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Chess

von

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The Knight

The Knight
 


 

Unendlich langsam legte Mycroft Holmes sein Handy auf den Tisch vor sich, obwohl die Verbindung mit dem Mann am anderen Ende immer noch stand.

„Sir? Sir, was sollen wir tun? Sir?“

Mycroft antwortete nicht. Seine Finger fühlten sich taub an, so als würden sie nicht zu seinem Körper gehören. Dann kam die Kälte, die Kälte des Entsetzens, die wie eine Horde Ameisen über seinen Körper krabbelte. Über und unter seine Haut in sein Innerstes, in seinen Kopf, solange, bis nur noch ein Gedanke seinen Kopf beherrschte.

Sebastian Moran war gestern Nacht aus dem Gefängnis ausgebrochen und geflohen.

Nach James Moriarty der gefährlichste Mann in ganz London.

Und eine Lebensgefahr für seinen kleinen Bruder.

Ausgebrochen. Verschwunden.
 

Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis er sich zu einem kleinen Nebentisch bewegte und mit zitternden Fingern eine Glaskaraffe öffnete und bernsteinfarbenen Scotch in ein elegantes Glas fließen ließ. Mit dem edlen und starken Alkohol in der Hand ging er zurück zu seinem Handy und nahm dabei einen großen Schluck.

Er drückte auf die Kurzwahltaste und hob das Handy an sein Ohr.

„Was verschafft mir die Ehre, Bruderherz?“, hob Sherlock mit dunkler und kühler Stimme ab.

„Können wir für einen kurzen Moment damit aufhören uns wie Kinder zu benehmen?“, sagte Mycroft verkrampft. „Sherlock, ich will, dass du mir jetzt ganz genau zuhörst.“

„Was hat deine Regierung jetzt schon wieder nicht auf die Reihe gekriegt, Mycroft?“

„Moran.“

Darauf kam keine Antwort zurück. Kein spitzer Kommentar, keine bissige Bemerkung.

„Erst ist weg.“, stellte Sherlock schließlich fest.

„Gestern Nacht ist er aus dem Hochsicherheitsgefängnis ausgebrochen.“

„Muss ja ein richtig gutes Hochsicherheitsgefängnis gewesen sein, wenn er es geschafft hat auszubrechen.“ Die spitze Zunge war wieder da.

„Sherlock, das ist nicht witzig!“, zischte Mycroft. „Du weißt ganz genau, was er will. Du weißt ganz genau, wen er will.“

„Du musst mich nicht daran erinnern.“

„Er hat bereits zwei Mal versucht dich umzubringen, bevor wir es vor acht Monaten geschafft haben, ihn zu schnappen.“

„Und wer hat das noch mal bewerkstelligt? Soweit ich weiß, war es nicht deine Regierung, Mycroft.“

„Du bist zwar derjenige gewesen, der ihn geschnappt hat, aber du wirst dich nicht noch einmal in solche Lebensgefahr begeben.“

Sherlock gab keine Antwort.

„Sherlock, hast du mich verstanden?“ Mycrofts Finger krallten sich um sein Handy. „Du wirst nichts machen, um Moran zu schnappen. Ich werde das tun und du hältst dich raus. Du trittst in den Hintergrund, bis...“

„Ich gehe nicht schon wieder ins Exil.“, sagte Sherlock scharf.

„Das verlange ich auch gar nicht. Fahr für eine Weile weg, zu unserer Mutter oder tauche in den Untergrund ab, es ist mir egal. Nur verschwinde aus der 221B Baker Street. Hast du mich verstanden?“

„Ich bin nicht taub.“

Mycroft nickte. „Okay, ich rufe jetzt John an. Wenn Moran ausgebrochen ist, sind John und Mary möglicherweise auch in Gefahr.“

„Nein!“

Mycroft fror in der Bewegung ein in der er war. Das Handy am Ohr, das Glas auf halben Weg zu den Lippen. „Was?“

„John hat nichts damit zu tun.“, sagte Sherlock ruhig. „Er soll nichts davon wissen. Es würde ihn nur in Gefahr bringen. Und möglicherweise Mary und dem Baby schaden.“

Eine neue Welle von maßlosen Entsetzen machte sich in Mycroft breit. „Ich soll John also nicht informieren?“

„Nein. Lass ihn in dem Glauben, dass alles in Ordnung ist.“

„Sherlock...“

„Viel Erfolg, beim Schnappen von Moran, Mycroft.“, sagte Sherlock spöttisch. „Du wirst es brauchen.“

Damit war die Leitung tot. Die Verkrampfung seiner Finger um das Telefon löste sich und seine Hand glitt schlapp von seinem Ohr. Er ließ sich jedes Wort von Sherlock durch den Kopf gehen und je mehr er darüber nachdachte, desto mehr ergab es Sinn.

Und was da Sinn ergab, beförderte Mycroft in die tiefsten Abgründe seiner persönlichen Hölle. Genau wie vor drei Jahren, als er die Zeitung mit der Titelseite Selbstmord eines falschen Genies in der Hand gehalten hatte.

„Oh mein Gott!“
 

John Watson sah auf die Uhr, als sein Handy klingelte. Es war viertel vor Sechs. Noch eine Stunde und eine Viertelstunde bis er Feierabend hatte. Höchstwahrscheinlich war es Sherlock. Sherlock kümmerte sich nie darum, wann er arbeitete und wann nicht.

Doch als er auf den Display sah, leuchtete ihm nicht Sherlocks Name entgegen. Es war Mycroft. Und Mycroft rief ihn nicht wegen Kleinigkeiten an.

„Mycroft? Ich bin bei der Arbeit.“

„Ich weiß. John, draußen steht ein Auto für dich bereit. Steig sofort ein.“

John verzog die Lippen zu einem zynischen Grinsen. „Seit wann kündigst du mir an, wann du mich entführst? Ist ja mal was ganz Neues.“

„John, das ist kein Witz! Steig bitte sofort ins Auto.“

Zwei Dinge ließen John in seinem Tun inne halten. Erstens war es Mycrofts Tonfall und zweitens war es die Tatsache, dass er Bitte gesagt hatte. Und normalerweise klang Mycroft nicht flehentlich und sagte größtenteils genau wie sein kleiner Bruder nicht Bitte.

„Was ist los?“, fragte er sofort.

„Es ist Moran.“

„Wer?“

„Sebastian Moran. Er ist ausgebrochen und hinter Sherlock her.“

Johns Herz machte einen unangenehmen Satz in seiner Brust. Zu gut erinnerte er sich daran, wie Sherlock ihm lang und breit von der Festnahme des Mannes erzählt hatte, der Moriartys rechte Hand gewesen war. Dann riss er sich den Arztkittel vom Leib und schnappte sich seine Jacke. „Hast du Sherlock schon angerufen?“

„Ja, habe ich.“

„Was hat er gesagt?“

„Er hat gesagt, dass ich dir nicht Bescheid geben soll.“

„Warum tust du es dann?“

„John, verstehst du nicht, was ich dir damit sagen will?“, fauchte Mycroft aufgebracht ins Telefon. „Sherlock lehnt es ab, dass ich dich und deine Frau in Sicherheit bringe, wenn der beste Scharfschütze, den England in den Afghanistan-Krieg geschickt hat, frei ist und Jagd auf Sherlock und seine Freunde macht.“

Johns Kehle wurde eng. „Du meinst … Mycroft, verarsch mich nicht!“

Er konnte hören, wie Mycroft tief Luft holte. „Er ist schon bei ihm. Moran hat Sherlock.“
 

Gelassen drückte Sherlock den Anruf seines Bruders weg und steckte sein Handy in seine Brustinnentasche zurück. Dann legte er die Fingerspitzen aneinander. „Und was machen wir jetzt?“

Sebastian Moran lächelte, während er nach wie vor die Pistole genau auf sein Herz richtete. „Jetzt machen wie einen kleinen Ausflug, Mr Holmes.“
 


 


 

^^

hallo

wieder ein neuer versuch

da sebastian in The Empty House ja eine wichtige rolle spielt und ich nur sherlocks rückkehr beschrieben habe, mache ich hier mehr oder weniger meine kleine interpretation von The Empty House XD

der titel der FF klärt sich im Laufe der FF auf

nur so zur Info: Knight ist der Springer

lg und viel spaß

C

The Player

The Player
 


 

Mit langsamen und bedachten Schritten ging Sherlock hinter Colonel Sebastian Moran her, der ihn von seinem Auto weg und zum Hintereingang eines Hauses führte. Er sah zu, wie Moran mit geübten Handgriff die Tür zum Haus aufbrach und ihm wie ein Gentleman die Tür aufhielt. Sherlock betrat mit ihm das Haus und Moran verschloss die Tür. Er folgte ihm eine Treppe hoch, bis sie in einen Raum fanden, der sowohl beeindruckend, als auch unheimlich langweilig war.

Sie befanden sich in einem kleinen Pool-Raum. Sherlock und Moran standen beide auf einer Terrasse, die sich in einem perfekten Quadrat über den ganzen Raum erstreckte. Sie war durch eine gläserne Abgrenzung umzäumt, direkt unter ihnen leuchtete das sanfte Blau des ebenfalls quadratischen Pools. Auf der Terrasse standen eine Reihe von Stühlen und Tischen, sogar Strandliegen. Hier hatte jemand keine Kosten und Mühe gescheut sich sein eigenes kleines Schwimmparadies zu beschaffen.

„Wie gefällt es Ihnen?“, fragte Moran.

„Es ist protzig.“, sagte Sherlock und seine dunkle Stimme hallte von den Wänden wider.

„Habe ich mir gedacht. Aber ich dachte, das hier kommt unserem ersten Treffen am nähersten. Finden Sie nicht auch?“ Er steuerte einen Tisch an und setzte sich auf einen der Stühle. Mit einer Handbewegung bedeutete er Sherlock sich zu setzten. „Damals, als Sie mit den Bruce-Partington- Plänen zum Pool kamen.“

Zwar hatte Moran die Pistole weg gesteckt, doch Sherlock wusste aus eigener Erfahrung, wie schnell der Mann sie ziehen konnte. Mit ausdruckslosem Gesicht setzte er sich gegenüber von Moran.

