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Selfishness

von

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Konzeption

»Ich hatte gedacht, Liebe wäre einfach.

Man findet die Person, die man liebt, kommt zusammen und ist glücklich. Doch ich musste am eigenem Leib erfahren, dass es nicht immer so ist. Hindernisse, Probleme, all dies stellte sich mir in den Weg. Der Weg, der mich zu meinem Glück führen sollte.«
 

"Clemens, ich glaube kaum, dass Schaaf dich das durchgehen lässt."

"Wieso denn nicht? Hat er halt einen Spieler weniger, auf den er aufpassen muss."
 

Ich hörte Per schwer seufzen. Wieso dachte er so negativ? Unser Trainer mochte mich und er würde es sicher erlauben, dass ich ein einziges Mal nicht mit der Mannschaft nach Bremen zurück fahren würde.
 

Gedankenverloren hielt ich ein Glas Wasser in der Hand, wiegte es hin und her. Mal zur einen Seite, mal zur anderen. Und immer, wenn das Wasser drohte, hinauszulaufen, brachte ich das Glas in letzter Sekunde wieder in die Senkrechte. Per neben mir starrte hingegen auf die Mattscheibe vor uns. Die Fernbedienung hatte er fest mit der Hand umklammert und zappte ständig von einem Kanal zum nächsten. Mal war es Schillerstraße, dann Wer wird Millionär? und dann mal wieder CSI: New York. Der konnte sich auch nicht wirklich entscheiden.
 

"Ich glaube das größere Problem wird sein, Piotr davon zu überzeugen, mich bei ihm schlafen zu lassen", griff ich das Thema von eben wieder auf und sah, wie Per bei dem Herumzappen innehielt. Er drehte sein Gesicht zu mir, runzelte etwas die Stirn. Nicht zu sehr, doch es fiel mir trotzdem auf.

"Wieso sollte er nicht?", fragte er daraufhin. "Ihr versteht euch doch so gut."
 

War da ein Tick Eifersucht zu hören? Nein, da hatte ich mich verhört.

"Ja schon... Aber ich hatte in der gesamten Zeit, in der wir uns kennen, bisher ein einziges Mal bei ihm übernachtet. Und das ist schon Ewigkeiten her."

"Einmal ist nicht keinmal."

"Das heißt einmal ist keinmal, Per."

"Ach ist doch egal", nuschelte er und begann wieder, auf dem kleinen Gerät in seiner Hand herumzudrücken. Ich grinste etwas, er sah es zum Glück nicht. Aber vielleicht hatte er Recht, ich sollte mir nicht so viele Sorgen darum machen.
 

Außerdem, wer konnte mir schon einen Wunsch abschlagen?

Wenn ich Piotr einfach nett fragen würde, ob wir nicht das Wochenende zusammen verbringen wollen, würde er bestimmt zusagen. Er braucht bestimmt auch etwas Gesellschaft. Seit er wieder alleine lebt, hat er diese bestimmt nicht mehr so oft wie vorher.
 

Ich nahm einen Schluck Wasser und stellte dann endlich das Glas wieder zurück auf den Nachttisch. Während ich meinen Blick ebenfalls zum Fernseher wandern ließ, entfuhr mir ein Gähnen. Für kurze Zeit verschwamm mein Sichtfeld, aufgrund von Tränen, die mir beim Gähnen immer in die Augen stiegen. Ich rieb mir mit dem Knöchel meines Zeigefingers über die Augen und lehnte mich weiter zurück in die Kissen.
 

"Schlaf doch schon mal", meinte Per plötzlich. Meine Müdigkeit blieb ihm natürlich nicht enthalten.

"Willst du nicht auch schon schlafen?", fragte ich hingegen.

Er gab nur ein leises "Hm" von sich und drückte zum gefühlten hundertsten Mal auf die Fernbedienung.

"Sag mir nicht, dass du noch weiter da deine Zeit verschwenden willst?" Ich nickte zum Fernseher. Schon seit einer guten halben Stunde hatte er es nicht geschafft, auch nur fünf Minuten bei einer Serie zu bleiben. Was bezweckte er damit?

Ein weiteres "Hm" ließ mich aufstöhnen.

"Na wenn du meinst. Gute Nacht", waren meine letzten Worte, ehe ich die Decke bis nach oben zog und mich auf die Seite drehte.
 

Das Flimmern und die leisen Geräusche des Fernseher störten mich wenig. Der Grund warum ich nicht einschlafen konnte war, dass ich die ganze Zeit sein Gesicht vor Augen hatte. Die dunklen, kurzen Haare. Das strahlende Lächeln. Verdammt! Wie viele Stunden Schlaf dieser kleine Hamburger mir schon geraubt hatte! Ich sollte Schadensersatz verlangen oder aber darum bitten, ihn einzubuchten.

Naja gut, das war vielleicht doch zu heftig. Alternativ könnte man ihn natürlich auch in meiner Wohnung inhaftieren.

Mit diesem Gedanken und einem leichten Lächeln auf den Lippen schlief ich dann auch endlich ein.
 

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"Clemens, aufstehen!... Na los!... Verdammt, jetzt steh schon auf!"

"Mhm... was denn?" Widerwillig schlug ich die Augen auf und sah Per vor meinem Bett stehen. Fertig angezogen hatte er die Hände in die Seiten gestemmt und blickte auf mich hinab. Mit einer bestimmten Geste deutete er auf die Uhrzeit und ich warf - verschlafen wie ich war - einen Blick auf die kleine, graue Digitaluhr auf meinem Nachttisch.

"Du weißt schon, dass wir vor fünf Minuten beim Frühstück sein sollten, oder?", kam es von Per und erst da realisierte ich, was die Uhr mir mitteilte.

"SCHEIßE!", rief ich aus und warf die Bettdecke zurück. Mit ein paar Schritten war ich ins Badezimmer gestürmt, hatte die Tür hinter mir zugeworfen und angefangen, mich in Windeseile fertig zu machen.
 

Als ich dann kurze Zeit später - das musste meine Rekordzeit im Fertigmachen gewesen sein - zurück in unser Zimmer trat, stand Per am Fenster und blickte hinaus. Nachdem er mich bemerkt hatte, drehte er sich um und grinste breit.

Auf meinen fragenden Blick hin schüttelte er nur den Kopf und begab sich auf die Tür zu. Bevor auch ich das Zimmer verließ, warf ich einen letzten Blick in den Spiegel neben unseren Schrank, fuhr mir durch das blonde Haar und grinste mein Spiegelbild an.
 

"Warum hast du mich nicht schon früher geweckt?", fragte ich meinen Zimmerpartner, als wir die Treppe Richtung Essenssaal hinunter sprinteten. Ich dachte nur noch daran, dass ich das mit Piotr jetzt abschminken konnte. Nach diesem Zuspätkommen würde Schaaf mich sicher nicht in Hamburg lassen.

"Was glaubst du was ich die ganze Zeit versucht habe", gab er genervt zurück. "Aber du hast wahrscheinlich so tief und fest von Piotr geträumt, dass du nichts mitbekommen hast."

Ich merkte sofort, wie mir eine gewisse Röte ins Gesicht stieg.

"Psst", zischte ich nur, was jedoch vollkommen nutzlos war. Die Gänge waren leer, die gesamte Mannschaft war schon beim Frühstück und bis auf die Angestellten lief hier keine Menschenseele rum.
 

Das doofe war ja, dass Per Recht hatte. Das hatte er viel zu oft, wie ich bemerkte.

Tatsächlich handelte mein Traum von letzter Nacht von einem äußerst interessanten Abend, in dem Piotr eine große Hauptrolle spielte.

Doch bevor ich noch mehr Rot auf die Wangen bekam - und das würde ich sicher, wenn ich mich noch weiter an den Traum erinnere - lenkte ich meine Aufmerksamkeit lieber auf den Raum vor uns.
 

Ich betrat hinter Per den Saal, konnte mich so etwas hinter seiner Größe verstecken. Es war vorhersehbar, dass sich zunächst alle Blicke auf uns richteten. Einige grinsten, andere wiederum - und da gehörte unser Kapitän eindeutig dazu - schüttelten den Kopf.

Unschlüssig standen wir einige Sekunden da, bis wir uns an einen Tisch mit zwei leeren Plätzen gesellten.

"Man habt ihr ein Glück, dass Schaaf noch nicht da ist", kicherte Mesut, der mir gegenüber saß und ein halbes Brötchen, belegt mit Salat und Käse, in der Hand hielt. Darauf lag eine Scheibe Gurke, die er jedoch abnahm und sich schon vorher in den Mund stopfte.

"Wie kommt das?", fragte Per und wie ich blickte er sich um, bemerkte, dass der Trainer wirklich noch nicht anwesend war.
 

Anstatt zu antworten, zuckte Mesut nur mit den Schultern und biss dann von seinem Brötchen ab. Er genoss das Frühstück und machte keine Andeutung, noch mal mit uns in ein Gespräch zu verfallen.

War mir auch egal. Stattdessen warf ich ein Blick auf das lecker aussehende Buffet und stand dann auf. So ganz ohne Frühstück wollte ich dann auch nicht los.

"Kommst du mit?", warf ich Per die Frage zu und er nickte nur, stand dann ebenfalls auf.

Gemeinsam schnappten wir uns einen Teller und fingen sogleich an, diesen mit Brötchen, Wurst, Käse und anderen leckeren Dingen vollzupacken.

Es hatte ja doch einen Vorteil, später zu kommen als die anderen. Freie Bahn am Buffet!
 

Während wir aßen, warf ich immer wieder flüchtige Blicke zur Tür, wartete, dass unser Trainer zu und stieß. Als es dann auch endlich so weit war, atmete ich erleichtert auf, denn wie man deutlich sehen konnte, hatte Thomas Schaaf ein Lächeln auf den Lippen und demnach gute Laune. Das war meine Chance. Doch ich würde erst nach dem Frühstück zu ihm hingehen und ihm mein Anliegen berichten.
 

Als die meisten mit dem Essen fertig waren, meldete unser Trainer sich und erklärte, wann wir nach Hamburg aufbrechen würden. Dann verließen ein paar Spieler schon den Saal, um sich fertig zu machen. Ich hingegen stand auf, gab Per ein Zeichen, dass er auf mich warten sollte und ging nach zielstrebig auf den Tisch zu, an dem unter anderem unser Trainer saß.

Als er mich bemerkte, fragte ich, ob er kurz Zeit hätte, da ich eine wichtige Angelegenheit hätte.

"Klar", meinte er nur und wir beide begaben uns an einen Ort, wo keiner war und dementsprechend auch nicht zufällig etwas mitbekommen konnte.
 

"Wa gibt's denn, Clemens?", fragte mich der gebürtige Mannheimer mit seiner freundlichen Art.

Nicht lang drum herum reden, sprach ich mir zu und rückte dann gleich mit der Frage heraus.

"Ich wollte fragen, ob ich nach dem Spiel heute zu einem Bekannten fahren könnte und bei ihm übernachten dürfte?" Ich erwähnte nicht, dass der Bekannte Piotr war, ging meinen Trainer ja eigentlich nichts an.

Schaaf legte den Kopf etwas schief und schaute mich fragend an.

"Wieso denn das?", fragte er nächst und ich wagte nicht, ihm etwas vorzuenthalten.

"Wir haben uns schon länger nicht privat getroffen und da dachte ich, ich nutze die Chance, wo ich schon in Hamburg bin..."

Auf einmal fing Schaaf an zu lachen und sein Lachen war äußerst beunruhigend. Diesmal war ich es, der einen fragenden Blick an mein Gegenüber richtete.
 

"Na wer ist es? Lass mich raten, Jansen? Ne, hm.."

"Wie-.. was..?" Ich musste ausgesehen haben wie jemand, dem gerade gesagt wurde, dass sein haustier gestorben sei, denn bei meinem Anblick fing Schaaf erneut an zu lachen.

"Ach Junge, deine Aussage war so eindeutig, dass es nur ein Spieler aus Hamburg sein konnte. Und deiner Reaktion nach zu urteilen lieg ich da richtig?", er zwinkerte mir zu und ich schluckte schwer, nickte dann etwas. Ich fing mich wieder und versuchte ein Lächeln.

"Also gut, ich denke das geht klar", waren seine letzten Worte, bevor er mir auf die Schulter klopfte und wieder Richtung Essensaal verschwand.

Völlig verdattert blieb ich zurück und fuhr mir flüchtig mit der Hand durch die Haare. Trainer waren schon so eine komische Art von Menschen. Sie kannten ihre Schützlinge viel zu gut und konnten einen echt auf die Palme bringen.
 

Ich schüttelte den Kopf, um ihn frei von der Szene eben zu bekommen und musste nun etwas grinsen. Er hatte mich echt übers Ohr gehauen. Das würde er irgendwann zurück bekommen.

Da Per noch auf mich wartete, ging ich meinem Trainer hinterher und sah meinen großen Freund immer noch am Tisch sitzen, er unterhielt sich gerade mit Aaron.

Sobald er mich zurückkommen sah, beendete er das Gespräch mit dem blonden Stürmer und gemeinsam gingen wir auf unsere Zimmer, um uns für die Fahrt bereit zu machen.
 

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"Clemens.. hey, Clemens!", verwirrt drehte ich mich zu Per um und nahm einen Stöpsel aus dem Ohr.

"Was'n?", fragte ich etwas nuschelnd und schaute meinen großen Freund an, welcher neben mir im Bus saß.

Wir waren bereits los gefahren und auf direktem Wege nach Hamburg.

"Dein Handy hat geklingelt", meinte Per nur und deutete auf eben dieses Gerät, das seelenruhig auf dem ausklappbaren Tisch am Sitz vor mir lag. Ich griff danach und warf einen Blick auf den Display.

Als ich erkannte, weshalb es geklingelt hatte, spürte ich, wie sich mein Herzschlag beschleunigte. Sofort öffnete ich die Kurzmitteilung und musste instinktiv selig gelächelt haben, denn plötzlich spürte ich einen Hieb in die Seite und blickte kurze Zeit später in Pers breit grinsendes Gesicht.

