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Kaltherziger Bösewicht

Loretta wrote a love letter to a stranger
von

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Der Anfang

Es gibt etwas, was ich euch erzählen möchte, doch ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll. Natürlich bin ich nicht die Meisterin der gewählten Worte.

Einerseits könnte ich mich vorstellen, aber ich denke es ist nicht wichtig wer ich bin oder wie ich heiße. Denn das was ich erzählen möchte, geht gar nicht um mich selbst, sondern um einen besonderen Menschen, der mich vor einem großen Fehler abgehalten hatte. Diese Person… ich weiß nicht mehr, wo er wohnt, was er heute macht, doch ich hoffe es geht ihm gut und dass alle Menschen um ihn glücklich sind, wie ich es einst in seiner Nähe gewesen war.
 

Aber bevor ich die eigentliche Schilderung beginne, erzähle ich doch noch etwas über mich. Damit einige Missverständnisse vermieden werden können.

Mein Vater war an Krebs verstorben, als ich bereits 10 Jahre alt war. Wir wohnten in Japan und meine Mutter und ich hielten uns wacker finanziell über Wasser. Schließlich hatte sie einen Geschäftsmann geheiratet. Ich hatte nicht nur einen Stiefvater, ich bekam auch einen ein Jahr älteren Stiefbruder, mit dem ich mich nicht verstanden hatte. Doch das ist nicht wichtig. Leider musste mein Stiefvater wegen der Firma ins Ausland ziehen und natürlich waren wir gezwungen ebenso unsere Heimat zu verlassen. Doch dies gehört ebenso nicht zur Sache.

Fünf Jahre lang lebten wir in Europa, bis wir entschlossen zurück nach Japan gekehrt waren. Seit diesem Tag hatte sich mein Leben verändert.

Sicherlich habt ihr gehört, dass in Japan Ausländer als „Gaijin“ bezeichnet werden. Dies ist natürlich ein unhöfliches Wort und man sollte es nicht in Gebrauch nehmen. Doch so werden nicht nur Ausländer genannt, auch Japaner, die für einen kurzen Zeitraum außerhalb Japans gelebt hatten. Eine wie ich.

In meiner neuen Schule war ich zur Außenseiterin geworden, mit der niemand etwas zu tun haben wollte. Außerdem war ich die Klassenbeste, Streber wie mich einige nennen würden. So kam es vor, dass ich die Pause allein verbracht hatte oder gar von jedem ignoriert wurde. Wer mit einem Gaijin verkehrte, der gehört ebenso zu den Außenseitern.

Doch ich hatte dies, aus Einsamkeit, zu meinem Vorteil genutzt und meine Mitschüler beobachtet. Während die Meisten jegliche Gerüchte ausdiskutiert hatte, wusste ich schon, ob diese stimmen oder nicht würden. Wer mit wem zusammen war, wer sich getrennt hatte und wer fallen gelassen wurde. Ich war ein Mensch außerhalb der Gesellschaft, ein Geist in der Schule und eine einsame Seele.

Die Begegnung

Doch nun beginne ich mit der eigentlichen Geschichte.

Es fing mit dem Tag, an dem ich ihn zum ersten Mal richtig wahrgenommen hatte.

Es war einer diese Tage, an dem ich wieder einsam und verlassen am Rande des Schulhofes saß.

Die Sonne strahlte, weiße Wölkchen schwebten am Himmel und Vögel zwitscherten. Wie immer hatten sich Menschengruppen gebildet, die lachend und vergnügt die Pause verbracht hatten. Cliquen, wie man sie normalerweise in Europa nennt. Mädchen sprachen über dies und jenes, und Jungs alberten herum, wie es für ihre Art typisch war. Und ich… Ich beobachtete alle, so wie ich es immer tat.

Fast wie Routine. Man könnte mich ruhig als Stalker oder Wachhund bezeichnen, besser als Gaijin. Meine Augen blieben am Schulgebäude hängen.

Mir war ein schwarzhaariger Junge am Eingang aufgefallen, der von einer jubelnden Masse begrüßt worden war. (Versteht mich nicht falsch, ich würde gerne verraten wie er heißt, doch das hätte er nicht gewollt, ich bin mir ziemlich sicher.)

Es war der neue Schülersprecher, der einen Tag zuvor gewählt wurde. Man konnte ihn an seinem rot-goldenem Verband am Oberarm erkennen, welches stets im Licht glänzte. Als ich ihn in diesen Moment sah, wirkte er auf mich wie ein Mensch, der die Kraft dazu hatte, das Leben zu verändern, etwas bewirken zu können, etwas tun zu können. Ja, sein Auftreten wirkte für mich, wie die eines verborgenen Helden. Er schien für mich so besonders und einzigartig zu sein, seine Ausstrahlung hob sich von den anderen hervor. Sein rundes Gesicht strahlte stets diese Fröhlichkeit aus und ein Lächeln umspielte seine Lippen. Ich denke, er war bis zu einem gewissen Zeitpunkt sehr beliebt, jeder begrüßte ihn erfreut und manchen suchten seine Nähe. Auch die Mädchen bemühten sich um seine Aufmerksamkeit, doch ich habe ihn noch nie die Liebe einer Dame erwidern sehen. Vielleicht war er genauso einsam wie ich? Doch … ich hab ihn nie traurig gesehen. Punkt ist: Er war auch wohl der Einzige, der freundlich zu mir gewesen war, auch wenn er mich nicht gekannt hatte oder überhaupt was Positives von mir gehört hatte.
 

Dies war, wie gesagt, meine erste “Begegnung“ mit ihm, obwohl er mich natürlich nicht mal gesehen hatte, wie einige anderen. Es gibt sehr wenig, was ich über ihn weiß. Obwohl er so offen wirkt, stets freundlich und glücklich, gibt es wahrscheinlich niemanden von uns, der genaues etwas über ihn sagen könnte. Wie er sich fühlt, was ihm gerade in diesem Moment durch den Kopf geht... Gut, wir wussten alle, dass er ein begabter Sportler war, doch dies stritt er immer mit einem leichten Lächeln ab. (Wie gesagt, ich hatte seitdem ihn stets beobachtet…)

Von einigen Schülern hatte ich mitbekommen, dass er nicht zu den Spitzenschülern gehört hatte. Er hatte sogar hin und wieder kleine Diskussionen mit den Lehrern gehabt, die ihn für faul hielten. Es war nicht so, dass er dumm war… Vielmehr arrangierte er sich für die Schülerinnen und Schüler. Das zeichnet ihn wohl von den Anderen ab.

Punkt ist, obwohl er schon so ziemlich „berühmt“ gewesen war, kannten wir nicht viel über ihn. Eben nur dieses Oberflächliche. Er hatte außerdem einen Bruder, doch wir, seine Mitschüler, hatten ihn selten mit seinem Bruder gesehen. Sie schienen wirklich gegensätzlich zu sein. Während er mit seinem schwarzen Haar und durchschnittlichen Noten ganz normal ausgesehen hatte, war sein jüngerer Bruder wirklich was Besonderes und untastbar. Sein Bruder hatte im Gegenteil zu ihm silbernweißes Haar und blau-graue Augen. Er war auch der begabstete Schüler der ganzen Schule. Er spielte wunderbar Klavier und war in zahlreichen Nachmittagskursen. Er war stets immer so beschäftigt, dass ich ihn selten auf dem Schulhof gesehen hatte. Eben das Supergenie der Schule – bekannt und beliebt. Das Einzige, was ihn nicht zum Superstar machte, war, dass er genauso geheimnisvoll war, wie sein Bruder, der Schulsprecher.

