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Tiefenrausch

Rapture of the Deep
von

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Prolog

Es war irgendwie so, als würde dein bester Freund dich verraten. Das, was für uns so lebensnotwendig war, für die ganze Erde so lebensnotwendig war, erwies sich plötzlich als langsam eskalierende Todesfalle. Wer hätte gedacht, wer hätte erwartet, dass das Ende der Welt, wie wir sie kennen, eine Apokalypse könne man sagen, ausgerechnet auf diese Art und Weise herannahte? Die Sonne. Lieferant von Wärme, Licht, Strom und nicht zuletzt Endorphinen, Vitamin D und der ach so schicken Bräune. So präsentierte die Sonne sich uns immer. Natürlich gab es einige negative Aspekte: Sonnenbrand, Dürren, Hautkrebs und Waldbrände. Aber nichtsdestotrotz liebten wir sie, oder nicht?

Die Sonne war Bestandteil von Verehrung. Einige Religionen mögen einem bei diesem Satz in den Sinn kommen, allerdings heißen doch auch noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts Menschen, die gerne in der Sonne liegen, Sonnenanbeter. Sie war der wichtigste Faktor in vielen Aspekten unseres Lebens.

Dann kam der Moment, der alles änderte. Ein Meteorit stürzte vom Himmel. Nicht so ein winziger, welcher dann irgendeinem zufälligen Passanten Superkräfte verpasst. Auch kein gewaltiger, der die Erde halb vernichtet, sondern genau richtig, könnte man sagen. Dank Astronomen und Evakuierungsmaßnahmen wurde kaum jemand verletzt oder gar getötet, ja selbst die Zerstörung hielt sich im Rahmen, doch das wahre Ausmaß der Katastrophe sollte sich erst in einigen Monaten herausstellen. Unsere klügsten Köpfe entdeckten, dass die Temperaturen auf der Erde in einem Ausmaß anstiegen, welches nicht durch globale Erwärmung oder ähnliche Konzepte erklärt werden konnte. Es stellte sich heraus, dass durch den Einschlag des Meteors die Erdumlaufbahn destabilisiert wurde und der blaue Planet sich nun dem Zentrum des Sonnensystems immer weiter annäherte, bis er wieder eine stabile Umlaufbahn fand.

Die Welt hielt den Atem an. Schneller als jede andere Meldung bisher breitete sich die Hiobsbotschaft über den Planeten aus. Als die Welt wieder ausatmete, war es Chaos, Anarchie, Endzeitstimmung, welche über die Menschheit und ihre sogenannte Zivilisation fegte. Beinahe hätte die Menschheit es geschafft, sich selbst auszuradieren, noch bevor die Sonne es tat. Dann, wieder ein paar Monate später, die Entwarnung. 'Nur' die Erdoberfläche würde nach und nach unbewohnbar werden. In den Meeren jedoch, in einigen hundert Metern tiefe, wären die Temperaturverhältnisse auch noch dann erträglich, wenn die Erde sich auf ihrer nächsten stabilen Bahn eingefunden hätte.

Bündnisse wurden gebildet, Ressourcen und Arbeitskräfte mobilisiert, denn die Wissenschaftler gaben der Menschheit knapp 20 Jahre. 2 Jahrzehnte um die Sachen zu packen, die sich in etwa 6 Jahrtausenden in Regalen und Abstellkammern so angesammelt hatten. Und die neue Behausung würde nicht viel Platz für Kitsch, Kunst und Co. lassen...

Wir kämpften gegen Naturkatastrophen, Bürgerkriege, Ressourcenknappheit und unsere eigenen Abgründe, die sich in einer solchen Stresssituation auftaten. Doch gegen alle Erwartungen haben wir es geschafft, die 'Humanity, FUCK YEAH'-Shirts wurden gedruckt und einige wenige Auserwählte erhielten das goldene Ticket, dass ihnen erlaubte, die Menschheit weiterbestehen zu lassen.

Heute müssen wir uns vor der Sonne verstecken, wie vor einem zornigen Gott, der danach trachtet, seine Schützlinge zu vernichten. Unsere Kinder und Enkelkinder wissen nicht, wie es sich anfühlt, die wärmende Sonne auf der Haut und den frischen Wind im Haar zu spüren. Alles was sie kennen, sind Halogenlampen und der Luftzug, der entsteht, wenn die Luft- und Wärmetauscher ihre rastlose Arbeit vollbringen. Sie werden nie das zwitschern von Vögeln hören, stattdessen raubt ihnen der alltägliche Lärm der Maschinen, die uns hier unten am Leben halten, den Schlaf.

Wir mussten fliehen von der Oberfläche der Erde, zurück dorthin, wo einst unsere Urahnen als Amphibien und Fischartige gelebt hatten, vor abermillionen von Jahren.

Aber wenn man unser leben heute mit dem Leben vergleicht, das wir vor drei Generationen auf der Oberfläche hatten, erscheint einem die Wahl zwischen in der Hitze verbrennen und in der Tiefe leben wie die sprichwörtliche Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Wir fristen unser Dasein dichtgedrängt in sogenannten Biosphären, ernähren uns von Fisch und Algen, atmen lauwarme, abgestanden schmeckende Luft und sind uns selbst der größte Feind. Denn auch wenn die kriege aufgehört haben, so bekommt einem die klaustrophobische Atmosphäre unserer mechanisierten Luftblasen auf Dauer nicht sonderlich. Völlig entfremdet von der Natur, eingepfercht wie Hühner in Käfighaltung, mit nichts weiter als dem, was wir uns selbst herstellen können hier unten. Für eine echte, noch haltbare Gemüsekonserve werden an den richtigen Orten Hunderte von Credits gezahlt.

Und genau da kommen die Art von Menschen ins Spiel, die schon seit Jahrhunderten vom Rest der Menschheit entweder verachtet oder bewundert werden: Abenteurer, Glücksjäger, Schatzsucher. Sie sind es, die in den Tiefen der Meere und in kurzen und wenigen Besuchen an der Oberfläche die Überbleibsel des vergangenen Zeitalters suchen. Kunst, Kultur und Konserven. Gegenstände von echten und von ideellem Wert.

Doch die Anzahl der wirklich wertvollen Dinge ist gering im Vergleich zur Konkurrenz, die man als ein solche Bergungsmannschaft hat. Und diese ist meistens mit allen Wassern gewaschen und würde selbst für ein einfaches Buch von der Oberfläche über Leichen gehen. Alles in allem ist es ein riskanter, nicht lohnenswerter Beruf, allerdings gibt es genug Geschichten von Leuten, die damit das große Glück gefunden haben. Vielleicht wurden diese jedoch auch nur von Personen gestreut, die solche Bergungscrews als billige Hilfsarbeiter für allerlei andere Drecksarbeit anheuern wollen, denn diese nehmen im Normalfall dankend an, damit wieder Geld in die Proviant- und Benzinkasse reinkommt. Alles in allem auf seltsame Art und Weise ein funktionierender Wirtschaftskreislauf. Aber in den erdrückenden, geheimnisvollen tiefen der Meere gibt es nicht mehr viel, das wirklich gewöhnlich ist und eine weite, unentdeckte Welt, wie sie sich uns heutzutage demonstriert, braucht neue Entdecker und Abenteurer, auf die eine oder andere Weise...

Kapitel 1: Landgang

---19.August 2089, Klein-Irland, Biosphäre Euratopia---
 

Es war einmal eine kleine Biosphäre namens Euratopia. In dieser befand sich eine kleine Stadt, passenderweise Klein-Irland genannt. Und in dieser befand sich ein kleiner Pub. Dieser Pub war so typisch wie jeder andere kleine Pub in den 2080ern in Klein-Irland. Es wurde getrunken, auch wenn es heutzutage nur noch synthetischen Alkohol gab, welcher zwar nicht so gut schmeckte, mit dem man sich dennoch genauso gut zudröhnen konnte, was bei aller liebe, in diesen Zeiten auch notwendig war. Es wurde Darts gespielt, vor sich hin philosophiert und auch gepokert. Nun hat Poker, wie jedes andere Glücksspiel auch, die Eigenschaft, dass es Gewinner gab...und Verlierer.

Arran war ein Verlierer.

An dem Tisch, der in einer nur dämmrig beleuchteten Ecke des verrauchten Schankraums stand, saßen insgesamt drei Personen. Ein schief grinsender Schakal dem man förmlich ansah, das er mit Pokern und anderen Geschicklichkeitsübungen sein Geld verdiente und nicht viel von Glücksspiel hielt. Er trug einen Borsalino schief auf seinem Kopf und kaute unaufhörlich auf einem Zahnstocher herum. Ein Anzug, der schon bessere Tage gesehen hatte und eine minimal hellere Schattierung aufwies als sein Fell, zierte seinen restlichen Körper. Gerade mischte er wieder die Karten während die anderen beiden sich weder von seinen ausschweifenden Ausführungen über Avancen mit hübschen Mädchen, noch von seinen Kombinationen verschiedenster Mischtechniken ablenken ließen.

Beide waren sie am Verlieren, doch für den schlanken, hochgewachsenen Hai sah es schlimmer aus. Während er immer wieder nervös die wenigen Jetons umsortierte, die vor ihm lagen, knirschte er mit den Zähnen. Seine Mutter hatte ihm immer gesagt er solle dies nicht tun, auch wenn das sinnlos war, schließlich wuchsen ihm doch andauernd neue nach... Er trug einen Shorty; einen Wetsuit mit kurzen Ärmeln, der an den Oberschenkeln aufhörte, eine Badeshorts und um den Hals baumelte eine Miniaturflaschenpost an einem Lederband. Ein wenig außerhalb der aktuellen Mode, da das 'Hey, wir leben jetzt im Wasser'-Zeitalter schon längst der typischen Nostalgie Platz gemacht hatte. Momentan waren die 20er wieder in. Die Mode der 2020er...in welcher auch der Bär gekleidet war, welcher ein wenig vor sich hin brummte.

Ein Berg von zwei Meter zehn aus flammend rotem, irischem Pelz, welcher einen grau-schwarzen Misch aus Cyberpunk und post-Apokalyptik Elementen trug, in dem viel Leder und Metall verarbeitet war. Er wirkte ziemlich bedrohlich, vielleicht auch der Grund, dass er nicht ganz so herbe über den Tisch gezogen wurde wie unser Hai-freund, welcher zwar nur minimal kleiner war als der rotbefellte, allerdings dennoch aufgrund seiner schlanken Statur relativ mager gegen ihn aussah.

Der Schakal teilte wieder aus. Arran sah mit einer Mischung aus Angst und Neugier vorsichtig unter seine Karten. Er sollte aussteigen, sich die kümmerlichen paar Piepen die noch übrig waren ausbezahlen lassen und sich dann zumindest noch halb nüchtern in die Koje hauen. Als sein Blick auf die beiden Könige fiel, waren sämtliche bedenken wie weggeblasen. Er versuchte sich nicht anmerken zu lassen was er da auf der Hand hatte, setzte seinen Blind und wartete ab. Die Gebote blieben niedrig. Der Schakal schien ebenfalls kein gutes Blatt zu haben...oder zumindest zu Versuchen, ein bisschen mehr Geld nach dem Flop herauszulocken.

Der Flop wurde aufgedeckt, begleitet von einem unwilligen brummen des Bären. Eine 6...Ein Bube...Und ein König. Arran frohlockte. Scheiße jetzt war seine Zeit gekommen...allerdings hatte er kaum noch Jetons zum setzen. Am liebsten hätte er sich seine Zunge abgebissen. Wie sollte er an mehr Kapital kommen ohne zu offenbaren, dass seine Karten fetter waren als ein schlachtreifer Wal? Der Kartengeber sah grinsend in die Runde, allerdings wirkte es jetzt minimal aufgesetzt oder war Arran einfach so im Siegesrausch, dass ihn seine Menschenkenntnis im Stich ließ?

„Na Rotpelz? Entscheide dich, wir haben nicht ewig Zeit.“ kam es von der Spielernatur. Der Angesprochene schob ein paar Jetons hin und her, brummte dann ein „Check.“

Der Blick des Schakals ruhte nun auf Arran. „...Check.“, kam es von diesem nach einem Moment des Zögerns.

Verdammichnocheins, er konnte diese glorreiche Hand doch nicht einfach vorbeiziehen lassen, aber was sollte er tun? Der Schakal deckte stillschweigend eine weitere Karte auf. Normalerweise hatte er spätestens im Flop erhöht, das war ein gutes Omen oder nicht? Eine 2 kam an das Tageslicht, eine Straße in Feindeshand wurde immer unwahrscheinlicher. Gut das Haie im Normalfall nur zwei Gesichtsausdrücke hatten: fies und fies grinsend, so war es leichter, ein Pokerface zu bewahren.

Plötzlich schob der Hüne all seine verbliebenen Jetons in den Pot und brüllte fast ein „All In!“

Arran grinste innerlich, setzte nach außen hin jedoch ein leicht frustriertes Gesicht auf, als die Blicke seiner beiden Spielpartner zu ihm herüber wanderten. „Tja...ich würde ja jetzt mit meinen...“ er sah sich seine Chips an. „...24 Creds all in gehen...aber naja...“ er bemühte sich Zeit zu lassen um nachgrübelnd zu wirken. „Akzeptierst du auch feste Werte?“

Der Schakal zuckte mit den Schultern. „Kommt ganz drauf an, was du zu Bieten hast...ein Foto deiner Mutter wäre eher nicht so mein Fall...“

Arran knurrte, versuchte sich aber mit den Gedanken an das ganze Geld, das er gewinnen würde, zu beruhigen. Selbst wenn er den Schakal mit seinem Einsatz verscheuchen würde, so wäre das Geld von dem Bären zumindest fast so viel, wie er vorher besessen hatte, was bedeutete, dass, gemessen an dem Unterhaltungswert, den die Pokerrunde hatte, er irgendwie doch ein Gewinner war...zumindest wenn er es sich ganz lange einredete.

„Ich würde ja nicht ganz so übertreiben aber...“ er zog einen Schlüssel aus der Hosentasche. „halbe Boote sind glaube ich nicht ganz so geil...“ er warf ihn auf den Pot. „Aal Klasse, zwei modifizierte Harpunen zur Waljagd, gepanzertes Schiffschassis und last but not least eine spitzenmäßige Lackierung, noch unbeschädigt, kein Kratzer, getönte Scheiben.“

Meister Petz fielen fast die Augen aus dem Schädel, doch der Schakal behielt seine ruhige Maske aufrecht. „Klingt nicht schlecht, mein Lieber.“ Er sah auf seine Jetons herab. „Ich hoffe, wenn du schon mit Booten bezahlst, dass ein wenig Bargeld auch erlaubt ist...“ Ohne dass ihm sein schiefes grinsen aus dem Gesicht wich, holte er seine Tasche vom Boden hervor und griff hinein um eine kleine Schließkassette hervorzuholen. Nach und nach zählte er Scheine ab, die er zu Stapeln sortierte. „250.000 Credits, für ein Schiff aus zweiter Hand mehr als genug.“ Er schob die Stapel zu den Jetons und dem Schlüssel, schloss die Kassette sorgfältig wieder ab.

'Scheiße, scheiße, scheiße...' Ging es dem Hai durch den Kopf. Mit dem Herrn war nicht gut Kirschen essen. Die letzte Karte wurde von dem Schakal aufgedeckt, welcher nun doch eher konzentriert als locker wirkte. Ein Ass.

Der Bär grollte, schmiss die Karten hin, sprang so schnell vom Tisch auf, dass sowohl Arran als auch der Schakal in Deckung gingen, doch anstatt aus den beiden Geschnetzeltes zu machen stürmte er nur Richtung Ausgang, riss die Tür halb aus den angeln und verschwand in die Nacht. „Hui...was für ein Temperamentsbolzen.“ murmelte die Spielernatur. „lass sehen, Fischkopf.“

Arran verengte seine Augen zu schlitzen. Irgendwie war der Kerl zu schnell ruhig geworden, als hätte er die Reaktion des Hitzkopfes erwartet. Auch er war kein Weichei, hatte schon die ein oder andere Stresssituation durchlebt und doch schlug ihm jetzt noch sein Herz bis zum Hals. „Friss das, Schwarzpelz!“ grollte er, deckte die beiden Könige auf.

Die Augenbrauen des Schakals gingen schlagartig nach oben, damit schien er nicht gerechnet zu haben. „nicht schlecht nicht schlecht.“ er deckte nun ebenfalls langsam seine Karten auf, eine 8 und eine 2. „Sieht so aus...“

Arrans leben, jeder Misserfolg zog an seinem inneren Auge vorbei, endlich hatte er mal Glück! Endlich! Seine Pechsträhne hatte ein ende! In Zeitlupe sah er, wie sich die Lippen des Schwarzpelz bewegten. „als hätte ich...“ verloren, ja du hast verloren mein lieber und ich bin reich! „...gewonnen..."“

WAS? Wie kann das? Oh scheiße! Arrans Augen huschten wieder auf den Tisch. Fünf Herzen...auf den Tisch lagen fünf herzen...drei bei den Gemeinschaftskarten...und zwei auf der Hand des Schakals... „Das....gibt es doch...“ Arran sprang auf, Adrenalin pumpte durch seine Adern, seine Hand wanderte reflexartig zu der Hosentasche in der er seinen Taser hatte, doch als er aufschaute, um Maß zu nehmen, blickte er in den Lauf einer Pistole.

„Versuch erst gar nicht dein Elektrospielzeug zum Einsatz zu bringen oder ich puste dir deine wenigen verbliebenen Hirnzellen raus. ich hab gewonnen, fair und korrekt. Wenn du damit deine Probleme hast, geh dich doch bei deiner Mama ausheulen.“ Der Schakal grinste während so ziemlich alle Augen in der Bar auf die beiden gerichtet waren.

Arran setzte sich wieder hin, konnte den Blick nicht von seinem gegenüber abwenden. Er hätte ihn jetzt des Falschspiel bezichtigen können, aber er hatte weder beweise, noch war er gerade klar genug im Kopf dafür. Das Spiel war aus, der Gewinner nimmt alles, der Verlierer bleibt auf einem Häuflein Asche sitzen. Wieder wollte er sich seine Zunge abbeißen, aber noch lieber die des Schakals.

„Waffe auf den Tisch, sofort.“, peitschte ihm der Schwarzpelz entgegen. Arrans Hand verkrampfte und bewegte sich mit dem Taser in der Hand langsam in Richtung des Tisches, wo er selbigen fallen lies. Mit einem leichten tritt rückte sein gegenüber den Stuhl auf dem er saß ein wenig zurück, legte dann die Pistole auf den Tisch. „Aber eins musst du mir erklären, mein Lieber...“ setzte er an, als er gerade dabei war seinen Gewinn ordnungsgemäß zu verstauen und sich ab und zu verschwörerisch und wachsam umzusehen. „Wer bitte setzt ein gottverdammtes Boot mit einem Königsdrilling?“

Arran seufzte. Ja, er war ein ziemlicher Idiot gewesen zu glauben dass er damit durchkam...aber zu seiner Verteidigung war zu sagen, dass er schon ein paar SynthGuinness intus hatte. „Ich...ich...na ja...es sah einfach scheiße aus für euch beide und ich dachte ich könne euch raus bluffen, okay?“

Der Schakal kicherte. „Ein ziemlich hohes Lehrgeld, dass du da abdrücken musstest...und ich dachte ich würde heute nur ein paar jämmerliche Kröten verdienen, aber du, meine kleine rosa Glücksfee, hast den heutigen Tag zum besten seit, lass mich nicht lügen... sicherlich einem halben Jahrzehnt gemacht...“Unruhig bewegte sich die Schwanzflosse des Hais hin und her, die Zähne knirschten so Laut, dass selbst die beiden Kater vom Nachbartisch ihr Fell sträubten bei dem Gänsehaut verursachenden Geräusch.

Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis der glückliche Gewinner sein Geld und den Schlüssel eingesteckt hatte und sich auf die Pfoten machte. Generös wie er war, zahlte er noch die Zeche für den gesamten Tisch, gab ein großzügiges Trinkgeld und ließ ein Häufchen Elend an dem Pokertisch zurück, der dem Verlierer auf einmal fiel zu groß erschien. Noch nicht mal ein neues Bier konnte er sich leisten, um damit seinen Kummer herunterzuspülen. Nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit, schaffte er es, sich aufzuraffen und sich aus dem Pub zu schleifen. Mit einem Geräusch wie ein Pistolenschuss fiel die Tür hinter ihm zu und die nächtliche Seitenstraße baute sich vor ihm auf. Matt beleuchtet von Straßenlaternen, welche von der Decke hingen, welche einen knappen Meter über den einstöckigen Gebäuden lag, die sich um ihn herum drängten.

Langsam schlurfte er über die Straße, starrte dabei seine Beine an und sah nur ab und zu einmal hoch, um durch das Straßennetz zu navigieren. Das war so ziemlich der schwärzeste Tag in seinem Leben, vermutlich sogar in dem seiner Verwandten, Vorfahren und deren Verwandten. Er war ein verdammter Seesöldner. Er verdiente sein Geld damit, für andere Leute die Drecksarbeit zu erledigen, um damit Expeditionen zu Orten zu machen, wo sich lohnende Schätze verbergen konnten... im Meer oder an der Oberfläche. Ohne U-Boot wäre er nichts weiter als ein zwielichtiger Tagelöhner ohne das nötige Werkzeug für den einzigen Job, in dem er gut war. Während er so vor sich hin sinnierte über bessere Zeiten und was die Zukunft für ihn hätte bereithalten können, wäre er nicht so töricht gewesen und auf diesen verdammten Kartenpfuscher hereingefallen, zog das wenige Nachtleben, das hier existierte an ihm vorbei. Denn auch wenn man in der Tiefe, in der die Biosphäre sich befand, kein Tageslicht mehr sehen konnte, so versuchten die Einwohner doch einen regelmäßigen Tagesrhythmus einzuhalten, damit nicht alles außer Kontrolle geriet. Und so war es auch hier üblich, dass die einzigen, die sich noch draußen herumtrieben, diejenigen waren, die von vorneherein weniger mit der geordneten Gesellschaft zu tun hatten: Alkoholiker, andere Drogenabhängige, Prostituierte, deren Freier und jugendliche Halbstarke, die das Nachtleben ach so geil fanden.

Arran kam an einem platz vorbei, auf dem sich gerade eine einzelne Person am postieren war, anfing mit einer Glocke zu bimmeln und lauthals das Ende proklamierte. Dass die Menschheit sich doch in ihre Schiffe begeben solle und aufsteigen solle zur Sonne um dort mit einem schmerzerfüllten Lächeln auf den Lippen zu vergehen. Es war einer dieser Freaks vom 'Kult der Geblendeten'. War damals noch Sonnenanbeter ein neutrales Wort für Leute, die gerne sonnenbadeten, so war es heute ein Schimpfwort für Psychopathen wie diese.

Der Mann brüllte noch eine kurze Weile weiter, bevor ein paar Sicherheitsleute vorbeikamen, ihn niederschlugen und einsackten, ohne dass das Gebrüll merklich abebbte, bis diese ihn in eine Seitengasse gezogen hatten.

Arran bemerkte diese ganze Szene nicht wirklich. Nicht etwa weil er so niedergeschlagen war, sondern eher weil solche Dinge an der Tagesordnung waren, wenn man hier lebte. Man gewöhnte sich einfach irgendwann an Dinge, die sowieso drei- bis viermal die Woche geschahen. Als er jedoch gerade im Begriff war, den Platz zu verlassen, fiel sein Blick auf etwas ganz in seiner Nähe. Er hob den Kopf, starrte auf das schwarze Brett, an dem verschiedene Gesuche, Angebote und Meldungen standen. Ein schreiend bunter zettel hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er schlurfte auf die Tafel, welche an der Vorderwand des Gemeindezentrums des Viertels befestigt war, zu und sah sich den zettel an.Mühsam versuchte er das Schriftstück, das aus der Hand eines sechsjährigen Mädchens zu stammen schien, zu lesen. Der Inhalt strafte die Vermutung über das Alter der Autorin lügen.
 

Du bist jung, männlich und so heiß wie eine Fischbulette auf dem Grill?

Dann könntest du genau der Richtige für uns sein!<3

Erhitze uns einen kalten Abend in der Tiefe

zieh dich aus, lass die Muskeln spielen

und zeige uns, was es für erwachsenere Spielchen als Topfschlagen

auf einer Geburtstagsparty gibt. <3

Feuerwehrkostüm wird gestellt,

Bezahlung nach Vereinbarung.
 

Dann folgte eine Telefonnummer, und das man sich nach 'Chips' erkundigen solle. Chips, was für ein seltsamer Name, auch wenn Arran glaubte, ihn schon einmal gehört zu haben. Er verwarf den Gedanken gleich wieder, vermutlich musste er nur an Fish 'n' Chips denken. Und zu viel nachdenken über Nahrungsmittel war nicht gut, wenn man nicht mehr viel Geld auf der hohen Kante hatte. Ohne es so recht wahrzunehmen hatte er den Zettel von der Wand genommen und ihn eingesteckt.

Mühevoll eiste er sich von der Wand los, die ihm die letzten Minuten so pflichtbewusst als Stütze gedient hatte und schlurfte weiter. Es dauerte nicht lange und er kam endlich bei sich zuhause an und schloss die Tür auf. Eine kleine Mietwohnung. Quasi eine Wohnschlafküche mit Klo hinten dran. Arran war ohnehin nicht oft hier, sodass ihm nie aufgefallen war, wie jämmerlich es hier aussah. Meistens schlief er sogar in seinem Boot. Der Gedanke daran, dass er nun sehr viel mehr Zeit in diesem Drecksloch verbringen würde, zauberte nicht gerade ein Lächeln auf sein Gesicht. Die Tatsache, dass er vergessen hatte, sein Boot von all den Essensresten zu säubern, bevor er es abgegeben hatte, schon eher.

Achtlos streifte er seine Kleidung ab, warf sich auf die Schlafcouch und stierte an die Decke. Eine ganze Weile lag er so da und konnte nicht so recht weg dösen oder gar einschlafen. Dann fiel ihm der Zettel auf, welcher aus seiner Hosentasche gerutscht war, als er diese auf den Boden geworfen hatte. Er war immer noch so bunt, dass es fast in den Augen wehtat. Angestrengt angelte er nach dem Zettel, ohne von der Couch aufstehen zu wollen und schaffte es sogar, kurz bevor er unsanft auf dem Boden gelandet wäre. Umständlich faltete den zettel auf und las immer wieder die paar obszönen Zeilen, dann sah er auf die Uhr. In fahl-grünen Ziffern erklärte ihm diese, dass es gerade sieben nach zwei Uhr nachts war. Mit einer unglaublichen Anstrengung hievte er sich wieder hoch, ging hinüber zu seinem Haustelefon, welches neben seinem Kühlschrank, naja es war eher eine Kühlkommode, stand. Dann wählte er die Nummer. Es klingelte zwei mal, dann hob jemand ab. „Hallo? Verzeihung wegen der Uhrzeit, aber könnte ich mit einer gewissen Chips sprechen?“

Kapitel 2: fremde Gestade

---20. August 2089, Klein-Irland, Biosphäre Euratopia---
 

Der Nachmittag brach allmählich herein, als sich ein vom vielen Schlaf schon fast wieder ermüdeter Hai aus dem Bett, beziehungsweise der Schlafcouch quälte. Mit seiner Schwanzflosse balancierte er seinen Gang aus, während er zu seiner Küchennische herübertorkelte. Seine Hände streckten sich Hilfe suchend nach der Schrankreihe vor und krallten sich an dieser fest, leichte Kratzer auf dem sowieso schon ramponierten Holzimitat hinterlassend. Nachdem er sich so stehend versichert hatte, dass die Biosphäre aufhörte, Saltos zu schlagen, ließ er vorsichtig von der Theke ab und drehte mit einer Hand den Kaltsalzwasserhahn auf, während er mit seiner Schwanzflosse dem Kühlschrank einen Stoß versetzte, der so heftig war dass die Tür, welche eindeutig schon bessere Tage gesehen hatte, queitschend aufschwang. Die Becken der aktuellen Zeit unterschieden sich eigentlich nicht sonderlich von den Becken, wie es sie vor 60 Jahren gab, bis auf die Tatsache, dass sie vier Ventile besaßen. Zwei für Süß- und zwei für Salzwasser. Die Bewohner waren dazu angehalten für so viele Zwecke wie möglich Salzwasser zu benutzen, da Süßwasser sehr viel schwerer zu beschaffen war und deswegen streng rationiert wurde. Er wusch sich das Gesicht und trank auch ein paar Schluck von dem kühlen Nass, welches aus dem Metallhahn sprudelte. Das war einer der Vorteile, eigentlich ein Brackwasserlebewesen zu sein...er vertrug kleinere Mengen normales Salzwasser problemlos.

Nachdem er wieder einigermaßen klar im Kopf war, drehte er das Wasser ab und bückte sich hinunter zu seinem Kühlschrank. Seine dunkelgelben Augen wanderten durch die Fächer, die zugestellt waren mit leeren oder vergammelten Nahrungsmittelkartons und -dosen, dem ein oder anderen Kleidungsstück, dass er, als er schnell aufräumen musste weil weiblicher Besuch anstand, einfach dorthin geräumt hatte, und einer Tube Zahnpasta. Er zuckte mit den Schultern, nahm sich die Zahnpasta und las ihre Rückseite während er sich auf den Weg zum Bad machte. Dort angekommen schnappte er sich seine Zahnbürste und putzte sich die Zähne, dann verdrückte er den Rest der Tube. Der stechend-minzige Geschmack und die Konsistenz ließen ihn sich schütteln während er anfing, sich anzuziehen. Er steckte noch alles wichtige ein, dazu den Notizzettel mit der Addresse seiner potentiellen Arbeitgeberin, dann machte er sich auf den Weg zu dem... Bewerbungsgespräch.

Während er so durch die, im Vergleich zu gestern Nacht, um einiges belebteren Straßen schlenderte, sinnierte er über seine neue Berufsperspektive. Natürlich war es nur ein einziges Zufallsangebot, aber Stripper, das wäre doch vielleicht was. Er sah nicht allzu schlecht aus und hatte keine Probleme vor Frauen nackt zu sein. Eigentlich die perfekten Anlagen. Was anderes fiel ihm auch nicht gerade ein, um sich unter Wasser zu halten. In den Biosphären selbst waren Söldner, Tagelöhner und Abenteurer nunmal weitaus weniger gesucht und er war nicht gerade heiß darauf, in illegale Geschäftsbereiche abzurutschen.

Während er sich an den Leuten vorbeidrängte, die entweder gerade auf dem Weg zur Arbeit, auf dem Weg von der Arbeit nach Hause oder zu einer der wenigen Freizeitmöglichkeiten waren, kam er auf die Große Plaza mitten im Herz von Klein Irland. Die Wichtigkeit dieses Ortes war vor allem daran zu erkennen, dass die Decke höher wurde und in der Mitte eine Statue stand, welche eine Meerjungfrau darstellte die auf dem Irischen Wappensymbol, der Harfe, spielte. Um sie herum war ein Brunnen angelegt worden und ein paar Wasserdüsen versprühten ein zurückhaltendes, aber dennoch schön anzusehendes Wasserspiel. Für die meisten Bewohner Klein-Irland war dies jedoch nichts neues und so wurde einer anderen Besonderheit der Plaza mehr Aufmerksamkeit geschenkt, nämlich dem Nachrichtenmonitor, welcher sich vor der Hauptverwaltung der Stadt befand. Einige Leute scharten sich um die übermannshohe Säule, um die neuesten Geschehnisse in Euratopia und Umgebung zu erfahren. Heutzutage gab es keine direkte Zeitung mehr. Es gab kaum anständiges Papier, sodass diejenigen, die unbedingt darauf bestanden, eine physische Kopie bestimmter Nachrichtenthemen eines Tages zu erhalten, dafür einfach eine Gebühr in der Verwaltung bezahlten.

Auch Arran konnte sich seiner Neugier nicht erwehren und warf einen Blick auf die in regelmäßigen Abständen wechselnden Themengebiete. Gerade wurde die Sparte 'Internationales' angezeigt:

Schachteinsturz in einer Unterseemine in der Nähe der 'Schmiede', drei Schiffe vermisst, ein weiteres samt Mannschafft zerstört.

Die 'Schmiede der Tiefe' war eine etwas kleinere Biosphäre in der Nähe Skandinaviens, welche weniger als klassische Überlebenssphäre, sondern eher zur Produktion von Gütern konzipiert wurde. Ein Schachteinsturz bedeutete, dass die nächsten Monate die Stahlpreise ordentlich in die Höhe gehen würden...das heißt auch die Bootspreise...Mist. Arran schnappte kurz in die Luft vor Frustration, eine Otterdame neben ihm zuckte zusammen, ihr Kopf ruckte zwischen dem Monitor und ihm hin und her, dann beschloss sie, das Weite zu suchen in einem Tempo das man als zivilisierte Flucht bezeichnen könnte. Arran las weiter, bei einer anderen Nachricht blieb sein Blick hängen.

