleinen Koffer hervor und warf alles hinein, was für ihn wichtig war. Ganz oben drauf legte er ein großes, flauschiges Plüschküken. Koffer zu und schon rannte er in das Büro der Leiterin.

„Gilbert, das ist Fräulein Carriedo. Sie zeigt… ungewöhnliches Interesse an dir und würde dich probehalber einen Monat bei sich aufnehmen…“

„Entschuldigen Sie. Ich habe doch bereits gesagt, dass ich ihn adoptiere.“

„Fräulein Carriedo, dieser Junge macht nichts als Ärger! Ihn geben wir immer erstmals zur Probe weg!“, protestierte die Heimleiterin.

„Dann ändert sich das nun. Ich nehme ihn mit und Sie werden mir nun den nötigen Papierkram geben, dann ist die Sache erledigt!“

Gilbert kicherte, als die Leiter die Frau verblüfft anstarrte, dann aber wortlos nach den Papieren griff und die Frau unterschrieb. Es freute ihn, dass ihn wirklich jemand so sehr wollte!

„Dankeschön!“ Fräulein Carriedo stand auf und hielt Gilbert die Hand hin. „Dann lass uns nach Hause gehen, mein kleiner Mann!“

Etwas unsicher sah er die Hand an. Sie verstand sein Zögern falsch und nahm die Hand wieder weg. Trotzdem noch lächelnd ging sie voraus zu einem kleinen, roten Auto.

Der Junge machte es sich auf dem Beifahrersitz bequem, das kleine Köfferchen fest an sich gedrückt. Häuser zogen an seinem Fenster vorbei und wurden immer weniger. Bald waren keine mehr da.

Als das Auto endlich vor einem kleinen Haus am Ende eines Waldes und in der Nähe eines Strandes hielt, musste Fräulein Carriedo ihn wecken.

Müde tapste er hinter ihr her ins Haus.

„Zieh deine Schuhe hier aus und stell sie ins Regal, Gilbert. Dann zeige ich dir dein Zimmer.“

Sie führte ihn eine lange Treppe hoch und in ein kleines, aber gemütliches Zimmer. Es hatte eine Schräge mit einem kleinen Fenster. An der Wand rechts von der Tür war nochmals ein großes Fenster. Unter der Schräge an der linken Wand stand ein großes, frisch bezogenes Bett. Daneben standen leere Regale und neben der Tür ein altmodischer Kleiderschrank.

Langsam ging Gilbert auf das Bett zu und setzte sich.

„F-Fräulein Carriedo…?“, meinte er dann leise. Sie unterbrach ihn sanft.

„Nenn mich Antonia. Oder Mama…“

Kurz schluckte der Junge und fing nochmals an. „Antonia, darf ich… darf ich wirklich hier bleiben?“ Ängstlich sah er sie an. Bis jetzt wurde er immer aufgrund seines Aussehens zurück gebracht (nur wurde halt immer behauptet, er hätte sich schlecht benommen und wie ein Irrer aufgeführt).

„Aber natürlich! Du wohnst jetzt hier, Gilbert!“ Er sah sie an. Ihr Blick war fest und ihr Lächeln warm.

Gilbert stand wieder auf und ging zu ihr. Zögerlich legte er ihr die Arme um die Hüften und schmiegte sich an sie. Und Antonia drückte ihn an sich.

„Danke…“

Zwitschern

„Gilbert!“

Genervt drehte sich der Angesprochene in seinem Bett auf den Bauch. Warum durfte er nicht ausschlafen?

Die Tür zu seinem Zimmer flog auf und Antonia stürmte herein.

„Würdest du dich bitte endlich aus dem Bett bequemen? Mir gehen bereits die Kerzen aus!“

Kurz hob der Albino den Kopf und sah seine Adoptivmutter fragend an.

„Tonia… lass mich bitte ausschlafen…“, brummte er und ließ sich wieder ins Kissen fallen. Er hörte sie noch schnauben, ehe sie meinte:

„Dann esse ich deinen Geburtstagskuchen eben alleine!“

Das wirkte. Sofort stand Gilbert auf und zog sich an.

„Das darfst du nicht!“, meinte er und rannte seiner Mutter nach. In der Küche hatte er sie dann und nahm sie fest in die Arme.

„Alles Gute zum 18. Geburtstag!“ Lächelnd gab sie ihm einen Kuss auf die Stirn.

Kurz musste er über sich selbst den Kopf schütteln. Fast hätte er seinen eigenen Geburtstag verschlafen!

„Nun bin ich schon vier Jahre bei dir…“, murmelte Gilbert. Und in der Zeit hatte sich einiges getan.

Er hatte lernen müssen, dass auch seine Adoptivmutter ihm nicht alles geben konnte. Sie hatte sehr bald strikte Regeln aufgestellt, an die Gilbert sich auch brav hielt.

Zum Beispiel durfte er nachts nicht zu ihr ins Bett klettern oder überhaupt nachts in ihr Zimmer. Sie ging auch nicht mit ins Schwimmbad.

„Warum denn für etwas Geld ausgeben, wenn der Strand gleich hier in der Nähe ist?“, meinte sie immer. Klar hatte sie damit Recht, aber auch da ging sie nie mit ins Wasser.

Aber das war Gilbert egal, dass Antonia so ihre Macken hatte.

Sie hatte ihn drei Jahre lang in die Schule gefahren und abends von seinem Nebenjob abgeholt. Oder wenn er mit seinen Kumpel mal zu viel getrunken hatte, war sie morgens oder nachmittags meistens vor der Türe gestanden, wenn er nicht gefahren wurde. Bei ihr hatte er alle Freiheiten der Welt und er liebte sie.

„Willst du nicht mal die Kerzen auspusten?“, fragte Antonia und riss ihn aus seinen Gedanken. Sofort stand Gilbert vor dem richtig süß aussehenden Kuchen (selten hatte er so viel Glasur und Sahne gesehen, aber er wusste, dass seine Mama Antonia verdammt gut backen konnte) und blies die Kerzen aus. Er sah auf und stand alleine in der Küche. Eine lustige Eigenart seiner Adoptivmutter, einfach so zu verschwinden.

Gilbert ließ seinen Blick schweifen und der blieb am kleinen Kalender, der zwischen den ganzen Bildern von ihm fast unterging, hängen. Das heutige Datum – der 18.1 – war dick und rot markiert. Das ließ ihn breit grinsen und er bekam nicht mit, wie Antonia wiederkam und ihm etwas auf den Kopf setzte. Ein leises Tschilp! ließ Gilbert dann allerdings herum wirbeln. Er sah das grinsende Gesicht seiner Mutter. Vorsichtig tastete er seinen Kopf ab, bis er auf einen kleinen Hubbel stieß. Wieder machte es Tschilp!

Ganz langsam nahm er das kleine Etwas von seinem Kopf und bestaunte es. In seinen Händen lag ein flauschiger, kleiner gelber Vogel und sah aus seinen winzigen Augen genauso neugierig zurück.

„Dein Geburtstagsgeschenk, mein kleiner Mann.“, meinte Antonia lächelnd. Gilbert sah sie breit grinsend an, setzte den Vogel wieder auf seinen Kopf und fiel ihr um den Hals.

„Das ist so awesome, Mama Antonia!“, rief er lachend.

Als es an der Tür klingelte, ließ er sie los und rannte grinsend hin, um sie zu öffnen. Vor der Tür standen zwei seiner besten Freunde; der große Däne Matthias, der erst vor ein paar Jahren in die kleine spanische Stadt gezogen war und der Rumäne Vlad, der irgendwie schon immer in Gilberts Klasse war.

„Gilbert, altes Haus!“, rief Matthias und umarmte ihn so überschwänglich, dass der kleine Vogel auf Gilberts Kopf schimpfte. „Alles Gute zum Geburtstag!“ „Auch von mir!“, meinte Vlad und grinste so breit, dass man seine unnatürlich spitzen Eckzähne sah. „Und du hast da was am Kopf!“

„Ja, den hab ich gerade von Antonia bekommen!“ Gilbert holte den Vogel von seinem Kopf und zeigte ihn. „Awesome, nicht?!“

„Ist der putzig!“, meinte Vlad. „Wie heißt er denn?“

Der Albino stutzte. Der Kleine hatte noch keinen Namen. „Ach, mir fällt bestimmt noch etwas Tolles ein!“, meinte er dann und schloss die Tür hinter ihnen.

„Hallo Jungs!“, rief da Antonia aus der Küche.

„Hola, Fräulein C!“ Matthias zog seine Schuhe aus und ging mit Gilbert in die Küche. „Wir wollten Gil für den Rest des Tages entführen, wenn das für Sie klar geht?“

„Schon. Fährst du ihn dann morgen wieder her oder soll ich ihn abholen? Ich kann mir nämlich gut vorstellen, was ihr heute noch so anstellen werdet.“

Matthias lachte. „Haben Sie uns durchschaut. Ja, ich bring ihn dann morgen heim, wenn das mein Kopf zulässt. Und ähm… Dürften wir den Kuchen mitnehmen? Der sieht verdammt lecker aus!“

Lachend packte Antonia den halben Kuchen ein und drückte ihn Matthias in die Hand.

Gilbert hatte derweil mit Vlad oben einen kleinen Rucksack gepackt und kam nun mit dem Rumänen die Treppe runter.

„Also dann, Jungs. Viel Spaß und übertriebt es nicht!“

„Ja, Antonia.“ „Ja, Fräulein C.“ Alle drei wurden nochmals umarmt, ehe sie gingen.

Kaum saßen die drei im Auto des Dänen, drehte sich Vlad zu Gilbert um und meinte: „Und deine Mutter fühlt sich um die Taille rum immer noch so komisch an, Gil!“

„Ach komm, halt die Klappe! Ich will gar nicht wissen, dass du meine Mutter an grabschst!“, brummte der Albino. Er hatte keine Lust, an seinem Geburtstag über ein angebliches, nicht existierendes Geheimnis seiner Adoptivmutter zu diskutieren.

„Dreh die Musik auf, Matthias! Immerhin wollen wir gleich feiern!“, meinte er, als sie losfuhren.

Feiern

In der Wohnung des Dänen wurden sie bereits erwartet. Kaum war Gilbert in der Wohnung, wurde er von dem quirligen kleinen Italiener Feliciano angesprungen.

„Buon compleanno!“, rief er freudig und schien den Albino gar nicht mehr los zu lassen.

„Hey! Lass gefälligst noch was von ihm übrig!“, meinte Matthias lachend und verfrachtete Feliciano wieder in die Küche.

Gilbert grinste und warf seinen Rucksack in Matthias‘ Schlafzimmer, ehe er ins Wohnzimmer ging. Dort saßen bereits Arthur und Elizaveta und diskutierten heftig. Doch kaum setzte sich Gilbert in den bequemen Klappsessel sahen sie auf und wenigsten Eliza grinste.

„Kommst du auch endlich mal!“, meinte sie neckend.

„Anscheinend. Aber ihr seid ja so nett und wartete auf das großartige Ich!“, meinte Gilbert grinsend.

„Und einen Vogel hat er auch.“, stellte Arthur fest. Als besagter Vogel anfing zu schimpfen, fing die brünette Ungarin herzhaft an zu lachen. „Aber im wahrsten Sinne des Wortes!“

„Fehlt nicht noch einer? Wo ist Ludwig?“, fragte Gil.

„Der steht in der Küche und passt auf, dass Feli sich nicht beim Kochen verletzt.“, meinte der Brite grinsend.

„Ihr müsstet denen zuhören!“ Matthias kam lachend wieder, mit Bier für jeden bewaffnet, doch Eliza lehnte dankend ab. „Wie ein altes Ehepaar!“

„Glaubt ihr, wir schaffen es heute endlich, die zwei zu verkuppeln?“, fragte Vlad lachend und setzte sich zwischen Eliza und Arthur.

„Na, hat dich der böse Brite auch nicht geärgert?“, fragte er sie, bevor er sie schnell küsste. „Wenn dir die böse Buschbraue was tut, musst du es mir nur sagen!“

„Die Buschbraue lässt sich garantiert nicht auf dein Niveau herab, Blutsauger!“, meinte Arthur augenrollend.

Grinsend nippte Gilbert an seinem Bier. „Wir sind schon ein lustiger, bunter Haufen.“

„Einige Nationalitäten sind vertreten.“, stimmte Matthias zu.

„Nur die Krauts gibt es doppelt.“, meinte Arthur grinsend und setzte die Flasche an.

„Hey! Ich fühl mich gar nicht mehr wie ein Deutscher!“, stellte Gilbert klar. „Meine Alten haben mich in Spanien gelassen, da war ich sechs! Nach 12 Jahren hier kann ich wohl von mir behaupten, ich sei Spanier! AUTSCH!“

„Beruhig dich mal wieder, du Temperamentsbolzen. Wir kennen deine Story langsam!“

Der zweite Deutsche, Ludwig, stand hinter dem Sessel und hatte dem aufgedrehten Gilbert eine Kopfnuss verpasst.

„Spinnst du? Geht man so mit dem Geburtstagskind um? Los, Gilbird, Angriff!“ „Tschilp…!“ „Nein, nicht mich angreifen! Aua!“

Gelächter brach aus, als der kleine Vogel Gilbert an den Haaren zog.

„Geschieht dir Recht!“, rief Eliza lachend, die sofort das Kissen vom Sessel ins Gesicht bekam.

„Kesesese… Sag das nochmal, Weib, und das großartige Ich wird dich zu Tode ne-!“ Die Ungarin hatte es sich nicht nehmen lassen, Gilbert nun mit dem Kissen den Mund zu stopfen. „Vladimir, dein Kumpel ist ein Spinner.“, seufzte sie und der Rumäne lachte.

Dann legte er einen Arm um Eliza und drückte sie an sich.

„Ich weiß, meine Schöne. Meine Freundin mit der normalen Taille hat doch immer Recht!“

Daraufhin wurden die anderen still. Ludwig seufzte und setzte sich auf die Lehne des Sessels.

„Vlad… Es war doch abgemacht, heute nicht darüber zu reden!“, mahnte er und legte Gilbert eine Hand auf die Schulter, weil der gerade den Kopf hängen ließ.

Mussten seine Freunde ihn immer wieder daran erinnern? Er wusste doch selber, dass an seiner Mama etwas seltsam war! Aber verdammt, es war ihm unangenehm, darüber zu reden! Immerhin liebte er sie!

„Wenn sie ein Geheimnis hat, dann geht das schon klar.“, murmelte er. „Jeder Mensch hat doch eines.“

„Geht es wieder um Gils Mama?“

Ludwig sah auf. Feliciano war auch ins Wohnzimmer gekommen.

„Ja, aber lass das Thema lieber…“

„Gil, deine Mama ist eine bezaubernde Frau! Lass dir von denen nichts einreden! Eine schönere Frau findest du nur selten!“

Felicianos Worte zauberten ihm ein Lächeln ins Gesicht.

Das stimmte. Auch, wenn Antonia leicht männliche Gesichtszüge hatte, war sie dennoch sehr schön.

„Danke Kleiner.“

„Bitte! Heute ist dein Geburtstag, also lach! Und wenn dann alle mit lästern fertig sind, können wir auch endlich ins Kino! Essen für später ist fertig und der Film fängt auch ohne uns an!“

Etwas verwundert sahen die sechs ihm nach. Das passte nicht so ganz zu dem Italiener.

„Wer fährt eigentlich?“, fragte der Däne und sah auf seine leere Bierflasche.

„Ich würde ja sagen, Eliza fährt mit deinem Auto und nimmt dich, Vlad und Arthur mit. Gilbert fährt dann bei uns mit.“, schlug Ludwig vor. Es wurde zustimmend genickt und alle standen auf, um sich fertig zu machen.

„Hey, Ludwig.“ Der Angesprochene drehte sich zu Gilbert um. „Danke. Ich weiß ja, dass Vlad gerne auf dem Thema herumhackt…“ „Schon okay, gern geschehen.“

Der Albino grinste. Wenn seine Eltern ihn nicht hiergelassen hätten, hätte er sich so einen Bruder wie Lud gewünscht.

„Na komm! Schlaf nicht ein, immerhin ist das deine Feier heute!“

Lachend kam er in den Gang gehuscht.

„Schon da. Ob Gilbird mit rein darf? Ach, egal, ich nehme ihn einfach mit rein!“

„Heißt dein Vogel nun so?“, fragte Matthias nach.

„Jap. Ich kann ihn heute Abend ja noch taufen!“

„Ich sehe es kommen;“, meinte Eliza, „Der Vogel schwimmt heute Abend im Bier. Armes Tierchen.“

Dann fuhren sie los. Am Kino ging es etwas drunter und drüber, weil sich keiner entscheiden konnte, wer was zum Knabbern nahm und wer wo saß. Mitten in der Werbung kamen sie dann im Kinosaal an, suchten ihre Plätze und sahen sich den ausgesuchten Horrorstreifen an.

Während Eliza sich die ganze Zeit ängstlich an Vlad klammerte, machten sich Gilbert und Matthias über sie lustig. Ludwig nahm es lächelnd hin, dass auch der kleine Italiener sich immer wieder jammernd an ihn klammerte. Arthur und Vlad waren die Einzigen, die den Film richtig genossen.

Auf dem Heimweg stieg Eliza zu Ludwig und Feli während Gilbert bei den anderen mitfuhr. Lachend überlegten Matthias, Arthur und er, wie sie Elizaveta am besten erschrecken konnten, ohne dass Vlad gleich Rachepläne schmieden würde. Doch der fand einige Ideen ganz lustig und eiferte sogar richtig mit. Als sie dann in der dänischen Wohnung ankamen, hatten sie bereits einen Plan. Ludwig und Feli verschwanden in der Küche, um das Essen zu holen. Die anderen machten es sich derweil mit einem Bierchen im Wohnzimmer bequem.

Während dann alle die selbstgemachte Pasta des Italieners schmecken ließen, wurde noch über den Film diskutiert.

„Also ich fand den wirklich gruselig.“, seufzte Eliza.

„Und das sagt die, die mit einem Vampir zusammen ist!“, stichelte Gilbert. „So, Leute. Ich geh pissen!“ „Alter, muss das sein? Das will doch keiner wissen!“, maulte die Ungarin und warf ihm beim Gehen ein Kissen nach. Als Gilbert aber nach einer halben Stunde noch nicht zurück war, stand sie auf.

„Ja, ist der nun ins Klo gefallen?!“

„Geh doch nachschauen!“, meinte Arthi ruhig und trank seine Flasche leer.

Trotzig ging sie zu dem kleinen Bad und öffnete die Tür, nachdem Gil auf ihr Fragen nicht reagierte.

Geschockt blieb Eliza in der Tür stehen. Der Albino lag halb auf dem Boden, halb auf der Badewanne. Sein Kopf war voller Blut und darin saß Gilbird und pickte fröhlich auf seinem Kopf herum. Bald darauf hört man sie schreien und ins Wohnzimmer trampeln.

„D-DER VOGEL! Er hat Gilbert umgebracht!!“

„Beruhig dich doch. Deine Fantasie hat dir sicherlich einen Streich gespielt.“, meinte Matthias ruhig.

„Genau!“, stimmte Feli zu. „Gilbert steht doch hinter dir!“

Eliza versteifte sich und fing erneut an zu kreischen, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte und die Jungs fingen an zu lachen.

Nachdem Gilbert sich die Harre und auch Gilbird gewaschen hatte, stichelte er, dass Eliza Angst vor Felicianos guter Soße hatte.

Der Abend wurde noch recht lustig. Sie vernichteten nach und nach den Biervorrat, den Ludwig und Matthias extra für heute angeschafft hatten und zwei Flaschen Wein, den Feli mitgebracht hatte.

Als der Italiener und der große Deutsche schon etwas angetrunken waren, durften die fünf sogar staunend beobachten, wie Feli anfing aufs Heftigste mit Lud zu flirten.

Als dann alle müde und der Brite bereits im Rausch auf dem Sessel eingeschlafen war, räumte der Däne sein Zimmer und überließ es Ludwig und Feliciano.

„Aber seid nicht so laut… Und macht nichts schmutzig!“, mahnte er grinsend.

Im Wohnzimmer kuschelten sich Vlad und Eliza auf einer Luftmatratze zusammen.

Gilbert legte sich auf das Sofa und drückte ein Kissen für Gilbird ab.

„Glaubst du, das wird endlich was mit Lud und Feli?“, fragte er Matthias, als der wieder ins Wohnzimmer kam und es sich auf einen Lager aus Decken bequem machte.

„Ich bitte doch darum! Dann waren unsere Bemühungen nämlich nicht umsonst!“

„Genau. Schlaf gut.“

“Du auch, Gil.“

Erinnerung

Kaum waren die Jungs weg, ging Antonia in den Garten. Im Gebüsch hatte sich vor einigen Wochen eine Familie Landschildkröten niedergelassen, die sich nun von der Spanierin füttern ließen.

Gut 15 Minuten saß sie im Garten und beobachtete die Familie beim Essen, als es an der Tür klingelte. Antonia stand auf, strich den ewig langen Rock glatt und ging an die Tür. Neugierig sah sie durch den Spion, sah aber nicht mehr als die Farbe Rot. Als sie die Tür öffnete, wurde ihr ein Dutzend Rosen entgegen gehalten.

„Rosen für eine schöne Frau sind wichtig, wenn man sie unangekündigt aufsucht.“, meinte eine ihr bekannte Stimme. Ein verschmitzt lächelnder Mann mit blonden Haaren nahm seine Sonnenbrille ab und funkelte sie an.

„Francis!“, hauchte Tonia, nahm die Rosen entgegen und grinste. „Was verschafft mir die Ehre?“

„Warte, warte, meine Schöne!“ Lachend beugte er sich zu ihr, gab ihr links und rechts ein Küsschen, ehe sie ins Wohnzimmer gingen.

„Also, was gibt es denn, dass du aus Frankreich extra hier in diese verlassene Gegend kommst?“, hackte die Spanierin gleich nach, während sie nach einer Vase suchte.

„Ich komme nicht direkt aus Frankreich. Ich habe einen Umweg über Italien gemacht.“, meinte der Franzose vorsichtig. Besorgt nahm er wahr, wie Tonias Bewegungen langsamer wurden.