"Und? Was schreibt er?", fragte der neugierige Kerl nach und ich tat nach zweimaligem Lesen so, als wäre es mir egal, legte das Handy wieder an seinen gewohnten Platz und wollte mich wieder meiner Musik widmen. Doch wie ich es mir gedacht hatte - und wie ich es von ihm kannte - gab Per nicht nach und knuffte mir wieder in die Seite.

"Na sag schon!"

"Jaja", meinte ich und gab dann die Nachricht - die ich nach zweimaligem Lesen auswendig konnte - wieder: "Hey Clemens. Seit ihr schon auf dem Weg in den hohen Norden? Freue mich auf das Spiel heute. Piotr."

"Uuhh", jaulte Per und ich guckte ihn streng an, hielt mir dann den Zeigefinger vor den Mund. Per beruhigte sich wieder, grinste aber immer noch schräg.
 

Sein Verhalten dieser Art kannten nur wenige Leute. Für die meisten war er der stille, große Kerl aus der Abwehr. Doch für mich war er eine unersetzbare Person. Ein bester Freund, ein Spaßkopf und ein liebevoller Riese zugleich. Wir hatten schon so viel gemeinsam erlebt. So viele Niederlagen und Siege erlebt. Und er war immer für mich da gewesen, so auch ich für ihn.

Er war es, der mir in meiner schwierigsten Zeit beigestanden hatte. Denn ich wusste, ihm konnte ich vertrauen. Per war einfach ein Teil meines Selbst geworden.
 

"Und was schreibst du zurück?"

"Sei nicht immer so neugierig!"

"Och menno..."

Ich lachte. Er konnte es nicht lassen. Er wollte einfach alles wissen. Alles was mit Piotr und mir zu tun hatte. Schon seit Anfang an.
 

(Flashback)
 

Nervös fuhr ich mir durchs Haar. Mein Blick huschte von einem Punkt zum nächsten, konnten nie lange irgendwo verharren. Mein Gegenüber runzelte die Stirn. Eine Gewohnheit, die ich schon relativ früh an ihm erkannt hatte. Er tat dies immer, wenn er stark nachdachte oder einfach nur gerade keine Antwort parat hatte. In diesem Falle war es ersteres.

»Du bist also... schwul?«

Ich nickte. Kratze mich am Hinterkopf. Wie er wohl reagieren würde?

Eine Pause trat ein. Ich schaffte es währenddessen endlich Per in die Augen zu sehen. Was ich dort sah war schwer zu beschreiben. Es war Überraschtheit, aber auch eine Spur Verwirrung.

»Naja, ich...«, fing er an und wusste anscheinend nicht, was er sagen sollte.

»Wenn du nicht damit klar kommst...«, meinte ich und fuhr mit meiner rechten Hand geistesabwesend meinen Oberarm hoch und runter.

Per schüttelte abrupt den Kopf.

»Überhaupt nicht. Das muss nur erstmal in meinen Kopf rein.«

Erleichterung. Ich wusste, ich konnte ihm vertrauen.

Eine weitere Pause trat ein, in der wir beide lediglich unseren eigenen Gedanken hinter her hingen. Per wirkte zuerst angespannt. Doch das legte sich wieder. Irgendwann erschien dann eines seiner typischen Per-Grinsen auf seinem Gesicht und er fragte mich schelmisch: »Und wer ist dein Lover momentan?«

Ich war total überrumpelt gewesen. Hatte irgendwas vor mich hin gestottert, das überhaupt keinen Sinn ergeben hatte. Per hatte gelacht. Er hatte mir seine Hand auf die Schulter gelegt und gemeint, es sei ein Scherz gewesen. Doch sagte er auch, dass er an meinem Verhalten sehen konnte, dass es da wohl jemanden gab, der mir gefiel.

Zu Recht.

Angriffslust

Der Bus fuhr langsam auf die Auffahrt des Hotels, in dem wir uns einquartieren würden. Mit einem kleinen Ruck kam er zum Stehen und die Türen öffneten sich, sodass wir aussteigen konnten. Ich ging den anderen Jungs hinterher.

Innerlich freute ich mich schon auf die bevorstehenden Stunden, die wir in der Hamburger Arena verbringen würden. Doch irgendwie hatte ich auch Bange davor, Piotr anzusprechen und ihn zu fragen, ob wir das Wochenende gemeinsam verbringen wollten.
 

Dabei wollte ich endlich mal die Initiative ergreifen. Viel zu lange kämpfte ich nun schon mit meinen Gefühlen. War hin und her gerissen: Sollte ich es ihm erzählen, sollte ich es ihm nicht erzählen?

Doch nach langen Gesprächen mit Per und vielen schlaflosen Nächten, entschied ich mich dafür, mein Glück zu versuchen, es Piotr zu gestehen, zu hoffen, dass da vielleicht etwas aus uns werden könnte.
 

Der Vormittag ging für meinen Geschmack viel zu langsam rum. Bis wir endlich mit dem Bus Richtung Arena fuhren, vergingen gefühlte fünfzig Jahre. Quälend langsam sah ich das große Bauwerk näher kommen. Die Buchstaben der HSH Nordbank Arena hingen stolz an den hohen Pfeilern, die mit ihren Spitzen so aussahen, als würden sie eine Krone bilden.

"Könige des Nordens", nannten sie sich. Hah, wir würden ihnen schon zeigen, wo der Hammer hängt.

Mit einem Lächeln auf den Lippen bei diesen Gedanken, fuhr unser Mannschaftsbus gerade durch das Tor, über den Parkplatz und parkte dann innerhalb der Arena.
 

Von hier ging es direkt durch die Mixed-Zone zu der Gästekabine. Der Raum war wie in jedem anderen Stadion: Die Bänke an den Wänden, mit den Regalen dahinter. In der Mitte ein Tisch. Und dann noch zwei Türen, die zu den Duschen, den beiden großen Whirlpools und weiteren Räumen führten.

"Na, aufgeregt?", fragte mich Per, während wir anfingen uns umzuziehen.

"Auf keinen Fall", lachte ich und musste mir eingestehen, dass ich es vielleicht doch war. Jedoch war es nicht die Tatsache, dass wir gleich ein Spiel vor uns hatten. Vielmehr war der Grund dafür der kleine dunkelhaarige Mittelfeldspieler, dem ich sicher ein paar Mal auf dem Rasen begegnen würde. Immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass ich ihn noch um ein kurzes Gespräch bitten wollte.
 

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Dann endlich war es soweit. Gemeinsam begab ich mich mit meiner Mannschaft in die Mixed-Zone, wo bereits die Heimmannschaft auf uns wartete. Unseren Kapitän hinterher betrat ich gleich als zweites den Raum und ließ schnell meine Augen über die Gesichter der hier Anwesenden huschen.

An seiner Größe erkannte ich ihn sofort. Bis auf Marko war er der Kleinste hier im Raum und so erkannte ich ihn schnell. Mit dem Rücken zu mir stand er dort und unterhielt sich mit einem seiner Mannschaftskameraden.
 

Sollte ich ihn jetzt schon ansprechen? Oder warten, bis er mich bemerkte? Oder es nachher versuchen?

Ich entschied mich nach kurzem Zögern für Letzteres und verfiel dann kurze Zeit später mit jemand anderen in ein Gespräch. Von draußen konnte man schon die lauten Rufe der Fans hören. Etwas hibbelig verlagerte ich mein Gewicht mal auf den einen Fuß, dann auf den anderen. Es sollte endlich losgehen, denn das Warten, bevor man aufs Spielfeld konnte, war einer der schrecklichsten, aber auch Nervenkitzel-erregensten Momente überhaupt.
 

"HSV - for ever and ever", sangen die Hamburger Anhänger, sobald es hinaus ging. Ich ließ meinen Blick flüchtig durch die Arena schweifen. Es war voll. Höchstwahrscheinlich ausverkauft. Im Gästeblock jubelten unsere Fans. Und nicht nur da. Auch rüber zur West- und Osttribüne konnte man viele grüne Trikots und Schäle erkennen. Bremen lag ja nicht gerade am anderen Ende Deutschlands, demnach waren viele von unseren Fans mitgereist. Mindestens vier- bis fünftausend.

Das spornte mich um so mehr an. Jetzt wollte ich spielen. Siegen.
 

Ich drehte mich um, glaubte gespürt zu haben, wie mich jemand beobachtete. Und ich hatte sogar Recht: Piotr blickte zu mir. Als sich unsere Blicke kreuzten, lächelte er mir entgegen und hob flüchtig die Hand zum Gruß. Ich erwiderte und bei seinem Anblick begann mein Herz gleich doppelt so schnell zu schlagen.
 

"Okay, jetzt bin ich aufgeregt", meinte ich etwas lauter an Per gerichtet, der nicht weit von mir entfernt auf dem Platz stand. Er nickte, hatte den Blick fest auf den Ball geheftet. Der Pfiff ertönte und das Runde wurde von einem Hamburger zum nächsten weitergegeben, das Spiel begann. Die Stürmer unserer Gegner gingen gleich sofort in die Offensive. Der Ball wurde von links zentral gespielt und ich sah zu, wie er Piotr vor die Füße rollte. In dem Moment griff Claudio ein, versuchte an den Ball zu kommen. Tatsächlich schaffte er es ihm den Ball abzunehmen und so sprintete er mit Marko und den anderen Jungs an seiner Seite nach vorne. Kurz vor dem Tor war Daniel am Ball und versuchte sein Glück. Der Ball wurde aber abgefälscht und flog somit um einiges am Tor vorbei.
 

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Das Spiel war von der ersten Sekunde an wirklich aufregend. Jeder auf dem Rasen gab sein bestes, um seiner Mannschaft zum Sieg zu verhelfen. Das konnte man eindeutig erkennen. Nach einer halben Stunde war immer noch kein Tor gefallen, ob der vielen Torchancen beider Seiten. Ich hörte Per fluchen. Er wünschte sich anscheinend genauso wie ich ein Tor. Sicherheit brauchten wir. Wir wollten das Spiel gewinnen. Die drei Punkte mit nach Hause nehmen.
 

Tim passte mir den Ball zu und ich rannte los. Von vorne sah ich Marcell Jansen auf mich zukommen, doch kurz bevor er angreifen konnte, gab ich den Ball weiter an Torsten. Dieser sprintete weiter. Vorbei an dem Hamburger Kapitän. Der Ball rollte. Zu Aaron. Dann wieder zurück zu Frings. Und er versuchte es, schoss von der Strafraumgrenze, doch der Ball prallte am Pfosten ab, sprang zurück und ein Abwehrmann der Gegner bekam ihn zu fassen. Claudio stieg ein, grätschte den Ball weg. Er rollte. Und scheiße: Genau vor Markos Füße, der ungeschützt vor dem Tor stand. Er schoss und-...
 

Der Ball zappelte noch im Netz und ich sprintete los. Auf Marko zu, genauso wie alle anderen.

"Tor!"

"Jaaa!"

Freudestrahlen sprang der kleine Mittelfeldspieler in die Luft, dann wurde er auch schon von uns attackiert, umarmt, beglückwünscht und ihm wurde gedankt.
 

Ich wuschelte ihm über den Kopf, ließ dann von ihm ab und ging zwei Schritte zurück. Der Stadionsprecher gab gerade das Tor bekannt. Unsere Fans jubelten. Schrien. Es war unglaublich. Mein Blick schweifte über die Ränge. Dann über das Feld. Die Hamburger sahen enttäuscht aus, vielleicht auch verzweifelt. Ich suchte den Rasen nach Piotr ab, entdeckte ihn dann. Er begab sich schon wieder auf die andere Spielfeldseite. Trotz meiner Euphorie tat er mit Leid. Jedoch, das Tor bedeutete zwar Erlösung, aber noch lange nicht Sieg für uns.
 

Das Spiel ging weiter. Es waren noch knapp zehn Minuten zu spielen und in denen sollten wir nicht unachtsam sein.

Nach dem Anstoß ging es wieder turbulent weiter. Wir wollten zeigen, dass wir das Tor verdient hatten. Die Hamburger wollten zeigen, dass sie es genauso gut konnten. Doch gab es vor der Halbzeitpause nur eine richtige Torchance und die war für uns gewesen.
 

Als der Schiedsrichter zur Pause pfiff, schnaufte ich erleichtert aus. Was für ein Spiel bisher. Diese Nord-Derbys waren immer wieder aufregend.

Ich rannte auf Per zu, der schon auf den Weg in die Kabinen war, und gesellte mich dann an seine Seite.

“Geil!”, war mein einziges Kommentar und er nickte grinsend.

“Hoffentlich können wir das auch halten”, meinte er. Das hoffte ich auch.
 

Die fünfzehn Minuten waren schnell rum. Schaaf lobte uns, gab uns aber noch ein paar Anweisungen mit auf den Weg. Immerhin sollten wir es uns jetzt nicht zu leicht machen.

Als es erneut in die Mixed-Zone ging, trat zur gleichen Zeit Piotr in den Raum. Er hatte das Gesicht Marcell zugewendet, der neben ihm ging. Ich biss mir auf die Lippe.

"Hey", sprach ich die beiden an und sofort hatte ich ihre Aufmerksamkeit. Sie grüßten zurück.

"Ähm, Piotr", sprach ich den Kleineren an. "Kann ich nach dem Spiel mit dir sprechen?"

Er blickte mich zuerst ein wenig verwundert an. Verständlich. Doch dann lächelte er sein tolles Lächeln, von dem ich nie genug kriegen konnte, und nickte.

"Ja klar."
 

Die zweite Halbzeit wurde angepfiffen und ich grinste nur so vor mich hin. Per hatte mir schon einen skeptischen Blick zugeworfen, doch ich hatte es ignoriert.

Das Spiel war im vollen Gange und ich hatte anfangs Schwierigkeiten mich darauf zu konzentrieren. Ich ging in Gedanken hundert Mal die Szene durch, wie ich Piotr nach dem Wochenende fragen sollte. Erst als Tim mich anschrie, von wegen ich solle mich mehr konzentrieren, da mir schon drei Mal der Ball abgenommen wurde und es zweimal zu Torchancen für die Hamburger gekommen war, machte ich meinen Kopf frei und versuchte nur noch Augen und Ohren und einfach alles für das Spiel zu haben.
 

