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Ein Blick in die Sterne

von

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Ein Gefühl der Hilflosigkeit?

Kennen Sie dieses Gefühl? Alles ist leer. Nicht nur Ihr Kopf, nein, auch Ihre Wohnung, Ihr Herz und Ihr Leben? Sie wünschen sich, die Zeit zurück zu drehen, damit Sie in die Vergangenheit können, in der doch alles so viel besser war? Kennen Sie dieses Gefühl von Einsamkeit? Kennen Sie dieses Gefühl von Verzweiflung?

Jonathen kannte dieses Gefühl nur all zu gut. Es war nicht lange her, da hatte um ihn das Leben geblüht. Seine kleine Familie, sein Job, alles war perfekt gewesen. Doch nun? Allein saß er in seiner leeren Wohnung. Es war dunkel und staubig. Seit drei Tagen saß er allein auf dem kalten Boden seiner Dreizimmerwohnung. Er lehnte mit dem Rücken gegen die Wand, über ihm warf ein Fenster einen Schatten auf sein Gesicht und ließ den Staub vor seinen Augen flimmern. Tränen liefen vereinzelt über sein Gesicht und die fettigen blonden Haare hätten eine Wäsche gut vertragen können. Jonathen hatte nicht nur sich aufgegeben, sondern auch das Glück, seine Freude und all das, was ihm einmal wichtig gewesen war.

Doch wie hatte es nur so weit kommen können? Jonathen war ein einfacher Man gewesen. Immer freundlich, nett, zuvorkommend und außerordentlich charmant. Er hatte Versicherungen verkauft, er war keiner dieser zwielichtigen Männer, die mittags um Eins an die Tür klopfen und ihnen etwas aufschwatzen wollen, nein, auch keine Staubsauger! Jonathen hatte sein eigenes kleines Büro gehabt, es ging ihm gut und die Kunden, die zumeist weiblich waren, waren mehr als nur zufrieden gewesen.

Was war nur aus diesem lebensfrohen Menschen geworden? Wo war seine Frau hin, die hübsche Dunkelhaarige, mit dem kleinen Jungen, der so gern mit seinem Vater im Garten gespielt hatte? Jonathen wusste nicht, wo die beiden hin waren. Zu viel war passiert, als das er sich daran erinnern wollte und könnte.

Eine Sirene ertönt vor seinem Haus. Was wohl passiert sein mochte? Jonathen blieb sitzen, auch wenn es ihn interessierte, wer wohl nun schon wieder etwas ausgefressen hatte. Langsam rappelte er sich hoch und seufzte. Diese Tage waren einfach nicht seine Tage. Doch schon klingelte es an der Tür und Jonathen musste sich regelrecht beeilen, damit sich der einzelne Ton nicht in ein Sturmkonzert verwandelte. Als der versiffte und dreckige Man die Tür öffnete, bekam er lediglich einen amüsierten Blick zugeworfen, der sich, dank dem Gestank, schnell in einen angewiderten wandelte. „Jonathen Goodman?“, der Angesprochene nickte. „Ja, der bin ich.“, der Polizeibeamte warf ihm einen mitleidigen Blick zu. „Gut.“, sagte er knapp und machte sich eine Notiz auf seinem kleinen Block. „Wir müssen Sie leider mitnehmen. Es besteht der dringende Tatverdacht, dass Sie handgreiflich gegenüber ihrem Kind geworden sind.“, Jonathen erstarrte. Er hatte seinem Sohn nie etwas angetan! Wie kamen diese Beamten auf diesen Verdacht?

Wie ein Straftäter wurden ihm Handschellen angelegt und er wurde mit dem Polizeiwagen abtransportiert.

Auf dem Revier musste er sich einem peinlichen Verhör stellen, bei dem nicht mehr heraus kam, als dass er ein wirklich armer Hund sein konnte. Dennoch ließ man ihn nicht laufen. Jonathen wurde in eine kleine Zelle gesperrt. Hinter ihm, links und rechts von ihm waren kahle, kalte Wände. Vor ihm ein Gitter, durch dass er einen kleinen Lichtschein erblicken konnte und dieses Gefühl stieg wieder in ihm auf. Einsamkeit, Verzweiflung und nun auch das Gefühl der Hilflosigkeit. Es war fast wie daheim. Leise ließ er sich an der Wand nach unten rutschen. Erneut warfen die trostlosen Wände Schatten über seinen Körper, ließen ihn noch erbärmlicher aussehen, als er es so schon tat. Das vergitterte Fenster über seinem Kopf ließ auch hier den Staub vor ihm flimmern. Es fühlte sich tatsächlich an wie daheim. Jonathen seufzte. Dies konnte bloß ein Traum sein! Entschlossen schloss er die Augen, kniff sie zusammen und öffnete sie wieder. Nein, er war immer noch in der kleinen Zelle und blickte starr in die Luft. Es war kein Traum.

Ein Gefühl der Verzweiflung!

Es war ein schöner Tag. Die Sonne strahlte freudig auf die Motorhaube des silbernen VW Polo und blendete Jonathen für einen Moment. Er hielt die Hand vor die Augen und wehrte so das auf blitzende Licht von seinem Gesicht fern. Er bemerkte sein Übersteuern gerade noch rechtzeitig und brachte den Wagen zurück in die richtige Spur. Einen Moment später raste ein Lastwagen neben ihm vorbei und Jonathen musste aufatmen. Das hätte sein Ende sein können! Doch der Man lächelte weiter. Sein blondes Haar war gekämmt, frisch gewaschen und strahlte mit der Sonne um die Wette. Seine Kleidung war frisch gebügelt, die Falte im Hemd saß perfekt und die Manschettenknöpfe, die er letzte Woche für eine Unsumme von 50€ erstanden hatte, ließen ihn nur noch mehr aufleben.

Jonathens Leben war perfekt. Marian, seine geliebte Frau, wartete jeden Tag auf ihn, bis er heim kam. Sie putzte das Haus, pflegte den Garten und ihre wohl wichtigste Aufgabe: Sie behütete ihren dreijährigen Sohn Karlson. Jonathen lächelte sanft. Karlson, sein größter Schatz von allen! Er liebte seinen Sohn, jeden Tag, wenn er endlich wieder heim konnte, spielte er mit dem Kleinen.

