Zum Inhalt der Seite

In Medias Res

Die Drei Fragezeichen
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Teil 1

Die Drei Fragezeichen

In Medias Res
 

~

Es ist kein Meisterwerk - aber ich konnte nicht anders, als meine drei Lieblingsdetektive mit einer Fanfic zu "beehren" (eher eine zweifelhafte Ehre).

Außerdem versuche ich, wieder zu meinem schreiberischen Ich zurückzufinden. :3
 

Oh, und natürlich sind die Charas OoC, nur damit das erwähnt wurde und man mir daraus keinen weiteren Strick drehen kann (sowie dass sie nicht mir gehören und alles Weitere). :)

~
 

Teil 1
 

Es klopfte an der Tür zur Zentrale.

Justus legte den Hörer des Telefons zurück auf die Gabel, lehnte sich in dem Stuhl zurück. „Ja?“, murmelte er abwesend.

Es war etwas Fürchterliches war passiert. Inspektor Cotta hatte ihn so eben darüber informiert. Der Schrecken saß ihm noch so sehr in den Knochen, dass er die Umgebung überhaupt nicht richtig wahrnahm. Nicht das stete Krächzen von Blacky, nicht der Aktenberg neben ihm auf dem Schreibtisch, der jeden Moment umzukippen drohte. Noch nicht einmal die drückende Hitze schien ihm etwas auszumachen.

Generell ein sehr seltener Zustand bei Justus Jonas.

Die Tür öffnete sich.

Skinny Norris betrat den engen Wohnwagen, sah sich mit Justus‘ nachdenklichem Gesicht konfrontiert.

„Hey Jonas, wo ist Shaw?“, fragte er ruppig, blickte sich unauffällig in der Zentrale um. Draußen hatte er sich ebenfalls bereits nach Peter umgesehen, jedoch nirgendwo entdecken können.

Verwirrt wandte sich Justus ihrem langjährigen Widersacher zu.

„Skinny? Warum willst du das wissen?“ Allein an seiner Art und Weise, wie er sprach, merkte man, dass ihn die vorherige Information doch sehr mitgenommen hatte. Er war noch nicht einmal in der Lage, das angebrachte Misstrauen gegenüber Skinny zu empfinden.

„Ich will ihn nur kurz sprechen.“, erwiderte Skinny knapp.

„Das geht nicht, er wurde entführt.“ Justus starrte auf einen imaginären Punkt auf dem Schreibtisch.

Ihm schien nicht klar zu sein, was er seinem Widersacher so eben eröffnet hatte. Ansonsten hätte er sich sicherlich so heruntergespielt, dass Skinny noch nicht einmal mehr auf die Idee gekommen wäre, dass diese Aussage der Wahrheit entsprochen hätte. Aber Justus Jonas war nicht bei Sinnen, wenn man so wollte.

Daher verschwand Skinny auch ohne ein weiteres Wort zu verlieren aus dem Wohnwagen. Er wusste alles, was er hatte erfahren wollen. Und das passte ihm überhaupt nicht.

Er ignorierte die Frage, die ihm von Mrs. Jonas gestellt wurde. Ob sie ihm helfen könne, ob er was Bestimmtes suche.

Es war also wahr, was er letztens von Robert gehört hatte. Macey wollte den drei Fragezeichen einen eindeutigen Denkzettel verpassen. Es war damals nicht sonderlich klug von ihnen gewesen, sich mit Frank Macey anzulegen; aber sie konnten ja einfach nicht anders, als ihre Nase in Dinge hineinzustecken, die sie definitiv nichts angingen.

Skinny knurrte, als er seinen Sportwagen aufschloss und sich auf den Fahrersitz fallen ließ. Wütend schlug er mit der Hand auf das Lenkrad.

Aber warum hatte Macey unbedingt Peter nehmen müssen?
 

Stöhnend drehte er das Gesicht aus der Sonne. Sein Kopf dröhnte. Alles schmerzte.

Scheiße.

Er hatte Glück gehabt, dass er sich noch bis in seine Wohnung hatte schleppen können. Dass er nicht mehr bei seinen Eltern wohnte, kam ihm jetzt wohl auch sehr zugute. Im Grunde waren sie zwar nette Menschen, aber auch sie hatten eine Toleranzgrenze. Und wenn ihr Sohn mitten in der Nacht vollkommen lädiert bei ihnen auftauchen würde, wäre diese Grenze sicherlich überschritten.

Skinny setzte sich auf. Missmutig besah er sich die aufgeschrammte Haut an seinem linken Arm. Das würde eine ganze Weile brauchen, bis das verheilt war. Auch das Veilchen am rechten Auge würde wohl nicht so rasch verschwinden. Zwar sah er es noch nicht, doch er spürte es unangenehm pochen. Ein klares Indiz dafür, dass er sich ein blaues Auge eingehandelt hatte.

Ein Seufzen entfloh seinen Lippen. Den metallischen Geschmack auf seiner Zunge sollte er schnellstens loswerden.

Vielleicht sollte er, ohne in den Spiegel zu schauen, erst unter die Dusche steigen und danach seine Wunden verarzten. Blaue Flecke hatte er sicherlich auch in Massen.

Maceys Leute waren gestern nicht gerade zimperlich mit ihm umgesprungen, aber er hatte es ja nicht anders gewollt. Und er wusste, dass, wenn er noch einen unbedachten Schritt tun würde, würde es lange nicht mehr so glimpflich ausgehen.

Trotzdessen, dass ihm so gut wie jeder Muskel in seinem Körper wehtat, lächelte er schmal.

Wenigstens hatte er es geschafft, dass Macey für die nächste Zeit keinen blauen Himmel mehr sehen würde. Und dass Peter frei war.

Dem Himmel sei Dank.

Erleichtert schloss er die Augen und ließ sich wieder zurück auf den Boden sinken. Das war das Wichtigste.
 

„Hey Peter!“

Justus und Bob traten in das Krankenzimmer, grinsten ihrem Freund entgegen, der in einem Bett lag und sich zur Begrüßung aufrichtete.

„Just, Bob!“ Peters Gesicht strahlte.

Bob schloss die Tür hinter sich, kam zu seinen beiden Kollegen an das Bett.

„Da vorne stehen Stühle, setzt euch doch.“ Die zwei folgten Peters Aufforderung und schon saßen sie neben seiner Liegestatt.

Peter fühlte sich schon wesentlich besser als vor drei Tagen, nachdem er im Krankenhaus von Santa Monica eingeliefert worden war. Die Polizei von Rocky Beach, allen voran Inspektor Cotta, hatten ihn aus den Fängen seiner Entführer befreit. Der Kopf der Bande saß jetzt in Untersuchungshaft und würde dort wohl so schnell auch nicht herauskommen.

Dies hatte Peter gestern erleichtert aufatmen lassen. Mehr hatte Cotta aber nicht verraten wollen, eher hatte er auf den Besuch seiner Freunde verwiesen.

Und eben diese befanden sich jetzt hier bei ihm, daher wartete Peter gespannt auf ihren Bericht.

„Also, was war das jetzt mit der Entführung? Wie konnte die Polizei das Versteck so schnell finden?“, verlangte der Zweite zu wissen.

Justus räusperte sich und Bob nickte bedächtig.

„Ich denke, das sollte Just berichten.“, meinte Letzterer, worauf sich die gesamte Aufmerksamkeit auf den ersten Detektiv fokussierte.

„Was weißt du denn schon?“

Peter zuckte mit den Schultern. „Nicht viel. Nur, dass Macey derzeit in U-Haft sitzt. Mehr eigentlich nicht.“

„Mh, ich dachte, Cotta hätte dich bereits darüber aufgeklärt.“, murmelte Justus abwesend, fing sich aber sogleich wieder. „Wir hatten einen Insider, der uns das Versteck verraten hat. Andernfalls hätten wir dich wirklich nie so schnell ausfindig machen können.“ Er kaute auf der Lippe herum.

Peter runzelte die Stirn. Seit wann hatten sie denn Freunde unter Verbrechern? Das war ja etwas ganz Neues.

„Wer war es?“ Etwas Schweres lag in der Luft. Es war keine Spannung, aber dennoch irgendwie drückend und unangenehm. Peter fühlte sich unbehaglich; es war dieses Gefühl, dass ihm die Antwort nicht gefallen würde.

„Skinny.“

„Skinny?!“, echote Peter ungläubig, „Woher wusste er das? War er etwa daran beteiligt?! Wenn ja, schwöre ich euch, dass er-“

Jetzt griff Bob ein, hob beschwichtigend die Hände.

„Nein, Peter. Auch wenn ich es nicht gerne sage, du tust ihm Unrecht. Er wollte noch nicht einmal das Geld annehmen, das er für deine Befreiung bekommen hätte.“

„Außerdem hab ich gehört, dass er von Maceys Leuten noch ziemlich verprügelt worden ist.“, fügte Justus hinzu.

Der Verletzte jedoch verstand die Welt nicht mehr. Warum sollte Skinny Norris etwas vollkommen Uneigennütziges tun? Zu seinem, nämlich Peters, Wohlergehen?! Und dann noch nicht einmal das Geld annehmen? Das klang überhaupt nicht nach dem Skinny, den sie über die Jahre hinweg kennen und hassen gelernt hatten.

„Wir mussten ihm versprechen, uns aus der Sache herauszuhalten. Nicht weiter an dem Fall Macey zu arbeiten, selbst wenn die Polizei ihn jetzt wieder neu aufrollt.“

Stille legte sich über das Krankenzimmer.

Mit einem Mal war ihm die Anwesenheit seiner Freunde überhaupt nicht mehr angenehm. Peter wollte allein sein. Darüber nachdenken, was Skinny für ihn getan hatte. Er hatte ihn gerettet. Ohne ihn wäre ihm sicherlich noch Schlimmeres zugestoßen – vielleicht hätten die Entführer ihn sogar umgebracht.

Doch Skinny hatte ihn befreit. Hatte anscheinend sogar in Kauf genommen, dass er später übel zugerichtet wurde. Und das alles nur, um ihn zu retten? Das konnte doch wohl nicht alles gewesen sein.

„Hat er sich noch mal bei euch gemeldet?“, fragte Peter schließlich.

Justus schüttelte den Kopf. „Nein.“, er sah, wie sein Freund unter den neuen Gegebenheiten litt, „Hey, Peter. Mach dir keine Gedanken darum. Wir wissen alle nicht, warum er es getan hat.“

Bob stimmte ihm zu. „Wenn wir ihm das nächste Mal begegnen, sagen wir einfach Danke und damit hat sich’s.“

Wie gerne würde der Zweite ihm zustimmen. Wie gerne würde er das einfach auf sich beruhen lassen. Aber das konnte er nicht. Es widerstrebte ihm schlichtweg, Skinny dankbar zu sein.

Nie hatte er ihnen etwas geschenkt oder ihnen geholfen. Warum jetzt auf einmal? Warum gerade dann, wenn sie ohne ihn niemals weitergekommen wären?

Was hatte ihn dazu veranlasst?

„Woher wusste er es eigentlich?“

Bob wollte auf diese Frage antworten, aber Justus kam ihm zuvor. Er wirkte zerknirscht, als Peter ihn anblickte.