Phantomschiff bei der Straße von Gibraltar entdeckt, Scans des Patroullienschiffs ergaben dass es ohne Crew fuhr und laut Aussage des Kapitäns war es verschwunden vor der Sichtgrenze. Dies ist die dritte verzeichnete Begegnung mit ähnlichen Schiffen in vier Monaten

Er verdrehte die Augen. Es war weithin bekannt, dass die Grenzwächter eine Truppe von Trunkenbolden und Idioten waren, die gerade soweit ausgebildet waren, bei Gefahr einen Funkspruch abzusetzen damit die ordentliche Kavallerie anrückte. Er schaute noch ein wenig weiter, doch bevor er den Artikel 'UAPA rüstet auf, Beginn des dritten Weltkrieges?' lesen konnte, blätterte der Monitor weiter zum Feuilleton, sodass sich sein Interesse schnell in Luft auflöste. Der Hai streckte sich kurz seufzend, während er sich langsam von dem Monitor entfernte. Langes stehen bereitete ihm immer ein wenig Unbehagen. Sein Blick begann wieder umher zu schweifen, aber da die restlichen Gebäude an der Plaza entweder der Regierung gehörten oder Restaurants und ähnliches waren und er gerade kein Geld für teures Essen verschleudern konnte und wollte, machte er sich wieder auf in Richtung potentielle Geldquelle.
 

Es dauerte eine kleine Weile, da er durch halb Klein-Irland musste, um in das Viertel zu kommen, in dem 'Chips' wohnte. Als er in die akute Nähe kam, stockte er kurz. Sein Blick schweifte über die Häuser. Sie waren zweistöckig. Der Teufel sollte ihn holen, das Mädchen mit dem er in der Nacht telefoniert hatte, gehörte zu den oberen hundert der Stadt...wenn nicht sogar der gesamten Sphäre! Staunend schlenderte er durch die ungewöhnlich sauberen Straßen, man mochte fast sagen, er lustwandelte. Fast wäre er geflissentlich an ihrer Tür vorbeiflanniert, dann fiel ihm jedoch die Hausnummer auf. Er drückte auf die Klingel, welche sich am Tor eines kleinen Vorgartens befand, in dem sich sogar echte Pflanzen befanden. Seine Aufmerksamkeit war sofort gefesselt, sodass er nicht bemerkte, wie ein fein angezogener, etwas gedrungener Mastif sich aus dem Schatten schälte den das Haus warf. Mit einem abschätzigen Blick musterte. "Sie wünschen?"

Arran zuckte zusammen. "Huch...der war aber vorher noch nicht hier, ich meine ähm, ich bin Arran."

Eine Augenbraue hochziehend antwortete der angesprochene nur: "Aha. Sie wünschen?"

Der Hai verzog verstimmt das Gesicht. Wäre er zu mehr Gesichtsmimik in der Lage gewesen hätte es ausgesehen als hätte er eine Schnute gezogen. "Ich wurde eingeladen von einer gewissen Chips, die wohnt hier doch oder?" Wenn er sich verschrieben hatte in seinem halb betrunkenen Zustand, dann würde dies jetzt eine ziemlich peinliche Angelegenheit werden...

"Ja, Miss Chips wohnt hier. Ich werde sie anmelden." Es klang eher nach einem 'Ich werde schauen ob sie nicht nur ein Obdachloser sind den Miss Chips in einer betrunkenen Minute in einer Gasse gefunden und dann eingeladen hat.' Vor allem, da Arran nicht hineingebeten wurde, sondern von dem Butler einfach am Gartentor stehen gelassen wurde.

Minute um Minute verging und er hatte schon ein wenig das Gefühl, dass irgendwer jetzt an einem der Fenster stand und ein Video für 'Euratopias lustigste Idioten' filmte. Da die Serie aber nach Staffel 1 abgesetzt worden war, schob er die Zweifel beiseite und fing an von einer leicht überhängenden Pflanze Blätter abzuzupfen. Echte Pflanzen schön und gut, aber er konnte einem Lebewesen, das weder schrie noch sich wehrte einfach keinen Respekt entgegenbringen. Eine kurze Weile sah er sich die Blätter genauer an, beschloss dann, sie einem Geschmackstest zu unterziehen und schob sie sich in den Mund, um eine Weile auf ihnen herumzukauen.

Der Mastif kam gerade wieder heraus, als Arran das Gesicht verzog und die bitter schmeckende Masse mitten auf die Straße spuckte. Ein Knurren entfuhr dem Butler. Kein leises unterdrücktes, sondern eines dass man auch noch hören könnte, wenn man am anderen Ende eines Kleingartens stand. Der Übeltäter ruckte zusammen, doch Herr Butler hatte seine Beherrschung schon wiedergefunden und trat wieder an ihn heran. "Miss Chips wünscht sie nun zu sprechen. Es wäre uns genehm, wenn sie auf dem Weg zu ihr nicht anfangen würden, auf dem Dekor herumzubeißen."

Na das konnte ja heiter werden, dachte der nun etwas peinlich berührte Arran, als er dem Hund ins innere des Hauses folgte.

Die beiden gingen durch eine Eingangshalle mit Garderobe und da Arran keine Jacke trug, machte der Butler auch keinen Zwischenhalt. Er führte ihn in ein Treppenhaus, das von einem Flur abzweigte, der mit einigen Bildern behangen war, die allesamt Katzen zeigten. Männliche wie weibliche, alt, jung, dick, dünn. Allerdings sahen sie sich allesamt irgendwie ähnlich und waren ebenfalls allesamt von der selben Rasse. Arran kannte sich damit nicht so gut aus. Er war so ein typischer Hundekerl. Bei denen wussten viele: Das ist ein Dackel, das ein Boxer und der Butler hier war ein Mastif. Auch wenn das eigentlich egal war. Aber bei Katzen: Die da hat kurze Haare, die da lange und die da ist so hässlich nackt, was bedeutete dass sie entweder eine dieser komischen neumodernen war oder eine Crystal-Meth Abhängige. Die Katzen auf den Bildern jedenfalls waren relativ langhaarig. Die Treppe führte zu einem weiteren Flur, welcher mit anderen Bildern behangen war, von denen ein paar so aussahen, als seien sie relativ teuer. Der Butler hielt vor einer der Türen an, klopfte zweimal. Eine weibliche Stimme maunzte ein. "Herrein~", dann öffnete dieser die Tür während er stramme Haltung annahm und ihn keines Blickes mehr würdigte, sondern wie eine Salzsäule die Tür aufhielt. Arran musterte den Herrn eine Weile, bevor er sich mit so viel Abstand wie möglich an ihm vorbeidrängte um hinein zu gelangen.

Der Raum, der sich nun vor ihm erstreckte, war eindeutig ein Arbeitszimmer. Das war leicht zu erkennen, da er durch einen schweren Schreibtisch dominiert wurde, hinter dem sich ein Lehnstuhl befand, welcher mit der Rückenlehne zur Tür zeigte. Davor stand ein weiterer, einfacher gehaltener Polsterstuhl. Die Wände waren behangen mit der ein oder anderen Urkunde, dazwischen ein paar Kleinodien, die alle sehr orientalisch wirkten. Besonders stach ein Säbel hervor, der um so beeindruckender wirkte, weil er so aussah als wäre er tatsächlich einmal in Gebrauch gewesen. Seine Aufmerksamkeit wurde nun wieder auf den Lehnstuhl fokussiert, als dieser sich langsam drehte. Auf diesem fand eine grinsende Katze im Schneidersitz Platz. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Stuhl wohl für jemanden gebaut war, der ein gutes Stück breiter als die Norm war, sodass sie fast ein wenig verloren darin wirkte. Sie trug ihr rückenlanges, blondes Haar offen und blitzte ihn aus ihren tiefblauen Augen an. Das auffälligste an ihr war wohl, dass ihr Fell das unter einem luftigen violetten Hemd und einer dazu passenden Pluderhose hervorlugte. einen türkiston hatte, offensichtlich gefärbt. "Ich habe sie errrwartet, Mr Strrriper...", schnurrte sie leidenschaftlich bevor sie in ein bösewicht-mäßiges Kichern verfiel.

Die Tür hinter ihm fiel mit einem Klicken zu, auch wenn der Hai glaubte, hinter sich vorher noch ein missbilligendes Knurren gehört zu haben. "Ja, das hatte ich erwartet.", murmelte er, während er sich zum Tisch hinbewegte. "...schließlich haben wir gestern telefoniert." fügte er schließlich hinzu.

"Nehmen sie doch Platz...Wir haben Verrrrhandlungen zu führen" Diesmal betonte sie das 'r' noch stärker.

Er setzte sich auf den Stuhl, dann verzog er ein wenig das Gesicht. "Ich würde es bevorzugen wenn sie mich nicht dauernd so nennen würden. Ich heiße Arran und das hier ist nur ein Gelegenheitsjob für mich, um mich finanziell unter Wasser zu halten."

"Nunja, Mr Arrrrran." Also jetzt übertrieb sie es wirklich."Sie wollen also bei meiner Geburtstagsparty die Hüllen fallen lassen?"

Von wollen kann nicht wirklich eine Rede sein, dachte er. Trotzdem lautete seine Antwort: "Ja, wenn die Bezahlung stimmt."

Die blonde Mieze nickte ein paar Mal, mehr zu sich selbst als zu ihm. "Gut, Gut, Chips braucht noch eine schöne Versüßung für ihre Feierrr, die letzten waren ein wenig...trocken..." Jetzt sprach sie auch noch von sich in der dritten Person...

"Nun gut...'Chips'." Arran seufzte und setzte nun sein Business-Face auf. "Spaß bei Seite, ich will das jetzt geklärt haben. Ich bin ein sehr beschäftigter Mann." Lügner, zu Hause wartet nur ein Papiertaschentuch und ein Stapel schmutziger Heftchen auf dich.

Auch sie schien für einen Moment wirklich ernst zu werden. "Also gut. Übermorgen feiere ich meinen 21. Geburtstag. Ich habe ein paar Freundinnen eingeladen und will in meinem Boot feiern. Du wirst uns den Abend verrrsüßen." fast schon lustvoll rollte sie wieder das 'r'. "Danach machen wir einen kleinen Tauchgang, du kannst ja im Boot warten." Erst freute er sich, doch dann fiel ihm auf, dass sie höchstwahrscheinlich dieses Boot gar nicht selbst fuhr und einen Chauffeur oder sowas hatte. Außerdem wollte er nicht als Straftäter gelten. Sie setzte fort: "Für die ganze Angelegenheit zahl ich dir...hmm, lass mich überlegen...zehntausend credits, klingt das gut?"

Gut? GUT? Oh du meine Güte, reiche Leute wissen nicht mit Geld umzugehen. Arrans Herz machte einen Sprung. Er grinste breit, was zu seinem Glück leicht fehlinterpretiert werden konnte, da er immer aussah als wäre er leicht verstimmt wenn er so grinste. Man hätte es fast ein Haifischgrinsen nennen können. "Natürlich...Zehntausend klingt gut...ja...Standarttarif für Leute wie uns.", na klar, als ob er Ahnung von solchen Dingen gehabt hätte.

"Gut" maunzte sie doch nicht gerade unbegeistert. "Ich hatte zwar etwas fluffiges erwartet, aber du hast diese 'Bad-Boy'-Attitüde, das mag ich~" wäre in den letzten Worten ein 'r' gewesen, hätte sie es bestimmt gerollt. Sie stand auf. "Ich sehe dich dann Morrgen~ sei so um Fünf am Hafen, dann hast du eine Stunde Zeit, warrrm zu werden~" Sie ging zu einem Schrank in der Ecke und öffnete ihn. Zwischen den Akten lag ein in gelbes Plastik eingewickeltes Paket, das irgendwie so aussah als sei es hastig dort hineingestopft worden. Die Katze holte es heraus, hüpfte fast zu ihm zurück. "Hier..."

Plötzlich waren Stimmen vor der Tür zu vernehmen. "Oh Sch...alt gewordene Milch! Mist, verdammter!" raunte sie, drückte ihm dann eilig das Paket in die Hand. "Komm schnell, du musst..." Panisch zog sie ihn Richtung Fenster, entschloss sich dann aber anders als die Tür schon einen Spalt aufging und der Schrank immer noch offen stand. Sie hechtete, ihn immer noch an einem Arm mitziehend Richtung Schrank, ließ ihn auf Höhe des Schreibtisches los und zog den Schrank von innen zu. Arran sah verwirrt Richtung Tür, suchte ein Versteck. Das Fenster war geschlossen und zu weit entfernt. Die Tür hielt kurz inne. Eine männliche Stimme, ebenso das 'r' betonend wie Chips schnurrte ein. "Das hierrr, ist mein...Arrrbeitszimmer. Hier kommen nurrr die wichtigsten Perrrsonen rreeein." 'Oh Mann...', dachte sich Arran. 'Der Kerl übertrieb es echt.' Doch diese Schnurrerei wurde von einem weiblichen Kichern belohnt. Arran sah sich weiter um. Das einzige Versteck, dass auch nur im geringsten Erfolg versprach...war der Schreibtisch. So leise er konnte schob er den Stuhl zurück, kletterte in die freigewordene Nische zwischen den beiden Schreibtischseiten und zog den Stuhl wieder heran. Er war ja sowas von geliefert. Glück für ihn, dass der Schreibtisch einer von der Sorte war, die nach vorne hin geschlossen waren.

Die Tür fiel mit einem Klicken ins Schloss. Nun hörte er zwei Personen, welche den Raum betraten. Eine ziemlich fette, gefolgt von einer relativ leichtfüßigen, jedenfalls im Vergleich zu der ersten Person. Mitten im Raum schienen sie stehen zu bleiben. "Oh, Mr. MacPurrson, ich wusste ja nicht, dass sie so ein Abenteurer sind...wieviele Piraten haben sie mit diesem Säbel erschlagen?" Die weibliche Stimme war für Arrans geschmack zu hoch, spitz und aufgesetzt. Eindeutig eine Professionelle...

Der Mann lachte so laut, dass der Raum zu erbeben schien. "Oh nein, ich bin ein Fechter mit Worrrten und Werrrtpapieren, das ist der Säbel meines Ururgroßvaters, Mahesh Purrakash. Sie müssen wissen..." er klang so als würde er ein wenig durch das Zimmer wandern. "...unsere Familie stellte vor wenigen Jahrzehnten noch für Generationen die Leibwächter des Scheichs von Manipurr, bis mein Ahne beschloss, sein Glück in Grrrroßbritannien zu suchen."

"Na das klingt ja fürchterlich interessant, Mr. MacPurrson." Die Frau war eine viel schlechterte Lügnerin als er, stellte Arran fest. Sie tappste nun herüber zum Schreibtisch schien sich auf ihn zu setzen. "Ich mag Kater, die exotisches Feuer im Blut haben." Ihr Ton nahm etwas penetrantes an, als wolle sie jetzt endlich zum Zuge kommen.'Oh nein, bitte nicht. Nicht hier, nicht jetzt, nicht mit mir unter den beiden.' Arran betete alle Gottheiten, von denen er je etwas gehört hatte, auf einmal an. Doch es waren grausame Götter, denn schon bald hörte er das schwere Schnaufen des Katers, das gespielte Stöhnen der Frau und das Rumpeln des Tisches. Er hatte das Gefühl der Himmel würde gleich auf ihn herunterkrachen. Der Hai klammerte sich panisch an das Plastikpaket, als ob es eine Rettungsweste wäre und als ob ihn eine Rettungsweste in dieser Situation helfen würde. Nach einer Viertelstunde, die Äonen gedauert zu haben schien hörten die Geräusche auf...und der Geruch fing an. Er hatte es immer für eine Legende gehalten, dass Kater nach dem...nunja korpulieren anfingen zu stinken wie sonst was...aber nein, wieder etwas dazugelernt. Auch die Frau schien der Geruch abzustoßen, wenn auch nicht so sehr wie Arran, denn sie machte sich relativ schnell daran, sich zu verabschieden. Sie habe noch einen anderen Termin, aber das hier müssten sie unbedingt wiederholen. Der Typ hatte ja auch Geld wie Heu, wie man an seiner Anverwandten sah.

Mr. MacPurrson schnaufte noch eine Weile, dann war das Rascheln von Stoff zu vernehmen, gefolgt von schweren Schritten, die sich vom Tisch entfernten. Dieser war zu Arrans vollster Überraschung heil geblieben. Solide Handarbeit eben. Oder eine Intervention irgendeines Gottes. Er vermutete letzteres. Stöhnend hievte sich der Hai unter dem Tisch hervor, nachdem das klickende Geräusch des Türschlosses abermals erklungen war. Fast zeitgleich öffnete sich auch die Schranktür. Eine leise jammernde türkise Katze hüpfte mit zugehaltener Nase Richtung Fenster und öffnete dieses. "Puh, Frischluft."

Arran gesellte sich zu ihr. "Das war so ziemlich die bizarrste Situation in der ich jemals war. Und glaub mir, ich hab schon einiges gesehen..."

"Das kommt davon, wenn man das Arbeitszimmer seines Vaters missbraucht. Ich wollte doch nur seriös wirken." Sie maunzte frustriert.

"Naja, ich denke selbst im Konferenzraum eines Megakonzerns würdest du noch unprofessionell wirken." Antwortete er daraufhin spitz, während er sich schon dran machte, aus dem Fenster zu klettern.

"Hey! Das is gemein, du gemeiner...Gemeinling du!" Rief sie so laut sie konnte aus, ohne gleich die Nachbarschaft auf sich aufmerksam zu machen.

Doch Arran ließ sich schon in den Garten fallen und war in kürzester Zeit über den Vorgartenzaun verschwunden, ohne zu antworten.

Kapitel 3: Brandherd

---22. August 2089, Gemeinschaftshafen Klein-Irland/Klein-Britannien, Biosphäre Euratopia---
 

Der geschäftige Betrieb in dem Hafengebiet war für einen normalen Kleinstädter, wie es die meisten Bewohner der Biosphäre waren, ein atemberaubendes Erlebnis. Überall dröhnten Kräne und andere schwere Maschinen, um Fracht hin und herzubewegen, einzulagern oder auf eines der zahlreichen Boote zu laden. Dies war gleichzeitig auch die wichtigste Aufgabe, dem ein großer Teil des Hafens gewidmet war. Insgesamt gab es drei Abschnitte, in die der Hafen unterteilt wurde. Besagter Frachthafen und der Militärhafen als zweitgrößter Abschnitt, in dem sich die Patroullien- und auch die Jagdschiffe befanden, um Bedrohungen durch Piraten, Wyldtiere und was auch immer in der bedrückenden Dunkelheit dort draußen noch auf Schiffe und Mannschaften lauern sollte entgegenzutreten. Zum Schluss sei natürlich noch der Zivilhafen genannt welcher mit Abstand der kleinste und in gewisser Hinsicht auch langweiligste Bereich des Hafens war, denn auch wenn die Menschheit jetzt unter Wasser lebte waren U-boote teuer und für viele Leute nichts weiter als eine sinnlose Investition, da Reisen zwischen den Biosphären lange dauerten und meistens der Nutzen in keinem Verhältnis zum Aufwand der Reise stand. Wenn man von A nach B musste, dann nahm man ein Shuttle-Boot oder etwas Vergleichbares. Außerdem gab es für einen Ottonormalbürger nicht viel Interessantes in den düsteren Tiefen.

Doch für diejenigen, die an ihm vorbeikamen, war der Hai in dem ziemlich billig aussehenden Feuerwehrmannkostüm fast noch die größere Attraktion. Dieser beschleunigte seine Schritte als ihm jemand, den er kannte hinterherpfiff. "Scheiße, worauf habe ich mich da nur eingelassen? Und warum habe ich mich schon umgezogen? Ich bin so ein Idiot..." murmelte er rüffelnd auf sich selbst ein, während er an zwei muskulösen Ottern vorbeikam, die gerade Harpunengeschosse hinüber zu einem Jagdboot hievten, dass bald auslaufen würde um Jagd auf Wyldwale zu machen. Natürlich gab es nicht nur intelligente 'Tiermenschen', sondern ein guter Teil der Meeresbewohner bestand aus ganz normalen Tieren, zur Vermeidung von Verwechslungen 'Wyldtiere' genannt. Ein guter Teil des Proteinbedarfs der Mittelschicht wurde durch Walfleisch gedeckt. Dadurch, dass es sehr viel weniger Menschen auf der Welt gab, war dies auch nicht mehr allzusehr verpönt, vor allem dank einiger Zucht- und Jagdüberwachungsprogramme. Diejenigen die sich nicht solches Fleisch leisten konnten, mussten sich mit Fleischersatztoffen wie entsprechenden Algen- und Tofuzüchtungen oder dem berüchtigten Pressfleisch aus Krill, welches schmeckte wie der Überraschungseintopf einer Küche für Auszubildende, behelfen.
 

Endlich kam der Hai zu dem Bereich, der für die Privatschiffe reserviert war. Resigniert seufzte er leise. In einiger Entfernung fragte ein Kind seine Mutter, ob es denn hier irgendwo brennen würde. Die Frau zog das Kleine weiter und antwortete "Nein, sicher nicht..." Arran verlangsamte seine Schritte. Er musste nicht lange suchen da es wie gesagt nicht viele Schiffe hier gab und auch, weil ihr Schiff kaum zu Übersehen war. Natürlich mag nun so mancher 'Klischee' schreien, aber das schien Chips egal gewesen zu sein, als sie anordnete, das Schiff knallpink lackieren zu lassen. In silbernen Lettern blitzten dem Stripper in Spe die Worte 'pink Tuna' entgegen. Er wollte aus gegebenen Grund auf der Stelle tot umfallen. Wie konnte man einem Schiff nur solch eine Tortur angedeihen lassen?

Doch die türkisgefärbte Katzendame entdeckte ihn dank seiner auffälligen Kleidung relativ schnell und stürzte in einem hüpfenden Gang auf ihn zu. "Da bist du ja~" Sie musterte den zu Boden starrenden Hai aufmerksam. "Im Katalog sah das irgendwie authentischer aus.

"Ich glaube alles sieht authentischer aus als der Plastikfummel." gab er zerknirscht zurück. "Aber was tut man nicht alles für einen vollen Kühlschrank." Arran seufzte unhörbar. Die letzten beiden Tage hat er von Gefälligkeiten von Bekannten gelebt. Gefälligkeiten die er lieber anderweitig eingelöst hätte. Allein schon wegen der Tatsache, dass ein spendiertes Essen nicht sonderlich cool als Forderung rüberkam. Bald würde er sich wieder richtige Fischburger und Sardellenpizza leisten können. Junkfood war zwar nicht das beste für einen Mann, der sich oft in Stresssituationen befand, aber Gemüse stand verständlicherweise nicht allzu hoch auf seinem Speiseplan.

"Naja komm herein meine kleine heiße Fischbulette", kicherte sie bevor sie mit ihrem Schlüssel die Tür öffnete, welche geräuschlos zur Seite schwebte und den Weg ins Innere freigab, welches glücklicherweise einen Tick dezenter gehalten war als die Außenlackierung.

Chips führte ihn durch den Zentralgang in einen kleinen Raum, in dem Spinde aufgestellt waren und eine kleine Bank stand. Es roch nach Neopren und in einer Ecke standen ein paar Sauerstofflaschen. Eindeutig ein Umkleidezimmer. "Hier wartest du, bis mein Chauffeur dich holt, nachdem du dich ein wenig warmgemacht hast. Du wirst mein, drrramatischer Höhepunkt." schnurrte sie grinsend, zog ihn dann weiter, ohne dass er dazu kam, einen bissigen Kommentar abzugeben.

Sie schliff den überrumpelten und nicht allzu euphorischen Hai in die andere Richtung den Zentralkorridor wieder zurück, kam in einen Raum, den man als Aufenthaltsraum erkennen konnte, nun aber noch zusätzlich geschmückt war. Auf den Tischen war typisches Partyessen wie Käseigel, selbstverständlich aus Sojakäse und Pizza aufgetragen und Girlanden mit bemalten Fotos vom Geburtstagskind waren von einer Raumseite zur anderen gespannt. Man mochte fast sagen, es sah ein wenig nach Kindergeburtstag aus, wenn man die Tatsache ignorierte, dass in der Nähe einer bequemen Sitzecke eine Stripperstange zwischen die Decke und den Boden festgeschraubt war.

Arrans Augen weiteten sich. "Mädel, wieso zum Teufel hast du dir eine verdammte Metallstange angeschafft und sie mitten im Boot montiert?"

Chips schlenderte zu dieser hin, griff nach ihr und drehte sich einmal um sie. "Ich hab einen Stripper, also brauche ich auch eine Stripperstange, logisch oder?"

Der Hai konnte sich nur die Schläfe mit einer Hand reiben, kam langsam auf Chips zu. Diese ließ los und sich auf einen der Sitzplätze fallen. "Na los, ich will was zu sehen bekommen." Sie klatschte fordernd in die Vorderpfoten.

Ein wenig verstohlen sah sich der Angesprochene um. Er wollte um jeden Preis sicher gehen, dass niemand ihm bei dieser Angelegenheit zusah. Unschlüssig griff er nach dem kalten Stahl, drehte sich ein paar mal um die Stange. Letzte Nacht hatte er sich ein paar Stunden um die Ohren gehauen, im Netz nach irgendwelchen Videos von professionellen Strippern zu suchen, allerdings kam ihm die ganze Angelegenheit mehr als lächerlich vor.

Seine Geldgeberin unterdessen verschränkte die Arme zog eine Schnute, während sie ihn kritisch mit den tiefblauen Augen verfolgte.

Er blieb grummelnd stehen. "Ich kann das nicht wenn du mich ansiehst als wolltest du mich vertilgen, sollte ich versagen!" Es klang mehr jammernd als sich beschwerend.

"Ich werde dich ja auch vertilgen, solltest du versagen.", murmelte sie mit todernsten Blick.

Arran war froh, dass er nicht wirklich bleich werden konnte, da sein Hautton ja nicht durch Blutgefäße bestimmt wurde. Trotzdem fühlte es sich gerade an, als wäre ihm all sein Blut in die Hinterläufe gesackt. Chips fing plötzlich an zu kichern und ließ sich zur Seite fallen. "Dein Blick! Dein Blick, unbezahlbar!" Die Worte die sie ausrief gingen fast in dem Gelächter unter.

Er war froh, dass er nicht wirklich rot werden konnte.

Als sich die Katzendame wieder beruhigt und aufgesetzt hatte musterte sie den immer noch wie bestellt und nicht abgeholt dastehenden Hai wieder für eineWeile, seufzte dann. "Gut, ich gehe nachsehen ob alles in Ordnung im Cockpit..." "...auf der Brücke." unterbrach Arran sie reflexartig.

"Wie wo was?" sie war es nicht gewohnt, dass ihr Personal es wagte nicht andächtig ihrer samtweichen Stimme zu lauschen.

"Es heißt auf der Brücke. Flugzeuge und Raumschiffe haben Cockpits, bei Booten heißt es die Brücke." erklärte er mit einem Gesichtsausdruck wie ihn auch nervige Lehrer zeitweise hatten.

"Schlaumeier." gab Chips bissig zurück.

"Gewusst ist halt gewusst."Arran zuckte mit den Schultern.

"Nun gut. Ich gehe also zur BRÜCKE und nachschauen, ob noch alle Pfeiler in Reih' und Glied stehen, Herr U-Boot-Experte." Sie stand auf, verpasste ihm einen Klaps auf den Hintern und scharwenzelte dann in Richtung Korridor.

Nun stand unser Möchtegernstripper wieder alleine da. Unschlüssig sah er sich um. Etwas Plump drehte er sich noch zweimal um die Stange, ließ es dann aber als er mit seiner Schwanzflosse fast das Buffet abgeräumt gehabt hätte. Er fing an sich ein wenig zu der Musik in seinem Kopf zu bewegen, warf sich dann aber stöhnend auf die Sitzecke. Wie kam er darauf, dass er so etwas wie ein professioneller Stripper sei? Er war noch nichtmal jemand der sich professionell an Land bewegen konnte. Arran sah an sich herunter. Sein Hausarzt hatte ihm schon früh erklärt, dass er wie jeder andere der von Wasserwesen abstammte lebenslang an Medikamente gebunden war, wollte er ein problemfreies Landleben führen. Seine Knochen, beziehungsweise Knorpel, waren zwar härter als die von Wyldhaien da er ja nicht der erste seiner Ahnenlinie war der sich auf fremdes Territorium gewagt hatte. Aber dennoch waren sie längst nicht so stark ausgeprägt, dass sie längere Zeit der Belastung des Stehens widerstehen konnten. Und Arran hasste Medikamente und Arztbesuche, so dass sich seine körperliche Verfassung in der Hinsicht nie sonderlich gebessert hatte. Auch wenn er schlank und hochgewachsen wirkte, so bewegte er sich an Land vorallem wenn es um Feinarbeit ging nicht sonderlich grazil, sondern eher ein wenig plump, fast ungeschickt mochte man sagen. Abermals seufzte er. Auch wenn er nichts lieber gewesen wäre als ein Hai, so hatte es doch seine frustrierenden Elemente. Trösten tat er sich damit, dass fast alle Rassen irgendwelche Probleme hatten die ihnen ihre Ahnen mitgegeben hatten, quasi als letztes Abschiedsgeschenk, als Erinnerung, dass sie letztendlich Tiere bleiben würden.

'Aber genug philosophiert', dachte er sich und sprang wieder auf. 'Ich werde mich da schon irgendwie durchmogeln. Das habe ich doch schon mein ganzes Leben getan.' Er wanderte langsam den Korridor hinab und setzte sich in die Umkleide. Der Hai und irgendwie logischerweise auch Tauchfanatiker sog den Geruch des Neoprens ein. Der Stoff war eigentlich fast Geruchsneutral, außer man lagerte ihn in größeren Mengen für eine gewisse Weile, wie es nunmal in solchen Umkleidekabinen der Fall war. Er mochte diesen Stoff, auch wenn er es bevorzugte beim Tauchen Wasser auf seiner Haut zu spüren. Sein kundiger Blick überflog die Geräte und das andere Handwerkszeug. Die Bediensteten dieser Katze taten immerhin einen guten Job darin, diese Dinge instand zu halten. Er nickte zu sich selbst mit einem zufriedenen Lächeln.

Während er wieder einmal über sich und die Welt sinnierte, hörte er auf einmal mehrere Stimmen vor der Tür, die lachten, durcheinander redeten und alles in allem sehr feierlich klangen. Weniger feierlich im Sinne einer Prozession, mehr im Sinne einer Party. "Das müssen die Gäste sein." murmelte Arran und lauschte den Gesprächsfetzen. Beunruhigenderweise glaubte er zwischen den mehreren weiblichen Stimmen eine männliche zu hören. Er konnte doch nicht vor einem anderen Kerl tanzen! Selbst wenn dieser schwul war, das war einfach...Nein!

Der Hai erhob sich von der Bank und überlegte eine Weile, ob er Chips einfach absagen und dann mit einem Teil des Buffets abhauen sollte. Wenn er geschickt war und später gut rationierte würde es sicherlich für drei bis vier Tage reichen. Er bemerkte gar nicht so recht wie lange er dort stand und Pläne schmiedete, wieder verwarf und mit sich selbst haderte. Er sollte wirklich aufhören so viel über so banale Dinge nachzudenken.
 

Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen als die Tür aufging und die Musik, die bisher unterschwellig seine Gedanken begleitet hatte nun ein gutes Stück lauter in den kleinen Raum hineinhallte. Er blickte hinab und in Chips grinsendes Gesicht. "Und? Bereit Party-Boy ?"

Ohne es wirklich zu realisieren nickte er. Sie machte einen Schritt hinaus, sah ihn auffordernd an. "Kommst du?", fragte sie ein wenig ungeduldig. Man merkte ihrer Sprechweise und Gestik einen leichten Schwips an. "Natürlich..." er machte ebenfalls einen Schritt hinaus, folgte ihr zu der Gesellschaft, welche es sich plaudernd und essend in der Sitzecke gemütlich gemacht hatte.

Arran bemühte sich, nicht allzusehr in die Gesichter der Gruppe zu sehen, welche nun verstummte als Chips in den Raum tänzelte und den 'Höhepunkt des Abends' ankündigte. Es waren drei weibliche Katzen und ein männlicher Bär. Zum Glück nicht der aus dem Pub letztens, sondern ein zwar nicht minder großes, aber viel gemütlicher aussehndes Exemplar mit dunkelbraunem Fell. Die Damen schienen alle der selben Gattung anzugehören und sich auch im generellen ziemlich Ähnlich zu sehen. Alle hatten sie cremefarbenes Fell und eine dunklere Schnauzenpartie. Eine von ihnen schien das Bindeglied zwischen den anderen beiden und Chips zu sein, jedenfalls äußerlich betrachtet. Der Verstand des Hais ratterte wieder und er stellte die vermutung an, dass es Verwandte der türkisgefärbten waren und unweigerlich versuchte er sich Chips in dieser Färbung vorzustellen.

Chips hatte sich schon zu den anderen gesetzt und stellte gerade mit einer Fernbedienung einen etwas, 'erotischer' klingenden Titel an. Irgend ein männlicher Sänger säuselte nun mit seiner waschbrettartigen Stimme etwas von seinem heißen Schokoladenstängel. Seeehr erotisch.

Wieder schweifte sein Blick über die Gesellschaft, dann begann er sanft seine Hüften kreisen zu lassen. Es dauerte eine Weile, aber bald bekam er doch die Kurve und begann nun zumindest Laienhaft zu tanzen. Gerade bewegte er sich mit auschweifender Gestik an der Stange und war dabei seine Jacke ins Publikum zu werfen...
 

Nur um schreiend ins Buffet zu fallen, als das Schiff aus der Geraden Ebene hinausgeschleudert wurde und nicht nur ihn, sondern auch die Gäste wie hilflose Gepäckstücke hin- und herwarf.

Auch wenn er sich in der ungünstigsten Situation von allen befand, fasste sich der erprobte Seesöldner schneller als die anderen wieder, wischte sich ein bisschen Salsa vom Kopf und eilte Richtung Brücke, nur um vor verschlossenen Türen zu stehen. Eilig hämmerte er gegen die Tür, hinter ihm hörte er Chips rufen. "Was machst du denn? Es war sicher nur eine Strömung oder sowas."