„Und…? Was gibt es Neues…?“ Langsam ging sie in die Küche und füllte die Vase mit Wasser. Francis folgte ihr.

„Der Alte hat abgedankt. Und sein Enkel hat nun den Posten übernommen. Dabei ist er erst 22! Und um Längen blutrünstiger…“

„So… er hat es also geschafft…“ Antonia räusperte sich und ihre Stimme war nun deutlich tiefer.

„Dann ist Lovino also nun der neue Kopf der Mafia?“

„Oui. Und seine große Leidenschaft ist die Jagd. Rate mal, wer sein weißer Hirsch ist…“

„Mein verschollener Zwillingsbruder?“

„Toni, dass ist NICHT lustig! Du hast dich gut versteckt und der Alte hat sich nicht weiter für dich interessiert, weil du eben ‚nur‘ ein Problem seines Enkels warst. Aber nun ist besagter Enkel der Chef der Mafia und wird dich suchen!“

Seufzend sah er auf die vielen Fotos von Gilbert. „Im Übrigen hat Lovino einen Halbbruder, der hier lebt.“

Er bekam nicht mit, wie Antonia sich versteifte und redete einfach weiter. „Ein aufgeweckter und tollpatschiger Junger… Er ist ein Freund deines Sohnes; Feliciano Vargas.“

Erschrocken fuhr Francis herum, als es klirrte. Antonia hatte die Vase vor Unglauben fallen gelassen und starrte ihren besten Freund nun ängstlich an. Der Franzose kam nun zu ihr, sammelte die Rosen auf und legte sie ins Spülbecken, ehe er seine geschockte Freundin aus den Scherben und zu einem Stuhl führte.

„Das… das ist nicht wahr…“, murmelte sie.

„Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass es nicht klug ist, ein Kind zu adoptieren. Es kann so viel nach hinten losgehen. Es wird dir bei der Flucht nur eine Last sein!“

„Aber es wirkt natürlich… Und… ich konnte ihn doch nicht im Heim lassen! Das ging nicht, Francis! Weißt du, wie traurig er war?! Kein Kind sollte so aufwachsen!“ Fest sah sie ihn an. „Ich gebe ihn nicht her! Er ist MEIN Sohn!“

Der Franzose seufzte. Bei dem Sturkopf konnte man nur verlieren.

Trotzig stand sie nun wieder auf und räumte die Scherben weg.

„Antonia… Hey, ich habe doch gar nicht gemeint, dass du ihn weggeben sollst…“

„Es hat sich aber so angehört…“, murmelte sie. „Ich- ich habe mir mein Leben neu aufgebaut… als Frau… Das war nicht leicht und Gilbert… Er hat mir danach so viel Kraft gegeben…“

Ihr ganzer Körper bebte. Ihre Maske, die sie so mühselig aufgebaut hatte, drohte zu brechen und sie hatte Angst, diese Maske nicht wieder aufsetzen zu können. Das durfte nicht passieren, nicht jetzt, wo ihre größte Gefahr so nah war. Mit dieser Jugendsünde hatte sie sich ihr ganzes Leben versaut!

Heftig zuckte sie zusammen, als Francis sie in den Arm nahm.

„Kopf hoch… Du hast schon so viel gemeistert, da wirst du diese Kriese nun überstehen.“ Kurz stand er auf, befeuchtete ein Tuch und wischte Antonia sanft die Schminke aus dem Gesicht.

„Sieh doch, was du aus dir gemacht hast… Mit ein paar Handgriffen hast du aus dir eine wunderschöne Dame gemacht, der ich sofort den Hof machen würde… also weine nicht.“

Lächelnd wischte er als letztes den Lippenstift, welcher einen zarten Rosaton hatte, weg und küsste die ungeschminkten Lippen.

„Wo ist dein Sohn im Moment, Tonia?“

„B-bei Freunden… Er kommt erst morgen wieder.“

Der Franzose stand auf, hielt ihr die Hand hin und zog sie wieder auf die Füße.

„Dann haben wir ja alle Zeit der Welt.“

Mit ihr an der Hand ging er in ihr Schlafzimmer.

In ihr Reich.

Wo sie diejenige sein konnte, die sie wirklich war.

Nur Francis wusste, wer sie eigentlich wirklich war. Nur er kannte das Geheimnis.

Nur er durfte hinter ihre Maske sehen und sie ihr behutsam abnehmen, für ein paar Stunden.

Er war liebevoll und sanft, einfach ihr bester Freund.

Und eben diesen gab sie sich nun hin, um Trost zu finden und um zu vergessen.

Nur für ein paar Stunden…

Egoismus

Am nächsten Morgen halfen alle kräftig mit, die dänische Wohnung aufzuräumen.

Okay, nicht ALLE.

Gilbert rannte die meiste Zeit Ludwig und Feliciano hinterher und wollte wissen, wie es jetzt um sie stand. Doch jedes Mal schmunzelte der Italiener ihn nur an oder der Deutsche wurde rot.

„Da kann man sich echt alles rein interpretieren!“, seufzte Gilbert, als Matthias ihn heimfuhr.

„Ne du. Die sind jetzt zusammen!“, meinte der blonde Däne lachend. „Die sind Hand in Hand weg. Und als wir an der Kreuzung vorbei gefahren sind, an der sie sich immer treffen, beziehungsweise trennen, haben sie sich innig geküsst. Hättest du nicht mit deinem Vogel gesprochen, hättest du sie gesehen!“

„WAS?! So ein Mist!“, schimpfte der Albino, lehnte sich dann aber grinsend in seinem Sitz zurück. „Spätestens heute Abend haben sie beide ihren Beziehungsstatus auf Facebook geändert, Kesesese.“

Lachend hielt der Däne vor dem abgelegenen Haus. Gilbert verabschiedete sich und bedanke sich für die awesome Feier und das Heimfahren. Schnell entfloh er der gewohnten Hitze Spaniens, indem er in ihr kleines Haus schlüpfte.

„Hey Antonia! Dein awesomer Sohn ist wieder zu Hause!“, rief er und ging in die Küche.

Sein Blick fiel sofort auf den großen Strauß Rosen, der in Antonias Lieblingsvase auf dem Küchentisch stand.

Stutzig darüber legte Gilbert seinen Rucksack auf die Sitzbank, ging zum Kühlschrank und holte sich ein Stück seines Geburtstagskuchens. Mit dem ging er dann in den Garten, wo er seine Mutter über ihre kleinen Tomatenpflanzen gebeugt fand.

„Schönen Gruß von Eliza! Die hätte gerne das Rezept für diesen Kuchen!“ Grinsend ließ er sich im Schatten nieder, setzte Gilbird ins Gras und fing an, seinen Kuchen zu futtern.

„Das kann sie gerne haben.“ Man hörte Antonia, dass sie herzlich lächelte, auch, wenn sie sich nicht umdrehte. „Wie war die Feier?“

„Absolut awesome! So awesome, dass Lud und Feli endlich zusammen sind!“, erzählte er.

„Das ist doch schön…“

Gilbert sah auf. Täuschte er sich oder klang seine Mutter wirklich bedrückt? Nein, sie sollte nicht traurig sein! Sie sollte lächeln!

„Allerdings! Aber sag mal, von wem sind die Rosen?“, lenkte er neugierig ab. „Welche arme Seele hat da das großartige Ich verpasst?“

Nun wieder lächelnd stand sie auf und drehte sich um. Erst da fiel dem Jungen auf, dass sie heute gar nicht wie üblich einen bodenlangen Rock sondern eine lange Jeans trug! Auch sah er zum ersten Mal eine etwas kürzere Bluse an ihr, die ihre Unterarme frei ließen. Seitdem Gil sie kannte und hier wohnte, hatte Antonia immer einen langen Rock und ein langes Oberteil getragen. Egal, wie heiß es gewesen war oder wie kalt.

Jetzt, da sie so in Jeans und der ¾-Bluse vor ihm stand, sah sie irgendwie… männlicher aus.

Ach was!, dachte der Albino sofort. Das bildest du dir aufgrund Vlads dummen Gelaber nur ein!

„Tut mir leid, mein Schatz. Aber die gehören mir, die Rosen.“, riss sie Gilbert aus seinen Gedanken.

Irgendwie versetzte die Aussage Gilbert einen Stich. Seine Mutter hatte einen Verehrer und verheimlichte es ihr?

„Und… Wie ist er so…?“, fragte er mit einem aufgesetzten Grinsen und falschen Neugierde. Warum hatte er auf einmal so ein komisches Gefühl im Bauch?

Lächelnd setzte sich seine Adoptivmutter neben ihn ins Gras und strich Gilbird über das Köpfchen.

„Nett…“, meinte sie. „Du würdest ihn sicher mögen.“

„Dann stell ihn mir vor!“ Gilberts eigentliche Bitte wurde zu einer Forderung. Als er den verwunderten Gesichtsausdruck von Antonia sah, sah er weg und schämte sich. „Natürlich nur, wenn du willst…“, fügte er hinzu.

Als sie aufstand, sah Gilbert zu ihr hoch. Hatte er sie nun verletzt oder beleidigt? Hoffentlich nicht.

„Das ist leider nicht möglich…“

Nun sprang er regelrecht auf.

„Warum nicht?! Glaubst du, du müsstest ihn vor mir verstecken? Dass ich ihn nicht akzeptiere?! Traust du mir nicht, Antonia?!“

Geschockt über den Vorwurf sah die Brünette ihren Adoptivsohn an.

„Weil er in FRANKREICH wohnt, Gilbert! Deswegen geht das nicht!“

Nun war er sprachlos. Ein Franzose…

„Aber er war doch extra deinetwegen hier in Spanien…“ Der Albino hob seinen Teller mit den Kuchenkrümel und Gilbird auf und starrte auf den Boden. „Aber es geht mich nichts an, mit wem du dich triffst…“ Woher kam nur dieses starke Empfinden? Diese starke Abneigung gegenüber dem ihm unbekannten Franzosen? „… und wer sich an dich ran macht!“

Er rannte an ihr vorbei, durch die Küche in sein Zimmer hoch.

Keiner…!

Kein Mann sollte ihm seine Mutter wegnehmen!

Gilbert setzte sich auf sein Bett, zog die Beine an die Brust und schlang die Arme darum.

Aber sein Verhalten hatte Antonia doch auch nicht verdient.

Diese plötzliche Eifersucht…

Er liebte sie doch…

Er wollte sie nicht teilen. Nicht mit einem schmierigen Franzosen!

Er sah zu Gilbird, der sich vor ihn gesetzt hatte und ihn fragend ansah. Sanft strich der Albino dem kleinen Vogel über den Kopf und den kleinen Körper.

„Ich bin verdammt egoistisch…“

Bedeutungen

In den nächsten Tagen wurde der Albino von seiner Mutter kaum angesprochen. Anscheinend hatte sein Ausbruch neulich sie doch mehr getroffen, als er gedacht hatte.

Wenn sie ihn in die Schule fuhr, holte sie ihn abends nicht mehr ab.

Irgendwann saßen Matthias und Vlad in dem Café, in dem Gilbert arbeitete. In einem ruhigen Moment setzte er sich zu ihnen.

„Ich habe es so versaut…“, stöhnte Gilbert und legte seinen Kopf auf den Tisch. „Sie redet kaum mit mir! Nur, wenn sie nach mir ruft, wenn es Essen gibt!“

„Was hast du eigentlich angestellt?“, fragte der Däne, der es langsam leid war, jeden Abend damit eine Stunde zu vertun, seinen Kumpel heimzufahren.

„Ich hab ihr mehr oder weniger an den Kopf geworfen, dass sie eine Hure ist und mir nicht traut…“

Vlad verschluckte sich an seinem Kaffee.

„Alter, hast du sie noch alle?!“, fuhr er Gilbert an. „Warum sagst du so einen Scheiß?!“

Getroffen sah Gil weg. „Sie hatte Herrenbesuch… Angeblich wer aus Frankreich. Als sie mir nicht sagen wollte, wer es ist, hab ich gemeint, dass es mir ja egal sein kann, mit wem sie sich trifft und wer sich an sie ran macht.“

Seine Kumpels schwiegen.

„Das klingt wirklich böse…“, murmelte Matthias nach einiger Zeit. „Aber Gil, du darfst nicht vergessen, dass Antonia schon lange erwachsen ist und sich treffen darf, mit wem sie will!“

„Jaaaaa…!“, stöhnte der Albino. Ob er ihnen erzählen sollte, wie eifersüchtig er gewesen war? Besser nicht…

„Hey, hallo? Ist hier wer?“

Gilbert stand auf und versorgte die neue Kundschaft.

„Entschuldige dich einfach!“, meinte Vlad, als Gilberts Schicht rum war und sie zum Auto des Dänen gingen. „So schwer sollte das auch für dich nicht sein! Außerdem, sie hat dich aus dem heim geholt, verdammt! So einen Stinkstiefel wie dich hat sie ehrlich nicht verdient!“

Gil blieb stehen. „Hat noch ein Florist offen?“, fragte er nach einem kurzen Blick in seinen Geldbeutel aufgeregt. Er würde sie mit einem schönen Blumenstrauß überraschen! Was dieser Franzmann kann, konnte er schon lange!

Matthias setzte ihn vor einen Blumenladen ab und Gilbert stürmte regelrecht hinein. Wenig später kam er mit einem großen Strauß aus Orchideen, weißen und roten Rosen und Lilien wieder.

„Das ist aber ein großer Strauß! Und so viele verschiedene Blumen!“, stellte der Rumäne staunend fest.

„Ich habe in dem speziellen Fall auf die Bedeutung der Blumen geachtet!“, brummte Gil und wurde ein wenig rot.

„Die Rosen stehen für deine Liebe zu ihr. Aber die anderen…?“ Fragend sah Matthias in den Rückspiegel.

„Die Orchideen sollen sagen, dass sie die Wichtigste für mich auf der ganzen Welt ist.“, gab der Rotäugige seufzend nach. Und die Lilien…“ Er stockte.

„Ja und deren Bedeutung?!“, hackte Vlad nach.

Du bist so schön, dass mir das Herz weh tut…

„Hab ich vergessen…“

„Du bist doof, Gil!“, lachte der Fahrer und gab auf der Landstraße Gas. Bei Gilbert zu Hause wünschten seine Freunde ihm noch viel Glück, ehe er raus sprang und ins Haus stürmte. Seine Schuhe landeten im Regal und er suchte Wohnzimmer, Küche und Garten nach seiner Mutter ab. Als er sie da nicht fand, ging er nach oben. Vor ihrem Zimmer blieb er stehen und klopfte.

„Mamá?“ Vorsichtig öffnete er die Tür. Wenn sie schlief, hatte er ein Problem.

Gilbert sah gerade noch, wie sie auf ihren kleinen Balkon ging und folgte ihr.

Antonia telefonierte und sah ihren Sohn fragend an, als er neben ihr erschien.

„Ich melde mich später nochmals, Francis…“, murmelte sie, ehe sie auflegte.

Francis… hieß so dieser Franzose?

Gilbert musste sich zusammenreißen, damit man ihm die plötzliche, alles vergiftende Eifersucht nicht anmerkte.

Langsam streckte er ihr die Blumen entgegen.

„Es… es tut mir leid, was ich neulich gesagt habe…“, murmelte er leise. „Ich hätte über meine Worte nachdenken sollen.“

Die Spanierin nahm die Blumen entgegen. „Danke…“, meinte sie nachdenklich. „Sag so was nicht nochmal, Gilbert. Du bist doch der einzige Mensch, dem ich voll und ganz vertraue.“

Sofort war die Eifersucht vergessen. Der Albino warf sich seiner Mutter um den Hals.

„Es tut mir so leid! Bitte verzeih mir, Mama!“

„Ist ja schon gut… Nicht weinen, mein großartiger Junge.“

„Ich weine nicht! Ich hab Blütenstaub im Auge!“

Er war so froh, dass das gemeinsame Abendessen wieder ganz normal ablief. Gilbert erzählte von der Schule und wie schlecht sich die Lehrer gerade vor dem Abschluss um sie kümmerten.

Nachdem er fertig war mit Berichten und sie bereits ihren Nachtisch vor sich stehen hatten, wunderte er sich etwas, als Antonia fragte, ob Feliciano einen Halbbruder habe?

„Kann schon sein…“ nachdenklich kaute Gil auf seinen Eislöffel herum. „Er hat ihn mal erwähnt. Romano oder so… Er hat nun das Geschäft ihres Großvaters übernommen, hat Feli neulich erzählt. Genaueres weiß er allerdings nicht, sie haben ja verschiedene Mütter und dieser Romino wohnt ja in Italien.“

„Hat Feliciano viel Kontakt zu seinem Bruder?“

Der Junge sah die Sorge auf dem sonnengeküssten Gesicht seiner Mutter.

„Eher weniger. Sie haben sich mal getroffen, soweit ich weiß. Feli ist ja auch 3 Jahre jünger und dieser Bruder schien recht unfreundlich…“

Die Sorge wich. Das freute Gilbert. „Und der ist eh so sehr mit der Arbeit beschäftigt, dass er sich nicht um seinen Halbbruder schert.“

Aber weshalb wusste Antonia von Felis Halbbruder? Hatte er es ihr mal erzählt? Oder Feli? Nein, der redete kaum über den und er hatte es einfach vergessen.

Vielleicht kannte sie ihn durch diesen Francis?

Ach, war ja auch egal. Jetzt hatten sie sich gerade wieder vertragen. Das wollte er mit seinen Fragen nicht gleich wieder kaputt machen.

Er stand auf, stellte seine Eisschüssel in die Spülmaschine und küsste Antonia auf die Wange.

„Ich geh schon schlafen. Träum später was Schönes, Mamá!“

„Buenas noches, mi amor!“ Lächelnd sah sie ihm nach und dann auf die Blumen, die sie neben Francis‘ auf den Tisch gestellt hatte. Ob Gilbert wusste, was sie bedeuteten?

Über die Rosen und Orchideen freute sie sich riesig. Doch die Lilien bestätigten ihr, dass sie wunderbar in eine andere Rolle geschlüpft war und ihr wahres Ich nicht mehr auffiel. Irgendwie gruselig.

Aber auch unheimlich lieb von Gilbert.

Antonia tat auch ihr Geschirr in die Spülmaschine und ging nochmals zu ihren Sohn. Der stand gerade nur in Schlafhose vor dem Schrank und suchte was. Von hinten schlang Tonia die Arme um ihn und drückte ihn an sich.

„Danke nochmals für die Blumen…“

Gilbert drehte sich in der Umarmung zu ihr und grinste sie an.

„Immer doch, Mama. Schöne Blumen für eine schöne Frau!“

Der klingt ja bereits wie Francis, dachte Antonia.

Als sie ihm einen Kuss gab, hätte Gilbert sie am Liebsten festgehalten, fest an sich gedrückt und nie mehr losgelassen.

Doch es war nur ein flüchtiger, mütterlicher Kuss auf die Lippen… Mehr nicht. Leider.

„Also, schlaf gut!“, meinte er grinsend, als sie aus seinem Zimmer ging.

Gil ließ sich dann auf sein Bett gleiten und lächelte überglücklich. In seinem Bauch kribbelte es und um sein Herz war es ihm angenehm warm. Er setzte Gilbird auf sein kleines Kissen, kuschelte sich in seine und löschte das Licht.

„Ein schönes Gefühl…“, murmelte er noch, dann schloss er die Augen.

Schutz

Ängstliche Augen, groß vor Schreck, die ihn flehen ansahen. Panik spiegelte sich in den roten Irden wieder, die seinen Blick magisch anzogen.

„Hilf mir…!“, bat Gilbert leise und streckte die Hand nach ihm aus, während sein Blick unruhig zu der Pistole an seiner Schläfe huschte.

Genau die bereitet auch ihm Sorgen. Wenn der Italiener nun abdrückte…!

„Lovino… Mach nun keine Dummheiten…“ Seine Stimme klang ungewohnt tief.

Der Italiener grinste ihn nur an.

„Du oder er… entscheide dich!“

Sein Sohn oder er…

„Komm…“ Sein kurzes Lachen war künstlich. „Es ist doch Jahre her. Können wir das nicht vergessen?“

Für seine Worte bekam Gilbert den Griff der Pistole an den Kopf. Selbst hörte er nur sich selber schreien und zwar den Namen seines Adoptivsohnes.

„Er oder Du! Du hast 30 Sekunden, hier rüber zu kommen!“, forderte Lovino.

Und er rannte los. Gilbert sollte nicht für seine Jugendsünde bezahlen!

Doch egal, wie schnell er rannte, Gilbert und Lovino kamen nicht näher. Er rannte auf der Stelle!

Langsam zählte der Mafioso die Zeit ab.

„3… 2… 1… Tja… Das war es für dich, Kleiner.“

Ein schrilles, panisches „MAMAAAAAAAAAAA!“, was so gar nicht zu dem ansonsten vor Selbstbewusstsein strotzenden Gilbert passte, dem ein Schuss folgte.

Er sah noch, wie der leblose Körper seines Sohnes zu Boden fiel.

„GILBERT!!“
 

Verwundert, übermüdet und fertig schlug sie die Augen auf. Jemand hatte sie an den Schultern gepackt und wach gerüttelt.

„Antonia!“

Verwirrt sah sie in die besorgten roten Augen ihres Sohnes. „Alles okay, Mama?“

„Gilbert…?“ Was machte der denn hier…?

„Du hast nach mir geschrien. Ich bin davon aufgewacht und wollte nach dir sehen…“ Noch bevor sie schimpfen konnte, warf er sich ihr um den Hals. „Ich habe mir Sorgen gemacht!“

Täuschte er sich nun, weil er selber müde war, oder hatte Antonia im Moment wirklich keine Brüste?

„Gilbert, mein Schatz… Das war nur ein Albtraum… Holst du mir ein Glas Wasser?“

Sofort schoss der Albino ins Erdgeschoss in die Küche. Er nahm extra das gekühlte Mineralwasser aus dem Kühlschrank und brachte es ihr nach oben. Sie hatte derweil das Licht angemacht und nun sah Gil ganz deutlich unter dem dünnen Stoff des Nachthemdes ihre Brüste. Beruhigt seufzte er. Wurde er schon paranoid?