Die Minuten vergingen. Wir machten uns gut, hatten den Sieg direkt vor uns. Nur noch zehn Minuten trennten uns von ihm. Ich hatte mich zusammengerissen, keinen Ball mehr verloren, konnte sagen, dass ich gut gespielt hatte. Der Ball wurde per Flanke seitens Piotr in unsere Hälfte gebracht. Eljero Elia gewann ein Kopfballduell mit Per - wie ging das denn? - und passte daraufhin den Ball zu einem seiner Mitspieler. Ich lief auf diesen zu, versuchte an den Ball heran zu kommen. Er war flink, konnte mir entkommen und im nächsten Moment hatte er den Ball auch schon weiter gegeben. Ich konnte nur noch zusehen, wie der Ball zu Marcell Jansen gerollt kam und keiner meiner Mitspieler es schaffte dies zu verhindern. Er führte den Ball Richtung Tor, blieb an Naldo stecken, passte an Elia, rannte weiter, bekam den Ball zurück und schoss. Ein hammer Schuss.
 

Die Geräuschkulisse wurde mit einem Mal unglaublich laut. Ich war wie gelähmt. Tim lag ausgestreckt auf dem Boden, den Kopf zur Seite gedreht, auf den Ball blickend, der gerade zum Stehen kam. Das durfte nicht war sein. Ich fuhr herum, sah wie die Hamburger auf Marcell zu gerannt kamen. Das Stadion tobte, ich fluchte.

"Verdammte Scheiße!"

Marcell ließ sich feiern. Piotr hatte ihn angesprungen, strahlte übers ganze Gesicht. Wäre ich jetzt nicht wegen des Toren wie gelähmt, wäre wohl ein wenig Eifersucht in mir aufgestiegen.

Ich suchte Per, suchte seinen Blick. Er hatte sich auf die Unterlippe gebissen und deutete stumm, dass man da nichts machen konnte.
 

Die nächsten Minuten vergingen schleppend. Wie am Anfang wollten beide Seiten ein Tor. Wieder hieß es bangen, wieder hoffen. Neun Minuten noch zu spielen. Dann nur noch Acht. Dann waren es sieben. Ich hatte das Gefühl die Zeit lief nur noch halb so langsam. War das nun gut oder schlecht?

Fünf Minuten vor Schluss wechselten unsere Gegner gleich zwei Personen aus. Elia ging, Berg kam. Jansen ging, Rincón kam. Ob das einen Sinn hatte oder ob ihr Trainer nur Zeit schinden wollte, konnte ich nicht nachvollziehen.

Kurz vor Schluss - es war nichts gravierendes mehr passiert, außer dass sich Mesut und Jérôme Boateng gelb eingefangen hatten - zeigte die Tafel eine Minute Nachspielzeit an. Letzte Chance. Die mussten wir nutzen.
 

Die Hamburger waren auf dem Vormarsch und dies auf meiner Seite. Ich lief dem jetzigen Ballbesitzer entgegen, wollte um jeden Preis verhindern, dass er weiter kam, wollte ihm den Ball abnehmen. Er hatte nicht aufgepasst, den Blick Ausschau haltend zur Seite gerichtet. Völlig überzeugt erkämpfte ich mir den Ball. Ich hatte keine Schwierigkeiten und konnte somit kurze Zeit später den Ball wieder in die entgegen gesetzte Richtung führen. Claudio bot sich mir an und ich passte ihm im Lauf zu. Die letzten Sekunden waren angebrochen. Aaron bekam den Ball, versuchte es aus sechzehn Metern, doch ein gegnerischer Abwehrspieler konnte parieren, der Ball flog davon. Ecke für uns. Die wahrscheinlich letzte Aktion des Spiels, demnach mussten wir jetzt alles geben.

Mesut schoss aus der Ecke, der Ball kam auf Per zu und ich sah wie er versuchte das Runde ins Eckige zu köpfen. Doch unglücklicherweise war der Keeper zur Stelle und hielt den Ball fest in den Händen. Er verlor keine Zeit und warf in ihm hohen Bogen zu einem Mitspieler.
 

Es nützte nichts mehr. Der Schiedsrichter pfiff dreimal und alle auf dem Feld verlangsamten ihre Bewegungen, blieben letztendlich stehen oder gingen zu Mit- oder Gegenspielern.

Enttäuscht und doch zufrieden, dass wir nicht verloren hatten, ging ich schnurstracks auf den kleinen Mittelfeldspieler zu, der sich in der Feldmitte befand und gerade mit jemanden einschlug. Ich zog mir im Laufen das Trikot über den Kopf. Vor ihm Stehen bleibend hielt ich es ihm hin und wie erhofft tat er es mir gleich und händigte mir sein Trikot aus.

"Gutes Spiel", meinte ich und er nickte anerkennend.

"Ich denke ein Unentschieden war die beste Lösung, wir waren gleichstark heute."

Ich lachte. "Naja, vielleicht hatten wir heute auch einfach einen schlechten Tag erwischt."

Piotr zuckte grinsend mit den Schultern. "Du wolltest noch mit mir reden?", fiel es ihm wieder ein und ich warf flüchtig einen Blick zur Seite. Meine Mannschaft hatte sich schon auf den Weg zu unseren Fans gemacht.

"Ja." Ich wollte nicht um den heißen Brei herum reden, also fragte ich direkt nach. "Hast du schon was vor dies' Wochenende?"

Er überlegte, das sah ich an seinem Gesichtsausdruck. Dann verzog er den Mund ein wenig.

"Bisher nicht. Wieso?"

"Ich wollte fragen, ob ich vielleicht bei dir bleiben kann?" Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, da bemerkte ich erst wie ich sie formuliert hatte. Oh bitte lass ihn es nicht falsch aufnehmen. "Ich mein', ob wir das Wochenende zusammen verbringen wollen."

Auch nicht viel besser. Doch Piotr lächelte nur.

"Wieso nicht?", sagte er mit einer Spur Schelm in der Stimme. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer und ich bekam mit einem Schlag ein breites Grinsen. Vergessen war das Spiel. Vergessen war das Unentschieden.

"Okay, treffen wir uns bei deinem Auto?"

"Ja", meinte er nur und ich lief mit seinem Trikot in der Hand zu meinen Mannschaftskollegen, gesellte mich an Pers Seite, grinste breit. Der musste auf meinen Anblick hin wohl ein Déjà-vu gehabt haben.
 

(Flashback)
 

Vor mich hin kauend saß ich auf meiner Couch, die Beine lang, die Füße auf dem Wohnzimmertisch. Ich hatte ein Stück Pizza in der Hand und blätterte mit der anderen in einem Fotoalbum herum. Es war ruhig. Völlig in Gedanken versunken starrte ich auf die Bilder und schwelgte in Erinnerungen.

Plötzlich klingelte es und ich brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass es nicht die Haustür, geschweige denn die Eieruhr aus der Küche gewesen war, sondern das Telefon neben mir. Über mich selbst lachend erkannte ich auf dem Display wer anrief und nahm mit einem »Mertesacker?« an.

»Hey alter Sack«, lachte mir Per aus der Leitung entgegen. Er war es gewohnt, dass ich mich mit seinem Namen meldete. Das tat ich natürlich nur bei ihm, aus purem Jux.

»Was gibt's?«, fragte ich ihn und klappte nebenbei das Album zu. Das angebissene Pizzastück wanderte auf den Teller zurück und ich setzte mich ordentlich hin.

»Wollte nur ein bisschen plaudern«, gestand er und ich wollte ihm zuerst nicht so recht glauben. Dann aber fiel mir ein, warum er plaudern, beziehungsweise reden wollte. Aus genau demselben Grund, warum er mich schon die gesamte vergangene Woche nervte.

»Ja, es ist schön dich mal wieder zu hören, nein ich erzähle dir nicht, wer es ist.«

»Och Clemi«, jammerte Per und ich verzog angewidert das Gesicht.

»Jetzt erst recht nicht mehr.«

»Okay, sorry. Clemens«, betonte er und ich rollte die Augen. »Sei nicht so fies. Ich bin dein bester Freund, mir kannst du es doch sagen. Mich interessiert nun mal für wen sich mein schwuler« - ich lachte, damit wollte er mich aufziehen - »Kumpel interessiert.«

»Neugierig«, kommentierte ich nur und nahm den Hörer in die andere Hand. Ich überlegte mir schon, wie ich ihn abwimmeln konne, da gab Per ein enttäuschtes »Hmpf« von sich.

»Per«, sagte ich mit einer gespielten Ernsthaftigkeit in der Stimme. »Ich geb' dir einen Tipp. Aber dann ist Schluss, okay?«

»Yeah«, hörte ich ihn rufen und sah deutlich vor mir, wie er triumphierend die Faust in die Höhe streckte. »Raus damit.«

»Nationalmannschaft«, war das einzige Wort das ich heraus brachte.

Entspannung

Frische Luft kam mir entgegen, als ich nach draußen trat. Ich hatte mich zuvor von Per und den anderen verabschiedet - war gekonnt den Nachfragen auf den Verbleib in Hamburg ausgewichen. Mein großer Freund hatte mich noch beiseite genommen und mir Mut zugeredet. "Sei einfach du selbst", hatte er gesagt und mich angelächelt. "So kann er dir nicht widerstehen." Ich hatte gelacht.
 

Ich sah ihn schon von weitem bei seinem Auto stehen und beschleunigte meine Schritte. Er lud gerade seine Tasche in den Gepäckraum und sah mich nicht kommen. Ich schlich mich heran, stellt mich direkt hinter ihn und als er sich gerade umdrehen wollte, flüsterte ich ihm ein "Bin da" ins Ohr. Erschrocken fuhr er zusammen und sah mich mit großen Augen an.

"Clemens!", sagte er laut und ich zuckte grinsend mit den Schultern. Piotr schüttelte den Kopf und begab sich zur Fahrerseite, stieg ein. Ich schmiss meine Sporttasche neben seine, schloss die Kofferraumtür und gesellte mich zu ihm auf den Beifahrersitz.
 

"Und wie geht es dir so?", fragte ich Piotr während er sich durch den sich langsam lichtenden Verkehr vor der Arena zwängte und ich an seinem Radio rumtüftelte. Ich suchte nach einem 'neutralen' Radiosender, einem, der nicht ständig über das Spiel berichtete und dies aus Hamburger Sicht.

"Kann nicht klagen", meinte er und warf mir flüchtig einen Blick von der Seite her zu.

Es war normal bei uns, dass wir uns nach einem Spiel nicht über dieses unterhielten. Wir waren beide der Meinung, dass man, unabhängig wie das Spiel ausgegangen war, darüber noch genug zu hören bekam. Demnach brauchten wir uns da nicht auch noch drüber zu unterhalten.

"Und wie steht's mit dir?", fragte er und ich konnte nicht anders, als mit der vollen Wahrheit heraus zu rücken.

"Perfekt!"

Piotr sah mich skeptisch an - zum Glück hielten wir gerade an einer roten Ampel, sonst hätte er noch einen Unfall gebaut. Wahrscheinlich dachte er an das Spiel und konnte nicht so recht glauben, dass es einem danach perfekt ging.

"Wie kommt's?", kam es nächst und er wendete sich wieder der Straße zu. Er bog an der Kreuzung rechts ab und fuhr auf dem direktesten Weg zu sich nach Hause.

"Ach...", fing ich an, überlegte schnell, was ich sagen sollte. 'Weil ich bei dir sein kann' hörte sich wie aus einem kitschigen Liebesfilm an, selbst wenn ich es nur als Scherz sagen würde. Und da dies eher der Wahrheit entsprach und ich ihn nicht damit überfallen wollte, lies ich es bei einer kleinen Notlüge. "Ich werd' wahrscheinlich Onkel. Meine Schwester..." Ich zuckte mit den Schultern.

"Das ist doch schön", freute er sich für mich und ich nickte. Dann verfielen wir für geringe Zeit in Schweigen. Ich erwischte mich immer wieder, wie ich ihm verstohlenen Blicke zuwarf. Na hoffentlich tat er es nicht auch.
 

Wie lange war es her, dass wir uns ein paar Tage länger gesehen hatten? Das letzte Nationalmannschaftsspiel war schon eine Weile her und danach war eigentlich nichts mehr gewesen. Nun gut, nichts mehr im Sinne von Treffen. Piotr und ich hatten zu meiner großen Freude noch Kontakt, den wir übers Internet und sogar übers Telefon hegten und pflegten.

Ich erkundigte mich, wie sein Familienbesuch war - von dem er mir erst letztens erzählt hatte - und er berichtete eifrig davon, da bogen wir auch schon in seine Straße ein. Er parkte das Auto und wir stiegen gemeinsam aus. Ich öffnete wieder den Kofferraum und er schloss das Auto ab - Teamarbeit könnte man fast meinen. Ich griff nach meiner und nach seiner Tasche, stellte eine ab, schloss den Kofferraum und ergriff sie wieder. Er wollte mir seine blaue Adidas-Tasche abnehmen, doch ich war schneller und zog sie weg. Dann drehte ich mich um und verschwand Richtung Haustür.

"Ey", gab er von sich. "Du bist doch kein Bediensteter. Du bist ein Gast!"

"Du musst doch aufschließen", rechtfertigte ich mich und er zog eine Schnute, die mir sogleich einen angenehm süßen Stich versetzte.

"Als wenn ich meine Tasche nicht tragen und dabei aufschließen könnte", schmollte er und ich konnte nicht anders als ihm seine Tasche wiederzugeben, aus Angst, ich könnte schwach werden, würde er weiterhin so gucken.

Ein siegreiches Funkeln trat in seine Augen und er hatte schon längs die Tür geöffnet, was ich jedoch erst bemerkte, als er sie mir - um mich zu ärgern - vor der Nase zumachen wollte. Ich hielt schnell meinen Fuß zwischen Tür und Rahmen und er ließ mich eintreten.
 

Drinnen angekommen ließ ich mich auf dem Boden nieder und tüftelte an meinen Schuhen herum, um sie dann ausziehen und wegstellen zu können. Die Jacke hing ich an der Garderobe auf und ging dann weiter in die Wohnung hinein. Es war alles, wie ich es in Erinnerung hatte. Der selbe Duft, der mir Piotrs Gesicht vor Augen zauberte, sobald ich diese geschlossen hatte. Die selbe Atmosphäre, wenn ich in seiner Nähe war. Hier könnte ich mich immer aufhalten.