Arran ignorierte sie und hämmerte weiter gegen die Tür, welche nun zur Seite glitt und den Weg auf die Brücke freigab. Der Pilot, ein etwas älterer Wolf in formeller Kapitänskleidung und passender Mütze, starrte mit einer Mischung aus Konzentration und Schock auf die Amaturen und gab in schneller Folge verschiedenste Befehle an die Maschinen, die mit einer ganzen Fuhre von Warnsignalen aufwarteten. "Lady Chips ich habe hier..." setzte der Wolf an, unterbrach sich dann aber als er sah dass nicht seine Chefin es war, die in den Raum gekommen war.

"Strömung mein Arsch." murmelte dieser und trat neben den Wolf. "Wieviele sind es und von woher kommen sie, konnte eine Bewaffnung klassifiziert werden und haben sie schon einen Funkspruch abgesetzt?"

"Ähm...wie bitte?" Der Wolf zögerte kurz und starrte den Hai an, welcher nur noch mit einem knallroten Plastiktanga bekleidet war.

"Schon gut, ich weiß schon alles was ich brauche, Maschinen sind zuverlässiger als alte Männer. Na los, Platz machen, oder wollen sie, dass wir bald als Piratenfutter enden?" Dieser schnaubte, stand aber auf und verschränkte die Arme. Die Brücke würde er garantiert nicht verlassen, schließlich wusste er ja nicht was dieser seltsame Kerl mit 'seiner' Tuna anstellen würde. Der seltsame Kerl unterdessen machte sich mit den Anzeigen vertraut, die ein wenig anders als gewohnt waren. Er musste sich festkrallen als wieder ein Rucken durch das Schiff ging. "Was zum Teufel ist das?" rief eine weibliche Stimme nun. Chips kam in den Raum und sah sich verwirrt um. "John, warum fährt mein Stripper mein Boot?"

"Weil ich es besser kann als dein Wochenendkapitän." gab Arran knurrend zurück. "Und nur so zu deiner Info, das gerade war eine Harpune. Ein Warnschuss. Oder das beste was diese Piraten auf ihrem dreckigen Seelenverkäufer haben." Er wandte sich wieder der Steuerkonsole zu.

"Piraten? Aber warum?" Chips krallte sich an einen der Notgriffe, damit sie nicht quer durch den Raum geschüttelt wurde, als ihr neuer Kapitän ein gewagtes Wendemanöver einlegte und nun ein Schiff, vor ihrer Nase auftauchte. Es war etwas größer als die Tuna und auch bedrohlich wirkender lackiert, allerdings hatte es wirklich nur zwei Harpunengeschütze an der Bugseite.

"Die bessere Frage ist, warum zum Teufel hast du eine Stripperstange an Bord, aber keine Verteidigungswaffen?" das letzte Wort brüllte er fast. Der Wochenendkapitän fing an, laut vor sich hin zu beten.

"Weil ich dachte die Straße von Gibraltar wäre sicher?" gab sie murrend zurück, sprang zu ihm hinüber, musterte das feindliche Schiff. "Wir rammen sie einfach."

"BIST DU WAHN...", wollte er sie erst anbrüllen, hielt dann inne. "...das könnte klappen."

"Natürlich könnte das klappen, sieh dir die Schrottlaube da doch mal auf dem Radar an. Eine Rumpfstärke, wo ein Buttermesser locker durchkäme. Die Tuna ist viel solider gebaut!"

"Die Einschlagstellen der Harpunen sind zum Glück am Heck, von daher dürfte das nicht allzu viele Probleme bereiten. Allerdings könnten diese aufreißen wenn wir unglücklich aufkommen, willst du das Risiko wirklich eingehen?" Arran sah von den großen Frontfenstern weg und in das Gesicht der Katze neben ihm die angestrengt die einzelnen Instrumente abzulesen versuchte. Ihre Züge nahmen einen grübelnden Ton an, dann sprang sie plötzlich wieder auf. "Ich sag den anderen sie sollen sich festschnallen!"

Er nickte. Es war eindeutig ihre Art einen Rammbefehl zu geben. Sein Blick heftete sich wieder auf das Piratenschiff. Die Gebete des Wolfes ignorierend, der sich immer noch an den Sicherheitsbügeln festkrallte, wanderten seine Hände zu den Gurten des Kapitänssitzes und zurrten diese fest. Dann wanderte eine zum Funkgerät, stellte eine offene Frequenz ein. "Pink Tuna an unidentifizertes Schiff, Pink Tuna an unidentifiziertes Schiff, drehen sie bei und schwingen sie ihren rostigen Arsch aus diesen Gewässern oder machen sie Bekanntschaft mit unserem frischlackiertem Bug."

Er nahm die Hand vom Funkgerät und legte diese nun auf den Gashebel. Das fremde Schiff rührte sich nicht, doch Arran meinte zu erkennen, dass hinter den Frontscheiben einige Schemen hastige Bewgungen vollführten. Allerdings konnte es auch ein Schatten werfender Fischschwarm in der Nähe sein. Er wartete eine halbe Minute, dann drehte er wieder das Funkgerät an, allerdings stellte er dieses mal die bootsinterne Frequenz ein. "Kinderchen, haltet euch gut fest, es könnte jetzt ein klein wenig unruhig werden. Kotztüten befinden sich unter den Sitzen...vielleicht." Ein Grinsen stahl sich auf das Gesicht des Hais, als er mit so einer Wucht den Hebel hinunterrammte, dass die komplette Amaturenverkleidung rappelte. Der Motor jaulte irgendwo hinter ihm auf und in kürzester Zeit jagte er die Maschinen auf Höchstgeschwindigkeit. Arran unterdessen klammerte sich fest und versuchte das Schiff auf Kurs zu halten, damit er nicht etwa mit der Frontscheibe an einer Kante des anderen Schiffes hängen blieb. Dieses kam immer näher und gerade als sie so nah dran waren, dass die Frontscheinwerfer des Piratenschiffes Arran blendeten, meinte er eine Bewegung zu erkennen, sie drehten bei. Mit einem letzten Manöver versuchte er die Tuna noch nachzukorrigieren, aber zu spät, die beiden U-boote rammten gegeneinander und die Beleuchtung der Tuna fiel für einen Moment aus. Das Jaulen des Wolfes, der sich nicht mehr halten konnte und nun über den Boden schlitterte mischte sich mit dem Kreischen von Stahl, welcher sich durch die Innenwände des Bootes zog und vermutlich auch noch in einiger Entfernung zu hören war.

Als das Licht wieder anging, rieb sich Arran den Kopf. Sie waren wirklich gut durchgeschüttelt worden. Sein erster Blick galt den Anzeigen. Das feindliche Schiff war ein gutes Stück weit abgedriftet, die Scanner waren momentan allerdings nicht in der Lage, genaueres über den Zustand zu erkennen. Die Tuna selbst hatte nun am Bug vermutlich eine große Delle, aber zum Glück keine Risse in der Frontscheibe oder anderen wichtigen Teilen. Es ertönte kein Warnsignal, dass der Rumpf beschädigt worden wäre. Er sackte seufzend in sich zusammen, ließ den Motor wieder an und versuchte Distanz zu dem fremden Schiff aufzubauen. Gerade war er wieder dabei, das Funkgerät anzudrehen um sich zu erkundigen wie es allen ging und die Patroullienboote zu benachrichtigen, als schon ein Funkspruch einging. "Tidenwacht 23 an Pink Tuna, bitte melden."

"Huch, na das ging ja schnell..." murmelte der Hai überrascht.

"Tidenwacht 23 an Pink Tuna, bitte melden."

Er drückte auf den entsprechenden Knopf, das Grinsen wollte ihm nicht aus dem Gesicht weichen. Es war ein schönes Gefühl gewesen, nach dem unfreiwillig verlängerten Landgang mal wieder ein Boot unterm hintern zu haben. "Pink Tuna hört."

"Was zum Teufel ist bei ihnen da passiert? Das Geräusch klang ja wie eine Schrottpresse oder sowas."

"So in etwa, den entsprechenden Schrottwürfel können sie knapp zwei Kabellängen süd-südwestlich von unserer aktuellen Position aus dem Wasser fischen. Ob da noch was lebt, keine Ahnung, aber ich lass mir nicht die Lackierung von ein paar übermütigen Freaks mit ner Harpune zerkratzen. Außerdem habe ich sie gewarnt!"

Ein minutenlanges Schweigen von der anderen Seite. Das war Arran gewohnt, Die Damen und Herren mussten jetzt erstmal in ihren schlauen Büchern nachschlagen.

"Tidenwacht 23 an Pink Tuna."

"Pink Tuna hat in der Zwischenzeit ihr Funkgerät noch nicht verkauft."

"Wir werden uns den Vorfall genauer ansehen. Werden sie bitte in zwei Tagen beim Hauptquartier der Tidenwacht vorstellig, damit wir die nötigen Formalitäten abhandeln können."

"Aber selbstverständlich Wachtmeisterchen, darf ich jetzt nach Hause um mir das Blut von der Stoßstange zu polieren?"

"Tidenwacht 25 an Pink Tuna." Arran zog bei der weiblichen Stimme, die sich nun in die Korrespondenz einmischte eine Augenbraue hoch. "Pink Tuna hört."

"Arran, noch einmal so eine flapsige antwort und ich werf deinen Hintern in Sicherheitsverwahrung, du weißt das ich das könnte."

"Huch, du bist wieder in den Streifendienst versetzt worden?" Antwortete dieser nur. "Na dann will ich mal nicht weiter stören, ich werte die fehlende Antwort von Tidenwachtmeisterchen 23 mal als affirmatives Schweigen."

"Tu dir selbst einen gefallen und verzieh dich, Fischfrikadelle."

"Einen schönen Tag noch die Damen." antwortete er nur und machte sich nun wirklich daran, den Kurs schnellstmöglich zurück zur Euratopia zu setzen.

Kapitel 4: Tidenstieg

---22. August 2089, Gemeinschaftshafen Klein-Irland/Klein-Britannien, Biosphäre Euratopia---
 

Nachdem die Flutungskammer abgepumpt war und die Innenschleuse sich öffnete, lag vor der Tuna der Hafen geschäftigt wie auch schon wenige Stunden zuvor. Er war schließlich dafür bekannt einer dieser typischen, niemals schlafenden Stadtteile zu sein. Auf der Brücke saß Arran im Kapitänssitz und legte das ordentlich verbeulte Boot so sauber an, dass jeder Fahrlehrer ins Schwärmen geraten wäre. Hinter ihm standen Chips und ihr eigentlicher Kapitän, beide mit verschränkten Armen.

"Naja und so kam es halt dazu, dass ich mein Schiff an einen Trickbetrüger verloren habe der mich zuvor mit sicherlich einem ganzen Fass hochprozentigem abgefüllt hatte." schloss Arran gerade seinen Vortrag.

"Du bist also gar kein Stripper und dazu auch noch einer dieser zwielichtigen Tagelöhner, die sich mit Arbeit ihr Geld verdienen die größtenteils in der Grauzone liegen?" fragte Chips immer noch mit unveränderter Miene, auf der sich ein Misch aus Verdrossenheit und Aufregung abzeichnete. Der Wolf schnaubte verächtlich.

"Ja so in etwa, auch wenn ich es eigentlich bevorzuge einfach Seesöldner genannt zu werden, das klingt nicht so beleidigend. Außerdem kannst du mir vom Gehalt abziehen was die Reparatur kostet, ich hätte ja auch einfach um sie drumherum fahren können." Das war zwar eine halbe Lüge, aber er hasste es unbeglichene Rechnungen zu haben. Oder das Gefühl eine zu haben.

"Seesöldnerrr." schnurrte sie, ließ sich das Wort auf der rauen Zunge zergehen. "Klingt interessant. Du hast kein Schiff mehr sagst du?"

Arran nickte. "Deine Ohren scheinen intakt zu sein."

Chips antwortete auf seinen Kommentar nicht, schien am Nachdenken zu sein. Minuten vergingen bis sie murmelte. "Schon in Ordnung, von irgendwas muss der Herr ja Leben."

Ein Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Hais. Das befreite ihn von diesem doofen Gefühl, jemandem etwas Schuldig zu sein. Außerdem hatte die Frau doch sicherlich Geld wie Salzwasser.

Er drehte den Motor ab und setzte den Standartfunkspruch Richtung Hafenmeisterei ab. "So...dann bekomm ich jetzt die Kohle und mach mich vom Acker."

Die Katze zog eine Schnute, während der Wolf einwarf: "Ein bisschen mehr Respekt vor Ms MacPurrson, verstanden?" Doch die Katze hob die Vorderpfote. "Ganz ruhig. Das Fischchen hat Biss, ich mag ihn." Sie tapste von der Brücke in Richtung Heck. Im Aufenthaltsraum, wo auch noch die Gäste der Party saßen, kreidebleich und schweigend vor sich hinstarrend, ließ sie eine Kralle hervorschnappen und hebelte eine Verkleidungsplatte an der Wand auf. Dahinter befand sich ein Tresor. Sie warf einen verstohlenen Blick hinter sich, damit auch bloß keiner schaute und begann dann schnell den Code einzugeben. Die Tür schnappte auf und Chips holte summend ein paar Scheine hervor.

"Ich denke wir sind dir alle zu Dank verpflichtet. Mein... Sonntagskapitän hätte vermutlich vorher einen Herzinfarkt erlitten." Sie drehte sich zu Arran um, schenkte ihm ein leichtes Lächeln während die Scheine den Besitzer wechselten.

"Schon gut. Du vergisst, ich saß auch in diesem schwimmenden Sarg. Reiner Überlebensinstinkt." Er nickte ihr und den Partygästen zum Abschied zu, wandte sich dann um.

"Trotzdem...Danke."

Arran hob die Hand zum Zeichen, dass er sie gehört hatte, schlenderte dann zum Schott das ihn wieder an die halbwegs frische Luft setzen würde.

Die Scheine durchblätternd und anschließend wegsteckend hatte er schon fast den Zivilhafen verlassen, als er hinter sich eine Stimme wahrnahm, die seinen Namen rief. Als er sich umdrehte gewahrte er, dass es Chips war.

"Arran! Vergiss nicht, in zwei Tagen beim Hauptquartier der Tidenwacht aufzutauchen! Du warst der Bootsführer, du musst kommen!"

Wieder erhob er die Hand, wandte sich dann wieder um. Er hatte eigentlich keinerlei Lust sich mit der Tidenwacht auseinander zu setzen, aber der Katzendame würde er ausnahmsweise einen letzten Gefallen tun.

Zumindest hatte SIE damit nicht viel am Hut und hatte nur gefunkt um ihn zur Räson zu bringen, was bedeutete, dass SIE vermutlich nicht bei der Anhörung Auftauchen würde.
 

---24. August 2089, Hauptquartier der Tidenwacht: Bezirk West, Biosphäre Euratopia---
 

SIE tauchte bei der Anhörung auf.

Arran saß an einem Tisch in dem Anhörungsraum des Hauptquartiers der Tidenwacht. Er hatte seinen Kopf auf die Arme gestützt und schaute ziemlich sparsam aus der Wäsche. Etwas von ihm entfernt saß Chips, diesmal in ein einfaches aber elegantes Kostüm gekleidet. Sie hatte fast den selben Ausdruck in ihrem Gesicht.

Der Grund für ihr Trübsal war nicht etwa, dass es schlecht lief. Eigentlich war es nicht mehr als eine Standardanhörung um die letzten Zweifel an der Schuld des Fahrers und der Besitzerin zu tilgen. Vielmehr saß der Grund zwischen ihnen. Mr MacPurrson. Bevor sie den Saal betreten hatten, durfte sich Arran eine Standpauke von dem bulligen Kater anhören die sich gewaschen hatte. Als er danach in das Gesicht der türkisgefärbten sah wusste er sofort, dass sie selbiges, vielleicht sogar noch heftigeres, in den letzten zwei Tage zu hören bekommen hatte.

Fast noch schlimmer für Arran allerdings war, dass SIE da saß.

SIE, das war Celine Ledoux, die warscheinlich unerbittlichste und fanatischste blöde Kuh die jemals in die Reihen der Schnarchnasentruppe aufgenommen wurde, welche sich selbst als Tidenwacht betitelte. Jedenfalls sagte Arran das immer. Nur hinter ihrem Rücken versteht sich, denn würde sie je davon Wind bekommen, wäre er vermutlich wirklich bald eine Fischfrikadelle.

Er verzog das Gesicht als die rothaarige Rattendame mit dem hellgrauen Fell erneut ihre zarten, sorgfältig manikürten Fingernägel über die Laptoptastatur gleiten ließ. Kurz sah sie auf und ihre beiden Blicke trafen sich. Ihr Mund verzog sich zu einem boshaften Lächeln, während er versuchte sich sein Misfallen nicht zu sehr anmerken zu lassen. Celine wirkte wie immer wie aus dem Ei gepellt. Ihre Uniform glänzte in der sterilen Raumbeleuchtung um die Wette mit der ebenso auf Hochglanz polierten Marke. Die Mütze, die sonst auf ihrem strenggeknoteten Dutt saß, lag nun sorfältig ausgerichtet neben dem Laptop. Ihre Beine hatte sie übereinander geschlagen und bei dem Anblick ihrer frisch gewichsten Stiefel überkam Arran ein Schaudern. Er konnte sich noch gut an das Gefühl erinnern, selbige Stiefel auf seinem Hintern, Rücken und Beinen gespürt zu haben, denn für ihre Nachsicht und ruhiges Gemüt war Celine nun wirklich nicht bekannt. Sie wandte den spitz zulaufenen Kopf wieder ab, ihre Nase zuckte kurz, was die zierlichen Schnurrhaare zum erbeben brachte. Arran blickte nun auch wieder den Verwaltungsbeamten an, der gerade damit fertig war Paragraphen aufzuzählen welche bestätigten, dass der Staat keinerlei Entschädigung leisten musste, sondern die Versicherung oder der Besitzer des Bootes dafür aufkommen musste, da keine Überlebenden in dem Piratenschiff vorzufinden waren. Ein Leck das durch den Aufprall verursacht wurde, sorgte für einen schnellen und grausamen Tod der Mannschaft.

MacPurrson wandte kurz den Blick zu seinem Anwalt, welcher an der Seite des Tisches saß und alles von seiner Sekretärin, die neben ihm auf ihr Notebook einhackte, mitschreiben ließ. Dieser wog den Kopf sachte hin und her, nickte dann. Der Kater schloss langsam die Augen und stieß einen unhörbaren Seufzer aus.

"Mr MacPurrson verzichtet auf weitere Rechtsmittel gegen den Staat und trägt die anfallenden Kosten der Reparatur der 'Pink Tuna' selbst." Die Stimme des Anwaltes schnitt durch das Schweigen der Anwesenden.

"Gut, dann wäre dieser Vorfall offiziell geklärt und kann zu den Akten gelegt werden." Der Verwaltungsbeamte wirkte zufrieden. Er klappte die Akte, welche vor ihm lag zu und stand auf. Alle anderen im Raum erhoben sich nun auch nach und nach, räumten Dokumente und Rechner in ihre Taschen.
 

"Mr Swiftide, es ist mir ein Bedürfnis noch mit ihnen zu sprechen." Erklang Celines Stimme und rammte sich wie ein Dolch in Arrans Rücken bevor er fluchtartig den Korridor verlassen konnte, der an den Anhörungsraum grenzte. Sowohl er als auch die beiden MacPurrsons drehten sich zu der Dame um, aber nur Arran blieb stehen, denn Chips wurde von ihrem Vater weitergezogen.

"Oh, Madame Ledoux, natürlich. Was kann ich für euch tun?" Er brachte ein gekünsteltes höfliches Lächeln hervor, aber innerlich kam ihm die Galle hoch bei dem Ton, den sie anschlug.

"Oh, es ist nichts besonderes, aber vielleicht sollten wir das in meinem Büro besprechen." Sie schritt an ihm vorbei. Leise konnte er die brummende Stimme Mr MacPurrsons hören: "Siehst du, ich wusste doch, dass der Probleme mit dem Gesetz hat. Er kam mir die ganze Zeit schon suspekt vor." Der Hai musste ein Knurren unterdrücken als er der Ratte in einen anderen Flügel des Gebäudes folgte und schließlich bei ihrem Büro ankam. Sie hatte die ganze Zeit über geschwiegen und nun schloss sie die Tür auf, um ihn hineinzubeten. Arrans Blick fiel auf das metallene Schild an der Tür, welches von eindeutigen Kratz- und Schabspuren umrahmt war, welche darauf hindeuteten, dass dieses Schild oft entfernt und wieder neu angebracht worden war. Momentan trug es den Schriftzug 'Wachtkommissarin Ms Ledoux'. Es sah ziemlich neu oder gut poliert aus, doch da Celine teilweise so schnell zwischen den Diensträngen befördert und degradiert wurde, dass sie kaum dazu kam ihr Schildchen zu polieren sah es schlecht für ihn aus. Als er sie das letzte mal gesehen hatte, hatte sie noch ein Streifchen mehr auf den Schulterstücken und ein 'Ober-' am Schildchen dran. Sie war frisch degradiert worden und sowas ließ sie immer ziemlich ungemütlich werden. Außerdem war sie gut darin ihre Wut zu überspielen, sodass er die Hölle im Ozean erwartete als er sich auf den Besucherplatz setzte und sie die Tür hinter sich schloss.

"Arran, Arran, Arran..." setzte sie an. Mit jedem der Worte machte sie einen Schritt auf den Schreibtisch zu. Celine setzte sich auf eine Kante des Tisches und schlug die Beine übereinander. Dem Hai wurde es ziemlich ungemütlich und er ruckte hin und her.

Celine liebte es ihn so in der Hand zu haben. Sie wussten beide, dass Arran, so sehr er auch versuchte eine weiße Weste zu behalten ein paar Dinge am Stecken hatte, die ihn zumindest bis zur genaueren Durchleuchtung der Angelegenheit ein paar Monate in Untersuchungshaft bringen würden. Sie konnte ihn nicht ausstehen, das wusste er. Auch wenn sie es vorzog seine Hilfe und seine Kontakte zu beanspruchen anstatt ihn für jeden seiner Fehltritte ins Gefängnis zu werfen, würde sie es ohne mit der Wimper zu zucken tun, sollte er etwas tun, was ihr gegen den Strich ging. Und es war verdammt schwer zu durchschauen, was sie in Rage versetzte, da sie einfach so unglaubliche Selbstdisziplin hatte. Es entnervte ihn regelrecht, vor allem da er keine wirklich gute Menschenkenntnis besaß.

Als von ihr nichts kam als Schweigen, durchbrach er das angespannte Schweigen. "Wie gesagt, was kann ich für dich tun Celine? Du weißt doch, dass ich es liebe dem Gesetzesvollzug zu helfen wo ich kann." Er war kein Feind der Tidenwacht, aber in seinen Augen gab es zwei Typen von Leuten denen man dort begegnete. Typ A war ein fauler, dummer Schlag von Kerlen, die nur hier waren weil es sowas wie Beamtenschutz gab und der grundsätzliche Job nicht anspruchsvoll war. Und dann gab es da den Typ B: Die wenigen, die ihren Beruf ernst nahmen und fast schon fanatisch nach düsteren Umtrieben jagten, koste es was es wolle, selbst ihren aktuellen Dienstgrad. Celine gehörte zu Typ Doppel-B, was zwar belustigend klang, in Wirklichkeit aber eher beängstigend war.

"Du musst wen für mich finden. Er ist mir entwischt, als ich eine illegale Transaktion hochgehen lassen habe. Meine Ohren haben ihn bis zur 'Schmiede der Tiefe' verfolgen können, aber meine Arme reichen da nicht hin. Also wird dies meine Flosse erledigen. Verstanden?" Sie stand auf, strich mit dem Bein aus Versehen an seiner Schwanzflosse, als sie ihn umkreiste. "Verstanden?!?" knurrte sie, als nicht postwendend eine Antwort kam.

Arran seufzte leise. "Celine, du weißt ich würde nichts lieber tun als dir zu helfen. Aber ich kann nicht."

"Es ist mir egal, dass du keine Leute selbst in den Knast bringen willst, du wirst es tun oder wir werden uns mal genauer kennen lernen." Die Wachtmeisterin krallte sich in den Schreibtisch und beugte sich zu ihm herunter während sie ihn wütend mit ihrem Blick fixierte.

"Und du weißt, wie sehr ich das verabscheuen würde." gab er wertungslos zurück und fügte dann ohne auf ihren noch eine Spur angefresseneren Blick zu reagieren hinzu: "Ich hab kein Boot mehr. Hab es betrunken verspielt, kann also die Euratopia nicht mehr verlassen. Selbst hierhin musste ich die Metro nehmen. Und du weißt dass ich selbst in Nachbarbezirke mit meinem Boot fahre." Er schüttelte sich bei dem Gedanken an die Metro, welche für den gesamten Verkehr innerhalb der Biosphäre zuständig war. Sie war versifft und überall wohnten fast schon die seltsamsten Gestalten. Sein Verhältnis mit dem Tunnelsystem unter den Wohnebenen war gestört seitdem er einmal als Jugendlicher einer Gang, die sich 'die Kanalkobras' nannte, ausgeraubt worden war. Und die Metro hatte nie einen Schritt gemacht, um sich mit Arran zu versöhnen.

Unter ihrem Fell schien es Celine erst zu heiß zu werden, dann wirkte sie so als wollte sie gleich glühende Lava auf Arran spucken und im nächsten Moment war alles vorbei und sie hatte ihre Selbstbeherrschung wiedergefunden. "Gut...gut." Sie setzte sich nun in ihren Sessel, schien ihn gar nicht mehr zu beachten.

Der Hai schwitzte Blut. Er blieb eine Weile ruhig sitzen, doch als er ansetzen wollte aufzustehen und ein "Ich geh dann mal." hervorzubringen, murmelte sie fast unhörbar, doch für ihn unignorierbar: "Du bleibst solange sitzen wie ich dir sage, dass du hier sitzen bleibst." Besser als jeder Soldat nahm Arran im Stuhl stramme Haltung an.

Sie wirkte äußerlich völlig entspannt, doch wenn sie redete klang es als wären die Trompeten von Jericho in ihr dünnes Murmeln komprimiert worden. "Du wirst mir diesen verdammten Luchs bringen und wenn du zur Schmiede schwimmen musst. Hier ist alles was ich zu ihm weiß. Du hast einen Monat Zeit. Ab...jetzt!" Sie schob ihm eine Mappe zu, sah dann auf die Uhr. "Die Uhr tickt, du solltest besser anfangen zu schwimmen."

Celine erhob sich wieder und sah ihn abwartend an. Der Hai nahm mit zittirgen Fingern die Mappe, sein Körper versteifte sich und sehr ungelenk hob er sich aus dem Stuhl. "Ich wünsche dir einen schönen Urlaub in der Schmiede!" trällerte sie vergnügt als sie ihn aus ihrem Büro hinaus schob und die Tür hinter ihm zuzog.
 

---22. August 2089, Gemeinschaftshafen Klein-Irland/Klein-Britannien, Biosphäre Euratopia---
 

Als die Morgenschicht diejenigen ablöste, welche die Nacht gearbeitet hatten, kamen große Teile des Hafen für eine knappe Viertelstunde zum erliegen. Es fühlte sich an, als ob die mechanische Bestie die sich am Rande der Sphäre niedergelassen hatte für einen Moment seufzend inne hielt und den Sonnenaufgang erwartete. Doch in dieser Tiefe würde sie ihn niemals sehen können, sodass sie bald wieder ihr unermüdliches Werk aufnahm

Unterdessen schlich sich eine blondhaarige, türkisgefärbte Katzendame durch die Gassen zwischen den Lagerhäusern und sah sich immer wieder nach wenigen Schritten verstohlen um. Anstatt ihre doch sehr leichte und helle Kleidung zu tragen, wie sie es sonst im Alltag trug, zierte sie nun schwarze, enganliegende 'Outdoormode'. Was irgendwie lächerlich war, da es in der heutigen Zeit kein 'Outdoors' mehr gab wo man es passenderweise tragen konnte. So streifte sie durch das Hafengebiet ohne all zu viel Aufsehen zu erregen, bis sie das Objekt ihrer Begierde erblickte.
 

Arran war gerade dabei mit einem ziemlich abgerissenen Pelikan um den Verkauf seines Fischbootes zu verhandeln. Es war eine ziemliche Schrottmühle, aber mit ein bisschen Reparaturaufwand würde sie es zumindest bis zur Schmiede der Tiefe schaffen, vielleicht sogar wieder zurück. Der Hai war kurz davor entnervt einzuschlagen als sein Gegenüber knarzte: "Siebentausend, oder du kannst dir deine Kröten in den Arsch schieben!", als ihn eine leere Dose Energydrink an den Schenkel knallte. "Was soll denn jetzt...?" murmelte er verdrießlich und sah sich um, in der Hoffnung seinen Frust an einem Halbstarken ablassen zu können. Sein Blick viel auf Chips, welche wild mit der Pfote gestikulierte um ihn herbeizulocken. Der Hai drehte sich zu seinem Handelspartner um, welcher allerdings schon dabei war dem nächsten das Schiff anzudrehen. Er seufzte und zuckte mit den Schultern, dann beschloss er zu ihr zu schlendern.

"Was ist den los? Willst du dich jetzt beschweren, dass du wegen mir Ärger bekommen hast?" knurrte er halb, während er sich vor ihr aufbaute und die Arme verschränkte.

"Wie bitte? Nein! Nein, wirklich nicht! Ich bin hier weil ich...naja" Sie tippte mit den Pfoten aneinander. "Wie soll ich sagen..."

"Spucks aus, ich hab nicht viel Zeit, ich muss so schnell wie möglich einen fahrbaren Untersatz bekommen. Und sei es nur um von hier zu verschwinden, für immer."

Chips Augen leuchteten auf. "Von hier verschwinden? Wohin willst du denn?"

"Zur 'Schmiede der Tiefe'. Ich hab dort...Arbeit zu erledigen." brummte er. "Aber Mädchen, ich hab jetzt wirklich keine Zeit."

"Wenn das so ist..." Sie zog einen Bootsschlüssel aus der Hosentasche und fing an zu grinsen. "Brauchst du die sicher nicht..."

Seine Augen weiteten sich, dann wiegte er allerdigns seinen Kopf hin und her. "Die Tuna ist zwar noch fahrbar, aber ich fahre lieber in einem Schiff das einen hundertprozentig intakten Rumpf hat."

"Das ist nicht der Schlüssel für die Tuna...das ist der Schlüssel für das Boot meines Vaters."

Dem Seesöldner fiel der Kiefer fast nach unten. "Du willst doch nicht sagen...?"

"Doch. Unter der Vorraussetzung dass du mich mitnimmst. Ich habe keine Lust mich ewig von meinem Vater zu einer gesellschaftstauglichen Frau erziehen zu lassen. Also wirst du, mein lieber Fischmitternachtshappen uns jetzt hier wegbringen."

Er wollte schon nach den Schlüsseln greifen, doch sie zog die Pfote weg.

"Ah, ah, ah. Ich gehe jetzt erstmal mein Gepäck holen und du solltest das auch tun." Sie wandte sich um. "In einer Stunde genau hier!" Mit diesen Worten stürmte sie los, verschwand schnell im Gewimmel der Gassen und Menschen, die den Hafen so unübersichtlich machten.

Arran blieb noch eine kurze Weile so stehen. Langsam aber sicher verzogen sich seine Lippen zu einem erleichterten Lächeln. "Ich hoffe sie weiß, was da auf sie zukommt..."
 

---unbekanntes Datum, Ausweichhafen Newhaven, Biosphäre American Dream---
 

"Also gut. Du sagst uns jetzt wo Swiftide ist, oder mein Freund hier wird dir mit diesem Eisenrohr eine Gesichtskorrektur verpassen."

"Swiftide? W-Wer zum Teufel ist S..wiftide? I-Ich kenne diesen Namen nicht, bitte lasst mich gehen!"

"Swiftide, Arran Swiftide. Der Kerl dem das Boot gehört aus dem du heute morgen ausgestiegen bist. Du arbeitest für ihn oder?"

"Das Boot! Du meine Güte, meine lieben Herren..."

"...und Dame!"

"...u-und Dame, das ist ein Misverständnis. Dieser Arran, das ist ein Hai oder? Er h-hat das Boot verspielt, ich wollte es nur an einen sicheren Absatzmarkt bringen, deswegen bin ich hier."

"Du willst damit sagen, dass Arran Swiftide auf dem Trockenen sitzt? WO?!"

"I-In der Euratopia. Klein-Irland. Mehr weiß ich wirklich nicht, bitte, ich will doch nur meine Ruhe!"

"Xhemile, überprüf das. Wir können uns nicht leisten, noch mehr Zeit zu vergeuden. Ich habe zu viel Zeit mit diesem sehr bald sehr toten Mann verschwendet. Apropos toter Mann...Khaled?"

"Natürlich, Boss."

Kapitel 5: Havarie

---25. August 2089, An Bord der 'Almost Paradise', Atlantik vor der spanischen Küste---
 

Der Motor des Oberklasseschiffes, welches sich gerade einen Weg durch die Tiefsee des Atlantiks bahnte, schnurrte wie ein Kätzchen das vor einem warmen Kamin lag. Mit zügiger Geschwindigkeit näherte es sich dem dem Golf von Biscaya, welcher das Ende der gemütlichen Fahrt bedeutete. Von diesem aus konnte man entweder einen langen Umweg nehmen der um das komplette britische Archipel führte, oder eine nicht ungefährliche Route durch den Ärmelkanal in dem sich vor allem in den letzten Jahrzehnten immer mehr vulkanische Aktivitäten häuften. Die dritte Route empfahl sich noch weniger, denn der Kurs zwischen der britischen und der irischen Insel erwies sich auf Grund der vielen uneinsehbaren Felskluften immer wieder als Lieblingsstelle für einen Hinterhalt von Piraten und anderem Gesindel. Im Grunde hatte man also die Wahl der Qual, vor allem wenn man es eilig hatte.