Lächelnd reichte er ihr das Glas Wasser.

„Darf ich… heute bitte mal bei dir schlafen?“

Ihr Schreien hatte in ihm das Gefühl geweckt, seine Mutter zu beschützen. Vor allem. Und seien es nur Albträume!

Doch dieses Gefühl unterschied sich zu dem Beschützerinstinkt eines Sohnes. Er wusste nur nicht, in wie weit es sich von dem normalen Gefühl, seine Mutter beschützen zu müssen, unterschied.

Er würde damit eine ihrer eisernen Regeln brechen – nein, er HATTE sie bereits gebrochen – aber er wollte unbedingt bei ihr bleiben.

Langsam trank Antonia ihr Wasser. Sah Gilbert dann tief in die Augen. Sein Blick war fest und entschlossen. Sie war nun aber zu müde, ihm das auszureden.

„Na, okay. Ausnahmsweise.“

Freudig schlupfte Gilbert unter die dünne, lila Decke und beobachtete sie, wie sie das Licht löschte und sich zu ihm legte.

Sofort schlang er die Arme beschützend um sie und drückte seine Mutter an sich.

Binnen weniger Minuten waren beide, Arm in Arm, eingeschlafen.

Fotos

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. An einem Freitag fuhr ausnahmsweise Feliciano Gilbert nach Hause, da Matthias nun endgültig die Lust am Taxi spielen verloren hatte.

„Tonia! Feli hat etwas für dich!“, rief Gilbert, als er mit seinem italienischen Kumpel ins Haus kam. Das war der zweite Grund, warum Feliciano ihn gefahren hatte.

Neugierig streckte Antonia ihren Kopf aus der Küche.

„So?“, fragte sie lächelnd.

„Ve~ Es ist nur eine Kleinigkeit, Frau Carriedo!“ Feli kramte in seiner Tasche und gab Gils Mutter ein kleines, abgewetztes Büchlein. „Das wurde mir geschickt. Aber da ich alle Rezepte, die ich brauche, im Kopf habe und Sie eine gute Köchin sind, dachte ich, Sie freuen sich über das Rezeptbuch meiner Großmutter!“

Lächelnd nahm Antonia das Kochbüchlein entgegen.

Falls sie sich nun wegen Felicianos Halbbruder Sorgen macht, dachte Gilbert, dann versteckt sie es verdammt gut!

„Danke, Feliciano. Sehr nett von dir.“, bedankte sich die Spanierin. „Wie wärs, wenn du zum Abendessen bleibst und ich versuch mich an einem Rezept?“

Der Italiener strahlte und verschwand mit Gilbert in dessen Zimmer.

Während seine Mutter einkaufen fuhr, quetschte der Albino Feli ein wenig aus.

„Wie läufts mit Ludwig?!“, war gleich die erste Frage.

„Sehr gut, sehr gut!“, meinte Feliciano freudestrahlend. „Er ist einfach niedlich, so schüchtern…“

„Was, was, was? Ludwig, unser muskelbepackter blonder Deutscher ist SCHÜCHTERN?!“ Das haute ihn um. „Das glaube ich dir nicht, Feli!“

Der kicherte. „Doch, doch! Er traut sich nicht mal, mich von sich aus mit Zunge zu küssen! Würde er nicht so verklemmt sein, hätte ich ihn schon längst…“ „Jaja, schon okay. Keine weiteren Details bitte!“, unterbrach Gilbert ihn.

Er akzeptiere Schwule und Lesben ohne Vorenthalt. Aber so wirklich was von ihren privaten Sachen wollte er dann doch nicht wissen, es ging ihn ja einfach nichts an.

Kurz legte er nachdenklich den Kopf schief.

„Wie… ist das eigentlich? So mit einem Mann?“, fragte der Albino dann leise. Das hatte er sich schon öfters gefragt, wie das denn war, mit einem Mann zu schlafen. „Fehlt da nicht etwas?“ Mit seinen Händen formte er zwei übertrieben große Brüste. „Nicht, dass ich schwul wäre oder so… Dennoch… wie fühlt sich das an…?“ Sein Blick huschte zur Tür. Sie war verschlossen und seine Mutter war eh nicht da. Konnte schon mal keiner reinplatzen und sein Gelaber mitbekommen und falsch deuten.

Breit grinste ihn sein naiver Kumpel an. Doch irgendwie wirkte es gar nicht so naiv wie sonst, vor allem, als er langsam näher kam.

„Willst es wohl testen, ve~?“

„Ähm, n-naja…“ Mit einem selbstsicheren Grinsen, welches seine plötzliche Unsicherheit verstecken sollte, rutschte Gilbert auf seinem Bett so weit zurück, bis er an der Wand lehnte. Und der Italiener kam ihm nach!

„D-du hast doch Ludwig! Der wird mich umbringen, wenn er rausfindet, dass du nun mit mir rummachst!“, meinte er, als Feliciano ihm immer näher kam.

Nein, nein! Dieses Grinsen konnte nichts Gutes bedeuten!!

Einen kleinen Augenblick, bevor Gilbert die Lippen des Italieners auf seinen Lippen fühlen konnte, schallte Antonias Stimme durch das Haus.

„Bin wieder da, Jungs! Wollt ihr mir nicht ein wenig helfen?“

Erleichtert beobachtete Gil, wie Feli wieder der Alte wurde, von ihm abrückte und nach unten huschte.

Etwas verwirrt fasste er sich an die Lippen. Wahrscheinlich hätte er es zugelassen, dass Feliciano ihm ein wenig von seiner Welt zeigte…

Wenn der nicht vergeben wäre.

Und nicht von einer Sekunde auf die andere so seltsam geworden wäre…

Langsam ging auch Gilbert in die Küche. Bereits wieder grinsend sah er seiner Mutter und seinem Kumpel beim Kochen zu.

Schwarze Spaghetti mit Scampisugo sollte es geben.

Für Gilbert schien es ewig zu dauern, bis die beiden fertig waren. Erst, als Feliciano sein Smartphone aus der Tasche zog, von der Pasta und ihnen drei ein Foto machte, bemerkte Gil, dass das Essen fertig war.

„Ve~ Eine schöne Erinnerung!“ Nachdem Feli ein wenig herum getippt hatte, packte er sein Smartphone auch schon wieder weg und sie fingen an, zu essen.

Der Albino war auch sehr erleichtert, dass sein Kumpel wieder freundlich und naiv war. Von dem seltsamen Verhalten vorhin war nichts mehr übrig.
 

Ein paar Minuten, nachdem Feliciano sein Handy weggepackt hatte, gab ein anderes Smartphone in Italien ein leises Geräusch von sich, welches erstmals mit einem abwertenden Blick abgetan wurde.

„Also, habt ihr ihn?“

Böse Blicke wurden zwei Männern in schwarzen Sakkos und mit dunkeln Sonnenbrillen zugeworfen.

„Nun, Signor Vargas. Nicht direkt ihn. Aber seine ältere Schwester und seinen Neffen. Seine Eltern sind ja schon längst tot.“, bestattete einer von ihnen, ein etwas korpulenter, kleiner Mann, Bericht.

Vargas zog eine Augenbraue in die Höhe. „Ältere Schwester? Neffe?“

„Sí.“, meinte der zweite Mann, der schlanker und größer als sein Kollege war. Er reichte seinem Chef eine dünne, braungelbe Mappe. „Sie waren als Kinder unzertrennlich.“

Kindheitsfotos eines braungebrannten Geschwisterpaares, die dieselben smaragdgrünen Augen besaßen, gab die Mappe preis.

Den Jungen erkannte der Chef der Mafiosos sofort.

„Das ist er! Das ist Antonio!“, meinte er. Aber von dem Mädchen hatte er noch nie etwas gehört. „Wo wohnt sie, wie heißt sie, wie alt ist sie?“

„Sie heißt Antonia Fernandez Carriedo, Chef. Sie ist 24. Jahre alt, also 2 Jahre älter als ihr Bruder. Wo sie wohnt haben wir noch nicht herausgefunden. Aber es ist sicher, dass sie in Spanien wohnt.“

„Idioti!“ Wütend sprang der Italiener auf. „Und da wagt ihr es, mir unter die Augen zu kommen! Verpisst euch!“

Die Mappe wurde ihren Besitzern nachgeworfen, die regelrecht aus dem Büro ihres Chefs rannten.

Schnaubend ließ sich Vargas wieder auf seinen Stuhl sinken und holte sein Smartphone hervor.

>Feliciano hat ein Foto auf seine Pinnwand gepostet< zeigte es an.

Gelangweilt sah er sich die Bilder seines Halbbruders halt mal an.

So ein Idiot. Postete Bilder von Pasta. Und von einem Kumpel und dessen Mutter…

Stutzig sah er auf das Display.

Vargas nahm das Bild von Antonio und seiner Schwester, was auf seinem Schreibtisch zurück geblieben war, und hielt es neben die Spanierin mit den smaragdgrünen Augen.

Ein fieses, breites Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.

„Ich glaube, ich sollte meinen lieben Halbbruder mal wieder besuchen und mich bei ihm bedanken…“

Besuch

Es klingelte. Ein Mal. Zwei Mal.

Genervt stand Gilbert von seinem Schreibtisch auf, ließ seinen Laptop an und die Wikipedia Seite, die er gerade geöffnet hatte, offen und ging an die Tür.

Das Klingen wurde immer wilder und ungeduldiger.

Welcher Idiot klingelt denn bei uns Sturm??

„Jaaaaaaa?“, brummte er, als er die Tür öffnete und einem jungen Mann mit braunen Haaren, Sonnenbrille und einen modernen weißen Hut gegenüber stand. Der schnippte nun sichtlich genervt eine Zigarettenkippe in ihren Vorgarten, was keinen guten ersten Eindruck bei dem Albino hinterließ.

„Wie kann ich helfen?“, zischte Gil bemüht freundlich.

„Ist Mr. Carriedo zu Hause?“, fragte ihn der Kerl. In dessen Spanisch schwang ein starker italienischer Akzent mit, was Gilbert ein wenig stutzig machte.

„Er steht vor ihnen.“ Gil verdrehte die Augen. Jeder in der Stadt wusste doch, dass er hier mit seiner Mutter wohnte.

Überrascht sah der Italiener ihn an.

„Ach so… Ist dann deine Mutter zu sprechen?“

„Nein, da müssen sie wohl warten. Meine Mutter ist arbeiten.“ Wie jeder normale Erwachsene auch. Nur er hatte heute frei bekommen, um für eine Arbeit zu lernen.

„Könntest du mir sagen, wo deine Mutter arbeitet?“

Gil fiel bei der Dreistigkeit fast die Kinnlade runter. Sonst ging es dem Kerl noch gut, oder?

„Nein, kann ich nicht!“ Als ob er wem helfen würde, der seiner Mutter nachstellen wollte! „Es tut mir leid, aber ich muss lernen!“, zischte er und wollte die Tür zu werfen.

„Eine Frage noch, Gilbert!“

Verwirrt hielt der in der Bewegung inne. Woher…?

„Woher kennen Sie meinen Namen?“, fragte der Albino misstrauisch und beobachtete, wie sich sein gegenüber zerstreut an die Stirn fasste, den Hut vom Kopf nahm und grinste.

„Wie unhöflich von mir! Mein Name ist Lovino Vargas, Halbbruder deines Freundes Feliciano!“

Gilberts Gesichtszüge entgleisten.

DAS sollte der Kerl sein, der seiner Mutter Sorgen bereitete? DIESER Lulatsch?

Nun wollte er ihn erst Recht loswerden.

„Und die wäre?“, fragte er deutlich angepisst.

„Weißt du, wo sich dein Onkel momentan aufhält?“

Das wars.

Mit einem lauten Knall flog die Tür vor der Nase des Italieners zu.

„ICH HABE KEINEN ONKEL, DU SPINNER!“, schrie Gilbert und ging wieder nach oben.

Er schloss die Wikipedia Seite und öffnete Facebook. Sofort schrieb er Feliciano an.

>WAS zum Teufel macht dein Halbbruder hier??!??<

>Ve~? Lovino ist hier?<

>JA!! Der stand gerade vor unserer Haustür!! Weiß der Teufel, woher der unsere Adresse hat!!?!<

Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sein Lieblingsitaliener antwortete.

>Von mir nicht, Gil. Wirklich nicht! Er war noch nicht mal hier!<

Aufgebracht für sich der Albino durch das silberne Haar. Das durfte nicht wahr sein!

Auf Facebook hatte er, Antonia zuliebe, nichts Privates angegeben. Er benutzte sogar einen Nickname.

Ob man ihren Wohnort über die Stadtverwaltung raus bekam?

Wobei, sie wohnten so abgeschieden, gehörten sie da überhaupt noch zur Stadt?

Überhaupt, sollte er seiner Mutter Bescheid geben, dass dieser Lovino hier war?

Was würde sie machen, wenn sie es wüsste?

Dass sie sich Sorgen machen würde, stand fest.

Gilbert entschied sich schnell und öffnete ein anderes Chatfenster.

>Hey, Matthias! Hast du Bock, heute bei mir zu pennen?<

Neuland

Als Antonia abends nach Hause kam, war Matthias bereits da. Er saß mit Gilbert in der Küche und sie unterhielten sich leise.

Als die Spanierin die Küche betrat, wurden sie still.

„Na so was. Guten Abend, Matthias.“

„N schönen Abend, Fräulein C.“, grüßte der blonde Nordeuropäer.

„Musst heute nichts Kochen, Mama. Wir haben vorhin Pizza bestellt.“, teilte sich Gilbert mit. „Die spendiere ich!“

„Sehr lieb von dir.“ Antonia lächelte. „Was hast du ausgefressen, Gilbert?“

„Nichts!“, meinte der sofort. „Ich will nur mal lieb sein!“ Ein wenig kam er sich verarscht vor, als die beiden anfingen zu lachen.

„Ja, ihr glaubt mir nicht!“, seufzte er und stand auf, als es an der Tür klingelte.

„Ah! Da ist sie schon!“ Freudig öffnete der Albino die Tür und im nächsten Moment hätte er sie am liebsten wieder zugeschlagen.

„Was willst DU hier?!“, zischte er Lovino an, der, mit ihren Pizzen in der Hand, vor dem Haus stand.

„Du sagtest doch, ich soll heute Abend wieder kommen.“, meinte der Italiener mit einem breiten, hinterlistigen Grinsen. „Da bin ich wieder. Ist deine Mutter auch da?“

„Matthias, kommst du mal?“, knurrte Gilbert. „Mir reicht das Geld nicht!“ Er wartete, bis der Däne neben ihn stand und drohend auf Felicianos Bruder herab sah.

„Wie kommst du überhaupt an unsere Pizzen, Lovino?“, fragte der Albino und nahm sie ihn weg. Er gab sie Matthias, der sie schnell in die Küche brachte, Antonia bat, die schon mal aufzuteilen und sich wieder neben Gilbert stellte.

„Ich hab den Pizzalieferanten am Stadtrand abgefangen. Der hatte keine Lust, hier raus zu fahren. Da hab ich sie an mich genommen, gezahlt und hergebracht. Nett, oder?“

„Sehr großzügig.“, knurrte Gilbert sarkastisch. „Und nun verpiss dich und lass dich hier nicht mehr blicken! Und nur als Warnung; wenn du dich unserem Haus auf Sichtweiter näherst, sprich auf 100 Meter, jag ich dich höchstpersönlich zum Teufel!“ Und zum zweiten Mal an diesem Tag warf er Lovino die Tür vor der Nase zu.

„Was war denn los?“ Verwundert sah Antonia ihren Adoptivsohn an.

„Ach, nichts. Der Bote hat nur Stress gemacht.“
 

Nach dem Essen zogen sich die Jungs mit ein paar Bierchen in Gilberts Zimmer zurück.

„Hey… Und DAS war Felis Bruder?“, meinte Matthias. „Scheiße, das kann ich mir gar nicht vorstellen!“

Grinsen sah er Gilbert zu, wie er seine Bierdose exte und in seinen Mülleimer warf.

„Doch. Die Pissnelke ist Felis Bruder. Wobei der auch gruselig sein kann.“

„Wie meinst du das?“ Auch der Däne leerte sein Bier und griff wie Gilbert zur zweiten Dose. „Der süße Feliciano und gruselig? Das passt nicht Gil.“

Beide leerten ihre Bierdosen, wobei Gilbert schneller war. Derweil erzählte der, was ihm vor ein paar Tage mit Feliciano passiert war.

„Ey, die Story kauf ich dir nicht ab!“, rief der Nordeuropäer und lachte, als Gilbert seine dritte Bierdose nicht in den Mülleimer bekam. „Und sauf mir nicht alles weg!“, motzte er kichernd, als Gilbert zur vierten Dose griff.

Ehe sie sich versahen wurde aus dem gemütlichen miteinander etwas trinken ein Wettsaufen.

Als alles leer war, griff der nun angetrunkene Gilbert das Thema wieder auf.

„Doch, doch mein Lieber! Der kam mir immer näher, so in etwa!“ In seinem Übereifer, dem Dänen zu zeigen, wie ihr italienischer Freund vorgegangen war, kippten die beiden lachend vom Bett.

„So, so. Das hat Felicia… ne, Felipi… Shit, Feli also gemacht?“

„Nicht so, du Trottel! DAS!“ Doch anstatt wie Feliciano auf Abstand zu bleiben, küsste Gilbert seinen Kumpel eiskalt. Etwas verdutzt sahen sie sich an, als der Albino nach oben schreckte. Dann fing Matthias an zu grinsen.

„Ah ja. So nah kam er dir. Aber weißte was? Deine Story is doch nur n Vorwand, mich zu küssen!“

Gilbert stammelte etwas vor sich hin, von wegen, dass sei nicht wahr, er war doch nicht schwul und nicht in Matthias verliebt und überhaupt wäre der Däne gar nicht nach seinem Geschmack.

Anscheinend gefiel dem das nicht so wirklich, denn er drehte den Albino auf den Rücken und unterbrach das Gestammel, indem er ihn küsste.

„Bist du wohl leise? Ich zeig dir nun, wie gut ich schmecke! Und genieß das Ganze einfach!“, hauchte er an die die Lippen des nun stillen Gilberts.

Nach einem weiteren Kuss fand der nun die Sprache auch wieder.

„Ich mags aber nicht, den nicht dominanten Part zu übernehmen…!“

Kichernd setzte sich der Däne auf und zog seinen Kumpel frech auf seinen Schoß. Etwas erstaunt sah er Gilbert an, als der anfing, ihn nun von sich aus zu küssen.

„Lass das bloß meine Mutter nicht sehen…“, nuschelte Gil.

Die sollte ihn so nicht sehen. Obwohl ihm das irgendwie gefiel. Aber sie wäre sonst sicherlich enttäuscht von ihm.

Noch eine ganze Weile saßen sie einfach da, küssten sich und Gilbert ließ es sogar zu, als Matthias‘ Hände unter sein Shirt fuhren und die blasse Haut erkundeten und streichelten.

Doch irgendwann schob der Albino den Nordeuropäer von sich.

„Ich muss pissen…“, meinte er entschuldigend und stand auf.

Als Gilbert wieder aus dem Bad kam, stellte er fest, dass seine Mutter anscheinend schon schlief, denn ihre Zimmertür war zu.

Leise öffnete er die Tür einen Spalt breit und sah hinein. So gut es sein Zustand zuließ, schlich er sich an ihr Bett.

So schön und angenehm es auch war, mit Matthias rumzuknutschen, wünschte er sich doch, es wären andere Lippen, die er auf seinen spürte.

Er beugte sich runter und küsste Antonia auf die Lippen. Lächelnd sah er sie an. Sie war so schön, wenn sie schlief.

„Träum was Schönes, Mama… Matthias und ich passen auf dich auf…“

Langsam torkelte er dann wieder in sein Zimmer zurück und musste an der Tür unwillkürlich lachen. Matthias war auf dem Boden eingeschlafen und Gilbird hatte die blonde Wuschelmähne des Dänen wohl mit einem Nest verwechselt und schlief nun dort.

Lachend ließ er sich ins Bett fallen und kuschelte sich in seine Decke.

Dass er seine normalen Klamotten noch anhatte, war ihm egal.

Breit grinsend und mit einem guten Gefühl im Bauch schlief er ein.

Beobachtungen

Verärgert sah der Italiener auf die geschlossene Tür.

Wie konnte es dieser abnormale Zwerg wagen, ihn schon zum zweiten Mal an diesem Tag die Tür vor der Nase zu zuschlagen?

Der wusste wohl nicht, mit wem er es hier zu tun hatte?!

Genervt zündete er sich eine Zigarette an, als er eigentlich gehen wollte. Doch am Gartentürchen drehte er sich nochmals um.

Vom Vorgarten aus konnte man super durch das Küchenfenster sehen und die drei beobachten. Zudem war das Fenster gekippt, was es einen ermöglichte, zu lauschen.

Lovino stellte sich neben das Fenster, rauchte in aller Ruhe und hörte ihren Gesprächen zu.

Doch so richtig interessant wurde es erst, als die zwei Jungs verschwanden und das Telefon klingelte. Ganz leise vernahm er Antonias Stimme aus dem Eingangsbereich.

„Carriedo? Ach, hi! Schön, dass du dich meldest!“

Sofort wurde der Mafioso hellhörig. Neugierig spähte er durch das Küchenfenster und sah Antonios große Schwester wieder in die Küche kommen.

Die beiden sahen sich zum Verwechseln ähnlich, wenn man davon absah, dass die Schwester eine staatliche Oberweite hatte und schönes, langes Haar. Die Augen waren die gleichen, sogar die Gesichtszüge ähnelten sich sehr stark. Ob sie wohl gerade mit ihrem Bruder telefonierte?

„Francis! Sei doch nicht immer so direkt.“

Nein, das war nicht Antonio, obwohl ihm der Name bekannt vorkam. Er sah wieder in die Dunkelheit, drehte sich aber sofort wieder zum Fenster um, als eine ihm bekannte, peinlich berührte Lache ertönte. Das gab es doch nicht! Sie lachten sogar gleich!