„Nun, ich schätze, das wusste er wohl von mir.“

„Wie bitte, Justus?! Wie kommst du dazu?!“ Dieses Mal war es nicht Peter, der seiner Empörung Luft gemacht hatte, sondern Bob. Der dritte Detektiv sah seinen Kollegen schockiert an, hatte er wohl selbst angenommen, Skinny hätte es durch seine kriminellen Kontakte gewusst. Daraufhin rang Justus mit den Händen.

„Es ist mir so herausgerutscht, als Cotta in der Zentrale angerufen hatte.“

„Es ist dir so herausgerutscht?! Das war unverantwortlich von dir! Du kannst es doch nicht jedem erzählen, der dir gerade so über den Weg läuft!“

Peter war froh, dass Bob seine Ansicht vertrat und er selbst nicht diese Diskussion führen musste. Justus war ja bekanntlich sehr hartnäckig und der Zweite fühlte sich im Moment wahrlich nicht dazu in der Lage, ihm Paroli zu bieten.

Bob hingegen bot ihm ohne Unterlass die Stirn; so lange, bis Justus der Kragen platzte.

„Verdammt noch mal! Was hätte ich denn machen sollen, als er nach Peter gefragt hat und ich noch unter Schock stand?!“

Auf einmal herrschte eine Totenstille im Krankenzimmer. Peter wurde übel, spürte beinahe, wie jegliche Farbe aus seinem Gesicht wich.

Mit einem besorgten Seitenblick auf ihn meinte Bob: „Lass uns gehen. Ich denke, Peter braucht jetzt ein wenig Ruhe nach dem Schrecken.“

Es wurden keinerlei Abschiedsworte mehr unter den drei Freunden gesprochen, die Tür wurde leise von außen ins Schloss gezogen.

Peter atmete laut die unbewusst angehaltene Luft aus, zog die Beine an und bettete seinen Kopf darauf.

Was hatte das alles nur zu bedeuten? Was sollte er nur davon halten?

Das Gefühl der maßlosen Überforderung machte sich in ihm breit. Er hatte das Gefühl, kaum Luft zu bekommen, traute sich jedoch nicht, sich aus seiner jetzigen Position zu bewegen, aus Angst, dass es dann noch schlimmer werden würde.
 

~

Teil 2

Die Drei Fragezeichen

In Medias Res
 

~

Wir sollten wirklich alle daran arbeiten, dass es endlich eine Kategorie für die Drei Fragzeichen gibt!^^

Frohes Schaffen XD
 

Mh. Peter fällt irgendwie total aus seiner Rolle. ö.ö Aber keine Bange - es wird noch schlimmer *hüstel*

~
 

Teil 2
 

Kaum seine Umgebung beachtend joggte Peter an der Promenade entlang. Es war schon verhältnismäßig spät für seinen Abendlauf, er hatte sich aber nicht früher von Kelly loseisen können. Seit der Entführung war sie unangenehm anhänglich geworden.

Peter mochte sie sehr gern, aber mit ihrer neusten Angewohnheit, jeden seiner Schritte zu überwachen, ging sie ihm gehörig auf die Nerven. Daher war er auch nicht, wie er ihr hoch und heilig hatte versprechen müssen, auf direktem Wege nach Hause gegangen, sondern hatte seinen Abendlauf nachgeholt. Oder eher: War dabei, ihn nachzuholen.

Da er so in Gedanken versunken seine Strecke ablief, nahm er nur aus den Augenwinkeln die in sich zusammengesunkene Gestalt wahr, die auf einer der Bänke saß. Doch etwas in seinem Unterbewusstsein veranlasste ihn dazu, den Kopf zu wenden und diese Person einen kurzen Augenblick lang näher zu mustern.

Als Peter erkannte, wer das war, schreckte er vollkommen aus seinen Gedanken und strauchelte, fing sich aber im letzten Moment. Um der Gefahr zu entgehen, doch noch über die eigenen Füße zu stolpern, blieb er stehen.

Der junge Mann auf der Bank war niemand anderes als Skinny Norris. Peters Lebensretter, wenn man so wollte.

Peter wusste nicht so recht, was er jetzt tun sollte. Einerseits hatte Skinny ihn sicherlich schon bemerkt, aber andererseits wüsste er auch nicht, was er sagen sollte. Als hätte Skinny seine Unentschlossenheit gespürt, blickte er auf.

Er sah nicht gut aus. In dem faden Licht der Laterne und dem restlichen Sonnenschein bemerkte Peter den bläulichen Schimmer um sein rechtes Auge herum. Auch wirkte er müde und ausgelaugt.

„Hey Peter.“, begrüßte er ihn.

Zögerlich schritt Peter auf die Bank zu, setzte sich schließlich. Skinny hätte ihn ja sicherlich nicht befreit, wenn er ihn nun verprügeln wollen würde.

„Skinny.“, nickte Peter, wusste auch jetzt nicht, was er sprechen sollte.

Sicher, so einige Fragen brannten ihm unter den Nägeln, doch irgendwie erschien es ihm nicht passend, sie jetzt so ohne Weiteres zu stellen.

„Wie geht es dir?“

Hätte nicht eher Peter diese Frage stellen müssen?

„Ganz gut soweit.“

Skinner lächelte zaghaft – wobei Peter nicht genau benennen konnte, ob es wahrlich ein Lächeln war, das er da in dem schummrigen Licht zu sehen glaubte. Schließlich hätte das nicht wirklich zu diesem Gauner gepasst. Auch wenn es ihn in gewisser Weise menschlicher machte.

„Und dir?“, wagte Peter den Vorstoß, wusste noch nicht so recht, ob das eine gute Idee gewesen war. Denn Skinny lachte freudlos auf.

„Oh ja, mir geht es prächtig.“, meinte er ironisch, verzog dabei das Gesicht, ganz so als hätte er Schmerzen.

„Das war eine ernst gemeinte Frage.“ Es war mehr ein Fauchen, als eine Aussage. Peter wurmte es, dass der andere seine Sorge nicht ernst nahm. Und dabei hatte sich Peter noch nicht einmal Sorgen machen wollen! Aber so wie Skinny hier eingeknickt auf der Bank saß und scheinbar krampfhaft versuchte, seinen Gesichtsausdruck entspannt wirken zu lassen, hatte er einfach nicht anders können.

„Wie soll es mir schon gehen, Pete?“

Der Sportler stutzte bei der Nennung seines Spitznamens. Gewöhnlich nannten ihn nur Justus und Bob so und auch das war eher eine Seltenheit. Noch bevor er nachhaken konnte, fuhr Skinny fort: „Ich wurde in den letzten zwei Wochen dreimal verprügelt und es ist kein Ende in Sicht. Wenn alles glatt läuft, haben sie in drei Monaten genug. Oder ich bin vorher schon nicht mehr als menschliches Wesen zu erkennen und sie finden mich nicht mehr.“

Der Tonfall war bitter und wider Willen fühlte sich Peter ungemein schuldig. Anscheinend hatte man ihm das auch angesehen, denn als Skinny ihm ins Gesicht blickte, lachte er leise auf.

„Zieh nicht so ein Gesicht, Peter. Irgendwer hätte es so oder so abbekommen. Aber lieber krieg ich es ab als du.“

Diese wenigen Worte ließen alles in Peter verstummen. Die Worte, die er zuvor hatte sagen wollen. Die Fragen, die zuvor beständig in seinem Inneren rumort hatten. Die Gedanken, die er sich bis eben noch gemacht hatte.

Lieber ich als du.

Doch dann strömte jede Empfindung wieder zurück in Peters Körper. Wütend sprang er auf.

„Warum hast du mich überhaupt gerettet?!“, brüllte er. Die wenigen Passanten, die noch über die Promenade schlenderten, maßen ihn mit einem abfälligen Blick.

„Verschwinde doch einfach! Wander aus, so wie du es immer machst, wenn du mal wieder in der Scheiße sitzt. Das kannst du doch sonst auch wunderbar, kommst immer erst dann gemütlich nach Rocky Beach zurück, wenn die Luft rein ist!“

Peter verstand Skinny einfach nicht.

Warum wich er so sehr von seiner eigentlichen Verhaltensweise ab? Das war doch vollkommen gegen seine verbrecherische Natur.

Skinny ließ den Kopf auf die Brust sinken, was den Sportler nur noch mehr verwirrte.

„Ich kann nicht gehen.“, erwiderte er dann.

Peter dagegen ließ ein verächtliches Zischen hören, machte sich auf, nach Hause zu gehen. Wenn er hier noch länger bleiben würde, würde er noch verwirrter und wütender werden.

Durch einen Ausruf hielt Skinny ihn zurück, jedoch nur kurzzeitig.

„Wenn du was dagegen unternehmen willst, ich hätte da eine Möglichkeit für dich: Sag Baby Fatzo, dass er seinen dicken Arsch aus dem Fall Macey raushalten soll. Ich hatte es ihm einmal gesagt und verlass dich drauf, dass ich mir nicht dafür zu schade bin, ihn meine Schmerzen spüren zu lassen.“

Obwohl diese Drohung nicht ihm selbst galt, rieselte es Peter eiskalt den Rücken herunter.

Das war schon eher der Skinny Norris, den er kannte.
 

Die Sonne brannte ihm unangenehm auf den Rücken, als er endlich auf den Schrottplatz der Firma Titus Jonas fuhr.

Peter bremste, stieg vom Fahrrad ab und schob es die letzten Meter bis zum Haus der Jonas‘. Er vermutete stark, dass Justus nicht dort, sondern in der Zentrale anzutreffen war, daher klopfte er erst gar nicht an der Verandatür.

Rasch war der Weg zum Wohnwagen zurückgelegt und er öffnete den Eingang zum Wohnwagen. Ein Schwall kühler Luft kam ihm entgegen, entlockte ihm ein angenehmes Seufzen. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, schloss er die Tür hinter sich.

Wie er es erwartet hatte, saß Justus am Schreibtisch. Seine Haare wurden immer dann ein wenig nach oben geblasen, wenn die drei Ventilatoren in seine Richtung wiesen. Peter trat näher und erkannte mit einem Blick über die Schulter des Jungen, dass er handschriftliche Aufzeichnungen vor sich liegen hatte und wohl über ihnen brütete.

„Hey Just.“

„Hi Peter. Was führt dich hierher?“ Justus blickte noch nicht einmal auf. Peter ging nicht auf die Frage ein, sondern besah sich die Notizen näher. Er kannte sie. Und zwar besser, als ihm lieb war.

„Sind das die Sachen vom Macey-Fall?“, fragte er misstrauisch.

Sein Kollege nickte. Daraufhin verschränkte er die Arme vor der Brust und stierte auf Justus‘ Hinterkopf.

„Und darf ich fragen, warum du sie dir noch einmal anschaust?“

Als wäre es eine Selbstverständlichkeit, antwortete der andere: „Na, die Polizei bearbeitet den Fall doch jetzt weiter. Und die Drei Fragezeichen werden sicherlich nicht untätig daneben sitzen.“

Peter ließ ein entsetztes Keuchen hören, griff dann über die Schulter des anderen hinweg und riss ihm die Notizen aus den Händen.

„Bist du bescheuert?!“, fauchte der zweite Detektiv. Justus wandte sich mit einem fast gleichgültigen Gesichtsausdruck seinem Freund zu.

„Hast du schon vergessen, was du Skinny versprechen musstest?! Dass ich wegen diesem Mist entführt worden bin?! Ist dir nicht klar, dass das eindeutige Zeichen dafür sind, dass wir es dieses Mal einfach lassen sollten?!“

„Peter, ich glaube, du verstehst nicht-“, begann Justus, doch Peter winkte nur unwirsch ab.