Arran legte auf dem Interface des Bordcomputers den Kurs fest und stellte auf Autopilot, dann ließ er sich seufzend in den Stuhl sinken. Selbst seine geliebte Irontide hatte keine so schicke Ausstattung gehabt. Als Zivilschiff hatte die Paradise zwar im Grunde keine Bewaffnung außer Thermaltintengranaten, welche darauf ausgelegt waren, sämtliche Wärmegesteuerten Waffen abzulenken und die Sicht auf das Ziel erheblich zu verschlechtern, allerdings wog die bequeme Inneneinrichtung und die vielen kleinen Bequemlichkeitsextras dieses Manko mehr als nur wieder aus.

Die Tür der Brücke öffnete sich und Chips trat hinein, beugte sich hinter ihm vor und lehnte sich auf seine Schultern. "Und? Alles in Butter auf'm Kutter?"

Er verdrehte seine Augen, sodass er sie im blick hatte und grinste. "Das Schätzchen fährt sich, als hätte es nur einen Gang...perfekt. Da möchte man fast nie wieder richtigen Boden unter den Füßen haben."

Die Katze kicherte und ließ sich in den zweiten Sitz fallen, der hier stand und für den Navigator bereitgestellt war, wenn einer zur Verfügung stand. "Was tun wir jetzt eigentlich? Du hast gesagt du wolltest zur Schmiede. Und dann?"

Arran seufzte leise. Er wollte nicht schon wieder an diese lästigen Dinge erinnert werden. Nicht nachdem er es endlich mal für eine kurze Weile verdrängt hatte. "Ich muss wen finden, Anweisung von oben."

"Von oben? Ich dachte du wärst Seesöldner und damit selbstständig?" Langsam begann sie ihren Drehstuhl sachte hin und her zu bewegen.

"Nunja, ganz so einfach ist das nicht. Ich bin nämlich gleichzeitig...selbstständiger Mitarbeiter der Tidenwacht und muss jetzt für meine Chefin einen Kriminellen einbuchten." Der Hai griff nach seinem Seesack, den er noch nicht in seiner Kajüte verstaut hatte, weil es auf einen schnellen Abgang ankam.

"Ui. Kriminelle jagen, das klingt furchtbar interessant! Ich darf doch helfen oder?" Sie hielt den Stuhl wieder an und betrachtete ihn erwartungsvoll während er eine Akte aus dem Sack hervorholte.

"Ich weiß nicht so recht. Ich glaube, du würdest mich und dich selbst nur unnötig in Gefahr bringen. Ich meine, du bist ein Kind aus gutem Hause und Tee trinken und plaudern wollen die sicherlich nicht." Langsam blätterte er die Akte durch.

Sie maunzte unwillig. "Ich kann mehr als Tee trinken und plaudern! Mein Hausdiener hat mir genügend beigebracht, dass ich Flachpfeiffen wie dich locker umlegen könnte."

Doch er hörte nicht mehr zu, sondern betrachtete neugierig ein Foto. "Lynx E. Cheshire. Seltsamer Name..."

Die Katze sprang auf und sah sich das Foto genauer an. Es zeigte einen typischen Eurasischen Luchs, der sein blondes Haar zu einem Zopf gebunden hatte und eine Brille trug, die das Licht des Blitzes reflektiert hatte, so dass seine Augen nicht erkennbar waren. Das Bild war wohl heimlich gemacht worden, denn er wirkte völlig entspannt, wie er in einem Sessel fläzte und ein Glas in der Hand hielt, welches vermutlich irgendeine Spirituose enthielt. Er sah zur Seite, wohl zu einer anderen Person die allerdings von einem Schatten verdeckt wurde, vermutlich ein Fensterkreuz oder -rahmen. "Der sieht mir mehr nach einem Gentleman, als nach einem Kriminellen aus. So wie der rumläuft hätte er glatt auf einem dieser piekfeinen Feste herumlaufen können, die mein Vater manchmal schmeißt."

"Tja, so sieht man aus, wenn man es geschafft hat. Schonmal den Begriff Gentleman-Dieb gehört? Vermutlich ist sein Status genauso falsch wie sein Name...Lynx E. Cheshire, so heißt doch niemand."

"Ich find den Namen schick...und er sieht zum anbeißen aus."

"Typisch..." Arran verdrehte die Augen. "Mal ganz ehrlich, ein Luchs namens Lynx? Aber vergessen wir das. Wichtiger ist, dass er der Tidenwacht entkommen ist als er auf frischer Tat ertappt wurde und sich zur Schmiede aufgemacht hat. Dort ist auch eines der Ohren meiner Chefin, der wird mir schon sagen wo er ist."

"Aber wenn er weiß wo dieser Lynx ist...warum schnappt er ihn dann nicht selbst?"

"Dienstgeheimnis, du bist nicht befugt das zu erfahren."

"Tu nicht so geheimnisvoll...du bist doof.", maulte sie wieder. "Naja egal, auf jeden Fall komme ich mit, diesen Luchs würde ich gerne kennen lernen...er sieht interessant aus. So als hätte er viele interessante Dinge erlebt. Er wirkt...irgendwie weltmännisch. Nicht so wie du...du wirkst eher, wie jemand der zu lange in einem zu engen Raum nur mit sich alleine war."

"Noch ein Wort und ich fahre dich wieder zu deinem Vater. Apropos..." er rieb sich den Hals mit einer Hand. "...warum wolltest du unbedingt abhauen? Du hast doch grundsätzlich ein gutes Leben gehabt, denke ich. Und so lange wird dir dein Vater die Sache mit dem Boot ja nicht nachhalten. War ja nicht deine Schuld."

Chips zuckte mit den Schultern. "Er hat noch Crispy, meine Schwester. Die kann er gerne erziehen wie er mag, die ist einfach dafür gemacht eine gute Tochter zu sein. Diese ganze Angelegenheit war noch nie mein Ding. Ich ziehe jetzt los und mache den leuten Ehre, denen ich auch wirklich etwas bedeute..." Sie nahm ihm das Foto aus der Hand und steckte es in eine Ritze der Dachverkleidung, wo zwei Teile miteinander verschraubt waren, fest. "So, jetzt sieht es in diesem Raum gleich viel weltmännischer aus.", wechselte sie das Thema. "Achja! Da fällt mir gerade noch etwas ein! Du hast dir deine Bezahlung eigentlich nicht verdient. Du hast dich garnicht komplett nackig gemacht!"

Arran rümpfte die Schnauze. Er wollte an diese peinliche Angelegenheit nicht mehr erinnert werden. Überhaupt wollte er nur selten an die Vergangenheit erinnert werden. Er war ein Mensch der Gegenwart. "Das fällt dir früh ein...willst du jetzt Schadensersatz oder wie?"

"Eigentlich schon..." Die Katze strich mit ihren Pfoten über seinen Nacken.

Der Hai seufzte und stand auf. Langsam ließ er die Shorts sinken und entblößte sein...nicht vorhandenes Gemächt.

Der Katze blieb der Atem stocken. "Wie jetzt? Was ist das zum Teufel? Bist du ein Eunuch?"

Arran lachte nur. "Hautfalten...meine Liebe...ich würde doch niemals jemandem einfach so mein Gemächt zeigen..." Er zog die Hose wieder hoch, während sie nur mit dem Kopf schütteln konnte und sich in ihren Stuhl zurückfallen ließ. "Du mieser Betrüger!"

"Ich bin ein Seesöldner, schon vergessen? Nimm, was du kriegen kannst und gib nichts wieder her!" Wieder fing er an zu lachen. Chips sah ihn noch einen Moment wütend an, dann fiel sie in sein Lachen mit ein.
 

---27. August 2089, An Bord der 'Almost Paradise', Westende des Ärmelkanals---
 

"Ärmelkanal!"

"Außen herum!"

"Ärmelkanal und das ist mein letztes Wort!"

Arran verschränkte die Arme. "Ich weiß, dass ich dir gesagt habe, dass wir uns ein wenig beeilen müssen, aber die eineinhalb Tage die wir dadurch gewinnen machen den Kohl auch nicht so fett, dass wir dafür ein geschmolzenes Schiff und nebenbei einen geschmolzenen Hai riskieren sollten."

"Die Purradise ist schnell und robust genug um es mit jedem Vulkanausbruch aufzunehmen, du wirst schon sehen! Es ist mein Schiff und wir fahren durch den Ärmelkanal!" Sie war drauf und dran ihn vom Kapitänssitz zu stürzen und den Kurs einzugeben.

"Das ist nicht dein Schiff, sondern das deines Vaters der uns vermutlich beide umbringt wenn sein Schiff nur noch ein Haufen Altmetall ist." Gab er trotzig zurück und begann mit einem Finger die Küste Irlands auf der Karte im Interface nachzufahren. "Ich bin hier der kompetenteste Bootsführer und der Kapitän. Du bist hier nur...die Beraterin. Ich bräuchte dich nicht hätte ich eine Hand mehr und ein passendes paar Augen zusätzlich.

Sie grummelte lautstark. "Fein, dann geh ich halt in meine Kajüte meine Krallen maniküren, denn anscheinend bin ich hier nur Deko!" Sie verpasste seinem Stuhl einen Tritt, so dass sich Arran darüber freute, dass dieser festgeschraubt war. Dennoch wirbelte er relativ heftig herum. "Tu das, dann kannst du enternden Piraten das Gesicht zerkratzen, du Furie." Murmelte er leise. Zu leise dass sie es hören würde hoffte er, wurde allerdings durch ein Fauchen ihrerseits eines besseren belehrt.

Er gab den neuen Kurs ein und ließ den Motor wieder auf volle Kraft hochfahren. Wenn es gut lief würden sie in vier Tagen ankommen. Immer noch genügend Zeit um diesen Gauner zu schnappen und Celine so lange zufriedenzustellen bis sie wieder irgend etwas fand um ihm das Leben schwer zu machen. Oder jemand anderen. Er ahnte schon länger, dass sie dieses Spielchen mit mindestens einer weiteren Person spielte, dennoch schien er aus unerfindlichen Gründen ihr Liebslingsspielzeug zu sein. Arran zuckte mit den Schultern, lehnte sich zurück und fing an ein wenig zu dösen.
 

"Wie kann er es wagen. Ich bin nicht von zu Hause abgehauen um mich jetzt von einem anderen Starrkopf herumkommandieren zu lassen." Chips warf sich wütend auf ihr Bett und anstatt ihre Krallen zu feilen, holte sie ihr Waffenpflegeset aus ihrem Nachtschränkchen hervor und fing an ihre Messer zu schleifen. Das tat sie immer wenn sie wütend, frustriert, gelangweilt, genervt oder sonst irgendwie negativ gelaunt war. Dank ihres Vaters waren ihre Messer immer schärfer als jedes Sushimesser gewesen. "Dann hol ich die Zeit eben wieder auf indem ich mir diesen Luchs vor ihm schnappe, ihn an eine Angel hänge und damit vor Arran herumwedele!" Eines der Wurfmesser flog wutentbrannt gegen die Dartscheibe, die an der Tür zu ihrer Kabine hing. Chips hatte überall Dartscheiben aufgestellt wo sie häufiger anzutreffen war. Dadurch konnte sie wo immer sie gerade war ein wenig üben oder zumindest die Zeit totschlagen. Und U-Boote waren wirklich ein Ort an dem man viel Zeit hatte die man totschlagen musste. Wenn man früher von diesen Gefährten als schwimmende Särge geredet hatte, so konnte man heute davon ausgehen, dass vor allem vergangene Zeit hier beerdigt wurde.

Ihre Gedanken schweiften beim Schleifen langsam von Arran zu ihrer Familie. Sie hatte kein Problem damit, dass ihr Vater vermutlich auf Grund ihrer Handlungen toben würde, aber es versetzte ihr immer einen unangenehmen Stich, wenn sie an Miles dachte. Er war ihr ein Ziehvater gewesen als ihr eigentlicher Vater beschäftigt war die Familie finanziell und gesellschaftlich vor dem Ruin zu bewahren. Mit riskanten aber lohnenswerten Entscheidungen hatte er der Familie als Oberhaupt alle Ehre gemacht und man konnte nicht behaupten, dass er ein Rabenvater war der seine Kinder völlig vernachlässigt hatte. Aber irgendwie hatte sie nach dem Tod ihrer Mutter und des Vaters von Miles immer einen viel besseren Draht zu dem Butler der Familie gehabt. Sie hatten einfach etwas das sie verband. Sie konnten Kummer und Einsamkeit teilen, vor allem da Miles keine Frau oder anderweitige Familie mehr hatte. Irgendwann hatte er dann beschlossen ihr Selbstverteidigung und noch vieles mehr beizubringen und das schweißte sie noch enger zusammen, so dass sie manchmal gut Lust hatte Miles ihren Vater zu nennen. Hätte ihr leiblicher Vater das gewusst, so wäre diesem bestimmt das Herz zerbrochen und vor allem auch deswegen wahrten der Butler und das reiche Mädchen immer die Mindestdistanz die von zwei solchen Personen erwartet wurde, zumindest oberflächlich. Sie hoffte einfach immer nur, dass ihr Vater glauben würde sie habe eine rebellische Phase und ihnen nie auf die Schliche kam.

Seufzend schwang sie wieder die Beine aus dem Bett und steckte die Waffen weg. Es brachte jetzt nichts über vergangene und entfernte Dinge nachzudenken auf die man sowieso gerade keinen Einfluss hatte. Sie beschloss wieder auf die Brücke zu gehen und vielleicht eine Runde Karten oder etwas in der Richtung mit Arran zu spielen.
 

Dieser war gerade durch so ein nerviges Piepsen wachgeworden. "Och, jetzt sag nicht, dass sich ein Wyldfisch in den Motorblock verlaufen hat und dort verreckt ist." Er suchte die Quelle des Geräusches und fand diese bei dem Sonar. Chips trat hinter ihn und sah wieder über seine Schulter. "Zwei Schiffe? Was denn für welche?"

"Wenn ich das wüsste..." Arran suchte den richtigen Knopf für den Schiffsscan. Eine Pfote reichte über ihn hinweg und drückte auf einen Knopf der Tastatur. "Den hatte ich auch gerade gefunden.", brummte er.

"Natürrrlich...", schnurrte sie dicht gefolgt von einem Kichern. Dann wanderte der Blick der beiden auf den Monitor. "Hmmm ein Schiff der EUA-Marine. Das bedeutet...genau. Das andere hat eine gelöschte Schiffssignatur. Vermutlich ein Piratenschiff. Aber sie entfernen sich von uns,wir haben also nichts zu befürchten."

Hinter ihm hörte er ein Seufzen. "Ich hatte gehofft die Überfahrt würde aufregender werden. Aber wir haben schon die halbe Strecke geschafft und wurden noch nicht einmal von einem Wyldkraken angegriffen oder so."

Der Hai ließ die Scandaten in den Hintergrund wandern und öffnete wieder die Meereskarten des Gebietes und die Kursdaten. "Und das ist auch gut so. Man hat als Seesöldner so viel Dreck an der Schwanzflosse, dass du dir nicht auch noch welchen suchen musst."

"Aber in den Büchern seid ihr die unerschrockenen Kämpfer der Tiefsee. Jeden Tag schaltet ihr Konkurrenten aus und kämpft gegen die Monstren der Tiefsee!"

"In der Hinsicht muss ich dich leider enttäuschen. Die Routen, die wir am liebsten befahren sind nicht aufrege..." Das Ende seines Satzes ging in einem lauten, elektrischen Kreischen unter. Die Beleuchtung drehte innerhalb weniger Momente auf 'sonnenhell' dann verlosch sie und sämtliche Elektronik dazu. Der Motor ging aus und das Schiff bewegte sich in einer steilen Kurve bugvoran Richtung Meeresgrund.

"Was zum Teufel war...?", rief Chips als sie von einem lauten Krachen und einer heftigen Erschüttern durchgeschüttelt wurde. "...das?"

"Ich glaube..." Arran stöhnte leise vor Schmerz auf. "Ich glaube das war eine EMP-Mine. Die benutzen..." Kurz atmete er durch. "...Piraten um Schiffe lahmzulegen ohne sie zu sehr zu beschädigen."

"Und was machen wir jetzt?" Langsam erhob sich die Katze wieder, versuchte in der Dunkelheit irgendetwas zu erkennen.

"Nun ja... Mit etwas Glück ist kein Teil bleibend beschädigt, so dass wir es in kurzer Zeit wieder ans laufen kriegen könnten. Meine Irontail hatte für so etwas einen geschützten Ersatzschaltkreis...verdammte unüberarbeitete Zivilschiffe." Frustriert schlug er gegen die Amaturen.

Plötzlich durchschnitt eine Lichtlanze die Finsternis und tastete erst die Decke und dann Arran ab. "Hey, nimm dieses verdammte Ding aus meinem Gesicht."

"Beleidige bloß nicht Maggie die Maglite! Sie kommt zwar selten zum Einsatz aber hier würde nichtmal eine Fledermaus was sehen!"

"Fledermäuse können auch nicht im dunkeln sehen, aber zurück zum Thema. Kennst du dich mit Elektronik aus?"

"Öhm...", Chips kratzte sich am Kopf und legte die Taschenlampe auf das Amaturenbrett damit das Licht möglichst viel des Bootes beleuchtete. "Ich hab mal so ein bisschen was mit Stromkabeln und so rumgebastelt...aber ansonsten...Nö."

"Na toll." Er nahm einen tiefen Atemzug. "Wir sitzen also im dunkeln..."

"Halbdunkeln!" korrigiere die Katze ihn.

"Im halbdunkeln, haben keinen anständigen Elektriker an Bord, befinden uns auf dem Meeresgrund mitten im Meer und werden von Sonaren zwar erkannt aber wer denkt schon das ein verdammter Haufen Metall am Meeresgrund noch lebendige Wesen beinhaltet?" Im Laufe des Satzes wurde er immer lauter immer schneller und immer panischer, bis er zum Schluss fast anfing zu Hyperventilieren. "Ich bin doch keine Sardine!"

"Ganz rrrruhig mein fischiger Freund." Sie tätschelte ihm vorsichtig den Kopf. "Du setzt dich jetzt irgendwo in Ruhe hin und denkst an dein Bettchen zu Hause, während Miss Chipsy die Bootsflüsterin sich mal unseren Patienten ansieht. In Ordnung?"

"In...Ordnung." Er beruhigte sich wirklich wieder, wenn auch nur ein bischen.

"Dann ist ja gut." Sie kniete sich in den Hohlraum unter den Konsolen und hebelte die Verkleidung heraus, bevor sie anfing sich die Kabel genauer anzusehen um zu überprüfen, ob etwas durchgebrannt war. Arran unterdessen setzte sich hin und schloss die Augen. Er hatte kein Problem mit engen Räumen. Nur mit dunklen, engen Räumen in denen es kaum eine Möglichkeit gab wieder lebendig heraus zu kommen hatte er so seine Probleme.

"Also die Verkabelung ist in Ordnung, ich versuch mal einen Systemneustart." Chips kam wieder aus dem Hohlraum hervor und setzte sich auf den Stuhl.

"Und wenn das nicht funktioniert werde ich mich einfach von dir ernähren bis Rettung einkehrt. Damit spare ich Nahrungsmittel und einen Mitesser."

"Mach dich nicht lächerlich. Wir haben noch eine Woche lang Nahrungsmittel an Bord. Und das Zeug hier ist vermutlich besser als alles was du jemals gegessen hast." Sie drehte den Zündschlüssel und hoffte auf das Beste.

Zögernd flackerten die Lampen und gingen dann eine nach der anderen an. Auch die Monitore und Anzeigen erwachten langsam zu neuem Leben und strahlten ihr beruhigendes Licht ab. "Uff. Noch einmal gut gegangen." Murmelte Arran.

Chips zog die Augenbrauen zusammen und überflog den Systemcheck, der einem Neustart des Systems immer folgte. "Fischi, wir haben ein Problem."

"Was den jetzt schon wieder? Ich hab so langsam das Gefühl, U-Boote hassen mich im generellen."

"Eine der Benzinleitungen ist gerissen. Kannst du das eben kurz flicken gehen?"

"Klar, solange wir dann nur endlich von hier weg kommen. Ich hab keine Lust Algen anzusetzen."

Arran drehte sich um und ging den Korridor hinab Richtung Heck, wo sich die Wartungsluke samt Reparaturkoffer befinden müsste. Er brauchte nicht lange um sie zu finden, öffnete sie und kroch in den engen, dämmrig beleuchteten Schacht. Er stellte das Funkgerät, welches sich im Inneren des Schachtes befand an, dann fragte er: "Okay, wo genau ist das und warum zum Teufel ist das Licht hier so scheiße schwach?"

Knisternd folgte die Antwort von Chips: "Im Mittelteil, dürftest es eigentlich nicht verfehlen können. Ich glaube die Elektronik hat doch so ein paar Macken dank der Mine. Aber du müsstest doch auch ganz gut im Dunkeln sehen können."

"Ja, nur trotzdem hasse ich schummriges Licht. Wartungsteam Ende." Er kletterte weiter hinein und robbte sich durch den Schacht. Sehr bald fing es an nach Benzin zu stinken, allerdings wurde der Schacht immer enger. "Das kann doch nicht von der Werft so geplant worden sein! Verdammtes Drecksteil!" Fluchte er. Ein paar Zentimeter weiter gab es kein Weiterkommen und die Wand sah auch ziemlich eingedellt aus. An einer Stelle tropfte es sogar leicht. Er klebte die Stelle schnell mit einem speziellen Flicken ab, dann machte er sich auf den Rückweg.
 

Chips machte in der Zwischenzeit einen ausführlichen Systemcheck, schaltete dann wieder das Funkgerät an. "Arran? Ich glaube wir haben eine Delle in der Außenwand. Unglücklicherweise direkt an dem Wartungsschacht."

"Ich weiß." Ertönte seine Stimme direkt hinter ihr. Ihr Fell sträubte sich und sie schrie fast auf, konnte es aber abwürgen, so dass es eher danach klang als würde man versuchen sie zu erwürgen. "Arran! Du darfst dich doch nicht gleich so anschleichen!"

"Hab ich doch gar nicht." Knurrte er missmutig. "Das heißt wir können es im Grunde ch vergessen. Wir werden hier einsam und allein sterben, außer natürlich irgendwann kommt vielleicht mal ein Schiff unsere Route entlang, so dass wir einen Notruf absetzen können. Wir haben nicht genügend Stromstärke für einen Funkspruch der bis zur Schmiede oder zur Euratopia reicht."

"Oder...", gab sie mit einem aufmunternden Lächeln zurück. "...du könntest mal nach da draußen herausklettern und mal schauen, dass du an die äußere Wartungklappe kommst."

"Das...klingt nach einer Idee. Wenn da nicht das Problem wäre, dass ich damit den Kompletten Wartungsbreich fluten würde."

"Dann schweißen wir halt die Wartungsluke zu!"

"Du bist...wahnsinnig."

"Genie und Wahnsinn liegen nah beieinander!"

"Touché"
 

---27. August 2089, Gemeinschaftshafen Klein-Irland/Klein-Britannien, Biosphäre Euratopia---
 

"Mr MacPurrson? Die Pink Tuna ist jetzt auslauffertig. Sie können sofort an Bord gehen."

"Gut. Miles? Sie haben hoffentlich alles gepackt und drei mal überprüft. Wir werden eine gute Weile nicht mehr zurückkehren. Jedenfalls so lange bis wir dieses verdammte Gör gefunden haben. Crispy? Du bist so lange der Familienvorstand. Wenn irgendetwas sein sollte frag einfach Mr Greenstein."

"Aber Papa, ich habe in wenigen Wochen Abschlussprüfungen."

"Keine Widerrede. Niemand sonst hat so ein gutes Näschen für das Kind wie ich. Außerdem will ich der erste sein, der ihr den Kopf wäscht."

"Master? Denkt ihr wirklich, dass es so gut für ihre Reputation ist in einem Boot zu reisen, welches...nunja."

"Spucken sie es schon aus Miles."

"In einem Schiff das ... rosa ist ?"

"Ich weiß Miles, aber uns bleibt keine andere Wahl, die Paradise hat dieser kleine Langfinger ja mitgenommen!"

"Nun ja, Tuna ahoi würde ich dann sagen, wenn sie mir diese Umgangssprache erlauben."

"Ja...Tuna ahoi..."
 

---27. August 2089, Hauptquartier der Tidenwacht: Bezirk West, Biosphäre Euratopia---
 

"Also gut. Wir haben endlich herausgefunden wer sie sind. Sie haben es uns wahrlich nicht leichtgemacht, Azila Fathi."

"Und mit wem habe ich es hier zu tun?"

"Wachtkommissarin Ledoux, vielleicht haben Sie bei einem ihrer Verbrecherfreunde schon einmal von mir gehört."

"Nein. Noch nie. So wichtig sind Sie dann wohl doch nicht."

"Na warte!"

"Autsch! Oh, spielen wir jetzt den bösen Bullen ? Wie niedlich."

"Zu schade, dass der gute Bulle heute frei hat. Spucks aus, was wollte dieser Cheshire mit einer so großen Menge an Sprengstoff ? Ich bin mir sicher, dass du mich aufklären kannst."

"Er wollte es nicht kaufen, es war die Bezahlung."

"Für was?"

"Als ob ich das einer kleinen miesen Ratte erzählen würde."

"Was solls, ich hab Zeit. Und frisch polierte Stiefel..."

Kapitel 6: Leckschlag

---27. August 2089, An Bord der 'Almost Paradise', Atlantik vor der irischen Küste---
 

"Noch ein kleines Stück... fertig!" Arran stand auf und streckte sich. Das lange hinhocken hatte ihm Rückenschmerzen bereitet.

"Sieht garnicht mal so schlecht aus... Du bist ja doch zu was nütze.", kicherte Chips und strich über die Schweißnaht, die inzwischen schon abgekühlt war.

"Naja, ich kenn mich zwar nicht mit Elektronik aus, aber ein bisschen schweißen, kein Problem." Er neigte den Kopf ein wenig nach oben. Eine Begleiterin zu haben hatte schon was. Man musste nicht mehr mit sich selbst reden und wurde gelobt wenn man was richtig macht. "Ich gehe mich dann mal umziehen und dann bin ich schneller draußen als du Fischfrikadelle sagen kannst!" Als er an ihr vorbei ging um zu seiner Kajüte zu kommen, kam er nicht umhin zu bemerken, dass sie ihn aus den Augenwinkeln ausgiebig musterte. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, dann allerdings atmete er tief durch und konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe.

Er musste das Boot verlassen, dort die äußere Wartungsluke finden und das Leck in der Benzinleitung flicken damit der Wartungschacht nicht mit Treibstoff geflutet werden würde, sobald sie den Motor anließen. Er war ein halbes Meereslebewesen, sodass diese Angelegenheit kein großes Problem werden würde. Er besaß sowohl eine Lunge als auch Kiemen und einen Nervenknoten zwischen Hals und Schulter, der die Funktion der beiden kontrollierte. Das würde es ihm ermöglichen die Reparatur ohne lästige Scuba-Ausrüstung zu erledigen. Er zog sich sein Shirt und seine Badeshorts aus und stieg stattdessen in einen langärmeligen und -beinigen Wetsuit, dann zog er sich eine Schwimmbrille über. Eine Spezialanfertigung mit eingebauter Mini-Taschenlampe und auf seine Kopfform angepasst. Denn im Normalfall trugen Haie keine Schwimmbrillen, aber er mochte die Dinger einfach, auch wenn diese etwas seltsam aussah wenn er sie trug. Zu guter letzt schnallte er sich sein Tauchmesser an den Oberschenkel. Er rückte alles richtig, vor allem an der Stelle wo seine Schwanzflosse hinaus ragte und kam dann wieder aus der Kajüte heraus.

Chips stand im Korridor mit einem Werkzeuggürtel in der Hand. "So mein Lieber. Ab ins kühle Nass!" Er nahm sich den Gürtel, schnallte ihn um und tapste dann zur Ausgangsschleuse. "Vermiss mich nicht zu sehr." meinte er noch, bevor er die Luke öffnete und in die Schleuse trat. Hinter sich drehte er das Schleusentor wieder zu und legte dann den Hebel um der die Flutung der Kammer einleiten würde. "Dann mal los..." murmelte er noch, als das Wasser begann um seine Knöchel zu strömen und schnell höher stieg. Als es an seiner Brust angekommen war, senkte er den Kopf in die graublaue Flüssigkeit und nahm einen tiefen Schluck in sein Maul, bevor er ihn durch seine Kiemen drückte. Es schmeckte wie klarste Gebirgsluft. Jedenfalls würde ein Oberflächenbewohner der in den 2010ern gelebt hatte es so bezeichnen. Als die Kammer vollständig gefüllt war drehte er die gegenüberliegende Luke auf und schwamm hinaus in die freie See. Er stellte die Taschenlampe an und sog die vielen unterschiedlichen Gerüche ein, die der ihn umgebende Ozean zu bieten hatte.

Das Wasser roch appetiterregend fischreich und er musste sich beherrschen nicht einfach loszuschwimmen und seinem Jagdtrieb nachzugeben. Er war zwar noch nie wirklich auf Raubzug gewesen, allerdings lag dieser Instinkt tief verankert in jedem Raubtiermenschen. Genauso wie ein natürlicher Fluchtinstinkt im Unterbewusstsein einer jeden Maus oder eines jeden Pferdes lag. Vorsichtig und konzentriert schwamm er entlang der Außenwand des Bootes in Richtung Bug. Irgendwo dort würde die Außenluke liegen, welche im Normalfall dazu genutzt wurde Reparaturen im Trockendock vorzunehmen. In der erdrückenden Dunkelheit der Tiefe, welche nur von einem dünnen, aber kräftigen Lichtstrahl seiner Brillenlampe durchdrungen wurde brauchte er eine Weile bis er fast zufällig mit einer Hand gegen den Griff der Luke stieß. Er fluchte kurz lautlos und rieb sich die Hand, dann machte er sich daran den Griff mit beiden Händen zu packen und aufzudrehen. Es war eine mühseelige Arbeit, wobei das Wasser jede Bewegung noch anstrengender machte. Langsam aber sicher bewegte sich das Rad und er hatte die Luke schon fast offen als er innehielt. Hatte er da nicht gerade etwas gerochen ? Hastig sah er sich um, doch er bewegte seinen Kopf zu ruckartig um mit Hilfe des Lichtes irgendetwas erkennen zu können. Er wandt sich langsam wieder zu dem Griff und drehte weiter. Als er das Rad zum Anschlag gedreht hatte, zog er an dem Griff und stemmte sich mit beiden Beinen in den Rumpf des Schiffes. Es bewegte sich kein Stück. "Ach verdammte Seekuhkacke!", fluchte er. Natürlich ließ die Tür sich bei dem enormen Wasserdruck der auf ihr lastete nicht öffnen. Sicherheitshalber sah er sich nochmals um, bevor er in die Tasche an seinem Gürtel griff und einen Lichtbogenbrenner hervor holte. "Dann halt mit Gewalt!" Er setzte den Brenner an und wandte seinen Blick ab als er das Gerät einschaltete, um nicht zu erblinden. Diese Teile wurden verdammt hell.

Bald schon verriet ein fast unhörbares Zischen das Wasser in den Schacht drang und begann den Druck auszugleichen. Er zog den Brenner langsam nach unten, als er plötzlich eine Bewegung spürte und kurz darauf etwas sein Bein packte. Arrans Augen weiteten sich vor Schreck und er ließ den Brenner fallen. An sich hinunter schauend gewahrte er einen langen Tentakel der sich fest um sein Bein geklammert hatte. "Doppelte Seekuhkacke!" rief er aus und griff nach seinem Tauchermesser. Ein zweiter Tentakel schoss heran, offensichtlich mit dem Ziel sein anderes Bein zu ergreifen. Der Körper des Ungetüms war noch nicht zu sehen. Schnell zog Arran sein Bein weg und stach erfolglos nach dem schlangenartigen Arm, der ins Leere griff und sich schnell wieder in schützende Dunkelheit zurückzog. Gleichzeitig packte der andere Greifarm fester zu und zog Arran ein Stück mit sich, welcher allerdings rechtzeitig mit der anderen Hand nach der Luke griff. Der glitschige Tentakel hielt ihn weiter umklammert und zog immer kräftiger an dem Hai, der gespannt wie eine Bogensehne zwischen ihm und der Luke hing, während die Luke mehr und mehr nachzugeben schien und immer mehr Luftblasen aus dem Loch in der Luke strömten. Arran paddelte mit seinem Schweif so schnell er konnte vorwärts um ein wenig Druck von seinem gemarterten Bein zu nehmen und versuchte mit seinem Messer zwischen seine Haut und den Greifarm zu kommen. Plötzlich ließ der Wyldkrake einen Moment locker und er rutsche mit dem Messer ab, schnitt tief in seine Wade. Ein Schrei gefolgt von mehreren lauten Verwünschungen hallte durch das Wasser, während wieder der zweite Tentakel herannahte und blitzschnell nach seinem Schweif griff. Arran verlor durch die Kraft der beiden Greifer den Halt an der Luke und wurde eilig in Richtung einer nahen Felspalte gezogen, wo das Licht seiner Lampe auf ein rötlichschimmerndes Auge mit einer geschlitzten Pupille fiel. Darunter befand sich ein Schnabel der wütend auf und zu schnappte.

