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Ein Engel, der keiner sein sollte

Auch die im Himmel machen Fehler...
von

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Feuer und Schwefel...

Warum war der Himmel so voller Zorn, so voller Wut? Was hatten all die Menschen getan, die in dieser Stadt lebten, dass sie so bestraft wurden?

Er war doch nur auf der Durchreise mit seinen Eltern gewesen, niemand hatte wissen können, dass dies geschehen würde...

Sodom...

Er rannte durch die Straßen, die Menschen rannten alle schreiend durch die Gassen und Gänge, immer die Arme über den Köpfen, um nicht von den herumfliegenden Steinen erschlagen zu werden.

Feuer fiel vom Himmel, stürzte in die Häuser und riss dabei Mauern ein, ganze Gebäude fielen in sich zusammen.

Es stank fürchterlich...

"Raphael, komm schon!"

Diese Stimme kam von seiner Mutter, die ihn fest an der Hand hielt.

"Mama, ich kann nicht mehr!"

"Das musst du noch schaffen, mein Kleiner, wir sind bald draußen!"

Sie zog immer stärker an seinem linken Arm. Sie war unglaublich schnell unterwegs, die kleine Tochter im rechten Arm. Der Säugling kreischte erbittert.

Die beiden waren aus dem Schlaf gerissen worden. Vater war nicht mehr im Haus, als Mutter sie mit sich nahm. Sie sagte, er wäre schon vorgegangen und würde beim Haupttor auf sie warten...

Wieder schlug ein Feuerball in ein Haus ein, die Mauer fiel vor ihnen auf den Weg. Zum Glück konnte die kleine Gruppe schnell genug anhalten.

Der Stein knallte mit voller Wucht auf den Boden und erzeugte eine gewaltige Staubwand vor ihnen.

Raphael musste stark husten, der Staub brannte in seiner Nase und den Atemwegen.

Mutter jedoch zog ihn schon wieder mit sich, sie wollte so schnell wie möglich aus der Stadt raus.

Es waren nur noch fünfzig Meter, sie ließen die Schreie hinter sich...

Dreißig Meter...

Zwanzig Meter...

Plötzlich zog etwas an Raphaels Fuß. Es war, als würden sich Knochen um sein Fußgelenk klammern. Er schrie laut, als er aus der Hand seiner Mutter gerissen wurde...

Er wurde über den staubigen Boden gezogen...

"Mama!"

Sie lief weiter... Warum wartete sie nicht auf ihn?

"Mama!"

Nicht ein einziges Mal sah sie sich um...

"Ma-!" Sein Mund wurde mit der knochigen Hand bedeckt.

"Sie wird sich nicht um dich kümmern! Es war eine verzerrte Stimme, wie von einer anderen Welt.

Was redete diese Stimme da? Seine eigene Mutter würde sich doch noch um ihn kümmern... oder etwa nicht?

"Sie wird aber auch nicht mehr weit kommen Die Stimme lachte laut auf. Scharfe Krallen schnitten in seine Wangen, seine Arme, seine Brust...

Über Raphaels Wangen begannen Tränen zu laufen, die Wunden begannen zu brennen, so fürchterlich. Seine Sicht verschwamm, er hörte einen spitzen Schrei und lautes Gröhlen...

Warum nur? Gab es denn keine höhere Macht, die dies alles aufhielt? Keine Gnade?
 

Plötzlich, es war, als hätte man seine Gedanken erhört, erschien ein Licht über ihnen allen, über der Stadt...

Raphael wurde losgelassen, jedoch fiel er zu Boden, seine Kraft war verschwunden. Das Licht schien sich alles zu nehmen, was ihre Srahlen erfasste.
 

Na, wenigstens war das alles vorbei... Es war nur noch Stille...

Eigentlich ja herrlich...

Das Weiß...

Was war nur los?

Es war alles weiß und hell... vertraut...

War er nicht eben noch in Sodom gewesen? Bei dieser verdammten Stadt?

Eigentlich war es hier auch viel angenehmer...

Raphael strich sich kurz durch das verdreckte Haar und sah an sich hinunter. Er hatte immer noch diese schmutzigen und staubigen alten Sachen an.

"Raphael!"

Der Junge zuckte zusammen, als er die Stimme hörte. Es war eine weibliche Stimme. Samtig, fast, als säße man auf Wolken. Sie war sehr angenehm...

"Wer bist du?", fragte er und sah sich um.

