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Von Pausen und Proberaumgesprächen

OS-Sammlung
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Von Dächern und Unterhosen


 

| von dächern und unterhosen |
 

»Vielleicht trägt er das Ding auch, weil Rukis Füße so stinken.«

»Oder weil du tierischen Mundgeruch hast.«

»Aber Uruhas neues Parfüm könnte auch der Grund sein.«

»Er trägt das Teil aber schon seit Jahren.«

»Stimmt.« Grinsend beobachtete Aoi, wie Reitas Augenbrauen sich mit jedem Satz immer weiter zusammenzogen.

Es war gerade Pause, Kai und er saßen auf dem Boden vor dem kleinen Tisch, auf welchen mehrere Hefter lagen, in denen der Leader herumblätterte. Für Aois Geschmack führten sie beide gerade ein spannendes Gespräch über furchtbar wichtige Dinge – das Nasenband –, der Drummer hingegen versuchte einen Zettel zu finden, auf dem irgendwelche wichtigen Termine standen, wie er vorhin erzählt hatte. Aber bei Kais Gedächtnis konnte das sowieso noch eine Weile dauern.

Reita saß entspannt auf dem Sofa gegenüber und hatte die Augen geschlossen. Theoretisch hätte man annehmen können, dass er schlief, wäre da nicht die Sache mit den Augenbrauen gewesen, ein deutliches Indiz dafür, dass er lauschte. Ein Grund mehr, noch einen draufzusetzen: »Es könnte natürlich auch an ihm selbst liegen, bestimmt duscht er nur an Weihnachten.«

»Dann ist es ja bald wieder so weit«, murmelte Kai abwesend und wühlte einen Zettel hervor, den er aufmerksam las. Oder es zumindest versuchte.

»Also trägt er das Nasenband, um seinen eigenen Körpergeruch nicht riechen zu müssen.«

»Vielleicht trage ich es auch, um Idioten wie dich nicht sehen zu müssen«, brummte der Bassist und zog sich das Band demonstrativ nach oben über die Augen.

»Kai, er will uns nicht mehr sehen.«

Keine Antwort.

Aoi löste den Blick von Reitas Augenbrauen, die schon fast eine durchgehende, gezackt-wütende Linie bildeten, und schaute zu Kai, der den soeben gefundenen Zettel wieder weglegte und weitersuchte, ihn nicht mal beachtete. Und so was nannte sich ›kreative Pause‹! Einer pennte auf dem Sofa, zwei waren im Gebäude unterwegs und holten Kaffee und der vierte suchte nach … ach, das war unwichtig, er fand es sowieso nicht. Und er durfte sich hier selbst unterhalten! Da mussten wohl härtere Geschütze aufgefahren werden, um nicht an Langeweile sterben zu müssen.

»Komm schon, Kai, spielen wir das Entscheide-dich-Spiel!«

»Hm.« Geräuschvolles Blättern.

»Okay, ich fange dann mal an. Also, würdest du lieber Ruki die Zehennägel abkauen oder Reitas Unterhose anziehen, wenn er sie kurz vorm Duschen ablegt?«

»Hm.«

»Na?«

»Hm.«

»Was meinst du, dreht er sie nach dem Duschen auf links und trägt sie noch ein Jahr?«

»Hm.«

»Halt die Klappe, Aoi«, kam es von gegenüber.

»Nach einem Jahr in Gebrauch hat sie bestimmt schon die Form von Reitas flachem Hintern angenommen«, kicherte der Schwarzhaarige und wich dem fliegenden Kissen aus, das ihn aus Richtung des Sofas angriff.

»Hm.«

»Mensch, Kai!«, begann er und verschränkte die Arme. »Gib es doch auf, es fällt dir doch sowieso erst wieder am Ende der Probe ein, wo der blöde Zettel ist.«

Angesprochener sah ihn verwirrt an. »Welcher Zettel?«

»Den, den du suchst vielleicht?«

»Oh.«

Nun ja. Es sei dem Herrn Leader vergeben, schließlich war ja allgemein bekannt, dass dessen Hippocampus nicht immer korrekt arbeitete. Schon erstaunlich, dass dieses Erinnerungszentrum im Gehirn aussah wie ein Seepferdchen – genau genommen waren es ja sogar zwei –, aber er wich ja völlig vom Thema ab. Ob Kais Problem sich nun auf das Langzeit- oder Kurzzeitgedächtnis bezog, wusste niemand, nicht mal er selbst, vermutlich hatte er es vergessen oder es waren einfach beide. Also standen seine Hoffnungen auch gut, dass Kai vergessen haben könnte, dass dieser nicht zum Plaudern aufgelegt war, wie er am Anfang der Pause noch erklärt hatte. Na dann, auf zu Runde zwei! Oder drei? Egal.

»Sag mal, Kai, was ist eigentlich das Schlimmste, was du dir vorstellen kannst?«, fragte er neugierig und betrachtete fasziniert diese steile Falte, die sich gerade auf der Stirn des Leaders bildete.

»Dass du wieder deine tratschsüchtigen Minuten hast, und das ausgerechnet in unserer einzigen Pause, die ich mehr oder weniger allein mit dir verbringen muss.«

Verdattert sah Aoi ihn an. So einen langen Satz hätte er gar nicht erwartet. Aber irgendwie gefiel ihm die Antwort nicht. »Hm, und das Allerschlimmste?«

Die Falte war inzwischen so ausgeprägt, dass er einen Schatten darunter erkennen konnte.

»Aoi«, sagte Kai bemüht ruhig und sah ihn an.

»Hm?«

»Ich arbeite.«

»Aber wir haben doch Pause.«

Der Brünette seufzte einmal laut und wandte sich wieder zu seinem Hefter-Haufen.

Aoi warf einen Blick auf die Uhr. Nur noch fünf Minuten, dann war die Pause um und sie machten weiter. Versuchte er halt, so lange still zu sein, so wie Kai es wollte. Dann würde er ihm eben nicht sagen, dass der gesuchte Zettel direkt neben ihnen lag.

Der Schwarzhaarige lehnte sich zurück, bis sein Rücken den Holzboden berührte, verschränkte die Arme unter dem Kopf. Nichts gegen Pausen, aber die waren immer so unglaublich langweilig. Entweder schliefen alle oder verschwanden einfach. Bis vor ein paar Tagen war er immer statt Ruki mit Uruha Kaffee holen gegangen, aber er durfte nicht mehr mit. Er redete zu viel. Uruha hatte ja bekanntlich seine eigene, langsame Dimension, das ging ihm alles zu schnell, wenn Aoi ihm etwas erzählen wollte. Der andere Gitarrist erschreckte sich ja sogar, wenn sie nach einer halben Stunde im Schleichtempo endlich unten angekommen waren und plötzlich vor dem Kaffeeautomaten standen. Zu dem Zeitpunkt war er gedanklich meistens noch an dem Punkt, an welchem Kai ihm aufgetragen hatte, endlich seine Gitarre anzuschließen und nicht mehr regungslos in der Tür zu stehen. Aber genau wegen dieser Eigenschaft war Uruha der perfekte Gesprächspartner, da hatte man wenigstens mal genug Zeit, alles loszuwerden, was einem so auf der Seele lag, ohne dass man unterbrochen wurde. Auch wenn der Andere nur die Hälfte mitbekam. Na gut, vielleicht war Reita doch der bessere Zuhörer, der hörte ihm wirklich immer bis zum Ende zu und gab dann sogar eine – wenn auch schlecht gelaunte – Antwort zurück. Er war halt ein Brummbär.

»Sag nicht, der Zettel lag die ganze Zeit hier«, stöhnte Kai auf einmal. Da hatte wohl jemand einen Blick neben sich geworfen.

Aoi grinste. »Dann sag ich es nicht.«

»Okay, du Nervensäge, dann unterhalte ich mich eben mit dir, bis die anderen wieder hier sind.«

Das klang zwar weder motiviert noch freundlich, mehr resigniert, aber Aoi wusste, dass der Leader das gar nicht so meinte. Dafür sprach auch das Lächeln, das er sah, als er sich wieder aufsetzte und Kai anschaute.

»Was ist denn jetzt das Schlimmste, was du dir vorstellen kannst?«, fragte er noch einmal.

Das Lächeln wurde wärmer. »Dass du irgendwann mal auf uns hörst und nichts mehr sagst.«

»Kai! Sag das nicht!«, warf Reita vom Sofa aus ein. »Er wird nie wieder aufhören, zu reden!«

»Na und?«

Der Blonde ließ stöhnend seinen Kopf auf die Lehne hinter sich fallen und gab damit den Startschuss.

»Kai, du bist wirklich viel netter als der da. Vielleicht ziehe ich doch lieber zu dir.«

»Mach das. Dann können wir den ganzen Tag über Reita herziehen.«

»Und du kannst auch kochen. Noch ein Pluspunkt.«

»Ganz genau.«

»Und du verteilst deine dreckige Wäsche nicht in der ganzen Wohnung. Du glaubst ja nicht, wo ich letztens eine Unterhose gefunden habe!«

»Wo denn?«

»Im Wäschekorb!«

»Nein?!«

»Doch! Er hat ihn endlich gefunden! Wahrscheinlich ist es die vom letzten Weihnachten.«

»Mann, ist ja gut! Ja, ich mag es, Aoi zuzuhören, es gibt doch nichts Schöneres, als dass er uns die Ohren wegblubbert!«, knurrte es genervt vom Sofa.