„Ich glaube, jetzt verstehst du nicht, Justus! Diese Sache ist gefährlich! Verdammt gefährlich sogar! Das ist eine Nummer zu groß für uns!“

Ein Bild tauchte vor Peters innerem Auge auf. Skinny, wie er zusammengesunken auf dieser Bank gesessen hatte. Sein blaues Auge. Die Schrammen auf dem linken Handrücken. Peter hätte für einen kurzen Moment schwören können, dass er ihn berühren konnte. Aber das war natürlich Humbug.

Justus dagegen runzelte ärgerlich die Stirn.

„Es besteht überhaupt keine Gefahr mehr für uns. Die Polizei bearbeitet ja hauptsächlich den Fall und wenn wir da im Hintergrund ein wenig mitmischen, merkt das eh keiner.“

Empört stieß der Zweite die Luft aus seinen Lungen.

War ihm denn gar nicht bewusst, was noch für ein Risiko bestand?! Natürlich war Justus derjenige, der meist einen kühlen Kopf bewahrte und alles mit einem Blick durchschauen und analysieren konnte – aber er war letztendlich auch derjenige, der oftmals ein Wagnis einging, um ans Ziel zu kommen.

Nur jetzt war seine Risikobereitschaft gänzlich fehl am Platze.

Peter ließ die Zettel auf einen kleinen Tisch fallen, drehte sich danach um.

„Wenn du es nicht lassen willst, bitte. Aber ich arbeite an diesem Fall sicherlich nicht mehr mit. Und ich soll dir noch etwas von Skinny ausrichten.“, um zu sehen, wie der Erste reagieren würde, wandte er sich noch einmal um.

„Lass es dieses Mal sein. Er würde dich seine Schmerzen spüren lassen.“

Mit diesen Worten trat Peter aus dem Wohnwagen heraus, in die sengende Hitze des Nachmittags.

So hatte er sich seinen kleinen Besuch sicherlich nicht vorgestellt. Eigentlich hatte er gehofft, dass sie ein wenig plaudern würden. Oder Bob anrufen, um sich mit ihm am Strand zu verabreden.

Ein Seufzen glitt ihm über die Lippen, während er zu seinem Fahrrad schlurfte. Dann würde er eben Jeffrey fragen, er hätte bestimmt Lust, ein wenig surfen zu gehen – wenn er nicht schon längst dabei war.
 

~

Teil 3

In Medias Res

Die drei Fragezeichen
 

~
 

Ich wünsche viel Spaß bei diesem kurzen Kapitel. :D
 

~
 

Teil 3
 

Peter starrte die Decke an, hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt.

Erst letztes Jahr hatten sie sein Zimmer neu gestrichen – die vorherige Farbe war ein Mischmasch aus Grau und Weiß gewesen, nun jedoch leuchtete sein Zimmer in einem strahlenden Weiß.

Er lag auf der Couch in seinem Zimmer, der Ventilator summte leise, während er beständig seine Halbkreise drehte. Es war ihm, als könnte er die Hitze von draußen körperlich spüren, auch wenn es in seinem Zimmer angenehm kühl war – doch wenn er ehrlich zu sich selbst war, wollte er nur an nichts Bestimmtes denken.

Das Telefon klingelte. Träge legte er den Kopf auf die Seite, um zu seinem Bett hinüber schauen zu können. Dort lag die Errungenschaft der Technologie und blinkte passend zu dem Klingelton auf.

Peter machte sich nicht die Mühe aufzustehen und dranzugehen. Seine Eltern waren nicht zu Hause, würden demnach ebenfalls das Gespräch nicht entgegennehmen.

Doch wen kümmerte das schon? Es war sicherlich nur Kelly.

Die kleine, süße Kelly.

Die nerven konnte ohne Ende. Die auf eine Versöhnung bestand. Die andauernd um sein Wohlergehen besorgt war.

Wütend wandte Peter den Blick ab.

Er war doch kein kleines Kind mehr, dem man sagen musste, was es zu tun und zu lassen hatte! Natürlich war er sich im Klaren darüber, wie katastrophal diese Entführung hätte enden können, aber das hatte sie nun einmal nicht. Er war wohlbehalten zurückgekehrt.

Seit über zwei Wochen hatte der zweite Detektiv nun schon nicht mehr mit Justus geredet. Justus Jonas‘ Dickkopf zeigte sich mehr als deutlich, indem auch er keinen Versuch unternahm, Kontakt zu Peter aufzunehmen. Doch Peter sah nicht ein, weswegen er sich bei Justus entschuldigen sollte, so wie es Kelly ihm schon mehrere Male vorgeschlagen hatte.

Auch Bob hatte mittlerweile die Nase gestrichen voll. Er hatte gemeint, das sollten sie doch unter sich ausmachen und ihn nicht als Vermittler ausnutzen. Was verständlich war.

Das Läuten des Telefons verstummte.

Beinahe zeitgleich setzte das Klingeln seines Handys ein. Ein zorniger Laut entfuhr ihm, als er sich aufsetzte und nach dem Handy griff, das neben dem Sofa gelegen hatte. Er erwartete bereits, dass Kelly ruft an auf dem Display stand, doch er starrte überrascht auf den Schriftzug. Eine unterdrückte Nummer.

Peter runzelte die Stirn, setzte die Füße auf den Boden und wartete zwei weitere Tonfolgen ab. Dann ging er ran.

„Ja?“

„Hallo Peter. Geht es dir gut?“

Skinny! Verblüfft wäre ihm beinahe das Mobiltelefon aus der Hand gefallen.

„Skinny? Warum rufst du mich an?“

„Wie geht es dir?“, beharrte er auf seiner Frage. Nicht wissend, was dieses Beharren bezwecken sollte, antwortete der Zweite: „Gut, denke ich. Aber warum?“

Es war ein erleichtertes Seufzen vom anderen Ende der Leitung zu hören, dann jedoch wurde die Stimme ernst.

„Ihr habt euch nicht rausgehalten.“

Ärger wallte in Peter auf. „Justus macht weiter, nicht ich.“, grollte er, seine Finger krampften sich um das Telefon.

„Da machen die keinen Unterschied. Pass auf dich auf.“

„Was soll das, Skinny?“

Eine Antwort auf seine Fragen erhielt er nicht mehr – es sei denn, das Hupen deutete er als eine solche. Aber er hätte nicht gewusst, wie.
 

„Guten Abend, Mr. Andrews. Bob ist in seinem Zimmer, nehme ich an?“

Peter lächelte den Journalisten der L.A.-Post verschmitzt an. Dieser nickte daraufhin.

„Natürlich. Wenn ihr nachher noch Hunger habt, im Kühlschrank stehen die Reste von heute Mittag. Einfach aufwärmen.“

Damit verschwand er auch schon im Wohnzimmer.

Peter machte sich nichts aus dieser scheinbaren Unhöflichkeit – schließlich ging er in diesem Haus des Öfteren ein und aus, so dass er sich hier sehr heimisch fühlte. Pfeifend ging er den Flur entlang, bis er vor Bobs Zimmertüre hielt.

Von dort hörte er ihn sprechen.

Ohne anzuklopfen betrat er den Raum und sah Bob, wie er am Schreibtisch saß, einen Stift zwischen den Fingern und den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt. Als er hörte, dass jemand eintrat, sah er kurz hoch und deutete mit einer abgehakten Handbewegung auf das Bett, während er wohl weiterhin der Person am anderen Ende lauschte.

„Nee, lass mal. Vielleicht irgendwann anders.“, sagte er gerade, nachdem sich Peter auf das Bett fallen gelassen hatte.

„Erst wieder nächsten Monat? Ja, gut, dann geht es eben nicht anders. Nein, es passt mir wirklich nicht.“ Bobs Stimme würde ärgerlicher. „Stell dich nicht so an. Es ist immer noch meine Sache.“

Peter ließ solange seinen Blick durch das Zimmer schweifen. Es war lange nicht so groß wie sein eigenes, doch das Regal, das von Büchern und CDs überquoll, sowie der Sessel und die ordentlich abgestellten Ordner verliehen ihm dennoch eine gewisse Art von Gemütlichkeit. Auch wenn man es vielleicht nicht glauben mochte. Vor allem Bobs penibler Ordnungssinn widersprach meistens seiner eigenen Definition von Gemütlichkeit.

Durch ein Seufzen machte Bob auf sich aufmerksam und zeigte somit an, dass er das Telefonat beendet hatte.

„Wer war’s?“, wollte Peter wissen.

„Jelena. Wir hatten am Wochenende auf ein Klavierkonzert gehen wollen, aber ich kann nicht.“

Zwar schien es Peter merkwürdig, dass gerade Bob – derjenige, der für jedes Musikevent seines Geschmacks alle anderen Termine cancelte und wenn es auch noch so viel Unannehmlichkeiten mit sich bringen sollte – ein Konzert absagte, aber er äußerte vorerst nichts, auch wenn es wahrhaftig sonderbar war. Vor allem, da es Jelena betraf. Diese ließ sich ja bekanntlich nicht von so einer Kleinigkeit, nämlich einer anderweitigen Verpflichtung, aufhalten.

„Wie war deine Radtour mit Jeffrey gestern?“, fragte Bob, um wohl vom Thema abzulenken. Daraufhin zuckte der andere mit den Schultern.

„Ganz okay. War ja zum Glück nicht so heiß.“

Bob nickte zustimmend. Er selbst erzählte, dass er den letzten Tag in der Musikagentur verbracht hatte. Bei der Erinnerung daran stöhnte er leidvoll. „Und morgen soll ich auch noch aushelfen. Peggy ist plötzlich krank geworden.“

„Peggy?“, wiederholte Peter neugierig, während er eine Zeitschrift unter dem Bett hervor fischte und daraufhin durchblätterte. Sie handelte von kommenden CD-Veröffentlichungen, Interviews mit Musikern waren ebenfalls abgedruckt neben Kommentaren über vergangene Konzerte.

Bob lehnte sich in dem Stuhl zurück, stützte das Knie an der Schreibtischkante ab. Ein schelmisches Grinsen umspielte seine Lippen. „Nicht so eine, wie du schon wieder denkst.“, winkte er entgegen des ersten Eindrucks ab, „Sie ist eine nette Dame mittleren Alters, die ziemlich gut darin ist, einen Haufen Arbeit zurückzulassen. Manchmal erweckt es wirklich den Eindruck, sie schafft mehr Arbeit, als sie wegarbeitet.“ Peter lachte.

Bob erlaubte sich nur ein kleines Lächeln, bevor er sein Gesichtsausdruck wieder ernst wurde. „Wo wir gerade schon beim Thema sind…“, er zögerte einen Moment, „Wie geht’s dir eigentlich?“

Der zweite Detektiv ließ von dem Heftchen ab, das er nur sporadisch überflogen hatte und richtete sich aus seiner liegenden Position auf. Unschlüssig hob er die Schultern. „Weiß nicht do genau. Aber es passt schon.“

Wenn er ehrlich war, schmerzte diese Trennung nicht so sehr, wie sie vielleicht sollte. Er fühlte sich eher von einer Last befreit – und das empfand er bei Weitem nicht als fair. Er mochte Kelly noch immer gern und hatte eine tolle Zeit mit ihr gehabt. Sie war ein wundervolles Mädchen und diese Gleichgültigkeit ihrer Trennung gegenüber von seiner Seite wurde ihr einfach nicht gerecht. Was ihn letztendlich also wirklich plagte, war das schlechte Gewissen.