Aber es ist für mich immer verwunderlich gewesen…Warum er die Schulsprecherwahl gewonnen hatte und nicht sein begabter, silbernweißhaariger Bruder, der viel beliebter war. Daher sind einige Gruppen entstanden, die ihm nicht vertraut und geglaubt hatten, er hätte die Wahl manipuliert. Meiner Meinung nach eine ganz dumme Idee und beinahe wahnsinnig. Ich selbst hatte zwar zuvor seinen Bruder gewählt, weil ich ihn nicht wirklich gekannt hatte, aber ich verurteile ihn nicht sofort. Das ist das Problem vieler Menschen: Sie bilden sich Vorurteile.

Vor der Wahl war er im Gegensatz zu seinem Bruder auch eher einer von den Unsichtbaren, wenn er nicht der Kapitän unser Fußballmannschaft gewesen wäre. Durch ihn gewann unsere Schule vermutlich an Ansehen in der städtischen Liga, da er als Kapitän stets als souverän und motivierend beschrieben wurde, aber er wurde nicht wie ein Superstar, wie sein Bruder, behandelt. Man kannte seinen Namen, flüchtig, aber man kannte nicht die Person. Da war sein Bruder viel bekannter.

Ich glaube die zwei Brüder hatten immer unser Schulleben geprägt und letztendlich am Ende meins.

Ich erinnere mich, eine Woche später nach der Wahl, wurde ich wie immer geärgert. Meine Klassenkameraden hatten sich wieder über mich lustig gemacht. Ja, sie wurden sogar handgreiflich und rissen mir die Bücher aus den Händen, spielten mit mir Katz und Maus und niemand tat etwas dagegen. Ein alltägliches Schultheater, bei dem ich die Hauptrolle spielen durfte: ob ich es wollte oder nicht. Weinend war ich zu Boden gesunken, hörte diese schmerzvollen Worte wie Gaijin und Streberin, dieses spöttische Lachen. Wisst ihr, ich konnte es nicht mehr ertragen, so schmervoll war es gewesen und es gab nie jemanden, an den ich mich wenden konnte. Für Erfolg und Glück mussten man immer etwas einstecken: in meinem Fall die Einsamkeit, die sich durch mein Herz fraß.

Eine einzige Stimme ließ aber wieder Ruhe einkehren, eine mir bekannte Stimme. Diese klang so sanft und beruhigend, warm zugleich. Während ich meine Augen nach oben gerichtet hatte, hatte sich die Person neben mich gekniet und sammelte die zerstreuten Bücher ein. Der Schülersprecher. Ich war ihm noch nie so nah gewesen, weil ich befürchtet hatte, man würde ihn verspotten, wenn er sich mit einer wie mir abgäbe. Wie gesagt… Bist du ein Freund eines Gaijins, bist du auch ein Außenseiter. Doch in diesem Moment fühlte ich mich zum ersten Mal nicht mehr alleine.

Ich spürte diese Wärme, die er ausstrahlte und konnte seinen süßen Duft riechen. Überrascht stellte ich fest, dass er nach Schokolade roch. Das verwirrte mich in diesem Moment so sehr, dass ich alles um mich nicht mehr wahrgenommen hatte. Erst dann konnte ich verstehen, wieso so viele Mädchen sich in ihn verguckt hatten. Doch er war nicht so wie die anderen Jungs, die sich sofort irgendetwas aus so was draus machten.

Tränenverschmiert schaute ich ihm erschrocken in seine goldenen Augen, während er mir sein liebliches Lächeln schenkte. Die Menschenmenge hatte uns stumm umkreist und verfolgte diesen Moment ohne etwas zu sagen oder zu schimpfen. Er half mir auf und reichte mir die Bücher. Wie in Trance nahm ich diese an und schaute ihn unschlüssig an. Seine Hand fuhr mir besorgt über die Wangen, wischte mir die Tränen weg. Seine Fingerspitzen glühten auf meiner Haut. Ich wunderte mich über seine weichen Hände. Seine Stimme sprach auf mich sanft und beruhigend ein. Ich wusste, dass er für mich ebenso unantastbar war wie sein Bruder, doch mir blieb die Hoffnung. Ich sehnte mich noch mehr nach seiner Aufmerksamkeit. Ich schweifte in meine Tagträume.

Sein ernster monotoner Ton hatte mich jedoch wieder aus meiner Luftblase in die Realität zurückgeholt. Er sprach zu den anderen Schülern, tadelte sie. Wie durch ein Wunder hatten sie ihre Köpfe betroffen gesenkt und entschuldigten sich bei mir. Ich konnte es in diesem Moment nicht glauben, wie leicht sie auf ihn hörten und murmelte ein leises „Danke.“ Dankbar hatte ich mich sofort an den Schwarzhaarigen gewand, doch eher ich ihn ansprechen konnte, schritt er auf das Schulgebäude zu. Seine schwarze Uniformjacke flatterte im Wind und ich hatte befürchtet, dass sich sein Schülersprecherverband von seinem Ärmel lösen würde. Auch die Menge löste sich auf und ich blieb wieder alleine zurück. Ein Mädchen war jedoch zögernd bei mir geblieben, schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln und verschwand. Ich denke, ich habe sie gekannt. Doch in diesem Augenblick hatte ich mich nicht um die Anderen gekümmert und hatte nur noch an den Schülersprecher gedacht. Mein Herz pochte stark, wurde jedoch von Traurigkeit durchstochen. Ich musste mir jegliche Gefühle für ihn aber aus dem Gedächtnis schlagen.
 

Kennt ihr diese Gefühle… einerseits von diesem luftigen, unbeschreiblichen Gefühl völlig in den Wahnsinn getrieben zu werden oder diesen Schmerz in der Brust, der euch den Atem raubt? Es hat nur eine einzige Geste gereicht, um sich in diesen jungen Schulsprecher zu verlieben. Ich möchte nicht so kitschig klingen, doch das war zum ersten Mal, dass ich diese Gefühle empfunden hatte. Doch größtenteils fragte ich mich, wie konnte ich so welche Gefühle für ihn haben, wenn ich nichts von ihm gewusst hatte?

Nun war ich nicht nur von Einsamkeit gepeinigt, sondern auch von Liebeskummer. Auch meine Mutter hatte dies bemerkt und hatte versucht, mit mir zu reden, doch ich entfernte mich immer mehr und mehr von ihr und meiner Familie. Ebenso wie von meinem Stiefbruder, der mich ständig geärgert und für alles mir die Schuld zugeschoben hatte. Insgesamt alles unerträglich. Vielleicht klingt es nicht schmerzhaft wie es in Wirklichkeit für mich gewesen ist, doch glaubt mir, Jahre nach diesem Leid könntet ihr es auch nicht mehr ertragen. Man sagt zu mir auch, ich sei ein sensibler Mensch. Mein Bruder und ich verbrachten selten mit unseren Eltern den Tag, da diese ständig mit der Arbeit beschäftigt waren und wenn sie sich an mich gewandt hatten, so gab es nie viel zu erzählen und es endete alles nur in Streit. Ich war, wie schon zu vor gesagt, eine sehr gute Schülerin und um dies auch erhalten zu können, tat meine Mutter alles, damit meine Lage sich nicht verändert hatte. Sie verkürzte sogar meine Freizeit, damit ich Stunden am Schreibtisch lernen konnte. Doch das tut nichts zur Sache. Ehrlich… Ich fand mein Leben wirklich schmerzhaft und so verfiel ich mehr und mehr in ein schwarzes Loch bis ich nur noch ans sterben gedacht hatte. Jeden Morgen öffnete ich meine Augen und spürte eine schwere Last auf meinem einsamen Herzen. Ich wollte nur noch frei sein von diesem Kummer.