Kai und Aoi grinsten sich an. Es gab doch nichts Besseres, als den Blonden auf die Palme zu treiben. Er kräuselte dann immer so komisch die Nase, und da er das Nasenband auf den Augen hatte, konnte man es sehr gut sehen. Aber noch hatte der Schwarzhaarige sein Ziel nicht erreicht.

»Kai, weißt du, was ich mir schlimm vorstelle?«

»Was denn?«

»Reita im Rüschenkleidchen.«

Sie lachten grunzend los und schlugen sich vergnügt auf die Schenkel. Bis der Leader wieder ernst wurde. »Das habe ich aber schon mal gesehen.«

Aoi sah ihn perplex an. »Was?«

»Ja, das war vor einigen Jahren. Er hatte irgendwas mit Miyavi gewettet und verloren, und der Wetteinsatz war dann halt, dass Reita sich ein kurzes Rüschenkleid anziehen musste.«

»Echt?«

»Ja, aber das war noch nicht alles. Er musste sich damit auf das Dach von der Company stellen, an den Rand Richtung Innenhof, wo die Manager immer rauchen, und dann ›Gimme gimme gimme a man after midnight‹ singen.«

Jetzt gab es kein Halten mehr. Aoi kugelte lachend über den Boden. »Haha! Warum … Warum war ich da nicht dabei? Haaahaha!«

»Du warst mit Uruha bei einem Interview«, erklärte Kai grinsend.

Tödliche Blicken schossen auf sie nieder. »Das war überhaupt nicht komisch!«

»Doch! Oh, ich wäre so gerne dabei gewesen!« Aoi atmete tief durch und wischte sich die Lachtränen weg. »Gibt es davon Fotos?«

»Nein!«

»Aber ein Video!«

Reitas Augen schienen Kai erstechen zu wollen. »Das habe ich, also wird niemand es je zu Gesicht bekommen!«

»Du hast es aufgehoben? Hat es dir etwa doch gefallen?«, fragte Aoi grinsend.

Reita wollte gerade zu einer gepfefferten Antwort ansetzen, als die Tür aufging und die beiden anderen wieder reinkamen und erkalteten Kaffee verteilten.

»Aoi, nächstes Mal gehst du wieder mit Uruha, der ist viel zu langsam!«, beschwerte sich Ruki und starrte missmutig auf seinen Becher.

Kai klatschte in die Hände. »So, da die Pause bereits um zehn Minuten überzogen ist und der Kaffee sowieso kalt, schlage ich vor, wir machen dann weiter.« Er stand auf und ging hinüber in den anderen Raum, in welchem ihre Instrumente standen. Auch Ruki und Uruha folgten, der Kleine mit mürrischen Gesichtsausdruck und Uruha verwirrt, dass sie gar keine Pause gehabt hatten.

»Du legst es wirklich drauf an, oder?«, raunte plötzlich eine strenge Stimme in Aois Ohr.

Der Schwarzhaarige grinste und drehte sich zu Reita, der direkt hinter ihm hockte.

»Ich muss dir wohl etwas deutlicher beibringen, dass du nicht so über mich reden solltest.«

Aoi nickte. Ziel erreicht.

Der Andere strich ihm sanft eine übriggebliebene Lachträne von der Wange, küsste ihn und biss hart in seine Lippe. »Wie sollst du mir antworten?«

Aoi schlug die Augen nieder. »Ja, Herr.«

»Brav.« Reita nickte zufrieden. »Dann komm, bevor die anderen noch misstrauisch werden.«

Von Geschwindigkeit und Langeweile


 

| von geschwindigkeit und langeweile |
 

Aoi konnte wirklich nicht verstehen, was andere so sehr an Pausen mochten. Wirklich nicht. Lieber würde er alle kleinen Pausen durchmachen und dafür am Ende eine Stunde eher gehen, als ständig fünfzehn Minuten zu warten, dass die anderen sich erholt hatten. Von was auch immer. So eine Probe artete eher selten in wirkliche Arbeit aus, dazu mussten alle wirklich einen richtig guten Tag haben. Und das geschah selten. Ruki hatte sowieso ständig schlechte Laune und meckerte an allen herum, weil er meinte, den Leader raushängen lassen zu müssen, ihr eigentlicher Leader suchte stundenlang nach allem, meistens nach Drumsticks oder wichtigen Unterlagen, manchmal auch nach dem Schlüssel, um sie überhaupt reinzulassen morgens. Reita war eh ein ganz fauler Sack und Uruha war zu langsam, um in der Zeit irgendwas zu schaffen, was produktives Arbeiten ausmachte. Kein Wunder also, dass sie ständig einen Rüffel vom Manager bekamen, endlich mal was zu tun, anstatt nur herumzusitzen. Was sie dann meistens nachts taten. Überstunden waren auch noch so etwas, das er nicht ausstehen konnte, aber leider mussten sie sich an die Termine halten, und nachts war dann meist auch in Uruhas Hirn angekommen, dass sie proben wollten oder noch einen Song zu besprechen hatten.

Gelangweilt blickte er die Decke an, die weit über ihm war. Er lag auf dem Boden, die Füße unter den niedrigen Tisch gestreckt, an welchem Kai kniete und mal wieder etwas suchte. Heute waren Reita und Ruki dazu verdonnert worden, Kaffee zu holen, damit wenigstens einmal das Getränk noch warm und trinkbar war, bevor sie ›weitermachen‹ mussten. Meistens gingen er und Uruha, aber der Andere war zu langsam und er redete zu viel. Dabei schwieg er schon mindestens seit fünf Minuten! Und bestimmt würde er das auch die restlichen zehn schaffen!

Aoi schob seine Arme unter den Rücken, stemmte sich ein wenig hoch, um mit überstrecktem Kopf einen Blick hinter sich werfen zu können. Von hier aus konnte man in den Nebenraum gucken, dessen Tür offenstand und in welchem sie probten. Und man konnte Uruha sehen. Der Leadgitarrist stand wie versteinert neben seinem Verstärker und schien – für Unwissende – auf etwas zu warten. In Wirklichkeit arbeitete sein Gehirn gerade auf Hochtouren, versuchte zu verstehen, warum es so ruhig war, zu realisieren, dass sie Pause hatten und dass alle anderen nicht mehr im Raum waren. Anscheinend hatte niemand den Anderen vorhin an die Hand genommen und auf das Sofa hier am Tisch gesetzt. Egal, der würde schon noch früh genug merken, dass er mal wieder dabei war, die Pause zu verpassen, wenigstens hatte er kapiert, dass die Probe bereits begonnen hatte. Obwohl sich Aoi schon fragte, wie Uruha das machte, dass er während eines Lives – und auch während den Proben – perfekt die Einsätze schaffte und den richtigen Song spielte und nicht noch bei dem davor war. Uruha war ein erstaunliches Wesen, sein Unterbewusstsein schien die wichtigen Dinge herausfiltern zu können – wie ihre Musik – und dafür die Langsamkeit an anderen Stellen auszugleichen. So wie am Anfang einer Probe, wenn der Andere minutenlang in der Tür stand und sich wunderte, dass die Bahn direkt vor seinem Proberaum gehalten haben musste, obwohl die Station doch eigentlich ein paar Gehminuten entfernt war. Uruhas Leben musste toll sein, jeden Tag neue Überraschungen und Wunder.

Erschrocken zuckte Aoi zusammen, als der Andere plötzlich den Kopf drehte und ihn direkt ansah. Das war manchmal wirklich gruselig, wenn Uruha doch mal bemerkte, dass man ihn anstarrte.

»Aoi, lass ihn. Du weißt, dass er es nicht mag, wenn man ihn anguckt«, meinte Kai neben ihm. »Sag nicht, du hast schon wieder Langeweile.«

»Warum machen wir auch dauernd Pause?«

»Was heißt hier dauernd?«

»Vormittagspause, Frühstückspause, zweite Frühstückspause, Mittagspause, Nachmittagspause, zweite Nachmittagspause, …«

»Ja, ist ja gut! Aber sieh es mal aus Ruhas Sicht, in seiner Welt machen wir nie Pause.«

»Der Glückliche …«, seufzte Aoi und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf, beobachtete nun den Leader, der noch immer in einem Haufen herumwühlte und die Zusammenfassung mit allen Terminen suchte, wie er vorhin gesagt hatte. Was er vermutlich schon wieder vergessen hatte, aber, wie Kai immer sagte, wenn man erst mal suchte, dann erinnerte man sich auch wieder daran. Zumindest alle anderen. Irgendwie passten Kai und Uruha wirklich gut zusammen.