„Hey, Peter! Noch anwesend?“

Peter grinste und schlug Bobs Hand beiseite, die vor seinem Gesicht herumgewedelt hatte. „Ja.“, das Wort zog er unnatürlich in die Länge. Und kaum, dass er sich’s versah, hatten die beiden wieder ein unverfängliches Gesprächsthema begonnen. Manchmal war es in einer Freundschaft wirklich einfach – wenn Justus nicht so einen Sturkopf wäre, könnten sie sogar zu dritt wieder über Banalitäten plaudern.
 

~

Teil 4

In Medias Res

Die Drei Fragezeichen
 

~
 

Ich bin gerade nicht fähig, mich zu irgendwas zu äußern.

Außer: Ich wünsche Spaß und das erfolgreiche Übersehen, falls es zu sehr OoC wird :'D

Oh, und: Länger als sonst! ;)
 

~
 

Teil 4
 

Unsicher sah Peter sich um. Er wusste noch immer nicht so recht, ob er gerade das Richtige tat.

Natürlich, im Laufe der vergangenen Wochen und letztendlich Monaten hatte sich sein Verhältnis zu Skinny erheblich verbessert. Und es war auch um einiges entspannter geworden, nachdem Maceys Schläger anderes zu tun gehabt hatten, als Skinny beinah krankenhausreif zu prügeln. Warum auch immer.

Peters Herz schlug heftig gegen seine Brust. Den genauen Grund, weshalb er so aufgeregt war, wusste er selbst nicht. Schließlich hatten er und Skinny in den letzten Wochen so oft miteinander telefoniert, dass Peter sie schon als Freunde bezeichnen würde. Außerdem waren sie sich vor der Entführung und dem Ganzen ja auch das ein oder andere Mal über den Weg gelaufen.

Doch jetzt wirklich mit ihm von Angesicht zu Angesicht zu sprechen – als Freunde – erschien ihm so unwirklich, dass es ihn irgendwie ängstigte.

Peter zwang sich zur Ruhe, indem er zweimal tief ein- und ausatmete. Es konnte ja wohl nicht angehen, dass er sich wie ein kleines Mädchen aufführte. Damit er nicht spüren musste, wie seine Knie zitterten, setzte er sich an einen Tisch des Cafés, in dem sie sich verabredet hatten, und bestellte sich bei einer Kellnerin, die herangeeilt war, einen Kaffee. Während er auf sein Getränk wartete, zupfte er nervös an einer Serviette herum, warf ab und an einen Blick auf die Armbanduhr, blätterte durch die Getränkekarte, schob den Aschenbecher von der einen Seite des Tisches auf die andere.

Mittlerweile war es vier Uhr; Peter hatte seinen Kaffee ausgetrunken, die Karte auswendig lernen können und bereits jeglichen Standort des mit der zerpflückten Serviette gefüllten Aschenbechers begutachtet. Eine gute Stunde harrte er schon aus und wurde zusehends ungeduldiger. Sein Handy lag neben der Tasse und unterhalb des Aschenbechers, wurde immer mal wieder kritisch beäugt, ganz so als könnte dieses kleine Gerät etwas für seine derzeitige Situation.

Wenn er später kam, warum hatte ihm Skinny dann nicht wenigstens eine SMS geschrieben? Es war ja nicht so, dass er in den letzten vierundsechzig Minuten unerreichbar gewesen wäre.

Peter seufzte ärgerlich, kramte in seiner Hosentasche nach ein paar Dollar, um damit seine Rechnung zu begleichen.

Er würde jetzt nach Hause gehen. Neue Freundschaft hin oder her – es hatte ja anscheinend doch keinen Wert. Skinny Norris blieb wohl einfach unzuverlässig.

Gerade als er aufgestanden war und den Stuhl an den Tisch geschoben hatte, sah er aus den Augenwinkeln eine ihm bekannte Statur. Er drehte den Kopf in Richtung Straße und erblickte Skinny, der betreten die Hände in den Hosentaschen seiner Jeans vergraben hatte und scheinbar reumütig auf den Boden starrte.

Entschlossen schritt Peter auf ihn zu und baute sich vor ihm auf.

„Oh, Skinny, welch Überraschung. Schön, dass du dich auch noch hier einfindest.“, meinte er kühl. Skinny schien trotz seiner Größe ein wenig in sich zusammenzusinken.

„Tut mir Leid, Pete.“ Der Blonde hob den Blick. „Hast du dennoch zwei Minuten für mich

übrig?“

Es war der Ausdruck in den Augen seines Gegenübers und die seltene Nennung seines Spitznamens, was Peter dazu veranlasste zuzustimmen – aber in einer eher unwilligen Tonlage. Ein dankbares Lächeln war der Lohn.

Zu zweit schlenderten sie die Straße hinunter, in den Park hinein, schweigend. Solange bis Peter fragte: „Warum bist du so spät?“

Skinny blieb abrupt stehen, so dass der andere ebenfalls Halt machte.

„Ich halte nicht viel davon, um den heißen Brei herum zu reden“, fing Skinny an, „Also machen wir es kurz: Ich hatte mir ein Ultimatum gestellt. Noch bevor wir regelmäßig miteinander telefoniert hatten. Und zwar, dass ich, wenn ich das nächste Mal Rocky Beach verlasse, dir gestehe, warum ich dich befreit hatte.“

Peter merkte, dass es ihm unangenehm war, war im Moment aber viel zu neugierig als die Möglichkeit vorzuschlagen, es sein zu lassen.

Seit sie sich angefreundet hatten, hatte Peter nicht einmal danach gefragt. Er war der Ansicht gewesen, dass Skinny es schon sagen würde, wenn er es für richtig hielt – in dieser Beziehung hatte Justus wohl auf den Sportler abgefärbt. Abwarten und nichts erzwingen.

„Von Jonas hatte ich ja erfahren, dass du von Maceys Leuten gekidnappt worden bist. Zuvor hatte ich auch schon von Robert so etwas in die Richtung läuten hören.“ Ganz langsam setzte sich Skinny wieder in Bewegung, hielt aber schon nach zwei Schritten inne. Blickte Peter nicht ins Gesicht.

„Ich wollte nicht, dass du Schaden nimmst. Ich war so geschockt, als ich von der Entführung erfahren hatte, dass ich das alles ein wenig überstürzt hatte. Deswegen waren Maceys Leute so schnell zur Stelle.“

Peter verstand nicht, worauf der andere hinauswollte. Er schloss zu ihm auf. „Aber warum? Warum hast du mich gerettet? Du hattest doch überhaupt keinen Grund dazu.“

Der Blonde blickte ihm in die Augen.

„Weil ich mich in dich verliebt habe.“

Wie vom Donner gerührt starrte Peter ihn an.

Das war ein Scherz. Bestimmt. Ein bösartiger, aber ein Scherz.

Ihm schlug das Herz bis zum Hals, erschwerte ihm das Luftholen. An Sprechen war überhaupt nicht zu denken.

Wie von selbst bewegte er sich rückwärts – sein Fluchtinstinkt war geweckt. Und jetzt war auch kein Justus Jonas anwesend, der ihn ermahnt hätte, doch nicht ein solcher Angsthase zu sein.

„Peter.“

Als wäre die Nennung seines Namens der Startschuss gewesen, drehte sich Peter auf dem Absatz um und rannte weg.
 

Sein Atem ging schnell.

Ungeduldig drückte er den Klingelknopf. Noch einmal – ein weiteres Mal. Peter kaute auf seine Unterlippe, blickte sich um und wandte danach den Kopf wieder der Tür zu. Er wippte auf und ab.

Wieso machte denn niemand auf? Er hatte doch zuvor ein Licht in der Küche gesehen.

Erst nach einer gefühlten Ewigkeit schien sich etwas im Inneren des Hauses zu regen. Das Licht im Vorraum ging an, dann wurde die Tür geöffnet.

Justus Jonas zog die Augenbrauen nach oben, als er erkannte, wer ihn da aus seinem Mittagsschläfchen gerissen hatte. Sein Schlabbershirt und die weite Jogginghose sprachen zumindest dafür, dass er bis vor Kurzem noch im Land der Träume geweilt hatte. Wahrscheinlich hatte Justus mal wieder vergessen gehabt, die Lampe über dem Herd auszuschalten.

„Peter?“

„Kann ich reinkommen?“

Der Streit, den sie eigentlich noch hatten, war für einen Moment vergessen. Scheinbar hatte Justus instinktiv gemerkt, dass sein Freund ihn gerade brauchte und dass ihm nicht der Sinn danach stand, ihre Unstimmigkeit nun auszudiskutieren.

„Geh in die Küche. Willst du was trinken?“

Peter nickte kurz. Seine Gedanken wollten nicht zur Ruhe kommen. Er strich sich über die Stirn, stützte seine Ellbogen auf dem Tisch ab, nachdem er sich gesetzt hatte. Atmete tief ein und aus.

Das Licht war wirklich noch an. Irritiert sah er auf, als ihm ein Glas Wasser vor die Nase gestellt wurde.

„Bitte.“ Schwerfällig ließ sich Justus ihm gegenüber auf den Stuhl fallen.

Peters Hände griffen nach dem Glas, aber nicht, um es anzuheben, sondern einfach nur nach Halt suchend.

„Ich wusste nicht, zu wem ich sonst hätte gehen sollen.“, gestand der junge Mann, fixierte einen imaginären Punkt auf der Holzoberfläche. Seine Atmung hatte sich mittlerweile reguliert, aber dennoch fühlte er sich nicht besser. Was sollte er nur tun?

Schweigen herrschte im Raum, bis Peter seine merkwürdige Stimmung erklärte: „Man hat mir ein Liebesgeständnis gemacht.“

Justus‘ Grinsen wurde schelmisch, während er zusätzlich Orangensaft in die Gläser schüttete.

„Welches Mädchen hat sich dieses Mal Hoffnungen gemacht? Deine Trennung von Kelly hat sich ja bei den Mädels schnell rumgesprochen. Aber ich muss dich enttäuschen, Peter, der Titel Herzensbrecher ist schon an Bob vergeben.“ Er stellte den Orangensaft zurück in den Kühlschrank und gesellte sich danach wieder zu ihm an den Tisch.

Der zweite Detektiv schüttelte jedoch heftig den Kopf.

„Ich meine das ernst!“

Justus schnaubte nicht verstehend und verdrehte dabei die Augen. „Ich auch.“

„Du stellst dich doch sonst auch nicht so dumm an.“, hielt Peter seinem Kollegen vor; schließlich wusste er, dass Justus sehr eingeschnappt darauf reagierte, wenn man ihn an seinem Stolz bzw. an seiner Intelligenz anpackte und er daher sofort die richtige Frage stellen würde.

„Na gut, sind wir mal Detektiv.“, grollte der Dicke, nahm einen Schluck von seinem Saft. „Wer hat dir dieses Geständnis gemacht?“

Peter kratzte unbehaglich mit dem Fingernagel über das Holz. „Skinny.“

Augenblicklich verschluckte sich Justus, hustete, um die Flüssigkeit aus seiner Luftröhre zu bekommen. „Was hast du gesagt?“, wollte er krächzend wissen, aber nicht, weil er es akustisch nicht verstanden hatte, sondern weil er es einfach nicht glauben konnte. Als Peter es nicht wiederholte, tat er es für ihn.