„Sie waren der Scharfschütze gewesen, der John Watson dazu gebracht hat von Ihrem Boss abzulassen, nicht wahr?“

Moran zog seine Pistole aus der Jackentasche und legte sie demonstrativ langsam auf den Tisch, den Lauf genau auf seine Brust gerichtet. Und das war nicht das einzige, was sich auf dem Tisch befand.

Zwischen ihnen stand ein Schachbrett aus Elfenbein. Die weißen und schwarzen Figuren leuchteten im reflektierenden Licht des Pools.

Eine Weile saßen sie sich nur gegenüber und musterten einander. Moran sah noch genauso aus wie früher.

Groß und breitschultrig gebaut. Militärische Haltung und kurzer Haarschnitt, auch wenn ihm seine dunklen Haare etwas mehr in die Stirn fielen als sonst. Nach wie vor hielt er nicht viel vom Rasieren und hatte somit einen Drei-Tage-Bart. Schwarzes Leder spannte sich über die kräftigen Arme und die Brust. Eiskalte blaue Augen bohrten sich in seinen Kopf. Lange, schmale Finger, die so meisterhaft darin waren Leute umzubringen, lagen gelassen auf seinen Knien.

Es war jetzt acht Monate her, dass sie sich zuletzt gesehen hatten. Bei Morans Verhaftung.
 

„Sie wissen, wo wir sind?“, fragte Moran schließlich. Seine Stimme war dunkel und kühl.

„Natürlich weiß ich das.“

„Und wo sind wir?“

„Wir befinden uns in dem leerstehenden Haus gegenüber von Johns Wohnung.“

„Sehr gut.“ Moran grinste. „Glück für mich, dass der Besitzer das Haus gestern geräumt hat.“

„Ronald Adair hat das Haus bestimmt nicht freiwillig geräumt.“ Sherlock faltete gelassen seine Hände in seinen Schoss zusammen. „Sie waren derjenige, der ihn erschossen hat.“

„Und der Fall ist noch nicht mal zehn Stunden alt.“, sagte Moran. „Sie sind noch genauso gut, wie früher. Ja, Adair hat nicht wirklich freiwillig seine Haus besitzerlos hinterlassen. Schlecht für ihn, gut für mich. Jetzt haben wir einen Ort zum Plaudern.“

„Sie haben ihn doch nicht nur umgebracht, damit Sie mit mir in seinem Poolhaus quatschen können.“

„Nein, er war ein alter Spielgefährte. Habe ab und an mit ihm Karten gespielt. Netter Kerl, eigentlich. Seine Glückssträhne beim Pokern stieg ihm allerdings zu Kopf. Er wollte mich ausstechen.“

„Sie meinen, er hat rausgefunden, dass Sie betrügen.“

„Betrügen ist so ein hartes Wort.“ Moran zuckte mit den Schultern. „Ich nenne es Vorteile verschaffen. Und ja, er hat es zu weit getrieben. Hat versucht mir zu drohen. Bevor ich ihn allerdings eine Lektion erteilen konnte, kamen dummerweise Sie und haben das Ganze ein wenig verzögert.“

„Acht Monate im Hochsicherheitsgefängnis“, sagte Sherlock und schmunzelte. „und das erste, was Sie tun, ist jemanden aus zweihundert Metern Entfernung bei der Arbeit zu erschießen, weil er Sie vor acht Monaten bedroht hat?“

Moran sah auf seine schmalen Finger herab. „Sie wissen gar nicht, was das für ein Gefühl ist, wenn es einen acht Monate in den Fingern kribbelt. Einrosten tut man im Gefängnis zumindest nicht.“

„Herzlichen Glückwunsch.“, spottete Sherlock.

Morans eiskalter Blick musterte ihn von oben bis unten. „Sie haben sich auch kein bisschen verändert. Obwohl, Sie sehen gesünder aus als früher.“

„Mrs Hudson kann gut kochen.“

„Ach ja, Ihre Haushälterin.“

„Vermieterin.“, korrigierte er.

„Wie auch immer. Sie haben sich wieder prächtig in Ihr altes Leben eingefügt. Alles so wie früher, nicht wahr?“

„Ein paar kleine Veränderungen gibt es schon.“

„Dr. Watson und seine Frau Mary?“ Morans Gesichtsausdruck wurde spöttisch. „Wie hat es Ihnen gefallen nach Hause zu kommen und zu erfahren, dass Ihr bester Freund verheiratet ist? Ein Leben ohne Sie weitergeführt hat?“

„Das war der Plan.“, sagte Sherlock kalt. „John sollte sich nicht an mich klammern.“

„Aber Sie haben es gehofft.“, entgegnete Moran. „Ganz ehrlich, wie innig haben Sie darauf gehofft nach drei langen Jahren nach Hause zu kommen und alles so wie früher vorzufinden?“

Sherlock antwortete nicht. Er schuldete diesem Mann keine Antwort und er würde ihm keine geben, auch wenn er den gewohnten Stich in seinem Innern spürte, wenn er an John und Mary dachte.

Obwohl er nichts sagte, wurde Morans Grinsen breiter. „Ich kann es mir ziemlich gut vorstellen. Sie sind genau wie er.“

Es war nicht schwer zu erraten, wer Er war. „Ich bin nicht tot.“, sagte Sherlock gelassen.

„Nein, das sind Sie nicht. Noch nicht.“ Moran ließ den letzten Satz kurz in der Luft schweben. „Aber Sie sind trotzdem genauso wie er. Und da Sie es sind, weiß ich ganz genau, wie sehr Sie Veränderungen hassen. Jim hasste es, wenn sich Sachen veränderten. Er liebte es, wenn die Dinge so blieben, wie sie waren. Es sei denn, er wollte, dass sie sich verändern und dann hat er dafür gesorgt, dass es geschah.“

„Ich bin nicht wie er.“

„Oh, Sie haben es doch selbst gesagt. Damals auf dem Dach.“, flüsterte Moran. „Ich habe alles gehört. Jedes Wort. Und Sie wissen gar nicht, wie groß die Versuchung war Dr. Watson den Schädel wegzupusten, als ich die Gelegenheit dazu gehabt habe. Aber Sie sind vom Dach gesprungen und haben Jim seinen Wunsch erfüllt. Befehl ist Befehl.“

Sherlock grinste. „Ganz der Soldat.“

Diesmal war Moran es, der seinen letzten Satz überging. „Versuchen Sie sich gar nicht erst rauszureden. Sie und Jim sind sich ähnlicher, als Ihnen wahrscheinlich lieb ist.“

„Wir sind nicht...“

„Haben Sie Dr. Watson auch völlig aus den Latschen gehauen, als Sie ihm das erste Mal begegnet sind?“

Sherlock machte den Mund zu und erinnerte sich an den Tag zurück, wo John in das Labor im St. Barths gekommen war.

Moran schlug die Beine übereinander. „Lassen Sie mich raten, Sie haben Klein-Johnny mit seiner ganzen Leidensgeschichte konfrontiert, die Sie anhand von seinem Schlüsselanhänger oder dergleichen abgelesen haben?“ Moran zuckte mit den Schultern. „Mir ging es wahrscheinlich nicht viel besser als ihm. Als ich Jim das erste Mal getroffen habe, saß ich in einem Coffee-Shop.“

„Kurz nachdem Sie unehrenhaft aus dem Militärdienst entlassen worden sind.“, sagte Sherlock.

Moran ignorierte ihn. „Ich erinnere mich noch genau an jenen Tag zurück.“

„Oh, als der liebe nette Jim Sie aus ihrem Loch rausgeholt hat, was die Entlassung aus dem Militärdienst bei Ihnen verursacht hat? Weil Sie keine Leute mehr erschießen konnten?“

„Machen Sie Witze?“ Moran lachte laut auf. „Ich wollte ihn umbringen. Er kam plötzlich an meinen Tisch, starrte mich eine geschlagene Minute an und antwortete auf keine meiner Fragen. Und als ich ihm gerade sagen wollte, dass er sich gefälligst verpissen sollte, fing er breit an zu grinsen und sagte: „Bingo!“.“
 

Sherlock runzelte die Stirn. „Bingo.“

„Ein Hurra-ich-habe-endlich-einen-Top-Scharfschützen-gefunden-der-gerne-Leute-erschießt-einen-Groll-auf-die-Regierung-und-nichts-zu-verlieren-hat-Bingo, wie er es im Nachhinein genannt hat.“

„Faszinierend.“ Er machte keinen Hell daraus seinen Sarkasmus zu verbergen. „Vielleicht mag es ja so gewesen sein, dass wir beide auf ähnliche Weise unsere Partner gefunden haben …“

„Partner, wie niedlich.“

„ … aber mehr haben wir auch nicht gemeinsam.“

„Tatsächlich nicht?“ Moran zog einen Zettel aus seiner Jackentasche und seine blauen Augen huschten über das Papier, während er breit grinste. „Soll ich Ihnen die Liste vorlesen oder es Ihnen ersparen.“

„Verschonen Sie mich damit.“

„In einem Punkt haben Sie vielleicht recht, Jim und ich haben nicht zusammen in einer Wohnung gelebt. Ist wahrscheinlich auch besser so gewesen, ich hätte es keine Woche mit ihm ausgehalten. Die längste Zeit, in der wir uns eine Wohnung geteilt haben, war drei Tage und nach diesen drei Tagen war ich reif fürs Irrenhaus. Von daher, Hut ab vor Dr. Watson.“

Sherlock überging die Bemerkung.