"Erinnerst du dich nicht mehr an mich?" Die Stimme klang enttäuscht, fast schon traurig.

"Nicht dass ich wüsste. Aber du kannst mir vielleicht helfen! Wo bin ich hier?"

Stille...

"Hallo?!" Raphael konnte es nicht fassen. Die einzige Hilfe, die er kriegen konnte, wollte nicht mehr mit ihm reden, weil er sich nicht mehr an sie erinnerte!

"HALLO!?!" Jetzt wurde er richtig sauer...

"Hm? Oh... geh einfach deinem Gefühl nach!" Die Stimme klang beleidigt. Konnte man so jemanden noch trauen? Er musste wohl oder übel...

Nur was sollte das? Geh deinem Gefühl nach!Was, wenn er ein falsches Gefühl bei dieser Sache hatte?

Raphael stand nun da und drehte sich immer wieder um sich selber. Jede Seite fühlte sich gleich an...

Nach ungefähr einer Stunde (oder vielleicht sogar schon zwei, er war erst zehn) hatte er die Nase gestrichen voll.

Er schloss die Augen und drehte sich um sich selber. Er blieb zufällig stehen und ging in diese Richtung, wenn auch etwas wacklig. Ihm war vom vielen drehen schwindelig geworden.

Und er sah noch mehr weiß...

Und noch mehr weiß...

Und noch mehr weiß...

Durch das Tor...

"Aaaaaaaahhh!"

Raphael schrie laut in die Leere hinein. Anders konnte er seiner Verzweiflung nicht mehr Luft machen. Er war nun schon Stunden in dieser weißen Hölle gefangen. Nach einer oder zwei Stunden hatte er es aufgegeben, nach einem Ausweg zu suchen und hatte sich auf den Boden gesetzt.

"Aaaaaaaahhh!" Er schrie weiter, holte zwischendurch Luft und weiter ging's. Nach zwei Minuten wurde ihm jedoch selbst das grundlose Schreien zu langweilig und er ließ sich hinfallen.

Da lag er nun und war am durchdrehen.

"So ein Dreck!" Er schlug vor Wut mit der flachen Hand auf den Boden.

Er verschränkte mit einer trotzigen Miene die Arme, als wäre er sich sicher, dass damit etwas geschehen würde. Er starrte mit finsterem Blick Löcher in die weiße Luft.

Doch schnell war aus Wut Trauer geworden...

Warum nur passierte ihm sowas? Hatte er etwas getan in seinen zehn Jahren wofür er noch nicht genug bestraft worden war? Seine Familie hatte er verloren, sein Leben offenbar auch und er saß mutterseelenallein in diesem leeren Raum fest.

"Ich hasse alles und jeden!", schrie er schließlich laut hinaus. Er empfand in diesem Moment so viele Gefühle, dass er meinte, er würde auseinander gerissen.

Es war Wut auf so viele Leute und Sachen... seine Mutter, die sich nicht einmal umgedreht hatte, als er festgehalten wurde, in Todesangst um Hilfe rief... den Eigentümer der Stimme, der ihm nicht weiterhelfen wollte... dieser Leere, dass sie nicht aufhören wollte und keinen Ausgang preisgab... dem Geschehen in Sodom, dass dies ausgerechnet dann passieren musste, als er mit seiner Familie dort war...

Aber auch auf etwas anderes, das er nicht wusste, als wäre da noch etwas anderes in ihm, das auf jemanden ganz bestimmten eine Heidenwut hatte...

Tränen liefen über seine Wange und fielen zu Boden...
 

"Sanctus, was meinst du?"

"Jaa, zum tausendsten Mal, verdammt!"

"Sanctus, du lernst es nicht, oder?"

"Wenn du mir die ganze Zeit auf die Nerven gehst!"

Was waren das nur für Stimmen?

Rapfael öffnete die Augen. Er lag immer noch am Boden, doch da standen zwei Gestalten über ihm. Einer sah ihm recht lustlos in die Augen, wobei seine blonden Haare ihm ins Gesicht fielen. Der andere hatte kurze braune Haare und lächelte breit, als er sah, dass Raphael wach war.

Der Blonde fuhr wieder in die Höhe und sagte leicht gelangweilt: "Er ist in Ordnung, also kannst du ihn reinlassen, Petrus!" Er wandte sich schon wieder zum gehen, wurde jedoch von dem anderen Mann zurückgerufen.