Vorsichtig wie immer, parkte er den Wagen in der für ihn vorgesehenen Parklücke. Das Schild mit seinem Kennzeichen prangte davor und wies ihn als Topangestellten der Versicherungsfirma „110 Versicherungen“ aus. Ihre Filiale war die größte im ganzen Land und auch die beste. Jonathen hatte ein gutes Einkommen von 7000€ im Monat, er konnte es sich leisten, seine Frau zu Hause zu lassen, damit sie sich ganz um den Kleinen kümmerte. Er leitete diese Filiale und es war sein Verdienst, dass sich die Versicherungen der Firma nun schon über das halbe Land ausgebreitete hatten. Meist sprach Jonathen die Frauen der Familie an, überzeugte sie und schon ein paar Tage später war eine weitere Familie unter Dach und Fach.

Gut gelaunt schlenderte er, den Aktenkoffer professionell unter den Arm geklemmt, den Gehweg entlang. Dies war sein Arbeitsweg, er kannte ihn in und auswendig! Freundlich grüßte er die Angestellte des Monats, die ihm, wie jeden Tag, die Tür öffnete, sein Jackett abnahm und ihm hinterher rief, sie würde den Kaffee sofort bringen. Stolz hob Jonathen den Kopf und schritt durch die gläserne Eingangshalle. Die hübsche Brünette, ihre Frau an der Rezeption, grüßte er ebenfalls, genauso wie jeden einzelnen Angestellten. Er war durchaus beliebt und den Kollegen. Wen einer von ihnen ein Problem hatte, so wusste er, er musste nur einmal mit Jonathen darüber reden und der würde schon eine Lösung für alles finden.

Dann erreichte der Versicherungsvertreter sein Büro. Ein paar hübsche Bilder von Ländern, die Jonathen so gern gesehen hätte, aber nie die Zeit dafür gehabt hatte, prangten an den Wänden. Jonathen warf ihnen, wie jeden Tag, einen sehnsüchtigen Blick zu und ließ sich dann in seinen großen schwarzen Sessel fallen. Vor ihm lag ein Terminkalender. Jonathen schlug ihn auf und legte den Kopf schräg. Familie Meier in 20 Minuten. Nun, diese Familie war ihm schon immer ganz gelegen gekommen. Alle zwei Jahre hatten sie ein neues Kind, brauchten mehr Versicherungen und allein ihr Fuhrpark kam einem Witz gleich. Jonathen wusste, dass Beide ihr Geld vom Amt bekamen, verurteilte sie jedoch nicht dafür. Die Frau hatte genug mit ihren Kindern zu tun und der arme Man stand völlig unter ihrem Pantoffel. Jonathens linker Mundwinkel zuckte amüsiert nach oben. In diesem Moment kam die Angestellte mit dem Kaffee. „Herzlichen Dank, Berta.“, rief er ihr nach, denn wie immer, war sie bereits wieder aus seinem Büro gehetzt, auf dem Weg, einen neuen Mitarbeiter zu finden, dem sie unter die Arme greifen konnte. Eine ausgesprochen zuvorkommende Frau!

Der Termin mit den Meiers lief wie geplant. Frau Meier redete, Jonathen redete, Herr Meier schwieg und nickte. Jonathen schloss mit ihnen eine neue Versicherung, für das mittlerweile fünfte Kind ab und lächelte in sich hinein. Zum Abschied geleitete er sie bis nach draußen. Bis vor die gläserne Halle und winkte aufmunternd Herrn Meier zu.

Dann zuckte er mit den Schultern und dachte bei sich, dass er wohl ein besserer Ehemann war, als es Herr Meier jemals sein könnte. Zurück in seinem Büro, studierte Jonathen seinen Terminkalender erneut. Er hatte noch ein wenig Zeit, bis er sich mit den Vorstandsvorsitzenden der Versicherung treffen würde. Eine Beförderung stand noch lange nicht an und groß etwas Bewegendes konnte sich auch Jonathen nicht vorstellen. Er trankt genüsslich seinen schwarzen Kaffee, las die neusten Aktienkurse und lächelte erneut. Seine Aktien stiegen mit jedem Tag!

Als es halb Zwölf war, stand ihm das Treffen mit seinen Vorgesetzten bevor. Mit einem doch flauen Gefühl im Magen ging er zu ihnen. Bis jetzt hatten sie nie ein Treffen außerhalb ihrer drei-Monate-Regel aufgestellt. Doch seid dem letzten Treffen war gerade einmal ein Monat vergangen!

Die Herren saßen bereits im Konferenzsaal und sahen ihn alle mit finsterer Mine an. Bisher war Jonathen so etwas von ihnen nicht gewöhnt gewesen. Was ihm wohl bevor stand? Vorsichtig, aber höflich lächelnd, setzte er sich auf den für ihn vorgesehenen Stuhl.

„Gut. Da nun alle anwesend sind. Kommen wir gleich zum Grund des heutigen Treffens, Mr. Goodman.“, eröffnete ein beleibter Man mit Glatze das Gespräch. Jonathen nickte ihm zu. „Es ist uns zu Ohren gekommen, dass sie das Image der Firma nicht mehr verkörpern.“, nun war Jonathen aber wirklich geschockt. Was tat er nicht mehr? „Sie sind zu alt geworden. Wir werden sie mit einem jungen Nachwuchs ersetzen. Ihre Abfindung finden sie übermorgen auf ihrem Konto.“, so war er. Kurz und direkt. Schmerzvoll und ohne Mitleid. Anders ging er mit seinen Kunden auch nie um. Jonathen klappte die Kinnlade herunter und genau in diesem Augenblick kam ein Man durch die Tür hindurch, mit dem er niemals gerechnet hätte. Einst war er Jonathens Aushilfe gewesen, hatte sich aber verdient gemacht und war nun ein guter Angestellter seiner Filiale. Ein Grinsen breitete sich auf dessen Gesicht aus. „Damit hättest du nicht gerechnet, was?“, flüsterte er ihm gehässig ins Ohr. „Machen sie nun bitte Platz, Mr. Goodman.“, sagte der Glatzköpfige streng von der anderen Seite des Tisches aus.