Die beiden könnten wirklich Zwillinge sein.

Oder ein und dieselbe Person…

Den Gedanken verwarf der Italiener sofort wieder.

Dafür, dass Antonia Antonio sein könnte, sprach zu viel dagegen. Lovino kannte den Spanier doch.

So dämlich, einfach nur die weibliche Version seines Namens zu nehmen und den kompletten Nachnamen zu behalten, war er dann doch nicht. Seine Männlichkeit würde er auch niemals für Titten eintauschen, niemals. Nicht mal in so einer Lage, wie der Spanier nun steckte.

Außerdem hätte er nicht das Durchhaltevermögen, so einen Bengel wie Gilbert großzuziehen.

Vielleicht sollte ich mal Daten über den Albino einfordern…

„Was?!“ Die nun verschreckte Stimme der Spanierin ließ ihn erneut aufhorchen und riss ihn aus seinen Gedanken.

„Ja, das ist wirklich keine gute Nachricht.“

Fragend zog Lovino eine Augenbraue hoch. WAS war keine gute Nachricht?

Rede weiter, meine Hübsche…

„Na klar geb ich auf mich Acht.“ Mist. „Okay, bis in ein paar Tagen.“

Er sah Antonios großer Schwester nach, als sie das Licht in der Küche ausmachte und das Telefon wegbrachte. Dann zündete er sich eine neue Kippe an.

Sicherheitshalber würde er das Haus wohl die nächsten Tage überwachen lassen. Die Besten seiner Leute hatte er ja dabei.

Und die Daten von Gilbert und Francis würde er anfordern. Dazu war ja nur ein kleiner Anruf nach Italien nötig.

Mit einem breiten Grinsen ging er zu seinem schwarzen Porsche, den er etwas vom Grundstückt der Carriedos entfernt geparkt hatte.

Er hatte das Gefühl, seinem weißen Hirsch recht nahe gekommen zu sein.

Bald wäre die fünfjährige Treibjagd vorbei!

Lachend und mit quietschenden Reifen fuhr der Mafioso wieder in die Stadt zurück.

Waffenstillstand

Einige Tage später stand Gilbert wieder ganz normal im Café und arbeitete. Er hatte sich extra frei genommen, um auf seine Mutter aufpassen und sie notfalls vor diesem Lovino beschützen zu können, auch, wenn er Lernen als Ausrede benutzt hatte.

Schon seit Anfang seiner Schicht saß ein blonder Mann mit Bart und freundlichem Lächeln ganz in der Nähe des Tresens und schien ihn zu beobachten. Immer wieder bestellte er einen Kaffee und stocherte schon seit Stunden an einem Stück Kuchen herum.

Gilbert konnte darüber nur den Kopf schütteln. Aber solange es nicht der Italiener war und er selbst damit Geld verdiente, konnte es ihm auch egal sein.

Gelangweilt füllte er eine frisch gewaschene Tasse mit Kaffee und brachte diese dem blonden Herrn.

„So, bitteschön.“, meinte er geübt und gespielt freundlich. „Mir scheint, als wollen Sie heute Abend nicht mehr schlafen?“ Lächelnd nahm er die leere Tasse an sich und wollte schon gehen, als der Mann antwortete:

„Auch. Man muss doch eine Dame im Schlaf bewachen können.“ Verschmitzt grinste er. „Aber der Kaffee hier ist auch echt gut!“ Kurz sah der Albino ihm verwundert an. Na, wenn der meinte…

Bis zu seinem Schichtende bestellte der Mann nichts mehr, zahlte nur noch.

Vor dem Café wartete Gilbert dann auf seine Mutter. Eine Hupe ließ ihn dann zusammen zucken. Ein paar Meter weiter stand der Mann aus dem Café und winkte ihn zu sich.

„Soll ich dich heimfahren, Gilbert?“, fragte er mit einem netten Lächeln im Gesicht.

Schon wieder! Woher kannten sie alle seinen Namen?!

„Nein, danke.“, meinte der Rotäugige misstrauisch. „Ich warte auf meinem Mutter.“

Die Tür des kleinen Van wurde zu gemacht und der Mann kam auf ihn zu.

„Ich glaub, auf Antonia kannst du lange warten. Die ist heute zu Hause geblieben und schickt mich.

Wie dreist war der denn??

„Und woher soll dich meine Mutter kennen?“, fragte Gilbert spitz. Der Mann hielt ihm die Hand hin.

„Gestatten? Francis Bonnefoy, Jugendfreund und bester Kumpel deiner Mutter!“

Überrascht sah Gilbert den Franzosen an. Dann grinste er böse.

„Nun weiß ich, welche Dame du beschützen willst!“ Er schlug die ihm dargebotene Hand weg und tippte ihm auf die Brust. „Ich schwöre dir, wenn du ihr zu nahe kommst, warst du die längste Zeit ihr Kumpel, klar?!“, knurrte er und drehte sich von Francis weg.

„Wo willst du hin, Junge?“

„Was wohl?! Ich laufe nach Hause, bevor ich bei dir mitfahre!“, rief Gilbert über die Schulter, ohne anzuhalten. Es würde Stunden dauern, aber egal.

Etwas verwundert blieb er stehen, als Francis ihn am Handgelenk packte und zu dem Van zog.

„Hör zu, ich habe deiner Mutter versprochen, auf dich aufzupassen und dich nach Hause zu bringen!“ Er öffnete die Beifahrertür des Van. „Und das mache ich auch!“

„Lass mich los, Franzecke! Ich geh nicht mit dir mit! EGAL, WAS DU MIR HIER NUN ERZÄHLST!!“, schrie der Albino und wehrte sich gegen den Griff.

„Himmel!“, seufzte der Franzose. „Antonia, was hast du dir da ins Haus geholt?“

„WAS?! Ich bin doch kein Haustier, du Arschloch!“

„Nein, aber ganz schön unhöflich und egoistisch! Deine Mutter macht sich Sorgen um dich, schickt mich, um dich abzuholen und du beleidigst mich!“

Das saß. Gilbert knurrte nur noch wütend, öffnete die hintere Tür und folgte seinem Rucksack, den er mit voller Wucht hineinwarf.

Francis seufzte, schloss die Türen und setzte sich hinters Steuer.

„So ein Sturkopf…“, murmelte er, während er sich in den Verkehr einfädelte.

Der Albino schmollte die Fahrt über.

„Bist du wohl eifersüchtig?“, fragte der Franzose irgendwann, um die Stille zu durchbrechen. „Keine Sorge, deine Mutter ist nur eine sehr gute Freundin. Ich geh ihr schon nicht an die Wäsche.“ Auch, wenn das nun eine böse Lüge war.

„Das rate ich dir auch! Wir haben schöne und scharfe Küchenmesser!“, kam es vom Rücksitz. Und irgendwie brachte es Francis zum Schmunzeln.

„Du magst Antonia sehr, oder?“

„Von mögen kann da gar nicht die Rede sein! Ich liebe sie!“ Mehr, als ich eigentlich sollte. „Und ich beschütze sie vor allen und jeden!“

Vor allem vor verrückten Italienern und perversen Franzosen!

„Das ist sehr gut, Gilbert.“ Hä? „Deine Mutter braucht gerade jetzt dich als Stütze.“

Erst jetzt fiel dem Albino auf, dass sie bereits da waren.

„Also, tu mir den Gefallen und vertrag dich mit mir, solange ich da bin.“

Starrsinnig, wie Gilbert war, wollte er erst ablehnen. Dann dachte er aber an Antonia, die wirklich Angst vor Felicianos Bruder hatte.

Hat sie etwa herausgefunden, dass Lovino in der Stadt ist?! Muss wohl, sonst wäre die Franzecke ja nun nicht hier.

Vielleicht war es ja gar nicht mal so schlecht, wenn Francis bei ihnen wohnen würde für einige Zeit. Dann musste Matthias nicht mit aufpassen.

„Okay. Aber fass sie an und du bist tot!“, warnte Gilbert, bevor sie gemeinsam ins Haus gingen.

Lernen

Da stand er also vor der Küche. Und sah ihnen zu. Wie sie flirteten.

Angewidert sah er, wie Francis die Hand unter die Bluse seiner Mutter schob.

Ach kommt, hört auf!, wollte er schreien. Doch er war stumm. Kein Ton kam über seine Lippen.

Seine Augen wurden groß, als die zweite Hand des Franzosen unter den Rock seiner Mutter wanderte… und man deutlich sah, WAS er da machte!

Hört auf, hört auf, hört doch bitte auf!

Etwas verwundert sah er sich um, als ein Lied ertönte.

Verwirrt sah er sich um und war wieder in seinem Zimmer. Neben ihm grölte die Band Rammstein ihren Song Moskau. Sein Wecker.

Ein Glück… Nur ein Traum.
 

Es war seltsam, zu dritt am Tisch zu sitzen und zu frühstücken. Gilbert gab sich wirklich alle Mühe, Francis nicht mit seinen Blicken zu töten und gute Laune vorzuheucheln.

„Und, was machst du heute so nach der Schule, Gilbert?“, erkundete sich der Franzose und grinste ihn an.

Was sollte das werden? Wollte er hier einen auf Patchwork Family machen? Um Gottes Willen!

„Wir, also Vlad, Eliza und ich, gehen heute nach der Schule zu Matthias. Wir wollen Mathe nochmals durchsprechen, immerhin haben wir bald Prüfungen.“, brummte der Albino und steckte sich das letzte Stück Toast in den Mund. Eigentlich hatte er nur keinen Bock, den Franzmann den ganzen Tag um sich zu haben. Oder ihm dabei zuzusehen, wie er mit Antonia flirtete. Da grauste es ihn.

„Antonia, wir müssen los! Sonst kommen wir zu spät!“, meinte er mit vollen Mund und stand auf, würdigte Francis keines Blickes mehr.

Die Spanierin zuckte entschuldigend mit den Schultern und trank ihren Kaffee aus. Dann stand sie auf und folgte ihrem Sohn.

Kaum im Auto fragte der: „Und was macht Francis heute die ganze Zeit?“ Deine Wäsche durchwühlen?

„Der wird in die Stadt fahren und ein bisschen was erledigen…“

„Sag mal, Mama; Was will dieser Lovino eigentlich von dir, dass er dir so eine Angst macht?“, fragte der Albino neugierig. So langsam wollte er das schon mal wissen. Er beobachtete, wie seine Mutter mit sich selbst kämpfte. Schließlich seufzte sie.

„Das ist eine lange Geschichte, die ich eigentlich lieber vergessen will, Gilbert.“

Er stutzte. „Okay…“ Dann sah er wie üblich aus dem Fenster. Vor der Schule nahm er Tonia dann fest in den Arm. „Pass auf dich auf, ja?“ Dann stieg er aus und rannte zu Vlad und Eliza, die bereits warteten.

„Morgen Gilbert!“, begrüßte ihn die Ungarin. „Du bist heute aber spät dran.“

„Ich weiß. Ich erzähl euch später, warum. Wo steckt denn unser Lieblingsdäne?“

„Ach, der ist schon mit Feliciano reingegangen.“, meinte der Rumäne und grinste bis über beide Ohren. Die drei gingen nun ebenfalls in ihre Klassenzimmer. Elizaveta verabschiedete sich von Vlad und Gilbert und ging zu ihrer Klasse.

In der Pause erzählte der Albino dann, dass sich eben diese Franzecke bei ihnen eingenistet hatte und ihm jetzt schon tierisch auf den Zeiger ging.

Kommentare wie: „Lass deine Mutter doch. Sie ist nun schon so lange alleine.“ oder „Das geht dich doch eigentlich gar nichts an, was zwischen denen läuft.“ prallten an ihm ab. Zum Glück war Arthur krank, so konnte der schon mal nicht mit einer Gardinenpredigt kommen, von wegen, wie kindisch Gilbert nur sein konnte. Und eifersüchtig! Sie wussten ja nicht, wie dieser perverse Franzose war. Sie mussten ja auch nicht mit dem unter einem Dach leben.

„Ach ja, ihr wisst, dass wir heute nach der Schule zu Feli gehen?“, meinte Matthias dann zur Ablenkung. Gilberts Probleme waren für die anderen nicht so wichtig wie die Abschlussprüfung.

„Was? Wieso das denn?“, fragte Gil.

„Weil ich euch meinen Halbbruder vorstellen will!“, meinte Feliciano lächelnd. „Er hat sich so sehr verändert, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben!“

Matthias und Gilbert sahen sich an. Das konnte ja heiter werden.

„Also, tut mir leid. Aber ich kann heute nicht.“

Fünf Augenpaare richteten sich auf Ludwig. „Meine Eltern besuchen mich die nächsten Tage, da muss ich ordentlich aufräumen und so. Außerdem muss Feli dann nicht extra ein paar Stühle mehr in sein Wohnzimmer räumen.“

Ein paar murmelten ihre Zustimmung und fragten sich trotzdem, WO Ludwig in seiner Wohnung denn bitteschön aufräumen musste? Bei dem konnte man glatt vom Boden essen.

Die Schulglocke schickte sie dann wieder in ihre Klassenzimmer. Der restliche Unterricht ging zäh vorbei.

Vor der Schule trafen sich dann alle – bis auf Lud – wieder und gingen gesammelt zum Italiener.

Nur Gilbert sah man deutlich an, dass ihm das Ganze absolut nicht gefiel.

„Kopf hoch!“, flüsterte der Däne. „Vielleicht benimmt er sich heute besser!“
 

Bei Feli angekommen stank es in der ganzen Wohnung nach Rauch. Sofort flüchteten die Freunde ins Wohnzimmer und rissen alle Fenster auf.

„T-tut mir leid…“, murmelte Feliciano. „Mein Bruder ist Raucher, hätte ich erwähnen sollen. Setzt euch doch schon mal, ich hole ihn schnell.“

Eliza und Vlad setzen sich auf die zweisitzige Couch, Matthias auf den Sessel und zog Gilbert frech zu sich auf den Schoss, worauf der knallrot anlief. Sofort hatte er den Abend vor Augen, als er und der Däne so rumgeknutscht hatten.

Die Ungarin sah die Röte auf Gilberts Wangen und meinte stichelnd: „Seit wann bist du denn schwul, Gilbert?! Und seit wann läuft da was zwischen euch?“

„B-Bin ich gar nicht!“, keifte der Albino. „Frauen sind immer noch meine Beute, klar! Die sind viel schöner!“ Zum Beispiel meine Mutter!

„Schon klar…“

„So, da ist er!“ Die italienischen Brüder kamen beide ins Wohnzimmer und setzten sich auf die zweite Couch. „Das ist mein Halbbruder Lovino!“

„Hallo zusammen. Aber Feli, ich will euch doch nicht beim Lernen stören.“

„Du bist viel besser als ich in Mathe! Du kannst uns sicher helfen!“

Gilbert und Matthias trauten ihren Augen nicht. Der war ja komplett anders als damals, als er vor dem Haus der Carriedos stand!

Langsamer als die anderen holten auch sie ihre Mathesachen raus und fingen an zu lernen.

Die meisten Zeit über beobachtete der Albino Felis Bruder. Mit dem stimmte etwas nicht, so viel stand fest! So bemerkte er nicht, wie die Zeit verflog und es Abend wurde.

Erschrocken zuckten einige zusammen, als Gilberts Handy losbrüllte.

Gilbert entschuldigte sich mit einem Grinsen für den lauten Klingelton – Das Land der Vollidioten (ja, verdammt, er hörte deutsche Musik, immerhin verstand er die Sprache!) – und ging ran.

„Ja?“

„Gilbert, wo steckst du? Ich stehe vor Matthias‘ Wohnung aber es macht keiner auf!“, meinte Antonia am anderen Ende der Leitung besorgt. Oh Shit, dass hatte er ganz vergessen!

„Wir sind bei Feli! Er hat darauf bestanden, dass wir hier lernen!“ Plötzlich hörte er nur noch Autos, die im Hintergrund zu hören waren.

„Gilbert, ich hole dich sofort ab! Warte unten auf mich!“ Dann tutete es. Verwirrt sah der Albino sein Handy an und stand auf.

„Sorry, Leute. Antonia holt mich gleich ab, ich muss los.“ Lovino erhob sich und half Gilbert beim Einpacken.

„Ich begleite dich!“, meinte er freundlich, weswegen Gil ihn nicht anknurren konnte. Er beeilte sich, seine Schuhe anzuziehen und nach unten zu eilen, den Italienern fest an den Fersen.

„So lerne ich deine Mutter doch noch kennen!“, meinte der gut gelaunt und zündete sich eine Kippe an.

„Alter!“, maulte der blasse Rotäugige, „WAS willst du von ihr? Du scheinst total besessen von ihr zu sein!“

Ruhig zog Lovino an seiner Zigarette und pustete den Rauch in Gilberts Richtung.

„Ich kenne deine Onkel.“

„Ich habe KEINEN Onkel!“ Stöhnend ließ Gil den Kopf hängen. „Du verwechselst uns sicher mit wem andern, also lass uns in Ruhe!“ Da hob er die Hand und winkte. Er hatte das knallrote Auto seiner Mutter entdeckt. Ohne ein Wort des Abschieds rannte er los und stieg ein.

„Lass uns fahren!“, murrte er und sah in den Außenspiegel, in dem er Lovino nur zu gut erkennen konnte.

Und tatsächlich wendete seine Mutter ziemlich heftig und fuhr mit Höchstgeschwindigkeit davon. Als sich Gilbert nochmals umdrehte, sah der Italiener finster hinterher. Das war sicher nicht das letzte Mal, dass er ihn gesehen hatte.

Betrug

Wütend sah der Italiener dem roten Auto nach. Das durfte es doch nicht geben! Wie feige war diese Frau eigentlich? Und woher kannte sie ihn? Über Antonio? SIE musste keine Angst vor ihm haben! Nur, wenn Antonio sich bei ihr versteckte.

Oder wenn sie selber Antonio ist…

„So ein Blödsinn!“, schrie er, trat seine Kippe aus und ging wieder nach oben. Sein Halbbruder und seine seltsame Lerngemeinschaft wurden vollkommen ignoriert. Er setzte sich in Felicianos Zimmer an den Schreibtisch und fuhr seinen Laptop hoch. Ein paar Klicks später sah er, dass seine Leute ihn zwei E-Mails geschickt hatten.

Eine mit dem Betreff >Bonnefoy, Francis< und die andere mit dem Betreff >Carriedo, Gilbert<. Sofort klickte er auf die Zweite und öffnete sie.

So erfuhr er auch, neben dem derzeitigen Wohnort, dass der Albino aus Deutschland kam und eigentlich Gilbert Beilschmidt hieß. Als er sechs Jahre alt war, hatten seine Eltern ihn mit in den Spanienurlaub genommen, aber zurück gelassen. Acht Jahre lang war er im Kinderheim der Stadt und wurde dann von einer Frau Antonia Fernandez Carriedo adoptiert, nachdem mehrere Adoptionsversuche aufgrund fehlender Beherrschung und fehlender Erziehung fehlgeschlagen waren.

„Kann ich nur zu gut verstehen…“, brummte Lovino genervt.

Des Weiteren stand in der Mail, auf welche Schule er ging, in welcher Klasse er war, wo er arbeitete, was er schon alles ausgefressen hatte und so weiter. Von seiner Kindheit und von seinem Aussehen abgesehen, war der Albino schon fast langweilig.

Nun klickte er auf die andere Mail. Dieser Name kam ihm wirklich bekannt vor. Als er den Inhalt überflog, wusste er auch, warum. Der Bericht war fast fünf Jahre alt. Die Männer seines Großvaters hatten ihn schon mal gefilzt, nachdem Antonio vom Erdboden verschluckt war. Dass Francis und Antonio sich seit ihrer Kindheit kannten, weil die Bonnefoys eine Zeit lang hier gelebt hatten, sie zusammen viel Scheiße gebaut und sich gegenseitig geholfen hatten, dass wusste er bereits. Aufgrund dieser Tatsachen haben sie den Spanier als erstes bei seinem besten Freund gesucht, weil der ihm ja Unterschlupf hätte bieten können. Immerhin wohnte er zu dem Zeitpunkt wieder in Frankreich. Aber nein, der Franzose war sauber. Manchmal fragte sich Lovino, was der wohl für eine Rolle spielte und warum er gerade jetzt wieder auftauchte.

Mehrere Sachen standen auf jeden Fall fest:

Um alleine mit Antonios großer Schwester reden zu können, musste man Gilbert von ihr weglocken.

Auch dieser Francis musste eine Zeit lang weg.

Und dann würde er alles aus ihr herauskitzeln, was sie über ihren Bruder wusste. Wenn es sein musste auch auf die harte Tour, obwohl er Frauen ungerne etwas antat. Aber das hier war wichtiger als ein Frauenleben.

Nachdenklich saß der Italiener vor seinem Laptop. Wie konnte er erstmals Gilbert von seiner Mutter weglocken? So schwer konnte das doch gar nicht sein. Sein Blick fiel wieder auf den Bericht. Stand da auch, ob er hetero war oder schwul? Nein, er war hetero, anders sein Lovinos verkorkster Bruder. Dann sollte es einfach werden.

Er stand auf und wollte sich Felicianos Smartphone geben lassen, aber die Lerngemeinschaft hatte er völlig vergessen. Wie würde das denn kommen? Sein Halbbruder würde wenigstens keine Fragen stellen, die anderen schon. Er wollte gerade umdrehen, als er auf einer Kommode im Gang das Handy seines Bruders sah. Grinsend ließ er es im Vorbeigehen mitgehen.

Wieder im Zimmer ließ er sich auf das Bett fallen und suchte nach Gilberts Nummer. Als er sie hatte, dachte er kurz nach, ehe er tippte:

>Hey Gil! Hab heute im ganzen Stress völlig vergessen dir zu sagen, dass ich ein nettes Mädchen kennengelernt habe, die bestimmt dein Typ ist! Mit richtig großen Brüsten, wie du sie magst!< Stimmte das überhaupt? Ach, egal, ein Versuch war es wert! >Sie kommt morgen Abend vorbei, willst du nicht auch kommen? Ach, und ehe ich es vergessen; Ich weiß, du magst meinen Bruder nicht so. Aber keine Sorge, der ist morgen schon nicht mehr da. Er reist heute Abend ab!<

Mit einem bösen Grinsen auf seinen Lippen legte er das Smartphone weg. Nun hieß es abwarten und das hasste er.