Ich kann euch jetzt nicht mehr erklären, wieso oder warum… Versteht mich einfach… Ich empfand mein Leben nur noch als Leid, welches ich nicht mehr ertragen konnte. Sehnsüchtig wollte ich die kühle Brise auf meiner Haut spüren, wenn ich endgültig hinab fiel und meine Flügel ausbreitete. In die weite Welt flog…

Durch den Liebeskummer wurde mein lastenschweres Leben auch noch schwieriger.

In den Pausen sehnte ich mich nach ihm und seiner geheimnisvollen Ausstrahlung. Ich vermisste seine golden-gelbe Augen und sein rundes Gesicht. Doch es vergingen Stunden, Tage und Wochen und ich hatte ihn seit dem letzten Vorfall nicht mehr gesehen. Es kam mir vor, als hätte er es geahnt, dass dies das Beste für mich gewesen sei, um meinen Schmerz zu stillen. Besorgt schaute ich mich stets nach einer großen Menschenmenge und nach einem pechschwarzen Schopf um. Ja, ich fing auch mich nach seinem Bruder um zu sehen, den ich hin und wieder am Eingang vor der Schule gesehen hatte. Doch von ihm blieb keine einzige Spur. Trotz der eingekehrten Ruhe meiner Klasse und der nun völligen Ignoranz meiner Anwesendheit fühlte ich mich verletzt, als hätten mich meine Klassenkameraden physisch stark angegriffen. Ich machte mir langsam Sorgen, warum der Schulsprecher nicht in der Schule war. Ich hatte auch einige Gespräche meiner Mitschüler zugehört, doch niemand hatte ihn nur ansatzweise erwähnt.

War er möglicherweise sehr krank und lag deshalb nun seit einer Woche schon im Bett? Dann hätte sein Bruder sicherlich etwas erwähnt und die ganze Schule wäre ziemlich besorgt gewesen. Inzwischen peinigte mich sogar diese Unruhe und Unwissenheit, außerdem überkam Scham über mich, da ich mich noch nicht bei ihm bedankt hatte. Es könnte aber auch so gewesen sein, dass er sich in den Pausen irgendwo aufhielt ohne dabei den anderen zu begegnen, schließlich scharten sich viele Schülerinnen und Schüler um ihn und bedrängten ihn mit ihren Vorschlägen. Auch er wollte bestimmt hin und wieder seine Ruhe haben. Könnte es aber jedoch sein, dass ich ihn einfach nicht erkannt hatte? Nein, definitiv nicht. Ganz deutlich vor meinen Augen konnte ich mir seine schwarzen Haare und sanfte Haut vorstellen und konnte es nicht akzeptieren, dass ich ihn möglicherweise übersehen hatte.

Daher entschloss ich mich seinen Bruder zu suchen und mich selbst nach ihm zu erkundigen, wenn es niemand anderes tat. Doch es war wohl nicht mein Tag gewesen, denn ich konnte auch diesmal nirgendwo den Silbernhaarigen erblicken, den ich ein Tag zuvor in den Fluren getroffen hatte. Frustriert ließ ich mich auf meiner Lieblingsbank nieder und betrachtete die Schülermenge. Das Mädchen, welches mir letztes Mal zu gelächelt hatte, warf mir hin und wieder kurze Blicke zu, doch ich versuchte sie soweit wie möglich zu ignorieren. Bestimmt plauderte sie fröhlich mit ihren Freundinnen über mich. Ich hatte es langsam satt und konnte es nicht mehr mit ansehen. Meine Augen schweiften über den überfüllten Schulhof und ich suchte nach einen geeigneten einsamen Platz für mich. Unter den Bäumen tummelten sich schon einige Schüler und die Schulbänke nahe dem Eingang waren ebenso besetzt. Seufzend erblickte ich den blauen Himmel, auf dem große, weiße Wolken schwebten und über unsere Köpfe hin wegzogen. Ich betrachtete den Himmel sehnsüchtig und bemerkte die Dachterrasse meiner Schule. Für einen Moment musste ich blinzeln oder gar meine Augen reiben, denn ich glaubte den Schulsprecher gesehen zuhaben. Aufgeregt eilte ich in die Schule und schritt die Treppen zum obersten Stockwerk hinauf. Das war die Idee gewesen, ihm dort zu begegnen… Abgeschieden von den Anderen und seelenruhig allein. Und wenn er doch nicht da war, dann könnte ich ihn von dort oben auf dem Schulhof suchen. Mit klopfendem Herzen hatte ich die Türe der Dachterrasse erreicht und legte meine zitternde Hand auf die Türklinke. Es musste ja erst überhaupt aufgeschlossen sein, damit ich hinaus treten konnte. Mit Leichtigkeit konnte ich die Tür aufstoßen und wurde sogleich von einer kühlen Brise begrüßt, die mir das Gesicht streichelte. Jubelnd trat ich hinaus und schaute mich um, doch konnte niemanden hier oben erblicken. Etwas frustriert schaute ich in die Leere, während mein Haar sanft im Wind tanzte. Plötzlich vernahm ich aufgebrachte Stimmen und schlich mich an der Wand entlang, um sogleich um die Ecke zu spähen. In diesem Moment fiel mir ein Felsbrocken vom Herzen. Ich erblickte zwei mir völlig bekannte Gestalten. Das pechschwarze Haar sah durcheinander aus, ebenso wie das Haar seines Bruders. Beide schauten sich gegenseitig zornig an und waren nun inzwischen still. Erfreut über die Tatsache, dass es ihm gut ging, wollte ich mich nach vorne stürzen, mit ihm sprechen und ihn umarmen... seine Nähe fühlen, doch mir fiel etwas Seltsames in seinem Gesicht auf. Zum ersten Mal lag ein trauriger Schleier auf seinem rundem Gesicht. Seine Augen strahlten Schmerz und Kummer aus. Seine Uniform hing schlaff und unordentlich, sein Körper wirkte angespannt. Was war geschehen? Ich spürte, dass ich gehen sollte, um diesen Streit nicht mit anzuhören, doch meine Neugierde und mein Mitleid mit ihm siegte.

Ich hielt mich möglichst weit zurück und musterte auch seinen Bruder. Zorn, Verzweiflung und Trauer zeigte seine Körperhaltung und es ging womöglich um etwas, was beiden heftigen Herzschmerz hervorrief.

“Du kannst nicht einfach so deine Gefühle verdrängen… Als ob nichts passiert war!“ , hörte ich den Silbernhaarigen zornig, aber ruhig sagen. Trotz den aufbrausenden Gefühlen verhielt er sich wie immer zurückhaltend und ruhig. Hätte ich in seine blau-grauen Augen geblickt, dann hätte ich bestimmt diese Zorn gesehen. Er versuchte wirklich sich zu beherrschen und ballte seine Hände zur Fäusten. Im Gegensatz zu ihm lehnte sich der schwarzhaarige gen die Wand und schloss ermüdet die Augen, als hätte er keine Kraft mehr sich aufrecht zu halten und nun drohte von dem Wind mitgenommen zu werden.