Moran steckte den Zettel wieder weg. „Wutausbrüche um Drei Uhr Morgens, bei denen er die ganze Wohnung zerlegt hat. Er hat mit Edding Zielscheiben an die Tapete gemalt und mit meinen Pistolen auf sie geschossen. Bei einem seiner Ausbrüche hat er alle Küchenmesser nach mir geworfen. Und hatte er einen guten Tag, tanzte er auf Bach oder irgendwelchen anderen klassischen Musikstücken durchs Wohnzimmer.“ Moran schüttelte den Kopf und fuhr sich mit einer Hand durch den Bart. „Die schlimmsten Tage waren die, wo ihm langweilig war. Und glauben Sie mir, Sie hätten Jim nicht kennen lernen wollen, wenn ihm langweilig war.“

„Sein Normalzustand hat mir ausgereicht.“, sagte Sherlock. „Selbst in diesen Momenten war er nicht normal.“

„Sie meinen, er war verrückt? Natürlich war er verrückt. Total gaga und durchgeknallt. Unausstehlich! Er hatte nicht mal einen eigenen Kleiderschrank.“ Moran lachte bellend auf. „Wissen Sie, was er in jedem Versteck, wo wir ab und zu hingegangen sind, gehabt hatte? Drei verschiedene Schränke mit drei verschiedenen Beschriftungen und drei verschiedenen Arten von Klamotten. Auf dem ersten stand Normale Leute, auf dem zweiten stand Stinknormale Leute und auf dem dritten stand Westwood. Wenn er sowas wie einen privaten Kleiderschrank gehabt hatte, dann war es letzterer. Und Weihnachten erst.“

Moran vergrub das Gesicht in den Händen und stöhnte gepresst durch die Finger. Sherlock schlug genervt die Beine übereinander.

„Einmal hat er Weihnachten darauf bestanden, dass ich ihm was schenken sollte, weil er etwas „Sooooooo passendes!“ für mich gefunden hatte. Wissen Sie wie das ist jemanden gezwungenermaßen etwas zu schenken? Es kann eigentlich nichts werden. Hätte ich ihm nichts geschenkt, hätte er mich wahrscheinlich wieder mit den Küchenmessern beworfen.“

„Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?“, fragte Sherlock gepresst.

Moran ignorierte ihn. „Mein Geschenk haben Sie an ihm wahrscheinlich sogar gesehen. Bei Gott, ihm hat es sogar gefallen! Es war diese verfluchte Totenkopfkrawatte.“

„Und sein Geschenk?“ Er fragte eher, damit das Thema ein Ende hatte.

Moran schnaubte, kramte in seiner Hosentasche und zog einen Schlüsselbund hervor. Ein einziger Schlüsselanhänger hing am Bund. Es war eine blaue Hundemarke auf der in dicken Druckbuchstaben der Name Seb stand.

„Ich schwöre Ihnen, ich war so kurz davor ihn abzuknallen.“
 

„Worauf willen Sie hinaus?“, wiederholte Sherlock seine Frage. „Ist das eine Art Therapiesitzung? Ich komme mir vor wie Johns untaugliche Psychiaterin. Trauersitzung für die Verarbeitung des Todes von Jim Moriarty?“

„Trauer?“ Moran sah ihn nachdenklich über den Tisch an. „Ist es Trauer? Was meinen Sie?“

„Nun, Sie quatschen mich seit einer Viertelstunde über Ihren verstorbenen Boss zu, den Sie eigentlich wiederholt zum Mond schießen wollten. Was wäre es nicht, wenn nicht Trauer?“

Er zuckte mit den Schultern. „Sagen Sie es mir.“

Sherlock lehnte sich wieder in seinen Stuhl zurück. „James Moriarty hat Sie aus einem emotionalen Loch rausgeholt, was die Entlassung aus dem Militärdienst bei Ihnen verursacht hat. Anders als bei John Watson wurden Sie aber entlassen, weil Sie unschuldige Zivilisten erschossen haben, die nicht umgebracht werden mussten. Man hat Sie als schießwütig und gefährlich eingestuft und deshalb entlassen. Sie haben das verloren, was Sie ausgemacht hat, Ihnen wurde das genommen, worin Sie gut waren. Und dann taucht ein gewisser Consulting Criminal auf und gibt Ihnen Ihr altes Leben zurück. Egal was für ein Psychopath er gewesen sein mag, Sie schulden ihm was.“

Moran nickte langsam. „Zu dem Schluss bin ich auch gekommen. Also ist es vielleicht eine gewisse Art von Trauer. Und ja, Sie haben recht, ich schulde ihm etwas.“ Er beugte sich vor, sein Grinsen wurde breiter. „Ich schulde ihm, dass sein Plan in Erfüllung geht, an dem er so lange und voller Spaß gearbeitet hat. Sein Meisterwerk, der Fall des Sherlock Holmes. Ich werde Sie töten. Ganz langsam und quälend, bis Sie um den Tod betteln werden.“

Sherlocks Mundwinkel zuckten und er sah auf das Schachbrett hinab. „Sie rächen Ihren König.“

„König?“ Moran sah auf die schwarzen Figuren hinab und lachte. „Jim als König? Sherlock, ich bitte Sie, er war nie der König. Er war viel zu intelligent für die Rolle des Königs, zu aktiv, zu schnell. Nein, Jim war nicht der König. Jim ist der Spieler.“

„Präsens?“, fragte Sherlock.

„In der Tat. Er ist es immer noch. Er spielt immer noch mit uns.“ Moran deutete mit dem Blick auf seine und Sherlocks Figuren. „Obwohl er tot ist, bewegen wir uns immer noch nach seinen Launen über das Schlachtfeld. Faszinierend, nicht? Es wird so lange weiter gehen, bis wir alle tot sind.“

Er ließ seine Hand über das Spielfeld schweben. „Ebenso ist es faszinierend, wie gut man den verschiedenen Leuten in unserer Umgebung ihre Rollen zuordnen kann. Wobei die meisten in seinem Spinnennetz, wie Sie es so treffend beschrieben haben, nur die Bauern waren. Und die sind dank Ihnen ja schon alle vom Feld.“

Er nahm alle schwarze Bauern vom Brett.

„Dann haben Sie all seine Attentäter und Scharfschützen aus dem Weg geräumt. Die Läufer, die Türme, und einen Springer.“

Er nahm die anderen Figuren vom Brett.

„Und eine Dame hatte er nicht wirklich.“

Die schwarze Dame verschwand. Zurück blieben der schwarze König und ein Springer.

Sherlock grinste. „Sie sind sein Springer gewesen.“

„Ich bin sein Springer.“, sagte Moran. „Nach wie vor bin ich es. Die Figur, die überraschend und heftig zuschlagen kann, wenn man sie nicht im Auge behält. Der Scharfschütze in seinem Nest.“

Er sah Sherlock in die Augen, eisiges Blau traf auf kühles Blau.

„Und jetzt sagen Sie mir, Mr Holmes: Welche Personen auf Ihrer Seite haben welche Position? Wer sind die Bauern, die Sie opfern und wer sind Ihre wertvollsten Figuren? Und vor allem, wer sind Sie selbst?“

The Queen

The Queen
 


 

„Ihnen ist schon klar, dass ich das Spiel eigentlich schon so gut wie gewonnen habe, oder?“, sagte Sherlock und nickte Richtung Schachbrett. „Mit einem König und einem Springer können Sie nicht mehr viel machen.“

„Solange der König nicht gefallen ist, ist das Spiel nicht vorbei.“, sagte Moran. „Wählen Sie Ihre Figuren, ich bin schon neugierig.“

Sherlock senkte den Blick auf das Brett und besah sich jede seiner weißen und schimmernden Figuren. Wie ironisch, wenn er früher mit anderen Leuten Schach gespielt hatte, hatte er die schwarzen Figuren bevorzugt. Aber wie hatte Moriarty es damals auf dem Dach gesagt. Er sei auf der Seite der Engel.

Und Engel trugen kein Schwarz.

Sherlock schaute auf die Bauern und nahm sie alle vom Feld. Moran runzelte die Stirn. „Keine Bauern?“

„Die Obdachlosen von London würden am ehesten in diese Rolle passen.“, sagte er. „Aber sie sind zu eigensinnig für diese Rollen. Entweder sie helfen einem oder tun es nicht. Bauern haben keinen eigenen Verstand.“

Sherlock überlegte eine Weile und nahm jede Figur vom Brett, drehte sie in den Fingern und sah sie von allen Seiten an. Dann nahm er einen Turm in die Hand und stellte ihn an seinen Platz zurück.

Moran lehnte sich vor. „Ein Turm, interessant. Wer ist Ihr Turm?“

„Mrs Hudson.“

„Die Vermieterin?“ Moran zog die Augenbrauen hoch. „Diese alte Frau in der Rolle des großen, starken und voraus preschenden Turms? Meinen Sie das ernst?“

Sherlock grinste. „Sie haben sie noch nie erlebt, wenn sie wütend auf mich ist. Sie mag alt sein, doch wenn sie aktiv wird, walzt sie einen platt.“

Moran lachte laut auf und klatschte sich mit einer Hand auf die Knie. „Das ist gut. Sehr gut. Okay, welche Rolle hat ihr Bruder?“

„Gar keine.“

„Keine?“

„Nein.“ Sherlock schnaubte. „Wenn Mycroft eine Rolle in diesem Spiel hätte, wäre er der Spieler der weißen Figuren. Aber er hat die Figuren genauso wenig unter Kontrolle, wie alles andere auf der Welt, auch wenn er es gerne so hätte.“

„Der inkompetente weiße Spieler, also. Dann tanzen wir wirklich alle nach Jims Pfeife, nicht wahr?“

Sherlock überging diese Bemerkung. Die Vorstellung nach wie vor unter der Kontrolle von Moriarty zu stehen, jagte ihm einen unangenehmen Schauer über den Rücken und er verabscheute den Gedanken von jemand anderen kontrolliert zu werden. Einer der Gründe, warum er sich nie gut mit Mycroft verstanden hatte. Er war kein Tier, welches man zähmen und trainieren konnte, wie ein Hund oder ein Pferd.

Die nächste Figur, die er auf das Brett zurückstelle, war ein Läufer. Diesmal kam Moran ihm zuvor. „DI Lestrade, wenn ich mich nicht irre.“

Er nickte.

„Das sehe ich ein. Schnell, zielstrebig, aber ein bisschen einseitig. Perfekte Wahl. Aber jetzt bin ich wirklich neugierig.“, sagte er. „Wer sind Sie, Mr Holmes? Welche Figur nehmen Sie ein?“

Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen stellte Sherlock die weiße Dame aufs Brett.