Das konnte alles nur ein Witz sein. Anders konnte es sich Jonathen nicht erklären. Mit hängenden Schultern und so glanzlos wie nie, schritt er durch die gläserne Halle. Dreizehn Jahre hatte er diesem Laden geschenkt und nun? Er war gefeuert worden und durch einen Jüngeren ersetzt worden. Dabei war er gerade mal 38! Was für eine Farce. Lustlos trottete er zu seinem Wagen, öffnete die Tür und lies sich auf den Fahrersitz fallen. Hätte ihn doch nur der Lastwagen heute morgen … doch weiter wollte er nicht denken. Als er nun durch die Frontschutzscheibe sah, erkannte er nicht mehr sein Kennzeichen vor dem Parkplatz, sondern das, der kleinen Schlange, die seinen Platz ergaunert hatte. Am liebsten hätte er es zertreten oder es ausgerissen und dem dazugehörigen Fahrer an den Kopf geschlagen, doch Jonathen war eine gute Seele. Er seufzte, startete den Motor und fuhr davon. Den restlichen Tag verbrachte er in einem kleinen Café. Er trank ein paar Kaffees, aß eine Nussschnecke und ein Stück Kuchen. Erst als es langsam dunkel draußen wurde, entschloss er sich, nun doch heim zu fahren. Ewig konnte er hier nun auch nicht sitzen.

Marian empfing ihn gewohnt freundlich und liebevoll. Auch der kleine Karlson sprang auf ihn zu. Doch Jonathen war zu kraftlos um ihn wie gewohnt durch die Luft zu wirbeln. Er ließ sich auf die Couch fallen, direkt neben seine Frau und lehnte den Kopf gegen die Lehne. Das war eindeutig ein gruseliger Tag gewesen. Wie sollte er es nur seiner Frau klar machen?

Ein Gefühl der Einsamkeit!

Es war mittlerweile tief in der Nacht. Karlson schlief bereits und Jonathen lag bis spät in die Nacht wach. Marian war nach wenigen Sekunden eingeschlafen und hatte einen aufgewühlten Ehemann allein wach gelassen. Erst spät schaffte er es, die Augen zu schließen und ein zu schlafen.

Am nächsten Morgen weckte ihn Marian wie gewohnt, hörte jedoch nur ein Brummen unter der Bettdecke und legte die Stirn in Falten. „Schatz? Du musst zur Arbeit!“, säuselte sie ihm ins Ohr, doch Jonathen regte sich immer noch nicht. Da zog sie ihm einfach die Decke weg und bekam dafür ein empfindliches Grunzen zu hören. „Nun komm schon!“, rügte sie ihn und Jonathen erhob sich langsam. Er konnte es ihr einfach nicht sagen, der enttäuschte Gesichtsausdruck würde ihm das Genick brechen!

Er rappelte sich also hoch, zog sich unter ihren strengen Blicken an und ließ sich dann doch wieder auf das Bett fallen. „Schatz, ich muss mit dir reden.“, sofort trat dieses Zweifeln in Marians Gesicht. „Was ist los?“, fragte sie mit zusammengekniffenen Augen. „Ich wurde gestern gefeuert.“, sagte der Versicherungsvertreter leise. „DU BIST WAS?“, schrie sie ihn an, stockte dann jedoch, da sie den Kleinen nicht wecken wollte. Jonathen fummelte nervös an seinen Manschettenknöpfen herum. „Ich wurde gefeuert und durch meinen ehemaligen Assistenten ersetzt worden. Die Abfindung bekommen wir überwiesen.“, flüsterte er genauso leise weiter.

Marian vertrug diese Nachricht noch schlechter, als Jonathen so schon geahnt hatte. Sie rannte wie eine wild gewordene Tarantel durch die Wohnung, schimpfte auf ihren Ehemann, auf die Firma. Doch mit keiner Silbe versuchte sie, ihn zu trösten, sie nahm ihn nicht in den Arm oder tat etwas anderes, das ihm zeigte, dass es Marian nicht nur um das Geld ging, dass sein Job abgeworfen hatte. Jonathen seufzte. Er nahm sich seine Lederjacke und ging aus der Wohnung. Es war besser, Marian nun allein zu lassen.

Er zog durch einige kleine Cafés, verweilte nie lange an einem Ort, um nicht aufzufallen. Er versuchte, damit fertig zu werden, dass er nun nicht mehr wie ein arbeitsloser Penner war. Seine Frau würde ihn wohl verachten! Er kam an einer Jobagentur vorbei. Schüttelte jedoch den Kopf. Er hatte genug Beziehungen, damit würde er schon an einen Job kommen. Es würde ihm auch nichts ausmachen, bei der Konkurrenz anzufangen. Ja, er würde schon einen Ausweg finden. Noch war sein Leben ja nicht ganz den Bach runter gegangen!

Wieder frohen Mutes und mit neuer Energie, kam Jonathen am Nachmittag heim. Er war früher da, als er es normalerweise zu sein pflegte. Genauso unheimlich war es, kein Geräusch in der Wohnung zu hören. Karlson war noch im Kindergarten und Marian? Jonathen dachte zum ersten Mal darüber nach, was Marian eigentlich trieb, während er nicht da war. Langsam ging er weiter und schaute in jedes Zimmer. Da hörte er ein lautes Geräusch aus der Küche. Schnell rannte er hin, um nachzusehen, was dort vor sich ging.