»Aoi, warum suchst du dir keine Beschäftigung für die Pausen? Ein Buch oder so.«

»Dafür sind die auch wieder zu kurz.«

»Dir kann man es wirklich nie recht machen …« Der Drummer widmete sich wieder seiner Suche, bis er den Blick bemerkte, der sich in seine Seite bohrte, weshalb er wieder zu Aoi sah. »Was ist denn?«

»Du könntest ja mit mir reden, dann vergeht die Zeit schneller«, schlug der Schwarzhaarige grinsend vor.

»Nächstes Mal geh ich Kaffee holen …«, seufzte Kai. »Wir reden doch die ganze Zeit. Und du hältst mich von der Arbeit ab. Wie immer.«

»In der Pause soll man auch nicht arbeiten, sagst du immer.«

»Aoi, ich muss den wirklich finden.«

»Wenn du ihn findest, beschäftigst du mich aber, oder?«

»Wenn es sein muss …«

»Hier!« Strahlend reichte Aoi ihm den gesuchten Zettel, der die ganze Zeit hinter Kai auf dem Boden gelegen hatte.

Ein strenger Leader-Blick traf ihn. »Hast du den da hingelegt?«

»Nein, du vorhin, als du ihn das zweite Mal gefunden hattest.«

Stöhnend raufte Kai sich die Haare, atmete tief durch und quetschte sich dann ein schiefes Lächeln aufs Gesicht. »Gut, du Nervbolzen.« Er setzte sich gemütlicher hin, drehte sich zu Aoi, der ihn von unten herauf schelmisch angrinste. »Dann red mal los.«

Aois Grinsen reichte schon fast bis zu den Ohren. »Kai, hab ich dir schon mal gesagt, dass ich dich ganz doll mag?«

»Nein, aber du könntest es mir ruhig jeden Morgen sagen und dabei vor mir niederknien.«

»Du bist doch nicht Reita!«

»Nervst du den auch so viel?«

»Nur wenn er mich ignoriert.«

»Also immer.«

»Hey!« Empört kniff der Schwarzhaarige den Drummer ins Bein. Aber dann viel ihm etwas ein, was er schon immer mal wissen wollte. »Kai, darf ich dich was fragen?«

»Kommt drauf an.«

»Hey, warum sitzt ihr hier?« Plötzlich schlurfte Uruha in den Raum, ließ sich auf das Sofa plumpsen und starrte sie an.

»Ist Uruha im Bett eigentlich auch so langsam? Er ist doch der Seme bei euch, oder?«

Kai lief rot an und warf einen schnellen Blick in Richtung des Leadgitarristen, der völlig verwundert zur Uhr hinaufsah. »Aoi …«

»Keine Angst, bis Uruha die Frage verstanden hat, ist es eh schon zu spät. Also?«

»Sei nicht so gemein zu ihm!«

»Bin ich nicht! Er ist doch mein bester Freund!«

»Warum fragst du ihn das dann nicht?«

»Weil in seiner Dimension alles schnell geht, egal, wie lange er braucht. Er wird nie eine richtige Antwort darauf geben können!«

Der Drummer nickte nachdenklich, lachte dann ein bisschen verlegen. »Na ja, ich weiß nicht …«

»Theoretisch müsste er doch eine Stunde nach dem Orgasmus plötzlich zu stöhnen anfangen, oder? Dann könnt ihr ja nie tagsüber!«

Kais Gesichtsfarbe war Antwort genug.

»Und wie macht ihr das? Er ist doch der Aktive, aber wie denn?«

»Aoi!«

»Du reitest ihn also immer? Und er merkt es erst, wenn du schon längst fertig bist?«

»Also wirklich!«

»Hey, der Witz war gut!«, lachte Uruha plötzlich und die beiden drehten sich erschrocken um. »Na der, dass der Arzt sagt … nee, der Patient sagt: ›Herr Doktor, alle ignorieren mich!‹, und der Patient … ach nein, der Arzt antwortet: ›Der Nächste bitte!‹«

»Ähm …« Kai kratzte sich verlegen am Kopf. »Ruha, den Witz hat Ruki heute Morgen erzählt, als ich den Schlüssel vor der Tür gesucht habe.«

»Heute Morgen?«

»Mhm.«

»Oh.«

»Jetzt sag schon!«, drängelte Aoi, denn er konnte sehen, wie sich Reita und Ruki näherten, waren sie gut sichtbar im schmalen Glasfenster der Tür.

»Also …«

»Ist Aoi wieder frech gewesen?«, fragte Reita grinsend, der nun mit dem Kleinen den Raum betrat und den dampfenden Kaffee auf dem Tisch abstellte.

Sofort schüttelte Aoi den Kopf, während Kai nickte und Uruha sich am Kopf kratzte.

Schon trat der Bassist grinsend hinter den Schwarzhaarigen, strich ihm durch die Haare, bis sich alle Anwesenden auf die Kaffeebechern gestürzt hatten und nicht mehr auf sie achteten, dann verstärkte er seinen Griff und zog Aois Kopf in seine Richtung, sodass dieser das Gesicht leicht verzog. »Was hab ich dir gesagt?«

»Äh … Dass ich mich besser benehmen soll …?«

»Und was wird das hier schon wieder?«

Aoi grinste nur.

»Jeden Tag dasselbe mit dir, was soll ich nur machen?«

»Du könntest es mir besser beibringen!«

Reitas Mundwinkel verzogen sich zu einem dreckigen Grinsen, ehe er nickte und sich an Kai wandte. »Wir gehen noch eine rauchen.«

Ihr Leader setzte den Kaffee ab, sah nachdenklich zum Fenster. »Zieht euch eine Jacke an, es ist kalt draußen. Und beeilt euch, ihr habt noch fünf Minuten!«

»Na los.« Reita half dem Schwarzhaarigen hoch, packte ihn am Arm, als keiner mehr hinsah und schob ihn Richtung Tür. »Im Klo wird es warm genug sein, oder was meinst du?«

Aoi grinste nur verschmitzt und ließ sich aus dem Raum schieben.

»Hey, haben wir Pause?«

Von Löckchen und Frisören


 

| von löckchen und frisören |
 

Seufzend betrachtete Aoi die Welt kopfüber. Von hier aus hatte man wirklich mal eine neue Sicht. Er konnte irgendwo oben den Boden sehen, der Tisch direkt vor ihm sah von unten auch sehr interessant aus und Kais Kopf, der ganz unten über der Tischplatte auftauchte, sah falsch herum irgendwie lustig aus. Wenn man bedachte, dass ihr Leader immer die Augenbrauen so angestrengt zusammenschob und diese einen Knick in der Mitte hatten, dann war es wirklich äußerst amüsant, das so mal zu sehen.

Aber das Gesicht hatte er schon die letzten Minuten zur Genüge betrachtet, jetzt widmete er sich ausführlich dem Kaugummi, welches unter der Tischplatte klebte. Es war grau, wahrscheinlich vom Staub, vermutlich schon ziemlich alt und bestimmt von Reita. Ruki würde niemals ein Kaugummi in gekautem Zustand anfassen – nicht einmal sein eigenes –, ihr Leader war zu verantwortungsbewusst, Uruha zu langsam, um auf die Idee zu kommen, dass man Kaugummi vor der Auflösung durch Speichel kauen konnte und er selbst mochte die Dinger nicht. Also musste es von Reita sein. Vielleicht sollte er seinem Freund das später unter die Nase reiben …

»Wenn du noch länger da so hängst, wird dir gleich wieder ganz schlecht sein«, erklang Kais Stimme. Aoi sah auf – oder eher ab? Ein tadelnder Blick begegnete dem seinen.

»Aber Kai, das beschäftigt mich wenigstens! Aber du könntest ja …«

»Schon gut, bleib da!«

Grinsend sah Aoi zu, wie der Andere wieder nach unten – oder oben – sah und weitersuchte. Dieses Mal irgendeine Kopie von einem wichtigen Vertrag. Die Kai ihm schon vor zehn Minuten in die Hand gedrückt hatte, damit sie nicht noch einmal verlorenging. Nun lag sie auf seinem Bauch, der irgendwo zwischen Sitzfläche und Lehne des Sofas hing. Eigentlich hätte Kai sie sehen müssen.

»Du, Kai?«

Ein verzweifeltes Seufzen.

»Sag mal, was glaubst du, warum Ruki manchmal so seltsame Löckchen hat?«

»Seltsame Löckchen?«, fragte Kai abwesend und hievte einen neuen Berg Papier auf den Tisch.