"Möchtest du etwas trinken?", nahm ich Piotr Stimme aus der Küche wahr und betrat eben diese.

"Ja gerne", antwortete ich nur und ließ mich dann lässig auf einem Küchenstuhl fallen. Piotr hatte derweilen schon zwei Gläser aus dem Schrank gefischt und sie vor sich auf die Theke gestellt.

"Wasser? Saft?..."

"Wasser, bitte."

Aus dem Kühlschrank holte er eine Flasche Mineralwasser und goss uns beiden etwas ein. Dann händigte er mir ein Glas aus und setzte sich ebenfalls.

Ich nippte an dem Glas, hatte nicht wirklich Durst, nahm aber immer aus Gewohnheit an. Piotr hingegen genehmigte sich ein paar kräftige Schlucke.
 

"Und schon 'ne Idee was wir heute Abend machen?"

Ich blickte ihn an, hatte erwartet, dass er danach fragen würde. Trotzdem gab ich ein ahnungsloses "Hm" von mir. Er stellte sein Glas auf dem Tisch ab und ich tat es ihm gleich. Er zog ein Bein an, stellte seinen Fuß auf die Kante des Stuhls. Sein Kinn lehnte er gegen sein Knie und schaute mich aus seinen braunen, freundlichen Augen her an.

"Also wir können das Übliche machen. Fernsehen oder DVD gucken. Wir könnten natürlich auch weg gehen...", fing er an und ich schüttelte den Kopf.

"Nach Weggehen ist mir nicht so. Will lieber etwas entspannen", gestand ich und fuhr mir kurz durchs Haar. Er lächelte zustimmend.

"Ich ehrlich gesagt auch."

"Dann können wir noch entscheiden, ob wir uns einen Film reinziehen oder etwas im Fernsehen suchen."

"Oder aber wir spielen etwas an der Konsole", fügte er hinzu und ich hob fragend meine Augenbrauen. "Du hast 'ne Spielkonsole?"

Er nickte grinsend. "Hab ich mir erst neulich zugelegt. Da ja komischerweise jeder aus der Natio eine hat, musste ich mal mit dem Trend gehen."

"Ach, dann hast du sicher auch FIFA oder Pro Soccer, oder?"

"Wenn du dem Klischee nachgehen willst, dass Fußballer nur Fußball an der Konsole spielen, dann ja", lachte er und verpasste mir eine leichte Gänsehaut damit. Sein Lachen war so hell und ehrlich. Eins der Dinge, die ich so an ihm mochte.

"Na dann lass mal sehen, was du sonst noch so hast", mit den Worten stand ich auf, schnappte mir mein Glas Wasser und verschwand Richtung Wohnzimmer. Ich hörte wie Piotr mir folgte.
 

Er hatte doch tatsächlich neben den genannten Fußball-Spielen auch noch eine Menge anderer Spiele. Dabei war er immer derjenige gewesen, der sich davor gesträubt hat mit Bastian und Lukas - von denen man wusste, dass sie verrückt danach waren - zu spielen und auch so oft davor geflüchtet ist. Jetzt hielt ich in der einen Hand ein Autorennen-Spiel und in der anderen eines über Wrestling. Wahrscheinlich war er der heimliche Zocker und wollte es uns anderen nur nicht verraten.

"Hm. Ich bin für einen Wrestling-Kampf", hörte ich ihn sagen und legte daraufhin die CD in das vorgesehene Fach ein. Piotr drückte mir einen Kontroller in die Hand und so setzten wir uns nebeneinander auf die Couch vor den großen Flachbildschirm.
 

"Uff", staunte ich nicht schlecht, als Piotr mich schon zum dritten Mal hintereinander fertig gemacht hatte. "Du spielst das bestimmt den ganzen langen Tag, oder?"

"Nein", meinte er grinsend. "Ich hab nur irgendwie den Dreh raus."

Ich kniff die Augen etwas zusammen und versuchte mich zu konzentrieren. Meine Figur im Spiel begann von neuem, sich auf Piotrs Figur zu stürzen und sie zu attackieren. So ging das eine Weile, bis auch ich endlich mal einen Sieg errungen hatte. Triumphierend hob ich die Faust in die Höhe. Sah, wie mein Gegenspieler den Kopf schüttelte.

"Okay, noch eins und dann was anderes, okay?", fragte er mich und drückte ein paar Mal in die Tasten, hatte so eine neue Runde gestartet.
 

Wild auf den Kontroller klickend warf ich Piotrs Figur zu Boden. Ich ließ meine auf ihn drauf springen und ihn dabei den Ellenbogen in die Magengegend rammen.

"Sieht ganz schön schwul aus, oder?"

Verwirrt blickte ich zur Seite. Piotr hingegen starrte auf die Mattscheibe.

"Was?", fragte ich nach und sah dann aber selbst, was er meinte: Meine Figur hockte zwischen den Beinen seiner und drückte ihn somit zu Boden. Wenn man sich vorstellte, dass die beiden nicht gerade am Kämpfen waren, konnte man diese Pose schon falsch verstehen.

"Naja... wie die da hocken", bestätigte Piotr mir noch mal und aus den Augenwinkeln sah ich, wie er das Gesicht verzog. Was war daran denn schlimm?

Gerade wollte ich ihm sagen, dass es wohl normal war, dass Wrestler so viel Körperkontakt hatten, da kam er mir zuvor mit dem Reden.

"Ich kann so was nicht ab. Selbst wenn das nur so aussieht." Ich stockte. Was genau meinte er jetzt?

"Was meinst du?"

"Also dieser schwule Touch. Oder Schwule insgesamt. Ich kann die nicht ab."
 

Würde ich nicht schon auf dem Boden hocken, wären mir wohl die Beine weggeknickt. Verwirrt, getroffen und nach Courage ringend blickte ich ihn an. Er war immer noch damit beschäftigt, mit meiner Figur zu kämpfen. Und erst als er "Gewonnen" murmelte, ließ er den Kontroller sinken und warf mir einen Blick zu. Während er fragend die Augenbrauen gen Himmel streckte, versuchte ich verzweifelt diesen Satz aus dem Kopf zu bekommen.

"Ich kann die nicht ab." Schwule. Er kann Schwule nicht ab.

"Autorennen?", fragte er und zeigte flüchtig mit dem Daumen zur Konsole.

"Äh-... ja", sagte ich und merkte, wie meine Stimme zitterte. Na hoffentlich hatte er es nicht auch gemerkt.
 

Aber dem war nicht so, denn er wechselte die CD und machte so weiter wie bisher. Ich hingegen fühlte mich mit einem Mal total fehl am Platz. Ich hatte den Drang, einfach aufzustehen und abzuhauen. Doch das konnte ich nicht machen. Das würde mir einige Erklärungen einbringen. Deshalb versuchte ich, mir nichts anmerken zu lassen, immer seine Aussage im Hinterkopf.

"Ich kann die nicht ab."

Gut zu wissen.
 

(Flashback)
 

Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wie ich ihm das erste Mal begegnet bin, geschweige denn, wann es war. Höchstwahrscheinlich auf dem Rasen bei irgendeinem Bremen-gegen-Hamburg-Spiel. Er war mir nicht wirklich aufgefallen. Benahm sich wie jeder andere Spieler, rückte nicht mit irgendwelchen Schlagzeilen in den Vordergrund.

Aber woran ich mich noch sehr gut erinnern konnte war, wie ich es geschafft hatte, eine Vorliebe für den kleinen Mittelfeldspieler zu entwickeln. Es war so plötzlich passiert, dass ich im Nachhinein schon daran gezweifelt hatte, ob ich wirklich so für ihn empfand.

Es war während eines Spiels mit der Nationalmannschaft gewesen - wann sonst auch? Wir hatten gerade ein paar freie Minuten auf dem Hotel, bevor es zur Teambesprechung gehen sollte. Ich könnte fast sagen es sei ein Unfall gewesen, dass ich auf ihn aufmerksam geworden bin, denn ich ging gerade durch den Flur, in dem sich unsere Zimmer befanden, und las dabei in einem Buch. Ich hatte nicht damit gerechnet jemanden anzutreffen, deshalb achtete ich nicht darauf, wo ich ging.

Als mich jedoch ein plötzliches »Aua!« das Buch vom Gesicht wegnehmen ließ, blieb ich verwundert stehen. Vor mir war niemand, woher kam dann der Ausruf?

Ich blickte nach unten und sah, wie jemand gerade vom Boden aufstand und sich über die Wade strich. Dabei hatte er mir den Rücken zugedreht und ich brauchte einige wenige Sekunden, um zu realisieren, dass es Piotr war.

»Äh...«, brachte ich nur heraus und er drehte sich zu mir.

»Was hast du da auf'm Boden gesucht?«, fragte ich nächst und er blickte kurzzeitig zu Boden und dann wieder in mein Gesicht. Während ich auf eine Antwort wartete, musterte ich ihn unauffällig und mir fiel zum ersten Mal auf, wie zierlich sein Gesicht wirkte, doch gleichzeitig blühte es nur so vor Persönlichkeit. Und auch sein Blick, der so suchend und trotzdem sicher umher glitt, ließ mich stutzen.

Er hatte gesagt, er hätte seinen Ring fallen gelassen und ihn eben aufgehoben. Und dass ich ihn auf seine Wade getreten sei. Er hatte gefragt, wieso ich beim Gehen nicht schaue, wohin ich laufe.

»Hab gelesen«, hatte ich gemeint und ihm mein Buch vor die Nase gehalten. Ich hatte mich natürlich entschuldigt.

Und irgendwie waren wir dann in ein Gespräch geraten. Worüber konnte ich nicht mehr sagen, ich wusste nur, dass ich den Blick nicht von seinen Augen wenden konnte. Als er mir dann auch noch sein Lachen gezeigt hatte, war es wohl um mich geschehen.

Rückzieher

"Glaub mir Per, ich dreh' hier durch", flüsterte ich ins Handy hinein und blickte starr vor mir an die weißen Kacheln. Ich hatte mich ins Badezimmer verzogen, mit dem Vorwand mich fertig zu machen, und heimlich Per angerufen. Es war noch recht früher Morgen, weshalb er auch noch etwas verschlafen gewirkt hatte. Doch als ich ihn den Satz "Piotr hasst Schwule" an den Kopf geworfen hatte, schien er mit einem mal hellwach.

"Vielleicht hat er das ja ganz anders gemeint", versuchte er mich zu beruhigen, doch ich schüttelte den Kopf, auch wenn er es nicht sehen konnte.

"In welchem Ton er das gesagt hat, glaub mir das war nicht anders gemeint. Und sein Gesicht hättest du sehen müssen, als wäre er total angewidert gewesen." Ich seufzte. Ich fühlte mich miserabel. Und das lag nicht nur daran, dass ich die halbe Nacht nicht schlafen konnte.

"Und was willst du jetzt machen?", fragte mich mein großer Freund.

"Ich versuch irgendwie frühzeitig wieder abzureisen", meinte ich und wünschte ich müsste es nicht tun.

"Wirklich?", hörte ich Per fragen und während ich den Wasserhahn aufdrehte und ab und zu meine Hand hinunter hielt, antwortete ich ihm, dass es die einzige Lösung wäre. Ich könne ihm doch jetzt nicht die Wahrheit erzählen und außerdem hielt ich es hier in gewisser Weise nicht mehr aus - auch wenn ich seine Nähe schon noch genoss.
 

Wir hatten das Gespräch beendet und Per hatte mir versichert, dass er zu Besuch kommen würde, wenn ich wieder in Bremen wäre. Um Piotr nicht noch länger warten zu lassen, machte ich mich tatsächlich fertig und ging zu ihm in die Küche, wo er gerade die Morgenpost durchstöberte.

Ich musste schmunzeln, als ich ihn so vertieft darin am Küchentisch vorfand. Er hatte mich nicht eintreten gehört oder aber er hatte es einfach ignoriert.

"Ähm", sprach ich ihn an und er hob den Kopf, blickte mich fragend an. Ich biss mir kurzzeitig auf die Lippen und suchte nach den richtigen Worten.

"Es ist was ganz blödes passiert", redete ich weiter und setzte mich ihm gegenüber an den Tisch. Er schaute mich schon ganz verwundert an und wollte wohl gerade fragen, was denn passiert sei, da kam ich ihm zuvor.

"Unser Trainer hat ganz plötzlich für heute Nachmittag ein Training angeordnet. Wahrscheinlich weil wir gestern nicht gewonnen haben oder so." Ich zuckte mit den Schultern. "Jedenfalls muss ich bald schon wieder los."
 

Piotr legte die Zeitung beiseite. Ich konnte seine Miene nicht deuten. Er blickte mich an und meinte dann, dass es schade sei, man aber wohl nichts daran ändern könnte. Ich nickte nur.

Unter der Tischplatte hatte ich die Hände verkrampft.

Ob es gut gewesen war, dass er mir gestern davon erzählt hatte? Was wäre wohl passiert, hätte er es nicht erwähnt und ich hätte ihm heute ganz nebenbei verraten, dass ich auf ihn stehen würde. Mir wurde übel bei dem Gedanken. Er hätte mich angeblickt, angeekelt, und mich rausgeschmissen, mir gesagt, ich solle mich nie wieder bei ihm melden.

Doch die jetzige Situation war wohl auch nicht besser.
 

"Und wann musst du los?", fragte mich Piotr und ich lehnte mich etwas nach hinten.

"Ich denke so gegen zwölf. Dann habe ich noch genug Zeit, vor dem Training zu mir zu fahren."

"Okay", meinte er. "Und was machen wir bis dahin?" Er lächelte. Ich versuchte nicht schwach zu werden. Jetzt bloß nichts falsches machen oder sagen, redete ich mir ein.

"Vielleicht draußen ein wenig kicken? Oder wir können auch noch die restliche Zeit gemütlich auf der Couch verbringen", sagte ich grinsend und bemerkte, wie Piotr etwas schmunzelte.

"Nach draußen gehen hört sich nicht schlecht an", meinte er dann und ich nickte.
 