Dann sah er sie. Die Traumfrau, die große Liebe seines Lebens, in den Armes eines Anderen. Keines wahllosen Anderen, nein, Bernd. Sein bester Freund seid der Grundschule! Jonathen machte große Augen, wie sie da nebeneinander standen und sich küssten. „Was?“, stammelte er. Dann drehte sich Bernd grinsend zu ihm. „Was dachtest du? Das Marian hier rumsitzt und nichts tut?“, antwortete er spitz und Jonathen schaute abwechselnd zwischen seiner Frau und dem Freund hin und her. „Ich werde mich scheiden lassen, Jonathen. Es ist aus.“, sagte die Braunhaarige leise, aber deutlich. Jonathen begann, am ganzen Leib zu zittern. „Wie … wie lang geht das schon?“, fragte er unsicher. Eigentlich wollte er es doch gar nicht wissen, warum hatte er doch gefragt? „Ich werde Karlson behalten.“, fügte er entschlossen an. „Nein, wirst du nicht. Er ist bereits bei meiner Mutter.“, fuhr ihm Marian ins Wort. „Seid letztes Jahr bei meinem Geburtstag, als du ja zu einer Konferenz musstest.“, schnitt sie ihm vorwurfsvoll ins Herz, sie wusste selber, dass Jonathen damals sofort kommen musste. Es war ein Notfall gewesen. Doch nun verwendete sie so etwas gegen ihn. „Raus.“, flüsterte der Versicherungsvertreter, kurz bevor er es noch einmal schrie. „RAUS!“, wie ein kaputtes Tonband wiederholte er jenes eine Wort, selbst als die Beiden schon lang nicht mehr in der Wohnung waren, rief er es noch. Schlug gegen die Wand und weinte. Wie konnte ein ganzes Leben innerhalb von einem Tag zerstört werden?

Marian hatte die Scheidungspapiere bereits vorbereitet und nur noch darauf gewartet, dass Jonathen ihr einen Anstoß gab, sich trennen zu können. Karlson hatte der Vater nicht mehr sehen dürfen und nach knapp einer Woche war sie gekommen und hatte die Möbel geholt. Sie hatte alles geplant gehabt und Jonathen war geschockt von ihrer maßlosen Rücksichtslosigkeit. Tagelang saß er nur auf dem Bett, doch auch das nahm sie ihm. Dank eines genialen Anwalts hatte sie alles bekommen. Alles, außer der Eigentumswohnung. Jonathen hatte sich am ersten Tag nach der Trennung eine Flasche Wein gekauft. All zu oft hatte er gelesen oder im Fernsehen gesehen, dass Alkohol über die Trauer hinweg hilft. Doch es nützte gar nichts. Er verfiel dem Wahn der Flasche und erst nach zwei Monaten kam er dazu, sie wieder zu verlassen. Jonathen vermisste seinen Sohn, seine Familie alles. Wieso hasste ihn das Schicksal so sehr?

Ein Gefühl der Hilflosigkeit!

Kahle Wände. Um ihn herum waren diese kahlen Wände. Über ihm warf ein vergittertes Fenster einen Schatten auf den ehemaligen Versicherungsvertreter und der Staub vor seinen Augen flimmerte. Vor ihm waren Gitterstäbe und dahinter konnte er schwach ein Licht erblicken. Es tanzte im Wind und Jonathen wünschte sich, diese Erinnerungen würden verblassen. Es war unerträglich und mit jedem Moment fühlte er sich mehr wie ein ausgenommener Truthahn zu Weihnachten.

Jonathen blinzelte in die Dunkelheit hinein. Unscharf konnte er die Umrisse eines kleinen Hockers erkennen, ein Feldbett stand daneben und Jonathen kämpfte sich mühevoll auf die Beine. Schwankend stolperte er auf das Feldbett zu und lies sich darauf nieder. Es fühlte sich ungewohnt weich an. Er hatte schon zu lange auf dem kahlen Boden verbracht. Sein Magen begann zu knurren und er seufzte. Der Polizeibeamte würde sich nicht die Mühe machen, ihm etwas zu Essen zu bringen, ob er nun schuldig war oder nicht. Vorsichtig sah sich der Vertreter weiter in seiner ungemütlichen Zelle um. Sie war klein, ja, aber fast wohliger als seine Wohnung! Er drehte den Kopf weiter und sah durch die Gitterstäbe des Fensters nach draußen. Es war dunkel dort, pechschwarz und er konnte nur die kleinen Sterne am Himmel erkennen. Ergriffen von ihrer maßlosen Schönheit, stand er auf und ging zu dem Gitter hinüber. Wie paralysiert krallte er sich an die kalten Eisenstangen und starrte nach draußen. Wie unzählige kleine Glühwürmchen, die in einer kühlen Frühlingsnacht durch den Wind tanzten, strahlten die Sterne vom Himmelszelt nun auf ihn hinab. Jonathens Augen begannen zu glänzen, er war gerührt und dieses Gefühl der Hilflosigkeit ergriff ihn. Er wusste, er konnte nun nichts mehr tun. Er war allein, er war verloren und hatte nichts mehr, für das es sich zu kämpfen lohnte.

Es dauerte drei qualvoll lange Tage, bis ein Polizeibeamter richtig mit Jonathen sprach.

Am ersten Tag saß Jonathen die meiste Zeit auf seinem Bett. Ein Beamter brachte ihm eine Scheibe Brot, ein Glas Wasser und einen Teebeutel zum Frühstück. Angewidert sah der Vertreter darauf hinab. Er schob den Teller weit von sich weg und ignorierte ihn. Solange, bis sein knurrender Magen und das unerträgliche Hungergefühl die Überhand erlangten. Wie ein getriebenes Tier krabbelte er, nach etwas Essbarem lechzend, darauf zu. Er hatte auch die letzten Tage in seiner Wohnung nichts groß zu sich genommen. Umso hungriger war er jetzt und stürzte sich regelrecht auf das Brot. Als er noch im selben Moment das Wasser in seine Kehle fließen lies, verschluckte er sich und fast hätte er das Brot wieder ausgespuckt, schaffte es aber gerade noch, seinen Brechreiz zu unterdrücken. Zu kostbar waren ihr ihm die wenigen Brotkrumen, die dadurch hätten verloren gehen können.

Der zweite Tag war recht unspektakulär. Der Beamte brachte ihm auch an jenem Tag wieder etwas zu essen. Jonathen, nun nicht mehr so ausgemergelt wie noch einen Tag zuvor, teilte es sich ein. Er wollte nicht, dass er es nun verputzte und am Abend hungerte. Eine halbe Scheibe musste genügen. Zu seinem Glück, hatte sich sein Magen bereits daran gewöhnt, dass er nun weniger zu sich nahm.

Am dritten Tag wiederum, wurde ein weiterer Insasse eingeliefert. Er bekam eine Zelle nebenan. Mit diesem Man unterhielt sich Jonathen eine Weile, ehe er sich wieder in seine eigene kleine Gedankenwelt zurück zog. Der Kerl neben ihm schien ihm nicht sehr vertrauenswürdig. Anscheinend war dieser Man tatsächlich ein Verbrecher und ganz nach alter Manier, wollte sich Jonathen auf ihn nicht einlassen.