»Ja, irgendwie seltsam. Ich frage mich ja, ob er noch woanders Locken hat.«

»Bestimmt …«

»Ein Mensch hat ja an vielen Körperstellen Haare. An den Armen, an den Beinen, am Bauch, am Rücken, in der Nase … Also überall. Na ja, fast zumindest. Stell dir mal vor, Ruki hätte überall solche Locken!«

»Hm …«

»Wenn er die Arme hebt, kommt eine Lockenpracht zum Vorschein. Vielleicht trägt er deswegen immer Ärmel. Er will sich die Frisur für ganz besondere Momente vorbehalten.«

»Hm …«

»Stell dir mal vor, er reißt einen Typen auf. Er sagt bestimmt: ›Ich zeig dir, wo ein Gartenzwerg die Locken hat‹.« Aoi prustete los. »Und dann reißt er sich die Klamotten vom Leib. Also zu Hause. Draußen kommt das nicht so gut. Und dann wüsste ja jeder, was er drunter trägt!«

»Hm …«

»Kai!«

»Hm?«

»Hör doch mal zu!«

»Hm …«

»Wenn er dann ganz nackig – oh, wir müssen unbedingt mal alle zusammen in die Sauna oder ins Onsen, damit ich sehen kann, ob es stimmt! Also, wenn er dann ganz nackig ist – meinst du, Reita würden Locken stehen? Ich kann mir das gar nicht vorstellen …«

»Hm …«

»Hat Uruha eigentlich Locken?«

»Hm …«

»Hm …«

»Hm …«

»Mensch, Kai!« Aoi blies empört die Backen auf und wedelte mit der Hand herum, bis der Drummer verwirrt aufsah. »Zurück zum Thema. Wenn Ruki dann mal ganz nackt ist, dann kommt bestimmt auch seine Intimfrisur zum Vorschein.«

»Intimfrisur …?« Kai riss die Augen auf.

»Ja, sag ich doch die ganze Zeit! Na ja, fast. Egal. Stell dir mal vor, wie Ruki beim Frisör Lockenwickler in die Schamhaare kriegt und einer der Angestellten mit konzentriertem Gesicht die Locken striegelt!« Aoi fiel fast vom Sofa vor Lachen. »Oh, ich will das mal sehen! Weißt du, wann Ruki das nächste Mal zum Frisör geht?«

»Nein. Aber es gibt wirklich Intimfrisöre«, grinste Kai und widmete sich wieder seinen Zetteln.

»Woher weißt du das denn?!«

»Ruru …«

Okay, das erklärte eine Menge. Auch wenn der Leadgitarrist noch so langsam war, aber über solche Dinger war dieser immer informiert und auf dem neusten Stand!

»Mach Platz, ich will sitzen!«

Erschrocken japste Aoi nach Luft, als ihm plötzlich eine Hand auf den Bauch haute und er sich zusammenkrümmte, dabei vom Sofa rutschte und kopfüber hinunterfiel. Wann hatte Ruki den Raum betreten? Jetzt hatte er Kais Füße direkt vor dem Gesicht, die unter dem Tisch ausgestreckt waren.

»Nimm sofort deine Käsesockel aus meinem Gesicht!«

Na ja, wenigstens war es gerecht und der Drummer hatte auch etwas davon.

Mühsam ruckelte Aoi herum, hampelte mit den Beinen über den Tisch, bis er endlich auf die Seite kippte und sich aufsetzen konnte. Ruki unterstützte das Ganze noch, indem er ihn an den Haaren hochzog und fies grinste. »Kai hat oft genug gesagt, dass du dich richtig hinsetzen sollst«, erklärte der Zwerg seine Tat.

»Aber das tat weh!«, klagte Aoi und warf einen mitleiderregenden Blick zu ihrem Leader, der allerdings auf den Tisch sah und Papiere durchwühlte. Und Ruki warf sich nur lachend auf das eroberte Sofa!

»Kai!« Aoi warf dem Angesprochenen den gesuchten Zettel ins Gesicht und zog einen Schmollmund.

»Sag nicht, dass du den die ganze Zeit hattest!«

»Du hast ihn mir gegeben!«

Kai seufzte und fuhr sich mit einer Hand durchs Gesicht. Er murmelte irgendetwas, das sich verdächtig nach »Ihr macht mich wahnsinnig« anhörte, aber das überhörte Aoi einfach mal. Stattdessen begann er zu strahlen, als sich der Andere aufrechter hinsetzte und ihn ansah. »Was ist denn dieses Mal?«

»Er hat mir wehgetan!«

»Du hast auch eine Beule auf der Stirn …«

»Siehst du, wie gemein der ist?«

»Na und, du bist doch selbst schuld daran!«

»Was?! Morgen geh ich wieder mit Ruha Kaffee holen …«

»Das wäre für uns alle gesünder.«

Aoi warf empört seinen Schuh nach dem Gartenzwerg, der sich kichernd hinter einem Sofakissen versteckte.

»Aber was war das eben? Ihr sprecht über Intimfrisöre?« Ruki sah neugierig über den Rand des Kissens. »Also wirklich, das hätte ich von Kai nicht erwartet!«

»Jetzt fang du nicht auch noch damit an!« Frustriert schob Kai mit beiden Armen alles auf dem Tisch zu einem Haufen zusammen und rieb sich die Augen. »Wenn wir Glück haben, kommen gleich die anderen zurück und dann kann es weitergehen.«

Genau in diesem Moment betrat Reita den Raum und stellte triumphierend fünf dampfende Kaffeebecher auf den Tisch, die er waghalsig gestapelt hatte.

»Wo ist Uruha?«, fragte Kai misstrauisch.

»Keine Ahnung, vielleicht kommt er noch vor Feierabend wieder hier an.«

»Reita! Sag nicht, dass du ihn allein gelassen hast!«

»Äh …«

»Du hättest ihm wenigstens seinen Kaffee dalassen können«, grinste Ruki und nahm sich einen der Becher.

»Du gehst sofort zurück und holst ihn!« Kai raufte sich die Haare. »Ihr seid solche Chaoten!«

»Aber ich weiß nicht mehr, in welchem Flur ich ihn …«

»Dann such ihn gefälligst! Letztes Mal war er drei Tage in der Wäschekammer, bis er gemerkt hat, dass etwas nicht stimmen konnte! Und du gehst mit, Aoi, bevor du mich noch in den Wahnsinn treibst! Und wo ist eigentlich der Zettel?!«

Hastig zog Aoi den Bassisten mit sich aus dem Raum. Wenn ihr Leader schlechte Laune hatte, sollte man besser das Weite suchen.

»Hey, wartet auf mich!«, rief Ruki flehend hinter ihnen her und warf die Tür hinter sich zu. »Ich such mit!«

Aoi nickte gnädig. »Okay, wo hast du ihn denn ungefähr verloren, Rei?«

»Entweder im Treppenhaus, im Keller oder im Flur im dritten Stock. Ruki, du suchst im Keller. Such am besten alle Räume ab, er könnte überall stecken! Und wir suchen den Rest ab!«

»Gut!« Schon rannte der Kleine Richtung Aufzug davon.

»Alle Räume? Aber das dauert doch ewig!«, merkte Aoi an und drehte sich zu Reita, der amüsiert schnaubte und die Arme um ihn legte.

»Ich denke, wir sollten in der Toilette anfangen. Meinst du nicht auch?«

Aoi brauchte eine Weile, bis er verstand, dann nickte er grinsend.

Von Bibern und Gurken


 

| von bibern und gurken |
 

Mit aller Kraft konzentrierte Aoi sich auf seine Aufgabe. Es war wirklich schwierig, nicht aufzugeben. Eine unheimliche Anstrengung. Kleine Schweißperlchen traten auf seine Stirn, zeugten davon, wie sehr er sich bemühte, wenigstens einmal ihrem Leader nicht auf die Nerven zu gehen. Der saß ihm gegenüber an dem kleinen Tisch, diesmal auf dem Sofa und er selbst auf dem Boden. So von wegen auf dem Sofa würde er gefundene Zettel eher wiederfinden, als wenn er sie um sich herum und dahinter verteilen würde. Deswegen musste Aoi mit dem Sitzkissen vorlieb nehmen.

»Irgendwie ist das unfair«, murrte er nach einer Weile und verschränkte die Arme.

Ein tadelnder Blick traf ihn vom geschäftig suchenden Kai.

»Guck nicht so. Alle dürfen Pause machen und ich muss mich anstrengen!«

»Dann tu es auch. Dafür musst du ja dann nachher nicht den Proberaum fegen, also lohnt es sich doch.«

Schmollend schob Aoi die Unterlippe vor und schwieg. Aber wirklich unfair! Nur weil er manchmal ein bisschen zu viel redete – zu viel! –, wurde er gleich zum Schweigen verdonnert. Wahlweise hätte er auch mir Uruha Kaffeeholen gehen können, aber der hörte nur mit minutiöser Verzögerung zu. Diesmal war der Leadgitarrist mit Ruki und Reita unterwegs, damit keiner verloren ging und beide jeweils an einem Arm des Honigblonden ziehen konnten.

Er schweifte ab. Eigentlich ging es ihm doch gar nicht darum, dass er nervte, zu viel redete oder Kaffeeholen mit dem besten Freund als Strafe angesehen wurde – heute hatte er endlich mal ein wirklich interessantes Thema! Eins, das ausdiskutiert werden musste, bevor Ruki zurückkam und ihm dafür die Rübe vom Hals hackte!

»Kai …«

»Ruhig!«

»Kai-chan …«

Ein Knurren.