Somit machten wir uns beide fertig und waren kurze Zeit später draußen vor dem Haus. Zum Glück wohnte Piotr nicht an einer gut befahrenen Straße, sondern in einer Nebenstraße, sodass wir ungehindert den mitgebrachten Ball umherkicken konnten. Wir passten uns das Runde gegenseitig zu, nahmen ihn an, spielten ein wenig damit. Obwohl wir das ganze Jahr über mit dem Fußball zu tun hatten, bekamen wir nie genug davon. Es war einfach entspannend, mit dem Ball rumzutüfteln, ohne dass man es mit Druck oder unter Anspannung tun musste.
 

Ich schaute Piotr zu, wie er den Ball mit dem Fuß annahm und ihn dann in die Luft beförderte. Als er wieder runter kam, stoppte er ihn mit dem Oberschenkel und hielt ihn dann für kurze Zeit da drauf.

Ich warf einen flüchtigen Blick auf meine Armbanduhr und seufzte innerlich auf.

Hin und her gerissen versuchte ich, meinen Kopf mit dem Fußball spielen abzulenken. Doch immer wieder erwischte ich mich dabei, wie ich darüber nachdachte doch noch zu bleiben. Es irgendwie zu wenden, dass ich doch nicht gehen musste. Doch zwischen Vernunft und Verlangen war der große Spalt namens Angst, der mir deutlich mitteilte, lieber fürs erste einen Rückzieher zu machen.
 

"Ich denke ich muss dann mal...", leitete ich meine Rückreise ein und stoppte den Ball mit der Schuhspitze.

"Ja", gab Piotr von sich und fischte seine Schlüssel aus der Hosentasche. "Holst du deine Sachen? Ich fahr schon mal das Auto runter." Und mit einer Handbewegung deutete er auf sein Auto, dass neben dem Hauseingang parkte.

"Sicher", meinte ich nur und flitzte dann durch die Wohnung, nachdem er mir aufgeschlossen hatte. Als ich meine Sachen zusammen hatte, warf ich noch einen letzten Blick durchs Wohnzimmer, atmete noch ein letztes Mal seinen Duft ein und speicherte alles genau ab. Wer weiß, wann ich das nächste Mal wieder hier sein würde?
 

Vorsichtig schloss ich die Tür hinter mir und warf kurz daraufhin meine Tasche auf die Rückbank des Autos, stieg dann selbst vorne ein. Piotr fuhr sofort los. Während der Fahrt redeten wir eigentlich nicht viel. Wir kamen auf die momentane Situation in der Bundesliga zu sprechen, sprich, wo sich unsere Clubs momentan in der Tabelle befanden. Und auf die kommenden Spiele, die wir beide gegen momentan eher nicht so gute Clubs spielen müssten.

"Also wenn wir da keine drei Punkte mit nach Hause nehmen, weiß ich auch nicht weiter", bemerkte Piotr grinsend und ich nickte.

"Aber man bemerke, dass ihr es schon des Öfteren geschafft habt, gegen schwache Gegner zu verlieren", versuchte ich ihn zu necken, doch er zuckte nur mit den Schultern.

"Ja leider."
 

Piotr stieg noch mit mir aus, begleitete mich bis zum Bahnsteig und vorher noch zu den Ticketautomaten.

"Echt schade, dass du schon gehen musst", sagte Piotr, während ich hoch zur Anzeigetafel blicke. Meine Bahn würde in einer Viertelstunde fahren. Gut, dass die Züge Richtung Bremen hier so regelmäßig fuhren.

"Mhm. Wäre gerne noch länger geblieben", meinte ich und blickte ihm ins Gesicht. Eine Lüge. Okay, eine halbe Lüge. Immerhin wollte ein Teil von mir gerne bei ihm bleiben. Ein Teil, der zum Glück nicht all zu dominant war.

Wir gingen die Treppen herunter zum Bahnsteig und ich warf flüchtig einen Blick in die dort stehende Bahn. Sie schien nicht all zu voll zu sein.

Ungefähr in der Mitte blieben wir vor einem Eingang stehen und ich ließ meine Tasche auf den Boden sinken.

"Ich glaub' ich suche mir schon mal einen Platz", nuschelte ich etwas und deutete hinter mich. Piotr verzog das Gesicht kurz zu einem Lächeln und hielt mir dann seine Hand hin. Ich schlug ein, drückte seinen kleinen Körper kurz gegen meinen und ließ ihn dann schnell wieder los.

"Bis dann. Wir schreiben uns sicher, oder?", fragte er und mimte dabei das Schreiben auf einer Tastatur nach.

"Klar", versicherte ich ihm, wobei ich mir nicht ganz sicher war, ob das schon bald oder erst in einiger Zeit sein würde.

"Also tschüß dann."
 

Ich nahm meine Tasche wieder auf, ging die paar Schritte bis in die Bahn, blickte dann wieder zurück.

Und er stand da wie bestellt und nicht abgeholt, sodass ich beinahe den Verstand verloren hätte und wieder ausgestiegen wäre, einfach wieder zurück zu ihm.

Doch ich verkrampfte meine Hände, schenkte ihm noch ein Lächeln und ging dann weiter rein, um einen freien Platz zu suchen.

Ich drehte mich nicht mehr zum Fenster, wusste also nicht, ob und wie lange er da noch stand oder ob er gleich wieder verschwunden war. Wollte es wahrscheinlich auch nicht wissen.

Nachdem ich einen freien Zweisitzer gefunden hatte, ließ ich mich am Fenster nieder und verfrachtete meine Tasche neben mich, kommunizierte so mit meiner Umwelt, dass ich keinen neben mir haben wollte.

Wie von selbst kramten meine Hände schon in der Tasche nach meinem IPod, sodass ich mir kurze Zeit später die Hörer in die Ohren stecken konnte. Die Musik stellte ich auf normale Lautstärke, sodass ich wenigstens noch den Chauffeur bemerken würde.
 

Die Minuten vergingen viel zu langsam. Mit dem Handy in der Hand beobachtete ich, wie sich alle sechzig Sekunden die Minutenanzeige um eins erhöhte. Irgendwann war die Bahn dann auch endlich losgefahren und ich hatte schwer geseufzt. Dann hatte ich Per geschrieben, dass ich so in einer Stunden da sein würde, und mich mit geschlossenen Augen zurück gelehnt, hatte meiner Musik gelauscht und den leisen Stimmen der anderen Passagiere.
 

Als ich bemerkte, dass es bald in den Bahnhof rein ging, packte ich meine Sachen zusammen und machte mich aufbruchbereit. Das Wetter hatte sich mittlerweile verändert. Zuvor beim Fußballspielen schien die Sonne, doch jetzt war der Himmel grau und man konnte erahnen, dass es heute noch Regen geben würde. Sollte mir egal sein. Ich würde den ganzen Tag zu Hause verbringen.
 

"Entschuldigung?", wurde ich mit einem Mal aus meinen Gedanken gerissen. "Können sie mir vielleicht helfen?"

Ich blickte auf und sah ein junges Mädchen - so um die zwanzig - im Gang stehen. Sie zeigte auf die Gepäckablage oberhalb der Sitze und meinte, sie bekomme ihren Koffer nicht herunter. Ich stand freundlich lächelnd auf und nahm den Koffer, der direkt über meiner Sitzreihe lag, hinunter. Sie bedankte sich vielmals und verabschiedete sich sogleich. Den Koffer hinter sich her ziehend verschwand sie Richtung Ausgang.
 

Ich schnappte mir meine Tasche und ging ihr schnell hinterher. Sie stand bereits vor der Zugtür, an einem Festhaltegriff gelehnt und tippte auf ihrem Handy herum. Grinsend stellte ich mich neben sie und sprach sie unverwandt an.

"Und wo geht's hin? Nach Hause?"

Erschrocken blickte sie auf und ich schmunzelte über ihren Gesichtsausdruck und die großen Augen, die sie machte. Dann verdrehte sie ihre braunen, wie ich bemerkte, Augen und blickte wieder auf das Gerät in ihren Händen.

"Nein, ich besuche eine Freundin hier in Bremen", erzählte sie mir dann und tippte bereits wieder vor sich hin. Ich schwieg erstmals, sah zu, wie sie das Handy bald wieder wegsteckte und mich dann ansah.

"Und Sie?"

"Du, bitte. Sonst fühle ich mich so alt", lachte ich und sie lächelte etwas. "Ich bin auf direktem Wege nach Hause."
 

Wir fuhren gerade in das Gleis ein und ich konnte schon förmlich die schöne Bremer Stadtluft riechen. Es tat gut, wieder hier zu sein. Obwohl ich nun wirklich nicht lange weg war. Dennoch fühlte es sich gleich wieder besser an, zu Hause zu sein. Viel sorgloser und befreiender.
 

Wir stiegen gemeinsam aus und ich dachte zuerst, dass sie sofort verschwinden würde, doch sie blieb ein paar Schritte von mir entfernt stehen und blickte mich erwartungsvoll an. Ich fragte mich, ob sie wusste, wer ich bin, ging dann auf sie zu.

"Darf ich deinen Namen erfahren?", fragte ich sie unvermittelt und sie schien keineswegs überrascht, geschweige denn genervt.

"Sarah. Und mit wem habe ich es zu tun?" Aha, da war die Antwort auf meine vorherige Frage.

"Clemens..", meinte ich, immer noch mit einem Grinsen auf den Lippen.

"Fritz", meinte sie plötzlich und schmunzelte etwas. "Dann hab ich wohl doch richtig gelegen. Tut mir Leid, ich interessiere mich nicht all zu sehr für Fußball."

Ein wenig Überrascht hob ich die Augenbrauen, antwortete ihr dann aber schulterzuckend. "Kein Problem, muss ja auch nicht sein. Und trotzdem weißt du meinen Namen?"

Sarah lachte kurz. Sie zeigte flüchtig auf ihren Koffer und meinte dann seufzend "Meine Freundin."

Und bevor ich nachfragen konnte, erklärte sie mir, dass ihre Freundin Fußballfan sei und von mir ein Poster bei sich hängen hätte. Daran konnte sie sich erinnern und so meinen Namen zuordnen.

"Ah, interessant", meinte ich fröhlich und bemerkte, wie sie ihr Handy wieder hervorkramte.

"Dürfte ich vielleicht ein Foto machen?", fragte sie dann und setzte einen fragenden Blick auf, dem man einfach nicht zurückweisen konnte.

"Sicher", meinte ich, setzte dann aber noch lachend etwas hinzu. "Wenn ich dafür deine Handynummer kriege?"

Völlig überrumpelt blickte sie mich an. Vielleicht kam es zu aufreißerisch rüber, das hatte ich nicht gewollt.

"Naja", versuchte ich mich rauszureden. "Ich finde man kann sich gut mit dir unterhalten..."

"Wieso nicht", meinte sie lächelnd und hielt dann ihr Handy hoch, um ein Foto von mir zu machen. Ich grinste mein typisches Grinsen. Sie drückte ab und speicherte es. Ich gab ihr noch ein Autogramm auf ihre Bahnkarte mit. Dann tauschten wir Nummern aus und ich fragte sie zu guter Letzt, woher sie denn komme.

"Hamburg", antwortete sie daraufhin nur, fast so, als wäre es doch selbstverständlich gewesen, weil die Bahn ja durch die Stadt an der Elbe gefahren ist.
 

Für einen Moment musste ich wieder an Piotr denken. Jedoch verbannte ich ihn sofort wieder aus meinen Gedanken und lächelte Sarah an.

"Nun gut. Ich denke deine Freundin wartet auf dich und ich muss auch langsam los."

"Ja stimmt", bemerkte sie und warf nebenbei einen Blick auf die Große Uhr hier in der Bahnhofshalle. "Man sieht sich... oder schreibt sie, wie auch immer."

"Klar", grinste ich und wir verabschiedeten uns. Dann verschwand sie und ich blieb für einen Moment noch auf dem Gleis stehen.
 

Seufzend sah ich das Braunhaarige Mädchen davongehen und haute mir mit der Flachen Hand gegen die Stirn.

"Was sollte das, du Idiot?"

Jetzt sprach ich schon wildfremde Mädchen an und tauschte mit denen Handynummern aus. Vollidiot. Einfach nur ein Vollidiot.

Verzweifelt ging auch ich los und verfluchte mich weiterhin. Jetzt dachte sie sicher, ich würde mich für sie interessieren, würde etwas mit ihr anfangen. Das würde bestimmt noch böse enden, wenn ich sie abweisen müsste. Super gemacht, Herr Fritz. Echt super.
 

(Flashback)
 

»Clemens! Hey, weilst du noch unter uns?«

Überrascht blickte ich Per an, der mit seiner Hand vor meinem Gesicht rumwedelte.

»Äh ja klar«, meinte ich daraufhin und setzte ein unschuldigen Blick auf.

»Hast du mir überhaupt zugehört?« Er blickte mich streng an. Ich hingegen nickte nur, schüttelte dann aber sofort den Kopf und blickte nun entschuldigend zurück.

Per seufzte. »Wo bist du mit deinen Gedanken?«

Ich stutzte. Das war eine berechtigte Frage.

Eben gerade noch hatte ich an einen gewissen Hamburger Mittelfeldspieler gedacht und war mit einem Mal ganz woanders gewesen.

»Sorry«, nuschelte ich entschuldigend und Per lächelte nur, um mir zu verstehen zu geben, dass es nicht so schlimm sei.

Wieso musste ich die ganze Zeit an Piotr denken, dass war doch nicht normal . Schon den ganzen Tag spuckte er in meinem Kopf herum und ich... ich konnte nichts dagegen tun.

Per hatte wieder angefangen, über irgendetwas zu erzählen und ich versuchte mich wenigstens ein bisschen darauf zu konzentrieren. Ich konnte ihm wohl kaum erklären, warum ich die ganze Zeit so abwesend war. Er würde mich für blöd erklären, immerhin wusste er noch nichts über mein Interesse am eigenen Geschlecht.

Männerherzen

Ein großes Augenpaar blickte mich unverständlich an. Ich blickte nur gleichgültig zurück.

"Du hast WAS?!", fragte Per mich entsetzt und lehnte sich weit zurück auf seinem Stuhl. Ich hingegen lehnte lässig an der Küchentheke und zuckte mit den Schultern.

"Ich hab mir ein Mädchen angelacht, na und? Was ist so schlimm daran?"

Auf einmal stand mein großer Freund auf und ging auf mich zu. Wäre da nicht ein Hindernis hinter mir gewesen, wäre ich wohl vor Schreck zurück gewichen.