„Was soll ich denn sonst machen? Ich gehe schon all diese Jahre zu Grunde und Tag für Tag zersplittert mein Herz…“ , flüsterte er schmerzvoll und verzog sein zartes Gesicht. Ich war so fassungslos, dass ich mich nicht bewegen konnte. Was war hier bloß geschehen? Er sah doch so stets fröhlich und freundlich aus. Kein einziger Strahl von Trauer war durch ihn durchgedrungen und man würde nicht ahnen, wie viel Schmerz er doch in sich trug.

Außen hin war er so stark und mutig, dass man sich bei ihm sicher fühlte, doch innerlich zersplitterte sein Herz? Ich schwor mir denjenigen vorzuknöpfen, der ihm das angetan hatte. Anderseits warf ich mir vor ihn ganz falsch eingeschätzt zu haben. Während ich mich um seelische Hilfeschreie bemühte, glaubte ich, dass er ein Held wäre, der den Armen stets zur Hilfe eilte. Doch auch er, ein traumhafter Held, schrie um Hilfe und versank im Zweifel. Eher ich jedoch mir weitere Gedanken ausmalen konnte, setzte sich die Konversation fort.

“ Du könntest wieder Mitleid zeigen… Sie in deinen Erinnerungen halten. Schließlich war sie vor deinen und meinen Augen gestorben… Sie war mein Ein und Alles…“

Erschrocken wich ich zurück und hielt mir die Hand vor meinen Mund. War jemand gestorben? Ist deren Mutter etwas geschehen und sie mussten es mit ihren eigenen Augen sehen?

„Ich weiß… Glaubst du ich sehe einfach darüber weg? Dass ich nicht mir jeden morgen die Frage stelle, warum dies geschehen war? Warum ich so einen liebevollen Menschen verloren hatte? Glaubst du ich halte sie nicht mehr in meinen Erinnerungen, nur weil sie auf Grund eines dummen Fehlers uns für immer verlassen hatte?“

Erneut spähte ich um die Ecke. Der Schulsprecher hatte inzwischen sich von der Wand weggedrückt und redete zornig auf seinen Bruder ein. Sein verzweifelter Unterton wurde durch kleine, fast unsichtbare Tränen unterstrichen und er schaute seinen Bruder von Schmerz durchstochen an.

„Ich habe sie auch geliebt… Und ich liebe sie immer noch. Das werde ich mein ganzes Leben lang tun, auch wenn sie unter uns nicht mehr weilt…“

Etwas löste sich endgültig in meinem Herzen auf und ich sank die Wand entlang auf den Boden. Jetzt verstand ich endlich alles.

„Doch nun willst du einfach so nicht zur Trauerfeier kommen? Es ist ganz klar, wer von uns sie mehr geliebt hatte…“

Sie stritten sich um ein verstorbenes Mädchen, welches sie geliebt haben. Ich verstand, wieso er immer die Liebesbeklärungen meiner Schülerinnen abgelehnt hatte. Er war verliebt und vielleicht auch mit ihr zusammen gewesen, kam aber über ihren Tod noch nicht weg. Sein Bruder hatte dies wohl auch empfunden. Tränen flossen mir die Wangen hinab und ich verstand, dass ich nie einen Platz in seinem Herz haben würde. Sicherlich wirke ich jetzt egoistisch, doch hatte ich nichts mehr im Leben, woran ich mich festhalten durfte.

Nicht im Stande mich zu bewegen lauschte ich nun der schmerzvollen Stimme, die sanft von dem Wind weggetragen wurde, sodass ich mich anstrengen musste, ihren Sinn zu erhören.

„Es ist schmerzhaft für mich… Verstehst du das? Dieser Trauer… Die schmerzvollen Augen der Anderen. Ich sehe doch diesen Hass, den mir alle entgegen bringen. Glaubst du ich merke das nicht? Weißt du wie das schmerzt? Ich werde nicht zur Feier kommen. Ich erspare euch die Aufregung.“

Hätte ich mich nicht beherrscht, dann hätte mich mein Schluchzen verraten. Langsam zog ich mich hoch und rang um Atem. Ich hatte alles missverstanden! Ich war so dämlich gewesen und habe nicht gesehen, dass er am meisten von uns Schülern Hilfe gebraucht hatte. Was war bloß vor einer Woche geschehen? Ich lese stets die Zeitung und hatte nichts von einem Unfall gelesen.

„Du bist so ein Idiot! Siehst du denn nicht, wie du unsere Eltern kaputt machst? Du meinst du kannst unser Schmerz lindern, wenn du deinen eigenen unterdrückst. Typisch für dich. Es ist, als würdest du uns mit einem Dolch erstechen. Wundere dich deshalb nicht… Wärst du doch an ihrer Stel-…“

Unfassbar riss ich die Augen auf. Hatte gerade sein Bruder wirklich das ausgesprochen, was ich gehört hatte? Wie hat er sich gerade gefühlt? Wie würde ich mich fühlen, wenn mein Stiefbruder zu mir sagt, ich hätte sterben sollen? In diesem Punkt konnte ich nachvollziehen, wieso er nun schmerzvoll und verzweifelt den Satz zu ende flüsterte. Sicherlich sah man ihm diesen verbalen Schlag im Gesicht an.

“Es tut mir leid ich…“, flehte sein Bruder, doch wurde sogleich von einem Flüstern unterbrochen.

„Sprich es doch endlich aus, was du… in dir unterdrückst… Denken das nicht alle so? Ich… alleine ich hätte an ihrer Stelle sterben sollen…damit du und die anderen glücklich sein könnten…“

Genug von dem Schmerz gepeinigt, wand ich mich um und verließ die Dachterrasse. Ich stolperte die Treppen hinab und ergoss mich in meiner Verzweiflung und den umherspuckenden, verwirrten Gedanken. Nein, ich verstand wie immer nichts und zog nur die Fakten auf, die für mich klar und deutlich zu sein schienen. Ich konnte ihm nicht helfen, nicht mal sein Herz für mich gewinnen, noch nicht mal etwas für ihn tun.
 

Wieso hatte ich gedacht, dass ich sein Herz gewinnen könnte? Dieser Gedanke wiederholte sich ständig in meinem Kopf und schien auch schon für mich ziemlich absurd, sodass ich mich nur noch mit Herzschmerz ins Krankenzimmer geschleppt hatte. Tränen suchten sich ihren Weg die Wangen hinab und es war kein Problem für mich die Krankenschwester zu überzeugen, dass es mir nicht gut ginge.
 

”Wenn der Seele die Worte fehlen, schickt sie die bittersüßen Tränen.”

Es war schon offensichtlich, dass mein Zustand schrecklich gewesen war und niemand hätte was dagegen tun können. Ich wollte es auch nicht, denn es war alleine meine Sache. Es lag bei mir alles einzugestehen und hier und da einen Schlussstrich zu ziehen. Doch findet ihr es einfach, Gefühle für eine Person einfach so „wegzulöschen“? Als ob nichts passiert wäre? Meine gläserne Welt schien nun zusammenzubrechen und ich drohte mit ihr unter zu gehen. Dieser Gefühlsstrudel und der Vulkan aus meinen Problemen schien sich zu vermischen und aus mir ein Wrack zu machen.