»Kai, wenn ich dir helfe, den Zettel zu finden, kann ich dann wieder reden?«

»Man kann dich doch sowieso nicht davon abhalten«, grummelte der Leader und gab auf. Seufzend lehnte er sich zurück und nickte zum Papierberg auf dem Tisch. »Dann mal viel Glück.«

Schon traf ein Kugelschreiber seinen Kopf.

»Au! Was soll das denn?!«

»Du hast beim Suchen deines Stifts vergessen, dass du einen Stift suchst. Deswegen findest du den ›Zettel‹ auch nicht«, grinste Aoi triumphierend und stand auf, raste um den Tisch herum und quetschte sich neben Kai auf das kleine Sofa, strahlte ihn an. »Also darf ich jetzt wieder?«

»Ich muss jetzt aber das Formular ausfüllen, wo ich endlich den Stift …«

»Das schaffst du doch sowieso, auch wenn ich rede.«

»Vielleicht solltest du mal darüber nachdenken.«

Verwirrt sah Aoi ihn eine Weile an, beobachtete, wie Kai sich vorbeugte und zu schreiben begann. Irgendein Wisch für die Company, der regelmäßig ausgefüllt werden musste, so genau hatte er sich noch nie mit Papierkram auseinandergesetzt. Die paar Tage im Jahr, die sie im Büro verbrachten, füllten sie damit, Kai die Zettel unterzuschieben und den gemeinschaftlichen Wasserspender von den Managern mit Schnaps zu füllen. Aber spätestens, als er sah, wie Kai die Striche für Rukis Namen zog, fiel ihm wieder ein, was ihn seit dem Morgen beschäftigte.

»Forbidden beaver?!«

»Hm?«

»Kai, jetzt mal ehrlich. Wieso ›Forbidden beaver‹?«

»Wieso?«

»Wieso hast du das zugelassen? Was sollen die Fans von uns denken?!«

»Wieso, was heißt das denn? Klingt doch ganz okay als Titel.«

»Verbotene Biber?!«

»Verbotene …?« Kais Augen weiteten sich entsetzt. Scheinbar hatte auch er endlich begriffen, was Aoi damit sagen wollte. »Du meinst …?«

»Ruki hat uns angelogen. Er kann immer noch kein Englisch!«

»Nein?!« Entsetzt riss der Leader den Mund auf.

»Der tut doch nur so, als würde er es können. Ich hab ewig recherchiert, um rauszukriegen, was der Titel heißt!«

»Und was machen wir jetzt? Ich meine, wie klingt das denn?!«

Aoi seufzte erleichtert. Endlich mal jemand, der den Ernst der Lage erkannte. Wenn auch etwas zu spät. Na gut, die Recherche hatte bis zum heutigen Morgen angedauert. Leider waren alle Daten schon gestern freigegeben worden für Druck und Pressung, sodass sie jetzt nichts mehr daran ändern konnten. Bestimmt stand der seltsam klingende Titel schon in den Metadaten, im Layout des Booklets, überall im Internet und natürlich auf Twitter, weil der Zwerg begeistert seine meisterlichen Ergüsse der Welt präsentieren musste. Obwohl – Ergüsse? Ruki? Biber? Da war doch was …

Kais und Aois Köpfe ruckten gleichzeitig hoch. Entgeistert starrten sie sich an.

»Du denkst auch, dass …«

»Und du weißt auch, dass …«

»Oh Gott.«

»Das kann nicht sein.«

»Was hat der sich dabei gedacht?!«

»Und das ist schon das zweite Mal!«

Der Leader strich sich mit zitternden Fingern Haarsträhnen aus dem Gesicht, zuckte zusammen. »Wie, das zweite Mal?«

»Na ja, bei ›Filth in the beauty‹ …«

»Was hat er da angestellt?«

»Hast du dir nie die Lyrics durchgelesen?«

Kai lief rot an. »Du weißt doch, dass ich nicht so gut in Englisch bin und viel zu tun hab und …«

»Reckless driving cucumber.«

»Was?«

»Rücksichtlos treibende Gurke.«

Der Kugelschreiber polterte zu Boden. »Aber es ging da doch um … Du meinst, es hat eigentlich …?«

Aoi nickte und rückte näher an Kai heran, senkte die Stimme. »Ich hab mal gehört, wie Shou Rukis … kleinen Freund so genannt hat.«

»Seinen kleinen Freund? Meinst du Hiroto?« Verdattert starrte der Leader ihn an. »Aber wieso sollte er ihn so nennen?«

»Mensch, Kai! Seinen … Muss ich das jetzt wirklich sagen? Seinen … Das Geschlechtsteil, Mann!«

»Du wirst ja ganz rot.«

Ein Klatschen.

»Au! Warum haust du mich immer sofort? Ich bin so was wie dein Chef, wie wär's mal mit ein bisschen Respekt?!«

»Später. Also, Shou nennt Rukis Teil ›Reckless driving cucumber‹. Die immer mit ihrem tollen Englisch, der will doch nur Ruki beeindrucken. Die zicken doch eh dauernd rum und wollen nicht zugeben, dass da was läuft zwischen denen. Und Ruki hat mal gesagt, dass Gurken und Biber eine Menge miteinander zu tun haben.«

»Wann hat er das denn gesagt?«

»Vor zwei Jahren. Da waren wir doch in dieser Holzfällerhütte zum Essen. Dieses Country-Dingens. Und da war ein ausgestopfter Biber und er hat Gurkensalat gegessen.«

»Und was willst du mir damit jetzt sagen?«

»Dass das die Rache an Shou ist! Er beleidigt Rukis Gurke, jetzt hat der mit dem verbotenen Biber zurückgeschlagen! Und was erkennen wir daraus?«

»Dass er Justin Bieber nicht mag oder du auf absonderliche Ideen kommst …?«

Aoi verdrehte die Augen und haute gegen Kais Schulter. »Dass Shous … Hintereingang … ›Forbidden beaver‹ heißt!«

»Hä?«

»Ja! Und jetzt hat Ruki den Song so genannt und alle Welt wird uns für Perverslinge halten!«

»Klar, weil auch jeder auf dieselben Ideen kommt wie du.«

»Er hätte auch gleich sagen können: ›Lass mich deinen forbidden beaver mit meiner reckless driving cucumber füttern.‹ Dieser Perversling!«

»Wer ist ein Perversling?« Die Tür öffnete sich und hinein kamen Ruki und Reita, in den Händen dampfende Kaffeebecher.

»Befreit mich von ihm!«, rief Kai gespielt verzweifelt – zumindest hoffte Aoi das – und stand auf, holte sich eines der Getränke und setzte sich in sicherer Entfernung zum Sofa auf eine Transportkiste neben der Tür. »Wo ist eigentlich Uruha?«

»Also …« Reita kratzte sich verlegen am Kopf. »Das war so. Wir haben ein bisschen herumgewitzelt über verschiedene Kaffeesorten. Und irgendwie muss er wohl gedacht haben, dass wir vom Automaten im Keller gesprochen haben. Er konnte sich nicht entscheiden, welche Sorte er nehmen soll, wahrscheinlich steht er noch davor und denkt drüber nach.«

Kai runzelte die Stirn. »Aber es gibt doch nur eine.«

»Hm. Ja.«

»Reita! Du gehst sofort nach unten und holst ihn! Und nimm Aoi mit, der kann ein bisschen Bewegung gebrauchen.« Vier strahlende Augen richteten sich begeistert auf den Leader, der sofort hinterherschob: »Nicht diese Art von Bewegung! Wehe, ihr macht irgendwas mit Gurken oder sonstigen Dingen, über die wir gerade gesprochen haben. Wir müssen langsam mal vorankommen, Jungs!«

»Klar, Chef.« Grinsend verließen die beiden den Raum.

»Und wir haben noch einen Biber zu rupfen«, knurrte Kai gefährlich in Rukis Richtung, der plötzlich blass wurde.

»B-Biber? Ähm … Vielleicht sollte ich auch mitgehen. Drauf achten, dass sie wirklich Uruha holen und nicht … Du weißt schon. Hm. Bis … Bis später.« Nervös herumdrucksend trat Ruki rückwärts durch die Tür, winkte noch einmal und rannte dann los.

Sich die Haare raufend, stand Kai auf und sah sich um. Alle weg, nur vier Kaffeebecher waren noch da und ein noch immer nicht ausgefülltes Formular. Dafür hatte er wilde Bilder im Kopf und fragte sich wirklich, was in den Köpfen seiner Kollegen vor sich ging. Die machten ihn irgendwann noch mal wahnsinnig, ganz sicher.

Von Ruhe und Bienenstöcken


 

| von ruhe und bienenstöcken |
 

Unglaublich. Das war das erste Wort, das Ruki in den Sinn kam. Es war einfach nicht zu Beschreiben, dieses Gefühl, das ihn überkam, als er die Uhr ticken hörte. Wirklich ticken! Das war das letzte Mal vorgekommen, als er aus Versehen zu früh im Proberaum aufgetaucht war und außer ihm nur Kai dagewesen war. Uruha hatte der Leader wie immer irgendwo unterwegs wegen durcheinanderpurzelnder Gedanken vergessen, der tauchte immer erst eine Stunde zu spät hier auf. Aoi und Reita kamen meistens zehn Minuten zu spät. Dann war auch immer die Ruhe vorbei. Das hieß, er wurde immer bereits beim Betreten des Raumes mit einer Kakophonie aus wirren und langweiligen Erzählungen ihres Gitarristen belästigt, gönnte er sich selbst doch fünfzehn Minuten Verspätung.