"Wer bist du und was hast du mit Clemens gemacht?", fragte er mich, immer noch mit Entsetzen in der Stimme. Er blickte mich direkt an, stand ganz dicht vor mir.

Seufzend drehte ich den Kopf weg und fixierte eine der Kacheln an der Küchenwand.

"Der Clemens, den ich kenne, würde sich nicht einfach so ein Mädchen anlachen. Der Clemens, den ich kenne, schwärmt für einen bestimmten Hamburger Mittelfeldspieler. Der Clemens, den ich kenne,..."

"Ja, ist ja schon gut!", unterbrach ich Pers Wortschwall und blickte ihn wieder ins Gesicht. "Ich war nur so.. ich war einfach ein wenig neben der Spur. Und sie kam mir so sympathisch vor, nicht so wie die typischen Mädchen halt..."
 

Mein bester Freund ließ endlich wieder von mir ab und ging ein paar Schritte in der Küche umher. Ich folgte ihm unruhig mit den Augen, registrierte jede Bewegung die er machte, jeden Schritt, den er tat. Es vergingen Sekunden, dann Minuten. Und ich war Gedanklich schon wieder bei Piotr in Hamburg, ließ mir den gestrigen Abend noch mal durch den Kopf gehen.

Ich hatte mir wirklich ganz und gar den falschen Kerl ausgesucht. Falscher ging es gar nicht. Und doch wollte ich davon nichts wissen. Ich liebte ihn nun mal auf meine Art und Weise und das änderte auch nichts daran, dass er nie etwas für mich empfinden würde. Niemals. Absolut niemals...
 

"Clemens?", vernahm ich Pers besorgte Stimme und sah, wie er sich zu mir hinunter kniete. Ich war unbewusst an der Theke herunter gerutscht und saß mittlerweile auf dem kalten Küchenboden. Ich spürte, wie Per seine große Hand auf mein Knie legte, doch ansonsten war da nichts. Leere. Gähnende Leere.

"Alles okay", murmelte ich verwirrt, wusste nicht, was gerade mit mir geschah. Ich versuchte meinem Gegenüber in die Augen zu sehen und ihm zu zeigen, dass es mir gut ging. Doch das einzige was ich schaffte, war schwer zu schlucken und mir auf die Unterlippe zu beißen. Eindeutiger Beweis für einen unterdrückten Heulanfall.
 

"Verdammt!", fluchte ich und ballte meine rechte Hand zu einer Faust, schlug damit kurz und schmerzvoll gegen den Küchenschrank der Theke, an der ich lehnte. Am liebsten wollte ich mich in ein Loch verkriechen und nie wieder hervorkommen. Ich fühlte mich einfach miserabel. Und noch dazu war ich ein verfluchtes Weichei. Erst abhauen und dann auch noch rumflennen.

"Clemens", sprach mich Per wieder vorsichtig an und ich blickte ihn endlich an. "Komm, setzten wir uns lieber an den Tisch."

Er hielt mir helfend seine Hand hin, doch ich schlug sie unsanft weg und stemmte mich selbst vom Boden auf. Dann setzte ich mich auf einen der Küchenstühle und ließ meine Stirn auf die kühle Tischplatte fallen.

"Und nun?", fragte ich leise, jedoch eher mich als Per. Trotzdem stützte ich meine Arme auf den Küchentisch, die Finger an den Schläfen, und blickte meinen besten Freund an.

"Es bringt auf jeden Fall nichts, wenn du dich jetzt zurück ziehst. Du solltest ihm jetzt bloß nicht zeigen, dass etwas ist-..."

"Also soll ich so weitermachen wie bisher? Ich glaube kaum, dass ich das schaffe."

"Ich denke, das Beste wäre, ihm die Wahrheit zu sagen. Warte, hör erstmal zu", meinte er schnell, als ich gerade protestieren wollte. "Auf Grund dieser Erkenntnis werden sich deine Gefühle ihm gegenüber sicher nicht ändern und gerade deswegen solltest du ihm deine Gefühle mitteilen. Auf Dauer wird er nämlich sicher merken, dass was ist. Und du warst doch schon so knapp davor."
 

Er hatte Recht. Wie immer. Und er wusste, dass ich es wusste. Seufzend fuhr ich mir übers Gesicht. Wohl oder Übel musste ich den ahnungslosen Piotr nach einem Treffen fragen und ihm beichten, dass ich auf ihn stand. Ich sah jetzt schon sein angewidertes Gesicht vor mir.

"Also?", fragte Per, da ich ihm noch nicht meine Meinung zu seiner kleinen Rede mitgeteilt hatte.

"Okay. Ich denke du hast Recht... Ich sollte es ihm sagen."

"Super, dann wäre das geklärt", meinte Per mit einem Grinsen. Er beugte sich über den Tisch und klopfte mir einmal aufmunternd auf die Schulter. Dann ließ er seinen Blick zu der digitalen Uhr an meiner Mikrowelle wandern und ich wusste bereits, dass er jetzt wohl aufbrechen würde. Deshalb stand ich auf und er tat es mir gleich.
 

"Na dann sag ich wohl mal danke", nuschelte ich etwas und Per schüttelte nur leicht den Kopf.

"Ich habe ja nicht viel gemacht oder eher gesagt. Du kriegst das auf die Reihe. Und falls du wieder jemanden zum Reden brauchst, du weißt, wie du mich erreichen kannst." Er zwinkerte mir zu und ich grinste ihn zögerlich an. Dann begleitete ich ihn noch bis zur Tür und verabschiedete ihn mit einem aufgesetzt fröhlichem Gesicht. Doch sobald die Tür hinter dem Großen zugefallen war, verschwand auch das Grinsen von meinem Gesicht und ich verfiel wieder in Melancholie.
 

Ich schleppte mich in mein Schlafzimmer, um meine Sachen auszupacken. Ich hatte meine Tasche bei der Ankunft einfach nur in die Ecke geschmissen und mich erstmal erkundigt, wann Per hier auftauchen würde. Zum Glück war er dann auch fünf Minuten später aufgetaucht.

Ich sortierte den Inhalt meiner Tasche nach "Badezimmer" und "Schlafzimmer", wobei sich zwischendurch auch mal etwas Müll oder ähnliches für die Küche auffinden ließ. Gerade überlegte ich, ob ich Piotr per Mail nach einem Treffen fragen sollte, oder doch lieber per SMS, da fischte ich ein blau-schwarzes Trikot aus meinen Sachen. Ich hielt es mit ausgestreckten Armen von mir und betrachtete den Rücken, der in großen Lettern der Name "Trochowski" und die Nummer "15" beflockt war. Im nächsten Augenblick hatte ich den Stoff an mich gedrückt und die Nase darin vergraben. Nach ein paar Sekunden merkte ich dann, wie furchtbar kitschig das aussehen musste und so schmiss ich das Trikot schnell auf mein Bett und räumte meine restlichen Sachen weg.
 

Gelangweilt saß ich eine halbe Stunde später vor meinem Computer und checkte meine Mails. Bis auf etlichen Spam war eigentlich nichts interessantes aufzufinden.

Ich schloss gerade den Browser und führte den Mauszeiger zum Startmenü, um den Computer herunter zu fahren, da vibrierte es auf dem Wohnzimmertisch und ein kurzes Geräusch verriet mir, dass ich eine SMS erhalten hatte. Ohne mein Vorhaben zu beenden, sprang ich auf und sprintete auf das kleine Gerät zu, mit der Hoffung, dass es der dunkelhaarige Mittelfeldspieler aus Hamburg war.

Doch sobald ich den Absender lesen konnte, atmete ich enttäuscht aus und schmiss das Handy auf das nahe stehende Sofa, ohne mir den Inhalt der SMS durchgelesen zu haben. Schlürfend ging ich wieder zu meinem Rechner und fuhr ihn herunter, ließ mich dann auf dem Sofa nieder und griff erneut nach meinem Handy. Nach kurzem Tippen las ich mir durch, was Sarah, das Mädchen das ich heute erst kennen gelernt hatte, geschrieben hatte.
 

"Hey Clemens. Danke noch mal für das Autogramm. Meine Freundin hat sich sehr gefreut, jetzt noch jault sie mir die Ohren voll, wie neidisch sie auf mich ist. Hoffe du hast einen angenehmen Abend. Sarah."

Ein wenig musste ich grinsen, als ich fertig las. Dann überlegte ich, ob ich ihr zurück schreiben sollte, entschied mich dann dafür und tippte schnell die paar Wörter in die Antwort-SMS.

"Immer wieder gerne. Wünsche dir auch einen schönen Abend. Man schreibt sich. Clemens."
 

Das Handy wanderte zurück auf seinen Platz auf dem Wohnzimmertisch und ich lehnte mich weit zurück, legte meinen Kopf in den Nacken und starrte an die Zimmerdecke.

Ob ich ein einziges Mal schwach sein durfte? Mir war echt zum Heulen zumute und nichts konnte mir momentan die Laune verbessern, wirklich nichts. Stattdessen hob ich sachte meine Arme und fuhr mir ein paar Mal mit den Händen übers Gesicht. Dann blieben sie auf den Augen liegen und ich schloss diese, versuchte an nichts mehr zu denken. Was sich als äußerst schwierig heraus stellte

"Ich hab doch gar nichts getan...", nuschelte ich in die Stille meines Wohnzimmers hinein und fragte mich ehrlich, wieso ich so ein Pech hatte. Weshalb wurde ich so bestraft?
 

Völlig desinteressiert schaltete ich einige Minuten später meinen Fernseher ein und schaltete ein wenig durch die Kanäle. Ich konnte mich noch nie wirklich fürs Fernsehen interessieren. Ich war ein Typ Mensch, der sich immer aktiv beschäftigen musste. Vor der Mattscheibe hocken war einfach nichts für mich. Und trotzdem verschwendete ich in meiner Langeweile oft einige Zeit damit. Eben aus reiner Langeweile, weil mir zu diesem Zeitpunkt egal war, was ich tat, hauptsache ich war beschäftigt.
 

Den Rest des früh angebrochenen Abends verbrachte ich mit langweiligen Aktivitäten wie eben Fernsehen, Autorennen an der Konsole oder Socken sortieren. Letzteres war mal wieder nötig gewesen, denn die gewaschenen Socken sammelten sich immer in meiner Schublade und ich brauchte beim Anziehen immer ewig, um ein Paar herauszusuchen. Deshalb nahm ich mir vor, ab jetzt beim Wäsche abhängen immer gleich die passenden Paare zusammen zu legen.

Da meine Mannschaft und ich am nächsten Vormittag wirklich Training hatten - und nicht wie ich Piotr erzählt hatte an diesem Tag - ging ich relativ früh ins Bett. Meinen Wecker stellte ich auf halb zehn, damit ich pünktlich am Trainingsplatz ankommen würde und trotzdem morgens noch genug Zeit zum ausgiebigen Frühstück hatte.
 

In meinem Bett liegend konnte ich erst nicht einschlafen. Ich erinnerte mich, wie ich die Nacht zuvor auf Piotrs ausklappbarem Schlafsofa verbracht hatte. Ich hatte mich wohl dort gefühlt, trotz der Sache mit Piotrs ungewolltem Geständnis.

Meine Gefühle dem Jüngeren gegenüber waren echt erschreckend neu. In dieser Art und Weise habe ich vorher noch für keinen anderen Gefühle gehegt. Klar, ich hatte ein, zwei männliche Partner, doch da konnte ich nie von wirklicher Zufriedenheit, geschweige denn so etwas wie Liebe reden. Und obwohl ich nicht mir Piotr zusammen war, war es bei ihm ganz anders. Er war ein Mensch, der mich immer wieder überraschte, an dem es immer wieder neues zu entdecken gab. Seine offene und fröhliche Art musste man einfach gern haben und von seiner liebevollen Seite ganz zu schweigen.
 

Verträumt zog ich mir die weiche Bettdecke bis ans Kinn und blickte in die Dunkelheit hinein. Nur fade konnte ich die Umrisse meines Zimmers erkennen, da sich meine Augen schon etwas an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Ich schloss meine blauen Seen wieder und schlief kurze Zeit später mit den Gedanken an ein weiteres Treffen mit Piotr ein.
 

(Flashback)
 

»Also entweder Trotsche oder Adler, aber ich kann mir Letzteren nicht vorstellen...«

Mit großen, überraschten Augen starrte ich meinen besten Freund an. Beinahe wäre mir die Kinnlage hinunter geklappt, doch ich konnte es in letzter Sekunde noch verhindern.

»Hab ich Recht?«, fragte er mich grinsend und ich verengte die Augen zu Schlitzen. Was sollte ich nur darauf sagen?

»Jetzt sei mal nicht so...«, meinte er nächst und ich hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.

»Sag mir erst, wie du darauf kommst.«

Das Grinsen auf seinen Lippen war nicht verschwunden. Vielmehr wurde es nur noch breiter, wie es mir vor kam.

»Deine Blicke. Also ich habe Mal darauf geachtet, wen du so anschaust und da ist mir Trochowski aufgefallen. Jedoch hast du Adler auch mal ganz komisch angeguckt und dann war ich mir nicht mehr so sicher.«

Meiner Meinung nach hatte Per den falschen Beruf gewählt. Er hätte eindeutig in die Kriminalabteilung gepasst. Oder irgendetwas anderes, wo er einen guten Spürsinn brauchte. Denn er lag total richtig mit seiner Vermutung und das machte mir irgendwie Angst.

»Hm...«

»Also hab ich Recht?«, wollte er wissen und ich konnte es ihm wohl nicht mehr länger verheimlichen. Stattdessen nickte ich langsam und er streckte mir zwei Finger entgegen, rief aufgebracht »Sieg!«.

Kopfschüttelnd ließ ich ihm seine Freude und wartete auf weitere Vermutungen, immerhin hatte er ja noch nicht alles erraten.

Angelegenheiten

Komm schon, einfach drücken. Einfach nur auf diesen kleinen Knopf mit dem grünen Hörer drücken und nach ein paar Sekunden seine Stimme hören. Das war doch nicht schlimm. Da war nichts dabei.