Scherben

Mehr als genervt sah Gilbert auf sein Handy, als es einen nervigen Ton von sich gab, der deutlich machen wollte, dass man eine Nachricht bekommen hatte.

Er wollte im Moment einfach nur seine Ruhe, nachdem es vorhin so viel Stress gegeben hatte.

Kaum waren Antonia und er zu Hause gewesen, ging das Theater los. Allem Anschein nach hatte sie Francis darüber informiert, bei wem er gewesen war und der wollte ihn wohl zur Sau machen. Da war Gilbert der Kragen geplatzt und er hatte ihn angeschrien, was die ganze Geheimniskrämerei überhaupt sollte. Nur, weil hier anscheinend so ein verrückter Italiener rumlief, würde er es sich nicht von einem dahergelaufenen Franzosen verbieten lassen, zu seinem Kumpel zu gehen.

Konnte der arme Feliciano ja nichts dafür, dass der so ein Arschloch als Halbbruder hatte. Und solange ihm nicht ENDLICH mal erklärte, was hier eigentlich abging, konnte der Franzose darauf scheißen, dass Gilbert je höflich zu ihm sein würde.

Er war ja überhaupt froh gewesen, dass seine Mutter in den Garten gegangen war. Aber sein Gebrüll war sicherlich bis nach draußen zu ihr gedrungen. Egal.

Ohne, dass er den Franzmann überhaupt mal zu Wort hatte kommen lassen, war er nach oben gestapft, hatte hinter sich abgeschlossen und sich mit Gilbird auf sein Bett gesetzt. Der kleine gelbe Vogel hatte damit angefangen, von Gilberts Kopf, auf seine Schulter, auf sein Knie, aufs Bett zu hüpfen und auf der anderen Seite wieder nach oben. Sollte wohl so was wie ein Aufmunterungsversuch werden. Irgendwie putzig.

Mit der Zeit rappelte er sich dann doch hoch und griff nach seinem Handy. Bei den ersten Zeilen konnte er nicht anders, als die roten Augen zu verdrehen. Als ob er nur auf die Größe der Brüste achten würde… Dumme, naiver kleiner Italiener.

Dann las er aber den Rest.

Lovino reiste noch heute Abend ab…

Fassungslos sah er auf die Nachricht. Das war doch… echt awesome!

Wenn der weg war, hatte auch Francis keinen Grund mehr, hier zu bleiben!

Und er hatte Antonia wieder für sich!

Endlich eine gute Nachricht nach diesem verkorksten Tag!

Der Albino sprang auf und rannte aus seinem Zimmer. Die Nachricht musste er einfach gleich weitergeben!

Die Treppe wäre er beinahe runtergestürzt, so hastig, wie er unterwegs war. Einmal rannte er durch das ganze Haus, sogar den Garten suchte er nach seiner Mutter ab.

Nirgends war sie zu finden. Auch Francis schien verschwunden zu sein.

Das wurde ja immer besser!

Innerlich jubelnd sah er nach draußen, ob ihr Auto da stand.

Ja! Nur ihr kleines, knallrotes Auto stand da! Der Van des Franzosen war verschwunden!

Gilbert rannte wieder nach oben. Irgendwo musste seine Mutter ja sein! Grinsend klatschte er sich die Hand an die Stirn. Na klar, seine Mutter würde in ihrem Zimmer sein.

Er riss die Tür auf und rief: „Antonia! Wunderbare Nachrichten, Lovino reist…!“

Fragend blieb er noch im Türrahmen stehen.

Mitten in dem blassrosa gehaltenen Zimmer stand ein junger Mann, nur mit einem Handtuch um die Hüften und sah ihn erschrocken an. Anscheinend war er sprachlos vor Schock, denn er machte einfach nur den Mund auf und wieder zu. Gilbert erging es da nicht anders. Sein erster Impuls, war zu fragen, wer der Kerl eigentlich war und wie er in ihr Haus kam. Immerhin stand nur ihr Auto vor dem Haus und er hatte sicherlich nicht zwei Stunden lang geschmollt, damit Antonia ihn hätte abholen können. Also starrte er ihn einfach an.

Das Gesicht kam ihm eh sehr vertraut vor. Zu vertraut, wie die langen Haare sich an das Gesicht schmiegten. Es vergingen ewige Sekunden, bis er endlich den Blick von ihm losriss und auf das Bett sah.

Ein Korsett.

Falsche Brüste.

Und der BH, den er Antonia mal geschenkt hatte (was ein totaler Glücksgriff war, immerhin hatte er ihre Körbchengröße nicht gekannt).

Dann endlich verstand er.

Langsam schüttelte der Albino den Kopf.

„D-das darf nicht wahr sein.“, murmelte er. „Das darf nicht wahr sein!“ Langsam ging er rückwärts und endlich schien sich auch die Zeit wieder zu bewegen.

Der junge Mann schoss auf ihn zu und knallte ihm die Tür vor der Nase zu. Da kam wieder Leben in Gilbert, der sein Handy fallen ließ und gegen die Tür hämmerte.

„MACH SOFORT DIE TÜR AUF!“, schrie er. „ERKLÄR MIR DAS GANZE! ANTONIA!!“ Glaubte sie… oder er wirklich, er hätte sie/ihn nicht erkannt? „MACH AUF!“

Wütend knirschte er mit den Zähnen.

Lüge. Alles war eine Lüge gewesen!

Er hatte keine Mutter. Er hatte… niemanden.

Der Albino ballte die Hände zu Fäusten und biss sich auf die Lippe.

Nun bloß nicht weinen! Er war großartig, selbst als Kind hatte er bei so was nicht geweint.

Gilbert hob sein Handy auf und rannte in sein Zimmer.
 

Antonio hörte nur noch den Knall der Zimmertür.

Selbst kauerte er vor seiner.

So hätte Gilbert ihn niemals sehen dürfen! Das hatte er immer vermeiden wollen. Zu ihrer Sicherheit. Kurz sah er zu den Materialien, mit denen er sich immer in Antonia verwandelt hatte. Das war wohl nun nicht mehr nötig.

Langsam stand der Spanier auf und suchte sich seine wenigen noch männlichen Klamotten raus und band seine nassen Haare zu einem Pferdeschwanz.

Er sollte die Sache Gilbert erklären, bevor der unbedacht handelte. Er schlich regelrecht zu der Zimmertür seines Sohnes und klopft. Doch er bekam nur ein „VERPISS DICH, DU MISSGEBURT!“ zu hören.

„Gilbert, lass mich dir das doch erklären…“, bat er leise. Damit das aus der Welt war.

„NEIN! DU SOLLST ABHAUEN! VERSCHWINDE!“

„Ich bin doch immer noch der gleiche Mensch…“ Darauf bekam er keine Antwort mehr.

Antonio seufzte gequält und ging nach unten in die Küche.

Er wusste nicht, wie lange er da saß, als es klingelte. Er erhob sich und öffnete die Tür. Matthias stand da und setzte gerade zum Sprechen als, als ihm wohl die Luft ausging.

„Oh, Scheiße.“, war alles, was er raus bekam.

Ein paar Sekunden später kam Gilbert mit einem großen Rucksack und seiner Laptoptasche im Arm die Treppe runter gestürmt. Schnell war er in seine Schuhe geschlupft.

„Lass ich mich vorbei!“, zischte er und funkelte Antonio bösartig an.

„Lass es mich doch wenigstens erklären!“, bat der Spanier, wurde dann aber nur grob von seinem Adoptivsohn aus dem Weg gestoßen. Mit seinem Zeug rannte er zu Matthias‘ Auto und warf alles hinein.

„KOMM! Ich will hier weg!“, rief er dem Dänen zu, der ein wenig unentschlossen noch im Vorgarten stand und Antonio angaffte. Dann ging er langsam, Schritt für Schritt zu seinem Auto.

Als der Motor startete, rannte auch Antonio raus.

„GILBERT!“

Doch er musste mitansehen, wie der für ihn wichtigste Mensch einfach davon fuhr.

Der Spanier setzte sich einfach auf den Asphalt, sah dem Auto nach und weinte.

Entführung

Aus der dänischen Wohnung hörte man eine Zeit lang nur Schimpfen und Fluchen.

Gilbert saß im Wohnzimmer auf dem Sessel und regte sich über seinen Vater auf.

„Ach was! Er ist NICHT mein Vater! Ich habe keine Eltern!“, fing er wieder an zu schimpfen.

Matthias fand, dass sein Kumpel, wenn er das sagte, sehr traurig wirkte. Erschrocken zuckte er zusammen, als Gilbert plötzlich aufsprang und anfing, auf und ab zu laufen.

„Ich will meinen alten Nachnamen wieder. Auch wenn ich mit diesen Spinnern aus Deutschland absolut nichts zu tun habe! Ab sofort heiße ich wieder Gilbert Beilschmidt! Antonia kann mich mal!“

„Ähm… bist du sicher, dass er so heißt?“, fragte der Nordeuropäer leise.

„Weißt du, wie egal mir das ist, wie er eigentlich heißt? Da ist es mir sogar wichtiger, wenn ein Sack Reis in China umfällt!“

„Bitte beruhige dich doch wieder. Er hatte sicher seine Gründe. Hast du nach denen gefragt?“

„Ja! Aber er wollte sie mir nicht erklären!“ Naja, wollte er schon, aber da war Gilbert dann zu stur gewesen. „Ist mir doch egal! Mich schmerzt der Betrug!“ Und dass er sich in einen Mann verliebt hatte! Das ärgerte ihn so richtig. Weil dieser Sack eben wie eine Frau gewirkt hatte!

„Oh… Irgendwie.. verständlich…“, murmelte der Däne. „Dennoch, beruhig dich mal. Es ist immer noch der gleiche Mensch mit dem gleichen Charakter. Ich meine, hallo? Der Kerl hat dich wirklich gerne, egal, ob als Mann oder als Frau!“

„Wenn er mich wirklich gern hätte, hätte er mich nicht angelogen!“, schoss der Albino zurück. „Und hör auf, ihn in Schutz zu nehmen!“ Gilbert war froh, dass Matthias nicht sah, wie nahe er den Tränen war. Das war ihm alles klar, aber er wollte es nicht wahrhaben.

Seufzend stand der Däne auf, strich sich durch seine Sturmfrisur und ging in die Küche, zwei Bier holen.

„Gilbert, du bist volljährig. Du hast einiges an Ersparten. Du kannst bei ihm ausziehen, wenn du willst.“, meinte er und gab seinen Kumpel eine Flasche. „Aber so unordentlich, wie du bist, würdest du in einer eigene Wohnung nicht überleben.“

Ein Grinsen schlich sich auf Gilberts Gesicht.

„Gilbird wird mir helfen, nicht wahr, Kleiner?!“ „Tschilp.“ „Siehste!“

Matthias bezweifelte, dass der kleine gelbe Vogel ihm helfen würde oder es überhaupt könnte, aber okay.

Fragend sah der Albino auf und seinen Kumpel an, als es klingelte. „Du erwartest noch wen? Mensch, sag das doch, dann hätte ich Vlad angesimst!“

„Nein, nein, ich erwarte niemanden.“, brummte der Nordeuropäer und stand auf. Vor der Tür standen Feliciano und sein Bruder. Der junge Italiener hielt ihm sein Mathebuch entgegen.

„Hier! Das hast du heute bei mir liegen gelassen!“

„Ach, das ist lieb von dir. Kommt doch rein, Gilbert ist auch da.“

Die beiden gingen ins Wohnzimmer. Als Gil aufsah und Lovino entdeckte, knurrte er. Mit einem Satz war er auf den Beinen, stürmte auf ihn zu und packte ihn am Kragen.

„DU! DAS IST ALLES NUR DEINE SCHULD!“, schrie er ihm ins Gesicht. „DU HAST ES GEWUSST! GIB ES ZU! DU WUSSTEST ES!“

„Was wusste ich, du Bastard?“, brummte Felicianos Bruder genervt.

„G-Gilbert! Was ist denn los?!“, fragte der nun und sah die Zwei verängstigt an. Gilbert schenkte dem Naivling einen kurzen Blick.

„Dein scheiß Bruder wusste davon, dass meine Mutter nicht wirklich eine Frau ist! Deswegen hat er auch ständig von meinem Onkel gelabert, denn es gar nicht gibt!“

Ein Grinsen schlich sich auf Lovinos Lippen. Ein sehr hinterlistiges und siegessicheres Grinsen.

„So, deine Mutter ist eigentlich ein Kerl?“

„JA, VERDAMMTE SCHEIßE! Bist du taub oder was?!“

„Ich hab ihn… endlich hab ich ihn…“ Felis Bruder klang gerade ein wenig wahnsinnig.

Auch Matthias kam wieder und sah die Szene etwas verwundert an. Dass Gilbert seine Wut nun an dem Italiener raus ließ, hätte er nicht erwartet.

„Ich bin nicht taub…“, murmelte Lovino nun und kramte kurz unter seiner Weste, die er trug. „Nur endlich am Ziel.“

Kein Mucks war mehr zu hören, als er eine Waffe auf Gilbert richtete.

„Du lässt mich nun brav los und kommst mit mir. Sonst findest du dich sehr schnell im Jenseits wieder.“

Die blutroten Augen weit aufgerissen starrte Gilbert die Waffe an, die direkt auf sein Herz gerichtet war. Ganz langsam ließ er ihn los und stellte sich normal hin. Er hatte wenig Lust zu sterben.

„Was redest du da, Bruder?! Was soll das?“ Feliciano sah zwar sehr verängstigt aus, wollte das aber dennoch wissen. Er quiekte erschrocken, als sein Halbbruder die Waffe nun auf ihn richtete und versuchte, sich hinter dem Sessel zu verstecken.

„Das geht dich nichts an, du Null. Du naiver kleiner Wicht warst nur Mittel zum Zweck. Dank deinem netten Bild auf Facebook von der Missgeburt hier und seiner Mutter wusste ich endlich, wo ich suchen musste!“

Sofort warf Gilbert Feli einen wütenden Blick zu.

„Ich konnte ja nicht ahnen, dass das solche Folgen nach sich ziehen würde!“, stammelte der verängstigte Italiener und bückte sich tiefer hinter den Sessel.

Dann wendete sich Lovino Matthias zu.

„Wehe, du rufst die Polizei. Ich verschone euch zwei Idioten jetzt mal, damit man nicht sofort auf mich kommt. Aber ein Wort an die Bullen und euer Freund fliegt gen Himmel, klar?!“ Er feuerte einen Warnschuss ab, der die Bierflasche in der Hand des Dänen in tausend Splitter auflöste. Dann stieß er Gilbert vor sich her zur Wohnungstür. „Und keine Spielchen, Gilbert.“

Kaum waren sie aus dem Wohngebäude, fasste sich der Vogel des Albinos ein Herz und griff die Bedrohung an. Zwar fluchte der Italiener wie blöd, bekam den Vogel aber zu packen.

„Kannst du deine Haustiere nicht untere Kontrolle halten?!“, schimpfte er und warf den Vogel mit voller Wucht gegen die Hauswand.

„GILBIRD!“ Noch bevor Gilbert zu seinem bewusstlosen Vögelchen rennen konnte, hatte Lovino ihn gepackt und in Felicianos Auto verfrachtet. Die Schlüssel hatte er vorhin schon gehabt, als sie her gefahren waren.

„Ich sagte, keine Spielchen. Wir werden uns nun bald um Antonio kümmern…“, säuselte der Italiener und stieg hinter dem Lenkrad ein. Wenig später waren sie davon gerast.
 

Der kleine gelbe Vogel brauchte seine Zeit, sich ein wenig zu erholen (wenn Vögel Kopfschmerzen haben konnten, so brummte ihm nun der Schädel). Tapsig kam er auf die Füße und erhob sich in die Lüfte. Es dauerte ziemlich lange, bis er das verlassen aussehende Wohnhaus der Carriedos und ein offenes Fenster fand. Er flog auf die braune Wuschelmähne des Spaniers, der fast ein wenig zu regungslos am Küchentisch lag und pickte auf seinem Kopf herum.

Als keine Regung in ihn kam, gab Gilbird es auf und kuschelte sich in die braunen Haare.

Der kleine Piepmatz brauchte Schlaf, um sich von diesem Crash mit der Wand zu erholen.

Vaterliebe

Es vergingen Tage. Gilbert meldete sich nicht.

Geknickt saß Antonio mit Gilbird auf der Schulter im Wohnzimmer.

Francis hatte ihn gefunden, als er wieder hier her gekommen war (tatsächlich hatte Antonio, nachdem er unter Tränen ins Haus zurück war, die Tür nicht richtig zu gemacht). Der Spanier war mit dem Oberkörper auf dem Küchentisch gelegen, neben einer leeren Weinflasche. Er hatte bereits tief und fest geschlafen, den Vogel auf dem Kopf. Nachdem der Franzose es mehr als einmal versucht hatte, ihn aufzuwecken und gescheitert war, hatte er ihn ins Wohnzimmer auf die Couch gewuchtet. Gilbird war schimpfend und zwitschernd hinterher geflogen und hatte es sich wieder auf Antonios Kopf bequem gemacht. Doch Francis hatte ihn mitgenommen und das bisschen Blut, was an den gelben Köpfchen klebte, weggewaschen.

„Hast dir ja ganz schön den Kopf gestoßen, Kleiner.“, hatte er gemurmelt, als er Gilbird wieder zurück zum Spanier fliegen ließ.

Seitdem hatte sich Gils Adoptivvater nicht mehr hier weg bewegt. Mit leerem Blick saß er da, starrte auf das Telefon, dass Francis ihn gebracht hatte, damit er seinen Sohn mal anrufen konnte. Doch der war nicht ran gegangen.

Der Franzose versuchte immer wieder, seinen Kumpel aufzumuntern – was jedes Mal schief ging und dafür sorgte, dass der Spanier in Tränen ausbrach – und versorgte ihn.

„Warum ist eigentlich der Vogel noch da? Hat Gilbert den nicht mitgenommen?“, fragte Francis an dem fünften Tag nach dem Verschwinden des Albinos.

„Ich weiß es nicht.“, flüsterte Antonio. „Vielleicht wollte er ihn nicht mehr…“ Er konnte sich auch nicht mehr erinnern, ob der Vogel auf Gilberts Kopf saß, als der Hals über Kopf abgehauen war. Er vergrub das Gesicht in seinen Händen und gab etwas von sich, was wie eine Mischung aus Seufzen, Stöhnen und Schluchzen war. Sein Kumpel klopfte ihm auf die Schulter.

„Komm, ich mach dir was zu Essen. Du bist ja eh schon so abgemagert, bevor du zu Antonia wurdest. Nicht, dass du mir durch den Verlust nun noch eingehst.“

Aber er wollte nichts essen. Er wollte nur seinen Sohn wieder. Antonios Hand wanderte zu dem kleinen Vogel, der bereitwillig auf seinen Finger hupfte und sich streicheln ließ. Warum er ihm gelegentlich halbwegs die Haare rausriss und ins Ohr tschilpte, verstand der Spanier nicht.

„Wo ist Gilbert…?“, fragte er den gelben Vogel leise. „Du weißt doch sicher, wo er ist, habe ich Recht…?“

Als das Telefon klingelte, zuckte er so heftig zusammen, dass Gilbird meckernd aufflog und sich auf dem Fernseher gegenüber der Couch rettet. Von dort aus schimpfte er immer noch mit Antonio, der nun mit zitternder Hand nach dem Telefon griff. Auf dem Display stand groß und breit Gilbert Handy. Langsam drückte er auf den grünen Hörer, führte das Telefon an sein Ohr und meinte hoffnungsvoll: „Gil?“

„Kapierst du es nicht?!“, schrie die Stimme seines Sohnes aus dem Gerät, „Ihm liegt nichts an mir! Merkst du doch! Er sagt nicht mal was! Dieser verdammte Hurensohn soll sich ficken! Ich will mit ihm nichts zu tun haben!!“

Sofort kamen Antonio wieder die Tränen. „Das stimmt doch gar nicht! Was erzä-!“

„Hallo, Antonio.“, unterbrach ihn eine bekannte Stimme. Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. „Oder willst du lieber Antonia genannt werden? Sind doch schöne Dinge, die mir dein Sohn hier erzählt.“ “ICH BIN NICHT SEIN SOHN!“

Der Spanier starrte ins Leere. Warum hatte Lovino Gilberts Handy? Überhaupt, warum war Gilbert bei ihm?

„Was willst du?“, fragte er leise.

„Ach komm, was ist das denn für eine Frage! Dich natürlich! Und zwar tot. Außer, du hast das Geld?“ Eine irre Lache folgte. „Ich habe dich fünf Jahre gesucht. Fünf Jahre! Was machst du nur für Sachen! Ich habe wirklich gemeint, diese Frau wäre deine große Schwester! Und ein Kind hast du dir auch angeschafft. Woher hast du nur diese Missgeburt?“ „Das geht dich nichts an, Lovino.“, knurrte Antonio leise. Francis sollte das nicht mitbekommen. „Wo ist er? Wo ist Gilbert?“

„Nicht so hastig, mein Lieber. Glaubst du etwa, ich würde ihn einfach so gehen lassen?“

Natürlich nicht. Wäre ja auch zu schön, wenn dem so wäre.

„Ich will dich treffen. Will schauen, was aus dir geworden ist! Ein richtiger Mann bist du wohl nicht mehr, da du ja Jahre lang eine Mutter gespielt hast.“ „Vier Jahre.“, knurrte er. Davor war er bereits eineinhalb Jahre darin geübt gewesen, sich so zu verwandeln.