Auf dem Weg nach Hause dachte ich noch mal über alles nach. Ich hatte angenommen, dass er und ich viel gemeinsam hätten, doch in Wirklichkeit schrien unsere Herzen nach Hilfe. Es gab so vieles was ich, während dieses Gespräches, nicht verstanden hatte und dennoch mir die Fakten eingestehen hatte. Zu früh und ohne richtigen Hintergedanken nahm ich das schlimmste auf.

Unterwegs hatten sich besorgte Passanten an mich gewendet, doch ich ließ sie verwirrt alleine zurück. Ich nahm sie nicht mehr wirklich war und kümmerte mich nicht mehr um sie. Ich brauchte keine Hilfe. Ich wollte meine Ruhe.

Ich wollte meine Ruhe! Das hatte wohl mein Stiefbruder nicht verstanden. Zu Hause war er der einzige Anwesende gewesen, denn unsere Eltern hatten bis spät in den Abend gearbeitet. Als ich so völlig aufgelöst nach Hause gekommen war, hatte er mich sofort skeptisch betrachtet und einen seiner dummen Witze gerissen. Normalerweise hätte ich ihm in diesem Moment etwas an den Kopf geworfen, doch diesmal schaute ich ihn mit meinen rot unterlaufenen Augen leer an und ignorierte ihn völlig. Es war wohl so neu für ihn gewesen, dass er mich besorgt angeschaut haben musste, denn auf dem Weg zur Küche hatte er sich zum ersten mal für mich und mein Leben interessiert. Auf seine Fragen, was mit mir los sei, hatte ich hin und wieder nur die Schultern gezuckt. Während ich wie ein Grab schwieg, konnte ich ihn verzweifelt zurück lassen. In meinem Zimmer fühlte ich mich stets sicher und geborgen, denn dort konnte ich meinen Tränen freien Lauf lassen ohne dabei das mitleidig gespielte Glotzen zu bedenken. Verschwommen betrachtete ich meine Zimmerwand wie das wertvollste Bild auf der ganzen Welt. Gleichgültigkeit und Todesgedanken schlichen sich in mein verzweifeltes Wesen und ich malte mir die schlimmsten Unfälle, die ich haben könnte, um endlich frei von diesem Leben zu sein. Natürlich war es in diesen Moment etwas übertrieben, sofort an Tod zu denken, doch der Tag war noch nicht vorbei gewesen. Ich ahnte, dass mein „Schwänzen“ Folgen haben würden, denn Schule war besonders für meine Mutter wichtig gewesen. So sehr, dass sie mich auch total krank hinschicken würde. An jenem besagten Tag war sie natürlich früher von der Arbeit gekommen, als erwartet. Die Krankenschwester hatte sie selbstverständlich angerufen und von meinem „psychischem Zusammenbruch“ erzählt. Etwas aufgebracht war sie in mein Zimmer gestürmt und mit mir enttäuscht geschimpft.

Warum wende ich mich nicht an sie, wenn ich Probleme habe und muss daraus ein Drama machen, was der Familie einen schlechten Ruf bringen würde? Ehrlich, meine Mutter war eine weise und nette Person, doch sie hatte sich nie um mein Wohl gekümmert. Der Ruf ihrer, so genannten glücklichen Familie, war noch wichtiger als die Familie selbst. In dieser Hinsicht war sie streng und wie ein Drache.

Kaum zu fassen, sie schimpfte sogar, dass ich wegen des Anfalls die Schule früher verlassen hatte. Es klang für mich, dass man Gefühle unterdrücken konnte, aber Bildung nicht.

„Verstehst du denn nicht... mir ging es nicht gut?“, schrie ich bereits hysterisch und warf ihr vor, dass ihr es sowieso egal sei. Daraufhin hatte sie mich gepackt und mir eine gescheuert. In diesem Moment sah ich ihr in die Augen und erkannte, dass ich nicht die Einzige sei, der es schlecht ging. Mein Widerspruch hatte wohl einen wunden Punkt getroffen und sie hatte ihre Wut an mir ausgelassen. Doch auch hier wusste ich nicht, was war mit ihr los? Erwachsene würden das Verhauen ihrer Kinder als ‚Erziehung’ bezeichnen, doch wir Kinder wissen selbst, was wir verbrochen hatten und was nicht. Auch ich wusste, dass ich im Grunde Recht hatte: Schule konnte nicht über meinem Wohl stehen, was jedoch meine Mutter von mir verlangte.

So hatte sie nun erreicht, dass ich mich vor ihr gefürchtet hatte. Und hier fiel endlich das, was sie die Jahre gedacht hatte. Warum gerade sie so eine Tochter hatte? Warum mache ich ihr großen Ärger, in dem ich mich ihrer Erziehung widersetzte? Wie dem auch sei…

Zornig hatte sie mich alleine gelassen und ich fragte mich, was nun hier vorgefallen sei. Es klingt jetzt bestimmt etwas sinnlos, doch es gibt Menschen, die sich nicht davor scheuen ihre Kraft für einschüchternden Taten zu verwenden. Denn so erlangten sie Macht.

Womöglich würdet ihr denken, das war das i-Tüpfelchen des Tages? Nein. Schließlich hatte mich mein Stiefvater, der womöglich von meiner Mutter dazu angestiftet worden war, ebenso angeschrien. Ehrlich, ich verstehe es selbst nicht. Ich tippe auf „Verleugnung der Tatsache, dass die Erziehung der Eltern misslingt und ihr Kind völlig aus der Bahn gerät“.

Mir ging es psychisch und körperlich nicht so blendet, dass ich nicht mal zum Abendessen erschienen war. In meinem Bett zusammen gekauert dachte ich noch mal über alles nach: Über den Druck zu Hause und den Liebeskummer. Was war der Sinn des Lebens? Glücklich zu Hause, im Beruf und Liebe zu sein? In allen Punkten versank mein Leben in ein tiefes schwarzes Loch und ich verlor den Boden unter meinen zerbrechlichen Beinen. Entschlossen verwarf ich diese Frage und kam zu dem Entschluss, dass es allen besser gehen würde, wenn es mich nicht mehr auf der Erde geben würde. Außer dem Schulsprecher… Ihn hatte ich zum Glück noch nicht enttäuscht und so würde er durch meinen Tod bewahrt werden. Mein Leben lastete auf meinen Schultern wie ein Steinblock und ich wollte nur noch frei sein. Wenn ich so mein Geschriebenes lese, so denke ich, dass es überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Doch ich betone nur, dass es sich eigentlich nicht um mich geht und lasse diese, vielleicht, notwendigen Details weg. Ich bin nicht im Stande meine eigenen Gefühle klar und präzise auszudrücken.
 