Seufzend legte Ruki den Kopf nach hinten auf die Sofalehne, atmete tief und gleichmäßig durch, im Einklang mit der Natur oder dem gedämpften Straßenlärm oder dem Geschreis aus den anderen Proberäumen. Himmlisch. Und das nur, weil Kai der Kragen geplatzt war und ihre Plaudertasche dazu verdonnert worden war, mit Uruha, dem armen Würstchen, Kaffee zu holen. Na gut, was hieß armes Würstchen. Der würde es sowieso erst morgen merken, dass diesmal Aoi mit ihm gegangen war. Was Ruki zu der Frage führte, warum eigentlich ausgerechnet die Schlaftablette den Kaffee holen sollte? Wäre es nicht für sie alle und den Feierabend sicherer, wenn man ihn einfach mit Gitarre neben dem Verstärker stehen lassen würde in der Pause?

Na gut. Einmal hatte er genau das vorgeschlagen. Seine Hand tat jetzt noch weh von dem ganzen Schreibkram, den Kai als Strafe auf ihn abgewälzt hatte. Dabei hatte er es doch nur gut gemeint …

Genüsslich seufzend ließ er den Kopf von links nach rechts und wieder zurück rollen. Seine Ohren fühlten sie an wie neugeboren. Gut, vielleicht stellte er sich auch nur an, so viel plapperte Aoi nun auch wieder nicht und eigentlich war es immer recht lustig. Eigentlich. Nur nicht, wenn es um ihn, Ruki, ging. Und in letzter Zeit kam das verteufelt oft vor! Da durfte er sich freuen, dass er nun allein mit Kai hier saß und wirklich Pause machen durfte.

»Wo ist denn … Vorhin war er doch noch …«

Theoretisch zumindest. Kai suchte irgendetwas. Und fragte ständig, ob er wüsste, wo irgendein Zettel lag. Aoi würde es ja immer wissen.

Der Leader rieb sich stöhnend übers Gesicht, raufte sich die Haare.

»Was ist denn los?«, fragte Ruki träge und blinzelte an die Decke, beobachtete das Spinnennetz, das sich leicht hin und her wiegte.

»Es ist so ungewohnt still. Das bringt mich ganz durcheinander.«

»Sag nicht, du vermisst das ewige Gerede. Du hast doch immer gesagt, es würde stören.«

»Ja, schon. Aber man gewöhnt sich so daran, dass es den Arbeitsfluss stört, wenn es so ruhig ist.«

»Du hast Sorgen …«

»Ah, da ist er ja!«

Wenigstens etwas.

»Nee, das ist er ja gar nicht. Verdammt, was hab ich überhaupt …« Kai unterbrach sich plötzlich und hob den Kopf. Auch Ruki lehnte den Schädel wieder nach vorn und sah fragend zu ihm herüber. Dann hörte auch er es. Da war eine aufgebrachte Stimme im Flur, die sich rasant näherte. Vielleicht Aoi, der schon zurückkam? Oder einer von diesen … wie hießen die noch … Ach, einer von den Neulingen halt, die erst seit ein paar Monaten in der Company waren. Frischlinge waren auch immer recht laut. Kein Grund, jetzt so zu reagieren. Also ließ Ruki seinen Kopf entspannt wieder auf die Sofalehne plumpsen und atmete tief …

»WO IST DIESE VERFLUCHTE RATTE?!«

Der Sänger fiel fast vom Sofa vor Schreck, als die Tür aufgerissen wurde und ein fuchsteufelswilder Shou hineinstürmte. In der Hand hielt der andere Sänger irgendetwas, das neonkotzgrün war. Oder eher gelb? Was war denn das für eine Farbe, die passte mal so gar nicht hier rein. … Oh. Die hatte er ja selbst ausgesucht vor ein paar Tagen. Hatte er schon ganz vergessen. Die sah aber auch toll aus! Und das war ja ihre Single, eine der Versionen zumindest. Die, auf der …

Oh nein.

Schluckend sackte Ruki in sich zusammen, wünschte sich, er hätte doch eine Diät nach der Fressorgie letztens mit Uruha und Reita gemacht. Dann würde er jetzt vielleicht in der Sofaritze entkommen können.

»Aha! Der feine Herr ahnt also schon, wieso ich hier bin!«, wetterte Shou weiter und fuchtelte mit der CD herum.

»Ähm … Was willst du hier?«, wagte Kai, der mehr oder weniger zwischen ihnen auf dem Boden saß, einzuwerfen und so den wild gewordenen Alice-Nine-Sänger zu stoppen. Bevor der noch quer über den Tisch stiefelte und sein Opfer direkt erwürgte, denn danach sah es wirklich aus.

»Shou … Das ist ja … schön … dass du uns mal besuchen kommst«, haspelte der sich als mickriger Wurm vorkommende Ruki hevor und hob schon mal abwehrend die Hände.

»Du …!« Ein Schnaufen. »Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht? Und außerdem bin ich fast jeden Tag hier! Deine scheinheiligen Ausreden kannst du dir sonst wohin stecken!«

»Zum Beispiel in deinen forbidding beehive*.« Kai lachte grunzend und schrieb weiter, bemerkte so nicht die beiden mörderischen Blicke, die sich auf ihn richteten.

Shous Augen wurden schmal und schossen nun nadelspitze Blicke auf Ruki ab. »Er weiß es also auch? Und die anderen? Wissen es vielleicht sogar schon alle?«

»Ähm … Was meinst du denn?«

»Na was wohl! Dein dämlicher Song! ›Forbidden beaver‹! Wieso hast du das getan?!« Die Stimme wurde weinerlich und verzweifelt. Rukis Brust zog sich zusammen.

»Vielleicht … sollten wir das draußen klären«, meinte er schnell, als Kai stirnrunzelnd aufsah. Hastig erhob er sich, griff nach Shous Arm und zog ihn hinter sich her in den Flur. Ihr Leader musste nicht alles mitkriegen, das war höchst privat!

Nur leider war Shou schon wieder auf hundertachtzig, als sie dann endlich vor der geschlossenen Tür standen.

»Was sollte das denn?!«

»Kai muss nicht alles …«

»Ich meine den Titel! Verdammt, wieso tust du mir so was an?! Wie lange wird es dauern, bis die anderen erfahren, was es damit auf sich hat?!«

»Ähm … Also eigentlich …«

»Und überhaupt! Wieso ausgerechnet der Name?!«

»Hey, jetzt reicht's aber!«, fuhr Ruki wütend dazwischen. »Wer hat denn angefangen?! Aus meinen mühevoll geschriebenen Lyrics hast du doch zuerst den fiesen Namen für mein bestes Stück gewählt!«

»Schlimm genug, dass du meiner Rückseite dann auch einen verpasst hast, aber wieso so öffentlich?! Hast du am Ende noch pikante Details im ganzen Text versteckt?!«

»Pff, bei dir gibt’s doch kaum was zu erzählen!«

»Aber auch nur, weil deiner viel zu klein ist, damit er überhaupt erwähnenswert ist!«

»Und du … Mann!«

Schaufend standen sie sich gegenüber, am ganzen Körper angespannt und so wütend starrend, dass man die Spannung zwischen ihnen spüren konnte. Und plötzlich stürzten sie sich knurrend aufeinander. Heftig pressten sich ihre Münder gegeneinander, hart krallten sie ihre Finger in den jeweils anderen und hielten sich fest. Aufstöhnend prallten ihre Körper aufeinander, erhitzt und erregt durch die nicht allzu freundliche Diskussion. Sie griffen sich gegenseitig in die Haare, tasteten fahrig jeden Flecken des anderen Körper ab, bis sie sich atemlos wieder voneinander lösten.

»Was … Was war das denn jetzt?«, keuchte Shou atemlos. »Und was soll das? Warum … Wieso hast du den Song so genannt?«

»Ich hatte halt Sehnsucht nach dir. Ohne triftigen Grund traust du dich doch eh nicht in unseren Proberaum«, grinste Ruki überlegen.

»Wenn ich das nicht so an dir mögen würde …«

»Du stehst aber drauf. Und jetzt komm endlich!«

»Hey, das geht auch sanfter!«

Ruki lächelte. Ja, das ging. Er beugte sich vor, küsste Shous Nasenspitze und wisperte in sein Ohr: »Dann lass uns die Pause mal nutzen, hm?«

Mit roten Wangen nickte Shou, ergriff die Hand und ließ sich sanft Richtung Toiletten ziehen. Wenn die anderen wüssten, wie lieb Ruki sein konnte. Nicht immer nur der herrische, schlecht gelaunte Zwerg. Aber andererseits, wer vermutete schon, dass Shou ihn immer wieder auf Ideen wie den ›Forbidden beaver‹ brachte, nur um möglichst unauffällig mit dem GazettE-Sänger verschwinden zu können …?
 