„Oh, Glückwunsch. Kein Wunder, dass mein Opa dich nicht gefunden hat. Aber dass du deinen Namen so einfach wählen würdest. Das grenzt schon fast an Dummheit.“ „Die beste Lüge grenzt nah an der Wahrheit. Nochmal; WO ist Gilbert. Wo seit ihr?“

„Das sage ich dir nicht. Ich nenne dir aber einen Treffpunkt. Und wenn du nicht die Leiche deines Sohnes dort finden willst, bist du am besten in, sagen wir, einer Stunde dort?“

Eine Stunde? Solange dauerte die Fahrt von hier bis in die Stadt! Antonio holte tief Luft.

„Wo?“

Lovino gab ihm eine Beschreibung durch. Es war, soweit der Spanier sich erinnerte, eine Seitengasse, abgeschieden von der Hauptstraße und total ruhig. „In einer Stunde bin ich da!“

„Hast du gehört, Gilbert? Er kommt uns besuchen! Nun zieh nicht so ein Gesicht, freu dich doch!“ Es waren Schritte zu hören und genervtes Schnaufen. Dann war die Stimme des Mafioso wieder da. „Grüß deinen lieben Papi doch mal!“

Stille.

Der Atem von zwei Leuten war zu hören. Dann war da Gilberts Stimme, viel näher als vorhin.

„Antonio?“

„Ja? Oh Gott, Gil, ich wollte dich da nicht mit hinein ziehen!“

„Halts Maul! Mensch! Du bist so ein Idiot! Du hättest mir das sagen können!“ Weinte Gilbert? Zumindest hörte es sich so an. „Ich hätte dir geholfen! Du bist doch meine Mama… ähh... mein Papa!“ Doch, nun war es klar zu hören. Der Albino weinte. „Wenn du deinen Arsch nicht hier her bewegst und mich rettest, dann bist du für mich gestorben. Hörst du! Hörst du, Antonio! Hey, du scheiß Pizzafresser, bleib gefälligst da! ANTONIO! WO IST GILBIRD?!“ Dann knackte es in der Leitung.

Auch der Spanier legte auf und erhob sich. Vorsichtig setzte er sich Gilbird auf den Kopf und schlich sich in den Flur. Neben seinen steckte er auch Francis‘ Autoschlüssel ein, damit der ihm nicht folgen konnte. Er sollte nicht noch tiefer in die Sache mit hinein gezogen werden, weil er ungewollt eh schon sehr tief mit drin steckte. Kurz sah er in die Küche und lächelte.

„Danke für alles, mein Freund!“

Er sah noch, wie Francis verwundert den Kopf hob, dann war er auch schon draußen und sperrte das Haus ab. Wenige Sekunden später stand auch der Franzose an der Tür und rüttelte daran.

„Antonio! Was hast du vor?!“

„Ich rette Gilbert. Lovino hat ihn. Tut mir leid, aber du musst hier bleiben.“ Mit den Worten drehte er sich um und rannte zu seinem kleinen roten Auto und fuhr los.

Eine Stunde.

Das war bei Tempo 100 nicht zu schaffen. Sein Auto fuhr maximal 140kmh, wenn es hoch kam 145kmh.

Er trat das Gaspedal durch, sah der kleinen roten Nadel zu, wie sie immer höher krabbelte.

70kmh. 80kmh. 90, 100kmh. 110, 120, 130kmh. 140kmh.

„Komm schon, Kleiner. Lass mich heute nicht im Stich!“, bat Antonio.

145kmh.

Wie wild sauste er durch den Wald, voller Sorge um seinen Sohn.

Dass er ihn Papa genannt hatte, freute ihn. Wenn er ihn dort raus hatte, würde er ihn fest in die Arme nehmen und nicht mehr gehen lassen.

„Du bist doch mein Sohn, Gilbert… Der wichtigste Mensch, den ich habe… Mein Schatz!“

Begreifen

Geknickt lag Gilbert im Dunkeln. Er hatte keine Ahnung, wohin Lovino eigentlich gefahren war.

Irgendwann hatte er angehalten – in irgend so einer verlassen Parkbucht – und hatte ihm dermaßen eine reingehauen, dass er bewusstlos geworden war.

Als er wieder zu sich kam war er gefesselt in der Finsternis gesessen.

Für wie lange, wusste er nicht. Er hörte und sah nichts.

Daher war er auch sehr heftig zusammengezuckt, als die Tür aufgegangen war und der Italiener herein gekommen war.

„Na, wie geht’s uns denn heute, Kleiner?“, fragte er fast zu nett und kniete sich zu Gilbert. Wütend funkelte er ihn aus seinen roten Augen an.

„Wie wärs, wenn wir deinen Daddy anrufen? Der macht sich sicher Sorgen um dich.“

„Ich habe keinen Vater!“, knurrte der Albino. Er sah zu, wie Lovino aufstand, etwas aus seiner Hosentasche holte und daran herumspielte.

„Und Antonio? Er ist doch dein Adoptivvater?“

Er wusste nicht warum, aber Felicianos Bruder brachte ihn dermaßen auf die Palme.

„Kapierst du es nicht?!“, schrie er. Schon wieder war ihm der Kragen geplatzt. „Ihm liegt nichts an mir! Merkst du doch! Er sagt nicht mal was! Dieser verdammte Hurensohn soll sich ficken! Ich will mit ihm nichts zu tun haben!!“ Erschrocken riss er die Augen auf, als er Antonios Stimme hörte. Wie…? Wo war der? Wo kam er plötzlich her??

Da fing Lovino an zu reden. Im wenigen Licht, dass durch die Tür kam, erkannte Gilbert, dass der Italiener telefonierte.

Mit MEINEM Handy!!!

„Sind doch schöne Dinge, die dein Sohn da erzählt.“, meinte der Italiener gerade lachend.

„ICH BIN NICHT SEIN SOHN!“ Sollte Antonio das ruhig hören. Hatte er verdient nach den Betrug! Aber vielleicht sollte er ihn nicht verärgern. Sonst gab es keinen, der ihn hier raus holen würde. Matthias und Feliciano wussten zwar Bescheid, waren aber verängstigt (vor allem Feli). Und sein Leben war ihm dann doch wichtiger als so ein dummer Streit. Vielleicht konnte Antonio ihm doch alles in Ruhe erklären.

„Ach komm, was ist das denn für eine Frage! Dich natürlich! Und zwar tot.“

WAS?!

Der Verrückte konnte Antonio doch nicht einfach töten! Der hatte ja echt einen riesigen Sprung in der Schüssel! Als er den Spanier fragte, woher er denn diese Missgeburt hatte, bohrte sich der Blick des Italieners regelrecht in Gilbert. Und der starrte mehr als wütend zurück.

Er war keine Missgeburt! Er war etwas Besonderes!

Wie gerne würde ich das nun von Antonia hören.

Als er noch jünger war, hatte sie ihm oft über den Kopf gestreichelt und gemeint, wegen seiner roten Augen sei er etwas ganz Besonderes!

„Nicht so hastig, mein Lieber. Glaubst du etwa, ich würde ihn einfach so gehen lassen?“

Natürlich nicht. Wäre ja auch zu schön, wenn dem so wäre, dachte der Albino sarkastisch. Kurz blendete er Lovino total aus.

Wenn er wollte, konnte eine Person ihm ganz bestimmt noch sehr oft sagen, dass er was Besonderes sei. Matthias hatte Recht.

Er hatte nun zwar keine liebe Adoptivmutter mehr, aber einen genauso netten Adoptivvater. Immerhin waren sie ein und dieselbe Person. Und wenn er ihn wirklich liebte…

„Hast du gehört, Gilbert?“ Felis Halbbruder riss in komplett aus seinen Gedanken. „Er kommt uns besuchen!“ Besorgt verzog er das Gesicht. Das wollte er nicht! „Nun zieh nicht so ein Gesicht, freu dich doch!“

Schnaubend rutschte er von ihm weg, als der Italiener näher zu ihm kam und vor ihm in die Knie ging.

„Grüß deinen lieben Papi doch mal!“

Verdutzt sah er auf sein Handy. Er sollte WAS? Okay, ja, der Italiener war wirklich verrückt.

„Antonio?“

„Ja? Oh Gott, Gil, ich wollte dich da nicht mit hinein ziehen!“

Genau DAS hatte er nicht hören wollen. Gilbert schnaubte wütend und sah sein Handy so düster an, als ob der Spanier es so sehen könnte. „Halts Maul! Mensch! Du bist so ein Idiot! Du hättest mir das sagen können!“, brüllte er in das Handy. Seine Stimme klang belegt. Er wollte hier raus!

Du Idiot! Du Vollpfosten! Ich bin doch dein Sohn! „Ich hätte dir geholfen! Du bist doch meine Mama… ähh...“ Er kam ins Stocken und musste schlucken. Warum kamen ihm nun die Tränen? „Mein Papa! Wenn du deinen Arsch nicht hier her bewegst und mich rettest, dann bist du für mich gestorben. Hörst du! Hörst du, Antonio!“ Der Albino fing an zu zappeln, als Lovino sich erhob. „Hey, du scheiß Pizzafresser, bleib gefälligst da!“, schrie er ihn an. Eines musste er noch wissen! „ANTONIO! WO IST GILBIRD?!“

Der Italiener legte einfach auf. Beide starrten sich gegenseitig wütend an.

„Er wird herkommen und dir den Arsch aufreißen!“, drohte Gilbert. „Warts nur ab! Mein Dad kloppt dich windelweich!“ Ja, er hatte verstanden, dass ihn diese Person, egal, ob männlich oder weiblich, aus dem Heim geholt und ein Zuhause gegeben hatte. Da konnte er es doch nicht auf sich sitzen lassen, hier die Geisel von einem Wahnsinnigen zu sein, der diese Person ermorden wollte!

Lovino kramte wieder unter seiner Weste (Gilbert hatte auch verstanden, dass er darunter wohl einen Schulterholster trug) und zog die Pistole hervor. Wieder starrte Gil wie ein Kaninchen die Waffe an. Von so einem Ding bedroht zu werden, war echt nicht lustig! Da bekam selbst er, wo er doch großartig und was Besonderes war, Angst.

„Das bezweifle ich, kleine Missgeburt.“, murmelte er und zog dem Albino den Griff der Pistole über den Kopf.

Scheiße…, dachte er, Ich kann doch nicht so schwach sein und meinen Vater nicht helfen… Antonio…!

Dann wurde es Schwarz um ihn.

Unglück

Wie ein Wahnsinniger rannte Antonio durch die Straßen der spanischen Kleinstadt. Sein Auto hatte er vorschriftsmäßig geparkt (nachdem er schon wie ein Irrer über die Landstraße geflogen war) und ging seither zu Fuß. Ab und zu musste er schnaufend stehen bleiben und sich umsehen. Außerdem hatte dann Gilbird Zeit ihn wieder einzuholen, sich auf seinen Kopf zu setzen, nur um dann wieder herunterzufallen und erneut schimpfend hinter ihm herzufliegen. Er hatte sicherlich nur noch ein paar Minuten.

Keine Menschenseele kam ihm entgegen.

Da mussten ein Albino und ein verrückter Mafioso doch auffallen!

Er wollte gerade an einer Seitengasse vorbeirennen, als er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Gerade noch rechtzeitig beschloss der Spanier, lieber mal in Deckung zu gehen, denn als er es gerade hinter eine Mülltonne geschafft hatte, hallte ein Schuss durch die Gasse. Er meinte sogar, das Zischen der Kugel zu hören, bevor sie in eine Hauswand schlug. Und als ob ihm dieses Zeichen nicht genug wäre, fing auch noch die vertraute Stimme seines Adoptivsohnes an, zu schimpfen und zu zetern. Gerade so konnte Antonio den Vogel festhalten, bevor der übereifrig zu seinem Besitzer geflogen wäre.
 

Der Albino wusste nicht, wie lange er schon in dieser dreckigen Gasse lag, als er zu sich kam. Sein Kopf schmerzte höllisch und er brauchte ein wenig, bevor er irgendeinen Gegenstand wieder richtig fokussieren konnte.

Stöhnend rappelte er sich auf und sah sich nach Lovino um. Irgendwo musste der ja sein.

„Auch wieder wach.“

Genervt ließ Gilbert den Kopf hängen. Der Italiener stand hinter ihm, wahrscheinlich mit der Waffe in der Hand, um ihn jederzeit erschießen zu können. Der Gedanke jagte ihm zwar eine Gänsehaut ein, aber er wusste, Antonio würde kommen. Der würde ihn schon raushauen!

Dennoch zuckte er zusammen, als ein Schuss ertönte, kaum dass eine Silhouette am Eingang der Gasse auftauchte. Für einen Moment dachte Gilbert, das wars nun mit ihm.

Dann drehte er sich allerdings um und fing an, den Italiener anzuschreien.

„Sag mal SPINNTST du?! Du kannst ihn doch nicht einfach so abknallen! Wenn du was von ihm willst, dann warte auch gefälligst, bis er hier ist, bevor du hirnlos irgendwo rumballerst!!! Das hier ist doch kein Videospiel, verdammte Scheiße, du kleiner Möchtegerngangster!“

Er hörte ein Knurren, dann bekam er bereits einen heftigen Schlag (oder Tritt?) ins Gesicht. Unsanft landete er am Boden.

So bekam er auch nicht mit, wie sich eine Gestalt aus dem Schatten löste und auf sie zukam.

Antonio musste heftig blinzeln und die Hand als Blendschutz benutzen, als Lovino eine starke Taschenlampe auf ihn richtete.

„Da bist du ja endlich!“, rief der Mafioso freudig. „Hab schon gedacht, du willst dieses abnormale Wesen hier sterben lassen.“

Gilbert zu seinen Füßen knurrte und grummelte, als er sich wieder aufrichtete.

Seine blutroten Augen hefteten sich sofort auf den Spanier. Und den seine smaragdgrünen Augen hefteten sich auf ihn.

„Ich bin nur hier, um Gilbert abzuholen.“, meinte Gils Vater ruhig. „Mit dir habe ich nichts mehr zu schaffen.“ Gerade wollte er auf die beiden zugehen, als eine Kugel an ihm vorbei sauste und seine Wange aufritzte. Genervt seufzend blieb er wieder stehen.

„Nicht so hastig, Antonio…“, brummte Lovino. „Hast du das Geld dabei?“

Der Albino sah auf. Welches Geld? Klar, sie hatten nie arm gelebt oder am Existenzminimum, aber reich waren sie auch nicht. Fragend sah er zu Antonio, der langsam den Kopf schüttelte.

„Wie hätte ich es in einer Stunde auftreiben sollen? Außerdem brauchte ich das Geld nicht mitbringen, du hast es bereits in deinen Griffeln.“

Total aus dem Konzept gebracht und verwirrt sah der Italiener ihn an. Wie jetzt?

„Ich hab das ganze Geld damals für Gilberts Adoption und sein Bedarf an Elektronik, Klamotten und für sein Wohlbefinden ausgegeben. Das Geld, was du willst, ist nicht mit diesem wunderbaren Jungen aufzuwiegen, den du da so schäbig behandelst!“

Dem Albino wurde warm ums Herz. Er hatte zwar keine Ahnung, von welchem Geld sie da sprachen und um welche Summe es ging, aber Antonio hatte es für ihn ausgegeben. Damit es ihm gut ging und für sonst nichts. Das tat doch nur ein liebender Vater. „Antonio…“

Er hörte Lovino hinter sich wütend schnauben.

„Das… ist jetzt NICHT dein Ernst, oder, Antonio? Du hast das ganze Geld für diese Missgeburt ausgegeben?!“

„Doch, habe ich. Denn diese ‚Missgeburt‘, wie du meinen Sohn nennst, ist das Wichtigste auf der Welt für nicht.“ Der Spanier holte tief Luft. „Wenn du schon jemanden töten willst, dann erschieß mich. Aber lass ihn am Leben. Er kann nichts dafür. Obwohl, ich eigentlich auch nicht, aber du hast dir ja die Wahrheit so hingedreht, wie du es brauchst und ich kann nichts dagegen tun. Also los. Hier bin ich.“

Zu Gilberts Schrecken sah er, wie sein Adoptivvater die Arme ausbreitete, sich regelrecht als Ziel darbot.

„Richte mich!“ Der Sarkasmus tropfte aus Antonios Worten.

„Nein, NICHT!“ Gilberts Schreien vermischte sich mit dem Klang der Schüsse, die Lovino blind auf Antonio abfeuerte. Vor Angst und Schreck gelähmt musste der Albino mit ansehen, wie der sonnengebräunte Körper seines Vaters ein paar Mal unter dem Kugelhagel zuckte und bebte und er dann vorneüber kippte, als es endlich wieder ruhig war. Das schrägste an diesem Bild war in Gilberts Augen, dass er lächelte. Zwar leer, aber Antonio lächelte in seinem Fall.

Sein Atem wie sein ganzer Körper zitterte. Er wollte zu seinem Vater, sofort!

Als hätte Lovino seine Gedanken gelesen, löste er endlich die Fesseln.

„Damit ist die Schuld beglichen…“, meinte der Italiener ruhig und grinste auf die Leiche des Spaniers herab.

Noch immer war Gilbert wie gelähmt. Das darf nicht wahr sein. Mit einem Schlag hatte er seine zweite Familie verloren. Nun hatte er endgültig niemanden mehr.

Keiner konnte ihm mehr sagen, er sei was Besonderes.

Keiner würde ihn nach der Arbeit mit einem sonnenscheinähnlichen Lächeln abholen und sich seine Story anhören.

Keiner würde mehr zu ihm sagen, er soll doch bitte nicht mit dem Trinken übertreiben und auf sich aufpassen.

Schlagartig wandelte sich die Trauer und Verzweiflung über diesen riesigen Verlust in Wut um. Etwas wackelig stand er auf, ging dem Italiener, der sich aus dem Staub machen wollte, mit großen Schritten hinterher und packte ihn an der Schulter. Der drehte sich überrascht um und just in dem Moment donnerte Gilbert ihm seine Faust ins Gesicht. Das ließ er ihm nicht einfach durchgehen!

Ein überraschter Ausdruck legte sich auf das Gesicht des Italieners.

„Oh, du kannst dich ja wehren!“, stellte er belustigt fest. Wütend sah der Albino ihn an.

„Und wie ich mich wehren kann…“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Bevor Lovino nach seiner Pistole greifen konnte, die er bereits wieder im Holster verstaut hatte, schoss Gilbert auf ihn zu und schlug auf ihn ein. Als der Mafioso am Boden lag, setzte er sich auf und verdrosch ihn weiter.

„Du Schwein hast meinen Vater getötet!“, zischte er wütend und griff bei dem zweiten Versuch Lovinos, nach der Waffe zu greifen, etwas schneller unter die Weste und zielte mit der Pistole genau zwischen die braunen Augen des Italieners.

Seine Wut wurde noch mehr angefacht, als Lovino ihn von unten herauf angrinste. Durch die aufgeplatzten Lippen, dem Veilchen, die nun krumme Nase und überhaupt durch die Blessuren sah das sehr krank und irre aus.

„Du Rotzbengel würdest dich doch niemals trauen, auf mich zu schießen!“

Erschrocken musste er feststellen, dass dem nicht so war. Gilbert hatte abgedrückt, aber absichtlich neben den Kopf gezielt.

„Oh doch, und wie ich mich traue…“, knurrte er aus tiefster Kehle.

Für einen kurzen Moment glaubte der Mafioso, ein Dämon säße auf seiner Brust, so gespenstisch wirkte der blasse Junge mit den funkelten roten Augen durch das Licht der fallengelassenen Taschenlampe, deren Licht immer wieder flackerte.

Etwas unbeholfen öffnete Gilbert die Pistole. Genau eine Kugel war noch im Magazin. Er nutzte den Moment, als Lovino kurz die Augen schloss und entfernte die Kugel, steckte sie in die Jackentasche und ließ das Magazin wieder in die Pistole gleiten.

Als der Mörder seines Vaters die Augen wieder öffnete, hatte Gil die Pistole bereits wieder auf ihn gerichtet.

„Du hast doch davon geredet, mich in den Himmel zu schicken.“, meinte er bedrohlich ruhig. „Ich schicke dich auch nun weg… Aber in die Hölle.“

Er musste grinsen, als der Mafioso bei dem KLICK die Augen fest zusammenkniff und sich nicht rührte. Der Albino fasste den Lauf der Pistole und schlug ihm, so wie Lovino bereits zuvor auch, den Griff fest gegen den Schläfe. Lovino gab noch ein Grunzen von sich, dann wurden seine Glieder schlaff.

Schnell prüfte Gilbert nach, ob er noch atmete. Erleichtert stellte er fest, dass er noch atmete und stand auf. Die Pistole wischte er an dem weißen Hemd des Mafioso ab, nahm sie nur durch den Ärmel seiner Jacke wieder an sich und drückte sie Lovino wieder in die Hand (ja, er hatte bei seinem Vater früher ab und zu Krimis mit angeschaut).

Dann stürzte er Hals über Kopf zu Antonio. Vorsichtig berührte er ihn an der Schulter.

„Papa?“, fragte er leise. Es klang naiv und ein wenig weinerlich. Kurz hob er den Kopf, als es Tschilp! machte und Gilbird aus der gleichen Richtung angeflogen kam, aus der Antonio vorhin gekommen war. Zwar war er erleichtert, dass es dem Piepmatz gut ging, konnte es aber nicht zeigen. Gilbird setzte sich auf das silberblonde Haar und der Albino rüttelte den Spanier an der Schulter.

„Hey, Antonio! Sag doch was, bitte!“ Fest biss er die Zähne zusammen, als sich die ersten Tränen aus seinen Augen stahlen. „Papa!“ Vorsichtig drehte er den leblosen Körper auf den Rücken.

Ein großer roter Fleck hatte sich an Antonios rechter Schulter ausgebreitet. Auch an der Hüfte klebte das Hemd wegen einer blutenden Wunde am Körper.

Gilberts Atem ging schwer.

„Nein, nein!“, stammelte er und strich seinem Vater über die aufgeschrammte Wange. „Du bist so ein Idiot… Warum machst du das?“, schniefte er. „PAPA!“

Nun heulte er einfach los. Es konnte ihn eh keiner sehen und bei dem Verlust brauchte er das auch nicht zu erklären. Den Kopf hielt er gesenkt und die Augen geschlossen.