„Natürlich, was habe ich mir nur dabei gedacht?“ Moran lehnte sich zurück und grinste auf die Dame herunter. „Natürlich sind Sie die Dame. Die Figur, die die mächtigste, schnellste und variabelste Figur auf dem Brett ist. Die Figur, die geradezu alles möglich machen und einen zum Sieg führen kann. Finden Sie das nicht selbst ein wenig egoistisch?“

„Wenn es die Wahrheit ist, ist es nicht egoistisch.“, meinte Sherlock leise.

„Das mag stimmen.“ Morans Blick huschte über jede seiner Figuren. Dann wurde sein Blick durchdringend und scharf. „Und jetzt fehlt ja nur noch einer, nicht wahr?“

Sherlock sagte nichts.

„Welche Figur ist Dr. Watson für Sie, Mr Holmes?“
 

„Wie sollen wir ihn finden?“, fragte Lestrade scharf und sah John gehetzt an. „Warum tut Mycroft nichts?“

John ging nervös in Lestrade Büro hin und her. „Mycroft stellt seine eigenen Suchtruppen zusammen. Wahrscheinlich ist die halbe britische Armee schon in Bereitschaft.“

„Warum kommst du dann zu mir?“

„Weil Sherlock sich mit Sicherheit nicht von seinem Bruder finden lassen will.“, sagte John. „Nicht nachdem, was zwischen den beiden passiert ist. Habt ihr keine Möglichkeit ihn irgendwie aufzuspüren. Sein Handy zu orten oder dergleichen? Bitte sag mir, dass du Sherlock irgendwann einen GPS-Chip eingepflanzt hast.“

Lestrade grinste schwach. „So schön ich das auch finden würde, nein, das habe ich nicht. Und Sherlocks Handy können wir nur orten, wenn er damit telefoniert.“

John zog sein Handy aus der Tasche und wählte kurzerhand Sherlocks Nummer. Lestrade sah ihn zweifelnd an.

„Ein Versuch kann nicht schaden.“

„Nein. Da hast du wohl recht.“
 

Sherlock ignorierte sein vibrierendes Handy in seiner Hosentasche und sah auf die restlichen Figuren auf seiner Seite herab. Alles in ihm sträubte sich John bewusst auf das Spielfeld zu befördern. Wenn er das tat, brachte er John automatisch in Gefahr, und sei es auch nur symbolisch. Jede seiner Figuren war gefährdet.

Er hatte keine drei Jahre im Exil verbracht, damit all seine Bemühungen wieder ins Nichts glitten.

Moran wippte ungeduldig mit einem Fuß ab und ab. „Ich warte, Sherlock.“

Sein Handy vibrierte wieder laut in seiner Tasche.

„Dr. Watson scheint gemerkt zu haben, dass etwas nicht stimmt, glauben Sie nicht auch?“
 

„Er geht nicht dran.“, sagte John hilflos.

„Natürlich geht er nicht dran.“, schnaubte Donovan, als John und Lestrade in den Raum kamen, wo die Gerätschaften für eine Handylokalisierung aufgebaut waren. „Dachten Sie wirklich, dass er einfach so ans Handy geht?“

Nicht zum ersten Mal in seinem Leben hatte John das Bedürfnis die Frau aus dem Raum zu treten.

Er ignorierte ihre spitzen Worte und drückte erneut auf die Anruftaste. Dabei spürte er Lestrades mitleidigen Blick im Rücken.

„Komm schon, Sherlock, geh ran!“
 

„Geben Sie mir das Handy!“

Sherlock rührte sich nicht vom Fleck. Moran legte die Hand auf seine Pistole, ein Finger am Abzug.

„Bitte.“, sagte er zuckersüß.

Widerwillig zog Sherlock das vibrierende Handy aus seiner Hosentasche und legte es Moran in die ausgestreckte Hand. Zu seiner Verwunderung nahm Moran den Anruf entgegen und drückte auf Lautsprecher, legte aber den Daumen auf die Sprechmuschel.

„Sherlock?“, fragte John am anderen Ende. „Sherlock?“

„Er ist wirklich loyal.“, flüsterte Moran und sah auf das Telefon. „Rührend loyal. Aber vergessen wir unser Spiel nicht, Sherlock. Welche Figur ist Dr. Watson?“
 

John spürte, wie sein Herz ein Satz in der Brust machte, als der Anruf entgegengenommen wurde. „Sherlock?“, fragte John. „Sherlock?“

Er sah, wie Lestrade kurz die Augen vor Überraschung aufriss und die Polizisten dann in aller Hetze anfingen das Handy zu orten.

Keine Antwort kam zurück. Nur ein leises und gelegentliches Rauschen. So als wäre die Leitung gestört. Lestrade winkte ihm hektisch entgegen und bedeutete ihm den Anruf so lange es ging aufrecht zu erhalten.

„Sherlock, warum antwortest du nicht?“ John wartete, aber es kam nichts zurück. Mit aller Mühe versuchte er einen normalen Tonfall in seine Stimme zu legen. „Sherlock, komm schon, ich muss zum Abendessen zu Hause sein. Sonst bringt Mary mich um. Und das wäre weder für mich gut, noch für das Baby.“

Nur Rauschen antwortete ihm.

„Okay, wenn du mir schon nicht antwortest, kann ich dir ja ohne Umschweife ins Gesicht sagen, dass Mary dich am Sonntag zum Tee einlädt. Keine Ahnung, ob das eine Laune einer schwangeren Frau ist, aber sie hat angeblich eine Überraschung für dich. Und ich weiß, dass du diese Teerunden verabscheust, weil sie angeblich langweilig sind und nichts Spannendes mit sich tragen, aber bei Überraschungen wirst doch selbst du neugierig, oder?“

Lestrade bekam ein triumphierendes Grinsen im Gesicht und hob einen Daumen in die Höhe. Sie hatten ihn. John schluckte schwer.

„Überlege es dir, Sherlock. Sonntag um Vier bei mir.“

Dann legte er auf und eilte an Lestrades Seite.

„Wir haben ihn.“, sagte der Detective aufgeregt und besah sich die Adresse. Allerdings wechselte sein Gesichtsausdruck schnell von verwirrt zu alarmiert.

„Was ist?“, fragte John.

„John, schau dir die Adresse an.“

John sah auf die Adresse, die in leuchtenden Buchstaben auf dem Bildschirm des PCs stand. Er spürte, wie seine Augen groß wurden und sein Mund aufklappte.

Das war seine Straße. Nein, nicht nur das.

Sherlock hatte den Anruf aus dem Haus genau gegenüber von Johns Wohnung entgegengenommen.

Und ganz plötzlich war es nicht nur Sherlock, um den er panische Angst hatte. „Mary...“

Mit zitternden Fingern wählte er Mycrofts Nummer.
 

Als John den Anruf beendete, legte Moran Sherlocks Handy neben seine Pistole auf den Tisch, ehe er die Hände im Schoss zusammenfaltete. „Also, Mr Holmes. Wer ist Dr. Watson?“

Sherlock lehnte sich zurück und zögerte noch eine Sekunde. Dann streckte er die Hand aus und umschloss mit seinen Fingern einen weißen Springer, ehe er ihn auf das Brett stellte.

Was dann folgte, ließ ihn verwirrt inne halten. Moran fing an zu lachen. Und zwar schallend an zu lachen. Er lachte lange, tief und ausgelassen, so als hätte er ihn einen guten Witz erzählt.

„Nein.“, keuchte Moran schließlich und schüttelte den Kopf, während er sich die Tränen aus den Augen wischte. „Nein.“

„Was nein?“, fragte Sherlock gereizt.

„Ich muss Ihnen vehement widersprechen. John Watson, ein Springer? Ihr Springer? Nein!“

„Ich verstehe nicht, wo das falsch sein soll.“, sagte Sherlock und betrachtete die Figur. „John ist an meiner Seite, John ist clever, John greift dann ein, wenn es niemand für möglich hält. Sie unterschätzen ihn alle. Und wenn sie wirklich denken, dass ich und Moriarty so viel gemeinsam haben, dann ist es doch nur zutreffend, wenn unsere rechte Hand jeweils beide Springer sind.“

Moran schüttelte wieder den Kopf. „Alles plausibel, aber trotzdem. Die Antwort ist Nein. John Watson ist kein Springer.“

„Was soll er sonst sein?“

„Oh, das wissen Sie ganz genau. Und ein wenig haben sie vielleicht sogar recht, er war mal ein Springer gewesen. Ihr Springer. Aber jetzt ist er es nicht mehr.“ Moran kicherte. „Er ist seit dem Vorfall auf dem Dach nicht mehr ihr Springer. Er ist es gewesen, doch jetzt hat er eine andere Rolle.“

Sherlock spürte, wie sich sein Innerstes zusammen zog. Er wusste, dass es nicht stimme. Instinktiv wusste er, dass er John extra nur die Figur des Springers gegeben hatte, damit er stärker wirkte. Damit er gefährlicher war.

Doch Moran hatte ihn durchschaut. Er hatte recht, John war nicht sein Springer.

Moran beugte sich vor. „Er ist kein Springer.“, wiederholte er. „Tun Sie uns beiden den Gefallen und stellen Sie seine richtige Figur auf das Brett.“

Sherlock rührte sich nicht. Moran seufzte und nahm die Pistole in die Hand, richtete sie auf sein Herz. „Was ist John Watson, Sherlock Holmes? Na los!“

Langsam nahm Sherlock den Springer vom Brett und stellte ihn beiseite. Seine Finger wanderten zu einer anderen Figur, umschlossen das glatte Material länger als nötig, ehe er John Watson an seine Seite auf das Spielbrett stellte. Und Moran nickte.

„Ganz genau. Genauso ist es richtig.“

John Watson war der König neben der Dame.
 

„Ist es nicht schön, wenn man Licht ins Dunkel bringt?“, grinste Moran und beugte sich zur Seite, zu einer schwarzen Tasche, die neben seinem Stuhl lag. „Die Welt ist doch gleich viel klarer, stimmst?“

Er öffnete die Tasche und zog etwas aus ihr heraus, was wie eine große Fernbedienung aussah. Doch natürlich war es nicht nur das. Sherlock wusste genau, was das war und es lief ihm kalt den Rücken runter. Seine Finger umschlossen fest die Figur des Königs.