Jede Nacht, wenn Jonathen nicht schlafen konnte oder die Erinnerung ihn plagte, stand er auf, tastete sich an der kahlen Wand entlang und ging hinüber zu seinem kleinen Fenster. Die Gitterstäbe dort hatten etwas beruhigendes. Er klammerte sich Nacht für Nacht daran und sah nach draußen. Die unzähligen Sterne, die sein Gesicht beleuchteten und ihm Trost schenkten, prangten am Himmelszelt über ihm. Er erzählte ihnen flüsternd, was ihm geschehen war. Wie im Selbstgespräch begann er, noch in der zweiten Nacht, sich einzubilden, sie könnten ihn verstehen, würden antworten und ihn trösten. Jede Nacht war es das selbe Schauspiel. Jonathen weinte, schluchzte und legte diesen doch so fernen Sternen sein Herz offen.Wenn Einsamkeit, Hilflosigkeit oder Hunger ihn plagten, dann erzählte er es ihnen und sicherte es sich so, seinen Verstand durch die Trostlosigkeit zu retten.

Ein Blick in die Sterne

Erst am vierten Tag kam ein Polizist zu ihm, doch nun nicht mit etwas zu Essen, sondern mit einem großen Schlüsselbund in der Hand.

„Mr. Goodman?“, rief er ihm durch die Gitterstäbe hindurch zu. „Ja?“, erwiderte Jonathen monoton. „Hier war eine Frau und hat die Kaution für sie hinterlegt. Sie sind jetzt frei.“, klärte man den Vertreter auf. Wer könnte nur für ihn Geld bezahlt haben? Wem verdankte Jonathen diese Freilassung? „Wer... war das?“, stammelte er und sprang hoch und ging an die Stäbe. Doch er bekam keine Antwort. Der Man lies ihn gehen und gab ihm die wenigen Sachen, die Jonathen von seinem Leben geblieben waren. Unter anderem die Schlüssel zu seiner Wohnung, seine Brieftasche und einen Brief. „Der wurde hinterlassen mit ihrer Kaution zusammen.“, damit schickte man ihn hinaus auf die Straße.

Jonathen ließ sich auf die steinernen Treppen vor dem Polizeipräsidium fallen und öffnete den Brief. „Hallo Jonathen. Ich weiß, dass du nicht schuldig bist. Es tut mir Leid, dass ich dich erst jetzt dort raus geholt habe, doch man hat mich nicht eher informiert. Bitte komm mich doch mal besuchen. Deine Nathalie.“, Jonathen runzelte die Stirn. Nathalie war eine alte Schulfreundin. Sie und er waren gute Freunde, doch sie hatten sich völlig aus den Augen verloren, vor vier Jahren, als Jonathen Marian kennen gelernt hatte. Seine Ex-Frau hatte die gute Freundin als Konkurrentin empfunden und so jeglichen Umgang zu unterbinden gewusst. Das gerade Nathalie ihn aus dem Gefängnis befreite, kam Jonathen wie ein Traum vor.

Er stand auf und hob die Hand. Das nächste Taxi das an ihm vorbei fuhr hielt an. Jonathen stieg ein und nannte die Adresse. Der Fahrer musterte ihn fragend. „Keine Angst. Ich habe Geld.“, beruhigte er den Fahrer und dieser fuhr zufrieden los. Nach nur zwanzig Minuten kam Jonathen an seinem Ziel an. Er bezahlte den Fahrer und gab ihm sogar noch ein wenig Trinkgeld, eine seiner Manieren, die er noch von früher hatte. Geld war nie ein Problem gewesen, als er noch einen Job gehabt hatte.

Das Haus vor dem er nun stand, hatte weiße Wände, sie strahlten ihn regelrecht an. Der Vorgarten sah aus, wie aus einem Bilderbuch und hätte als Vorzeigemodell in einen Gartenkatalog gekonnt. Das Dach war rot und vor jedem Fenster, mit seinen braunen Fensterläden, befanden sich Blumenkästen. Nathalie hatte schon immer Blumen sehr gemocht. Jonathen musste lächeln bei diesem Anblick.

Langsam öffnete er das Gartentürchen, schritt den steinernen Weg entlang zu ihrer Tür und wollte klingeln. Doch einen Zentimeter vor ihrer Klingel hielt er inne. Sollte er es wirklich tun? Nathalie hatte ganz sicher eine Familie, die wäre von seinem Anblick mehr als nur geschockt! Doch dann tat er es doch. Ein lautes „Ding-Dong“ schallte hinter der Tür auf und nur wenige Sekunden später öffnete ihm eine blonde Frau.

Nathalie hatte sich nicht verändert. Sie war noch immer recht klein und ging Jonathen gerade bis zur Schulter. Doch ihre Größe machte sie mit ihrer Ausstrahlung und Präsenz wieder wett. Sofort schlang sie die Arme um seine Brust und drückte ihn an sich. „Schön, dass du gekommen bist.“, rief sie freudig aus und löste sich dann wieder von ihm. „Du siehst aus, als könntest du eine Dusche oder ein Bad gut gebrauchen.“, neckte sie ihn und winkte ihn mit diesen Worten auch gleich herein. Jonathen musste lachen und ging ihr hinterher.

Ganz wie Nathalie immer zu ihm gewesen war, ließ sie ihm ein Bad ein, reichte ihm noch ein Handtuch und ließ ihn dann allein. Als das warme Wasser Jonathens Körper berührte und umgab, spürte er, wie das Leben in seine Müden Knochen zurück kehrte. Er saß eine ganze Weile im warmen Wasser, bis ihm der Duft von Kartoffeln und Hühnchen in die Nase stieg. Nathalie machte sich doch hoffentlich keine Umstände? Von einer Familie waren hier jedoch keine Anzeichen. Es gab nur eine Zahnbürste, nur ein Handtuch und einfach nichts was auf eine weitere Person hindeutete.

Jonathen zog sich aus dem Wasser heraus, trocknete sich ab und zog sich wieder an. Frische Klamotten hatte auch Nathalie nicht gehabt und er war ja gleich zu ihr gefahren.