* bedrohlicher Bienenstock

Von Uhren und Gedanken


 

| von uhren und gedanken |
 

»Das wird Konsequenzen haben! Du wirst schon sehen!«

Kai nickte abwesend, kaute auf seinem Stift herum und las sich weiter einen der unzähligen Zettel durch, von denen niemand so genau wusste, wofür die eigentlich alle waren. Wahrscheinlich waren es jeden Tag dieselben. Als ob für ihre Band so viel Papierkram anfiel! Und falls doch, schien wenigstens einer hier den Überblick über das Chaos zu haben. Was Ruki aber nicht davon abhielt, jetzt ruhig zu sein!

»Hast du mir zugehört?! Das wird so was von Konsequenzen haben! Forbidding beehive! Mich derart vor Shou zu entblößen!«

»Ich vermute, nur wenige Minuten später hast du dich ganz allein vor Shou entblößt, oder braucht ihr wirklich ein paar Worte von Kai, um scharf zu werden?«, stichelte Aoi grinsend und quetschte sich kichernd zwischen Reitas Rücken und die Lehne des Sofas, um dem gepfefferten Blick zu entkommen, der auf ihn niederschoss.

»Ich war das nicht!«, rief Reita sofort, als der Blick unweigerlich an ihm klebenblieb, und zerrte an Aois Hose, um diesen aus dem Versteck zu bekommen. »Ehrlich!«

»Aber du bist mit dieser Pest zusammen!«

»Hey! Nur weil du frustriert bist, musst du nicht anfangen, mein Spätzchen niederzumähen!«

Aoi tauchte schnaubend wieder auf. »Ich mäh dich auch gleich mal nieder, dann hast du wenigstens eine ordentliche Frisur und einen Grund für deinen Tanga!«

»Schluss jetzt!« Kai haute auf den Tisch und raufte sich die Haare. »Mit euch wird es auch nie langweilig, was? Bevor das hier jetzt in einen ernsthaften Streit ausbricht, machen wir lieber ein paar Minuten zu früh Feierabend.«

»Warum durften wir nicht schon vor zehn Minuten gehen? Wir sitzen doch eh nur rum und warten, dass der kleine Zeiger auf der Zwölf landet!«

»Der große«, warf Ruki spöttisch ein.

»Disziplin, Reita.« Kai ließ seine Brille bis zur Nasenspitze rutschen und sah ihn über den Rand hinweg streng an. »Ihr würdet euch doch jeden Tag ein bisschen eher aus dem Staub machen, bis ihr gar nicht mehr kommt und es niemandem auffällt. Aber ausnahmsweise dürft ihr heute mal schon jetzt …«

Der Rest ging in Gejubel unter. Reita und Aoi sprangen auf, verabschiedeten sich fröhlich bei allen und preschten mit wehender Jacke davon. Man wusste ja nie, ob Kai sie nicht doch noch einmal zurückpfiff, wenn sie zu langsam waren.

»Und du, Ruki?« Der Leader wandte den Blick von der zuknallenden Tür ab und sah wieder zum Sänger, der neben dem Sofa stand. Unschlüssig, was er jetzt tun sollte, hatte dieser den Zeigefinger erhoben und biss sich auf der Unterlippe herum. Schließlich schnaufte er nur verdrossen und rauschte ebenfalls davon. Vermutlich wieder zu Shou, der in irgendeiner Ecke im Gebäude wartete.

Kai streckte sich ausgiebig, bevor er aufstand und hinüber in den Raum mit ihren Instrumenten ging, den sie vor einer halbe Stunde schon verlassen hatten. Nur Uruha stand noch wortlos in seiner Ecke, direkt neben dem Verstärker und mit der Gitarre in den Händen.

»Ruha?« Er strich dem Gitarristen sanft über die Wange, der daraufhin zusammenzuckte und ihn überrascht ansah. »Kommst du dann? Wir gehen heute etwas eher.«

»Oh, ist schon Feierabend?«

»Ja. Räum die Gitarre weg, ich pack drüben schon mal alles zusammen.«

Uruha nickte. Kurz dachte er noch verwirrt darüber nach, wieso denn jetzt schon Feierabend war, dann kam Kai noch mal zurück und trieb ihn zur Eile an, weil er scheinbar mal wieder viel zu lange nachgedacht hatte. Aber er konnte nichts dafür, das passierte einfach. Irgendwie flossen seine Gedanken immer weiter und er kam nie zum Ende. Seltsam war das.

»Uruha? Wo bleibst du denn?« Kai griff lächelnd nach seiner Hand, zog ihn mit sich in den Nebenraum. Wann er die Gitarre abgenommen hatte, wusste Uruha gar nicht. Vielleicht hatte Kai das auch irgendwann zwischendurch gemacht. Der war aber auch wirklich ein Schatz. Hatte eine Menge Geduld mit ihm und verstand es, wenn er sich mal wieder in Gedanken verlor oder …

»Setz dich am besten hin, ich bin gleich fertig.«

»Okay.« Uruha setzte sich zögerlich auf den Tisch hinter ihm und sah dabei zu, wie Kai leere Kaffeebecher einsammelte und Stifte aufhob. Er war wirklich fleißig. »Soll ich heute mal kochen?«, bot er ihm daher an. »Du hast so viel gemacht heute, ich will dir was abnehmen.«

»Lieb von dir, aber ich mach schon. Du vergisst nur wieder, dass der Herd noch an ist.«

»Hey! Das ist schon lange nicht mehr passiert! … Glaub ich zumindest.« Er zog schon mal seine Jacke an, die Kai ihm hinhielt. »Ich kann auch spülen hinterher.«

»Mir reicht es, wenn du mich nachher ausgiebig massierst. Das kann keiner so gut wie du, die sind alle viel zu hektisch dabei.«

»Auch von innen?«

Kai nickte erfreut. Sie grinsten.

»Gibst du mir mal die Zettel unter deinem Po?«

Verwundert stand Uruha auf. Oh. Er hatte ja auf dem Tisch gesessen. Schief lächelnd reichte er dem Anderen den Papierhaufen, durch den sich dieser jeden Tag kämpfte, und entschied sich dazu, diesmal stehen zu bleiben.

»Oh je, Ruki hat mich heute so abgelenkt, dass ich gar nicht vorangekommen bin. Dabei muss ich doch noch …« Nachdenklich las Kai sich den obersten Zettel durch, schnappte sich seine Tasche und ging Richtung Tür, ohne den Blick von den Schriftzeichen zu heben. »Kommst du dann? Wir sind fertig …«

Uruha nickte und sah zur Uhr. Schon zehn Minuten nach Feierabend. Das Wort hatte Reita mal auf einen Zettel geschrieben und über die Ziffer auf die Uhr geklebt. Aber hatte Kai nicht gesagt, sie würden eher gehen heute? Und wieso konnte er die Uhr jetzt nicht mehr lesen, weil es plötzlich dunkel war? Dafür hörte er sie ticken. Das Geräusch mochte er irgendwie. Es war so gleichmäßig und veränderte sich nie, nur wenn die Uhr mal stehen blieb. Er war auch der Erste, der das bemerkte, die anderen überhörten solche Kleinigkeiten immer. Ja, Langsamsein hatte auch so seine Vorteile. Meistens jedenfalls. Nur irgendwie hatte er gerade das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte.

»Kai?« Er sah sich um. Keiner mehr da. Hatten sie nicht zusammen nach Hause gehen wollen?

In dem Moment öffnete sich die Tür und die Lampe an der Decke flammte wieder auf. Kai kam auf ihn zu und griff nach seiner Hand, zog ihn sanft mit sich. Uruha sah dabei zu, wie die Tür wieder abgeschlossen wurde, dann gingen sie durch die Flure und das Treppenhaus, bis sie schon bald nach draußen auf die Straße traten. Ohne ihre Hände voneinander zu lösen.

»Glaub ja nicht, dass ich dich heute noch mal loslasse.«

Er hatte wirklich den besten und aufmerksamsten Freund, den man sich wünschen konnte. Uruha lächelte und drückte Kai einen Kuss auf das Ohr, weil dieser sein Gesicht schon längst wieder weggedreht hatte; das zärtliche Schnauben von diesem entging ihm trotzdem nicht.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Es musste einfach sein ^^" Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (12)
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Von:  Goesha
2013-07-18T19:31:24+00:00 18.07.2013 21:31
Konsequenzen für Kai? Da bin ich ja mal gespannt was Ruki sich da einfallen lässt.
Kai haut ja so schnell nichts um... obwohl... eigentlich bräuchte Ruki nur Kais Sachen mal wirklich zu verstecken. Gott, der Ärmste findet es dann nie mehr! Nicht mal mit Aois Hilfe! XD

Aois Spruch ist aber auch der Hammer. Bisschen fies vielleicht... »Ich vermute, nur wenige Minuten später hast du dich ganz allein vor Shou entblößt, oder braucht ihr wirklich ein paar Worte von Kai, um scharf zu werden?«
Das Ruki dann aber Reita anpöbelt, nee nee nee~ da haben sich mal wieder alle lieb.