„Sie wissen, was das ist?“, fragte Moran. Seine Finger glitten geübt über ein paar Tasten und ein winziger Bildschirm fuhr aus dem Gerät hervor. Nach ein paar Sekunden zeigte er ein Bild an.

Die Wärmebildaufnahme des Hauses ihnen gegenüber.

„Ich habe das Baby Ewigkeiten nicht mehr benutzt.“, sagte Moran stolz und strich über die Bedienung. „Es ist eine wundervolle Waffe. Ein Scharfschützengewehr mit Wärmebildkamera, unbezahlbar und höchst selten. Es ist in dem Kirchturm platziert, einen halben Kilometer von dieser Straße entfernt. So, wollen wir mal sehen.“

Er hielt den Bildschirm so, dass Sherlock sehen konnte, wie er die Kamera bediente. Sie zoomte zum Zimmer ganz rechts im ersten Stock. Ein paar Sekunden brauchte das Bild um scharf zu werden, doch dann erkannte er die Umrisse eines Menschen.

Eine Gestalt lag in einem Bett, auf der Seite, der Haltung nach schlafend und den Bauch weit vor gewölbt.

„Wie meinen Sie wird Dr. Watson reagieren, wenn er nach Hause kommt und seine geliebte schwangere Frau erschossen in seinem Bett vorfindet?“, fragte Moran leise. „Das Bett in dem sie zusammen schlafen, miteinander schlafen, wahrscheinlich sogar das niedliche kleine Baby gezeugt haben. Was denken Sie?“

„Lassen Sie Mary daraus!“, zischte Sherlock. „Sie hat überhaupt nichts mit dieser Sache hier zu tun. Sie ist nicht auf dem Spielfeld.“

„Oh, aber sie gehört zu einer Figur.“, sagte Moran. „Sie ist ein Teil von Ihrem König. Sie ist ein Teil von Dr. Watson. Und um Sie zu vernichten, Sherlock, muss ich zuerst die anderen vernichten. Das wissen Sie ganz genau.“

Er ließ Sherlock zusehen, wie er das Visier auf Marys Kopf richtete, während Zahlen auf der Bedienung ihm Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit und Temperatur anzeigten.

„Ich werde erst Mary erschießen. Dann Mrs Hudson. Dann Lestrade.“ Er machte nach jedem Namen eine Pause, brachte Sherlocks Herz dazu schneller zu schlagen und die Wut in seinem Innern zu schüren. „Und danach John Watson. Ich vernichte Ihre Freunde, bis niemand mehr für Sie da ist, bis Sie nichts mehr auf der Welt haben. Ich zerstöre John Watson langsam und quälend, indem ich seine Frau und sein Kind töte. Wenn ich John Watson vernichtet habe und er tot ist, dann habe ich Sie vernichtet. Und wenn Sie vernichtet sind, Sherlock, dann werden Sie mich anflehen Ihnen endlich das Licht auszupusten, damit Sie aus dieser trostlosen und öden und immerzu langweiligen Welt entfliehen können.“

Sein Zeigefinger schwebte über den schwarzen Knopf in der Mitte der Bedienung.

„Wie hört sich das für Sie an?“

Er drückte den Knopf. Ein Pfeifen ertönte in der Luft, so als würde etwas Scharfes und Schnelles die Luft zerschneiden. Sherlock wirbelte herum, als er das Klirren gegenüber des Hauses hörte und sah, wie die Fensterscheibe zersprang.

Kaltes Entsetzten machte sich in ihm breit, als Moran lachte und triumphierend auf sein erwischtes Ziel auf der Wärmebildkamera schaute. Die menschliche Gestalt mit dem dicken Bauch rührte sich nicht einen Zentimeter, nachdem sie heftig durch die heftige Erschütterung geschüttelt worden war.

Er hatte Mary getötet! Moran hatte Mary getötet!
 

„Ich glaube“, sagte Moran ein paar Sekunden später in denen er nur entsetzt auf die zerbrochene Scheibe in Johns Wohnung sah. „ich muss meinen Plan ein wenig ändern. Höre ich da den lieben, netten Inspector?“

In der Ferne hörte Sherlock Autotüren zuknallen und Lestrade Befehle bellen hören. Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren. Was sollte er machen? Was sollte er verflucht noch mal machen?

„Wissen Sie, eigentlich könnte ich es genauso gut in umgekehrter Reihenfolge machen.“ Moran legte die Fernbedienung beiseite und steckte sie in seine Tasche zurück, ehe er den Reißverschluss zuzog. „Egal in welcher Reihenfolge ich Ihre Freunde töte, das Resultat ist das gleiche.“

„Sie haben extra Johns Anruf entgegengenommen, damit sie mich finden.“, flüsterte Sherlock.

„Natürlich habe ich das getan. Ich bin kein Idiot. Ene mene miste, meinen Sie nicht auch?“, Moran stand auf und nahm seine Pistole in die Hand. „Egal wie es abläuft, am Ende sind alle weg. Wer soll es sein? Der Detective Inspector? Vielleicht schneit sogar Mrs Hudson rein? Oder Ihr Bruder, der es nicht geschafft hat mich in seinem ach so tollen Sicherheitsgefängnis festzuhalten. Oder noch besser …“

Schritte ertönten auf der Treppe, allerdings nicht hoch zu Ihnen durch den Hintereingang. Sie nahmen den Vordereingang. Sherlocks Blick huschte durch den Raum, suchte die zweite Tür. Sie befand sich direkt vor dem Pool ein Stockwerk tiefer, ihnen beiden schräg gegenüber. Angestrengt lauschte er und versuchte die Schritte zu erkennen.

Er hörte klackernde Stöckelschuhe: Donovan.

Energische und herrische Schritte: Lestrade.

Unzählige leise Sohlen von Polizisten in voller Montur.

Und ganz vorne diesen leichten, schnellen Gang, der kaum ein Geräusch verursacht, der dem Schleichen einer Katze glich …

Moran grinste, hob die Pistole und richtete sie auf die Tür, als diese mit einem lauten Krachen aufsprang. Sherlock sprang vor.

„NEIN!!!“

Moran schoss.
 

John sprang aus Lestrades Wagen gerade als die Fensterscheibe in seinem Schlafzimmer zersprang. Lestrade bellte Befehle und für einen kurzen Moment betete John.

Betete, dass Mycrofts Männer es noch rechtzeitig geschafft hatten die Dummy-Puppe mit Marys Figur in seinem Bett zu platzieren und Mary aus dem Haus zu schaffen, ehe etwas passiert war.

Sein Handy vibrierte in seiner Tasche und er hob ab. „Ist sie in Sicherheit?“

„Wir haben sie zwei Minuten vor dem Schuss aus dem Haus geholt.“, sagte Mycroft am anderen Ende. „Sie ist hier bei mir?“

Tatsächlich hörte er Mary verwirrt im Hintergrund reden. Johns Herz wurde leichter und er atmete tief aus. „Danke, Mycroft.“

„Finde Sherlock, John!“

Er legte auf und zog die Pistole hervor, die Lestrade ihm heimlich zugesteckt hatte. Er hoffte inständig, dass er sie nicht gebrauchen musste. Zusammen mit Lestrade an seiner Seite ging er durch den Vordereingang, Donovan und die anderen Polizisten knapp hinter ihnen. Dunkel erinnerte er sich daran, dass der Besitzer dieses Hauses gestern erschossen worden war. Irgendwo in der Innenstadt. Es stand also leer.

Sie liefen eine Treppe hoch, bis sie zu einer Tür kamen. John und Lestrade warteten bis die zwei Polizisten vor ihnen stumm bis Drei zählten und dann die Tür aufbrachen. Lestrade und John stürmten vor und für zwei Sekunden huschten Johns Augen über die Szene, ehe er zu dem Tag zurück katapultiert wurde, an dem er mit hatte ansehen müssen, wie Sherlock sich von einem zwanzig Meter hohen Dach stürzte.

Sie befanden sich in einem Poolhaus, das Wasser leuchtete Blau. Eine Terrasse befand sich drei Meter über dem Pool, von Glasscheiben umzäunt. Auf dieser Terrasse standen ein Mann und Sherlock. Der Mann grinste, hob eine Pistole … und richtete sie genau auf ihn.

Sherlock sprang vor, breitete die Arme aus und schrie: „NEIN!!!“

Der Schuss knallte laut und echohaft durch den gefliesten Raum. Johns Herz setzte auf, als er Sherlock zusammenzucken und nach hinten taumeln sah. Auf die gläserne Umzäunung zu.
 

Sherlock stand auf dem Dach. Wieso stand er auf dem Dach?
 

Wie von selbst hob John die Hand mit der Pistole, zielte und schoss. Er traf den Mann an der linken Schulter, ein Schrei war zu hören, dann kippte er hinten über. Sherlock blieb für einen Moment reglos stehen, dann kippte er nach hinten, stieß mit den Beinen gegen das Glas und fiel.
 

Er fiel.

Ließ sich fallen.

In die Tiefe.

Auf den Bürgersteig zu.

Unaufhörlich, hilflos, fallend …
 

Das Klatschen, als der Körper auf dem blauen Wasser aufschlug, hallte wie der Schuss durch den ganzen Raum.
 

Das Brechen von Knochen schallte über die Straße.
 

John ließ die Pistole fallen und lief auf das Wasser zu. Er hörte nicht wie Lestrade schrie, wie die Polizisten durch den Raum rannten. Die Welt bestand aus einem einzigen Lauten Klingeln und einem Gedanken.

Sherlock, Sherlock, Sherlock …

John sprang in den Pool, das Wasser schlug über ihm zusammen. Er achtete nicht auf das Brennen in seinen Augen und die Schwere seiner Kleidung. Mit kräftigen Zügen schwamm er zu der Gestalt am Grund des Pools, die sich nicht rührte und von roten Schleiern umgeben war.

Er musste zu ihm, er musste zu Sherlock, er musste zu ihm, musste ihm helfen.
 