Jonathen ging dem Geruch nach und als er in die Küche kam, ging gerade hinter ihr die Sonne unter. Erst jetzt fiel ihm auf, wie schön Nathalie doch war. Als sie sich halb umdrehte, glänzten ihre Augen wie Sterne. Jonathen ging auf sie zu und fasste ihr Gesicht. Mit großen Augen starrte er sie an und fühlte, dass er sie vermisst hatte.

Was er danach fühlte, wusste er nicht mehr. Wie in Trance hatte er Nathalie geküsst und gewusst, dass sie nichts dagegen hatte. Beim Abendessen erzählte Jonathen der alten Freundin, was ihm passiert war. Die Trennung, der Verlust seines Arbeitsplatzes und der Vorwurf, er hätte seinem Sohn etwas angetan. Leise spielte dabei im Hintergrund ein Radio. Als Jonathen von diesen Erlebnissen erzählte, trällerte Karat gerade ihr „Über sieben Brücken musst du gehen.“ - Lied und Jonathen wusste, dass dies ihr Lied werden würde.

Mit jedem Moment den er bei Nathalie war, sah er mehr und mehr die Sterne der vergangenen Nächte in ihr, in ihren Augen, die glitzerten und funkelten.
 

Jonathen verkaufte die Eigentumswohnung und zog bei Nathalie ein. Sie war Floristin geworden und hatte so ihren eigenen kleinen Traum verwirklicht. Man sah es ihr an, wie sie strahlte, wenn die Blumen sie umgaben und auch Jonathen freute sich jedes mal, wenn sie im Garten arbeitete.

Nach einer kurzen Klage schafften es die Beiden, Karlson zu sich zu holen. Die blauen Flecke waren nicht von Jonathen gewesen, sondern von Marian selbst. Das Jugendamt hatte nicht lange gebraucht und so wohnte nun die kleine, glückliche Familie zusammen. Jonathen hatte bei einem Konkurrent der Versicherung angefangen und brachte schon bald ein ansehnliches Gehalt heim. Er hatte jedoch gelernt, dass Geld nicht alles war, sondern, dass es viel wichtiger war, Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Nach drei Jahren hatten Jonathen und Nathalie geheiratet und ein Jahr später war ihre Tochter Linda geboren worden.

Niemals würde Jonathen den Anblick der Sterne vergessen, die ihm in der Untersuchungshaft gerettet hatten. Nein, er sah sie jeden Tag aufs Neue, in Nathalies Augen.
 

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Die Zahl Sieben, um das aufzulösen, habe ich mir als etwas zentrales gewählt. Sie kommt nicht oft zum Ausdruck, außer direkt im Lied von Karat im letzten Kapitel.

Wer jedoch aufgepasst hat, erzählt die Geschichte aktiv von 7 Tagen. 3 Tage sitzt Jonathen in seiner Wohnung, 3 im Gefängnis und am 7ten ist er bei Nathalie.

In seiner Erinnerung in Kapitel 2 und 3 werden 7 Rückschläge geschildert: er wird gefeuert, durch einen Jüngeren ersetzt, verliert seine Frau, verliert seinen Sohn, wird von seinem besten Freund betrogen, verliert alles Mobiliar und landet im Gefängnis.



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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von:  Akai-chan
2012-10-13T17:47:36+00:00 13.10.2012 19:47
Hallo :)

Hui, in seinem Leben muss ja wirklich einiges passiert sein, dass er sich so hängen lässt. Aber sowas geht oft schneller als man denkt und meist kommt ja auch gleich alles zusammen. Wenn etwas schief geht, geht irgendwie immer alles schief. 
Interessant wäre es zu erfahren, was nun tatsächlich mit Frau und Kind passiert ist, ob er dem Jungen wirklich etwas getan hat und sich nur nicht daran erinnern kann - aus welchem Grund auch immer. Falls nicht, wäre es interessant zu erfahren, warum die Polizei gerade ihn verdächtigt. Insofern, Spannung ist schon ein wenig vorhanden und die Neugierde ist schon irgendwie geweckt. ;)
Den Namen Jonathen finde ich ein wenig ungewöhnlich, kenne ihn nur als "Jonathan". Aber nun gut, das ist Geschmackssache und es gibt ja immerhin Länder, da kann man seine Kinder nennen, wie man will. Ohne Rücksicht auf Verluste oder eventuelle psychische Schäden dadurch. *hust*


Was Grammatik etc. angeht, sind mir nur Kleinigkeiten aufgefallen, die ich dir hier einmal kurz nenne:

"er war keiner dieser zwielichtigen Männer, die mittags um Eins an die Tür klopfen und ihnen etwas aufschwatzen wollen, nein, auch keine Staubsauger!" - Hier würd ich auch nicht das Präsens verwenden, wenn man das Präteritum als maßgebende Zeitform für die Geschichte gewählt hat, sollte man auch dabei bleiben und kann allenfalls nur weiter in die Vergangenheit gehen. Sprich, ich hätte "klopften" und "aufschwatzen wollten" geschrieben. 

"Jonathen hatte sein eigenes kleines Büro gehabt, es ging ihm gut und die Kunden, die zumeist weiblich waren, waren mehr als nur zufrieden gewesen." - Ebenfalls ein kleines Zeitformproblemchen... "Es ging ihm gut." passt ja in die momentane Situation, wenn er da in der Wohnung an der Wand lehnt, nicht hinein. "Es war ihm gut gegangen." zeigt, dass das damals war und jetzt nicht mehr ist.

"Zu viel war passiert, als das er sich" - Bitte dass mit doppeltem s. ;)

"Eine Sirene ertönt vor seinem Haus." - ertönte

"Vor ihm ein Gitter, durch dass er" - und hier bitte ein s weg, "das" bezieht sich ja auf das Gitter.

"Entschlossen schloss er die Augen" - "entschlossen schloss" find ich von der Formulierung gerade nicht so schön, vielleicht fällt dir da noch was besseres ein?

Gruß,
Akai-chan im Kommentarfieber
Von:  konohayuki
2012-10-11T15:23:47+00:00 11.10.2012 17:23
~KF~

Hallo :)

Die direkte Ansprache des Lesers am Anfang des Kapitels hat bei mir irgendwie das Gefühl hervorgerufen, ich würde hier gerade einer Werbung folgen. Für was genau weiß ich nicht, aber das war das Gefühl, das sich in mir breitmachte.