"Na toll...es ist aus...war ja klar.", murmelte Arran, als ihm ein Geruch in die Nase stieg. Neugierig schnupperte er, dann wurde es ihm mit einem seltsamen Gefühl in der Magengrube klar. Der Geruch von Blut. Seinem Blut! Das war ganz und gar nicht gut. Jedenfalls für den Wyldkraken. Arran spürte ein nur zu bekanntes Gefühl in seinen Adern kochen. Der Geruch von Blut hatte ihn schon immer so...hungrig gemacht. Er warf sein Messer weg und krallte sich in den Tentakel der sein Bein umklammert hielt. Mit einer schnellen Bewegung bog sich sein Oberkörper fast unnatürlich, biss herzhaft in das Fleisch des Tieres hinein und riss mit seinen rasiermesserscharfen Zähnen ein gutes Stück hinaus. Es klappte! Begleitet von einem unmenschlichen Schrei lockerte sich der Tentakel an seinem Bein. Doch andere schossen aus der Spalte und Arran spürte zu spät, wie er von der Fessel an seiner Schwanzflosse im hohen Bogen gegen die Felswand geschleudert wurde. Er kam mit seiner Vorderseite auf dem schartigen Stein auf, welcher sich unangenehm in seinen Wetsuit bohrte, glücklicherweise jedoch keine Löcher oder gar Wunden Riss. Nun wurde es dem blutrünstigen Jäger zu bunt. Er packte einen vorstehen Felsen und stieß sich in Richtung der Felsspalte ab. Das bösartige Auge dort blitzte ihn wütend an und sofort schlangen sich drei der grässlichen Greifer um seinen Körper, was ihm jedoch scheinbar nichts ausmachte. Er stieß sich nochmal ab und mit einem Schwimmzug war er bei dem Ungetüm. Schneller als dieses auf diese Handlung reagieren konnte, rammte er ihm seine Klauenbewehrten Hände ins Auge, drückten zu und drückte sie immer weiter hinein. Das Aufbrüllen des Wyldkrakens war sicherlich entlang der gesamten irischen Küste zu hören, ehe es schließlich erstarb und mit ihm der Druck der tödlichen Fangarme. Gierig stieß der Hai seine Zähne in das unförmige Fleisch und fraß sich satt, bevor er sich langsam aus der Kluft treiben ließ. Langsam kam die Erschöpfung und damit auch seine Vernunft. Eine gewisse Zufriedenheit erfüllte ihn, wenn auch mit einem Wermutstropfen. Er hasste es so die Kontrolle zu verlieren, weswegen er keine Schusswaffen trug und sein Tauchermesser eigentlich nur benutzte wenn er sich irgendwo verfangen hatte. Aber dieses Mal hatte es ihn gerettet. Gut das Chips nichts davon mitbekommen hatte. Das hoffte er jedenfalls. Jetzt sollte er schnell die Wartung vornehmen und dann seine Wunde versogen lassen, deren Geruch immer noch unangenehm in seiner Nase kitzelte.

Mit dem Band an dem vorher sein Tauchermesser hing, band er sich notdürftig die Wade ab, bevor er die Luke entgültig öffnete und hineinkletterte. Bald wäre das Gewässer von Wyldhaien verseucht, so dass er so schnell wie möglich wieder hinein wollte in die schützende Blechverkleidung. Es dauerte nicht lange, bis er die beschädigte Leitung fand und mit einigen schnellen Handgriffen abdichtete. Der Geruch des schon ausgetretenen Benzins überlagerte den des Blutes und sorgte so dafür, dass er zwar nicht in angenehmer Umgebung, aber wenigstens konzentriert arbeiten konnte.

Gerade kam er wieder aus dem Schacht geklettert und versuchte sich zu orientieren, als die Scheinwerfer eines Schiffes ihm genau ins Gesicht schienen. "Na toll, die Piraten haben die Marine abgehängt und kommen jetzt um sich ihre wohlverdiente Beute abzuholen...", knurrte er. Wenn er den Lichtbogenbrenner fand, konnte er ihnen ein Loch in den Rumpf brennen, aber dafür war nicht mehr genug Zeit. Das Schiff machte sich gerade daran an die "Almost Paradise" anzudocken. Arran wurde schlagartig klar, dass er hier weg musste, wollte er nicht von einigen Tonnen Boot erdrückt werden. Hastig schlug er mit seiner Schwanzflosse aus und schwamm in Sicherheit. Das Piratenschiff war sicherlich doppelt so groß wie die Paradise. Das musste eine ziemlich große Nummer unter den Kriminellen sein dachte sich Arran. Er steuerte mit seinem Schwanz Richtung Frontscheibe des am Meeresboden liegenden Schiffes und klopfte dagegen. Chips befand sich nicht mehr auf der Brücke, was bedeuten musste, dass sie sich vermutlich vorbereitet hatte die Eindringlinge abzuwehren. Aber sie hatte doch gar keine Chance gegen eine Bande von blutrünstigen Räubern und Mördern! Langsam kam das fremde Schiff neben der Paradise zum liegen, die Andocksysteme setzten sich an ihrer Luke fest und zogen es zu sich. Da diese Systeme für Andockmanöver mitten im Meer ausgelegt waren und nur teilweise am Boden zu gebrauchen waren, schabte der Rumpf der Paradise über den Fels und die Lackierung wurde arg zerkratzt. Der Hai konnte nichts anderes tun als zusehen, wie die Piraten das Entermanöver vornahmen.

Wenn er noch die geringste Chance haben wollte durfte er sich bloß nicht entdecken lassen. Er schwamm hinunter zum Meeresgrund und suchte nach dem Brenner, um nachher ein eigenes Entermanöver starten zu können. Doch die Strömung oder ein neugieriger Fisch hatten sich das Gerät wohl schon vorher unter den Nagel gerissen. Ein weiteres mechanisches Geräusch und das Piratenschiff dockte ab und begann wieder aufzusteigen. Es war klar, dass die Kleine nicht viel Gegenwehr leisten konnte. Mit wenigen kräftigen, wutunterdrückten Flossenschlägen war er an der Ausstiegsluke des Schiffes, hielt sich gut fest. Zu seinem Erstaunen war diese nicht verschlossen, die Tür kam ihm fast entgegen als er den Griff berührte. Er kletterte in die Flutkammer, schloss die Luke und kontrollierte seine Waffen. Kein Brenner, kein Taser und kein Messer. Das hieß er würde etwaige Gegner mit einem Schraubenzieher ausschalten müssen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, doch dann wurde ihm kurz schwarz vor Augen. Der Blutverlust war zwar verlangsamt, aber er hatte schon eine ungesunde Menge Blut verloren. Rettungssuchend klammerte er sich an den Griff, der die Kammer abpumpen würde. Langsam sank das Wasser und die Kammer füllte sich mit Luft. Als sie leer war konnte er nur noch auf allen Vieren auf dem Gatter stehen. In einer Hand den Schraubenzieher erwartete er so die ersten Angreifer, denn das entleeren der Schleuse hatte sicherlich das ganze Schiff auf ihn aufmerksam gemacht. Das Rad, welches den Verschluss der Tür bildete die in das innere des Schiffes führte, drehte sich langsam auf. Als sie einen Spalt aufging, hob er den Kopf gleichzeitig mit seiner improvisierten Waffe. Er hatte schließlich eine Verantwortung für das Kätzchen. Die Tür schwang weiter auf, Arran setzte schon zum Sprung an, fiel aber fast nach vorne, als zwei ihm bekannte Gestalten in vollkommen lässiger Haltung dort standen. Die eine war Chips, die überhaupt nicht unglücklich wirkte, dass sie gerade geentert worden war. Die zweite war ein Hai von beeindruckender Gestalt. Er war sicherlich gut einen Kopf größer als Arran und durchaus kräftiger gebaut. Eine Narbe quer über seine Schnauze und die Frisur im Samuraistil, auch wenn der Mittelteil der Haare nicht abrasiert war, ließen ihn darüber hinaus überaus brutal wirken. Das ungebleichte Shirt mit dem 'Rettet die Wyldwale'-Logo und die vielen Freundschaftsbänder an seinem eindrucksvollen Schwanz eher weniger. Die tiefgrünen Augen seines Gegenübers blitzten ihn amüsiert und ehrlich erfreut an. "Arran, mein lieber Freund und Kupferstecher!", tönte die tiefe Bassstimme des großen Weißen. "Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen? Ich habe dich ehrlich vermisst mein Lieber."

Chips fügte bei dem Anblick von Arrans sprachlosem und verwirrten Gesicht hinzu: "Dieser nette Herr hat uns zufällig bemerkt und angeboten, die Paradise zur Schmiede zu schleppen. Ich wusste ja nicht, dass du ihn kennst, um so besser!" Sie klatschte in die Hände. "Magst du mich nicht vorstellen, Fischifischi?"

Arran sah abwechselnd von Chips zu dem Hai und wieder zurück.

"Aber bitte das hat doch noch Zeit! Unser armer Freund hat sich bei seinem kleinen Ausflug ins kühle Nass eine Wunde zugezogen. Ich bringe ihn erst einmal zu unserer Bordärztin." Der sanfte Riese trat auf Arran zu und nahm ihn ohne große Mühe hoch und trug ihn wie ein Bräutigam seine Braut über die Schwelle. "Ich bin mir sicher, dass der Gute bis zum Abendessen wieder in bester Verfassung ist. Chips, lass dir doch so lange von jemandem das Schiff zeigen. Ich will ja nicht, dass du dich langweilst." Gemächlich stapfte er mit Arran in den Armen in den hinteren Teil des Schiffes, während Chips ihnen nachsah.

Der kleinere der beiden wollte sich erst wehren, doch er wusste aus der Gutmütigkeit seines Bekannten gab es nur selten ein Entkommen und er wollte es sich mit ihm in so einer ungünstigen Situation nicht verscherzen. Auch wenn es fast unmöglich war diese Sanftmut in Person aus der Ruhe zu bringen. Also ließ er sich von ihm in das Zimmer der Bordärztin tragen, die gerade in dem gut ausgestatteten Krankenzimmer stand und ihren Vorrat an Medikamenten kontrollierte. Es war eine relativ zierlich gebaute Delphindame mit kurzen blonden Haaren. Sie sah hinüber zu den beiden als sie eintraten. "Ah, ein Patient? Wie schön...ähm ich meine natürlich wie schade. Irgendwie ein bisschen von beidem. Ich freue mich immer über mehr Arbeit aber natürlich ist das schlecht für ihn aber ähm...du weißt schon was ich meine."

Beide Haie mussten unwillkürlich grinsen. Arran wurde vorsichtig in das Bett gelegt, dass einen guten Teil des Raumes ausfüllte. "Ich hoffe, dass du ihn wieder zusammenflicken kannst. Es wäre sehr schade, wenn wir auf einen unserer Gäste verzichten müssten." Nun blickte er Arran an. "Ich hoffe du entschuldigst mich. Aber ich habe so meine Problematik mit Krankenzimmern. Außerdem habe ich noch ein wenig beim Abschleppen eures Schiffchens zu helfen." Ohne eine Antwort abzuwarten trat er wieder aus dem Krankenzimmer und schloss die Tür hinter sich.

"Dann wollen wir uns doch mal die Wunde ansehen...", murmelte die Ärztin mehr zu sich selbst, während sie alles bereit legte, was sie zum ordnungsgemäßen Behandeln der Verletzung brauchte. Während sie ihn mit Desinfektionsmittel bearbeitete, was den Hai leise aufknurren und sie als Reaktion kurz zurückschrecken ließ, versuchte sie ein wenig Smalltalk zu betreiben. "So, sie kennen also unseren Kapitän?"

Arran nickte sacht, starrte dann wieder zur Decke. "Ja. Wir haben uns vor einer Weile per Zufall kennengelernt und wie er so ist behandelt er alle Leute die er zwei Minuten lang kennt als seine besten Freunde." Nach einer Pause fügte er hinzu: "...und Kupferstecher.", was die Delphindame leise kichern ließ.

"So ist er halt. Aber das macht ihn doch nur noch wunderbarer. So groß und trotzdem wundert man sich, wie sein Herz in ihn hinein passt. Ach was, wie sein Herz in dieses Boot passt...natürlich nur metaphorisch gemeint. Natürlich hat er nur ein normalgroßes Organ als Herz aber naja seine Gutmütigkeit, sie wissen schon."

"Ja, ich weiß schon." Er verdrehte die Augen. "Das weiß ich nur zu gut." Dieser Gutmensch hatte ihn schon immer in den Wahnsinn getrieben. Er hatte alles erreicht, was Arran jemals wollte. Seine Crew bestand aus Damen die ihn anhimmelten und nicht mehr von seiner Seite weichen wollten, er hatte ein riesiges, gut ausgerüstetes Schiff und er sah verteufelt gut aus und war nicht so ein halbes Hemd wie er. Es brachte ihn immer zum Kochen wenn er daran dachte. Wenigstens sorgte dieses unverhoffte Treffen dafür, dass sie sicherlich einen halben Tag Reisezeit sparten.

Gerade war die Ärztin dabei eine hübsche Schleife in den Verband zu machen. "Soo, jetzt sind wir fertig. Ihr Bein wird in kürzester Zeit wieder voll einsatzfähig sein."

Arran nickte wieder. "Danke, Frau Doktor.", murmelte er einsilbig. "Es ist mir erlaubt mich im Schiff frei zu bewegen?"

Die Ärztin zuckte mit den Schultern. "Ich denke schon. Warum auch nicht, was solltet ihr uns auch böses tun wollen?"

Arran wog den Kopf hin und her. "Nochmals danke und einen schönen Tag noch." Und schon verließ Arran das Zimmer, bevor die Dame ihn noch mehr zutexten konnte. Es mochte zwar unhöflich wirken, doch er konnte all dieses Gesülze über seinen Bekannten einfach nicht ausstehen. Er wollte nur möglichst schnell Chips finden und dann irgendwie diese Fahrt überleben, ohne an Bluthochdruck zu sterben. Und das würde nicht einfach werden, wenn er mit der gesamten Crew einschließlich dem Kapitän zu Abend essen würde...
 

---27. August 2089, Hauptquartier der Tidenwacht: Bezirk West, Biosphäre Euratopia---
 

"Sie haben nach mir geschickt, Kommandant Grus?"

"Ja, Komissarin Ledoux. Ich möchte mit Ihnen über die zur Untersuchung Inhaftierte Azila Fathi reden."

"Natürlich. Was ist mit ihr? Noch habe ich nichts aus ihr herausbekommen, außer dass sie üblicherweise nicht alleine arbeitet. Was bedeutet das wir..."

"Jaja, das ist jetzt gerade nicht weiter von Belang. Sie werden die Dame zum Abtransport bereit machen lassen."

"Wie meinen?"

"Ich habe vor einer halben Stunde eine Nachricht aus dem Hauptquartier der Unionsmarine erhalten. Anscheinend ist Frau Fathi in Delikte involviert, die unter das Kriegsrecht fallen. Damit ist die Befragung und Aufbewahrung nicht mehr in unserem Zuständigkeitsbereich. Noch heute wird sie mit einem Boot zum Außenposten Port Vela verfrachtet, wo sich dann unsere Kollegen von der Marine um sie kümmern werden."

"Aber...Ich...das..."

"Wollen sie etwa einem direkten Befehl der Marine und ihres Vorgesetzten widersprechen?"

"Nein...natürlich nicht."

"Gut. Und jetzt leiten sie alles in die Wege!"

"Natürlich..."

Kapitel 7: Schmiedekunst

---27. August 2089, An Bord der 'Pride of the Wylde', Atlantik vor der irischen Küste---
 

Ungefähr zwei Stunden später kamen sie alle im Aufenthaltsraum zum Abendessen zusammen. Insgesamt hatte das Schiff neben dem Kapitän und der Bordärztin vier weitere Crewmitglieder: Eine Steuerfrau, eine Smutje, eine Geschützmeisterin und eine Mechanikerin. Wobei die Bewaffnung des Schiffes nur aus Spielzeugwaffen, wie Arran sie bezeichnen würde, bestand um Wyldwaljäger einzuschüchtern.

Arran saß zwischen der Steuerfrau und dem Kapitän, Chips ihm gegenüber. "Du schuldest mir eine Vorstellung mein Lieber. Wer ist unser mysteriöser Retter?" maunzte Chips, während sie fast freundschaftlich eine Hand auf die Schulter des Kapitäns legte, der sie angrinste.

"Chips, das hier ist Stan. Der größte Gutmensch den ich je in meinem Leben gesehen habe. Außerdem der größte Sexguru."

"Sexguru?" Stan entfuhr ein kehliges Lachen. "Ich weiß nicht ob das Wort es wirklich so genau trifft. Diese Damen wollen Walfängerköpfe und keinen Walfängerjägerschwanz~" Der Blick einiger der Damen strafte ihn Lügen. "Du hast mir allerdings noch nicht deine reizende Begleitung vorsgestellt. Wer ist diese extragewöhnlich hübsche Meerkätzchen ? Ich dachte du wärest mehr so der Einzelgänger. Oder ist sie deine...nunja...Wegzehrung?" Stan verzog das Gesicht als ihn das 'Meerkätzchen' ordentlich auf den Fuß trat.

"Das ist Chips MacPurrson. Ihrem Vater gehört das Schiff und ich darf es mir ausleihen solange ich sie unterhalte." Er schnupperte in die Luft als die Maus, welche die Smutje des Schiffes war, mit einer großen Schüssel in den Händen in den Raum kam.

"Algensalat mit fünf verschiedenen Geschmacksrichtungen und natürlich meiner Spezialwürzung!", trällerte sie als sie den Salat auf den Tisch stellte.

Alle taten sich begeistert auf, sogar Chips. Nur Arran verzog das Gesicht. "Achja, ich vergaß...du isst kein Fleisch...schlimm genug."

"Du tust so als wäre das grausam...oder eine Neuigkeit für dich." Er stach mit seiner Gabel in eine Algenrolle und ließ diese auf seine Zunge gleiten.

"Ein vegetarischer Hai, das ist mal wirklich was neues...", murmelte Chips. "Wie kommt das?"

"Arran, du isst ja gerade eh nicht, magst du ihr die Legende meiner Wenigkeit erzählen? Die anderen Mädchen sind ein bisschen beschäftigt."

"Ja ja." Der Flusshai knirschte mit den Zähnen. "Früher war Stan sowas wie ein Gladiator. Er hat in so einem komischen Fight-Club..."

"Ah ah ah, Arran, Regel eins und zwei!", unterbrach Stan ihn lächelnd.

"Ja ja, schon kapiert. Auf jeden Fall hat er da so Richtig eins auf die Schnauze bekommen. Um genau zu sein auf die Nase." Stan deutete auf seine Narbe.

"Auf jeden Fall lag der große dann eine Weile auf der Intensiven. Und irgendwas ist schiefgelaufen mit seinem Hirn, so dass er jetzt die Natur schützen und nur noch Grünzeug fressen will."

"Sowas nennt sich Lebensumstellung, das hat nichts mit Hirnschäden zu tun. Ich hatte keine Lust mehr nur noch Gewalt zu fabrizieren... Ich wollte etwas sinnvolles mit meinem Leben anfangen. Und die Mädels stehn drauf." Seinen Worten folgte ein kollektiver Kicheranfall.

"Ja doch, so ein vegetarischer ex-Drrraufgänger hat schon was...", schnurrte Chips und ließ sich eine lange Alge über die Zunge gleiten. "Arran? Warum bleiben wir nicht einfach?"

"Ja natürlich, damit in knapp zwei Monaten eine halbwahnsinnige Ratte an meinem Arsch klebt und mich lynchen will, weil ich ihr immer noch nichts gebracht habe was ihren Fanatismus zumindest für fünf Sekunden besänftigt." Arran verdrehte die Augen.

"Hast du etwa immer noch Probleme mit der unentspannten Polizistin? Wie hieß sie noch gleich...Cindy?" Stan strich Chips mit seiner langen Flosse über ihren Schweif.

"Celine...Celine Ledoux. Und ja, sie benutzt mich immer noch als Lieferjungen."

"Da könnte man ja fast Mitleid bekommen würde man nicht daran denken müssen, wieviele Wyldwale jährlich für deine Ernährung sterben müssen." Wieder allgemeines Gekicher. Zu Arrans Missfallen lachte sogar seine Begleiterin. "Mach ja keinen auf braves Engelchen Chips. Du bist auch eine Fleischfresserin."

"Ich bin variabel und anpassungsfähig." Die türkise Katze streckte ihm die Zunge heraus.

Arran knurrte leise und nahm sich einen einzelnen Algenstreifen, begann auf der glibberigen Masse herumzukauen mit einem Gesicht als würde die einzige Regenwolke die jemals unter Wasser entstanden wäre permanent nur auf ihn regnen.

"Ihr müsst also zur Schmiede. Und wie ich gerade aus Arrans Gezeter herausgehört habe, müsst ihr dort was finden?"

Chips nickte. "Jopp. Einen Verbrecher. Lynx heißt der."

"Lass mich raten. Es ist ein Luchs?"

Wieder bejahte sie. "Und ein süßer noch dazu. Willst du die Bilder sehen die in seiner Akte liegen?"

Arran stöhnte auf und Stan wog den Kopf nachdenklich hin und her. "Warum nicht?", sagte der große Weiße nach einer Weile. Noch bevor er diese Worte fertig ausgesprochen hatte war sie schon losgerast und innerhalb einer knappen halben Minute wieder da. Sie musste die Akte wohl an einem leicht erreichbaren Ort in ihrer Kajüte deponiert haben.

"Hier sind sie." Chips hielt Stan die Fotos unter die Nase.

"Sieht ja nach einem ziemlich feinen Pinkel aus. Ich würde sagen entweder ist er ein reicher Bengel der aus Langeweile Mist baut oder ein ziemlich erfolgreicher und damit gefährlicher Berufskrimineller. So oder so sicherlich nicht zu unterschätzen. Aber ich halte mich aus solchen Dingen heraus. Mein Leben ist vollständig dem Tierschutz gewidmet.", gab er seine Meinung nach eingehender Betrachtung des Bildes kund.

"Genau deswegen gibt es Leute wie mich die verhindern, dass die Gesellschaft vor lauter Verbrechen den Bach runtergeht und du weiterhin in den sieben Weltmeeren rumschwadronieren und Propaganda gegen die Nahrungskette machen kannst." Der kleinere Hai schien sich plötzlich ziemlich aufzuregen.

"Hey, ganz ruhig Kleiner. Ich hab halt meine Prinzipien. Du kannst von Glück reden, dass wir euch vor etwaigen Piraten aufgegabelt haben. Wir schleppen euch zur Schmiede und das wars dann, tut mir leid. Aber Verbrecher jagen ist einfach nicht mein Ding. Außerdem möchte ich doch die lieblichen Mademoiselles hier nicht in Gefahr bringen." Er sah in die Runde. Zustimmendes Gemurmel seitens der Crew.

"Mehr fordere ich ja auch nicht, aber spiel dich hier nicht wie der größte Hai im Karpfenteich auf, nur weil deine Luxuskarosse und deine ach so wichtige Lebensaufgabe Mädels im Dutzend anzieht!" Er schlug auf den Tisch und stand auf, verließ auf schnellstem Wege den Raum und ließ betretenes Schweigen hinter sich zurück. Für einen kurzen Moment glomm Missbilligung in Stans Blick auf, dann wurde er wieder so gelassen wie immer. "Der Kleine muss sich wohl etwas beruhigen. Hat wohl einen leichten Anfall von Tiefenrausch oder so."

Chips sah abwechselnd Stan und die Tür an durch die Arran den Raum verlassen hatte. "Tut mir Leid, aber ich bin satt.", murmelte sie und folgte dann ihrem Begleiter.
 

Arran warf sich auf das Bett in seiner Kajüte und rollte sich ein. Er wusste dass er überreagiert hatte, aber dieser Kerl brachte sein kaltes Blut einfach zum kochen. Stans ruhige Gelassenheit und sein Schiff und irgendwie alles an ihm ging ihm gehörig gegen den Strich. Sie beide waren damals gemeinsam von ihren Elternhäusern weggerannt als sie sechzehn waren. Stan war damals noch eine ziemliche Schlägertype gewesen und wollte an einem Hafen als Matrose auf einem der größeren Frachtschiffe anheuern um sich auch mal exotischen Kerlen den Schädel einschlagen zu können. Arran wollte Meeresbiologe werden. Nur leider wurde man das nicht wenn man nur die vorgeschriebenen fünf Jahre Basisausbildung mit Ach und Krach absolviert hatte.

Wenn man Spezialisten mit höherer Bildung brauchte, dann wurden die interessiertesten und vor allem begabtesten Schüler eines Jahrgangs ausgewählt, um nach ihrem Abschluss die entsprechenden Spezialbildungsgänge machen zu dürfen. Schließlich konnte man keine zweihundert Kunststudenten brauchen die sich jahrelang auf Staatskosten durchgefressen hatten und dann keinen Kellnerberuf bei einem Fastfoodrestaurant annehmen wollten weil nichts in ihrer Branche frei war.Bildung war zwar endlich vollkommen vom Staat subventioniert, so dass die reichen Kinder meistens ungefähr die selben Chancen hatten wie die mittellosen, allerdings war die Schulzeit auch drastisch gekürzt worden.

So hörte der lustige Ausflug der beiden Haie für Arran am Hafen auf als niemand einen unausgebildeten Möchtegern-Biologen in die Schulung nehmen wollte. Er strandete nach einer Weile bei einer Seesöldnergruppe die noch einen Schiffsjungen gebrauchen konnten. Dort lernte er alle Kniffe des Gewerbes. In der Zwischenzeit zog es Stan auf die See und als sich die beiden Flüchtlinge das nächste Mal trafen war der Große vom Schiff geworfen worden, weil er unerträglich geworden war. Allerdings hatte er ein für ihn passenderes Auskommen gefunden. Gladiator in einem zwielichtigen Club, wo man auf die Kämpfe, die hinter verschlossenen Türen stattfanden und manchmal richtig übel endeten, wetten konnte. Der Seesöldner-Novize wollte seinen ehemaligen Kumpanen überreden mitzukommen, doch Stan lehnte ab. Er fand dass er das Paradies gefunden hatte.

So trennten sich bedauerlicherweise die Wege der beiden wieder als Stans Mentoren weiterzogen. Das dritte und bis heute letzte Treffen stand unter einem völlig anderen Stern, als Stan ihm das Schiff zeigte, dass er nach seinem Lebenswandel von einem wohlhabenden Mäzen gestellt bekommen hatte. Er war gutmütiger als Gandhi, beliebter als Brad Schmitt und Geld war für ihn weniger ein Problem als für Will Gates. Doch für Arran wäre nur ein Platz auf dem Schiff gewesen wenn dieser beschlossen hätte sein Leben nach Stans Prinzipien neu auszurichten. Das regte den Flusshai unglaublich auf. Natürlich freute er sich für seinen Freund, aber dennoch fühlte er sich plötzlich sitzen gelassen. Schon bei ihrer Flucht heuerte er einfach auf einem Schiff an und überließ ihn seinem Schicksal. Es ist nicht so, dass Arran sein Leben als Seesöldner nicht genossen hätte, aber irgendwie hatte diese ganze Angelegenheit einen breiten Keil zwischen sie getrieben, die sich trotz den seltenen Treffen immer als Freunde bezeichnet hatten.
 

Sein Gedankenfaden wurde abgerissen, als es an seiner Tür klopfte. Chips hatte die letzten paar Minuten vor seiner Tür gestanden und nicht so recht gewusst, ob er überhaupt mit ihr reden wollte. Aber nun hatte sie all ihren Mut zusammengenommen. "Arran? Alles in Ordnung?"

"Ja." Kam es einsilbig von hinter der Tür.

"Klingt nicht so. Kann ich reinkommen?" Sie fühlte sich ein wenig schuldig, dass sie spaßeshalber mit Stan geflirtet hatte. Dabei waren Typen wie er gar nicht ihr Geschmack, sie wollte nur ein wenig Spaß haben nach dem Stress von heute Nachmittag.

"Die Tür ist offen."

Vorsichtig schob sie selbige auf und lugte hinein. Dann setzte sie vorsichtig eine Pfote hinein. Die Zweite folgte nur sehr zögerlich. Unschlüssig stand sie im Raum und musterte den Hai, der in Embryonalhaltung auf dem Bett lag und auf den Aufdruck eines Feuerlöschers starrte, der in der Ecke des Zimmers deponiert war.

"Ich find Stan schon ganz nett." Bei Chips Worten verzog er ein wenig das Gesicht. "Aber dich find ich noch viel cooler." Sie setzte sich im Schneidersitz auf das Fußende des Bettes.

Es folgte ein endlos wirkendes Schweigen, vor allem da die Katze nicht mehr wusste was sie sonst noch sagen sollte. Schließlich seufzte Arran leise. "Danke."

"Und Fleisch mag ich auch sehr gerne...", fügte sie noch hinzu. "Aber ich lass dich mal in Ruhe." Sie stand langsam wieder auf und tappste zur Tür. "Es dauert nicht mehr lange, dann sind wir wieder gaaanz unter uns." Mit diesen Worten schloss sie die Tür hinter sich.
 

---29. August 2089, Hauptpassagierhafen West, Schmiede der Tiefe---
 

"Sie können das Schiff dann in drei Tagen abholen, die Schäden sind nicht allzu ernst. Und sie sind sich sicher dass sie nicht doch eine Volllackierung der Ausbesserungslackierung vorziehen?"

Chips lächelte den Vorarbeiter der Werft an. "Nein danke. Sonst komme ich noch in Versuchung das ganze Ding rosa lackieren zu lassen."

"Und das wollen wir doch alle nicht.", fügte Arran hinzu.

Sie fauchte kurz auf, während der bullige Hase ihnen eine Quittung ausstellte, damit sie beweisen konnten, dass das Schiff ihnen gehörte. Außerdem fand sich darauf eine Kostenaufstellung. Er überreichte den beiden die Zettel und wünschte ihnen dann noch einen schönen Tag. Als die beiden auf den Betrag schielten murmelte Arran. "Und wovon willst du das jetzt bezahlen?"

"Ist doch ganz einfach, ich hab doch noch meine Kreditkarte. Und zur Not löse ich mein Sparbuch auf."

"Gut dann wär das schon einmal geklärt, bleibt die Suche nach dem Sträfling. Laut den Akten soll ich mich bei einem bestimmten Hotel einfinden und dort nach einem gewissen James Jameson anfragen. Dämliche Tarnung..."

"Vielleicht heißt er ja wirklich so.", murmelte Chips. "Und wenn nicht, noch nie etwas von dem offensichtlichen Versteck gehört?"

"Aber doch nicht so offensichtlich...", schnaubte der Hai.

Langsam schritten sie die große Straße hinunter, welche vom Hafen in das Touristenzentrum der Stadt führte. Überall hingen große Werbeplakate mit überdimensionierten und in knalligen Farben gehaltenen Schriftzügen, welche die Großartigkeit der Schmiede der Tiefe und vorallem der CoPaDoC anpriesen. Das Konsortium der Produktions- und Vertriebsorientierten Firmen, wie sich das klangvolle Kürzel ausgeschrieben und übersetzt als wahres Label-Monster entpuppte, hatte die Biosphäre erbaut und leitete sie nun in einer Art Regierungs- und Firmenleitung in einem.

Im Grunde arbeiteten alle Bewohner der Biosphäre für die Megacorp und Touristen kamen eigentlich nur her, wenn sie sich mit einem zu Schrott gefahrenen Schiff hierher retten konnten, sie Handelsvertreter von anderen Sphären oder Verbrecher waren, für die es andernorts einfach zu heiß war. In den unzähligen Lagerhallen und Werkstätten ließ es sich einfach wunderbar untertauchen. Und wenn man genügend Geld hatte wie es anscheinend bei dem Gesuchten der Fall war, dann standen einem sogar die schönen Etablissements offen, welche die Marketingabteilung in das Touristenzentrum gestellt hatten um den Geschäftsmännern einen möglichst angenehmen Aufenhalt zu bescheren.

Es dauerte nicht lange, als sie auf der großen Plaza ankamen an der sich um eine seltsame Plastik, die laut Plakette 'Arbeitsmoral' darstellen sollte, mehrere Restaurants und Hotels drängten, eines exklusiver als das andere. Die billigeren Unterkünfte für Normalsterbliche genauso wie die etwas...verruchteren Örtlichkeiten fanden sich in den verwinkelten Seitenstraßen die von dem Platz abzweigten. Unzählige Männer und Frauen in schicken Anzügen und Kostümen verließen und betraten die Gebäude. Fast jeder mit einem High-End Computerhandy und einem 'Personal Assistant' bewaffnet. Keiner von ihnen interessierte sich für seine Umwelt so dass es gut sein konnte, dass sie gerade mit jemandem chatteten, der nur zehn Meter entfernt stand.

"Uff, das sieht ja hier aus wie in den Bonzenviertel von Euratopia...nur viel geschäftiger." Chips sah sich staunend um.

"Naja, so sieht es nur hier aus. Und natürlich in den drei anderen Touristenzentren, die alle mit so einer Sondermetro verbunden sind zu der Bewohner der Sphäre keinen Zutritt haben, damit sich die feinen Herrschaften auch ja nicht mit dem Fußvolk abgeben müssen wenn sie ihren Geschäftspartner treffen wollen. Der Rest ist eher ein kruder Misch aus Fabriken und lieblos dazwischengequetschten Wohnvierteln."

"Also wie bei uns...nur anders?", murmelte die Katze, die sich gerade mit großen Augen eine Anzeigetafel mit den Preisen für die gefragtesten Vertriebsgüter ansah. Sämtliche Eisenwaren waren in der letzten Woche im Preis ordentlich angestiegen, genau wie Arran es prophezeit hatte.