„Lassen Sie mich durch. Bitte, lassen Sie mich durch. Nein, er ist mein Freund. Er ist mein Freund, bitte, lassen Sie mich durch, bitte!“
 

John packte Sherlock am Mantelkragen und schwamm mit ihm wieder an die Oberfläche. Prustend holte er Luft, hielt Sherlocks Kopf über Wasser und schwamm so schnell es ging zum Rand des Pools. Lestrade wartete auf ihn und zog Sherlock aus dem Wasser, ehe John sich selbst am Rand hochzog und tropfend und bibbernd ins Trockene kam. Grob stieß er Lestrade beiseite und kniete sich neben seinen besten Freund.

Blut breitete sich in roten Streifen über die Fließen aus.
 

Der ganze Bürgersteig war mit Blut gepflastert.
 

Hektisch riss er Sherlocks Mantel und Hemd auf und legte seine Brust frei. Die Schusswunde war auf der rechten Seite auf Höhe des Herzens. Sherlocks Brust senkte sich unregelmäßig unter heftigen Atemzügen. Nur die linke Seite des Brustkorbs hob sich, die rechte nicht.

Traumatischer Pneumothorax des rechten Lungenflügels. Verletzter Lungenflügel, Luft gelangt in den Pleurasphalt und verhindert die Ausdehnung des Lungenflügels.

Behandlung mithilfe einer Thoraxdrainage, damit die Luft im Zwischenraum abgesaugt werden und der Lungenflügel sich wieder ausdehnen konnte.

Doch nichts, nichts, stand ihm hier zur Verfügung, um das bewerkstelligen zu können.

John drückte auf die Wunde, um die Blutung zu stoppen. Dabei bemerkte er, dass Sherlock ihn ansah. Blaue, glasige Augen starrten zu ihm hoch, während er versuchte genügend Luft zu bekommen. In ihnen lag ein Flehen, Schreck und Entschuldigung.

„Sherlock, es wird alles wieder gut.“, sagte John. „Es wird alles wieder in Ordnung, du musst nur auf den Notarzt warten und dann wird alles wieder okay. Das ist nichts, es ist alles...“

Sherlock lächelte und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. John zuckte zusammen, als ein leises Gurgeln aus seiner Kehle kam. Kein Wort kam über seine Lippen. Sein Körper wand sich auf dem Boden, während sich seine Brust unregelmäßig hob und sank.

„Sherlock?“, flüsterte er.

Wieder ein Gurgeln und dann …

Hellrotes und schaumiges Blut floss an Sherlocks Mundwinkel herab. Er hustete verkrampft und drehte verzweifelt den Kopf.

„Nein!“ John ließ von der Wunde ab und zog Sherlock auf seinen Schoss, stütze seinen Nacken. „Gott, nein! Bitte nicht!“
 

„Gott, nein … Gott, nein …“
 

John wischte Sherlock mit zitternden Fingern das Blut aus dem Mundwinkel und der Nase, wiegte ihn hin und her. „Sherlock, tue das nicht. Bitte nicht, nicht noch einmal. Bitte!“

Sherlocks Lippen verzogen sich wieder zu einem Lächeln und er hob eine Hand. Eine geschlossene Hand.

„Jo-hn … “

Sie hielt etwas fest. Sherlock legte ihm etwas auf die Handinnenfläche.

„ … Jo-hn …“

Es war eine Schachfigur. Ein weißer König. Rotes Blut perlte an der glatten Oberfläche ab, als John sie entgegen nahm.

„ … Kön- … ig …“, flüsterte Sherlock.

„Sherlock …“

„ … du … Kön- … ig …“ Seine Augen schlossen sich halb.

Johns Verzweiflung wuchs mit jeder Sekunde. „Sherlock, du musst wach bleiben, hörst du? Nicht einschlafen! Schlaf nicht ein! Bleib wach!“

Doch Sherlock lächelte nur. Seine gemurmelten Worte gingen in furchtbaren Geräuschen unter, die aus seiner Kehle kamen. Sein Körper verkrampfte sich immer mehr, doch John hielt ihn fest. Er war bei ihm, er war für ihn da. Sherlock würde nicht sterben.

„Du wirst nicht sterben.“, zischte John wütend. Heiße Tränen traten in seine Augen. „Das kannst du nicht machen. Du hast es mir versprochen. Sherlock, du hast es mir versprochen!“

Er fuhr mit einer Hand über Sherlocks Gesicht, wischte das Blut ab, versuchte durch Berührung ihn bei Bewusstsein zu halten. Sherlocks blaue Augen leuchteten zusammen mit dem reflektierenden Blau des Poolwasser, während Wasser aus seinen Haaren und Blut aus seiner Brust und seinem Mund floss.

John schüttelte den Kopf und strich ihm über die nassen Haare. „Sherlock, nein!“

Sherlcoks blaue Iris verschwand hinter violetten Lidern, sein Kopf rollte schlaff in seinem Arm hin und her, als John ihn schüttelte.

Sherlock wachte nicht auf.

Sherlock war weg …

Sherlock … war … weg …

John kauerte sich über seinen besten Freund zusammen, drückte ihn an seine Brust und wiegte ihn hin und her, während ihm die Tränen über das Gesicht liefen.

Über ihm hörte er jemanden lachen. „Wie es aussieht, haben Sie Ihre Dame verloren, Dr. Watson.“

The King

The King
 


 

DI Greg Lestrade hätte am frühen Morgen nie gedacht, dass der Tag so verlaufen würde. Aber das hatte er an den anderen Tagen, die vergangen waren und an denen Schreckliches passiert war, auch nicht gedacht.

Er hätte vor über drei Jahren nie gedacht, dass der Tag kommen würde, an dem Sherlock Holmes Selbstmord beging. Er hätte vor knapp einem Jahr nie gedacht, dass der Tag kommen würde, an dem der tot geglaubte Sherlock plötzlich wieder sehr lebendig in seinem Büro stand.

Und heute morgen hätte er nie gedacht, dass er dem brillantesten Mann, den er auf der Welt kannte, beim Sterben zusehen würde.

Er war wie gelähmt, als er Sherlock aufs Wasser aufschlagen sah. Das laute Platschen auf die Wasseroberfläche rüttelte ihn wieder wach und er schrie Befehle, schickte Donovan hoch auf die Terrasse, um den Schützen in Gewahrsam zu nehmen, der auf Sherlock geschossen und den John mit einem gezielten Schuss außer Gefecht gesetzt hatte. Ein weiteres Platschen war zu hören, er drehte den Kopf und sah Johns Silhouette unter Wasser zügig auf Sherlock zu schwimmen.

Lestrade eilte an den Beckenrand, der den beiden am nächsten war und wartete ungeduldig auf John, während er gleichzeitig mit seinem Handy den Notruf wählte. Sherlocks Körper zog rote Spuren hinter sich her, Lestrade musste heftig schlucken. Er langte vor, bevor John es aus dem Pool schaffte, und zog die schlaksige Gestalt des Detektivs aus dem Wasser. Das Handy ließ er dabei fallen. Dann taumelte er nach hinten, als John ihn heftig beiseite stieß und Sherlock die Kleidung von der Brust riss.

Lestrade spürte, wie ihm schlecht wurde, als er die Schusswunde in der Brust sah, wie das Blut sich auf den weißen Fließen ausbreitete und wie unnatürlich sich Sherlocks Brust bewegte. John war kreideweiß, war aber zu Lestrades grenzenloser Verwunderung komplett in den Doktormodus umgesprungen. Wie eine Maschine, bei der man einen Schalter umgelegt hatte.

Erst da bemerkte er, dass aus seinem fallen gelassenen Handy eine weibliche Stimme kam.

„Notruf, was kann ich für Sie tun? Hallo, sind Sie da? Antworten Sie bitte.“

Er nahm das Handy wieder auf und riss sich zusammen. „Hallo, hier DI Greg Lestrade. Jemand wurde aus kürzester Entfernung in die Brust geschossen. Wir befinden uns...“

Er nannte gerade die Adresse, als er hörte, was John vor sich hinmurmelte.

„Traumatischer Pneumothorax des rechten Lungenflügels. Thoraxdrainage … Thoraxdrainage … “

„Wie steht es um das Opfer?“, fragte die Frau am anderen Ende. „Ist es bei Bewusstsein? Was können Sie …“

Das Opfer … Sherlock …

Hektisch wiederholte Lestrade die Worte, die John sagte und hoffte, dass es etwas brachte. Dass die Sanitäter direkt wussten, was zu tun war, wenn sie hier ankämen.

John fing an mit Sherlock zu sprechen und versuchte die Blutung zu stoppen, redete ihm zu. Sowohl er und Lestrade zuckten heftig zusammen, als aus Sherlocks Kehle ein plötzliches Gurgeln kam und Lestrade stieß entsetzt die Luft durch die Zähne aus, als anfing Blut aus Sherlocks Mund und der Nase zu laufen. Und als John aus seinem Doktormodus fiel, Sherlock auf seine Beine zog und anfing zu flehen, wusste er, dass das gar nicht gut war.

„Beeilen Sie sich!“, schrie Lestrade fast ins Telefon und schmiss es weg.

Er kniete sich neben Sherlocks andere Seite und sah verwirrt zu, wie er John eine Schachfigur in seiner zeigte und dabei etwas sagte, was er nicht verstand. John wurde zunehmendes verzweifelt, seine Stimme bekam einen belegten Ton, seine Augen waren weit aufgerissen. „Sherlock, du musst wach bleiben, hörst du? Nicht einschlafen! Schlaf nicht ein! Bleib wach!“

Das eigenartige Lächeln auf Sherlocks blutigen Lippen verpasste Lestrade einen kalten Schauer und er fuhr sich mit einer Hand zitternd über das Kinn. Wo blieb der verdammte Krankenwagen?

Ob es Sherlocks Lächeln war oder etwas anders, Johns Gesicht bekam einen wütenden Ausdruck und Tränen traten in seine Augen. „Du wirst nicht sterben. Das kannst du nicht machen. Du hast es mir versprochen. Sherlock, du hast es mir versprochen!“

Das Lächeln – ein so sanftes und freundliches Lächeln hatte er bei Sherlock noch nie gesehen – verschwand nicht. Dann schloss Sherlock die Augen und rührte sich nicht mehr.