Regen

Die roten Irden starrten ins Leere.

Er wollte nicht hier sein.

Er wollte das nasse Gras, die frisch ausgehobene Erde und den Weihrauch nicht riechen.

Er wollte den sanften Regen, der auf ihn niederging, nicht spüren.

Wie hatte das alles passieren können?

Wieder mal dachte er an jene Nacht zurück.

Er wusste nicht mehr, wie lange er neben Antonio gesessen hatte, als Francis aufgetaucht war. Der hatte, wie er später erfahren sollte, nachdem er aus einem Fenster gekrabbelt war, die Scheibe seines Vans eingeschlagen und das Auto kurzgeschlossen, war in die Stadt gefahren, hatte das rote Auto gesucht und gefunden und war wie ein Irrer durch die Straßen gerannt, bis er Gilbert regungslos in der Gasse gefunden hatte.

Nur schemenhaft konnte sich der Albino daran erinnern, wie der Franzose ihn auf die Beine gezogen, Antonios leblosen Körper hochgehoben und sie beide ins Krankenhaus gefahren hatte.

Es war nicht schwer herauszufinden, dass der Junge unter Schock stand. Jeder Laie hätte das gesehen. Damit er schlafen konnte, hatten die Ärzte ihm ein Beruhigungsmittel gegeben und Francis hatte ihn heimgefahren.

Als er am nächsten Morgen aufwachte, hatte er den Franzosen, der mit besorgtem Blick auf seiner Bettkante saß, erstmals mit seinem Vater verwechselt. Aber der saß nur da, wollte für den Jungen da sein, als er mit einem starken französischen Akzent meinte, Antonio hätte die Nacht nicht überlebt. Die Ärzte hätten alles in ihrer Macht stehende getan, dennoch war er ihnen unter den Händen weggestorben. So war eines auf das andere gekommen.

Francis hatte die Beerdigung organisiert, auf der er nun stand.

Die Beerdigung seines Vaters.

Nein, die meiner Mutter… Sie begraben ihn als Antonia… Wie bitter und traurig, wo er jemand ganz anderes und doch die gleiche Person war wie sie!

Heftig zuckte er zusammen, als ihm jemand eine Hand auf die Schulter legte. Als er sich umsah, sah er Elizaveta in die Augen, die ihn tröstend ansah. Dann nahm sie ihn fest in die Arme. Auch seine anderen Freunde nahmen ihn nach und nach fest in den Arm.

Ludwig hatte sich bei seinen Eltern entschuldigt, das hier war ihm wichtiger gewesen.

Selbst der zynische Arthur war trotz seiner Erkältung gekommen, um Gilbert beizustehen. Keiner von ihnen wollte ihren Freund nun alleine lassen.

Francis sah den jungen Leuten aus einiger Entfernung zu. Sie waren alle trotz des Regens geblieben, bis das Loch, in dem nun der Sarg war, bis obenhin aufgefüllt war und ein provisorisches Holzkreuz aufgestellt worden war.

Nun begab er sich selbst an das Grab, einen Strauß weißer Rosen in der Hand. Vorsichtig legte er sie auf die Erde.

„Ich gebe auf deinen Sohn acht.“, versprach er leise, ehe er aufstand und mit Gilbert zu seinem Leihwagen ging (sein Van musste erstmals repariert werden). Gilberts Freunde folgten ihnen in zwei anderen Autos.

Gilbert war, als sie im leeren Haus ankamen, total am Ende.

Wie gewöhnlich zog er an der Tür seine Schuhe aus, stellte sie ins Regal und ging in die Küche, in der Hoffnung, Antonio würde da stehen, über ein Kochbuch gebeugt und in Gedanken versunken, was es heute Abend geben würde.

Geknickt, als sein Vater nicht am Herd stand, ließ er sich von Matthias an den Tisch führen und setzte sich auf die Eckbank. Das rege Treiben um ihn herum nahm er kaum war. Daher war es plötzlich zu still, als er leise fragte:

„Hast du eigentlich was von deinem Bruder gehört, Feliciano…?“

Es war ein Wunder, dass sich der Albino nach dem Italiener erkundigte.

„Nun ja…“, meinte Feli leise. „Soweit ich gehört habe, ist er zurück nach Italien… Fürs erste.“

Dort kann er auch bleiben und verrecken! Das nächste Mal, wenn ich ihn sehe, reiß ich ihm den Arsch auf und…!

„Danke…“, murmelte Gilbert leise und stand auf. „Danke, dass ihr für mich da wart. Aber ich will nur noch schlafen.“ Dann tapste er in sein Zimmer hoch. Kaum hatte er die Tür geöffnet, flatterte ihn zwitschernd Gilbird entgegen. Gil zog sich aus und legte sich ins Bett. Er hörte noch, wie die Autos wegfuhren und schlief dann ein.

Wahrheiten

Gilbert schlief bis in den nächsten Nachmittag hinein. Er hatte die ganze Nacht noch still vor sich hin geweint. Das Haus würde nun leer sein.

Zwar hatte Francis versprochen, bei ihm zu bleiben, bis er auf eigenen Beinen stehen konnte… Aber es würde halt einfach nicht das Gleiche sein.

Als er nicht mehr im Bett liegen konnte, stand er auf. Noch im Pyjama und Gilbird auf den Kopf ging er die Treppe nach unten und in die Küche. Dort saß der Franzose und las Zeitung.

„Hallo…“, murmelte Gilbert und blieb etwas unentschlossen im Türrahmen stehen.

Der Jugendfreund Antonios hob den Kopf und lächelte den Jungen freundlich an.

„Hallo Gilbert. Na komm, setzt dich her. Willst du etwas essen?“

Langsam kam der Albino zum Tisch und setzte sich.

„Ja… aber nicht so viel…“, murmelte er. „Und.. Francis? Kann ich… was Süßes haben?“

Er bekam ein nettes Lächeln geschenkt.

„Natürlich doch. Aber nicht vor lauter Trauer zu viel Schokolade essen, ja?“

Es dauerte eine ganze Weile, aber bald roch es im Haus nach Pfannkuchen. Sie waren viel dünner, als Gilbert sie von Antonio kannte und viel süßer gefüllt. Francis hatte ihm einen mit Schokolade, Sahne und Erdbeeren gemacht. Und er nannte ihn Crêpe.

Leise aß Gil den dann und sogar noch einen. Aber mehr brachte er dann nicht runter. Schweigend saß er vor seinem Teller. Bis er sich irgendwann mal räusperte, aufstand und sich ein Glas mit Wasser füllte.

„Sag mal, Francis… Kannst du mir erzählen, was da eigentlich passiert ist? Weshalb Antonio… sterben musste?“ Gegen Ende wurde er immer leiser. Dann drehte er sich wieder zu ihm und sah ihn flehend an. „Ich möchte das wissen, bitte!“

Überraschte, blaue Augen sahen ihn an. Dann deutete Francis auf Gilberts Stuhl und er setzte sich wieder.

„Ja, ich kann dir das nur so erzählen, wie dein Vater mir das berichtet hatte…“, fing er an.

„Mir egal! Sag es mir einfach! Bitte.“, unterbrach ihn der Albino. Der Franzose seufzte und holte dann tief Luft.

„Es ist schon etwas her… Da tauchte dein Vater mitten in der Nacht und ohne Ankündigung bei mir auf.“

Kurz verzog Gilbert das Gesicht. Das klang, als wollte Francis ihm ein Märchen erzählen.

„Er sah total fertig aus. Als ich ihn herein ließ, sah er sich total gehetzt um und drückte eine etwas größere Handtasche an sich. Erst etwas später habe ich aus ihm heraus bekommen, dass er anscheinend von der italienischen Mafia verfolgt wurde. Er erzählte mir, dass er bei einem Urlaub in Italien einen Jungen in seinem Alter kennen gelernt hatte – er war damals 17, musst du wissen – und sie sich eigentlich recht gut verstanden hatten. Wie du dir sicher denken kannst, hatte Antonio Lovino kennen gelernt.

Nach einiger Zeit schlug Lovino vor, sie könnten ja mal etwas Spannendes unternehmen. Und in seiner Jugend war dein Vater für jeden Scheiß zu haben. Also sagte er zu. Was er nicht wusste;

Lovino hatte einen Überfall auf eine... Bank? - ach herrje, ich weiß es nicht mehr genau – geplant.“

„Und Antonio hat da wirklich mitgemacht?!“, fragte Gilbert leise. Das konnte er sich nicht so wirklich vorstellen. Er nippte an seinem Wasser und sah Francis abwartend an.

„Ja, hat er. Aber es war abgemacht, dass das Geld, welches sie dabei erbeuten, an einen Verein mit wohltätigen Zwecken zu spenden, anonym natürlich. Sie hatten es auch geschafft, allerdings kam Antonio sehr schnell dahinter, dass ihr ‚Überfall‘ nur deshalb so leicht war, weil die Bank Lovinos Opa gehört hatte. Also dem damaligen Chef der Mafia. Und nur wenige Stunden nach ihrem Raubzug rannte Lovino zu seinem Großvater, berichtete, dass er den Täter, der seine Bank ausgeraubt hatte, gesehen hatte und ihn nun eigenhändig zur Strecke bringen wollte. Er ließ deinem Vater dann die Wahl:

Entweder, er bringt ihn sofort um oder er gibt dem Italiener einfach das Geld zurück und lässt sich nie wieder in Italien blicken.“

Der Franzose schwieg kurz, stand dann auf und machte sich einen Kaffee.

„Antonio schaffte es, Lovino zu überrumpeln, weil der nicht damit gerechnet hatte, dass er abhauen würde. Aber um das Geld zu spenden, dafür war keine Zeit mehr, also verschwand er damit aus Italien, direkt zu mir nach Frankreich. Er bat mich um Hilfe, weil er für ungewiss lange Zeit untertauchen musste.“ Er seufzte. „Ich habe da so Kontakt zu Leuten, die genau so was organisieren konnten. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, bis der ganze Kram an einem Postfach für mich ankam. Geburtsurkunde, Ausweis, einfach alles, was man braucht. In der Zeit habe ich deinem Vater auch gezeigt, wie man sich wie eine Frau herrichtet. War ganz lustig.“

Kurz schmunzelte Francis bei der Erinnerung und auch Gilbert musste lächeln.

„Mein Vater war eine hübsche Frau.“, murmelte der Albino und setzte Gilbird vor sich auf den Tisch, um ihn streicheln zu können.

„Es hat lange gedauert.“, meinte der Franzose. „Ich wurde ja auch von der Mafia gefilzt und oh Wunder, sie haben ihn und sonst auch keinen Anhaltspunkt auf seinen Aufenthaltsort gefunden. Danach habe ich ihn fast eineinhalb Jahre nicht gesehen.“

Sein Kaffee war fertig und während er sich den eingoss, beherrschte Schweigen die Küche. Nur das Zwitschern des kleinen Vogels unterbrach diese ab und zu.

„Er hat mir einen Brief geschickt. Er schrieb, dass es ihm gut ginge und er sich in seiner neuen Rolle eingelebt hätte. Und er berichtete, dass er jemanden kennen gelernt hatte, jemand ganz Süßes. Dem Brief lag ein Bild von dir bei.“

Gilbert sah auf.

„Von MIR?“

„Ja. Er berichtete, dass er in den letzten Tagen öfter mal in einem Kinderheim war und mit dem Gedanken spielte, ein Kind zu adoptieren, weil man als Frau ja nun mal Kinder bekommt. Wie sagte er immer so schön? Das wirkt natürlicher. Ich habe mit einem Baby oder einem Kleinkind gerechnet, aber nicht mit einem 14-jährigen Jungen. Und trotz aller Mahnungen, dass es heftig nach hinten losgehen kann, hat er dich mitgenommen.“

Francis schaute Gilbert an. Und musste über die großen, roten Augen lächeln.

„Er hat dich wirklich gerne gehabt, unser Antonio.“ Der Franzose setzte sich wieder. Dem Albino stiegen Tränen in die Augen. Sein Vater hatte ihn wirklich geliebt!

„Du wirst dich nicht erinnern können, aber ich habe euch mal besucht. Da hast du allerdings schon geschlafen. Ich war geschockt, wie abgemagert dein Vater war. Nur noch Haut und Knochen. Aber eine richtige Dame und eine liebende Mutter, die sich um ihren Sohn kümmerte.“

Gil wischte sich mit dem Ärmel seines Pyjamas über die Augen, als es klingelte.

„Ich… ich mach schon. Sind sicher Matthias und die anderen!“, meinte er und stand auf.

Vor der Tür blieb er stehen. Wer versicherte ihm, dass Lovino nicht wieder gekommen wäre, um ihm diese saftige Prügel heimzuzahlen?

Vorsichtshalber sah er durch den Spion und fast blieb ihm das Herz stehen.

Vor der Tür stand ein braunhaariger Mann, mit Sonnenbrille und Hut, der verdächtig nach einem Mafioso aussah.

Sonnenscheinlächeln

Nun wollte der Albino die Türe gar nicht mehr öffnen. Das war sicher einer von Lovinos Handlangern!

Langsam wich er einige Meter zurück.

„Francis… Ich glaube, da steht ein Mafioso vor der Tür…“, meinte er etwas lauter, den Blick fest an die Tür geheftet. Nun stand auch der Franzose besorgt auf und sah durch den Spion.

Langsam schüttelte er den Kopf.

„Also, Lovino ist das nicht…“, murmelte er. „Der hätte an der Stirn so ein seltsames abstehendes Haar…“

„Echt?“ Das war Gilbert nie aufgefallen. Das Feliciano so nie lustige Strähne hatte, wusste er. Bei Lovino hatte er einfach nie darauf geachtet. Ertappt zuckte er zusammen, als es erneut klingelte.

Nun öffnete Francis langsam die Tür. Er stellte sich extra so hin, dass er dem Besucher die Sicht auf Gilbert nahm. Ernst musterte er den Besucher. Dann drehte er sich grinsend zu dem Sohn seines Jugendfreundes um.

„Komm her, Gilbert, ich glaube, da will dich jemand sehr nettes sehen.“

Zögerlich, neugierig und misstrauisch zugleich kam er langsam näher und stellte sich zu Francis. Lange beäugte er den Mann vor sich. Wo hatte er ihn schon mal gesehen?

Der vertraute Fremde grinste ihn breit an. Dann ging er auf ihn zu und wuschelte ihm durch das silberblonde Haar.

„Na, kleiner Mann? Alles im grünen Bereich?“

Diese Stimme! Dieser Spitzname! Die roten Augen weiteten sich sichtbar. Das konnte nicht sein!

Langsam griff Gilbert nach der Sonnenbrille und nahm sie dem Mann ab. Hinter dem dunklen Glas kamen smaragdgrüne Augen zum Vorschein, ihm sehr vertraute Smaragdaugen!

Im nächsten Moment fiel er ihm um den Hals.

„Du lebst!“, hauchte er und hätte fast die Sonnenbrille fallen gelassen. „Wie ist das möglich? Antonio?!“ Mit den kurzen Haaren hätte er ihn um ein Haar nicht erkannt.

Der Spanier stolperte stöhnend einen Schritt zurück, ehe er die Arme um seinen Sohn legte.

„Das erzähl ich dir gleich. Aber pass erstmals auf deinen alten Herrn auf, ich hab eine kaputte Schulter und eine angeschlagene Hüfte!“

„Oh, Antonio, das ist die Taille!“, verbesserte ihn Francis und kam auf sie zu, nahm die beiden fest in den Arm. „Schön, dass du gut hier angekommen bist!“

Nun drängelte sich Gilbert wieder aus der Umarmung und sah den Franzosen fragend an.

„Das klingt so, als ob du das gewusst hättest…“ Antonio hob die Hand und wuschelte ihm erneut durch die Haare.

„Wir sollten rein gehen. Immerhin hat dein Onkel eine lange Reise hinter sich.“, meinte er grinsend und zwinkerte dem Albino verschwörerisch zu. Erst jetzt sah der, dass hinter Antonio ein großer Koffer stand und verstand rein gar nichts mehr. Kopfschüttelnd schnappte er sich den Koffer und trug ihn hinter Francis und Antonio ins Haus. Kaum war die Tür zu, ließ er das Gepäck einfach stehen und folgte ihnen in die Küche.

„Nun will ich aber eine Erklärung!“, äußerte er und stemmte die blassen Hände in die Hüften, sah von seinem Vater (Onkel...? Hä?) zu der Franzecke. Das freudige Grinsen darüber, das Antonio wieder da war, konnte er sich aber nicht verkneifen.

„Eine Erklärung? Die offizielle Version lautet, dass deine Mutter gestorben ist und nun dein Onkel sich um dich kümmert.“ Während er sprach, deutete Francis auf Antonio.

„Die inoffizielle ist;“, nahm der Spanier den Faden auf, „In Antonias Grab liegt eine perfekt hergerichtete Puppe. Aus was war die nochmals, Francis?“ „Ach Gott, glaubst du, ich merk mir das?“

„Ja, schön und gut, aber bist du den Ärzten nicht unter den Händen weggestorben???“ Gilbert kam zu Antonio, klaute sich Francis Stuhl und setzte sich neben ihn.

„Ja, das… war eine kleine Lüge meinerseits.“, murmelte der Franzose und setzte sich auf die Eckbank. Sofort wurde er von Gilbert richtig wütend angeschaut.

„KLEINE Lüge?!“, wiederholte er. „Ich hab mir die Augen aus dem Kopf geheult und du nennst es KLEINE LÜGE?!“

Antonio zog ihn einfach zu sich auf den Schoß und hielt ihn fest, ehe er über den Tisch sprang und dem Franzosen jedes Barthaar einzeln ausrupfte.

„Ja. Wir mussten es doch glaubhaft machen, dass ich tot bin. Damit Lovino keinen Grund mehr hat, hier her zu kommen.“

Der Albino schnaubte. „Pft! Der wird garantiert nochmals auftauchen!“, murrte er. „Immerhin habe ich ihn so sehr verprügelt, dass er sicher Sternchen sah!“ Er klopfte sich auf die Schulter und Gilbird, der sich auf den Kühlschrank zurückgezogen hatte, setzte sich dorthin. „Und wenn Lovino hört, dass du nun vollkommen ohne Deckung hier bist…“ Ihn schauderte es. Er wollte gar nicht weiterdenken. „Was soll überhaupt die ganze Onkel-Geschichte?“

Dieses Mal fing Antonio an. „Also bitte. Ich möchte bei dir bleiben, mein kleiner Mann. Und da Antonia nun tot ist, passt halt ihr kleiner Bruder noch ein wenig auf dich auf! Wäre ja seltsam, wenn die plötzlich wieder auftauchen würde.“

„Mhm, ja, stimmt.“, gab Gilbert zu. „Aber wie hast du… Also, wie konntet ihr die Ärzte überreden…? Hä? Das blick ich noch nicht ganz, warum die angerufen haben…?“ Verwirrt sah er zu Francis.

„Tja, das Beruhigungsmittel war so stark, dass du schon eingeschlafen warst, bevor ich dich ins Auto gebracht hatte. In der Zeit haben sie Antonios Wunden versorgt und über Nacht da behalten. Aber er hat sich auf eigene Verantwortung entlassen und hat mich angerufen. Ich hab ihn für die Zeit, in der ich dann die ganze Beerdigung organisiert habe und du taub und blind für deine Umgebung warst, in einem Hotel untergebracht. Meine Güte, nicht mal Haare schneiden kann dein Alter!“ Er schüttelte den Kopf. „Dann hat es ewig gedauert, bis meine Kontakte diese falsche Antonia fertig hatten und was weiß ich. Erst danach durfte er sich hier wieder blicken lassen. Dass er allerdings gleich einen Tag nach der Beerdigung antanzt habe ich nicht erwartet.“

Der Spanier lächelte sein Sonnenscheinlächeln.

„Na klar! Ich will doch meinen Sohnemann trösten!“

„Alter! Du hast mich erst zum Heulen gebracht!“ Gilbert drehte sich zu Antonio um, funkelte ihn kurz böse an, ehe dem eine sanfte Milde folgte und umarmte ihn erneut. Sein Vater war wieder da und er wusste endlich alles. Besser konnte der Tag nicht werden.

„Lass mich nie wieder alleine, Antonio…“

Alkohol

Wochen nach Antonios Wiederauferstehung kam Gilbert erst spät abends wieder heim. Breit grinsend und nicht mehr ganz nüchtern stand er vor der Haustüre, als Antonio die öffnete. Kurz hob der Spanier eine Augenbraue, ehe er seinen Adoptivsohn – oder eher den seiner ‚verstorbenen Schwester‘ – ins Haus ließ. Selber war er von oben bis unten mit Farbe bekleckert, da er mit Francis zusammen sein Zimmer gestrichen hatte.

„Wo warst du denn solange?“, fragte er grinsend und klopfte Gilbert frech auf den Hintern. Der Albino zuckte nur kurz und kicherte.

„Ach, wir waren mit der Klasse feiern! Hast du etwa schon vergessen, dass wir heute den letzten Prüfungstag hatten?!“

Es dauerte ein wenig, bis Antonio das Geschwätz von Gil verstand. War schon etwas länger her, das er schon so angetrunken war, dass man ihn nicht mehr richtig verstand.

„Nein, habe ich nicht…“, log er grinsend und wollte ihn in den Arm nehmen. Was keine so gute Idee wegen der Farbe war. „Aber toll, dass du es nun hinter dir hast! Wie ist dein Gefühl? Bestanden, oder?“

Breit grinste Gilbert seinen Vater an. (Ihm war es so was von scheißegal, dass er nur den Bruder von Antonia spielte. Antonio war Antonia, also war er sein Adoptivvater, ende!).

„NATÜRLICH! Als ob ICH durchfallen würde! NIEEEEMAAALS!“

Der Spanier musste lachen.

„Dann ist ja gut. Wer hat dich hergefahren?“

„Ludwig. Der ist der Einzige, der nichts getrunken hat. Hehe. Aber eine Show mit Feli hat der hingelegt!“

Antonio nickte und führte seinen Sohn nach oben ins Zimmer, ehe der ihm die Treppe runter fiel.