"So könnte man es sagen, ja." Der Seesöldner führte sie geschickt durch die Menge, ohne all zu viele Leute beiseite rempeln zu müssen. Er zog sie in den Eingang eines Hotels, dessen goldene Lettern dieses als 'Manoir de benefice' betitelte.

"Dieser Informant muss ja 'ne tolle Gehaltsabrechnung haben, oder einen ziemlich dämlichen Kerl der seine Spesen überprüft.", staunte Arran nicht schlecht, als sie das vier Sterne Hotel betraten und sich die durchaus ansehnliche Innendekoration betrachteten. Chips hüpfte voraus zum Schalter, an dem ein zielich blasiert wirkender Falke gerade sein Namensschild polierte. Die Katze stellte sich vor ihn und sah ihn mit großen Augen an, wurde jedoch nicht beachtet. Verstimmt räusperte sie sich und als immer noch keine Reaktion seitens des Angestellten erfolgte, maunzte sie laut und wütend auf. Erschrocken ließ der Kerl das Schildchen fallen. Sein Blick fiel auf sie und Arran, der gerade ebenfalls am Schalter ankam. "Wir 'aben keine Zimmer für ihren Geldbeutel, dessen können sie sisch sischer sein."

"Oh, wir wollen auch kein Zimmer...", setzte der Seesöldner an, doch Chips unterbrach ihn. "Doch wollen wir, für eine Woche, ein Zweibettzimmer, getrennte Betten und Vollpension." Sie hielt dem Snob ihre Kreditkarte unter die Nase auf der in silbernen Plastikbuchstaben ihr voller Name und der Firmenname eingeprägt waren. Als der Blick des Falken auf selbigen fiel brach kalter Schweiß bei ihm aus. Jedenfalls metaphorisch, da Vögel nicht schwitzen. "Oh, natürlisch, Madame MacPurrson. Sofort, isch werde i'nen unverzüglisch ein Zimmer bereiten lassen. Selbstverständlisch. Isch entschuldige mich für mein unmöglisches Benehmen. Kann isch i'nen eine Flasche Wein auf ihr Zimmer schicken? Geht selbstverständlisch aufs 'aus."

"Klingt gut. Und jetzt retten sie ihren Federhintern und sagen einem gewissen James Jameson, dass wir ihn zum Mittagessen an unserem Tisch erwarten, verstanden?"

"Aber natürlisch Madame, unverzüglisch Madame." Er verbeugte sich und klingelte nach einem Gepäckträger.

"Ich muss ehrlich sagen, du bist ja doch praktischer als ich zu Anfang gedacht habe." Arran war fast dazu geneigt zu applaudieren.

"Natürlich, oder dachtest du ich wäre dieses klassische Mädchen aus gutem Hause, dass von nichts eine Ahnung hat ? Wenn ich wo Ahnung von habe, dann wie man mit Personal umgeht. Und in meinem Stand ist jeder in solchen Gebäuden dein Personal. Du musst es dir nur fest genug einreden. Aber jetzt lass uns nach oben, die Flasche Wein köpfen und uns frisch machen für unser Essen mit Mr Jameson." Chips warf ihre Tasche dem herantrabenden Gepäckträger zu und ging dann voraus. Arran folgte ihr sachte kopfschüttelnd. "Mit der Frau muss man wirklich rechnen..."
 

---29. August 2089, An Bord der 'Tidenwacht 25', Golf von Biscaya---
 

"Du willst dich also mit ihnen direkt an der Schmiede treffen? Ist das nicht ein wenig gefährlich? Ich meine, denken die Bullen nicht sowas wie; 'Die Straftäterin kommt immer zum Ort des Geschehens zurück' ?"

"Keine Sorge. Sollte was schief gehen haben wir ja immer noch unsere nette kleine Geisel als Ass im Ärmel...außerdem muss ich mich bei der ja noch für die Gemeinheiten während der Untersuchungshaft bedanken. Am liebsten würde ich sie ja einfach in die weite See werfen, aber dafür ist sie noch zu wertvoll."

"Der Plan war mal wieder so richtig gut eingefädelt. Deine Freundin ist ja ein richtiger Profi was sowas angeht."

"Ja...das ist sie. Schnell und klug. Nur fehlt ihr das gewisse Etwas um eine wirklich große Nummer zu werden. Sie hat aber auf jeden Fall was bei mir gut. Ein paar neue Computerteile oder so. Ich glaube ich gehe mal ein wenig nach hinten. Meine Krallen brauchen ein wenig Zuwendung und ich kenne genau den richtigen Kratzbaum..."

"Klar doch, alles was du willst Azila, du bist der Boss..."

Kapitel 8: blinder Passagier

---29. August 2089, Touristenzentrum West, Schmiede der Tiefe---
 

Die zwei neuesten Gäste des vier-Sterne Hotels 'Manoir de benefice' begaben sich in den Personenaufzug des Hotels, während ihr Gepäckträger den für Waren und Personal nehmen musste. "Sieht ja wirklich teuer aus hier. Und ich dachte schon wir würden heute Nacht in einer billigen Herberge schlafen." Arran pfiff leise, was den Fahrstuhlführer das Gesicht verziehen ließ. Die beiden sahen so aus als hätten sie die Übernachtung in einer Lotterie gewonnen.

"Wenn ich Reise mein liebes Fischifischi, dann mit Stil.", gab Chips zurück und grinste ihn an. "Du kannst von Glück reden, dass ich dein Bett mitbezahle. Ansonsten dürfstest du auf dem Klo schlafen."

"Glaub mir, ich bin froh!" Er lachte leise. "Oh mann, Vollpension, das bedeutet nur die feinsten Fleischhäppchen die der Laden zu bieten hat. Ich bin im Paradies!" Seine Zunge wanderte fast schon obszön langsam und genüsslich über seine Lippen.

"Ne, in der legendären Millionärs-Biosphäre 'Paradise' bekommst du zehnmal besseren Fraß als hier. Aber dafür müsste ich schon zwanzig Verwandte vom Kaliber meies Vaters haben, inklusive freiem Zugriff auf alle Konten.", kicherte sie.

"Heißt das Schiff deines Vaters deshalb 'Almost Paradise'? Weil er sich das eigentliche nicht leisten konnte?"

"So in etwa.", antwortete die Katze als ein klingelndes Geräusch ertönte und die Türen des Aufzuges sich in der gewünschten Etage öffneten. Die beiden verließen selbigen und begannen dem Korridor zu folgen, der sich vor ihnen erstreckte. Ein sichtlich gestresster Gepäckträger kam ihnen entgegen und erreichte sie genau in dem Moment, als Chips ansetzte die Schlüsselkarte durch das Schloss zu ziehen. "Sie können das Gepäck hier stehen lassen."

Der junge Mann nickte, begann nun unschlüssig herumzustehen, bevor Chips ihn mit einem "Husch, husch, ich hab kein Bargeld dabei!" davonscheuchte.

"Na los Gepäckträger B. Das Zeug muss hinein, nur keine Müdigkeit vortäuschen!" Chips warf sich auf eines der Betten und begann das Stück Schokolade zu essen, welches auf dem Kopfkissen lag, während Arran das Gepäck der beiden ins Zimmer hievte.

"Also gleich treffen wir unsere Kontaktperson. Ich kümmere mich um das Reden Chips. Manche Mitglieder dieses Berufszweigs sind sehr eigen und ich will nicht die einzige Chance verlieren wichtige Informationen über unser Ziel zu erhalten."

"Jaja." Die auf dem Bett liegende junge Frau baumelte mit den Beinen in der Luft. "Ich soll schweigen und hübsch aussehen ? Du redest ja schon wie mein Vater!"

"Glaub mir, wenn du mir den Kerl vergraulst mach ich Katzenbraten aus dir.",

knurrte Arran, der bei dieser Angelegenheit keinen Spaß verstand.

"Jetzt redest du nicht mehr wie mein Vater...", antwortete die Angesprochene gepresst. Sie stand auf und ging zu ihrer Tasche. "Ich gehe mich dann mal frisch machen...", säuselte sie und verschwand im Bad.
 

Eine Stunde später kam die Katze in einem dezent aufreizendem Kleid wieder aus dem Bad. Zurückhaltend hatte sie ihre Augen geschminkt und ihr Haar hochgesteckt. Sie erwischte Arran gerade, wie er sich durch die Erotikkanäle des Hoteleigenen Fernsehens zappte. "Achso ist das, kaum ist die eine Wichsvorlage im Bad suchst du dir eine neue oder wie?" Chips stämmte die Hände in die Hüften, als der Hai erschrocken zusammenzuckte und fast die Fernbedienung nach ihr werfen wollte. "Was? Ach, du hast mich nur zum falschen Zeitpunkt erwischt, ich war gerade dabei, weiterzudrücken. Ich hab ja sogar meine Kleidung noch an!" Die junge Dame rümpfte die Nase und tapste zu ihm, lehnte sich vor, so dass ihr Dekollete schön betont wurde und schnurrte mit einer leisen und gefühlvollen Stimme. "Aber Arrrran. Du brauscht doch keine Ausflüchte finden, wenn du ein Ventil brrrauchst für die Emotionen, die ich in dir herrrvorrrrrufe."

Der Hai lief langsam aber sicher rot an und sah ihr in die Augen als wäre er ein Reh...und sie ein Vierzigtonner, der heranraste. "Ganz ruhig, Miezi. Unsere Beziehung ist rein geschäftlich."

"Dann wird es vielleicht mal Zeit, dass wir diese...Beziehung vertiefen. Findest du nicht?" Langsam streifte sie mit einer Pfote die Träger des Kleides zur Seite, sodass der gesammte Stoff ein wenig nach unten sackte und ihren Vorbau mehr als nur erahnen ließ. Das fast schneeweiße Fell ihrer Brust schmiegte sich sanft an die wohlgeformten...

Plötzlich traf Arran eine leichte Ohrfeige. "Du hast geguckt! Du hast geguckt! Man schaut einer Frau doch nicht auf die Brüste." Sie zog blitzschnell die Träger wieder hoch und stemmte dann abermals die Hände in die Hüften während der Hai einen Moment brauchte um sich wieder zu fangen. "Moment mal! Du hast dich doch an mich rangemacht, als wäre gerade Paarungszeit! Ich hab nur aus Höflichkeit nicht abgeblockt!"

"Achso, das heißt also du findest mich unattraktiv? Herzloses Arschloch!" Sie wandte sich ab und schien zu schluchzen.

"So meine ich das auch wieder nicht! Du bist durchaus eine hübsche Frau und ich bin mir sicher, dass jeder anständige Kater auf dich stehen würde aber..."

Sie unterbrach ihn. "Aber du bist zu dumm, um zu bemerken dass ich gerade total viel Spaß daran habe dich so richtig auf den Arm zu nehmen!", schrie sie ihn mit ihrer immer noch unglaublich weinerlichen Stimme an.

Dann fing sie laut zu Lachen an. "Du bist soo lustig, Fischifischi."

"Ich hasse dich.", murmelte Arran leise.
 

Eine weitere Stunde später saßen die beiden an einem mit echten Blumen dekorierten Tisch und studierten die Speisekarte. Chips hatte ihr Kleid an während Arran beschlossen hatte, dass seine Alltagskleidung durchaus genügte, was ihm prompt seltsame Blicke vom Personal bescherte.

"Was kann mir eine Dame von Welt denn empfehlen, wo sie fachmännisch die Karte studiert hat.", fragte Arran seine Begleitung, nachdem ihnen frisches Süßsprudelwasser gebracht wurde.

"Hmm... Ich denke ich persönlich werde mir mal den Räuchertofu an zwei Sorten Algensalat genauer ansehen, klingt doch gut oder nicht?" Die Katze kicherte bei dem Anblick seines Gesichtes, das er schon fast grotesk verzogen hatte. "Räuchertofu! Bist du wahnsinnig, Weib? Nein, garantiert nehme ich dann doch lieber das Walsteak mit den 'Kartoffelknödeln. Warum steht das Wort Kartoffelknödel eigentlich in Anführungszeichen?"

Chips kicherte abermals. "Andernorts würde man Synthknödel oder sowas sagen. Reiche Leute werden nicht gerne daran erinnert, dass viele Nahrungsmittel, die sie verzehren, künstlich hergestellt sind und ein Misch aus Nährpaste und Aromen sind. Alle künstlichen Nahrungsmittel werden deshalb aus Gründen der Kennzeichnungspflicht in Anführungszeichen geschrieben."

"Achso." Er nickte langsam und rieb sich das Kinn. "Mann sind reiche Leute pingelig."

"Also ich habe kein Problem mit Synthknödeln. Aber ich bleibe dann doch lieber bei der Tagessuppe. Die klingt ziemlich appetittlich."

Ein Kellner kam an ihren Tisch und fragte sie höflich mit einem leicht blasierten Unterton, was die Dame und der Herr denn zu speisen wünschten. Nachdem sie bestellt hatten, bekamen sie auch von ihm die Nachricht, dass Mr Jameson sie in wenigen Momenten mit seiner Anwesenheit beehren würde.

"Da ist er auch schon." Der Kellner trat einen Schritt beiseite und die Augen der beiden am Tisch Sitzenden weiteten sich. Ihr Blick wurde auf einen Luchs freigegeben, gekleidet in einen geschmackvollen schwarzen Anzug, der die beiden angrinste. Als er sich setzte, war er deutlich kleiner als Arran, aber einen halben Kopf größer als Chips. Sein leicht struppig, aber dennoch gepflegt wirkendes Haar war eine Spur dunkler als das blonde Fell mit den dunklen Flecken und wurde von einem Zopfgummi im Zaum gehalten. Das auffälligste an seinem Gesicht war jedoch die Brille mit dem eleganten Silberrahmen, die ab und zu seine grünblauen Augen durch Lichtreflektionen verbarg.

Er schenkte ihnen ein weiteres Grinsen und wandte sich dann an den Kellner. "Ich nehme das Wyldwalmedallion an einer Weißweinsoße mit dem Gemüse der Saison. Dazu machen sie mir doch eine Flasche von ihrem besten Rose auf. Ich bin sicher Sie wissen was am besten zu solch einem vorzüglichen Meisterwerk der Haute Cuisine passt." Der Angesprochene nickte und zog dann mit der Bestellung von dannen.

Arrans Hand wanderte zu seinem Taser. "Ich denke nicht, dass sie der Informant sind?"

"Gut erkannt, Sherlock Hounds." Der Luchs fuhr sich durch das Haar. "Ich bin Mr Jamesons Vertretung und in Anbetracht der Tatsache, dass besagter Herr in meiner Gewalt ist sollten wir uns alle schön gesittet verhalten, finden sie nicht?" Er sah in die Runde.

Chips fauchte leise und Arran legte seine beiden Hände sichtlich verkrampft wieder auf den Tisch.

Der Fremde grinste. "Schön! Jetzt wo wir die Spielregeln geklärt hätten, erlaubt mir mich vorzustellen. Mein Name ist..."

"Lynx E-Punkt Cheshire.", unterbrach Chips ihn.

Der Benannte verzog das Gesicht. "Unterbrechungen sind nicht gerade höflich, finden Sie nicht...?" Eine erwartungsvolle Pause folgte.

"MacPurrson. Chips MacPurrson. Und er ist..." Sie sah Arran nachdenklich an. "Hast du mir eigentlich je deinen Nachnamen verraten?"

Der Hai seufzte. "Findest du nicht, dass es ein wenig dämlich ist, ihm unsere Namen zu verraten?"

"Oh...Tut mir Leid Arran.", murmelte diese mit hängen gelassenen Ohren.

"Chips und Arran also." Lynx nickte und grinste abermals breit. Es hatte ein bisschen was von einem Zähne blecken und wirkte ziemlich beunruhigend. "Schön euch beide kennen zu lernen. Ich nehme mir einfach mal das 'Du' heraus, auf Grund des fehlenden Nachnamens. Ihr dürft mich auch gerne Lynx nennen." Nach einer kurzen Pause folgte ein: "Ihr zahlt doch, oder? Ansonsten können wir es Mr Jameson anschreiben. Nicht dass ich nicht zahlungsfähig wäre, allerdings bin ich ein sehr sparsamer Mensch und würde es hassen ein Gratisessen zu verpassen."

Arran seufzte und rieb sich die Schläfen.

Chips antwortete an seiner statt. "Als ob wir einen Schwerverbrecher auch noch unterstützen! Noch bevor die Lichter an diesem Tag gedimmt werden, sitzt du gefesselt auf unserem Schiff mein Lieber!"

Die Arme verschränkend antwortete dieser nur. "Große Worte für ein kleines Kätzchen. Um mich zu fangen braucht ihr mehr als zwei Halbmatrosen, die sich ein kleines Taschengeld an mir verdienen wollen. Auch wenn ich sagen muss, dass ich vergleichsweise lange gebraucht habe um euren kleinen Spion zu finden. Dafür kann ich ja jetzt mit den eigentlichen Drahtziehern sprechen. Für wen arbeitet ihr und was hat er euch geboten? Ich bin nicht gerade unwichtig hier und ich bin mir sicher wir können auf einen gemeinsamen Nenner kommen."

Arran verschränkte nun seinerseits die Arme. "Wir wurden von der Tidenwacht geschickt. Der lange Arm des Gesetzes braucht manchmal eine fähige Verlängerung." Ein verschmitztes Haifischgrinsen zierte seine Schnauze. "Da gibt es kein Pardon und kein Parlé. Also ergib dich besser gleich bevor ich dir eine unangenehme Ladung Strom in den Rücken jagen muss wenn du versuchst zu fliehen."

"Aber, aber. Wer wird denn gleich so aggressiv sein? Sind wir nicht alle zivilisiert? Ich habe nicht vor mich von zwei Grobianen auf ihre Blechdose hieven zu lassen, damit ich dann für mehrere Jahre in irgendeinem Kellerloch verschwinde, wo ich doch unschuldig wie ein junges Reh bin. Apropos Gesetzeshüter und Kellerloch." Er zog ein Handy aus seiner Tasche und wählte eine Nummer, ließ es zwei mal klingeln und legte dann wieder auf.

"Warte ab Chips. Gleich erzählt uns dieser Schmalspurganove, dass er eine Bombe im Hotel versteckt hat und erwartet, dass wir ihm freies Geleit gewährleisten."

Der Luchs schüttelte nur sachte mit den Kopf. "Warte du es nur ab Arran. Es wird fiel besser und lustiger."

Gerade wurde ihnen das Essen serviert, als ein Tumult am Eingang des Restaurants losbrach. Eine Person in voller Montur der CoPaDoC-Cops stürmte hinein und eilte zu ihrem Tisch. Arran sprang alarmiert auf, als der Ordnungshüter Lynx packte und unsanft vom Stuhl riss, anfing ihm seine Rechte zu erklären und ihn währenddessen hastig aus dem Lokal zog. Die beiden, die zurückblieben verloren kostbare Zeit, als sie wie angewurzelt vor Verwirrung an ihren Plätzen blieben. Die restlichen Gäste tuschelten und sahen der Festnahme gespannt zu.

"Scheiße, der Kerl entkommt uns! Los Chips, schnell!" Arran stürmte los und Chips ihm eine Sekunde später hinterher, als Lynx gerade aus dem Hotelportal geschleift wurde. Die beiden stürzten hinterher und versuchten die Flüchtigen, die sich nun wesentlich unauffälliger verhielten, als sie in die Menge auf der Plaza gerieten, aufzutreiben.

"Wie konnte ich nur auf so einen dummen Trick hereinfallen? Da hinten! Sie biegen gerade in die Seitenstraße ein!" Der Hai rannte wieder los, sich einen Weg freirempelnd. "Halt! Stehen bleiben im Namen des...Gesetzes." Das letzt Wort murmelte er nur. Chips holte ihn erst wieder ein, als er um die Ecke gebogen war, hinter der die beiden vor wenigen Momenten verschwunden waren. "Vielleicht weil der Trick verdammt gut war?"

"Dann renn schneller und applaudier ihm doch!" rief Arran zerknirscht.

Immer mehr wurden die Verfolger abgehängt, da die anderen beiden offensichtlich sehr vertraut mit dem örtlichen Straßennetz waren. Längst zog der 'Polizist' Lynx nicht mehr, sondern eilte Seite an Seite mit ihm durch die Gassen. Wirklich abhängen konnten sie ihre Verfolger jedoch nicht. Dafür war Chips zu geschickt, die Arran bald überholt hatte und wie eine Wahnsinnige über Hindernisse sprang und Passanten beiseite drängte. Der Hai unterdessen hatte Chips seinen Taser zugeworfen und versuchte nur noch in Sichtweite zu bleiben, um ihre Spur nicht zu verlieren. Verfolgungsjagden zu Lande waren einfach nicht sein Fall.

"Bleib stehen! Halt, diese beiden Kerle haben meine Handtasche geklaut! Polizei, Polizei, hier ist ein Hochstapler!", schrie die junge Dame immer wieder aus voller Kehle. Zunehmends wurde es schwerer für die beiden zu entkommen, immer mehr Leute halfen, in dem sie sich gerade nicht einfach so beiseite drängen ließen oder sogar nach den Kriminellen griffen. Aber der Luchs war erstaunlich geschickt, was man ihm in dem feinen Outfit garnicht zumuten wollte. Doch es kam wie es kommen musste, die beiden landeten nach einer Abbiegung in einem winzigen Seitengässchen in einer Sackgasse. Hastig sahen sie sich um, als Chips gerade dabei war, sich durch eine Lücke in der Menge zu quetschen, die sich um einen der Nachrichtenmonitore versammelt hatte. "Hey, Dan! Ich hab ne Idee, du hebst mich da in den Lüftungsschacht und ich hol dich hoch." Lynx tätschelte die Wand. "Los schnell!" Der Uniformierte nickte und machte ihm eine Räuberleiter, sodass Lynx sich am Flachdach eines kleineren Gebäudes hochziehen konnte. Just in dem Moment stürmte Chips auf den Polizisten zu und zielte mit dem Taser auf ihn. Die Nadeln des Schockers drangen wie ein heißes Messer durch den Stoff der Uniform und verabreichten dem bemitleidenswerten Kerl eine saftige Dosis Elektrizität. Zuckend brach er zusammen, während Lynx sich so schnell er konnte durch den Lüftungsschacht davon machte.

Chips warf sich vorsichtshalber auf ihn und drückte den nun völlig hilflosen Mann zu Boden, während Arran so langsam eintrudelte. "Wo ist dieser verdammte Luchs?", rief er wütend, als er sie nur mit dem Komplizen sah der nun hilflos am Bodden zappelte.

"Ich weiß es nicht, aber garantiert unser Freund hier, findest du nicht?" Chips grinste und tätschelte dem Wiesel, zu der Rasse der Kerl angehörte, die Wange. "Magst du Mama Chipsy nicht sagen wo sich dein Freund versteckt?"

"Pah, aus mir kriegt ihr gar nichts heraus. Ich bin so loyal, wie ein Mann nur loyal sein kann!" Schwach aber verbissen erklang seine Stimme.

Arran sah sich um, ging dann auf die beiden zu und kontrollierte die Taschen des Wiesels. Nach kurzer Zeit und einigen Beschwerden, fand der Hai was er suchte. Ein paar Handschellen. Mit einem geschickten Handgriff befestigte er das Metallinstrument an den Pfotengelenken seiner Geisel. Arran zog ihn hoch auf die Beine. "Chips, gib mir mal eben ein Messer." Diese zögerte kurz, reichte ihm aber vorsichtig eines. Dieser schnitt von der Uniform mehrere Streifen Stoff ab und knebelte sein Opfer so sorgfältig, dass er niemals würde anständig um Hilfe schreien können. Danach deponierte er ihn unter einem nahestehenden Müllcontainer. "So, und hier bleibst du die nächsten Stunden, bis wir Mr Jameson gefunden haben und seine Sicht der Dinge gehört haben. Vielleicht magst du es dir ja jetzt noch überlegen, ob du nicht doch einfach brav zum Hotel mitkommen möchtest. Schließlich hat dieser Lynx dich doch im Grunde nur ausgenutzt und dich dann hängen lassen." Das Wiesel sah ihn erst verbissen an, dann wurden seine Gesichtszüge jedoch etwas weicher und er ließ sich ein wenig hängen. Langsam nickte er. "Gut, dann werde ich dich jetzt von deinem Knebel und den Handschellen befreien und wir machen einen kleinen Spaziergang zum Hotel. Du wirst unser Gast sein, bis wir diesen Lynx gefunden haben." Arran zeigte wieder sein Haifischgrinsen und nahm ihm langsam Knebel und Handschellen ab.

Chips steckte ihr Messer wieder ein und beobachtete Arran neugierig. Wenn sie ihn so betrachtete, mit diesem grausamen Zug im Gesicht, da wurde ihr schon unwohl. Er war nach allem immer noch ein halbwegs kaltblütiger Söldner und sie musste aufpassen, dass sie nicht irgendwann Opfer seiner Geschäfte wurde...
 

Eine halbe Stunde später saß Arrans und Chips neuer Freund auf einem Stuhl in dem bequemen Doppelzimmer der beiden mit fast schon bequem zu nennenden Fesseln an Füßen und Händen. "Ich sage euch doch, der Mann ist wie ein Schatten, der hat über ein dutzend Verstecke, die er abwechselnd aufsucht. Wenn er nicht gefunden werden will, dann passiert das auch nicht.", sagte er seinen beiden Entführern zum gefühlt hundertsten Mal. "Momentan ist das Parkett eh zu heiß für ihn. Er wollte nur wissen, wer die Kerle sind, die bei ihm nachschnüffeln. Das kann er nämlich überhaupt nicht leiden."

Arran umkreiste ihn langsam. "Dann wirst du halt hier bleiben, quasi als Sicherheit für Mr Jameson."

"Scheiße Mann, als ob so eine große Nummer wie der sich für mich interessiert. Da kannste mich gleich umnieten, das juckt den nicht viel.", antwortete das Wiesel zerknirscht

"Vielleicht tu ich das ja sogar...", murmelte der Hai. Chips, die grade auf dem Bett saß und ihr Messer polierte, hob eine Augenbraue. "Wenn der Kerl wirklich nichts weiß ist er nicht weiter nützlich für uns. Kein Grund für übermäßige Gemeinheiten."

Der Angesprochene wandte sich zu ihr um. "Er ist sehr wohl nützlich. Als Schlüssel für die Unterwelt der Schmiede. Er wird uns helfen, andere Leute zu finden, die wir benutzen können um Lynx in die Finger zu kriegen, nicht wahr?"

Die Geisel wog den Kopf hin und her. "Ich habs ja nicht so mit dem Singvögelchen spielen. Dafür ist mir mein Hals viel zu liebgewonnen."

Arran seufzte und grinste gleichzeitig. "Das werden ein paar lange Tage werden mein Lieber..."
 

---31. August 2089, Hauptpassagierhafen West, Schmiede der Tiefe---
 

"Ah, endlich wieder richtiges Land unter den Pfoten, das tut wirklich gut, findest du nicht?"

"Natürlich, Miss Azila, ich habe schon die Hafenmeisterei gefragt, ein Lynx E. Cheshire hat den Hafen nicht verlassen, außer natürlich er hat einen Decknamen benutzt."

"Ich gehe auch nicht davon aus, dass er so dumm wäre sich aus seinen Heimatgründen zu entfernen. Heuer trotzdem hiermit ein paar Hafenarbeiter an, die ein wachsames Auge auf meinen speziellen Freund haben, sollte er den Hafen betreten."

"Selbstverständlich, wird sofort erledigt. Und so ganz nebenbei wurde in der örtlichen Nachrichtenzentrale etwas für euch hinterlegt. Der Rest trifft wenn alles gut geht, am 5. September hier ein."

"Gut. Sogar sehr gut. Zusammen erledigen wir diesen Cheshire. Er wird bereuen sich mit mir angelegt zu haben."

"Außerdem soll sich ein gewisser Arran Swiftide ebenfalls momentan in der Schmiede befinden, laut ihren Informationen."

"Oh! Arran Swiftide? Na das ist ja eine Überraschung. Deswegen wollten die anderen also schnellstmöglich zu mir stoßen. Endlich werden wir diesen miesen kleinen Dieb zur Strecke bringen können."

"Und das ist etwas gutes, oder?"

"Aber natürlich. Ich bin ja fast in der Stimmung dir einen Drink auszugeben. Du kümmerst dich um die Hafenarbeiter und kommst so gegen Abend in den Smaragddrachen, verstanden? Wenn du artig alles erledigt hast, bekommst du vielleicht sogar eine Belohnung..."

"Oh, vielen Dank Miss Azila."

"Arran Swiftide...was für ein wunderbarer Zufall...warum bekomme ich plötzlich Lust auf Sushi?"

Kapitel 9: Bergung

---31. August 2089, Lager des Kunststoffproduktionszentrums, Schmiede der Tiefe---
 

Es wurde so eben das Signal für das Ende der Abendschicht gegeben. In der Schmiede wurde die Zeit nicht in Tag- und Abendstunden eingeteilt, sondern in drei Tagesabschnitte: Die Tagschicht, die Abendschicht und die Nachtschicht. Da im tiefen Meer Tag und Nacht sowieso nur zur Einteilung eines geregelten Tages gebraucht wurden, hatte man hier beschlossen die gesamte Zeit auf den Arbeitszyklus zu optimieren. So wurde auch hier, aus Arbeits- und Sicherheitsgründen das Licht nie gedimmt, die Bezeichnungen der Tagesabschnitte ist aus reiner Tradition heraus entstanden.

Zwei Gestalten huschten im Schatten eines Containerstapels eine kleine Gasse entlang zu einer Tür, auf der mit schwarzem Lack die Zahl '68' geschrieben stand. "Hier muss es sein, gib mir Deckung, während ich das Passwort eingebe." Die kleinere der beiden Personen sah sich wachsam um, während die großegewachsene auf das Eingabefeld einhackte. Lautlos glitt die Tür auf und gab den Blick frei in das Innere der Halle. Unzählige Countainer und Regale voller Kisten befanden sich sorgsam gestapelt, sortiert und nummeriert über die gesamte Länge des Raumes. "Gut, jetzt heißt es, den Herren finden.", seufzte die kleinere von den beiden, als sie das Lager betraten.

"Die Nummer des Containers..." die schlaksige Gestalt holte ein Handy hervor. "...665683."

Eilig schritten die beiden entlang der Regale, untersuchten die Containernummern. "Ist ja schon eine ziemlich geniale Nummer, jemanden in einen Container zu sperren und ihn mit einer Nummer zu versehen, die nicht im System ist sodass er nie abgeholt wird."

"Jaja...noch ein Kommentar darüber wie genial dieser Kerl ist und ich gehe wieder zur Schule und lasse dich alleine hier. Damit ich auch so genial werde wie er."

"Ist ja in Ordnung ich bin ja schon...warte, da ist er!" Die kleinere Gestalt beschleunigte ihre Schritte zu einem der überdimensionalen Behälter. "665683!" Sie klopfte gegen die Containerwand. Nach einer kurzen Weile ertönten weitere Klopfgeräusche, nur diesmal von innen. "Er lebt!"

Der andere kam hinzu und holte ein Werkzeug aus seiner Tasche, mit der er an dem Schloss hantierte. "Einen kleinen Moment noch, gleich sind sie draußen." Mit einem 'Klick' sprang das Schloss auf und im Inneren war ein erleichtertes Seufzen zu hören. "Ihr seid nicht dieser Luchs. Ich seid..."

"Deine Rettung! Tada!" Chips sprang in das Sichtfeld der Person in dem Container und trällerte eine triumphale Melodie.

"James Jameson nehme ich an?", fragte Arran ernst, aber nicht weniger froh.

"Genau der. Ich nehme an ihr seid die beiden, die mir von der Tidenwacht geschickt wurden?"

"Genau die."

"Bei allen Weltmeeren, ihr kommt reichlich spät..." Der Maulwurf erhob sich langsam und hielt ihnen eine Schachtel Kekse hin. "Aber Zeit für einen kleinen Mitternachtssnack haben wir, oder?

Arran und Chips sahen sich gegenseitig an, zuckten beide synchron mit den Schultern und nahmen sich noch ein paar Pakete aus dem Container für den Rückweg mit.
 

---1. September 2089, Touristenzentrum West, Schmiede der Tiefe---
 

"Und dann wurde ich halt von diesem Luchs und seinen Kumpanen überwältigt und durch den Hinterausgang des Hotels in diese Lagerhale gebracht. Sie warfen mir noch eine Menge an Nahrungsmitteln und Wasser zu und dann haben sie einfach abgeschlossen." Der Maulwurf rückte sich die Brille zurecht. Mit einem dezenten 'Pling' öffnete sich die Aufzugtür des Hotels einer Etage tiefer als die Zimmer der beiden lagen. "Wie haben sie mich gefunden?"

"Wir haben unsere eigene Geisel die uns verraten hat wo Sie sich befinden und mit Hilfe ihrer Aufzeichnungen und der Hilfe unseres neuen Freundes werden wir diesen Cheshire sicherlich bald gefasst haben."

"Das will ich auch hoffen. Der Mann ist gemeingefährlich. Bei dem Handel, der glücklicherweise geplatzt ist, ging es um nicht geringe Mengen Sprengstoff. Wir wissen allerdings immer noch nicht was er der Dame im Gegenzug angeboten hatte. " Die beiden Retter folgten dem gemächlich dahinschreitenden Mann, der nun zu einer Tür ging und diese mit seiner Schlüsselkarte öffnete. "Sämtliche Kommunikationswerkzeuge haben sie mir abgenommen, aber höflicherweise nicht meine Brieftasche. Gut, man könnte jetzt argumentieren, dass sie in einer verborgenen, eingenähten Tasche in meinem Oberteil steckt. Aber naja, ich schweife ab."