„Skinny?“ Sein Gegenüber nickte.

„Der Skinny?!“ Wieder eine Bestätigung.

Unser Skinny?!“

Peter sah ihn aus verengten Augen an. „Sag es noch einmal und ich schlag dich.“, fauchte er. Er konnte es nicht gebrauchen, dass sich sein Freund jetzt indirekt über ihn lustig machte. Was er brauchte, war eine Lösung für dieses… Problem. Konnte man das nicht von einem Superhirn erwarten? So wie Justus ihn im Moment allerdings ansah, scheinbar nicht.

Peter seufzte, fuhr sich mit der Hand über die Augen. Er war müde, diese plötzlichen emotionalen Dinge waren wohl zu viel für seine Nerven. Gerade wollte er zum Sprechen ansetzen, als Justus ihm das Wort entriss.

„Also, Skinner Norris, unser langjähriger Widersacher, hat dir seine Liebe gestanden.“

„Ja.“

„Das ist… Es fällt mir wahrlich nicht leicht, das zu sagen, aber ich bin sprachlos.“ Das war bei Weitem kein häufiger Zustand.

„Was du nicht sagst. Da wäre ich im Leben nicht draufgekommen.“, erwiderte Peter sarkastisch. Er nahm sein Glas in die Hand, drehte es vor seinem Sichtfeld hin und her, so als suche er in der Flüssigkeit etwas. Was natürlich nicht der Fall war, aber er traute sich nicht, Justus in die Augen zu sehen.

„Was gedenkst du, nun zu tun?“

„Nichts?“, raunte Peter hilflos.

Gedankenverloren stand der erste Detektiv auf, nahm sein bereits leeres Glas mit und stellte es in die Spüle. Dort verweilte er einen Moment, bis er sich zu seinem Kollegen drehte und sich gegen die Anrichte lehnte.

„Magst du ihn?“

Der Zweite lachte humorlos auf. „Justus, ich bitte dich. Skinny ist unser Erzfeind.“

„Ja, und trotzdem hat er dich gerettet und du hast daraufhin eine rege Korrespondenz mit ihm gehabt.“

Erschrocken blickte Peter auf, ließ das Glas zurück auf den Tisch sinken. „Woher weißt du das?“ Justus sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.

„Wusste ich nicht. Aber du kennst doch das Vorgehen, um ein Geständnis herauszubekommen. Wie oft haben wir das schon bei den Kriminellen angewendet?“

Am liebsten hätte sich Peter mit der Handfläche auf die Stirn geschlagen – warum hatte er den Braten denn nicht sofort gerochen? Woher hätte es Justus auch wissen sollen? Niemand außer ihnen beiden hatte davon gewusst.

„Und nun?“

„Das frage ich dich, Peter. Du musst es selbst wissen.“ Unzufrieden verzog Angesprochener das Gesicht. Nur aus dem einen Grund war er hier: Um eine Lösung zusammen mit jemand anderem zu finden. Hätte er sie schon parat, würde er sicherlich nicht hier in der Küche der Familie Jonas sitzen und sich von Justus Predigten anhören. Das könnte er auch machen, wenn es nicht um so etwas Heikles ging.

„Hast du nicht wenigstens irgendeine abstruse Idee, die mir vielleicht bei der Entscheidung helfen könnte?“

Justus schüttelte wie selbstverständlich den Kopf. Nur war es bei ihm gerade nicht selbstverständlich, was Peter letztendlich dazu bewog, seine Situation als aussichtslos zu kennzeichnen. Das Beste wäre wohl, das Thema einfach totzuschweigen und Skinny nicht mehr über den Weg zu laufen.

Im Moment befand er seinen Plan für ziemlich gut; doch er ahnte, dass das ihm und seinem Gewissen nicht reichen würde.
 

~

Teil 5

In Medias Res

Die Drei Fragezeichen
 

~
 

Ich hatte irgendwann einmal so was wie eine Kapiteleinteilung gehabt. In meinem Kopf. Doof nur, dass ich den Platz in letzter Zeit anderweitig gebraucht hatte..

Tja, so kann's gehen.

Dennoch: Viel Spaß! :D
 

~
 

Teil 5
 

Vielleicht sollte Peter in näherer Zukunft nicht den Job als Sportler in Betracht ziehen, sondern Wahrsager werden. Verstimmt schnaufte der junge Mann, während er sich durch das Haar fuhr.

Er hatte es ja gewusst. Skinny Norris hatte seinem Gewissen einfach keine Ruhe gelassen. Schließlich war Peter eine ehrliche Haut und wollte den anderen dann doch nicht im Ungewissen lassen, auch wenn er der Ansicht war, dass das alles zu denkbar ungünstigen Gelegenheiten seinen Lauf genommen hatte. Allein, dass das Ganze mit seiner Entführung angefangen hatte, war ja wohl ein schlechtes Omen gewesen.

Und nun, dank seines glorreichen Bestrebens das Gewissen endlich auszuschalten, stand er vor dem Haus der Norris‘, wobei er sich jedoch nicht sicher war, ob Skinner hier überhaupt noch wohnte. Irgendwie bezweifelte er es, doch er hatte keinen anderen Anhaltspunkt gehabt.

Zögerlich hob er die Hand, um die Klingel zu drücken. Was sollte er überhaupt sagen?

Doch ihm wurde die Entscheidung abgenommen, als auf einmal die Tür aufgerissen wurde. Eine Frau stand im Türrahmen, hatte sich aber in das Innere des Hauses gewandt.

„Sei doch ruhig! Ich gebe mein Geld aus, wie ich es will! Und schließlich bezahle ich auch etwas im Haushalt, führ dich nicht auf, wie der Hahn im Korb! Der bist du nämlich schon lange nicht mehr!“, giftete sie. Sie schnappte sich mit der freien Hand ihre Handtasche, während sie mit der anderen die Tür hinter sich zuschlagen wollte, dann aber Peter entdeckte.

Überrascht zuckte sie zurück, sah ihn dann abweisend an.

Mrs. Norris war eine hochgewachsene Frau mit glatten kinnlangen Haaren. Ihre Gesichtszüge waren hart, doch auf den ein oder anderen Mann mochten sie wohl attraktiv erscheinen. Peter jedoch schreckte diese kantige Mimik gepaart mit dem ablehnenden Blick ab. Dennoch war sie unverkennbar Skinnys Mutter, nicht nur, dass sie dieselbe Haarfarbe hatten, sondern auch die Form der Augen glich sich sehr. Hätte Peter mehr Zeit gehabt, hätte er sich vielleicht gefragt, bei welcher Gelegenheit er sich Skinnys Augen so genau angesehen hatte.

„Wer bist du und was willst du?“, fragte sie barsch. Mit einem Knall flog die Tür hinter ihr ins Schloss. Kaum auf eine Antwort wartend hängte sie sich die Handtasche über die Schulter, maß ihn mit einem weiteren Blick.

„Mein Name ist Peter. Ich wollte fragen, wo ich Skinny finden kann.“, sprach Peter erstaunlich klar, auch wenn ihm sein Herz bis zum Hals schlug.

„Er ist nicht hier. Keine Ahnung, wo er schon wieder steckt. Wahrscheinlich hat er sich wieder für zwei bis drei Monate nach Südamerika abgesetzt, nach dem Geld zu urteilen, das er sich bei seinem Vater geliehen hat.“

Einen kurzen Augenblick lang schwieg Peter. Er wusste nicht, was er jetzt noch tun sollte, aber an aufgeben wollte er nicht denken. „Hätten Sie vielleicht eine Idee, wie ich ihn erreichen könnte? An sein Handy geht er nicht.“

Mrs. Norris stolzierte an ihm vorbei. „Seh ich etwa so aus?“

Entgegen seiner eigentlichen Gefühlslage meinte Peter mutig: „Das weiß ich nicht. Aber ich nehme an, dass Sie eine gute Mutter sind und hatte daher angenommen, dass Sie wenigstens ein Minimum an Interesse an Ihrem Sohn haben.“ Vielleicht hätte er das nicht sagen sollen, schließlich war es ziemlich unhöflich. Doch im Moment war ihm das gleichgültig; er wollte nicht einsehen, dass diese Frau wirklich so eisig ihrem Sohn gegenüber war, wie sie sich gerade gab.

Scheinbar hatte es wirklich etwas gebracht. Mrs. Norris seufzte, sah ihn über die Schulter an. „Es tut mir Leid, Junge. Ich weiß nicht, wo Skinner ist oder wie man ihn erreichen kann. Er hat nun einmal seinen eigenen Kopf, das ist schon seit Jahren so.“ Damit kennzeichnete sie dieses Gespräch für beendet.

Auch wenn seine Fragen nicht beantwortet worden waren, zog Peter nicht vollkommen enttäuscht von dannen.

Trotzdem hieß es ab jetzt wohl warten, bis sich Skinny melden würde. Oder bis er auf seinem Handy wieder erreichbar sein würde. Beides war ihm nicht recht, denn es beinhaltete die Variable Skinny.
 

Gelangweilt blätterte Peter in den Zeitschriften seiner Mutter, während diese am Herd stand und das Abendessen kochte.

„Dein Vater kommt heute später nach Hause. Er hat vorhin angerufen, dass sie mit den Requisiten wohl nicht ganz zu Rande gekommen sind.“, meinte die Frau. Sie nippte an der Soße, die sie mit einem Löffel aus dem Topf geschöpft hatte.

„Mh.“, erwiderte Peter eloquent, wie er nun einmal war. Die Zeitschrift entsprach definitiv nicht seinem Geschmack, aber in letzter Zeit weckte nur Weniges sein Interesse. Er fühlte sich selbst antriebs- und lustlos. Mit einem Seufzen schlug er das Heftchen zu, drehte sich auf dem Stuhl um, um seiner Mutter beim Kochen zuzuschauen.

Diese jedoch hatte ihre Tätigkeit eingestellt und sich ihrem Sohn zugewandt. In ihrem Gesicht konnte Peter Sorge erkennen.

„Was ist nur mit dir los, Peter? Seit zwei Wochen bist du so unmotiviert, so kenne ich dich überhaupt nicht.“, zur Untermalung ihrer Aussage schwenkte sie den Kochlöffel hin und her, „Du lässt sogar dein Abendlauf ausfallen.“

Peter ließ seinen Blick durch die Küche wandern, nur um seiner Mutter nicht in die Augen blicken zu müssen. Doch er wusste, dass sie eine Antwort aus ihm herausbekommen würde.

Seine Rettung kam in Form des klingelnden Telefons. Nur widerwillig ließ seine Mutter von ihm ab und verschwand im Flur, um das Gespräch anzunehmen – irgendwann war es in der Familie Shaw zur Gewohnheit geworden, dass nur Clarissa ans Telefon ging, wenn die gesamte Familie im Haus war. Es war ja doch immer für sie.

Gerade wollte er erleichtert aufatmen, als die Hausherrin mit dem Hörer in der Hand zurück in den Raum trat.

„Es ist für dich.“ Kaum hatte sie das gesagt, machte Peters Herz einen Satz. Sollte das etwa…?