„Dann ist ja alles gut. Und was die abgezogen haben, kannst du mir ja morgen erzählen, ja? Nun solltest du dich aber hinlegen.“ Und er selbst würde duschen gehen, wenn Francis mal aus seinem Bad wieder raus kommen würde. Bevor Gilbert in sein Bett fiel, packte er seinen Vater an den Schultern und zog ihn so hinterher. Etwas verdutzt sah der Spanier in die verschmitzt funkelten roten Augen.

Gilbert grinste frech und schlang die Arme um Antonio.

„Hehe, da schauste nun!“, meinte er kichernd. Auch er sah in die Smaragdaugen und versank darin. Sie sahen genauso aus wie die von Antonia, es lag genau die gleiche Zärtlichkeit darin.

Fest drückte er Antonio an sich und murmelte ihm direkt ins Ohr:

„Du hast so schöne Augen…“

Das verwirrte den Spanier nun komplett. So, wie Gilbert das sagte, sollte man es als Sohn zu seinem Vater eigentlich nicht sagen.

„Ähm… danke…“, meinte er etwas lahm. Dem Albino fiel das nicht auf.

„Bleibst du hier…? Antonio?“

Vorsichtig löste sich der Spanier aus der Umarmung. „Nein. Ich geh duschen und leg mich dann in mein Bett. Und Francis schläft unten auf der Couch. Wie immer, mein kleiner Mann.“

Schmollend nahm Gil es hin, dass Antonio ihm durch die Haare wuschelte und aufstand. Dass er selbst nun voller Farbe und die Klamotten damit nun hinüber waren, war ihm egal. Er griff wieder nach der sonnengeküssten Hand und hielt ihn fest.

„Bitte… Du wolltest mich nicht mehr alleine lassn!“, erinnerte er ihn, was zu einem Zähneknirschen Seitens des Spaniers führte. Er wollte nicht, dass Gilbert in dem Zustand irgendwelchen Mist baute. Er sah auf ihre Hände. Unwillkürlich musste er daran denken, wie Gilbert seine Hand nicht ergriffen hatte, als er ihn aus dem Heim holte. Seufzend gab er nach.

„Schmeiß die Klamotten weg, geh duschen und komm dann in mein Zimmer…“ Er strich sich durch die Haare. Hoffentlich machte er damit nun keinen Fehler. Doch es entlockte ihm ein Lächeln, als Gilbert sofort aufstand, aus seinen Klamotten schlupfte, die er dann unachtsam auf den Boden warf und in sein Bad torkelte. Sah schon ulkig aus. Antonio sammelte die Klamotten ein. Das Shirt war nun auch voller Farbe und somit hinüber. Die Hose hatte glücklicherweise nichts abbekommen, so landete die auf dem Schreibtischstuhl Gilberts. Kurz besah er sich noch die Bettwäsche, doch auch die hatte nur kleinere unauffällige Flecken. Kurz drehte er die Bettdecke ein wenig weiter und schlug sie sofort zurück. Ja… von den Flecken wollte er dann doch nichts wissen.

„Das ist in dem Alter normal…“, redete er sich zu und ging in sein frisch gestrichenes Zimmer. Etwas genervt klopfte er an der Badtür.

„Francis… mach gefälligst schneller! Ich will heute auch noch duschen und zwar warm!“

Ein leises Kichern ließ ihn herumfahren. Der Franzose grinste ihn breit von der Balkontür aus an.

„Was?“

„Sieht so aus, als ob da jemand heute Nacht viel Spaß mit dir haben will, Antonio~“

„Red keinen Unsinn. Du schläfst unten im Wohnzimmer, wie immer, mein Lieblingsfranzose.“ Der Spanier grinste ihn an und ging zu seinem neu bestückten Kleiderschrank (Himmel, Francis war schlimmer als eine Frau, was das Shoppen anging!), zog ein paar Sachen zum Schlafen raus und wollte ins Bad.

„Da werde ich auch bleiben, trotzdem werdet ihr Süßen euren Spaß haben.“, verfolgte ihn die Stimme seines besten Freundes, als er die Tür schloss. Er schüttelte den Kopf, warf seine Klamotten auf den Boden und stellte sich unter die Dusche. Als das warme Wasser so auf ihn einströmte, fragte er sich, was das nun sollte. Es wäre völlig falsch, mit Gilbert zu schlafen, er war doch sein (Adoptiv-) Sohn. Und genau auf die Art liebte er ihn auch. Nicht mehr und nicht weniger.

Sicher?

Seufzend lehnte er seinen Kopf an die geflieste Wand. Er wollte nicht darüber nachdenken.

Kurz huschte sein Blick zu seiner Schulter. Die Wunde war noch zu sehen, aber sehr gut am Verheilen.

Nachdem das warme Wasser kühl wurde, verließ er die Dusche und trocknete sich ab. Das Handtuch um die Hüften geschlungen ging er in sein Zimmer zurück. Als er Gilbert auf seinem Bett sitzen sah, zuckte er kurz zusammen und musste dann lächeln. Dieses Mal würde er ihn nicht aus dem Zimmer werfen. Kurz klatschte er sich seine Hand an die Stirn und ging zurück ins Bad. Aus Macht der Gewohnheit hatte er gedacht, die Klamotten liegen auf seinem Bett. Angezogen kam er wieder ins Zimmer und setzte sich zu Gilbert auf das Bett. Der ließ nicht lange auf sich warten und schmiss sich Antonio an den Hals. Um ein Haar wären sie außerhalb des Bettes gelandet. Vorsichtig strich ihm der Spanier über den Rücken. Gilbert sollte das nur nicht falsch auffassen.

„Wir sollten schlafen.“, meinte er leise. „Es war ein langer Tag.“ Doch Gilbert machte keine Anstalten, sich zu bewegen. Er murmelte nur ein unverständliches „Will nich schlafn…“ und drückte sein Gesicht an Antonios Brust. Seufzend wuschelte der dem Albino durch die Haare.

„Was willst du denn dann machen?“ Er wusste schon, dass die Frage falsch war, als Gilbert zu ihm aufsah und ihn voller Begierde anschaute. Langsam rappelte er sich auf und legte seine blassen Arme um Antonios Hals.

„Einfach bei dir sein… und … und…“

Der Spanier versteinerte, als Gilbert sich vorwagte und ihm seine Lippen auflegte. Den störte das fürs erste nicht, dass Antonio überhaupt nicht reagierte.

Nach einer Weile löste Gil sich wieder von ihm und sah ihn lange an.

„Ich liebe dich… Nicht, wie man einen Vater lieben soll…“, nuschelte er. „Aber, das ist doch egal, oder? Wir sind ja nicht blutsverwand.“ Wieder sah er den Spanier an. „Ich liebe dich, Antonio, ich liebe dich!“

Zweisamkeit

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Zweisamkeit (Zensierte Version)

Stille herrschte in dem frisch gestrichenen und neu eingeräumten Zimmer.

Antonio sah Gilbert mit großen Augen an. Das hatte er nun nicht gerade gesagt, oder?

„Gilbert… ich.. ich weiß nicht, ob das so richtig ist…“ Doch er wurde durch die weichen Lippen des Albinos unterbrochen.

„Für mich ist es richtig…“, hauchte er leise. „Bitte, Antonio… Ich möchte, dass du mich… dass du mich berührst…“ Und er nahm eine der braunen Hände und legte sie sich an die Seite. „Ich möchte es mir nicht mehr selbst besorgen und dabei an dich denken…“

Der Spanier wurde knallrot. So genau hatte er das nun nicht wissen wollen. Er ließ seine Hand an Gilberts Seite liegen, sah ihn lange an. Wäre es wirklich so falsch?

Auf der einen Seite berührten ihn die Worte seines Adoptivsohnes schon sehr. Aber auf der anderen Seite war Gilbert betrunken! Was, wenn er nun Dinge sagte, die er eigentlich gar nicht wollte und es ihm morgen zum Vorwurf machte?

„Bist du dir sicher?“, fragte Antonio leise. „Ganz sicher?“ Gilbert nickte ganz langsam, sah ihn verträumt an.

„Hundert prozentig sicher…!“

Nun war es Tonio, der sich vorlehnte, um Gilbert zu küssen. Ganz zart, ganz vorsichtig. Damit Gil, wenn er wollte, den Kuss lösen konnte. Doch das tat er nicht. Mit einem glücklichen Seufzen ging er darauf ein, wurde schnell leidenschaftlicher. Und ehe der Spanier sich versah, wurde er nach hinten gezogen und war über Gilbert gebeugt. Kurz grinste der verschmitzt, ehe er anfing, seine Hände über den gut gebauten Körper seines Adoptivvaters wandern zu lassen. Frech schlupften sie unter das dünne Shirt und strich über die gebräunte Brust. Da schien ein Damm in Antonios Kopf zu brechen. Auch er fing an, den blassen Körper unter sich zu erkunden. Erst zärtlich, dann wurden seine Berührungen fordernder. Erst, als seine Hand über Gilberts Bauch strich, hinab zu seinen Short, hielt er kurz inne.

„Du bist noch Jungfrau, oder?“, platzte er heraus. Leise erklang Gilberts Kichern.

„Na ja… Das glaubt man mir aber nie. Bin immerhin großartig.“ Er schlang die Arme um Tonio. „Aber ich will, dass du der Erste bist… Derjenige, der mir alles zeigt…“

Antonio seufzte. „Na gut…“, murmelte er und stand auf, was dazu führte, dass der Albino ein leises „Hey!“ von sich gab. Aber weit ging der Spanier nicht. Er öffnete eine Schreibtischschublade und wühlte kurz herum, bis er das Gesuchte gefunden hatte und wieder zum Bett kam. „Dann werden wir wohl das benötigen.“ Etwas verwundert sah Gilbert auf die zwei Gegenstände in Antonios Hand. Das eine erkannte er als Kondom (so dämlich und unerfahren war er halt dann doch nicht) aber bei dem anderen Gegenstand musste er ein wenig rätseln. Erst das vertraute Lachen von Tonio holte ihn wieder zurück. Beides legte er auf das Kopfkissen und drückte Gil in die Matratze.

„Du wirst dann schon sehen, für was das gut ist… Will ja, dass du es angenehm hast, mein kleiner Liebling.“ Nun waren seine Küsse nicht mehr so zurückhaltend und vorsichtig, sondern verlangend und leidenschaftlich. Das verscheuchte die Gedanken um das, was Antonio da geholt hatte, aus Gilberts Kopf. Fest drückte er den warmen Körper an sich, schmiegte sich an ihn und genoss jede Berührung. Schnell landeten ihre Shirts außerhalb des Bettes. Antonio küsste Gilberts Brust, saugte an einer Brustwarze, während er die andere mit der Hand verwöhnte. Immer wieder zuckte Gilbert vor Lust unter ihm. Er wollte mehr von diesen Berührungen! Als hätte Antonio diesen Gedanken gehört, wanderte seine Hand tiefer, in Gilberts Shorts. Ein leises Keuchen entkam ihm. Vertrauensvoll gab er sich Antonios Händen hin. Immer wieder keuchte er leise. Es fühlte sich so schön, so richtig an.

Der Spanier lächelte ein wenig, küsste ihn besitzergreifend. Ihn ließ das Ganze nicht kalt, im Gegenteil. Als sie beide erhitzt genug waren, ließ er von Gilbert ab und zog ihm und sich die Shorts aus. Jede Bewegung wurde von den roten Augen beobachtet.

Sein Körper bebte vor Aufregung, als Tonio zu dem Kondom griff und ihn fragend ansah.

„Wenn du es nicht willst, kannst du es sofort sagen.“, flüsterte er. Sofort schüttelte Gilbert den Kopf. Er wollte!

„Mach, bitte!“, bekam er leise hervor. Mit einer Mischung aus Neugierde und Faszination sah er Antonio zu und wie erneut an ihm vorbei griff. Jetzt erkannte er, dass es eine kleine Tube war. Von deren Inhalt tat sich der Spanier ein wenig auf die Finger. Sofort identifizierte Gilbert das als Gleitgel.

„Bereit?“, fragte Antonio leise. Gil nickte langsam. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Begierig gab er sich dem Mann, den er liebte, hin.

Reisen

Mit einem Seufzen lehnte sich Antonio an die Anrichte.

Er konnte sich nicht entscheiden, ob er einfach nur eine Schale Cornflakes essen oder für seine kleine Familie (sprich Gilbert und Francis) zum Frühstück was Ausgefalleneres kochen sollte. Letztendlich entschied er sich für die Cornflakes.

Was war da eigentlich gestern Nacht passiert?

Er hatte mit Gilbert geschlafen, mit seinem Sohn!

Stöhnend ließ er den Kopf hängen. Seine Haare berührten fast schon die Milch. Das durfte doch nicht wahr sein!

„Guten Morgen, mein Lieblingsspanier!“ Bei Francis Worten sah er wieder auf. „Hey, warum bist du denn so niedergeschlagen? Wenn man guten Sex hatte, sollte man nicht niedergeschlagen sein!“ Grinsend holte sich der Franzose eine Schüssel, füllte sie mit Müsli und setzte sich zu ihm. „Oder war er so schlecht?“

„Francis, er ist… äh, war Jungfrau.“ „Also hattet ihr Spaß?“

Hatte es Spaß gemacht? Eigentlich schon. „Ja…“, gab er widerwillig zu.

„Dann ist ja alles okay!“, meinte der Blonde grinsend und schob sich einen Löffel Müsli in den Mund.

„Nein, es ist nicht okay! Gilbert ist mein Sohn! Ich hätte das nicht tun soll! Immerhin war er betrunken und ich bin der Erwachsene, ich hätte vernünftig handeln sollen! Aber nein, ich bin auch noch so triebgesteuert und lass mich auf ihn ein!“

Etwas verwundert über den Ausbruch hob Francis eine Augenbraue.

„Nun beruhig dich doch. Du liebst ihn doch, oder?“ „Ja, aber eben nur wie einen – „ „Moment, sag das nun nicht!“, unterbrach er seinen Kumpel sofort. „Wenn du ihn nur wie einen Sohn lieben würdest, hättest du nicht mit ihm geschlafen, Antonio. Dann hättest du ihn in sein Bett geschickt und seinen Rausch ausschlafen lassen.“

Da war etwas Wahres dran und das ließ den Spanier verstummen. Nachdenklich aß er seine Cornflakes und bemerkte gar nicht, wie Gilbert in die Küche geschlichen kam und sich auch mit einer Schüssel Frühstücksflocken zu ihnen setzte. Nach wenigen Minuten hielt Francis das Schwiegen nicht mehr aus. Frech lehnte er sich zum Albino und fragte: „Und, wie ist Antonio im Bett?“ Gilbert zuckte zusammen und Antonio starrte ihn mit offenem Mund an. Beide schwiegen. „Hey, kannst es mir ruhig sagen! Bleibt auch unter uns, Gil!“ Etwas verlegen sah der zu dem Spanier. Seine Antwort war so leise, dass nicht mal Gilbird, der auf der Schulter des Albinos saß, sie verstand. Francis und Antonio sahen sich an und fragten synchron: „Was?“

„Auch, wenn es Francis nichts angeht: Er war gut!“, wiederholte Gilbert etwas lauter. Der Franzose grinste breit.

„Willst du den schnuckeligen Spanier nicht vielleicht noch was fragen? Oh, bitte heute noch, immerhin plane ich bereits wieder meine Heimreise!“ Gil hob den Kopf und zog eine silberne Augenbraue in die Höhe. „Hä?“

„Francis, was frisst du aus?“, fragte Antonio misstrauisch.

„Glaubt ihr etwa, ich verlasse euch zwei Süßen in dem Gewissen, dass ihr nicht zusammen seid? Also, als Paar, nicht als Onkel und Sohn der verstorbenen Schwester!“ Auf den Gesichtern der zwei bildete sich auf den Wangen eine leichte Röte.

Gilbert räusperte sich dann. „Ähm, na ja… Ich hab das gestern eigentlich schon ernst gemeint, dass ich dich liebe, Antonio… Aber, öhm, ich glaube, ich hab dich damit doch sehr überrascht. A-an eine Beziehung habe ich, um ehrlich zu sein, nie so wirklich gedacht, aber das wäre natürlich sehr awesome.“ Während er sprach, wurde Gilbert immer sicherer. Als er geendet hatte, sah er den Spanier mit einem festen Blick an. „Wir sind nicht Blutsverwand und ich ja der Adoptivsohn deiner Schwester. Außerdem müsste es ja niemand erfahren. Wir binden das ja nun keinem auf die Nase. Das 6 Jahre zwischen uns liegen…“ „Vier, Gilbert. Vier Jahre liegen zwischen uns.“, verbesserte Antonio ihn leise. „Antonia war 24. Ich bin 22.“ „Oh. Ist doch umso besser!“

Gilbert stand auf und stellte sich vor Antonio. Immer noch sah er ihn fest an. Langsam erhob sich auch der Spanier. Lächelte ihn an.

„Ich… hätte kein Problem damit.“, meinte er auf die nicht gestellte Frage. Der Albino fing an zu grinsen und fiel ihm um den Hals.
 

Zwei Jahre später wartete Antonio mit einem großen Koffer an der Tür.

„GILBERT! Kommst du endlich?! Das Taxi UND das Flugzeug warten sicher nicht auf dich!“

Der junge Mann hetzte mit seinem Koffer die Treppe runter, seinen meckernder Vogel auf den Kopf, wie immer.

„Ja, bin ja schon da!“ Grinsend stellte er den Koffer hin und eilte auf Antonio zu, um ihn einen Kuss zu stehlen. Der Spanier seufzte grinsend und trieb ihn an, sich die Schuhe anzuziehen. Ja, er wusste, dass das Flugzeug nach Frankreich nicht warten würde. Schnell wurde das Haus abgesperrt und die Koffer ins Taxi gebracht.

„Ha! Wie ich die Blondine vermisst habe!“, meinte der Albino grinsend. „Wie es ihm wohl geht?!“ „Sicherlich mehr als gut!“, antwortete der Spanier lachend. Die Fahrt bis zum Flughafen war fast langweilig. Dafür mussten sie dann hektisch einchecken, weil sie doch ein wenig spät waren. Antonio hatte Gilbert an der Hand genommen und zog ihm zum Gate. Bis jetzt war noch niemanden in ihrer Umgebung aufgefallen, dass zwei matte, silberne Ringe an ihren Ringfingern ein bevorstehendes Ereignis ankündigten. Und sie hatten auch keinem was gesagt. Dass sie ein Paar waren.

Und bereits verlobt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Oh yeah!
Mit dem Kapitel beende ich die FF.
ich weiß nicht, ob ich mich freuen oder traurig sein soll, dass es nun vorbei ist.
Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, die Geschichte zu schrieben und sie mir auszudenken und die netten Kommentare haben mich auch angespornt, weiter zu schrieben.
Vielen Dank an alle, die fleißig kommentiert haben ♥ Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (28)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2013-11-16T16:05:33+00:00 16.11.2013 17:05
Eine wundervolle Geschichte.
Danke fürs hochladen.

LG
Antwort von:  Ajaka
16.11.2013 17:18
Bitte, kein Thema :3
Von:  Sonnenblume97
2013-07-26T09:31:34+00:00 26.07.2013 11:31
Gut geschrieben, denke nicht das es unter Adult fallen könnte...
Danke für die zensierte Version *___*

LG Sonnenblume
Antwort von:  Ajaka
26.07.2013 12:02
Bitteschön^^
Von:  AomineDaiki
2013-07-26T08:32:28+00:00 26.07.2013 10:32
Hach wie schön <33 Ein tolles Ende! Ich selbst hab mich immer schwer damit, Geschichten zu beenden x//D Deshalb mag ich deins sehr <3
Schade, dass es zuende ist, aber irgendwo auch schön, weil es so ein schönes Ende war!
Danke, dass du sie für uns geschrieben hast <3
Antwort von:  Ajaka
26.07.2013 12:01
Ich freu mich immer wieder, wenn jemand die Story gefallen hat^^
Ich muss mich bedanken, dass ihr sie gelesen habt ♥
Von:  Sonnenblume97
2013-07-25T17:12:55+00:00 25.07.2013 19:12
Das ist ein echt schönes Ende^^
Das einzige was mich wurmt ist, dass ich das letzte Kapitel nicht lesen konnte >_<
Das werde ich dann in ein paar Jahren nachholen ;D

LG Sonnenblume
Antwort von:  Ajaka
25.07.2013 19:28
Mach das xD
Ich kann mich auch gerne hinsetzen und noch ne zensierte version des ganzen raushauen ;)
Freut mich, dass dir die FF gefallen hat und fleißig kommentiert hast :D
Antwort von:  Sonnenblume97
25.07.2013 20:23
Über 'ne zensierte Version würde ich mich echt freuen^^
Von:  AomineDaiki
2013-07-23T13:32:14+00:00 23.07.2013 15:32
=/////= Hnn endlich ein neues Kapitel und dann wird man mit sowas überrascht!
Schade, dass sie nun bald zuende ist ;3; ♥
Antwort von:  Ajaka
23.07.2013 16:28
alles muss iwann n ende nehmen xD
aber freut mich, dass sie dir so gefällt >//<
Von:  AomineDaiki
2013-07-14T07:52:17+00:00 14.07.2013 09:52
Aww ;////; ♥
Von:  Sonnenblume97
2013-07-13T16:57:42+00:00 13.07.2013 18:57
Wie Antonio wohl reagieren wird? Ich bin gespannt wie's weiter geht^^ *nachschub an Keksen dalass*

LG Sonnenblume
Von:  AomineDaiki
2013-07-08T19:14:21+00:00 08.07.2013 21:14
Aww ;____; Wie kompliziert x//D Maaaan! Aber gut, dass er noch lebt!
Von:  Sonnenblume97
2013-07-08T12:54:51+00:00 08.07.2013 14:54
Ich find das Kapitel total süß^^ *Kekse dalass*

LG Sonnenblume
Von:  AomineDaiki
2013-07-08T04:32:42+00:00 08.07.2013 06:32
Spanneeeeend ö__ö Und Francis ist ein guter Vater x//D


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