Er trat in den Raum der ein wenig schlichter als ihr Zimmer eingerichtet war. Noch bevor er sie hereingebeten hatte, saß er schon auf dem Bett und klappte einen Laptop auf. "Kommt herein, nehmt Platz und wartet ab...ich muss mal eben auf die örtliche Nachrichtenstation zugreifen und schauen ob Celine mir noch etwas geschrieben hat. Dann können wir gleich zu unserem Gefangenen." Das Internet war innerhalb der Biosphären zuverlässig, sodass internationale Nachrichten über entsprechende Kabel geleitet wurden die quer über den Meeresboden führten. Man griff auf seinen Account zu und hatte alle Nachrichten vor sich liegen. Es waren nicht die besten Kabel und ein Austausch selbiger war schwer, da sie mit schweren Stahlrohren vor der sie umgebenden Fauna und Witterung geschützt waren, sodass die Übertragung gerne einmal mehrere Stunden dauerte.

Während Chips sich neben ihm auf das Bett warf, setzte sich Arran auf einen der beiden Stühle, die an einem kleinen Tisch standen.

"Aha! Ein paar Nachrichten von der Lieben. Zuerst einmal, weiß sie nun wer die Inhaftierte ist. Eine gewisse... Azila Fathi. Außerdem..."

Arran hörte gar nicht mehr zu, nachdem dieser Name gefallen war. Der Hai erstarrte zu einer Salzsäule, das Lächeln, das aus der gelungenen Rettungsaktion resultierte verschwand. Ausgerechnet Azila Fathi, die zweite Femme Fatale neben Celine in seinem Leben. Langsam versuchte er sich wieder zu beruhigen. Sie war hinter Gittern und sie konnte ihm nichts anhaben. Außerdem wusste sie ja nicht, dass er hier war. Er war sicher. Ja, er würde diesen Auftrag zu Ende bringen und dann mit Celine vereinbaren, dass er als Kronzeuge für weitere Verbrechen der Frau zurVerfügung stand, damit sie nie wieder ungesiebte Luft würde atmen können.

"...letzte Nachricht sagt, dass die Frau verschifft wird zur Marinebasis. Sie hat anscheinend irgendwelche Verbrechen begangen, die sie zu einer Kriegsgefangenen machen. Klingt ja nach einer ganz hohen Hausnummer."

"Sie wird zu einer Marinebasis gebracht?", keuchte Arran hervor, immer noch nicht ganz erholt von seinem Schock. "Das ist ja wunderbar. Auch wenn das bedeutet, dass sie noch mehr Dreck am Stecken hat als früher."

"Du kennst sie?" Die Katze wedelte fast schon aufgeregt mit ihrem Schweif. "Was ist das denn für eine Frau?"

"Jemanden, den ich eigentlich nicht mehr kennen möchte. Ich hatte gehofft diesen Namen nie wieder zu hören, aber sie und ihre Freunde haben noch eine alte Rechnung mit mir offen... Ich erzähle dir ein anderes Mal von ihr, jetzt ist sie ja hinter schwedischen Gardninen."

"Oh, hier steht ja noch eine Nachricht. Vom Hauptquartier. Wisst ihr, ich bin zwar kein direktes Mitglied der Tidenwacht, aber Celine hat mir ein Abonement auf die wichtigen Mitteilungen erlaubt."

"Jaja, was auch immer, was steht in der Nachricht?" Arran erhob sich langsam. Ein ungutes Gefühl machte sich in seiner Magengrube breit.

"Achtung an alle Komissare der Tidenwacht. Am 29. August wurde das Patroullienboot 'Tidenwacht 25' von der flüchtigen Verbrecherin Azila Fathi gekapert und ist mit Kurs Richtung Ärmelkanal aus den Gewässern der Euroasischen Union entflohen. Es herrscht höchste Alarmbereitschaft. Sollte dieses Schiff entdeckt werden, so ist es umgehend festzusetzen. Ende der Nachricht."

Arran wurde schwarz vor Augen.
 

"Du meine Güte, soll ich einen Krankenwagen rufen? Der Ärmste."

"Nein, schon in Ordnung. Er macht gerade schon wieder die Augen auf. Hey Fischi! Du kannst doch nicht einfach so schlafen gehen!"

Vorsichtig hob Arran eine Hand zum Kopf. "Hmmmrh." Sei Schädel pochte vom Aufschlag und sein ganzer Körper fühlte sich an, als wäre ihm jegliche Kraft entzogen worden. "Wie lang...?"

"Wie lange was? ", kam es von Chips, die sich über ihn gebeugt hatte.

"Wie lange war ich bewusstlos?"

"Och, nur eine halbe Minute. Du hast mächtig Schiss vor dieser Azila oder?"

Der Hai knurrte. "Erwähne diesen Namen nicht zu oft, das bringt Unglück!"

"Azila, Azila, Azila, Azila, Azila, Azila, Azila!"

"Halt den Mund, Miezi." Sein Knurren wurde kurz lauter. Sie hat am 29. die eurasischen Gewässer verlassen, das heißt die könnte schon hier sein."

"Dann kassieren wir halt zwei Kopfgelder!" Chips klatschte in die Pfoten.

"Ich würde mich am liebsten hier verdünnisieren. Das wird mir eindeutig zu heiß." Arran sah sich um, als wäre er in einem Käfig eingesperrt. Mr Jameson betrachtete ihn mit einem mitleidigen Blick. "Aber, aber, Mr Swiftide. Ich glaube nicht das Madame Ledoux das gerne sehen würde. Apropos, sie wird vermisst und man geht aus, das Azila Fathi sie als Geisel genommen hat."

"Na toll." Der schlaksige Seesöldner ging im Zimmer auf und her. "Ist hier eigentlich irgendwer, der keine Geisel hält?"

"Japp, Lynx hat jetzt keine mehr, Chef!", warf Chips ein. "Das heißt wir sind im Vorteil, weil die andere ja nicht weiß, wo wir sind, oder?"

"Dessen kannst du dir nie sicher sein. Vor allem nicht wenn sie den Rest der Truppe dabei hat."

"Den Rest der Truppe? Das heißt sie ist keine Einzelgängerin?"

"Nein..." Arran holte tief Luft und stieß sie seufzend aus.

"Sie gehört zu einer Seesöldnertruppe der miesesten Art. Jedenfalls habe ich das im Laufe der Zeit mehr und mehr herausbekommen. Azila ist aber die charakterlich verdorbenste von ihnen. Sie hat keinen Funken Moral oder Mitgefühl im Leib. Allerdings mag sie es eigentlich nicht große Wellen zu schlagen und versteckt sich als Schattenkönigin hinter Dero, dem eigentlichen Anführer der Truppe. Ohne seine Führungsqualitäten würde der ganze Trupp auch auseinanderbersten, Dank Azilas Zickereien vor allem gegenüber Xhemile, der Technikerin. Sie ist was Informationsbeschaffung und -manipulation angeht, eine wahre Expertin. Und zum Schluss wäre da noch Khaled, der die nötige Muskelkraft besitzt und nicht genügend Verstand, um sich mit lästigen Moralfragen zu belästigen. Alles in allem ziemlich gefährliche Kerle."

Chips verschränkte die Arme. "Das klingt gar nicht gut. Aber meinen Namen kennen sie nicht und du bist hier nirgends aufgeführt, alle Buchungen gehen über mich, vom Schiff bis zum Zimmer. Du bist also in Sicherheit." Sie tapste zu ihm hin und tätschelte ihm den Kopf, wobei sie sich ziemlich strecken musste.

"Ich will jetzt nur so schnell wie möglich diesen Cheshire fangen und dann abhauen." Er winkte den Maulwurf zur Zimmertür. "Kommen sie, wir gehen auf mein Zimmer."

"Und was ist mit Mrs Ledoux? Es heißt doch sie sei eine Geisel!" Chips sah die beiden Männer entrüstet an.

Der Maulwurf zuckte nur hilflos mit den Schultern. "Ich bin nur ein Informant, vermutlich würden die mich als zusätzliche Geisel nehmen bevor ich auch nur anfangen kann loszurennen."

"Und bei mir steht Rettung der Auftraggeberin nicht im Vertrag.", fügte der Hai hinzu und öffnete die Tür.

"Ich hätte nicht gedacht, dass du so ein Arschloch bist." Die Katze verschränkte die Arme und schritt ihnen widerwillig hinterher.

Arran zögerte und drehte sich um. "Entschuldigung, dass ich nicht vor habe mein Leben für eine Frau zu riskieren, die mich seit eineinhalb Jahren regelmäßig herumhetzt um ihre Arbeit zu erledigen, die sie aus vorschriftstechnischen Gründen nicht erledigen darf!" Er schrie fast, sodass es vermutlich über den gesamten Gang zu hören war. Glücklicherweise war selbiger bis auf die drei völlig leer.

Die Katze zuckte zusammen, wirkte aber nicht wirklich zufrieden. "Trotzdem wäre es das Richtige, oder bist du wie diese Kerle die du gerade beschrieben hast?"

Arran wandte sich um und reagierte nicht mehr auf ihre Worte. Aber nur um nicht zu zeigen, dass das was sie gesagt hatte ihn nachdenklich stimmte.
 

---3. September 2089, Arbeiterwohnzentrum Nord, Schmiede der Tiefe---
 

Es war gerade die letzte Stunde der Tagschicht angebrochen als Chips und Arran aus der Metrostation auf den kleinen Platz traten, welcher das Herz des Arbeiterwohnzentrums bildete. "Und hier soll sich unser Schwerverbrecher versteckt haben?"

Chips hüpfte von Bodenplatte zu Bodenplatte, ohne auf die Ritzen zu tapsen.

"Wir haben die Daten unseres Informanten ausgewertet und dieses Wiesel meinte wenn nicht hier, dann hat er die Schmiede verlassen. Schließlich haben wir gestern schon drei andere Verstecke ausgehoben. So langsam wird das ermüdend." Arran streckte sich. "Hier haben wir jetzt noch eine Bar die dafür bekannt ist von Leuten besucht zu werden, die mit einem Bein im Knast stehen. Allerdings zahlt der Betreiber großzügig an die Polizei, damit sein Lokal und die Umgebung neutrale Zone bleiben."

"Achso, also wie in diesen typischen Groschenromanen?"

"So ungefähr. Da hinten ist es schon, also sei bereit und vor allem vorsichtig. Wir gehen hinein und setzen uns in eine der hinteren Ecken. Sobald Lynx auftaucht schnappen wir ihn uns einfach indem wir eine Schlägerei anzetteln und ihn dann im Schutz des Tumults aus der Bar ziehen."

"Klingt nach einem guten Plan. Hoffen wir nur, dass es diesmal klappt."

"Der Kerl wird uns nicht erwarten, vertrau mir. Die Aktion ist narrensicher."

Die beiden betraten das Etablissement, welches in einer lauschigen Seitenstraße einer der Hauptstraßen, die von dem Platz abgingen lag.

Es war exakt das, was man von einer Schurkentaverne erwartete. Es war stickig und verraucht und voller Gestalten, denen man zu keiner Zeit des Tages begegnen wollte. "Arran, das ist gruselig hier..."

"Keine Sorge, ich kenne mich mit solchen Orten aus. Ey, Boss! Zwei Bier und zwar pronto und ohne Spucke wenn's geht!" Das letzte rief er, schnippte noch zwei Mal und deutete dann auf einen freien Tisch an den er Chips lotste und sich dann selbst setzte. "Siehst du? Kein Problem. Und jetzt warten wir einfach."

Das Bier wurde ihnen von einem schmierigen, übergewichtigen Kerl gebracht. Chips setzte das Glas an die Lippen, zögerte jedoch als Arran sachte mit dem Kopf schüttelte. Er deutete ein Spucken auf das Glas an, schüttelte dann nochmal den Kopf. Sie verzog ein wenig das Gesicht.
 

Es dauerte eine Weile und sie saßen immer noch vor ihren beiden Bieren, die allerhöchstens durch Verdunstung an Inhalt verloren hatten und plauderten über Gott und die Welt. Irgendwann tauchte ein blonder Haarschopf an einer der Hintertüren auf. "Hey, psst. Chips..." Arran nickte mit dem Kopf hinüber zu dem Luchs, der gerade bei dem Barkeeper etwas bestellte. Dann rief er laut aus und sprang auf. "Achja? Deine Mutter ist so fett, dass die Meere stillstehen weil der Mond nun hier unten ein Gegenstück hat!" Er verpasste Chips einen angetäuschten Schlag. "Du Arsch, du Vollpfosten, mein Vater ist fett, aber nicht meine Mutter!" Sie war ein wenig zu aufgebracht und ein wenig persönliche Wut über die Bemerkung schwang in ihrer Stimme mit als sie Arran einen Fausthieb verpasste, der es in sich hatte. Arran knurrte verblüfft auf, beschloss aber bei seinem Plan zu bleiben und holte weit aus, traf dabei einen anderen Gast mit dieser Bewegung. Das dürfte reichen um eine deftige Schlägerei anzuzetteln, glaubte er.

Doch er hatte sich getäuscht. Der Mann, den er getroffen hatte, blieb seelenruhig stehen und die restlichen Gäste formten einen Ring um sie, der mit dem näherkommen des Luchs vervollständigt wurde. "Oh Scheiße...", murmelte Chips.

"Ja, genau so würde ich es auch sagen, meine Liebe." Lynx grinste fast schon bösartig. Nun trug er ein einfaches Shirt und eine Jeanshose. Das auffälligste an ihm war jedoch der rosa und violett gestreifte Schal, den er um den Hals gewickelt trug. "Ihr habt ziemlich lange gebraucht um mich zu finden. Oder hat mein Freund euch noch etwas hingehalten? Mir soll es recht sein, Hauptsache ich habe jetzt endlich Ruhe vor euch." Er trat langsam an die beiden heran. "Ich weiß noch nicht was ich mit euch mache, aber da werden wir schon etwas finden... Ich bin einfallsreich." Wie ein Raubtier umkreiste er sie. "Jungs, seid ihr sie lieb und geleitet unsere beiden Dauergäste in den Getränkekeller? Ich werde mich um sie kümmern sobald ich von meinem... Geschäftsessen zurück bin. Aber zuerst einmal eine Lokalrunde Synthalk für alle. Ihr habt eure Rollen wirklich Prima gespielt. Vielleicht komme ich auf euch zurück, wenn ich Komparsen für meine neuste Produktion suche..."

Während Arran und Chips fachmännisch gefesselt und in Richtung Privatbereich der Bar gedrängt wurden, verließ der Luchs manisch lachend die Bar. Es klang so, als hätte er lange dafür geübt, denn es untermalte die Szene die sich den beiden bot perfekt...
 

---2. September 2089, An Bord der 'Tidenwacht 25', Schmiede der Tiefe---
 

"Nur noch ein kleines bisschen...komm schon! Man sind diese vermaledeiten Fesseln vielleicht eng. Und dann muss dieser Mistkerl, der mir regelmäßig Essen bringt, die auch jedes Mal straffer ziehen. Ich werde diese...Azila...hnnng! Umbringen, wenn ich sie in die Pfoten bekomme! Oh mein, Scheiße brennt das! Es klemmt! HNNNNNG!

Uff....die werde ich nachher auf jeden Fall eincremen müssen...aber jetzt kommen wir erst einmal zu meinem persönlichen Rachefeldzug...diese Azila kann etwas erleben, dass ihr Hören und Sehen vergeht."
 

---2. September 2089, An Bord der 'Pink Tuna', Atlantischer Ozean---
 

"Es ist jetzt nicht mehr weit bis zur American Dream. Sind sie sich sicher, dass wir sie dort finden werden?"

"Natürlich, wohin soll sie denn sonst gefahren sein? Zur Schmiede? Ich bitte dich, was soll sie denn da? Da gibt es doch nur Fabriken und den ganzen Mist, da kann sich ein Mädchen wie sie doch nicht amüsieren. Nein, sie ist garantiert in Richtung Karibik gefahren."

"Ich wollte ja nur eine Anmerkung machen, Herr."

"Keine Sorge Miles. Ich habe alles im Griff und spätestens nächste Woche sind wir schon wieder auf dem Rückweg..."
 

---2. September 2089, Touristenzentrum West, Schmiede der Tiefe---
 

"Frau Fathi, hier ist eine Nachricht für sie eingetroffen."

"Ließ sie mir vor, ich bin gerade...hmmm ja noch ein wenig kräftiger Pablo, ein Stück tiefer...beschäftigt."

"...Natürlich. Sie ist von ihrem Bekannten, so steht hier jedenfalls der Absender der Nachricht."

"Jaja, ich weiß wer...oooh...gemeint ist."

"Ein Hafenarbeiter hat einen Cousin, der weiß wo der Luchs gerade ist und für ein ordentliches Entgeld, würde er seinen Aufenthaltsort verraten."

"Hmmmh...klingt gut...sei so lieb und reserviere mir für heute Abend im Smaragddrachen einen Tisch. Für mich und diesen netten Verwandten des Hafenarbeiters..."

"Natürlich, Frau Fathi."

"Oh ja, Pablo...genau da..."

Kapitel 10: In der Bilge

---3. September 2089, Konferenzzentrum, Schmiede der Tiefe---
 

Es war ruhig in dem einzigen Viertel neben den Touristenzentren, in denen es in den Nachtschichten weniger geschäftig zuging: dem Konferenzzentrum. Im Grunde war es neben dem großen Bürogebäude das Herz der Schmiede. In den Korridoren brannten kaum noch Lampen. Nur das in diesem Viertel gedimmte Licht der Straßen schien durch die riesigen Scheiben des Glasbaus. Eine einzelne Gestalt wanderte durch die im Zwielicht liegenden Gänge, steuerte auf eine doppelflügelige Tür am Ende eines Korridors zu. Es war eindeutig ein Katzenartiger, doch genauere Details ließen sich im Halbschatten nicht ausmachen, bis auf seine Kleidung, ein klassischer Anzug mit Krawatte. In den Händen trug er einen Aktenkoffer und das sanfte Licht spiegelte sich in seiner Brille. Ohne große Umschweife wie Anklopfen oder Abwarten betrat er den Konferenzsaal, welcher hinter der Tür lag. Dieser wirkte unheimlich und verlassen, nur eine einzelne Tischlampe brannte. Diese reichte jedoch nicht, um den Mann, der am Kopf des wuchtigen Tisches saß, welcher einen Großteil des Raumes einnahm, genauer zu erkennen. Er war fast vollständig in Schatten gehüllt, bis auf seine geschuppten Hände, welche unablässig auf der polierten Stahlplatte trommelten.

Der gerade Hereingekommene setzte sich an die andere Seite des Tisches, sodass die Beiden immer noch gut und gerne zehn Meter auseinandersaßen. Allerdings war die Akustik dieses Raumes so ausgelegt, dass man sich selbst über diese Distanz noch gut unterhalten konnte. Außerdem wollte der Feline nicht näher als unbedingt nötig an seinen Geschäftspartner herantreten. Er wuchtete den Koffer auf den Tisch, ließ die Schlösser aufschnappen, aber öffnen tat er ihn noch nicht. Der verhehlte Mann griff mit einer Hand zu der Lampe und drehte sie zu dem Anderen hin, sodass sie ihn anstrahlte, fast wie bei einem Verhör. Es war Lynx, der auf dem bestrahlten Platz saß. Er wirkte gelassen, doch wer ihn näher kannte wusste, dass das Fehlen seines bekannten Grinsens, oder zumindest einens selbstgefälligen Lächelns, innere Unruhe bei ihm bedeutete.

"Missster Leyshire. Wie schön, dasss Sssie esss zzu unsserem Geschäftsstermin schaffen konnten. Den letzzten musssten Sssie ja leider verschieben. Darf man fragen wiesso?", zischelte die Stimme des Geschuppten mit einer Spur von unterdrückter Wut.

"Aber natürlich, mein Verehrtester. Selbstverständlich dürfen Sie das fragen. Es verhält sich nämlich so, dass es ein wenig Problematik mit meinen Zulieferern gab, Sie kennen das ja." Er wischte sich mit einem Taschentuch nicht vorhandenen Angstschweiß von der Stirn. "Diese vermaledeiten Eurasier stellen sich gerade quer, aber keine Sorge, bis übernächste Woche werde ich Ihre Ware haben. Feinste Qualität, unglaublich kräftig und sparsam im Verbrauch, außerdem ergaben wissenschaftliche Studien, dass diese Art von... Werkzeug viel weniger Krach bei..."

"Genug! Sssie wollen mir alssso sssagen, dasss Sssie die Ware immer noch nicht liefern können?" Eine der Klauen der linken Hand des Echsenmenschen schabte über den Tisch. Das hohe Kreischen, welches dabei entstand, sorgte dafür, dass sich sämtliches Fell von Lynx sträubte.

"Es gibt nun mal ein paar... Turbulenzen, ein paar Verzwicktheiten, aber nichts was ein echter Profi, wie ich es natürlich bin, lösen könnte.", murmelte er während er sich seinen Schweif glattstrich.

"Eine Woche, Leyshire! Eine Woche, oder ich werde gewisssen Persssonen gewissse Dokumente überreichen, die nicht erfreulich sssind. Weder für Sssie, noch für diessse Perssonen. Und ich denke Sssie wisssen wass gewissse Perssonen machen, wenn sssie nicht erfreut ssind."

"Oh, aber natürlich ist mir das klar. Es ist mir sogar sehr gut geläufig. Unsere guten Freunde sind nicht gerade dafür bekannt, Dinge noch komplizierter zu machen als sie eigentlich sind. nicht wahr?" Lynx kicherte nervös. "Sie sind eher dafür bekannt, jemandem in kürzester Zeit den Garaus zu machen."

"Genau. Und dasss wollen weder Sssie, noch ich, noch meine Vorgessetzzten. Alssso machen Sssie bessser schnell, sssonsst musss ich mir eine verlässslichere Quelle sssuchen. Und dass würde ich sssehr bedauern. Ssie sssind ein gessellschaftlich anerkannter Mann, Leyshire. Und meine Wenigkeit würde esss ssehr bedauern, die Zzeit und Arbeit, die wir in Sssie stecken, vergeudet zu haben. Einen schönen Abend noch, Missster Leyhire."

"Ihnen auch, Ihnen auch." Lynx wischte sich nochmal mit dem Taschentuch über die Stirn, ließ währenddessen eine Hand unter die Tischplatte gleiten und befestigte dort eine Wanze. "Gute Nacht, falls Sie heute noch zum Schlafen kommen, wünsche ich Ihnen auch noch einen guten Schlaf, aber wenn nicht dann..."

"Leyshire!"

"Ja, tut mir Leid. Verzeihung, ich bin nur gerade ein wenig nervös." Unter noch dutzenden weiteren Entschuldigungen bewegte sich Lynx, nachdem er seinen Koffer wieder vom Tisch gehoben hatte, rückwärts aus der Tür. Erst als diese hinter ihm ins Schloss fiel, seufzte er leise auf und fing an zu grinsen. "Natürlich wirst du deine Lieferung noch bekommen.", murmelte er stimmlos. "Das und noch viel mehr. Niemand legt sich mit Sir Leyshire von Winterbottom an." Er lachte ebenso tonlos und ging dann wieder den Weg zurück aus dem Gebäude, den er gekommen war.
 

---3. September 2089, Arbeitswohnzentrum Nord, Schmiede der Tiefe---
 

Im Keller einer gewissen Bar, zwischen zwei Fässern mit Synthbier saßen Arran und Chips, an Händen und Füßen gefesselt, Chips obendrein noch mit Fäustlingen, um sie daran zu hindern, dass sie sich mit ihren Krallen freischnitt. Ihre Waffen hatte man in eine Kiste im Nebenraum gelegt. Es roch leicht modrig und kein Licht drang in den Raum.

"Dieser Plan ist narrensicher, da kann nichts bei schief gehen...", maulte Chips angefressen, "Bis auf die Tatsache, dass wir genau in die Falle dieses verdammten Luchses tappen! Ich kriege eine verdammte Krise."

"Du bist genauso in die Falle gestolpert wie ich, also hör auf rumzujammern und hilf mir dabei zu überlegen, wie wir hier herauskommen. Der Raum hat zwei Türen, eine führt in die anderen Hinterzimmer der Bar und die andere...woanders hin."

"Als ob uns das jetzt noch was bringt! Dieser Luchs macht Gulasch aus uns, wenn er wiederkommt. Hast du dieses manische Funkeln in seinem Blick gesehen? Ich sage dir, das ist ein Kannibale, wenn nicht schlimmeres."

"Ach halt doch die Klappe. Hier gibt es keine Kannibalen. Allerhöchstens auf der Lulilo de Homaro, weil sie da kaum was anderes zu Fressen haben als ihre hundertzwanzig Kinder pro Familie."

"Du tust ja so als wäre das da die Hölle auf Erden und die Menschen dort nichts als Verbrecher und Wahnsinnige. Kannst du eigentlich überhaupt wen wirklich leiden? Bisher hab ich nur Leute kennengelernt, die du entweder früher mochtest und jetzt nicht mehr leiden kannst, oder welche, die du noch nie leiden konntest. Hast du auch nur einen echten Freund?"

"Ach so und du wolltest unbedingt von der Euratopia abhauen, weil da du dutzende von 'BFFs' hast oder wie?"

"Ich kann dich nicht hören!" Chips fing laut an, irgendwelche Melodien zu summen.

"Du benimmst dich wie ein Kleinkind!"

Plötzlich schwang die Tür, die nach oben zur Bar führte, auf und der stämmige Barbesitzer kam herein. "Wollt ihr mal ruhig sein, ihr Möchtegerndetektive?", brummte er mismutig. Dann zog er eine kleine Pistole. "Aufstehen. Ihr zieht jetzt erst mal um."

Langsam und ohne schnelle Bewegungen erhob sich Arran, während Chips Schwung holte und trotz der Fesseln aufsprang. Sofort zuckte die Hand des bulligen Mannes in ihre Richtung. "Keine plötzlichen Bewegungen, klar? Du willst doch nicht, dass ich dir ein Loch in den Pelz brenne."

"Ist ja gut. Bist ja nur neidisch, weil du mit deiner Speckschwarte sowas nie können wirst."

"Du solltest vielleicht nicht so rumzicken, Chips. Er hat immer noch eine Waffe."

"Genau! Außerdem bist du mit zerschossenem Knie immer noch fast genauso nützlich für Mister Cheshire."

"Ist ja gut, krieg dich ein, Dickerchen." Wenn Chips mal schlechte Laune hatte, dann richtig.

Vorsichtig trieb der Barkeeper sie voran durch die andere Tür, die an eine Treppe grenzte, welche ein gutes Stück steil nach unten führte. Er machte Arran an einem Haken am oberen Absatz fest, während er sich Chips überwarf und sie nach unten trug, wo er sie ebenfalls festhakte. Dann stieg er wieder nach oben, um das gleiche Spiel mit Arran zu unternehmen, nur dass es mit ihm nicht ganz so einfach war. Als er Chips wieder losmachte öffnete er gleichzeitig die nächste Tür, sodass ihnen ein stechender Geruch von Unrat entgegenkam. Die Tür führte in die Kanalisation. "Es ist ein Stück den Kanal runter. Los, ich hab oben noch Kunden. Fangt mal an loszutrippeln."

Chips und Arran verzogen beide das Gesicht und versuchten so wenig wie möglich von dem leicht grünlichen Dunst einzuatmen. "Das ist doch sicherlich gegen die Genfer Konventionen!", kam es jammernd von Chips, gefolgt von einem Husten.

"Und wenn schon. Hier seid ihr besser aufgehoben. Asche zu Asche, Staub zu Staub, Müll zu Müll und so." Der feiste Kerl lachte.

"Na vielen Dank, das Kompliment kann ich nur zurückgeben.", murrte Arran und bleckte die Zähne.

Lachend trieb ihr Geiselnehmer sie weiter. Als sie an einer Stahltür ankamen, die an dem Steinsteg eines Sammelbeckens lag, sagte er: "So...da wären wir. Euer neues Zuhause." Er öffnete die Tür und stieß die beiden in den Lagerraum. "Irgendwann kommt Mister Cheshire und entscheidet, was er mit euch machen wird. So lange wartet ihr schön brav hier." Der Fettsack lachte und ließ die Tür wieder zufallen, sodass auch das letzte Licht, das von draußen her in den Raum schien, verlosch, und sie wieder in totale Finsternis hüllte.

"Na toll. Jetzt ist es nicht nur dunkel, es stinkt auch noch bestialisch."

"Och, du riechst manchmal auch nicht besser, Fischi."

"Na schönen Dank auch." Arran knurrte frustriert.
 

---4. September, Kanalisation Nordviertel, Schmiede der Tiefe---
 

Nach einer Nacht ohne Nahrung und mit wenig Schlaf hatten sich die beiden Gefangenen schon fast an den ekelerregenden Geruch gewöhnt, der sie permanent umgab. Als sich die Tür zu ihrem Gefängnis öffnete und eine Pfote den Lichtschalter anknipste, erschien es ihnen für einen Moment erlösend, doch dann sahen sie, wer im Türrahmen stand und sie gehässig angrinste. "Raus aus den Federn, meine Lieben. Das jüngste Gericht ist gekommen um euch ordentlich den metaphorischen Hintern zu versohlen!" Er trat in den Raum und schob die Tür hinter sich zu. "Ich habe euch gewarnt, ja, ich habe euch sogar ein Angebot gemacht, mich in Ruhe zu lassen, und ihr schlagt es nicht nur aus. Nein, ihr müsst entgegen allem gesunden Menschenverstand weiterschnüffeln. Und dafür werde ich euch bestrafen müssen. Ich will ja nicht, dass sich der Ruf breit macht, dass ich weich werden würde. Irgendwelche Vorschläge, was ich mit euch tun könnte?"

"Uns freilassen, ein gutes Essen spendieren und dich dann der Tidenwacht ergeben?", murmelte Chips. "Außerdem Schadensersatz für die verpassten Hotelessen und -nächte, die ich bezahlt habe."

"Das klingt nach einer guten Idee. Aber ich habe eine Bessere. Ich werde all eure Einträge und Spuren, die hier hin führen, löschen lassen, und euch solange mit schlechten Horrorfilmen malträtieren, bis ihr mir alles nützliche, was sich verwerten lässt, erzählt habt. Es wird zwar dauern, aber ich mag schlechte Horrorfilme. Außerdem bin ich geduldig." Er lachte laut. "Oder ich könnte euch einbetonieren lassen und der Stadt einen neuen Brunnen schenken. Mit Anschluss an ein Versorgungssystem, sodass ihr den Rest eures Lebens auf uns einfache Schmiedenbewohner hinabsehen könnt. Klingt doch wunderbar."

Arran knurrte. "Du bist wahnsinnig. Total durchgeknallt!"

"Ich bevorzuge kreativ, exzentrisch, oder außergewöhnlich. Wahnsinnig ist so ein unglaublich hartes Wort." Lynx wanderte breit grinsend ein wenig hin und her, musterte die Beiden. "Natürlich kann das hübsche Kätzchen immer noch ein Leben an meiner Seite wählen..."

Die Angesprochene fauchte. "Ich halte nichts von zweitklassigen Möchtegernmafiosis. Dein Aussehen täuscht nicht über deinen miesen Charakter hinweg."

Der Luchs verzog für einen Moment das Gesicht. "Das Kompliment nehme ich natürlich gerne an. Aber die Behauptung, dass ich einen miesen Charakter hätte, lasse ich nicht auf mir sitzen." Er beugte sich zu Chips hinab. "Du bleibst hier und der Hai darf gehen wohin er will, solange er die Schmiede nicht verlässt. Meine Leute werden ein Auge auf ihn haben. Ich möchte ja sicher gehen, dass er der Tidenwacht nichts steckt, was sie gebrauchen könnte. Ihr habt schon genügend Unheil angerichtet. Meine Leute haben beobachtet, wie vor einer Weile ein Schiff der Tidenwacht angelegt hat. Aber sie werden weder euch, noch mich irgendwo finden. Schließlich haben sie hier keinerlei Kompetenzen." Lynx lachte abermals, doch dies blieb ihm im Halse stecken, als er Arrans Haifischgrinsen sah.

"Du bist sowas von tot. Das Schiff wurde vor einiger Weile von einer gewissen Azila Fathi entführt. Sagt dir das was? Ich bin mir sicher sie hat mit dir noch eine Rechnung offen. Und ihre Freunde sind garantiert auch nicht mehr weit. Dir geht es aber sowas von an den Kragen."

Lynx schwieg für eine Weile und schien nachzugrübeln. Er holte einen Notizblock aus seiner Tasche und blätterte ihn durch.

"Du kennst also Azila?", fragte er unvermittelt. "Das heißt du bist Arran Swiftide?"

"So könnte man es sagen, ja." Arran gefiel nicht, dass er von Azila auf ihn schließen konnte.

"Was für ein Zufall. Was für ein Zufall!" Der Luchs wirkte hocherfreut. "Das von allen Arrans dieser Welt ausgerechnet Arran Swiftide in meine Fänge gerät. Das ist...wunderprächtig!"

"Und warum genau soll das so wunder...prächtig sein?" Die Augen des Flusshais verengten sich zu Schlitzen.