Mit zittriger Hand nahm er das Gerät entgegen. Seine Stimme hörte sich ebenfalls nicht besser an, als er sich meldete. „Ja?“

„Hey Peter! Ich bin’s, Just.“ Augenblicklich sackten seine Schultern nach unten; krampfhaft versuchte er die Enttäuschung aus der Tonlage zu verbannen. „Was gibt’s?“

Am anderen Ende der Leitung wurde Justus ganz aufgeregt, denn er sprach schneller als gewöhnlich.

„Wir haben endlich einen neuen Fall! Seit deiner Entführung, die ja jetzt doch schon ein paar Monate her ist, hatten wir ja keinen Fall mehr angenommen. Aber dieser hier ist so interessant, daher war ich der Ansicht, es wäre wieder an der Zeit zurück an die Arbeit zu gehen. Kannst du später kommen? Wir wollen uns um sieben in der Zentrale treffen, damit ich euch alles erläutern kann.“

Zuerst war Peter versucht abzusagen, doch aus den Augenwinkeln sah er, wie Clarissa ihn scharf beäugte. Er wusste, was sie dachte oder besser: Was sie wollte, dass er tat.

Also sagte er zu. Vielleicht tat es ihm ja wirklich mal gut, wieder mit Bob und Justus auf Verbrecher- oder Geisterjagd zu gehen. Wenn er ehrlich war, hatte er es sogar vermisst.

Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen, nachdem er das Gespräch beendet und das Telefon auf den Tisch gelegt hatte.

„Na, das steht dir doch gleich viel besser.“ Clarissa beugte sich zu ihm herunter und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Gerade wollte sie sich wieder ihren Kochtöpfen zuwenden, als sie sich noch einmal umwandte. „Und dass ich ja nie wieder dieses enttäuschte Gesicht sehen muss!“

Zuerst war Peter verwirrt, doch dann erinnerte er sich daran, auf wessen Anruf er eigentlich wartete und seine anfängliche gute Laune erhielt einen Dämpfer. Es wäre wahrscheinlich wirklich besser, wenn er es aufgeben würde. Skinny würde nicht anrufen. Er hatte ja auch eigentlich keinen Grund dazu. Mit seiner Flucht hatte Peter für ihn wohl alles aufgedrückt, was einer Abfuhr gleichgekommen war. Nur warum fiel es ihm selbst dann so schwer, das einfach auf sich beruhen zu lassen? Warum wünschte er sich so sehr, dass Skinny ihm irgendeine Nachricht zukommen ließ?

Er schreckte hoch, als etwas gegen seine Stirn tippte. Es war seine Mutter.

„Lass doch dieses Gesicht sein!“, wies sie ihn zurecht.

„Ist ja gut.“, brummte er, hievte sich hoch. „Rufst du mich, wenn wir essen?“ Ein Nicken gab ihm seine Antwort und er verzog sich in sein Zimmer. Der erste Gang erfolgte zu seinem Handy, das er die letzten Stunden an den Strom angeschlossen hatte. Das Display zeigte nur sein Hintergrundbild, die Uhrzeit und das Datum. Keine Nachricht, die ihm eine empfangene SMS anzeigte oder gar einen entgangenen Anruf.

Ein schweres Seufzen glitt ihm über die Lippen und er fühlte sich niedergeschlagener denn je.

Was lief mit ihm nur falsch, dass er sich jetzt – in diesem einsamen Moment – sehnlichst Skinny herbei wünschte?

Er ließ sich aufs Bett fallen und legte sich den rechten Arm über die Augen. Es war sicherlich eine gute Idee, jetzt wieder einen Fall anzunehmen. Es würde ihn von seinen trüben Gedanken ablenken und ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Seit dem Liebesgeständnis stand er sowieso die gesamte Zeit neben sich, das sollte jetzt endlich ein Ende finden.

„Peter, Essen!“

„Komme!“
 

„Und wie heißt jetzt die Frau nochmal?“ Peter sah sich desinteressiert in der Gegend um. Das typische, nicht sonderlich ergiebige Vorstadtleben und die eintönigen Häuser mit mageren Vorgärten.

Gestern Abend war er noch in der Zentrale gewesen, um sich von Justus über den neuen Fall aufklären zu lassen. Er war mehr oder minder enttäuscht gewesen, dass es sich „nur“ um eine Geistererscheinung gehandelt hatte – Peter hatte angenommen, der erste Detektiv würde sich nicht mehr so sehr dafür begeistern und hätte einen aufregenderen Fall an Land gezogen. Aber wie es schien, war dem nicht so.

„Sarah Lorence. Hab ich doch schon dreimal gesagt.“, erwiderte Justus patzig. Ihm war Peters Missmut schließlich nicht verborgen geblieben. Bob versuchte zu schlichten, indem er an die Tür trat und die Klingel betätigte. „Ruhe, Kinder, jetzt wird’s ernst.“, grinste er, als er die langen Gesichter seiner Freunde erblickte.

Peter verschränkte die Arme vor der Brust und hielt sich bewusst im Hintergrund. Er wusste nicht genau, was er von gestern Abend erwartet hatte, jedoch war es dieses hier ganz gewiss nicht gewesen. Geister jagten ihm immer noch einen Schrecken ein, aber sie brachten ihn letztendlich nicht dazu, seine Sorgen zu vergessen oder auf später zu verschieben. Eher führte seine Angst dazu, dass ihm tausend Dinge durch den Kopf spuckten, die er noch nicht erledigt hatte und haben wollte.

Die Haustür wurde geöffnet und eine junge Frau, etwa in ihrem Alter, stand im Rahmen. Das lange blonde Haar war gelockt, doch sie hatte es in einem Pferdeschwanz gebändigt, der ihr seitlich über der Schulter hing. Ihre Beine steckten in einer eng sitzenden Jeans und das Oberteil war ein schlichtes türkisfarbenes Shirt.

„Ja, bitte?“

Ihr Auftreten hatte etwas Ablehnendes, wie es Peter eine Woche zuvor bei Mrs. Norris erlebt hatte. Wäre er paranoid genug, könnte er wohl annehmen, dass diese Frau ebenfalls zu der Familie gehören würde. Aber er war ja noch bei geistiger Gesundheit – zumindest hoffte er das die meiste Zeit über.

„Guten Tag, Miss. Wir sind die Drei Fragezeichen und wollen zu Mrs. Lorence. Sie müsste uns erwarten.“, meinte Justus in seiner gewohnt diplomatischen Art und Weise.

Peter stellte fest, dass es Bob wohl schlichtweg die Sprache verschlagen haben musste, denn er hatte kein Wort herausgebracht. Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Na wenigstens musste er sich jetzt nicht von ihm wie ein kleines Kind behandeln lassen.

Die junge Frau musterte die drei noch einmal argwöhnisch, bevor sie auf die Seite trat und die Detektive ins Haus ließ.

„Mein Name ist Helen. Sarah ist meine Großmutter.“ Sie schloss die Türe hinter sich. „Ihr müsst wissen, dass es derzeit nicht allzu leicht ist mit ihr.“ Ein Seufzen entfloh ihrem Mund, was sie gleich sympathischer erscheinen ließ. Während sie ihnen den Weg zur Küche wies, sprach sie weiter: „Mittlerweile sieht sie überall Geister und Gespenster. Und sie ist der Ansicht, dass man ihr Essen stehlen würde.“

Die Küche war ein gemütlicher Ort in warmen Farbtönen gehalten und einem großen Tisch in der Mitte. Die Drei Fragezeichen nahmen Platz und lehnten bei der Frage nach einem Getränk dankend ab. Helen setzte sich zu ihnen.

„Aus diesem Grund bin ich auch hier. Ich soll ein wenig auf sie Acht geben, damit sie sich letztendlich nicht noch etwas antut. Ihr Wahn reicht ja jetzt schon so weit, dass sie sich Detektive ins Haus holt.“

Man hörte, wie ein Stock auf das Parkett geschlagen wurde. Alle Köpfe drehten sich zur Küchentür, in der eine alte Frau gebeugt stand, aber den Eindruck machte, als würde sie über allem thronen.

„Ich verbitte mir, dass du so über mich sprichst! Ich brauche deine Hilfe nicht, scher dich doch wieder zu deiner räudigen Familie!“, fauchte sie, humpelte in den Raum hinein. Helen verdrehte die Augen. „Ist ja gut.“

Scheinbar war eine solche Situation nichts Neues und Peter wunderte sich schon lange nicht mehr, wie manche Menschen mit anderen umgingen. In seiner detektivischen Karriere hatte er schon die schrulligsten Leute kennen gelernt, dagegen waren diese beiden hier ein Herz und eine Seele.

„Mrs. Lorence“, Justus stand auf, um die Frau zu begrüßen und hielt ihr ihre Karte hin, „Wir sind die Drei Fragezeichen. Wir haben gestern miteinander telefoniert.“

„Als wüsste ich das nicht selbst. So senil bin ich auch noch nicht.“, erwiderte Mrs. Lorence schroff. Sie riss ihm die Karte aus der Hand und legte sie unbeachtet auf die Küchenzeile. „Hat euch Helen schon darüber unterrichtet, was in diesem Haus vor sich geht? Ah, so wie ich sie kenne, hat sie alles sicherlich runtergespielt.“ Gerade wollte ihre Enkelin aufbegehren, als Mrs. Lorence abwinkte und meinte: „Biete den drei lieber noch etwas zu trinken an, hast auch keine Gastgeberqualitäten.“

Da sich keiner der drei jungen Männer in den Streit einmischen wollten, verschwiegen sie, dass ihnen bereits Getränke angeboten wurden, sie diese aber abgelehnt hatten. So ließen sie sich einfach jeweils eine Cola an ihren Sitzplatz stellen.

Nachdem sich alle an den Tisch gesetzt hatten, nahm Justus das Wort an sich: „Also, Mrs. Lorence, was trägt sich hier zu, dass Sie detektivische Mithilfe benötigen?“
 

~

Teil 6

In Medias Res

Die Drei Fragezeichen
 

~

Eigentlich hatte ich irgendwie, glaube ich, geplant gehabt, dass ich den ganzen letzten Block ins eins schmeiße.. Naja, war mir jetzt doch zu lang, also:

Viel Spaß mit dem vorletzten Kapitel :D

~
 

Teil 6
 


 

Es ging auf zwei Uhr nachts zu, als Peter auf die Standuhr blickte. Müde rieb er sich über die Augen und fuhr sich durch die Haare.

Mal wieder war es an ihm hängen geblieben, die erste Nachtschicht zu übernehmen. Aber warum sollte man auch nicht den Angsthasen von ihnen schicken, um einen vermeintlichen Geist auf frischer Tat zu ertappen? Manchmal fragte sich Peter wirklich, was in Justus‘ Kopf vorgehen musste, dass er ihn andauernd vorschob. Wahrscheinlich war er letztendlich einfach nur zu faul.

Er streckte seine Glieder und gähnte leise. Die Ruhe im Haus empfand er dieses Mal als weniger Furcht einflößend als in den Spukhäusern von anderen Fällen. Vielleicht lag es daran, dass die Wohnung insgesamt sehr gemütlich eingerichtet war und er sich hier schon heute Mittag wohl gefühlt hatte. Zumindest soweit man sich in einem sich streitenden Haushalt wohl fühlen konnte, denn Helen und Mrs. Lorence führten gerne lautstarke Wortgefechte.