Lestrades Herz krampfte sich zusammen, als er zusah, wie John ihn schüttelte und Sherlocks Kopf nur leblos hin und her rollte.

„Gott, bitte nicht.“, flüsterte er.

John erstarrte, als er merkte, dass keiner seiner Berührungen und keines seiner Worte Sherlock dazu brachte wieder die Augen zu öffnen. Sein Oberkörper kauerte sich über Sherlock zusammen. Lestrade wandte den Kopf ab, als er die Tränen über Johns Gesicht auf Sherlocks weiße Haut fallen sah. Der ehemalige Soldat wiegte seinen besten Freund langsam vor und zurück, während er weinte.

Und dann hörte er das Lachen. Ein Kichern, welches im gleichen Moment ertönte, wie das Martinshorn eines Krankenwagens. „Wie es aussieht, haben Sie Ihre Dame verloren, Dr. Watson.“
 

Was eben ein Schalter in John umgelegt worden, der ihn zum Arzt hatte springen lassen, so wurde jetzt ein anderer Schalter in seinem Innern umgelegt. John erstarrte, öffnete die Augen und sah fünf endlos lange Sekunden auf den leblosen Sherlock herab. Dann legte er Sherlock unsagbar vorsichtig flach auf den Boden und stand auf. Perplex sah Lestrade ihm hinterher.

Aber nur so lange, bis Johns seine fallen gelassene Pistole vom Poolrand aufhob.

„John!“

Die Sanitäter platzen in den Raum und Lestrade winkte hektisch, während er gehetzt zusah, wie John die Treppe zur Terrasse nahm. Kaum knieten sich die Sanitäter neben Sherlock, sprang Lestrade auf und rannte hinter John her, dabei versucht nicht auf dem nassen Boden auszurutschen.

Er hatte gerade die letzte Treppenstufe erreicht, als er John vor dem Schützen, der auf dem Boden kniete, von Donovan Handschellen angelegt bekommen hatte und von drei Polizisten flankiert wurde, stehen blieb und seine Pistole auf dessen Kopf richtete.

„John, nein!“, schrie er.

Noch nie hatte er John so kalt gesehen, so wütend und gleichzeitig so beherrscht. Donovan wurde bleich unter der braunen Haut, als sie ihn sah und richtete ihre Waffe auf ihn. „Dr. Watson, lassen Sie die Waffe fallen!“

Vier Pistolen waren auf John gerichtet – die drei anderen Polizisten taten es Donovan nach. John schien das allerdings nicht zu bemerken. Seine Hand war vollkommen ruhig, sein Gesicht war in einer Maske aus Wut und Trauer erstarrt. Die Tränenspuren auf seinen Wangen glitzerten im Sonnenlicht, während er die Pistole entsicherte.

Der Schütze – John hatte ihn Moran genannt – lachte hämisch, während Blut aus seiner Schulter floss. „Tun Sie es! Los, erschießen Sie mich!“

„John, mach das nicht.“, sagte Lestrade beschwörend.

„Dr. Watson, die Waffe runter!“, befahl Donovan scharf.

„Donovan, halten Sie die Klappe!“ Lestrade funkelte sie an und wartete nicht auf ihre perplexe Reaktion. Vorsichtig trat er einen Schritt auf John zu. „John, tu das nicht. Du weißt, dass das falsch ist.“

„Oh, es geht hier nicht um richtig oder falsch.“, sagte Moran und sah John dabei in die Augen, obwohl er seine Worte an Lestrade richtete. „Es geht hier um Rache, einzig allein um Rache. Um das Gefühl von Gerechtigkeit und Genugtuung. Etwas, was er nur bekommen kann, wenn er mich erschießt.“

„John, bitte nicht! Er ist es nicht wert.“

„Los, erschießen Sie mich, Dr. Watson. Sie wollen es doch. Tun Sie es! Denn wenn Sie es jetzt nicht tun, dann komme ich wieder. Ich komme wieder und werde sie alle holen. Ich werde sie alle erschießen, bis keiner mehr von ihnen übrig ist.“

Johns Finger schlossen sich fester um die Pistole, Wasser tropfte aus seinen Haaren und seiner Kleidung und sammelte sich in kleinen Pfützen unter ihm. Lestrade schluckte schwer und machte noch einen Schritt. „John, er ist es nicht wert. Geh zu Sherlock zurück, er braucht dich.“

Bei Sherlocks Namen zuckte John zusammen und drehte leicht den Kopf. Sein wutverhangener Blick streifte Lestrades.

„Er braucht dich.“, wiederholte er. „John, überlasse Moran uns und geh zurück zu Sherlock.“

„Sherlock ist tot.“, zischte Moran. „Er kann nicht wieder zurück. Holmes ist nicht mehr und das weiß Dr. Watson ganz genau. Und er weiß auch, dass es nicht eher vorbei sein wird, bevor ich nicht tot bin.“

Johns Gesicht verzerrte sich und er sah wieder Moran an. Der lachte ihm ins Gesicht. „Na los, drücken Sie ab! Machen Sie schon! Seien Sie der Mann von dem ich so viel im Krieg gehört und in der Zeitung gelesen habe. John Watson, der Held, der so viele Leute vor dem Tod gerettet hat. John Watson, der aus 40 Metern einen Mann durch einen Kopfschuss mit einer Pistole erschießen konnte. Kommen Sie, Watson. Seien Sie ein Mann! Seien Sie wie ich!“

„John!“

„Na los, Dr. Watson!“

„Tu es nicht.“

„Kommen Sie schon!“

„Nein!““

„NA LOS!!!“
 

Die Hand, die sich auf Johns Pistole legte, hatte keiner von ihnen kommen sehen. John, Lestrade und Moran zuckten zusammen, John hob den Blick. Mycroft Holmes drückte bestimmt die Waffe Richtung Boden. „John, willst du so sein wie er? Willst du das? Willst du das tun, was er von dir verlangt?“

John öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton hervor. Er starrte Mycroft nur an. Zum ersten Mal sah Lestrade Sherlocks großen Bruder in seiner vollen Autorität, doch mit dem Mitgefühl und der Angst um seinen Bruder in den Augen. „Du bist nicht wie er, John. Du bist Soldat, doch in erster Linie Arzt. Und Ärzte töten nicht.“

Tatsächlich lockerte sich Johns Griff um die Waffe und Mycroft nahm sie ihm ab. Bestimmt legte Mycroft ihm eine Hand auf die Schulter und drückte ihn zurück zur Treppe. „Fahr ins Krankenhaus. Sofort!“

Mycroft warf Lestrade einen Blick zu und der verstand sofort. Als John zu ihm kam, leitete er ihn die Treppe runter. Mit jeder Stufe, die John hinab stieg, wurde er schneller und als er am Ende der Treppe war, lief er aus dem Haus. Lestrade hörte jedoch noch, was Mycroft zu Moran sagte.

„Sie werden nie mehr wieder die Gelegenheit bekommen meinen Bruder oder seine Freunde zu bedrohen.“

„Sie wissen, dass Sie mich nicht ewig festhalten können.“

„Oh doch, dafür werde ich sorgen. Verabschieden Sie sich schon mal von der Sonne, Mr. Moran.“

„Warum?“ Der Hohn war nicht zu überhören. „Wollen Sie mir etwa das Licht auspusten?“

„Nein. Ich werde lediglich dafür sorgen, dass Sie in Ihrem ganzen Leben nie mehr wieder Tageslicht zu Gesicht bekommen werden.“

Lestrade lief es kalt den Rücken runter und er rannte aus dem Gebäude, um mit John ins Krankenhaus zu fahren.
 

Sechs Stunden später saß John Watson in Ersatzklamotten und als einziger in Sherlocks Krankenzimmer. Vor sechs Stunden war er zusammen mit Lestrade ins Krankenhaus gestürmt und hatte den Flur vor dem OP-Saal belagert. Vor fünf Stunden war Mary zu ihm gekommen, hochschwanger aber wohlauf, wenn auch vollkommen verwirrt. Sie hatte John neue Sachen mitgebracht und sich neben ihm gesetzt, ihn getröstet und im Arm gehalten. Lestrade war nach vier Stunden gegangen, hatte John vorher noch auf die Schulter geklopft und ihm gesagt, dass er am nächsten Tag wieder vorbei schauen würde. Mary war zusammen mit ihm geblieben und hatte darauf gewartet, dass Sherlock aus dem OP kam. Als es soweit gewesen war und die Ärzte ihnen den Besuch gewährten, hatte sich zum ersten Mal nach Stunden wieder etwas in John geregt. Mit schweren Herzen war er zusammen mit Mary in Sherlocks Zimmer gegangen und hatten sich neben sein Bett gesetzt. Allerdings hatte John Mary nach einer Stunde nach Hause geschickt, damit sie sich ausruhen und sich und das Baby schonen konnte.

Jetzt war er allein. Mit Sherlock.

John erwischte sich dabei, dass er ihm nichts in Gesicht sah. Er sah überall hin, nur nicht in Sherlocks Gesicht. Aus Angst wieder das Bild vor Augen zu haben, welches sich vor drei Jahren in seinen Kopf verankert hatte. Sein Gesicht, blutüberströmt, die blauen Augen leer in die Ferne gerichtet, die lockigen Haare, die sich beim Umdrehen des Körpers wie Kleber von dem blutigen Asphalt lösten.

Diese Bilder vermischten sich mit den Ereignissen von heute. John wusste nicht, was schlimmer gewesen war. Sein Freund vermeidlich tot auf dem Bürgersteig liegen zu sehen oder ihn im Arm zu halten, während er nicht genügend Luft bekam und er nicht die Materialien hatte, um Sherlock zu retten.

John fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht und bedeckte seine Augen. Er war so unendlich müde und erschöpft, und das meinte er nicht körperlich. Innerhalb weniger Sekunden war er in eines seiner größten Traumata zurückgeschleudert worden.

Und er wusste nicht, ob er das noch einmal ertragen konnte.
 