"Weil Azila Informationen über dich wollte und richtig gut bezahlt hat. Ich kannte dich zwar damals noch nicht, aber ich hatte einen guten Datenfälscher zur Hand. Leider ist der Deal geplatzt. Ich denke der Rest ist Geschichte. Wer hätte gedacht, dass dieses Biest es nochmal aus dem Knast schafft. Jetzt habe ich aber nicht nur Infos über dich. Ich habe Arran Swiftide in Fleisch und Blut bei mir im Keller liegen. Du bist meine 'Du kommst aus dem Gefängnis und Azilas Klauen frei'-Karte." Abermals lachte er manisch. "Ich bin ja so ein Glückskeks. Das muss ich gleich allen erzählen. Schon bald habe ich endlich meine wohlverdiente Ruhe zurückverdient. Es ist schön, wenn sich ein so komplexer Knoten durch einen einzigen Zufall so leicht auflösen lässt." Er tätschelte Arran den Kopf, zog die Pfote jedoch schnell zurück, als dieser nach ihm schnappte. Der Luchs stand, immernoch kichernd, auf und ging zurück zu der Stahltür und öffnete diese. "Achja, noch etwas, Chips. Mein Angebot verfällt natürlich durch diese unerwartete Wendung. Aber du kannst immer noch wählen, mein Schmusekätzchen zu werden, natürlich ohne dass es etwas an Arrans Schicksal ändert." Mit einem letzten Lachen schloss er die Tür hinter sich und ließ sie wieder in der Finsternis zurück.

"Keine Sorge Arran, ich bleibe standhaft. Ich werde das Angebot annehmen und ihn dann ausliefern, das klappt schon irgendwie."

"Was interessiert mich die Tatsache, dass du ihn auslieferst? Er will mich ans Messer liefern!"

"Ist diese Azila denn so böse auf dich?" Chips wirkte wieder unbändig neugierig.

"Ziemlich. Ich habe etwas, was eigentlich ihnen gehört. Und sie wollen es wieder haben."

"Was denn, was denn, was denn?" Die Katze hibbelte auf der Stelle.

"Ich habe jetzt keine Lust, das alles genau auszuführen. Sagen wir, ich habe verhindert, dass Azila und der Rest etwas tun, das sie bereuen würden."

"Jetzt hast du mich neugierig gemacht."

Arran seufzte. "Können wir nicht das Thema wechseln?"

Chips kicherte leise. "Nö. Ich werde dich jetzt solange nerven bis du aufgibst."

"Na toll. Als ob ich nicht schon genügend Probleme hätte..."
 

---4. September 2089, Touristenzentrum West, Schmiede der Tiefe---
 

"Miss Azila, ich muss ihnen dringend etwas berichten!"

"Was ist denn jetzt schon wieder? Siehst du nicht dass ich beschäftigt bin? Meine Krallen müssen perfekt sein, wenn mein Liebster morgen wiederkommt."

"Ich habe eine Nachricht! Eine Nachricht von diesem Lynx E. Cheshire höchstpersönlich."

"Oh? Sieht so aus als ob er kalte Füße bekommen hätte. Schließlich kenne ich jetzt ja sein kleines Rattenloch. Was schreibt mir denn dieser miese kleine Aufschneider?"

"Verehrtestes Fräulein Fathi, es ist mir ein Bedürfnis, meine aufrichtigsten Beileidsbekundungen vorzutragen, das unsere letzte Interaktion so unglücklich verlaufen ist. Doch ich bin mir sicher, dass wir uns wie zivilisierte Menschen benehmen können und unsere Differenzen beiseite schieben können."

"Oh, das hätte er wohl gerne!"

"Warten sie, jetzt wird es interessant!

Aus diesem Grunde bin ich mehr als nur erfreut, Ihnen vermelden zu können, dass ich einen gewissen Arran Swiftide meinen Gast nennen darf."

"Arran Swiftide? Das ändert die Angelegenheit natürlich vollständig."

"Gegen die Sicherstellung der Unantastbarkeit meiner Person Ihrerseits werde ich ihn Ihnen mit Freuden übergeben. Anbei liegt eine Karte, die den Weg zu einem Wartungsraum der örtlichen Metro beschreibt. Kommen Sie morgen zum Anbruch der Nachtschicht dorthin, damit ich meinen Gast in Ihre fürsorglichen Pfoten übergeben kann. Tausend ergebenste Grüße, Lynx E. Cheshire."

"Na das klingt ja wirklich interessant. Ich muss sagen, dieser Mann weiß, was eine Frau will. Nicht Geld oder Macht sind es. Das oberste Bedürfnis einer Frau..."

"...ist Liebe?"

"...ist Rache!"
 

---5. September 2089, Touristenzentrum West, Schmiede der Tiefe---
 

"Ja bitte? Falls es der Zimmerservice ist, ich habe nichts bestellt! Versuchen Sie es nebenan."

"Mister Jameson, machen Sie bitte auf, ich bin es, Celine."

"Celine? Oh, natürlich! Kommen Sie rein, kommen Sie rein! Trinken Sie erst einmal ein Glas Wasser. Sie sehen schrecklich aus, wenn ich das so sagen darf. Wie sind Sie denn hergekommen?"

"Als Geisel dieser Azila. Sie hatte Hilfe von außen, welche einen Gefangenentransport fingiert hat. Anstatt eines Marinesoldaten hatte ich einen von Azilas Komplizen an Bord. Ich konnte mich in einem unbeobachteten Moment nach dem Anlegen aus dem Staub machen. Wäre schon früher hergekommen, war aber damit beschäftigt, falsche Fährten zu legen. Wie laufen die Ermittlungen bezüglich Cheshire?"

"Oh, das versuche ich gerade ebenfalls herauszufinden. Vor zwei Tagen sind Arran und seine Begleiterin dem Tipp unserer Geisel gefolgt und wollten ihn festnehmen."

"Begleiterin? Ich dachte er arbeitet immer alleine."

"Aber seitdem habe ich nichts mehr von ihnen gehört. Kurz nach ihrem Verschwinden ist auch unsere Geisel dummerweise entkommen. Ich bin ja alleine und nur ein Ohr, kein professioneller Geiselnehmer. Auch wenn ich davon ausgehe, dass die beiden Dinge zusammenhängen..."

"Seit zwei Tagen nichts mehr gehört? SEID ZWEI TAGEN?"

"Bitte regen Sie sich nicht so auf, das ist nicht gut für Ihren Blutdruck, Madame Ledoux."

"Ich rege mich auf, wenn ich will! Schnell Jameson, Ihre Dienstwaffe und die Adresse."

"Wollen Sie nicht eben erst noch etwas essen? Sie sehen ziemlich ausgemergelt aus."

"Keine Zeit. Du weißt doch wie es heißt. Im Gegensatz zu Männern ist das oberste Bedürfnis einer Frau nicht Essen oder Luft. Es ist..."

"...Schlaf?"

"...Rache!"

Kapitel 11: Parlé

---5. September 2089, Arbeitswohnzentrum Nord, Schmiede der Tiefe---
 

Es war gerade das Ende der Tagschicht, als Celine Ledoux aus der Metro trat. Sie trug einen langen Mantel über ihrer Uniform, um nicht negativ bei den örtlichen Gesetzeshütern aufzufallen. Eigentlich sollte sie gar nicht hier sein, sondern auf schnellstem Wege ihren Vorgesetzten kontaktieren und dann beten, dass ihre Verstärkung schnell genug die ganze Bürokratie erledigen würde um vielleicht noch eine Spur erhalten zu könnten wohin Lynx und Azila verschwunden waren.

Aber das war ganz und gar nicht ihr Stil. Gerechtigkeit musste hart und schnell sein, schließlich waren die Kriminellen das ebenfalls. Hastigen Schrittes betrat sie die Seitengasse in der die fragliche Bar lag, wo Arran und Chips das letzte mal gesichtet wurden. Eilig öffnete sie die Tür und betrat den verrauchten, stickigen Raum. Mittags waren nur wenige Kunden hier, sodass sie es nun am einfachsten haben würde. Um genau zu sein befanden sich neben dem Barkeeper zwei Gäste in dem Laden, eine durchaus handhabbare Anzahl. Der feiste Kerl hinter der Theke musterte die Rattendame misstrauisch. "Was darfs denn sein Fremde?", fragte er sie nicht ohne Feindseligkeit in der Stimme. In solchen eingeschworenen Schurkengemeinschaften fielen Fremde immer negativ auf.

"Nur ein Wasser, ich muss heute noch arbeiten." Celine setzte sich an die Theke und fixierte die Hände des Mannes, während er ihr Wasser zapfte.

"Natürlich, wir müssen hier alle heute Abend noch arbeiten." Er reichte ihr das Glas.

Celine hob es kurz an, schnupperte daran und nahm einen kleinen Schluck. Das Gesicht verziehend murrte sie: "Ich bin mir sicher, dass dieses Etablissement gegen mindestens ein dutzend Gesundheitsvorschriften verstößt."

"Achja?" Der Fettsack hämmerte die Faust auf die Theke. "Vielleicht sollten Sie sich dann besser einen feineren Laden aussuchen, Madame von und zu Pingelpups."

Ein grimmiger Zug zeichnete sich auf dem Gesicht der Ratte ab. "Vielleicht sollte ich den Laden schließen lassen..."

"Und wer sind Sie, dass Sie das einfach so wollen und können? Eine Geheimagentin vom Gesundheitsamt?" Der Barkeeper lachte.

"Nein...." Sie stand auf und mit einem Ruck und einer flinken Handbewegung warf sie ihren Mantel gegen einen der beiden Gäste, der Überrascht aufkeuchte. Die Tidenwachtuniform kam zum Vorschein. Eine weitere Handbewegung und sie hatte Jamesons Dienstwaffe in der Hand. "So, und nun alle die Hände hoch und keiner wird verletzt." Sie bewegte sich zur Tür und versperrte diese mit einem Stuhl, während sie die Waffe auf die drei Verdächtigen gerichtet hielt, welche langsam die Hände hoben. "Du bist in der Unterzahl, verzieh dich und ich lass dich dieses mal noch laufen!", rief ihr der Barkeeper zu. "Bis einer von euch auch nur eine Waffe gezogen hat sind zwei von euch tot. Möchte wer sein Leben und das der anderen riskieren?" Keiner rührte sich. "Keiner? Gut. Ihr scheint halbwegs intelligent zu sein, das wird euch noch weit bringen."

Die drei Männer sahen sich gegenseitig an. "Und nun werdet ihr mir sagen, wo eine gewisse Chips und ein gewisser Arran sich befinden, klar?"

Die Augen des Barkeepers weiteten sich ein Stück. "Nie gehört die Namen. Keine Ahnung wen du meinst..."

"Ich wäre ab jetzt vorsichtig in deiner Wortwahl, ich habe heute Morgen ziemlich viel Kaffee getrunken und einen zittrigen Abzugsfinger..."

"Wir wollen wirklich keinen Stress Mädel, geh einfach bevor du noch was tust, was du bereust.",stotterte er nun hervor, die Hände immer noch zittrig in der Luft haltend.

"Ihr helft einem international gesuchten Verbrecher das wisst ihr aber oder? Ich bin hergekommen um die Sache privat und schnell zu regeln. Aber wenn sie wollen dass in einer Woche hier alles zugestellt ist mit Spezialisten von sämtlichen Polizeivereinen die es gibt. Nur zu."

Endlich brach der Barkeeper ein. Er war Kontakt mit der Polizei einfach nicht mehr gewöhnt seit der angenehmen Absprache. Aber diese würde nicht mehr gelten sollte Lynx wirklich mehr als nur ein einfacher Krimineller sein. "Ist ja gut, ganz ruhig. Sie sind in der Kanalisation in den Hinterzimmern. Ich führe sie hin."

Celine lächelte leicht. "Ihr beide, Hände auf die Stuhllehnen!" Sie blickte abwechselnd zu den beiden Gästen. Nacheinander ging sie zu beiden und fesselte sie mit Handschellen an die Stühle.

"Und sie schließen den Laden ab. Los! Ich hab nicht ewig Zeit!"

Dieser tat wie ihm geheißen und ging dann langsam und wieder mit erhobenen Händen vor. Die Komissarin drückte ihm die Waffe in den Rücken und schob ihn vor sich her. "Und keine Sperenzien, das kann ich nämlich gar nicht leiden."
 

Zehn Minuten später standen sie vor der Stahltür hinter der sich die Geiseln befanden. Der Barkeeper war gerade dabei den Schlüssel einrasten zu lassen. "Ich warne dich. Wenn das hier ein Trick ist, dann war es dein letzter."

Dieser nickte nur. "Jaja, keine Sorge." Er öffnete die Tür und gab den Blick auf eine gefesselte Katze frei.

Celine sah den feisten Kerl an. "Wo ist Arran?" Sie wirkte mit einem Mal ein ganzes Stück gereizter.

Noch bevor er eine Antwort hervorstammeln konnte, antwortete Chips an seiner statt. "Lynx hat Arran mitgenommen. Er will ihn bei dieser Azila gegen freies Geleit eintauschen! Wir müssen was tun!"

Mit einem schnellen Handgriff zog sie ihr drittes und letztes Paar Handschellen aus der Tasche und machte den Barkeeper an der Stahltür fest. Sie hatte gut kalkuliert. "Wo ist der übliche Austauschort für solche Angelegenheiten?", blaffte sie ihren Gefangenen an, während sie die Waffe wegsteckte und sich daran machte Chips zu befreien.

"Ich...ich glaube der liegt hier in der Nähe. D-das ist ein Wartungsraum der Metro. Wenn Sie den linken Tunnel nehmen können sie den Markierungen folgen, aber es ist ein ganz schönes Eckchen zu trippeln."

Die Ratte nickte nur kurz zum Zeichen dass sie es verstanden hatte, dann half sie der Katze auf. "Ich kenn dich doch, du warst bei Arrans Fall mit dabei."

Chips seufzte erschöpft auf bevor sie antwortete: "Meinem Vater gehört das Unfallschiff, die Tuna. Ich hab Arran mein Boot geliehen..." Die Blicke der beiden trafen sich für ein paar Sekunden. Man merkte der Katze an, dass sie ziemlich am Ende war, dennoch funkelte es wütend in ihren Augen auf. "Lass uns Fischi retten."

Celine schmunzelte kaum sichtlich. "Je früher desto besser." Gemeinsam eilten sie los so schnell Chips in ihrem angeschlagenen Zustand konnte.

"Hey...was wird aus mir?" Der Barkeeper rasselte an den Handschellen. "Schöne Scheiße..."
 

---5. September 2089, Metrotunnelsystem, Schmiede der Tiefe---
 

Der Wartungsschacht, der zum Treffpunkt deklariert worden war, roch muffig und war vergleichsweise schlecht beleuchtet. Lynx machte das natürlich nicht viel aus, ebenso wenig wie seinen beiden Gehilfen welche ebenfalls zur Gattung der Feliden gehörten. Während der Luchs keine Waffe trug hatten die anderen beiden an taktisch günstigen Postionen mit gezogenen Pistolen Stellung bezogen, während Arran gefesselt neben Lynx saß. Er war noch schlimmer dran als Chips, da er einen höheren Wasserbedarf hatte der natürlich in der Zwischenzeit nicht gedeckt worden war, da alles möglichst schnell für den Geiselaustausch vorbereitet werden musste. Der Hai schwebte immer wieder am Rand der Ohnmacht und kämpfte gegen seinen rebellierenden Magen an. Längst waren seine Flüche verstummt und seine Wehrhaftigkeit verschwunden.

"Na, Mr Swiftide? Ich bin mir sicher, Sie freuen sich ihre ehemalige Bekannte wieder zu sehen..."

Der angesprochene reagiete mit einem Zusammenzucken, doch nicht weil der Luchs mit ihm redete, sondern weil er verschwommen zwei Gestalten ausmachte die näher kamen. Die eine war eindeutig eine Katze, wenn es auch schwer zu sagen war welcher Unterart sie angehörte, da sie zusätzlich zu den typischen Merkmalen der domestizierten Katzen eine wallende, braune Haarmähne mit blonden Strähnchen und einen Löwenschweif hatte. Sie hübsch zu nennen, war untertrieben. Azila war zweifellos eine der schönsten Grazien die heutzutage auf dem blauen Planeten lebten. Neben ihr stand ein Mann, der seine Begleiterin eigentlich um einen Kopf überragte, wenn er nicht eine ziemlich gebückte Haltung angeommen hätte. Es war ein Dachs der mit seinen Händen rang, was dank der leicht überdimensionierten Klauen an ihnen immer wieder ein leichtes Klackern ertönen ließ.

Lynx wartete bis die beiden stehen blieben, dann machte er einen Schritt auf die Katze zu. "Es ist schön sie zu sehen, Azila. Ihr Anblick ist wie immer eine absolute Augenweide." Er deutete eine Verbeugung an.

"Übertreib nicht mit den Höflichkeiten Cheshire. Heb sie dir für jemanden auf der sich davon einlullen lässt.", fauchte Azila, bevor sie den Blick zu der Geisel wandte. Ihr Gesicht leuchtete auf. "Arran Swiftide. So sieht man sich wieder. Ich habe dir doch gesagt wir kriegen dich. Und nun sitzt du vor mir, gut verschnürt und bereit...ausgepackt zu werden. Stück...für...Stück." Sie ließ eine Kralle hervorschnappen. "Los, hol ihn mir.", murmelte sie zum Dachs gewandt, der schlagartig nickte und ein "Natürlich, Miss Azila." verlauten ließ.

Langsam tapste er hinüber, doch der Luchs stellte sich ihm in den Weg. "Ich habe absolute Sicherheit, dass sie mich in Frieden lassen und mit diesem Arran abziehen, sobald es geht?"

Der Schweif der Katzen-Löwen Hybridin peitschte mehrmals hin und her. "Natürlich. Ein Geschäft ist ein Geschäft Cheshire. Ich halte mich jedenfalls an Abmachungen."

Er trat mit der Antwort zufrieden beiseite und der Dachs griff nach dem Bündel Hai, schulterte es Mühelos und trug es zurück zu Azila.

In dem Moment, wo der Begleiter der Hybridin sich vorneüberbeugte um die Geisel abzusetzen, kippten die beiden Begleiter Lynx' tot um. Nur einen Sekundenbruchteil brauchte dieser um eine Schlaufe an seinem Gürtel zu ziehen, welche explosionsartig ein dunkles Gas freisetzte. Ein weiterer Sekundenbruchteil verging bis er einen Regulator unter seinem Schal hervorgezogen hatte und ihn in den Mund steckte, während er sich innerhalb der schnell entwickelenden Rauchwolke duckte und eine präventive Ausweichrolle machte, bevor sich der auf alles Vorbereitete mit geschlossenen Augen, damit das Gas nicht so sehr brannte, so schnell wie möglich zurückzog, während eine hustende, weibliche Stimme schrie. "Dero! Ich will ihn! Lebend!"
 

---5. September 2089, Kanalisation Nordviertel, Schmiede der Tiefe---
 

"Wie weit ist es noch?"

"Ich hab Hunger!"

"Ich muss mal!"

Chips erwies sich für Celine als eine größere Prüfung ihrer Nerven, als die vorangegangenen Hürden auf dem Weg vom Schiff bis zum Übergabepunkt.

"Zuerst retten wir Arran, dann besorgen wir dir alles was du brauchst. Und wenn du aufs Klo musst, direkt neben dir ist eins.", murmelte sie zerknirscht.

"Aber da haben andere schon reingepinkelt...außerdem ist das unhygienisch mich da drüber zu hocken..."

"Dann halt jetzt verdammt nochmal deinen Rand!" So langsam platzte Celine die Hutschnur. Sie beschleunigte ihren Schritt, ungeachtet dessen ob die Katze mitkam oder nicht. Sie musste ihn einfach retten. Schließlich hatte sie ihn ja auch indirekt in die Bredoullie gebracht. Obwohl er sie ungemein aufregte und immer mal wieder zur Weißglut brachte, so war er immer noch einer ihrer zuverlässigsten...freiwilligen Arbeiter.

"Hey, warte doch mal!", rief Chips ihr hinterher, doch da war sie schon um die nächste markierte Ecke gebogen und stolperte geradewegs in einen davonstürmenden Lynx.

Dieser war im Moment zu überrascht um zu reagieren, sodass Celine die Initiative ergreifen konnte. "DU!", fauchte sie und sprang ihn an, sodass sie beide in die, glücklicherweise an dieser Stelle relativ flache, aber dennoch unvorstellbar ekelerregende Brühe fielen. Sogleich begann Celine ihm eine Maulschelle nach der anderen zu verpassen, bis Chips bei den beiden angekommen war und jammerte. "Na toll, jetzt stinkt ihr beide auch noch!"

Die Uniformierte hoffte, dass der quängelnde Ton von Chips Stimme ihre Wut weiter anfachen würde, sodass sie Lynx weiter bearbeiten konnte, jedoch griff so langam ihre Disziplin wieder ein. Sie musste Zivilisten ein Vorbild sein. Vorsichtig erhob sie sich, natürlich nicht ohne ihm noch eine deftige Ohrfeige zu verpassen und zog ihn danach auf die Beine. "Vom Regen... in die Traufe" keuchte er, während er sich ein Kondom aus den Haaren fischte.

"Du bist sowas von festgenommen!", knurrte Celine wütend, während sie versuchte, sich den Siff von der Uniform zu wischen...vergeblich.

"Was auch immer, solange wir in die entgegengesetzte Richtung weiter können, bitte?" Der Luchs tapste schon einmal ein paar Schritte vor, jedoch so langsam, dass es nicht als Fluchtversuch gewertet werden konnte.

"Was ist mit Arran passiert?", wollte Chips wissen, die ihm nun hinterhertappste.

"Azila hat ihn und wollte mich dann auch noch...aber ich habe mir einen Vorsprung von mehreren Minuten herausgeholt..." er deutete auf den Regulator, der neben seinem Schal baumelte. "Aber wir müssen jetzt los, wenn wir nicht als Katzenfutter enden wollen! Der Weg ist so verschlungen, dass sie uns nie finden werden, aber nur wenn wir jetzt die Beine in die Hand nehmen!" Er wurde von Sekunde zu Sekunde unruhiger. Chips sah Celine fragend an, welche zögerte aber dann nach einigen Sekunden nickte und vor Lynx losrannte. "Chips, du hast ihn im Auge, damit er keine unverhergesehenen Manöver macht." Diese nickte, seufzte dann aber. "Das heißt ich muss noch länger warten bis ich auf Toilette kann?"
 

Eine Stunde später saßen sie in der Bar, die immer noch geschlossen hatte. Die beiden Gäste wurden von Lynx darauf eingeschworen, niemandem etwas von der momentanen Lage zu erzählen und dann laufen gelassen, während der Barkeeper ihnen Handtücher brachte und die Lüftungsanlage auf volle Kraft stellte. Chips konnte auf Toilette gehen wärend Lynx darüber lamentierte, dass sein Notizblock bei der Festnahme ruiniert worden war.

Celine verdrehte die Augen. "Sind hier eigentlich nur Kleinkinder anwesend? Da bin ich ja fast schon froh, dass ich nach der Angelegenheit wieder zum Schreibtischdienst abgeschoben werde..."

Nachdem Lynx vorläufig geendet hatte und auch Chips wieder am Tisch saß, nun mit einem Glas Sodawasser in der Hand, kam sie zur Sache. "Wir müssen Arran retten, koste es was es wolle. Vor allem weil wir damit gleichzeitig Azila dingfest machen können."

Chips murmelte daraufhin nur. "Wenn es nur Azila wäre. Arran hat gesagt die Frau ist keine Einzelgängerin, die hat eine ganze Bande als Unterstützung."

"Das würde dann auch erklären, wer meine beiden Handlanger so zielsicher umnieten konnte." Lynx seufzte frustriert.

Die Ratte wandte sich an ihn. "Kannst du herausfinden, ob die Tidenwacht 25 noch im Hafen liegt?"

Seine Augen blitzten auf und das typische Grinsen zeigte sich wieder. "Kann die CoPaDoC Geld scheißen? Ich kann nicht nur das, sondern auch ein paar Leute anrufen die das Schiff erstmal für einen oder zwei Tage festhalten können. Bürokratische Mühlen mahlen langsam..."

Er sprang auf und winkte den beiden Frauen, dass sie ihm folgen sollten, was sie auch taten.

An ein paar abgeschlossenen Türen im Hinterbereich führte Lynx sie vorbei, bis er an eine kam die er aufschloss. "Herein spaziert, die Grazien.", trällerte er fröhlich, während er den Raum selbst betrat, welcher nicht sonderlich groß war aber einen Computer samt Schreibtisch beinhaltete.

Direkt nachdem sich der Luchs in den Lehnstuhl geworfen hatte, begann er die Tastatur zu malträtieren und sandte ein paar Nachrichten an Leute, die ihm noch einen Gefallen schuldeten.

"Zwei Tage sind nicht viel, aber sie müssen ausreichen.", murmelte Celine nachdenklich.

"Zwei Tage sind mehr als genug für mich. Unter einer Vorraussetzung versteht sich.", antwortete der Luchs mit einem seltsamen Unterton in der Stimme, der dafür sorgte dass der Ratte das Nackenfell zu Berge stand.

"Und die wäre?" Celines Stimme klang misstrauisch und alarmiert.

"Du lässt mich nach Vollendung des Jobs laufen. Ich habe keine Lust meine Gefallen hier einzulösen um alles in die Wege zu leiten, nur damit ich im Endeffekt im Knast lande."

Celine knirschte mit den Zähnen. "Ich werde schauen was sich machen lässt.", lenkte sie widerwillig ein.

Der Luchs griff mit einer Hand nach einem Block, der auf dem Schreibtisch lag, mit der anderen nach einem Stift. Er schrieb hastig etwas auf, dass er dann Celine anreichte. "Ich habe solche Dinge lieber schriftlich.

Die Komissarin riss ihm das Blatt aus der Hand, las es sorgfältig Wort für Wort. "Ich kann dir nicht garantieren, dass ich dich so mir nichts dir nichts laufen lasse, aber wir werden sicher eine Kondition finden, unter der ich einwillige.", murmelte sie fast unhörbar, während sie unterschrieb. Das ging gegen all ihre Prinzipien, aber wenn sie sich nur lange genug einredete dass es für einen guten Zweck war, würde sie eines Tages wieder in den Spiegel sehen können.

"Gut!" Lynx nahm den Vertrag entgegen. "Dann wollen wir mal sehen was ich von meinem Schreibtisch aus alles erreichen kann..." Er begann wieder mit dem Computer zu arbeiten und dabei zu summen.

Nach einer Weile wandte sich Lynx an Chips. "Du, Chips?" Diese machte nur einen kurzen Laut der signalisierte, dass er ihre Aufmerksamkeit hatte. "Kannst du zum Hotel fahren und Jameson Bescheid geben? Wir brauchen alles an Unterlagen und Informationen, die irgendwie hierzu relevant sind." Er steckte ihr einen Zettel in die Pfote. "Das ist eine Addresse an die er die Sachen schicken kann. Danach kommst du so schnell wie möglich wieder her."

"Kannst dich auf mich verlassen. Celine? Du hast jetzt Aufsicht über den Gefangenen!" Chips salutierte so jämmerlich, dass sich Celine einen unwilligen Laut nicht verkneifen konnte, dann eilte die Katzendame aus dem Raum.

Wieder legte sich schweigen in den Raum, nur gestört von dem unablässigen tackern der Tastatur. Nach einer Weile jedoch brach Celine das Schweigen. "Wozu brauchst du den Sprengstoff, der dir angeboten wurde?"

Lynx seufzte leise, hörte kurz auf zu tippen. "Es wäre doch viel interessanter wenn du das eines Tages selbst herausfinden würdest, nicht wahr, Miss Marple? Wir Leben in einer Welt in der Informationen, Gerüchte und Geheimnisse sehr viel mehr Wert sind als Waren, Geld oder gar Menschenleben. Und ich habe nicht vor mein Portfolio wertlos zu machen..."
 

---5. September, Arbeiterwohnzentrum West, Schmiede der Tiefe---
 

In einem muffigen Hinterzimmer einer billigen Herberge für Verwandte der hier lebenden Arbeiter hatten sich vier Gestalten um Arran versammelt, der an einen Stuhl gefesselt war.

Neben Azila, der Katzen-Löwen Hybridin, stach vor allem ein bulliger Krokodilmann hervor, der trotz seines einfachen weißen Shirts und der ausgebleichten Jeans einen ziemlich brutalen Eindruck machte. Zwischen dem Kroko und Azila stand ein Schakal, ebenfalls männlich, der eher zweckmäßige Kleidung in ebenso schwarzer Farbe wie sein Fell trug, sodass er im Dämmerlicht schwer zu erkennen war. Zu guter letzt saß eine Ibisdame in der Ecke, welche damit beschäftigt war mit ihren grazilen Fingern auf einem Mobilcomputer herumzutippen.

"So trifft man sich wieder Arran.", knurrte der Schakal durchaus erfreut. "Ich wollte es fast nicht glauben als Azila uns davon erzählt hat. Aber wie es aussieht schlägt das Karma jetzt zurück."

Arran bekam davon nur die Hälfte mit. Der ganze Stress ließ ihn immer wieder wegdämmern. "Khaled, gib im mal was zu saufen."

"'Türlich, Boss." Das Krokodil stapfte hinüber zu einem siffigen alten Waschbecken, füllte einen aus der Manteltasche hervorgezogenen Flachmann mit der braunen Brühe die sich aus dem Hahn quälte und trat dann vor Arran. Mit einem tiefen Lachen kippte er die Flüssigkeit über den Kopf des Haies aus, welcher trotz des unangenehmen Geruches versuchte, so fiel davon wie möglich mit seiner Zunge aufzufangen, was weiteres Gelächter unter allen bis auf die Ibisdame auslöste, welche immer noch mit ihrem technischen Spielzeug beschäftigt war.

"So tief kann man sinken..." Der Schakal schob Khaled beiseite und baute sich vor Arran auf. "Dabei hättest du eine ganz große Nummer werden können. Wir alle hätten das werden können, bis du uns so hinterrücks verraten hast. Ist das der Dank, dass wir dich unter unsere Fittiche genommen haben? Hä? HÄ?" Die Pfote das Schakals landere mit Wucht auf Arrans Brust. Das Knacken das zusammen mit dem aufstöhnen des Hais erklang ließ einem die Haare zu berge stehen. "Immer noch so weiche Knochen? Ich habe dir doch gesagt du sollst mehr Milch trinken, habe ich es dir nicht gesagt ? Dero, Schätzchen?", maunzte Azila offensichtlich hoch erfreut. "Jetzt sag uns wo du den letzten Teil des Programms versteckt hast, oder ich lasse Khaled mal eine Weile mit dir spielen.", setzte Dero hinzu.

Der Hai zog die Stirn in Falten als müsste er nachdenken, schwieg aber ansonsten.

"Ich warne dich nur noch ein Mal. Du weißt genau was ich meine. Den Teil des Schlüsselprogramms für das Zentrallager des Weltkulturerbes, den du heimlich mitgehen lassen hast, mitsamt einer ordentlichen Stange Geld. Wir hätten so verdammt viel Kohle machen können. Wir alle zusammen, aber NEIN" Jetzt knurrte der Schakal wieder, seine Stimme wuchs zu einem Brüllen an. "Du musstest ja unbedingt die Moralkeule schwingen und uns allen die Tour vermasseln! Weißt du eigentlich wie lange wir dich gesucht haben!? Aber warte nur, wenn wir mit dir fertig sind, bist du nur noch Fischabfall! Und jetzt los, rück raus mit der Sprache!" Dero atmete schneller, jede Faser seines Körpers war angespannt.

"Ganz ruhig, mein Starker..." Azila umfasste Deros Oberkörper von hinten. "Ich liebe es wenn du so mit miesen kleinen Ratten umspringst. Aber wir wollen ja nicht, dass du ihn zerfleischst. Sonst war alle meine Mühe umsonst...findest du nicht?" Sie leckte ihm mit ihrer rauhen Zunge von hinten über die Wange.

"Hast ja Recht. Khaled? Xhemile? Ich überlasse es euch die Antwort aus ihm rauszuprügeln, ich bin fürs erste beschäftigt..." Er nahm Azila Huckepack, die leicht aufkreischte, was aber in einem Lachen abebbte und trug sie aus dem Zimmer.

Xhemile konnte nur mit dem Kopf schütteln, doch Khaled ließ seine Knöchel knacken. Endlich kam er zu seiner ganz perönlichen Rache dafür, dass Dero mehrere Wochen nach Arrans verlassen der Truppe seinen Frust an ihnen allen ausgelassen hatte. Das würde spaßig werden...



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  KaeAskavi
2012-08-17T01:04:21+00:00 17.08.2012 03:04
Yays Arran.
Ich hatte mit einem anderen einstig gerechnet, ich wusste auch nicht recht wie dieser unbedingt aussehen sollte....
Aaaaaaber (xD) Ich mag ihn.
Die Einleitung ist Super, und auch wenn das Pokerspiel durchschaubar ist (was es wahrscheinlich auch sein sollte ) ist es schon sehr spannend. man fängt ein wenig an mitzufiebern :D
Arrans sturz danach kommt gut rüber. Man merkt das er Ziel-, Orientierungs- und ideenlos ist, wie eine richtig trübe Funzel. Ein Mann ohne Boot, ohne Kurs, dem egal ist was Morgen ist, oder übermorgen. Dem egal ist was er macht, solang er wenigstens was zu essen auf dem Tisch hat...
*Traurige Musik einblend*
;P
Von:  KaeAskavi
2012-08-17T01:04:04+00:00 17.08.2012 03:04
Du weißt ich steh ja eigentlich nicht so auf Endzeit Bäm Große Katastrophe Blah~
Aaaaaaaber ich liebe deinen verdammten Schreibstil.
Er macht einen Meteor der die Erde trift um einiges Reizvoller für mich :D
Ich mag die Stimmung die du wunderbar einfängt und immer weiter aufbaust. Man bekommt ein gutes Gefühl für deine Welt-



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