Einen Blick warf er durch das Wohnzimmer, in dem er sich niedergelassen hatte und beschloss, sich ein Glas Wasser zu gönnen. Helen hatte in Abwesenheit ihrer Großmutter gemeint, er könnte sich hier wie zu Hause fühlen und dem wollte er nun nachkommen. So konnte er sich auch gleich vergewissern, dass es in der Küche ebenfalls noch gespensterfrei zuging. Mit Socken tappte er über den Parkettboden bis in die Küche. Der Mond schien schwach durch das Fenster herein, so dass er davon abließ, das Licht anzuschalten. Justus würde ihn ansonsten wohl am nächsten Morgen dafür rügen, sein Handwerk nicht zu beherrschen und seiner Aufgabe nicht fachgerecht nachgekommen zu sein. Denn Licht bedeutete dem Einbrecher – von dem Justus ausging, dass es einer war und natürlich kein Geist – dass jemand im Hause wach war und höchstwahrscheinlich auf sein Erscheinen wartete. Und eben dies wollte man ja vermeiden.

Ein leises Gluckern verriet, dass das Glas gefüllt wurde und kurz darauf stellte Peter den Wasserhahn ab. Gerade wollte er es zum Mund führen, als er ein Poltern aus dem Wohnzimmer hörte. Vor Schreck hätte er beinahe das Gefäß fallen lassen, fing sich jedoch im letzten Moment wieder.

Sich selbst in Gedanken gut zuredend stellte er das Glas auf die Anrichte und schlich auf leisen Sohlen zur Küchentür. Warum musste eigentlich immer etwas passieren, wenn er Wache hatte?! Das Schicksal war einfach nicht fair.

Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er um die Ecke lugte und versuchte auszumachen, was in dem Raum geschehen war. Zu seinem Leidwesen hatte es sich nicht wie ein heruntergefallener Gegenstand angehört, so dass er nun davon ausgehen musste, dass sich ein Mensch – oder ein Tier? – in dem Zimmer befand. Seine Augen hatten sich schon soweit an die Dunkelheit gewöhnt gehabt, dass er ohne Probleme die hochgewachsene Gestalt ausmachen konnte, die neben dem Beistelltischchen direkt neben der Tür zum Hausflur stand.

Seine Augen wurden größer, als die Person einen Schritt vor und somit in das schummrige Mondlicht trat.

Skinny Norris?! Was tat er denn hier?

Seine Tarnung aufgrund dieser Entdeckung vollkommen vernachlässigend stieß er mit dem Fuß gegen den Mülleimer und erregte somit Skinnys Aufmerksamkeit. Panisch stolperte Peter noch einen Meter zurück, wollte sich umdrehen und in den Flur flüchten. Doch er wurde an seinem Vorhaben gehindert. Skinny hatte ihn am Arm gepackt und zurückgerissen.

„Wer bist du?“, raunte er dunkel, was Peter erschauern ließ. Er wusste nicht, weshalb er auf diese Weise reagierte, wahrscheinlich lag es an dem Schrecken und an der insgesamt unwirklichen Situation.

„P-Peter“, stotterte er, wagte einen kleinen Seitenblick auf den Einbrecher.

„Peter?“, wiederholte Skinny verblüfft und ließ ihn los. Ohne es wirklich bewusst zu tun, stellte sich Peter ins matte Mondlicht und gab dem anderen somit sein Gesicht preis.

„Was tust du hier?“

„Das Gleiche könnte ich dich auch fragen.“, gab Peter zurück. Seine Beine zitterten. Sein Atem ging schwer. Was machte Skinny hier? So plötzlich? Oder – war es überhaupt plötzlich? Wie viel Zeit war seit seinem Verschwinden vergangen? Ein Monat? Zwei Wochen?

Ein Seufzen war zu hören, dann zog Skinny ihn mit sich in das Wohnzimmer zurück und drückte ihn sanft auf das Sofa. Als Peter saß, ließ sich der andere ebenfalls auf die Polster sinken.

„Warum bist du hier? Ich glaube kaum, dass du Helen kennst.“

„Seit heute schon“, erwiderte Peter patzig. Er sah überhaupt nicht ein, weswegen er Rede und Antwort stehen sollte – eigentlich sollte es eher umgekehrt der Fall sein. Skinner verdrehte sichtbar die Augen. „Oh, verzeih, natürlich, wie konnte mir das entgehen. Schließlich übernachtest du sogar schon bei ihr. Da muss euer Verhältnis ja ziemlich gut sein.“

Am liebsten hätte Peter ihm alles Mögliche und Unmögliche an den Kopf geworfen. Doch er fühlte sich schlichtweg zu überrumpelt, um anständig dagegen zu halten. Seit Wochen hatte er versucht, den anderen zu erreichen, aber nie Erfolg damit gehabt. Bis er letztendlich die Hoffnung auf ein weiteres Aufeinandertreffen für unbestimmte Zeit aufgegeben hatte. Und nun? Jetzt saß Skinny hier im Haus von Mrs. Lorence, ganz so als sei überhaupt nichts gewesen.

„Wir arbeiten hier an einem Fall.“, meinte Peter irgendwann leise, als er die Stille nicht mehr ertragen konnte. Er wollte, dass Skinny sprach, damit er seiner Stimme lauschen konnte. Die Telefonate hatten ihm gefehlt.

„Ein Fall?“ Ein Nicken seitens des zweiten Detektivs. „Mrs. Lorence glaubt, hier gehe ein Geist um, der ihr die Haare vom Kopf frisst.“

Skinny lachte leise, lehnte sich zurück. „Überraschung: Der bin ich.“, grinste er und Peter konnte nicht anders, als ihn einfach nur von der Seite anzustarren. Ihm wollte es nicht so wirklich klar sein, dass jener hier körperlich anwesend und kein Trugbild seiner lebhaften Fantasie war.

Auf einmal verschloss sich Skinnys Miene und von der vorherigen Heiterkeit war nichts mehr zu erkennen. Peter ergriff diese Chance – auch wenn er sich nicht sicher war, ob er es als Chance sehen sollte. „Warum hast du dich nicht gemeldet? Ich hatte versucht, dich zu erreichen.“

Skinny wandte sich ihm zu und musterte ihn einen Moment lang. „Ist das etwa eine ernst gemeinte Frage?“, meinte er dann bitter. Daraufhin schwieg Peter. Natürlich war es ihm ernst, sonst würde er es in dieser Situation nicht sagen.

„Was hast du erwartet, Pete? Du hast mich eiskalt abserviert. Sollte ich dir da etwa noch hinterherrennen und einen auf Sonnenschein machen? Würdest du das tun?“

Es war eine rhetorische Frage; schließlich würde das wohl kaum einer machen. Eher würde man versuchen, sich den anderen für einen gewissen Zeitraum vom Hals zu halten und zu sich selbst zurückzufinden. Peter schluckte.

Auch wenn es nicht passend war, rutschte ihm folgende Aussage einfach so heraus: „Kannst du es nochmal sagen? Kannst du mich noch einmal so nennen? Bitte?“ Seine Stimme klang schläfrig und mit einem Mal fühlte er sich auch so. Er schloss die Augen und legte müde den Kopf auf die Rückenlehne. Vielleicht schlief er doch schon und träumte das alles nur.

„Schlaf gut, Pete.“

Ja, ganz sicher.
 

„Peter! Wach auf! Peter!“ Die letzte Nennung seines Namens hatte Justus in diesem Tonfall gezischt, der definitiv keinen Widerspruch oder gar Zeitaufschub duldete. Unsanft wurde an seiner Schulter gerüttelt.

Peter blinzelte verschlafen und richtete sich, so schnell es ihm seine müden Glieder erlaubten, auf. „Ich bin wach.“, murmelte er. Ihm Gegenüber stand der erste Detektiv, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte und einen grimmigen Gesichtsausdruck zur Schau trug.

„Das sehe ich jetzt. Aber vorher warst du es nicht. Mrs. Lorence hat dich hier schlafend gefunden und uns angerufen.“ Er klang ziemlich verärgert.

Peter zog die Augenbrauen zusammen. „Was hast du erwartet? Dass ich die ganze Nacht wach bleibe? Ich brauche auch meinen Schlaf.“ Die Müdigkeit nagte noch ein wenig an ihm, aber da er generell ein Frühaufsteher war, war sie leicht zu überwältigen.

Justus schnaubte. „Das spricht nicht gerade für deine Professionalität, weißt du? Wir sind hier, weil wir einen Fall aufklären sollen und nicht, dass du schon im acht Uhr dein Schläfchen hältst.“

Um von dem Thema abzulenken, wollte Peter wissen, wo denn Bob abgeblieben sei. Nur widerwillig ging Justus darauf ein. „Er ist bei Mrs. Lorence im Salon und bespricht mit ihr die weiteren Schritte.“

„Weitere Schritte?“ Peter war kurz davor zu lachen. „Da gibt es doch nichts zu ermitteln.“

Jetzt verdüsterte sich Justus‘ Miene zusehends. „Wie meinst du das?“ Er mochte es nicht, wenn man ihm einen solch interessant erscheinenden Fall madig machte oder ihn ohne weiteres aufklärte. Vor allem ohne ihn.

„Es war Skinny. Skinny ist hier nachts irgendwie reingekommen – scheinbar kennt er Helen – und geht hier ein und aus. Er versorgt sich wohl mit Essen.“ Peter unterstrich diese Banalität, indem er eine wegwerfende Handbewegung machte. Sein Kollege schien das aber anders zu sehen.

„Skinny?“, nahm er den Namen noch einmal auf, wirkte dabei wenig überzeugt und so, als würde er an Peters Verstand zweifeln. Er verlagerte das Gewicht auf das andere Bein. „Meinst du nicht, dass dir das alles ein wenig zu Kopf steigt? Dass du dir über dieses dämliche Liebesgeständnis zu viele unnötige Gedanken machst und nun überall Skinny siehst?“

Empört blickte Peter von seinem Tun – nämlich seine Kleidung zu ordnen und seine Haare in eine einigermaßen ansehnliche Form zu bringen – auf. „Was willst du damit andeuten?“, zischte er. Innerlich war er darüber verblüfft, wie aggressiv er auf dieses Thema reagierte. Was war auf einmal mit ihnen los? Was war mit ihm los?

Bevor Justus auf diesen Vorwurf hätte eingehen können, sah Bob zur Türe herein. „Habt ihr’s bald?“ Beide Köpfe wandten sich ihm zu.

„Geht ihr schon raus, ich klär das mit der Klientin.“, meinte Justus und scheuchte sie raus. Bevor sie jedoch über die Schwellen treten konnten, fügte der Erste noch hinzu: „Und du, Peter, nimmst dir wohl besser doch noch eine Auszeit.“

Peter kniff die Lippen zusammen.

Gemeinsam mit Bob ging er an die frische Luft und sie steuerten auf den Käfer zu.

„Was ist los?“, wollte Bob wissen, doch sein Freund schüttelte nur den Kopf. Ihm war nicht danach, das Thema jetzt vollkommen breitzutreten. Es bereitete ihm so oder so Kopfzerbrechen.

„Du weißt schon, dass Schweigen es nicht besser macht.“ Manchmal empfand er Bobs Kommentare als unpassend.

„Lass es gut sein. Ich will es mir mit dir heute nicht auch noch verscherzen.“ Zwar klang es sehr nüchtern, doch innerlich brodelte er. Peter wollte nur noch nach Hause und erst einmal runterkommen.

Die Fahrt bis zu ihm nach Hause verlief ruhig, was Peter nur bedingt wahrnahm. Eher war er damit beschäftigt, aus dem Fenster zu stieren und seine Gedanken auszublenden.