♪~ You're all that I know, I can't let go

It's killing me, you're not here with me

'Cause you're in my dreams

You're all that I know, I can't let go ~ ♫
 

In der Nacht konnte ich trotz Müdigkeit nicht einschlafen und wälzte mich von der einen Seite auf die andere, um die kurz anhaltende Ruhe zu finden. Doch ich konnte nicht. Das Geschehen hatte sich so stark in mein Gehirn eingebrannt, dass ich Angst hatte Alpträume zu bekommen. Wenn ich die Augen schloß, sah ich das zarte Gesicht des Schwarzhaarigen . Ebenso wie ich meine Flügel ausbreitete und von einem Dach eines Hauses flog…. In die weit entfernte Freiheit. Doch etwas versperrte mir den Weg zur Befreiung: Mein Gewissen sagte mir, ich musste noch etwas tun und so hatte ich mich entschlossen dem Schulsprecher etwas Gutes zu tun. Schließlich hatte ich mich nie bei ihm bedankt und musste mich entschuldigen, dass ich ihn falsch eingeschätzt hatte, wie es derzeitig alle anderen taten. So hatte ich mich mitten in der Nacht erhoben und mich an mein Schreibtisch gesetzt. Ich hatte mir ein sauberes, weißes Blatt herausgeholt und meinen Füller genommen. Als ich so meine Worte an ihn schrieb, fiel mir auch ein Teil meines Scherbenhaufens von meinem Herzen. Doch meine Gedankengänge waren so verwirrt, dass es mir schwer fiel, diese zu ordnen.

Irgendwann war ich eingeschlafen und wurde am nächsten Morgen von meinen Stiefbruder geweckt. Wie immer bereitete es ihm einen großen Spaß aus meiner Person einen Witz zu machen. Der Morgen war nicht besser geworden, als der Abend zu vor. Am Frühstückstisch bekam ich eine druckaufbauende Strafpredigt, dass nichts wichtiger sei als Schule und Noten. Außerdem sollte ich meine Eltern nie anlügen, denn sie „wüssten immer, wann ihre Kinder Schule schwänzen oder nicht.“ Unfassbar.

Mit weiteren Predigten wurde ich in die Schule entlassen. Doch mein Ziel war es nicht lernen, sonder ein ganz anderer, der Sturz in den Tod.

Es war meine letzte Stunde vor der Pause, auf die ich mich normalerweise immer gefreut hatte. Diesmal war es nur eine langweile Mittagspause. Meine Klasse hatte sich wohl wieder gefasst und ihr altes Opfer aufgenommen. So kam es, dass sie über mich wieder hergezogen hatten. Der Lehrer hatte seine Aufmerksamkeit auf die Tafel gerichtet und ich hörte aus allen Richtungen die üblichen Beschimpfungen. Ausdruckslos hatte ich mich erhoben und verließ, mit meinen Sachen im Arm, den Raum. Es hatte nicht mal geklingelt, doch die Klasse und mein Lehrer hatten wirklich gestaunt. Mein Weg führte zur Mädchentoilette, wo ich mein Gesicht ausgiebig kühl gewaschen hatte. Stumm betrachtete ich noch mal den langen Brief und mir kullerten kleine einzelne Tränen die Wange hinab. Entschlossen hatte ich das Blatt Papier in der Hand gehalten, während ich wieder auf den Flur hinausgetreten war. Es hatte inzwischen geklingelt und es strömten von überall Schüler her. Ein Mädchen ging auf mich zu, welches mir damals aufmunternd zugelächelt hatte. Sie betrachtete mich besorgt und gleichzeitig schockiert, denn meine Augen zeigten definitiv Trauer. Doch eher sie etwas sagen konnte, blieb ich vor ihr stehen, nahm ihre Hand und drückte ihr das Blatt Papier auf.

“Gib das Bitte dem Schulsprecher… Danke“, flüsterte ich schon beinahe und wand mich wieder von ihr um. Ich hatte mir schon ein neues Ziel ausgemalt und steuerte die Treppen an. Hoch auf die Dachterrasse.

Inzwischen hatte das Mädchen besorgt und neugierig das Blatt Papier aufgeschlagen und las sich meine „letzten Worte“ durch. Geschockt stockte sie, schaute sich um und rannte in die Klasse des jungen Mannes. Jeder wusste wer der Schulsprecher war und wo man ihn im Unterricht finden konnte. Da die Pause gerade angefangen hatte, eilte sie zu ihm in die Klasse und hatte ihn noch rechtzeitig erwischt.

Sie hatte ihm aufgelöst den Brief überreicht und versuchte ihm etwas zu erklären, doch er hörte kaum zu. Seine golden-gelbe Augen überflogen den handgeschriebenen Brief. Seufzend und betrübt hatte er sich daraufhin erhoben. Er würde mich aufhalten.
 

♪~ Loretta, wrote a love letter to a stranger

Thought that he would change her life

Thought she would be his wife ~ ♫
 

Es haben dir schon sicherlich viele Mädchen einen Brief oder gar einen Liebesbrief geschrieben, doch möchte ich dich bitten, diesen Brief nicht sofort wegzulegen und aufmerksam zu lesen. Dieser Brief unterscheidet sich sehr von den anderen, denn es ist auch nicht wirklich ein Liebesbrief.

Ich bin das Mädchen, das du vor wenigen Wochen geholfen hast, als sie von ihrer Klasse auf dem offenem Schulhof gehänselt wurde. Du hast mir in dieser Situation als Einziger geholfen, doch konnte ich mich nicht dafür ausgiebig bei dir bedanken. Du bist genauso schnell gegangen, wie du gekommen warst. Ich habe nicht viele Freunde, besser gesagt keine. Meine Klasse akzeptiert mich nicht und in meiner Familie werde ich ebenso verstoßen. Ich gebe es offen zu, dass ich dich hin und wieder beobachtet habe, doch möchte ich dir nicht Angst einjagen. Deine Person hatte mein Interesse und meine Aufmerksamkeit angezogen und ich war sofort von dir fasziniert. Bevor du mir geholfen hast. Du warst stets freundlich und führsorglich für deine Mitschüler und ich hatte den Eindruck, dass du einer der glücklichsten Menschen auf der Welt seiest. Doch etwas sagte mir, dass der Schein trügt und ich fühlte mich auf einer kleinen Ebene mit dir verbunden. Doch du warst nie traurig und ich hatte dich noch nie deprimiert gesehen. Warum? Konnte ich es nicht verstehen, weil ich so was wie Glück nicht empfunden hatte? Bis gestern hatte ich geglaubt du hättest keinen Grund einen Hilfeschrei auszusenden und dass du deine Gefühle nicht vor anderen verbirgst. Bis gestern. Du willst nicht, dass dein wahres Wesen an die Oberfläche durchdringt und dass man deine Gefühle offen sehen kann. Jeder betrachtet dich als einen Helden, den du so bemüht zu spielen versuchst, doch dein Inneres braucht selbst einen Helden, einen Retter… Du versuchst deiner Rolle so gerecht zu werden, dass du deine eigene Lage vergisst. Mir ist das sehr spät klar geworden… Wir sind uns zwar zu einem Teil ähnlicher aber dennoch sehr verschieden. Es ist unbegreiflich, wieso ich mir so viele Gedanken mache, doch ich sagte bereits, dass es nur vielleicht ein Liebesbrief wird. Mein Herz ist jedoch durch diese grausame Welt zerbrochen und ich könnte nie einige meiner Gefühle für dich unterdrücken.

Obwohl wir uns nicht kennen: Ich mag dich.

Es tut mir leid, dass ich deinen Streit mit deinem Bruder belauscht hatte, doch nur dadurch konnte mir zum Teil einiges klar werden und auch ein großer Teil über deine Person. Ich habe diesen Kummer in euren Stimmen gehört und die Sehnsucht, nach dem Mädchen, das ihr beide liebt. Sicherlich habt ihr euch um diese gestritten und sie konnte sich nicht für einen von Euch entscheiden. Eifersucht hatte ich verspürt und gleichzeitig Trauer.