>Seit drei Tagen saß er allein auf dem kalten Boden seiner Dreizimmerwohnung.

Kurz davor hast du auch schon "allein" verwendet, diese Wiederholung gefällt mir da nicht so gut. Vielleicht kannst du an einer Stelle "einsam" verwenden? Oder "verlassen"?

>Jonathen war ein einfacher Man gewesen.

Das sollte vermutlich Mann heißen. Ich finde aber, man bekommt sehr gut mit, wie Jonathen sich momentan fühlt.

>Zu viel war passiert, als das er sich daran erinnern wollte und könnte.

Meiner Meinung nach müsste da "konnte" stehen.

>Eine Sirene ertönt vor seinem Haus.

Da du die ganze Geschichte in der Vergangenheit erzählst, würde ich doch sagen, dass auch dieser Satz in die Vergangenheit gehört. Ich bin auf jeden Fall über das Präsens gestolpert.

>Entschlossen schloss er die Augen, kniff sie zusammen und öffnete sie wieder.

Ich finde die Kombination "Entschlossen schloss" etwas unglücklich, weil du zwei mal "schloss" drin hast. Da mir aber gerade kein Synonym für "schließen" einfallen will, würde ich dazu tendieren, das "entschlossen" zu ersetzen. Mir will gerade kein schönes Beispiel einfallen, das, was mir gerade durch den Kopf geht wäre "Ohne zu zögern", aber das ist glaube ich nicht ganz das, was du ausdrücken willst.

Insgesamt finde ich das Kapitel als Prolog sehr passend, du beschreibst die Ausgangssituation gut und man fragt sich als Leser: Was zur Hölle ist da denn falsch gelaufen, dass Jonathens Leben so aus dem Ruder gelaufen ist?

Liebe Schreibziehergrüße,

konohayuki
Von:  Anemia
2012-10-10T15:52:16+00:00 10.10.2012 17:52
Aloha!
Ein sehr interessanter Prolog, der einen Einstieg in eine sicherlich interessante Geschichte bietet.
Man erfährt innerhalb dieses geringen Umfanges bereits eine ganze Menge über Jonathen (wobei mir der Name mit 'e' geschrieben überhaupt nicht gefällt, gebe ich ganz ehrlich zu, und ich habe diese Schreibweise auch noch nie gesehen. Aber in Amerika, wo die Geschichte anhand der Namen sicher spielt, sind eh die komischsten Dinge möglich;)). Ich finde, mehr muss man am Anfang nicht wissen. Man kann ihn sich sehr gut vorstellen und auch seine Vergangenheit, was ich immer sehr schön finde. Denn so merkt man, dass der Autor sich Gedanken über die Figur gemacht hat, um ein stimmiges Bild von ihr zu vermitteln.

Den ersten Absatz finde ich sehr gelungen, die Anrede des Lesers gefällt mir immer, auch wenn mir das Pronomen 'Sie' nicht sonderlich genehm war und mir in Geschichten immer zu distanziert klingt. Schließlich fragt der Erzähler etwas ziemlich persönliches, was auf der 'Sie'-Ebene eigentlich undenkbar wäre. Andererseits passt das Pronomen zu dieser recht erwachsen klingenden Geschichte. Alles hat halt zwei Seiten. ;)

Du benutzt ab und an sehr schöne Metaphern und Wortspiele, die mir auch verstärkt in diesem ersten Absatz aufgefallen sind. Aber auch "Es war nicht lange her, da hatte um ihn das Leben geblüht." ist einfach nur wundervoll ausgedrückt. Mag ich sehr gern. Generell hat sich der Prolog sehr angenehm lesen lassen und ich bin auch über keinerlei Rechtschreibfehler gestolpert.

Eine Sache ist mir jedoch aufgefallen:

„Gut.“, sagte er knapp und machte sich eine Notiz auf seinem kleinen Block."
Nach 'gut' wird kein Punkt gesetzt, da die wörtliche Rede zu dem restlichen Satz gehört. Erst nach Einleitungssatz wird der Punkt gesetzt.

Ansonsten - einwandfrei und ich finde es sehr interessant, dass der Knast die Hauptfigur an zu Hause erinnert. Das wird nicht jeder von sich behaupten können. ;)

Weiter so!

lg Serpa,
vom Kommentarfieber gepackt.
Von:  Pumpkin_Queen
2012-10-07T11:55:48+00:00 07.10.2012 13:55
KF

Mittag!

Ich fand es schön, dass du versucht hast, denn Leser direkt anzusprechen. Am Anfang hat das bei mir auch sehr gut geklappt, nur nach dem ersten Absatz ging das etwas verloren.
Und vielleicht täusche ich mich ja, aber wird 'Jonathen' nicht mit a und nicht e[/] geschrieben?

Und zur Grammatik:
Er lehnte mit dem Rücken gegen die Wand, über ihm warf ein Fenster einen Schatten über sein Gesicht und ließ den Staub vor seinem Gesicht flimmern.
Mit einem 'sich' zwischen 'lehnte' und 'mit' würde sich der Satz flüssiger lesen lassen.

Hinter ihm, links und recht von ihm waren kahle, kalte Wände.
Den Satz würde ich umformulieren. Über den kann man schnell stolpern beim lesen.

Die Grundidee der Geschichte gefällt mir sehr gut! Jonathen ist wirklich ein armer Hund, er kann einem ziemlich leid tun.

Mit lieben Schreibziehergrüßen
Pumpkin_Queen

Von: abgemeldet
2012-10-07T11:28:59+00:00 07.10.2012 13:28
- KF -

Guten Tag.
Und schon geht es weiter! Wie ich sehe, bin ich nicht die einzige, die schon fleißig ist. :)
Da Eldeen schon viele Fehlerchen genannt hat, denke ich, ich kann sie einfach mal überlesen.

Bei der direkten Anrede des Lesers versuche ich mich auch immer angesprochen zu fühlen. Meistens klappt es nicht. Warum hast du hier übrigens das "Sie" gewählt? Was die Großschreibung dessen angeht, weißt du ja jetzt Bescheid.