Mit mir ringend lief ich kreuz und quer durch meine Wohnung, das Telefon in der Hand, die Nummer Piotrs auf dem Display. Es war jetzt bereits drei Tage her, dass ich bei ihm gewesen war und schon seit gestern wollte ich mich bei ihm gemeldet haben. Doch ich hatte mich einfach nicht dazu überwinden können. Und momentan war es die selbe Situation wie schon einige Male zuvor.
 

Die Nummer verschwand von dem Display und ich musste sie wieder neu in dem eingespeichertem Telefonbuch suchen. Dann hielt ich meinen Daumen wieder über die Anruftaste und holte tief Luft. Jetzt aber. Einfach drücken.
 

"Verdammt!", fluchte ich, schaffte es einfach nicht, war zu feige. Wütend auf mich selbst trat ich mit voller Wucht gegen mein Bett im Schlafzimmer, in dem ich gerade stand, und jaulte vor Schmerz auf. Ich kniff meine Augen zusammen, um vor Schmerz nicht umzukippen und merkte, wie ich mich kurz verkrampft hatte. Folge dessen war, dass ich aus versehen auf die Taste gekommen war. Schnell hielt ich mir den Hörer ans Ohr und lauschte. Es tutete bereits, zu spät um noch aufzulegen. Aufgeregt wartete ich, dass er abnahm, der Schmerz rückte in den Hintergrund.
 

Nach gefühlten hundert Mal Tuten legte ich auf. Super, da war der Kerl nicht zu Hause. Kurz vor einem Ausraster legte ich schnell das Telefon beiseite und ging in die Küche. Erstmal einen Schluck Wasser zur Beruhigung. Ich werde es einfach später wieder versuchen, redete ich mir ein und nickte mir aufmunternd zu. Das Pech klebte mir an diesen Tagen förmlich am Rücken und ließ mich nicht mehr los. Das Training wollte auch nicht mehr ganz so klappen. Ständig rief mir unser Trainer zu, ich solle mich mehr konzentrieren und keine Löcher in die Luft starren, da davon die gegnerischen Stürmer sicher nicht aufgehalten werden würden. Ich hatte stumm genickt und nur noch Augen für den Ball gehabt.
 

Ich nahm ein Klingeln wahr und stellte die Wasserflasche zurück auf den Küchentisch, sprintete - sofern es auf dieser kurzen Distanz ging - in mein Schlafzimmer und schnappte mir das Telefon von meinem Regal.

"Ja?", fragte ich aufgeregt, ohne vorher zu schauen, wer der Anrufer war.

"Hey Clemens. Ich bin zwar nicht Piotr, aber mein Name fängt auch mit P an, genügt das?", fragte die Stimme auf der anderen Seite und ich lachte auf.

"Klar doch. Was gibt's, Per?"

"Lust auf eine Runde Billard? Kam mir gerade so in den Sinn, haben wir doch schon länger nicht mehr gespielt."

"Hm", überlegte ich, wollte eigentlich Piotr nachher noch versuchen zu erreichen. Doch den Abend mit Per zu verbringen hörte sich auch nicht schlecht an. "Wieso nicht. Wann denn?"

"Na sobald du Lust hast", hörte ich ihn sagen und warf einen Blick auf meine Armbanduhr.

"Sagen wir gegen sechs? Dann habe ich noch eine halbe Stunde mich fertig zu machen und hin zu fahren."

"Okay, auch wenn du dich für mich nicht hübsch machen musst", meinte Per und ich sah sein breit grinsendes Gesicht förmlich vor mir.

"Jaja. Also bis später dann."

"Tschüß."
 

Ich legte auf und platzierte das Telefon wieder auf dem Regal vor mir. Von wegen hübsch machen. Ich musste mich nun mal ordentlich anziehen, denn ich hatte nicht vor, in Schlabberhose und weitem T-Shirt aus dem Haus zu gehen. Deshalb zog ich mir besagtes auch aus und eine Jeans und ein frisches Hemd an. Dann begab ich mich noch ins Badezimmer, schnappte mir mein Haargel und stylte mein Haar ein wenig. Zu guter Letzt noch ein paar Sprüher aus meinem Flakon und schon konnte es los gehen. Mit Schlüssen und Portemonai bewaffnet verließ ich die Wohnung und startete kurze Zeit später mein Auto. Die Fahrt führte mich zu Pers und meinem Lieblingslokal. Neben den paar Billardtischen konnte man dort auch Dart und andere Sachen spielen. Per und ich waren dort gerne gesehen, wir waren früher schon fast Stammkunden gewesen.
 

Zehn Minuten zu früh parkte ich mein Auto vor dem Lokal und blieb noch eine Weile sitzen. Fünf vor sechs tauchte Pers Auto auf und ich stieg aus, schloss mein Fahrzeug mit einem Druck auf den Autoschlüssel ab und ging zu Per hin.

"Hey", begrüßte ich den Großen, der gerade seine Fahrertür zudrückte.

"Na", kam es zurück und er grinste mich an. Ich erwiderte das Grinsen und wir begaben uns Richtung Eingang.

Die frühe Abendluft war recht kühl, aber trotzdem angenehm und ich nahm noch einen tiefen Atemzug, bevor es in das - zwar rauchfreie, jedoch gut besetzte - Lokal ging.
 

,_.,'*~*',._,
 

"Zweimal eine große Cola, hier bitte", lächelte die Kellnerin uns an und stellte zwei Gläser mit der dunklen Flüssigkeit auf den Steh-Tisch neben dem Billardtisch, an dem wir uns nieder gelassen hatten.

"Danke", lächelte Per zurück und sie verschwand wieder, jedoch nicht, ohne uns noch mal vorher zu mustern. Kichern widmete Per sich der weißen Kugel, die gerade zum Stehen gekommen war, nachdem ich sie mit einem kräftigen Stoßer gegen die anderen befördert hatte.
 

"Und? Willst du mir nichts neues von Trotsche erzählen?"

"Hä? Inwiefern?"

Ich sah Per dabei zu, wie er sich etwas nach vorne beugte und mit seinen Augen die weiße Kugel fixierte.

"Na ich hab gedacht du berichtest mir, wie du voran gekommen bist", erklärte er und stieß die Kugel an, sodass sie gegen eine weitere stieß und diese prompt in ein Loch kullerte.

"Ach... Ich dachte wir sind hier um uns zu amüsieren und nicht um über mein Liebesleben zu reden."

Er lachte auf und ich nahm es ihm nicht mal übel. Jedoch wollte ich ihn tatsächlich mal einen Abend nicht mit solchen Dingen zutexten, dass tat ich schon sonst oft genug. Obwohl, er hatte ja angefangen, indem er nachgefragt hat...

"Okay, aber wenn es was zu erzählen gibt, kannst' ruhig damit rausrücken... ah verdammt!", fluchte Per, nachdem er eine weitere Kugel mitsamt der weißen eingelocht hatte. Ich grinste und machte mich daran, die Kugel herauszuholen und wieder auf dem Tisch zu platzieren.
 

Billard war einfach super. Andere fanden diese Art von Beschäftigung sicher langweilig, aber ich nicht. Beim Billard musste man schon wirklich gut aufpassen und sein Köpfchen anstrengen, um auch einen ordentlichen Zug hinzukriegen. Sobald man auch nur einen Zentimeter falsch ansetzte, konnte die Kugel um einiges das Ziel verfehlen. Wie gesagt, ich mochte Billard.
 

Während ich an meiner Cola nippte und Per bei einem seiner Züge zuschaute, spürte ich plötzlich mein Handy in meiner Hosentasche vibrieren. Schnell hatte ich das Glas abgestellt. Das Gerät herausholend stellte ich auch den Stab beiseite und drückte dann den Knopf zum Annehmen.

"Ja?"

"Hey, hier ist Piotr."

"Oh, hey, warte mal einen Moment."

Ich nahm das Handy vom Ohr und blickte zu Per, der bereits mitbekommen hatte, dass ich angeklingelt worden war. Er formte mit dem Lippen ein stummes "Piotr?" und ich nickte. Da es mir hier drinnen zu laut zum Telefonieren war, deutete ich mir einem Nicken zu der Tür und Per machte eine einladende Geste mit der Hand, deutete so, dass ich ruhig raus gehen sollte. Ich lächelte ihm kurz zu und verschwand dann nach draußen. Dabei nahm ich wieder das Handy ans Ohr und sagte Piotr, dass ich nun reden könnte.
 

"Du hattest angerufen?", fragte er mich und ich erinnerte mich wieder daran, wie ich versucht hatte, mich zu überwinden, bei ihm anzurufen. Und als es dann endlich geklappt hatte - wenn auch aus Versehen - war er nicht da gewesen.

"Ja genau. Warst du weg?"

"Ja, ich war mit 'nem Freund unterwegs. Der hat sich ein neues Sofa gekauft."

"Ah. Wollte mich noch mal für letztens Entschuldigen, weil ich so plötzlich los musste."

"Ach, da konntest du doch nichts für..."

"Und fragen, ob wir den Tag nicht nachholen wollen?"

Er machte eine Pause. War das nun schlecht zu deuten? Gerade wollte ich noch etwas sagen, da kam er mir zuvor.

"Ja klar, wieso nicht. Hattest du schon was beabsichtigt, so Zeit und Ort mäßig?"

"Ich hätte mal wieder Lust, mir Hamburg ein wenig anzugucken. Vielleicht können wir uns ja irgendwo treffen und dann die Stadt unsicher machen?"

Ich spürte einen frischen Windhauch auf meinem Gesicht und genoss die Tatsache, dass ich noch ungehindert mit ihm plaudern konnte. Nach meinem Geständnis würde das sicher nicht mehr so sein. Ich hatte mich an die Hauswand gelehnt und lauschte seinem leisen Lachen auf meine Aussage hin.

"Super, dann ist das abgemacht. Und wann?"

"Wann hast du denn Trainingsfrei, oder zumindest nur vormittags Training?"

"Hm. Morgen hab ich Nachmittagstraining, aber übermorgen hätte ich Zeit."

Ich überlegte, wie war das bei uns mit den Trainingszeiten?

"Da kann ich leider nicht. Wie sieht's mit dem Tag darauf aus?"

"Da habe ich nur Vormittags Training. Also Freitag?"

"Ja genau, Freitag."

"Gut..."

"Jap... Naja, ich muss dann auch wieder... Per wartet auf mich", meinte ich fast schon nuschelnd und vielleicht mit ein wenig zu viel Traurigkeit in der Stimme. Aber das würde Piotr eh nicht heraushören.

"Oh, ja dann legen wir wohl lieber auf. Grüß ich schön von mir, ja?"

"Klar, werd ich machen. Dir noch einen schönen Abend."

"Danke, dir auch. Tschüss."

"Ciao."
 

Nach einem zufriedenen Nicken schob ich mein Handy zurück in meine Hosentasche und ging wieder in das Lokal hinein. Vom weiten sah ich Per, der an dem Billardtisch lehnend gerade seine Cola leer trank. Bei diesem Anblick machte ich einen Umweg zur Theke und bestellte uns zwei neue Getränke. Dann ging ich zu meinem großen Freund zurück, um ihm sogleich zu berichten, was anstand. Er würde mich sonst eh wieder ausquetschen. Solange, bis er jedes einzelne Wort wusste, das ich mit Piotr gewechselt hatte.
 

"Gute Idee mit dem Treffen in der Stadt. Ist ein neutraler Ort, da fühlst du dich sicher nicht so bedrängt."

"Und ich kann schnell abhauen, sobald ich es ihm gesagt habe", meinte ich auf Pers Kommentar hin und grinste ihn schief an. Er schüttelte nur den Kopf. "Wieso nicht? Besser als mir eine Schimpftirade oder so anhören zu müssen."

"Du glaubst doch nicht allen ernstes, dass er das machen würde? Da schätz du ihn falsch ein..."

"Nein, aber ich weiß nun mal nicht, wie er sich in solchen Situationen verhält. Jeder hat doch eine Seite, die sein Umfeld nicht unbedingt kennt, oder? Zum Beispiel hätte ich nicht gedacht, dass du so schlecht spielen kannst."

Ich lachte herzhaft. Tatsächlich war heute nicht Pers Tag. Schon zum zigsten Mal hintereinander hatte er keine seiner Kugeln eingelocht. Ich hingegen war schon fast fertig mit meinen.

"Haha, sehr witzig", nuschelte er und entfernte sich vom Tisch, sodass ich freie Bahn hatte.

Ich legte mich mit meinem Oberkörper etwas auf die Tischkante und legte meinen Stab an. Mit konzentriertem Blick und der Zungenspitze im Mundwinkel stieß ich die weiße Kugel an und schaute ihr dabei zu, wie sie losrollte. Das gewünschte Ziel traf sie zwar, jedoch kullerte dieses nicht dorthin, wo es sollte. Schulterzuckend wendete ich mich wieder Per zu, der nun an der Reihe war.
 

Der Abend war rasch vorbei und bald schon war es Zeit wieder aufzubrechen. Draußen war es bereits stockduster und Per und ich standen vor seinem Auto. Er hatte bereits die Fahrertür geöffnet und lehnte nun daran, blickte mich fröhlich an.

"Danke für den Abend", meinte ich an meinen besten Freund gewand und hielt ihm eine Hand zum Einschlagen hin. Er schüttelte nur schmunzelnd den Kopf, schlug ein und zog mich dann noch zu einer kurzen Umarmung zu ihm.

"Wir sehen uns morgen. Beim Training", waren seine letzten Worte und mit einem Winken stieg er ein. Ich verabschiedete mich, schloss seine Autotür und begab mich dann zu meinem Fahrzeug.
 

Leise Geräusche und Stimmen drangen noch vom Lokal in mein Ohr, bevor auch ich einstieg und vom Parkplatz fuhr. Die Nacht würde ich sicher besser schlafen können als zuvor.
 

(Flashback)
 

»Der Kleine unschuldige Trochowski also«, kicherte Per, während wir den Weg in die Kabinen einschlugen. Das heutige Training war beendet und Per hatte endlich was er wollte: Den Namen der Person, die ich mehr mochte als mir lieb war.

»Nun tu mal nicht so als wäre er ein kleines Kind«, meinte ich und boxte dem Großen leicht in die Seite.

»Aber er ist kleiner, jünger und... naja unerfahrener als du«, erwiderte Per breit grinsend und ich konnte nur den Kopf schütteln.