Für Bob hatte er nur einen knappen Abschiedsgruß übrig – vielleicht hätte er ihm noch fürs Fahren danken sollen. Doch, wie gesagt, war er geistig nicht ganz anwesend.

Im Haus angekommen erwartete ihn seine Mutter mit einem überraschten Gesichtsausdruck.

„Was machst du denn schon hier, Schatz? Wolltet ihr heute nicht an eurem Fall arbeiten?“ Peter grummelte und wollte sich eigentlich sofort ohne weitere Worte in sein Zimmer verziehen. Aber Clarissa wusste dies zu verhindern, indem sie ihm einen Einkaufszettel gab. „Da du jetzt Zeit hast, kannst du ja heute einkaufen gehen. Es ist nicht viel, aber ich bin bisher nicht dazu gekommen. Muss gleich zur Arbeit.“ Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, während sie ihn wieder aus der Tür schob.

Es passte ihm überhaupt nicht in den Kram, dass er jetzt noch einmal aus dem Haus musste. Gegen seine Mutter jedoch ankommen zu wollen, war in seinem Zustand schlichtweg unmöglich. Daher schritt er noch einmal kurz in den Flur, griff nach seiner Geldbörse und machte sich auf den Weg.

Teil 7

Die Drei Fragezeichen

In Medias Res
 

~

Kurz und schmerzlos, bevor ich es noch ganz vergesse.

~
 

Teil 7
 

Wer war daran Schuld, dass er sich andauernd mit seinen Freunden stritt? Ganz recht, Skinny Norris. Wer war daran Schuld, dass er nicht mehr wusste, was es mit seinen Gefühlen auf sich hatte? Ganz recht, Skinny Norris.

Peter befand sich seit Langem mal wieder bei einem Abendlauf und steigerte sich gerade gedanklich in seine Hasstiraden hinein. Schneller als gewöhnlich joggte er an der Strandpromenade entlang, was er in der nächsten halben Stunde auch spüren sollte. Daher dass er die letzten Wochen kaum gelaufen war, hatte seine Kondition einen kleinen Dämpfer erlitten und seine Lungen sollten sich daraufhin schmerzlich bemerkbar machen.

Dennoch war er so abgelenkt, dass er seine Beine und seine schwerfällige Atmung vorerst vergaß. Keuchend blieb er letztendlich stehen, stützte die Hände auf den Knien ab; vornüber gebeugt, um so besser Luft holen zu können.

Wie gern würde er jetzt Skinny begegnen, um seinen ganzen Frust an ihm auszulassen. Am besten mit einem gezielten Schlag ins Gesicht. Eigentlich war Peter ja nicht aggressiv, aber irgendwas hatte sich verändert in letzter Zeit. Etwas, das ihm diesen Streit mit seinen Freunden einbrachte und ihn zur Weißglut trieb.

Als hätte irgendjemand seine zornigen Gebete erhört – was beinahe schon an ein Wunder grenzte – sah Peter den Gauner auf einer Bank sitzen. Er stutzte. Irgendwie kam ihm diese Szenerie bekannt vor. Und es war im Grunde wesentlich zu viel des Zufalls.

Egal, dann könnte er sein Vorhaben jetzt wenigstens augenblicklich in die Tat umsetzen.

Seine Schritte, die zuvor noch wütend und daher schnell waren, verlangsamten sich, seine gesamte Haltung rutschte ins Zögerliche hinein. Da merkte man mal wieder, dass in der Theorie alles einfacher war, als in der Praxis.

Skinny hatte aufgeschaut und sah ihm abwartend entgegen. Nichts war in seinem Gesichtsausdruck zu lesen. Keine Forderung, keine Ablehnung, keine Erwartung.

Letztendlich stand Peter genau vor ihm, entschloss sich dazu, sich neben ihn zu setzen. Er wollte nicht wie der letzte Trottel vor ihm stehen und nicht wissen, was er sagen sollte. Zwar wusste er das jetzt auch nicht, aber im Sitzen ließ sich das leichter überspielen.

„Hast du mir irgendwas zu sagen oder sitzt du hier einfach nur, um dich auszuruhen?“, fragte Skinny neutral. Ihre Blicke waren voneinander abgewandt, Skinny blickte aufs Meer hinaus und Peter starrte wie gebannt seine Fingerspitzen an.

„Ich weiß nicht.“, meinte der Sportler schließlich ehrlich, „Ich weiß auch nicht, was ich von alldem halten soll.“ Es war ihm peinlich, über seine Gefühle zu reden – zumindest war er im Begriff, über sie zu sprechen. Doch würde er es nicht tun, würde seine Freundschaft zu Bob und Justus noch mehr darunter leiden und er letztendlich auch.

„Was erwartest du? Nachdem du mir deine… deine Liebe?“, seine Stimme ging fragend nach oben, Peter warf einen Blick auf die Seite, um einen Einwand zuzulassen. Als keiner kam, fuhr er fort: „Gestanden hast, bist du abgehauen. Und hast mich ohne Weiteres zurückgelassen. Was sollte ich da denken? Gott, ich war verwirrt und wütend. Wusste nichts mit allem anzufangen.“ Peter legte den Kopf in den Nacken, sah gedankenverloren den vereinzelten Wolken hinterher. Es war noch hell, aber der Himmel kündigte bereits an, dass die Sonne in der nächsten Stunde hinter dem Horizont verschwunden sein würde.

„Es war, im Nachhinein betrachtet, sehr heroisch, aber auch ziemlich dumm von dir, mich zu retten. Und damit hast du alles so kompliziert gemacht. Trotzdem: Danke.“

Mehr wollte er nicht sagen. Seiner Meinung nach war alles ausgesprochen, was ihn bedrückte oder beschäftigte – und er wollte sich wahrlich nicht weiter nach außen kehren. Hoffentlich hörte das niemand anderes mit…

„Willst du noch etwas hinzufügen?“

„Nein.“ Peter schüttelte bekräftigend zu seiner Aussage den Kopf.

„Gut.“

Blitzschnell hatte sich Skinny zu ihm herumgedreht, sein Gesicht in die Hände genommen und ihm seine Lippen aufgedrückt. Geschockt und überrascht zuckte Peter zurück, saß aber so ungeschickt, dass er das Gleichgewicht verlor und von der Bank fiel. Schmerzlich fiel er auf seinen Rücken, blieb aber liegen. Er hörte Skinny leise lachen und flüstern: „Danke für das Kompliment, dass ich umwerfend sei.“ Jener lehnte sich auf die Bank. Sein Gesicht schwebte nun über Peters.

„Wenn du nur an eine Person denken kannst, dich deswegen mit deinen Freunden streitest und ansonsten heftige Gefühlsausbrüche wegen ihr erleidest, dann, Peter, bist du in fünfundsiebzig Prozent der Fälle in sie verliebt.“

Peters Augen wurden größer, umständlich rappelte er sich hoch. Er schnaufte hart.

„Sicher.“, raunte er ironisch.

Das war doch Schwachsinn. Welcher Vollidiot kam denn auf solch eine Theorie?

„Wenn du sehnsüchtig auf einen Anruf von mir wartest und sogar davon träumst, dass ich nur bei dir bin – dann bist du in mich verliebt.“

„Du redest Müll. Haben dir die Schläge auf den Kopf alle Gehirnzellen zertrümmert?“

Peter wandte sich um, wollte gehen. Niemand schrieb ihm vor, was er zu fühlen hatte. Oder sollte. Oder wie auch immer. Auf jeden Fall tat das niemand!

Kaum dass er Skinny den Rücken zugekehrt hatte, umarmte dieser ihn auch schon von hinten. „Es ist okay. Ich mag dich auch.“

„Ich wiederhole mich nur sehr ungern, Skinny.“

„Bei mir verhält es sich ebenso.“

Ob er wollte oder nicht – es fühlte sich gut an, einen warmen Körper hinter seinem zu spüren. Zu wissen, dass diese Person viel für einen übrig hatte. Vielleicht zu viel.

„Wann kommst du wieder?“, fragte er leise. Skinny schloss seine Arme enger um ihn und legte sein Kinn auf Peters Schulter ab. „Woher willst du wissen, dass ich gehe?“

Ein minimales Lachen huschte über Peters Lippen. „Ich bin doch Detektiv.“

Skinny gab einen verstehenden Laut von sich, es klang nach einem Brummen und das Vibrieren des anderen Körpers ging auf Peters über. Minuten vergingen, in denen keiner ein Wort sprach.

Die Wolken, die den Himmel mehr und mehr bedeckten, verdunkelten sich und auch die Sonne sandte nur noch die letzten Boten über den Himmel. Eine warme Brise kam vom Meer herüber. Es war beinahe malerisch – selbst das stete Krächzen der Möwen klang lange nicht so nervig wir sonst. Die Magie des Moments? Peter hätte laut gelacht, wenn die Situation eine andere gewesen wäre.

„Ich weiß noch nicht. Vielleicht in zwei, drei Wochen.“

„Wenn du nicht vorbeikommst, hetze ich dir Maceys Leute auf den Hals.“

Jetzt war es an Skinny zu lachen. „Ich werde ganz sicher kommen.“ Peter lächelte aufgrund dieser Antwort.

Denn, auch wenn man es nicht glauben mochte: Er hatte gelernt Skinner Norris zu vertrauen und sich auf sein Wort zu verlassen.

„Ich werde auf dich warten.“
 

~

Ende



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (7)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  -wolfsmoon-
2015-06-03T00:12:36+00:00 03.06.2015 02:12
Ich hätte nicht gedacht, dass man dieses Pairing so hinbekommt, dass sie möglichst wenig OoC sind. Aber du hast es wirklich gut gemeistert, meinen Respekt dafür ;)
Und weil du das so toll hinbekommen hast, macht es mich fuchsig, dass es keine Fortsetzung gibt :D
lg
Von:  PhoibeAikaterina
2013-01-29T11:20:22+00:00 29.01.2013 12:20
Tolle Story gefällt mir wirklich gut.
Würde mich freuen, wenn man vielleicht in naher Zukunft mehr Geschichten von dir über die drei Fragezeichen lesen könnte.
LG Franzi
Von:  -StarkThePlayboy-
2011-06-30T19:29:55+00:00 30.06.2011 21:29
Mir gefällt der Schluss wirklich gut.
Die beiden sind so klasse zusammen!
Von:  Endivie
2011-06-29T01:23:51+00:00 29.06.2011 03:23
Kurzes, aber schönes Ende ^.^
Sehr süß die 2 :D
Von:  Endivie
2010-09-13T10:14:55+00:00 13.09.2010 12:14
Wieder ein tolles Kapitel ^.^
Bin mal gespannt wie sich das alles nocht entwickelt und was passiert :)
Von:  Lady_Lockenlicht
2010-08-13T21:12:02+00:00 13.08.2010 23:12
Skinny/Peter ftw! ^^ Freut mich, das ist mit Abstand mein Lieblingspairing. Ich fand das Kapitel sehr angenehm zu lesen, dein Schreibstil ist flüssig, Kompliment dafür. Bin so gespannt auf die Fortsetzung!
Von:  Endivie
2010-08-12T14:01:45+00:00 12.08.2010 16:01
Fängt doch schonmal toll an die Story ^_^
Bin mal sehr gespannt wie es weiter geht :)


Zurück