Dies ist ja mal ein erstes Kapitel, kein One-shot. Im ersten Moment war ich nämlich zugegebenermaßen verwirrt. Und dass es ein Prolog ist, merkt man an den wenigen Informationen. Ja, was ist denn nun passiert? Wäre es ein One-shot, hätte ich jetzt mit Tod und Verderben gerechnet, aber so ist alles offen.
Neugierig, was denn nun den Verdacht der Misshandlung aufkommen ließ, wo seine Familie ist und was es mit den vielen weiblichen Kunden aus sich hat, bin ich aber geworden. Da hast du also was richtig gemacht.
Allerdings solltest du in Zukunft vielleicht doch deine Texte nochmal korriegieren oder einen Beta fragen. Auf der Tafel stehen ja schon drei, also vielleicht ist jemand für dich dabei.
Das hilft dir auch dabei, in Zukunft einfach selbst auf einiges zu achten.

Liebe Schreibziehergrüße,
Turnaris
Von:  Eldeen
2012-10-07T10:49:29+00:00 07.10.2012 12:49
Uh, ich bin die Erste, die hier einen Kommentar verfasst! Vorweg, ich habe derzeit tatsächlich nur den Prolog gelesen, werde ihn also wohl unabhängig von den folgenden Kapitel bewerten. (Wobei, nur kurz am Rande: Ich finde die Titel der Kapitel ziemlich gelungen ;D)

Inhaltliches:
Dass ein Prolog keinen gewaltigen Inhalt hat, ist natürlich klar, also bewerte ich das Ganze jetzt als Prolog und nicht als etwas Eigenständiges. Was muss ein Prolog leisten? Er muss eine Art Einführung bieten, Fragen aufwerfen und neugierig machen. Das wird bei diesem soweit auch tatsächlich erfüllt.
Ich finde die Darstellung des Charakters ziemlich überzeugend, ebenso wie die Darstellung seiner Situation. Die Polizei und deren Auftauchen gingen mir zwar ein wenig zu schnell, aber an sich habe ich inhaltlich am Prolog nicht sonderlich viel auszusetzen. Man fragt sich natürlich, ob der gute Jonathen tatsächlich handgreiflich geworden ist und das verdrängt hat, oder ob es sich hierbei schlicht und ergreifend um eine Verwechslung handelt. Hübsche, offene Fragestellung. : )

Stilistisches:
Stilistisch ist das Ganze gelungen. Der Stil ist gut lesbar und ich bin nur an wenigen Stellen über irgendwelche Sätze gestolpert. Hier und da solltest du auf Wiederholungen achten, ansonsten kann ich hier nicht viel bemängeln. :)
Hier noch ein Beispiel für besagte Wiederholungen:

über ihm warf ein Fenster einen Schatten über sein Gesicht und ließ den Staub vor seinem Gesicht flimmern.
Hier ist das Gesicht doppelt, vielleicht einfach den Staub "vor ihm"? :)

Rechtschreibung & Grammatik:
Alles in allem in Ordnung, wobei ich ein bisschen das Gefühl habe, dass hier kein zweites Mal drübergelesen wurde, weil neben ein paar Kommafehlern auch Flüchtigkeitskram drin steckt - ich bin mal so frei:

Kennen Sie dieses Gefühl? Alles ist leer. Nicht nur ihr Kopf, nein, auch ihre Wohnung, ihr Herz und ihr Leben? Sie wünschen sich, die Zeit zurück zu drehen, damit sie in die Vergangenheit können, in der doch alles so viel besser war? Kennen sie dieses Gefühl von Einsamkeit? Kennen sie dieses Gefühl von Verzweiflung?
Hier haben wir diverse Pronomen, die großgeschrieben werden müssten.
-> "Ihr Kopf", "Ihr Herz", "Ihr Leben", "damit Sie", "Kennen Sie", "Kennen Sie". Das erste "sie" war noch groß, die anderen leider nicht mehr.

Seid drei Tagen saß er allein auf dem kalten Boden seiner drei Zimmer Wohnung.
"Seid" bitte einmal zu "Seit" umändern und ich würde die "Dreizimmerwohnung" tatsächlich in einem Wort oder aber zumindest mit Bindestrichen (Drei-Zimmer-Wohnung) schreiben. :)

und ihnen etwas auf schwatzen wollen, nein, auch keine Staubsauger!
Ich wrüde "aufschwatzen" zusammenschreiben, bin mir da jetzt aber auch nicht 100%ig sicher.

mit dem kleinen Jungen der so gern mit seinem Vater im Garten gespielt hatte?
Komma nach "Jungen"

Jonathen wusste nicht, wo die Beiden hin waren.
"Beiden" klein

bekam er lediglich einen amüsierten Blick zugeworfen, der sich, dank dem Gestank, schnell in einen Angewiderten wandelte.
"Angewiderten" klein, weil es sich noch auf den Blick bezieht.

„Wir müssen sie leider mitnehmen. Es besteht der dringende Tatverdacht, dass sie handgreiflich gegenüber ihrem Kind geworden sind.“
Hier bitte die beiden "sie" groß ;)

Wie ein Straftäter wurden ihm Handschellen angelegt
"Wie einem Straftäter"

Auf dem Revier musste er sich einem peinlichen Verhör stellen, bei dem nicht mehr heraus kam, als das er ein wirklich armer Hund sein konnte.
Das "das" im Nebensatz bitte zu "dass" umändern

Dennoch lies man ihn nicht laufen.
"lies"-> "ließ"

Hinter ihm, links und recht
Bei "recht" fehlt das "s" am Ende

Vor ihm ein Gitter, durch dass er einen kleinen Lichtschein erblicken konnte
"Dass" hier bitte nur mit einem s, ist ein Relativpronomen

Leise lies er sich an der Wand nach unten rutschen.
"lies" -> "ließ"

Es fühlte sich tatsächlich an, wie daheim.
Komma streichen :)

Fazit:
Interessanter Auftakt und ein schöner Prolog. Er leitet die Geschichte gut ein, wirft die nätigen Fragen auf und besonders die Melancholie der Hauptfigur wird deutlich. Die Fehler stören ein wenig, aber die kann man ja beseitigen. ;)

Liebe Schreibziehergrüße,
Eldeen im Kommentarfieber


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