Es war der Moment, wo das Bettlaken raschelte, der John dazu brachte die Hand zu senken und wieder auf das Bett zu sehen. Sherlocks Beine bewegten sich unter der Decke und John hörte ein Rascheln auf dem Kopfkissen. Dennoch hob er nicht den Blick zum Kopfende.

Obwohl Sherlock nichts sagte, so wusste John doch, dass er wach war. Das vertraute Gefühl von durchdringenden Augen, die auf ihn gerichtet waren, hatte ihn über Jahre hinweg verfolgt.

„Du …“ Seine Stimme war heiser und er musste sich räuspern. „Du hast im Krankenwagen angefangen zu flimmern. Die Sanitäter und die Ärzte haben mir alles berichtet.“

John beobachtete die feingliedrige Hand auf dem Bettrand, während er redete.

„Sie haben dich im Krankenwagen geschockt und dann in den OP gebracht. Dort ist es wieder passiert und dein Herz hat ausgesetzt. Für 30 Sekunden.“

Die Hand ballte sich zur Faust.

„Sie haben die Kugel entfernt und dich wieder zusammengeflickt. Du kommst wieder in Ordnung, in zwei Wochen kannst du wieder nach Hause.“

John hielt inne und schloss die Augen. Es brauchte eine ganze Weile, bevor er endlich das sagte, was ihm die ganze Zeit auf der Zunge lag und ihn die Brust zusammenschnürte.

„Für 30 Sekunden hat dein Herz aufgehört zu schlagen, Sherlock. 30 Sekunden. 30 Sekunden warst du tot.“ Er schluckte schwer und brachte es dann endlich raus. „Ich kann das nicht mehr.“

Sherlocks Hand zuckte.

„Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Drei Jahre hielt ich dich für tot, nachdem du mich hast zusehen lassen, wie du von einem Dach gesprungen bist. Drei Jahre später tauchst du plötzlich wieder auf, baust deine eigene Welt um dich herum wieder beinahe so auf, wie sie früher war. Ich habe angefangen zu akzeptieren, dass die ganze Geschichte mit Moriarty endlich vorbei ist, dass keine Gefahr mehr hinter jeder verfluchten Ecke lauert. Gerade als ich mich wieder daran gewöhnt hatte, dass ich dich sehen, berühren und mit dir sprechen konnte – dass du endlich wieder da bist – bist du auf einmal weg. Einfach weg. Und nicht nur das.“

John meinte beinahe die zitternden Finger auf seiner Haut zu spüren.

„Du bist weg – 30 verfluchte Sekunden lang tot – weil du dich jemanden in den Weg gestellt hast, der eigentlich hatte mich umbringen wollen. Ich hätte derjenige mit der Kugel im Körper sein sollen, nicht du. Ich habe es gerade wieder geschafft ein richtiges Leben zu leben. Und dann machst du so etwas. Weißt du wie viele Soldaten ich in Afghanistan habe sterben sehen, weil sie jemanden haben beschützen wollen? Ich wäre damals fast gestorben, weil ich jemanden hatte beschützen und retten wollen. Von Soldaten wundert es einen in der Welt am wenigstens, wenn sie einen Opfertod sterben.“

John holte zitternd Luft und biss sich auf die Unterlippe. „Bei Sherlock Holmes schon.“

Die Entfernung zwischen dem Bett und seinem Stuhl betrug ungefähr einen halben Meter. Und doch schien es so, als wäre eine Kluft zwischen ihnen. Eine Kluft, die John es nicht schaffte zu überwinden.

„Ich weiß nicht, ob ich das kann, Sherlock.“, flüsterte er. „Ich weiß nicht, ob ich mein Leben so um dich herum aufbauen kann, darauf vertrauen kann, dass du wieder da bist und lebst, nur damit du plötzlich und ohne jede Vorahnung von jemanden erschossen wirst, der mich hatte töten wollen. Ich kann das nicht ertragen.“

Und endlich, endlich hob er den Kopf und sah Sherlock ins Gesicht. „Ich kann es nicht ertragen, dich sterben zu sehen, wenn ich weiß, dass es meine Schuld ist.“

Sherlocks Gesichtsfarbe konkurrierte mit der des Lakens. Seine Augen waren eigenartig rot und er schluckte schwer, die Lippen hatte er fest zusammengepresst. Er hob den linken Arm und streckte ihn langsam nach John aus, legte seine Hand auf sein Knie ab. So leicht, dass John die Berührung der Haut nur erahnen konnte, als dass er sie wirklich spürte.

„Warum?“, fragte John. „Warum hast du das getan, Sherlock?“

Eine Weile war es still in der John auf eine Antwort wartete. So lange, dass er bezweifelte, dass eine kam.

Doch er bekam seine Antwort.

„Freunde beschützen einander.“

Die Tränen liefen ihm erneut über die Wangen, ohne, dass er es richtig merkte. Wütend über sich selbst wischte er sie mit einem Ärmel weg und legte eine freie Hand auf Sherlocks, griffen um die Finger und umschlossen sie.

„Ich bin müde, Sherlock.“, sagte er mit bebender Stimme. „Ich bin das alles so leid.“

Er überwandt die Lücke zwischen ihnen und schob seinen Stuhl so nahe ans Bett, wie es ging, Sherlocks Hand ließ er dabei nicht los. Erschöpft stütze er den Ellbogen auf dem Bett ab und wischte sich wieder über das Gesicht.

„Es wird nie aufhören, nicht wahr?“ Er sah ihn an. Sherlock sah so furchtbar fragil in diesem Bett aus. „Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass dir nichts mehr passieren wird, oder?“

Langsam schüttelte Sherlock den Kopf.

John nickte. „Kannst du mir dann wenigstens eins versprechen? Pass gefälligst auf dich auf. Komm zu mir, wenn es zu gefährlich wird. Hör auf damit dich andauernd so vor Leuten zu verschließen, dass ihre Welt aus den Fugen geschmissen wird, wenn dir etwas passiert. Und vor allem, Sherlock, und das meine ich wirklich ernst und wenn du es nicht einhältst, dann werde ich das nächste Mal aus deinem Krankenzimmer spazieren und nie mehr wieder zurückkommen: Riskiere nie, nie, nie, nie, nie, niemals wieder dein Leben für mich, um meines zu retten.“

Sherlocks Mundwinkel zuckten halb in die Höhe, ehe er die Augen schloss. Seine Finger drückten leicht gegen seine Hand. Aber ein Ja bekam er nicht.

Und tief in seinem Innern hatte John auch keines erwartet.

Erschöpft legte er den Kopf auf seinen Arm ab und drückte seine Wange in das weiße Laken unter ihm, Sherlocks Hand immer noch in seiner haltend. Es dauerte nicht lange, bis er und Sherlock wieder eingeschlafen waren.
 

Mary fand die beiden am nächsten Morgen in der gleichen Position vor, wie sie eingeschlafen waren. John mit dem Oberkörper auf dem Bett, den Kopf auf seinen Arm gestützt. Sherlock ausgestreckt und bleich im Bett, den Kopf der linken Seite seines Bettes und somit John zugewandt.

Und ihre Hände umschlossen immer noch einander.

So wie sie es immer tun würden.
 


 


 

so, das wars ^^

ich hoffe, es hat euch gefallen ^^

lg

C



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Von: Puria
2013-02-14T22:53:53+00:00 14.02.2013 23:53
Hey,

wirklich eine Schande, dass die Story nur so wenig Kommentare hat. Sie ist wirklich gut geworden und hat mich die vier Kapitel lang gepackt gehabt. Zudem hast du im Großen und Ganzen die Charaktere sehr gelungen getroffen. Für mich hat bei Sherlock noch ein Ticken gefehlt (was nur ein Kleinigkeiten, wie manche Wortwahl lag), doch ist das ja auch wieder etwas Geschmackssache. Insgesamt fand ich das aufgegriffene Thema des Schachspiels wirklich wunderbar und ich finde, die Stelle, in der Moran Sherlock aufford Johns richige Figur zu wählen, hat ein absolutes Gänsehaupotential! Als Sherlock zuerst den Springer ergreift, hab selbst ich innerlich nur denken können: Oh, Sherlock. Der Springer ist es nicht. Dafür ein wahnsinnig fettes Lob!

Ja, abschließend kann ich nur sagen, dass mir deine Darstellung der innigen Freundschaft der beiden wirklich gut gefällt!
Damit würd ich sagen: Verdientes YUAL!

Greetings
Puria
Von:  toru-san
2012-09-12T19:45:07+00:00 12.09.2012 21:45
Wow. Die ist echt gut. Und so spannend, und dann so traurig. Ich hab bei dem Ende fast geheult, so viel Mitgefühl erzeugst du beim Leser. *schnief*
Von:  Sarinia
2012-07-04T12:26:45+00:00 04.07.2012 14:26
Ich kann mich Lonely_Guy_TW nur anschließen, böse Leser. Nein im Ernst, die FF ist wirklich großartig geschreiben, die Assoiation mit den Akteuren zu den Schachfiguren, war mehr als passend. Auch hast du die Charaktere sehr gut getroffen und Dein Schreibstil war Großartig. Ich kann eigentlich nicht mehr gutes sagen als mein Vorredner/in das schon getan hat.
Ich kann mich nur anschließen mehr wäre schön gewesen.

lg Sarinia
Von: abgemeldet
2012-06-29T11:12:27+00:00 29.06.2012 13:12
O.O Kein Kommi?
*schimpft auf die bösen Leser*
Also echt das ist der Wahnsinn, schade das ich die erst jetzt gefunden habe, die Story ist sehr sehr gut geschrieben, die verschiedenen Sichtwinkel perfekt gemacht, die übergänge so flüssig gestaltet und ich hab nichts zu zu kritisieren(das hab ich sonst immer^^).
Echt Schade das es schon abgeschlossen ist, ein 5. Kapitel hätt ich mir gewünscht als Aufklärung, also wie das mit der Puppe gemacht wurde, wie Mycroft die Suchaktion genau gestaltet hatte und das auch wie Sherlock nach Hause zurückkehrt.
Aber ansonsten sehr sehr gut geschrieben.


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