Außer Uruha, der bekommt mal wieder nichts mit. das er überhaupt weiß, das er auch atmen muss. Na gut, im Notfall hat er ja noch seinen Kai, der ihn dran erinnert, wenn er mal blau anläuft. XDD
Die beiden sind schon knuffig zusammen.
Von:  Goesha
2013-07-18T19:12:50+00:00 18.07.2013 21:12
Hach ja, die Pause hätte so ruhig und entspannend für Ruki werden können aber...das wär ja langweilig. XD
Als Shou reingeplatzt kam dachte ich schon der macht den Kleinen noch n Kopf kürzer als er eigentlich schon ist.
Und dann Kais Einwurf mit "forbidding beehive", ich hab mich so weggeschmissen vor lachen. Die anderen beiden fanden es leider nicht so lustig wie er.
Hoffentlich ist der Proberaum gut isoliert, ich kann mir gut vorstellen, das ihre "Unterhaltung" nicht gerade leise von statten ging. Und wundern würde es mich erst recht nicht, wenn Uruha, Aoi und Reita hinter der nächsten Ecke gewartet und das ganze vor der Tür Mitverfolgt hätten. Die Spanner die. XDD
Von:  Gabriella-Raynie
2013-07-18T10:22:11+00:00 18.07.2013 12:22
Owww, wie süß ^~^
Kai ist echt voll die Mami
Muss sich um alles und jeden kümmern
Aber er macht das toll und lächelt auch bei noch so viel Stress so *^*

Und wie süß er sich um Ruha kümmert
Das ist wirklich putzig
Ruha ist echt langsaich hatte selber mehrfach das Gefühl, auch langsamer zu denken, nur wegen dem xD

Er bemerkt echt gar nichts xD
Und wundert sich, dass Kai plötzlich weg ist
Aber er ist ja wieder gekommen *^*
Zu Hause darf Uruha ihn dann massieren
Innen! XD
Das hat sich so ein toller Freund wie Kai aber auch verdient *Q*
Von:  Gabriella-Raynie
2013-07-18T05:29:33+00:00 18.07.2013 07:29
Awwww, der Os ist toll :3
Wie Shou in den Pausenraum gestürmt kommt, um Ruki mal die Leviten zu lesen - und Ruki hat sofort gewusst, dass es jetzt Ärger gibt xD
Aber bei so nem Songtitel..

Und Kai sagt es voll falsch xD
Iwie echt süß
Und danke für die Übersetzung
Mit dem Bienenstock hab ich echt nichts anfangen können xD
Ich dachte zuerst, dass letzte Wort würde nichts bedeuten *hust*

Oh, und dann küssen sich Shou und Ruki, ganz wild und leidenschaftlich *^*
Süß
Ruki hatte Sehnsucht nach Shou und hat deshalb so nen komischen Song geschrieben
Shou sollte öfter bei ihm vorbei schauen, sonst wird es immer mehr solcher komischer Songs geben xD

Ach, der OS war jetzt toll *~*
die Bahnfahrt verging wie im Flug
Jetzt bin ich bald in der Hölle - ähm, ich meine Arbeit~
Wenigstens versüßt mir der OS den Morgen ^~^ <3
Antwort von: abgemeldet
18.07.2013 08:37
Jaaa, Shous unterdrückte dominante Seite kam hervor *.*
Da musste es doch in wilder Knutscherei und … äh … enden.
So hab ich das noch gar nicht gesehen.
Ruki wird echt mit Absicht ganz viele fiese Songs schreiben xDD
Er sollte auch mal dran denken, dass sein Uke vielleicht zu schüchtern ist, dauernd reinzuplatzen!

Tehehehe
Im zweiten OS dazu kommt dann raus, was nach dem Bienenstock mit Kai passiert xD
Vielleicht schaff ich den heute noch ^^

Der war jetzt wirklich mal passend da und nicht zu komischen Zeiten ^^
Konnte ich in Ruhe noch Fehler korrigieren heute Morgen, sonst hätte beehive wirklich nichts bedeutet xD
Von:  Goesha
2013-07-17T17:34:46+00:00 17.07.2013 19:34
BWAHAHAHA *sich kugel vor lachen*
So geil!! *sich lachtränen wegwisch*

Oh mann... Ruki macht Sachen.
Was aber immer alle auf sein Englisch rumhacken müssen! Er weiß sicher genau was er da schreibt.
Ob Aoi mit seine Vermutung recht hat? Wäre ja zu komisch. Shous Gesicht müsste man dabei sehen,
wenn er das zum ersten mal hört! XDD

Und wie die anderen beiden gestrahlt haben, als Kai sagte, das Aoi etwas Bewegung braucht...
Haben die eigentlich noch andere Sachen im Kopf als das eine? XD
Antwort von: abgemeldet
17.07.2013 20:03
*strahlend Taschentuch reich*
Der Titel ist einfach zu zweideutig und im ersten Moment seltsam xD
Schieben wir es auf das Übersetzungsprogramm.
Shous Gesicht kommt in ein paar Tagen dran ^^
Und … öhm … na jaa … Uruha und Kai sind bestimmt noch viel schlimmer, wenn es um Bewegung geht xD
Falls Ruha das rechtzeitig bemerkt …
\(^°^)/
Von:  Gabriella-Raynie
2013-07-17T10:37:55+00:00 17.07.2013 12:37
Haha xD Omg, dass ist geil xD
Und wie lange Aoi gebraucht hat, bis ihm klar wurde, was Beaver heißt
Okay, ich wusste es auch nicht, aber ich musste nicht nen ganzen Abend recherchieren

Ruki ist echt ein Perversling

Was der alles für Texte schreibt O.O
Er denkt auch nur an das Eine
Und wenn Shou rauskriegt, wie das neue Lied von ihnen heißt...
Waaah, ich will dazu auch einen Os! XD
Schreib bittö >////<

Das Ende war klasse, als Kai meinte, sie bräuchten Bewegung und Aoi und Reita sich gleich freuen xD
Tss, tss
Nicht diese Art von Bewegung, also wirklich
An der Arbeit wird gearbeitet!
Und nichts anderes

Und Ruha ist ein Trottel
Da haben sich echt zwei gefunden
Was für ein Chaos herrscht nur bei Urukai zu Hause? XD
....
Darüber hätte ich dann gerne auch mal einen Os ;p
Antwort von: abgemeldet
17.07.2013 12:50
Vielleicht war er ja beschäftigt und deswegen hat es so lange gedauert *.*
*wieder konzentrier*

Ruki ist aber wirklich ein ganz Schlimmer.
Wahrscheinlich meint er ja eh ein Loch, wenn auch eher … weiblich …
Oh, da kommen Ideen xD

Diese Art von Bewegung ist ja auch irgendwie Arbeit *-*
Mal gucken, wann ich die fertig krieg. Die sind ja recht kurz in der Sammlung, das geht xD
*umschmeiß und verstrahl*
Von:  --Tsuki--
2013-04-12T19:59:40+00:00 12.04.2013 21:59
Suuuper lustig, ich hab mich herrlich amüsiert! xD
Ich liebe die Dialoge und diese merkwürdigen Eigenarten, die du ihnen zugeordnet hast. Bitte mach schnell weiter :)
Von:  Ai-an
2013-04-09T15:54:09+00:00 09.04.2013 17:54
Wieder mal einfach nur echt klasse, mach daher bitte schnell weiter.
Ich will unbedingt wissen wenn Aoi das nächste mal auf die nerven geht, ob sie Uruha finden und ob Kai irgendwann auch mal etwas nicht erst ewig suchen muss
Von:  Ai-an
2013-04-09T15:33:28+00:00 09.04.2013 17:33
Einfach nur geil, war echt lustig.
Ich mag Aoi und er strapaziert so schön die nerven der anderen:-)
Mach weiter so^^
Von:  Gabriella-Raynie
2013-04-07T16:29:36+00:00 07.04.2013 18:29
Boah!
Lassen einfach den aaaarmen, verwirrten Uruha herum wandeln und gehen ihren eigenen Vergnügungen nach. Sie sollten sich was schämen xxD

Kai ist einfach immer wieder zuckersüß, wie er seine Sachen sucht ^^
Und jedes Mal weiß Aoi, wo sie sind und sagt ihm nicht wo xD Das schon echt gemein xD Aber klasse. Es macht sicher viel Spaß, dem Leader beim Suchen zuzusehen ^^
Und wie er einfach nie zu hört, wenn man ihm was erzählt. Kai ist kein guter Zuhörer :p

Dann aber böse werden, wenn Reita Uruha verliert!
Das sind die Richtigen.
Er hätte Uruha sicher auch verloren, wenn er in Gedanken gewesen wäre xxD

... So eine Chaotenband

Und diese Themen xD
Löckchen im Intimbereich xxD


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