Er war echt einmalig. Da wusste er es endlich, hatte es durch Zufall erfahren, und nun machte er sich über mich lustig.

»Ist das so abwegig?«

»Kann ich nicht beurteilen«, meint Per schulterzuckend. »Ich steh' nicht auf Kerle. Obwohl... der Trotsche ist schon so ein süßer Fratz.«

Er lachte auf und ich blieb stehen. Genervt blickte ich ihn an, als er ebenfalls zum Stehen kam und sich fragend zu mir umdrehte.

»Mach nur so weiter und bald erzähle ich dir nie wieder etwas über mich und mein Privatleben.«

Überrascht sah ich ihn die Augenbrauen heben. Na, kapierte er endlich, dass ich bei diesem Thema keine Scherze verstand?

Abwehrend hob er die Hände und nuschelte ein »Sorry«. Ich schüttelte nur den Kopf und ging weiter, zog ihn automatisch am Ärmel mit, damit er dort keine Wurzeln schlagen musste.

»Und wehe du schaust ihn komisch an, wenn wir ihn das nächste Mal sehen!«

Wahrheiten

Leicht zitternd legte ich das Handy auf die Ablage vor mir. Die SMS, die ich zuvor gelesen hatte, brachte leider Gottes nichts. Ich würde den heutigen Tag sicher nicht überstehen. Ich atmete ein paar Mal tief durch.

"Viel Glück, du schaffst das schon. Versuch nicht all zu aufgeregt zu sein. Sei einfach du selbst. Per"

Seufzend zog ich den Schlüssel aus dem Auto, schnappte mir mein Handy wieder und verstaute beides in meiner Hosentasche, nachdem ich ausgestiegen war. Ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass ich noch ungefähr fünf Minuten hatte. Ich war mir sicher, dass er schon jetzt am Treffpunkt war. Doch ich sah keinen Grund darin, ebenfalls vorzeitig dort aufzutauchen. Ich genoss die letzten paar Momente, in denen ich ungeachtet an ihn denken konnte, ohne zu wissen, dass er die Wahrheit wusste.

Ich brauchte von meinem Auto aus vielleicht knapp eine Minute zum Treffpunkt, den wir zuvor per Mail abgemacht hatten. Deshalb ging ich auch erst los, als die letzte Minute kurz vor der vollen Stunde angebrochen war. Ich fühlte mich komisch. Die Leute um mich herum nahm ich überhaupt nicht wahr. Es war, als würde ich den Weg zu meinem Begräbnis einschlagen. Übertrieb ich? Oder konnte man es mir nicht übel nehmen, dass ich so aufgeregt und ängstlich zugleich war?
 

Von weitem sah ich ihn auf einer der Treppen sitzen. Den Blick hatte er auf das Wasser gerichtet. Ein tolles Bild gab er da ab. Ich hätte ihn ewig so beobachten können, doch ich zwang mich dazu, weiter zu gehen und ihn zu begrüßen, als wäre alles wie immer.

„Hey Piotr!"

Er drehte sich zu mir um und stand auf, er lächelte.

„Hey Clemens", begrüßte er mich und wir schlugen kurz ein. Er fragte mich wie die Fahrt hierher war und ich meinte nur sie sei ganz angenehm gewesen. Es war wenig Verkehr auf der Autobahn gewesen.

„Bist du schon lange hier?", erkundigte ich mich und deutete auf die Terrasse an der Alster auf der wir standen. Er schüttelte den Kopf.

„Vielleicht ein, zwei Minuten."

„Na dann."

Wir gingen los, einfach so drauf los. Ich hatte zwar gesagt, dass ich mir gerne Hamburg mal wieder ansehen wollte, doch ich hatte jetzt nicht vor Kilometer zu laufen. Wir unterhielten uns über den neuesten Klatsch und Tratsch, während wir an der Alster entlang gingen und das angenehme Wetter genossen. Nach einer Weile fragte Piotr ob wir einen Kaffee trinken gehen wollten und ich

stimmte zu. Wir suchten uns das nächstbeste Café und ließen uns dann an einem Tisch nieder.

Eine Angestellte nahm unsere Bestellung auf und verschwand dann sofort wieder. Da das Café nicht all zu voll war, kamen unsere Getränk auch bald an. Ich beobachtete Piotr wie er an seiner Tasse nippte, das heiße Getränke dann wieder abstellte.
 

„Nächsten Monat ist ja schon wieder Nationalmannschaft, oder?“, bemerkte ich zwischendurch und mein Gegenüber nickte.

„Ja, in den Niederlanden. Wird bestimmt interessant."

"Wenn ich mich nicht irre ist das letzte Freundschaftsspiel gegen die auch schon wieder einige Jahre her, oder?"

„Ja so einige glaub' ich auch", gab der Kleinere mir da Recht und meinte dann, dass wir uns sicher wieder auf einen zweikampfstarken Gegner gefasst machen sollten.
 

Ich war mir nicht sicher, ob Jogi Löw mich mitnehmen würde, doch ich spielte momentan eigentlich recht ansehnlich und beim letzten Spiel war ich auch dabei gewesen, wieso also nicht auch nächstes Mal? Ich hoffte es jedenfalls. So konnte ich wieder ungeachtet ein paar Tage mit Piotr verbringen. Aber um nicht wieder abzulenken: Da war immer noch etwas zu erledigen. Ich überlegte mir schon mal einen Ort, an dem ich blitzschnell verschwinden konnte, ohne dass er mir folgen konnte. Am besten direkt in der Menschenmenge.

„Hast du Lust gleich noch in die Europa-Passage zu gehen? Wollte noch nach einer neuen Hose Ausschau halten, mir ist letztens eine kaputt gegangen." Ich blickte ihn lieb an, sodass er gar nicht ablehnen konnte. Was natürlich eh nicht zu ihm gepasst hätte.

„Sicher. Können wir machen."

Uns so war es beschlossene Sache. Der Moment rückte immer näher und somit wurde auch ich immer nervöser.
 

Er wird dir schon nicht den Kopf abreißen, redete ich mir ein und war so langsam von meiner Aufgeregtheit genervt. Ging das überhaupt? Anscheinend ja schon.

Wir saßen noch gute zehn Minuten in dem gemütlichen Café mit der harmonischen Musik im Hintergrund und beschlossen dann, loszugehen. Wir gingen wieder eine Weile, bis die Einkaufspassage in Sicht kam und wir eintraten .
 

,_.,'*~*',._,
 

"Also ich kann mich irgendwie nicht entscheiden." Unentschlossen hielt ich zwei Hosen in der Hand, die ich beide schon anprobiert hatte. Die eine war eine normale, baue Jeans, die andere war eine dunkelblaue Stoffhose. Beide gefielen mir, beide saßen recht gut und angenehm.

"Ach weißt du...", fing Piotr neben mir an und beugte sich etwas zu mir. "Ich glaube die Jeans sieht ganz hübsch aus."

Ich schluckte schwer, nickte dann. "So im allgemeinen, oder meinst du an mir?" Ich guckte ihn nicht an, starrte auf das Stück Stoff in meinen Händen.

"Beides denke ich", lachte er etwas und zuckte dann aber mit den Schultern. "Aber ist deine Entscheidung."

"Weist du...", fing ich an und senkte meine Stimme. "...deine Meinung ist mir schon wichtig..."

"Clemens?", hörte ich ihn nächst fragen und blickte auf, sah in sein Gesicht. "Ist alles okay?"

Er runzelte die Stirn und ich biss mir auf die Lippe. Dann nickte ich, schüttelte dann aber sofort den Kopf. Jetzt oder nie.

"Ist es nicht. Ich bin eigentlich nicht hier um eine Hose zu kaufen."

Ich ließ die Arme sinken, die Hosen waren jetzt Nebensache. Ich wusste, dass uns keiner zuhören würde. Es waren keine anderen Kunden in der Nähe und ich sprach leise genug, so konnte keiner lauschen.

Verwirrt schaute Piotr mich an.

„Weißt du, da gibt es etwas, was ich dir schon lange sagen wollte.“ Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer werden würde, die richtigen Worte zu finden. Doch ich konnte nicht mehr zurück, und einen Rückzieher zu machen, dafür war es zu spät. „Du wirst mich wahrscheinlich für komplett bescheuert halten, aber ich quäle mich schon etwas länger damit herum und ich dachte es wäre angebracht dir die Wahrheit zu sagen.“

Ich ließ ihn nicht mal zu Wort kommen. Fragend und verwirrt hatte er leicht die Lippen geöffnet, wollte etwas sagen, mich jedoch auch nicht unterbrechen. Bei dem Anblick musste ich lächeln und kam mir gleichzeitig furchtbar elend vor.
 

„Ich bin schwul und...“ Ich schluckte. „... ich habe mich in dich verliebt.“

Für ein paar kurze Sekunden hatte ich die Augen zusammengekniffen, öffnete sie dann jedoch wieder und blickte Piotr an. Seine braunen Augen starrten mich an, ich konnte nicht definieren, was sie ausdrückten. Überraschtheit? Oder doch Ekel?

Sag doch was, irgendwas, flehte ich innerlich und kaute unruhig auf meiner Unterlippe herum.

Dann endlich gab Piotr etwas von sich. “Das... Also... Tut mir Leid, das muss ich erstmal verdauen...“

Er drehte sich um, ging ein paar Schritte. Ich hielt die Luft an, war nicht fähig mich zu bewegen. Ich fühlte mich eingeengt. Und ausgepowert. Als hätte ich gerade einen 100-Meter-Sprint zurückgelegt. Mein Blick wanderte unsicher von Piotrs Rücken zu den Hosen in meiner Hand, dann wieder zurück zu dem kleinen Mittelfeldspieler. Ich schloss meine Augen und als ich sie wieder geöffnet hatte, Piotr sich nicht wieder zu mir gedreht hatte, war mir eines klar: Er brauchte Zeit, ich brauchte Zeit. Ohne es wirklich zu realisieren, hatte ich die Hosen auf den Ständer neben mir gelegt und hatte auf dem Absatz kehrt gemacht. War einfach losgegangen. Raus aus dem Laden. Weg von Piotr, weg von diesem dunkelhaarigen Typen, der mich um den Verstand brachte und mir das Leben schwer macht, ohne es wirklich zu bemerken.
 

Mitten in der Einkaufsstraße blieb ich nach einer Weile stehen. Vor mir erstreckte sich ein Adidas-Store, doch ich war nun wirklich nicht in der Stimmung shoppen zu gehen. Gerade überlegte ich, wie ich zurück zu meinem Auto kam – ich war zuvor einfach drauf los gegangen – da vibrierte es in meiner Hosentasche und ich griff schnell nach meinem Handy. Der Name Piotrs blinkte mir entgegen und ich seufzte.

Im Nachhinein hätte ich vielleicht doch annehmen sollen, doch ich hatte in dem Moment einfach nicht den Mumm dafür. Ich wollte einfach nicht wissen, was er von dem ganzen hielt – noch nicht. Er könnte mir so vieles an den Kopf werfen. Was der ganze Scheiß sollte, ob ich ihn verarschen würde, oder wer weiß was. Kopfschütteln wollte ich gerade mein Handy wieder zurück stecken, da kam mir eine Idee und ich suchte eine bestimmte Nummer im Telefonbuch, drückte dann auf den Hörer zum anrufen.
 

"Bitte sag mir, dass du gerade nichts zu tun hast", sagte ich hoffnungsvoll, nachdem sich die Person in der Leitung gemeldet hatte.

"Äh...", kam es nur zurück und ich versuchte nebenbei den Weg zurück zu meinem Auto zu finden. All zu schwer konnte das ja nicht sein. "... oh, Clemens?"

"Ja, genau der. Also? Wie lautet die Antwort?"

"Nun, ich bin gerade auf dem Weg nach Hause. Aber etwas vor habe ich eigentlich nicht mehr. Wieso denn?", fragte mich die helle Frauenstimme und ich atmete erleichtert aus. Einerseits wegen ihrer Antwort, andererseits weil ich bemerkte, dass ich auf dem richtigen Weg war.

"Super. Hast du Lust was zu unternehmen? Bin gerade in Hamburg und habe nichts zu tun."

Sie schwieg einen Moment und ich überlegte, ob es zu aufdringlich klang. Ich kannte Sarah nun wirklich noch nicht lange und auch nicht gut, und jetzt tat ich so, als wären wir die besten Freunde.

"Naja... Hört sich ja verlockend an, das Problem ist, dass ich zu Hause bleiben muss, das ich auf unseren Hund aufpassen muss...", erklärte sie mir ruhig und ich biss mir auf die Lippe.

"Wäre wohl zu viel verlangt, dass ich dein Haus mal besichtigen dürfte, oder?" Okay, das war eindeutig zu aufdringlich, doch in diesem Moment war mir alles egal. Ich wollte einfach nur abgelenkt werden und da war dies einfach die beste Möglichkeit.

"Hm, nein, eigentlich nicht. Wenn du das wirklich möchtest. Ich wohne jedoch nicht sehr besonders, also gibt's da nichts zu besichtigen."

Überwältigt von ihrer offenen Art stammelte ich ein "egal" und ließ mir dann ihre Adresse geben. Dann legten wir kurze Zeit später auch schon auf und ich erreichte mein Fahrzeug, welches ich auch sogleich aufschloss und drinnen Platz nahm. Leute gab es... Sarah war wirklich eine interessante Person. Dass sie so einfach ja gesagt hatte, wunderte mich doch etwas. Aber vielleicht war sie auch ein guter Menschenkenner und wusste, dass ich nichts böses wollte.
 

Ich fuhr auf die Hauptstraße und ließ mein Navigationsgerät die Route zu der angegebenen Straße suchen. Es war ein ganzes Stück zu ihr nach Hause, doch ich hatte alle Zeit der Welt. Nun ja, ich hatte den ganzen Tag Zeit, sagen wir es mal so.

Während ich so vor mich hin fuhr, überlegte ich, was ich zu Sarah sagen könnte. Eine Entschuldigung wäre wohl angebracht, da ich sie ja wirklich überrumpelt hatte. Mein Blick fiel auf einen Laden ein paar Meter vor mir auf der rechten Straßenseite. In der letzten Sekunde wechselte ich die Fahrbahn, erntete ein genervtes Hupen, und parkte Sekunden später am Straßenrand.



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