Ich bewundere deine Stärke, denn meine ist aufgebraucht. Ich möchte mich zu letzt bedanken, denn ich durfte das süße Gefühl von Liebe spüren. Oder Schwärmerei. Dies hatte mir einen letzten Lichtblick in meinem Leben verschafft, bis es gestern ausgelöscht worden war. Das Leben ist nur noch eine schwere Last auf meinen Schultern und diese möchte ich endlich loswerden. Die Flügel ausstreckend dem Himmel entgegen fliegen und von der Wärme der Sonne eingelullt werden.

Vielen Dank für Alles, doch während du tapfer auf dieser Welt kämpfst, bin ich gefallen.

Lebe wohl.
 

Nach einer gefühlslosen Aufstiegsphase hatte ich das Ende der Treppe erreicht. Nun stand ich vor der Türe, die mich zu meinem Tod führen würde und ich hatte kein einziges Gefühl in mir. Es war nun auch die Wirklichkeit geworden, dass in mir alles ausgestorben war. Ohne jeglicher Eile stieß ich die Türe auf und trat hinaus in den kalten Wind, der perfekt meine Stimmungslage betonte. Es war ein Einklang von Atmosphäre und Gesamtsituation, sodass ich unbesorgt an das Geländer herantreten durfte und ein letztes mal auf den Schulhof blicken konnte. Da das Wetter ja sehr gut mitspielte, musste ich traurig lächelnd feststellen, dass es nicht sonderlich viele Zuschauer geben würde, denn der Schulhof war leer. Regenwolken weinten sich nun für mich aus, denn ich konnte keine Tränen schöpfen. Minuten vergingen und ich war sofort von oben bis unten durchnässt. Meine Hände legten sich wie von selbst an die Stangen des Geländers und mühelos schwang ich mich über auf die andere, schmale Seite des Daches. Nur Zentimeter trennten mich von der Kante...von dem Boden und meinem Tod, doch ich fürchtete mich nicht. Sechs Stockwerke würde ich sicherlich nicht überleben, es würde ein schneller und schmerzhafter Tod werden. Ich lehnte mich leicht nach vorne, hielt mich immer noch fest. Bei dem Anblick wurde es mir recht schwindelig und ich schloß meine Augen, während Regentropfen sich ihren Weg auf meinen Wangen bannten. Ein kalter Windhauch ließ mich erzittern und ich unterdrückte den Schwindel. Für einen Moment zweifelte ich an meinem Vorhaben, doch der Schmerz in meiner Brust siegte.

“Warte,“, hörte ich hinter mir und mein Herz machte einen erfreuten und gleichzeitig schmerzhaften Sprung. Ich hatte mich darauf verlassen, dass ich das Geräusch der Tür hören würde, doch ich hatte mich getäuscht. Langsam blickte ich nach hinten und wusste, dass mein Herz sich nicht getäuscht hatte. Ich betrachtete für einen Moment den Schulsprecher und erinnerte mich schmerzhaft an den vorherigen Tag. Seine Uniform war wieder unordentlich und nicht richtig zugeknöpft. Ich konnte seine zarte Haut des Oberkörpers sehen und erhaschte einen kurzen Blick auf eine Narbe unterhalb seines Schlüsselbeins. Seine blutrote Krawatte hing völlig losgelöst und drohte wegzufliegen. Seine Armbinde strahlte dennoch im Regen ihre Rot-goldenen Farben aus. Das pechschwarze Haar war unordentlich und der Regen durchnässte nun auch den jungen Mann.

Es schien wohl wirklich so, dass er sich beeilt hatte.

Langsam wand ich mich von ihm ab und starrte geradeaus. Er hatte bestimmt den Brief erhalten und würde mich abhalten. Es war kurzzeitig peinlich für mich und dennoch eine weichende Last. Es hielt mich jedoch nicht ab...

“Ich werde so oder so springen…“, murmelte ich ihm zu und schloß beim nächsten Windzug die Augen. Ich genoss noch mal den süßen Regenduft, den ich stets gehasst habe. Doch wenn ich es jetzt von der anderen Seite betrachte, so ist es wirklich schön.

“Ich werde dies wohl verhindern müssen…“, seufzte er und war auch wieder für einen Moment still. Er hatte so eine sanfte und beruhigende Stimme, sodass mein Herz nicht mehr drohte vor Aufregung zu zerreißen.

Nun war ich an der Reihe etwas zu sagen, doch ich schwieg auch.

“Ich möchte nicht, dass du springst und dir dein Leben nimmst. Es ist doch nur gerade eine schreckliche… Zeit für dich, die du bewältigen musst… Ich will nicht, dass noch jemand wegen mir stirbt…oder ich dafür verantwortlich bin...Ich schaue nicht tatenlos zu“, setzte er fort und seine Stimme klang näher als zuvor.

“Ich habe nichts im Leben, wofür es sich zu leben lohnt. Allen Menschen falle ich zu Last... Warum soll ich weiter existieren? Es gibt niemanden, der mich liebt, der mich braucht... Ich habe es satt...“, flüsterte ich und mir stiegen die Tränen hoch. Ich wurde hysterischer und hörte wie er näher kommen wollte. Ich hielt mich nur noch mit einer Hand fest, rechtzeitig bereit los zu lassen.

“Wage es nicht! BLEIB WEG! ICH WERDE SPRINGEN!“, schrie ich voller Schmerz, als könnte ich ihm die ganze Schuld aufbürden, obwohl ich es nicht wollte.

Er flüsterte, dass ich mich beruhigen sollte, dass er auch sich nicht rühren würde... Alles tun würde, nur damit ich nicht springe.

“Wie hat es sich angefühlt... Hast du das eine verstorbene Mädchen geliebt?“, fragte ich immer noch mit geschlossenen Augen, ruhiger und schaukelte im Windspiel mit. Es war schön noch mal mit ihm richtig zu Reden, bevor ich mich in die Tiefe stürzen würde. Ein süßer Abschied...

“Ja, ich habe sie geliebt. Ihr schwarzes, langes Haar, ihre grünen Augen…“

Die Erinnerung schmerzte ihn wohl so tief, dass er dies beinahe flüsternd ausgesprochen hatte. War er wirklich so stark in sie verliebt? Mein Herz wurde mit diesen Worten umso mehr durchstochen, spürte die Kälte meinen Körper erfassen, die letzte Kraft von mir weichen. Ich wünschte auch ich wäre jemanden so wichtig gewesen.

“ Ich beneide sie…“, hörte ich mich flüstern und hielt inne, nahm meinen letzten Atemzug und begann langsam meine Finger zu lösen, als ich ihn plötzlich eilig im Regen nach vorne schreiten hörte. Ich spürte seine Gegenwart. Doch statt etwas dagegen zu tun, blieb ich still und genoss diesen Augenblick, hielt im lockeren Griff inne.

“Sie sah wunderschön aus und glich meiner Mutter am ähnlichsten von uns. Sie war ihr Ebenbild und genauso gutherzig.“

Überrascht öffnete ich meine Augen und spähte nach hinten. Was hatte er mit diesen letzten Worten gemeint? Ich spürte, dass ich durch diesen Moment den Griff zu sehr gelockert hatte und nun zu Fallen drohte. Zur selben Zeit machte der junge Mann einen Schritt auf mich zu, legte seine rechte Hand um meine Handgelenke und zog mich zurück, sodass er mich mit seinem linken Arm festhalten konnte. Dies war so schnell vorgefallen, dass ich nicht die Chance hatte, mich zu wehren, geschweige denn in die Tiefe u stürzen. Doch seine Umarmung spendete mir Wärme und ich war noch nie so nahe an ihm gewesen. Mir sanft ins Ohr flüsternd beantwortete er meine nun verwirrten Gedanken. Es lag ein trauriger Unterton in seiner Stimme und mir stockte der Atem.

“Jahre zuvor hatte ich dieses Mädchen, meine geliebte Schwester, verloren. Es war ein schrecklicher Unfall, von mir verursacht… Es ist schmerzhaft diese… Sie lag so leblos…“

Doch er stockte, als müsste er einen schweren Kloß hinunterschlucken.

Dann war dieses Mädchen… seine Schwester gewesen?

“Es… ist ein.. Missverständnis…“, brachte ich hervor und schluckte schwer. Ich konnte es nicht fassen, was ich mir zusammen gesponnen hatte!

[color=darkblue]“Wir haben uns wegen ihrer alljährlicher Gedenkfeier gestritten… Daher.. das Drama,“[/color], seufzte er und ich spürte seinen Atem auf meiner Haut, welche sich zu einer Gänsehaut kräuselte. Sprachlos stand ich da, während mein Körper vor Kälte bebte.

Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich hatte alles missverstanden…Trotzdem... Das änderte nichts an meiner Lage.

“Versprich mir, dass du dir nie das Leben nimmst. Es gibt Menschen, die dich gerne haben. Wenn du dich mit deinen Eltern aussprichst, dann geht es dir besser. Dein Freundin macht sich große Sorgen um dich…Du kannst deinen Problemen nicht aus dem Weg gehen, wenn du dein Leben beendest... so etwas Schönes wegwirfst... Denn wenn du dir das Leben nimmst...

Überrascht runzelte ich die Stirn. Freundin? Ich hatte doch keine Freunde,... doch da fiel mir das freundliche Mädchen ein. Doch bevor ich etwas sagen konnte, schnitt er mir das Wort ab und setzte fort.

“Sie hat mir… deinen Brief gegeben. Schon vorher hatte sie sich an mich gewandt und mir von deinen Problemen in der Klasse berichtet. Ich habe alles gewusst und habe doch zu spät eingegriffen. Es tut mir leid.“

Fassungslos konnte ich nicht glauben, was ich gerade hörte. Er hatte alles gewusst und das durch eine einzelne Handlung meiner Mitschülerin, die sich schon lange Sorgen um mich gemacht hatte? Doch wieso war sie nie zu mir gekommen? Und überhaupt... Warum machte sie sich Sorgen?

Wieder konnte ich wegen Sprachlosigkeit nichts sagen. Es hatte sich tatsächlich jemand um mich gekümmert? Er und das freundliche Mädchen. Plötzlich kamen mir die Tränen und ich weinte. Er half mir wieder auf die sichere Seite und ich erblickte in der Ferne das Mädchen, welches sich für mich eingesetzt hatte. Erleichtert kam sie auf mich zugelaufen und nahm mich in den Arm. Der Schulsprecher hatte sich von mir gelöst und etwas in den Hintergrund getreten. „Meine“ Freundin sprach auf mich beruhigend ein und entschuldigte sich mehrmals, dass sie mich nicht früher angesprochen hatte. Doch meine Augen galten dem jungen Mann, der mich vor dem Tod bewart hatte.

Er bemühte sich um ein Lächeln.

“Was meine Persönlichkeit angeht… Hast du vielleicht recht“, flüsterte er und ich hatte Probleme es akustisch zu verstehen. Für einen Moment war er wieder der offene Schülersprecher, doch dann hatte er wieder seine Maske aufgelegt und schritt rückwärts zum Ausgang.

Ich flüsterte ihm kraftlos ein Danke zu und er nickte. Doch kaum hatte ich geblinzelt, war er durch die Tür verschwunden.
 

Mein Vorhaben hatte sich am nächsten Tag explosionsartig in der Schule verbreitet und ich bekam nach Hause viele Briefe von meinen Mitschülern zugeschickt. Zum ersten Mal fühlte ich mich gemocht und ich las die vielen Entschuldigungen... Mit hohem Fieber im Bett verfolgte ich in den Briefen den Umbruch der Gesellschaft. Meine Eltern wurden von dem Schulleiter informiert und zum ersten Mal hatten sie mich wahrgenommen. Meine Mutter hatte endlich verstanden, wie schrecklich es mir ging. Auch mein Bruder hatte seine Einstellung mir gegenüber verändert und ließ mich in Ruhe, auch wenn ich wusste er mochte mich nicht – er begann mich zu akzeptieren. Ich hatte mir eine schreckliche Grippe eingehandelt und musste bis zu zwei Wochen zu Hause liegen. Ich hatte begriffen, dass ich alles missverstanden hatte, doch hatte mit meinem Vorhaben endlich meinen Eltern die Augen geöffnet. Wir haben uns unterhalten und alles geklärt. Wir verstanden uns wieder richtig gut, ohne in einen Streit auszubrechen. Ich hatte auch eine Freundin für mich gewonnen und den Respekt meiner Klasse und Schule errungen.

Doch die Schüler, die gegen den Schulsprecher gewesen waren, schoben ihm die Schuld zu, für das, was er mit seinem Aufsehen und seinem Ruf angerichtet hatte. Meine Freundin hatte mir erzählt, dass sie seinen Rücktritt forderten, um eine Neuwahl festzulegen. Es brach mir mein Herz, dass sie dieses Geschehen als Vorwand nahmen, ihn als Schulsprecher abuwählen. Ich hätte ihn gerne verteidigt, doch zu der Zeit lag ich mit Fieber im Bett und konnte wieder mal nichts für ihn tun. Beschämt dachte ich an mein Missverständnis und wäre am liebsten im Boden versunken. Doch es gab auch schlechte Nachrichten: Er hatte dem Rücktritt gewilligt. Aber es war ein anderer Grund gewesen. Die meisten Schüler waren geschockt gewesen, denn sie vertrauten auf die Aussage meiner Freundin, dass er mich vor dem Tod bewahrt hatte.

“Meine Familie und ich werden in eine andere Stadt umziehen. Somit werden wir eine andere Schule besuchen“, begründete er seinen Rücktritt.

Nachdem ich es erfahren hatte, wollte ich sobald wie möglich gesund werden, doch mein Zustand besserte sich nicht.

Als ich wieder in die Schule gehen konnte, war es jedoch zu spät. Auf der Suche nach ihm stellte ich fest, dass er nicht mehr da war. Seit dem Tag, an dem er als Schulsprecher zurückgetreten war, war er nicht mehr in die Schule gekommen und der Schulleiter konnte eine schriftliche Abmeldung nachweisen.

Sicherlich war ich enttäuscht und sehr traurig, denn ich hätte ihn noch gerne ein mal gesehen. Vielleicht hätte ich ihm noch etwas dankbares gesagt. Schließlich hatte er mein Leben verändert, sodass ich keinen Gedanken mehr an Tod verschwendet hatte. Meine Lage hatte sich gebessert und das verdanke ich nur ihm.

Mein seelischer Hilfeschrei wurde erhört und mich hatte ein Held gerettet. Ich hoffe, dass er eines Tages auch erhört wird.



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