"Halte ein, Sanctus, du bist dazu verpflichtet worden, die Seelen vom Totentor zu holen, vergessen?" Seine Stimme war beruhigend, Raphael fand, dass der wohl selbst den Niedergeschlagensten wieder aufmuntern konnte und auch der Traurigste wieder fröhlich war, wenn dieser Mann - er wurde Petrus genannt - es nur befehlen würde.

Sanctus, wie der blonde Mann von Petrus gerufen wurde, drehte sich um und sein Blick war mörderisch. "Ja, Petrus, aber ich habe wichtigere Aufgaben zu erledigen!"

"Nein, hast du nicht, wenn Metatron es dir befohlen hat! Das soll auch eine Strafe sein, wenn ich dich daran erinnern darf!" Petrus grinste beinahe schon fies.

Raphael sah sich derweil um, als sich die beiden in den Haaren lagen! Er saß auf auf etwas weichen, als wäre der Boden mit Kissen zugepflastert, aber gerade, man konnte bestimmt gut darauf stehen, als wäre es ein ebener Boden.

Hinter ihm war ein großes eisernes Tor, mindestens fünfzig Meter hoch und die Hälfte so breit, das durch eine gigantische Kette und ein Schloss versiegelt war. Man konnte nicht einfach durchschreiten, ohne den geeigneten Schlüssel dabei zu haben und dazu brauchte man schon mehr als einen Menschen, um den zu tragen. Davor stand ein großes Podium, ungefähr drei Meter hoch, eine Feder stand in einem Tintenfass darauf und ein Stapel mit Pergamentblättern.

Die beiden stritten immer noch darüber, dass Sanctus sich nicht über Befehle hinwegsetzen konnte.

Raphael sah nun vor sich und da war noch ein Stück mit dem weichen Weg, doch dann schloss eine Dunkelheit an, die undurchringbar schien.

"Sanctus, ich werde es Seraphiel mitteilen müssen, wenn du nicht deinen Pflichten nachkommst!" Petrus war von dem Streit wohl schon genervt und eine ernste Drohung schien das letzte Mittel zu sein. Und es wirkte offenbar.

Sanctus wurde etwas blasser im Gesicht. Ganz unvermittelt zog er die Schultern nach oben. Er wollte es sich wohl nicht zu sehr ankennen lassen, dass Petrus mit dieser Drohung genau ins Schwarze getroffen hatte.

"Na gut, dann bring ich ihn eben zum Himmelstor. Meinetwegen!" Sanctus deutete wortlos auf Raphael. Dem wurde es plötzlich ganz anders, als er Sanctus in die Augen sah. Er schaute wütend drein. Hoffentlich ließ er es nicht an dem Jungen aus...

Doch Raphael stand auf. Tatsächlich konnte man auf diesem weichen Boden problemlos stehen.

"Komm, Kleiner! Ich muss dich zum Himmelstor bringen, wie es Meister Petrus mir aufgetragen hat!" Sanctus betonte die Worte "muss" und "Meister" sehr stark, dass es sogar Petrus noch mitbekommen hatte, der gerade auf dem Weg zum Podium war. Offenbar war er hier von seiner Arbeit abgehalten worden.

Petrus drehte sich um und rief ihnen pikiert hinterher. "Das habe ich gehört!"

Sanctus schaute nicht mehr um, hob nur noch zum Abschied die rechte Hand und rief laut: "Lass die Arbeit nicht länger warten!"

Raphael drehte sich noch zu Petrus um und winkte ihm zum Abschied.

"Das war jetzt aber nicht nötig, Kleiner!" Sanctus schob ihn mit der Hand am Rücken mit sich mit.

Raphael zuckte nur die Schultern. Seinetwegen eben nicht!

Sie schritten auf das Tor zu. Raphael wunderte sich, warum ausgerechnet dahin, wo das doch fest verschlossen war.

Doch der Mann schien keine Anstalten zu machen, sich noch woanders hinzuwenden.

Doch der Junge erkannte es schon, da war eine Tür in dem Tor, durch das man durchgehen konnte. "Kann ich dir eine Frage stellen?"

"Das Tor ist nur aus symbolischen Gründen so verschlossen!" Sanctus beantwortete die ungestellte Frage.

Raphael war beeindruckt. "Kannst du meine Gedanken lesen?"

Sanctus legte seine Hand auf die Eisentür und hielt inne. "Nein, aber ich habe damals die selbe Frage gestellt."

Damals? Hatte es ihm auch mal so ergangen, wie Raphael jetzt? Doch er sah nicht so aus, als wäre er in der Stimmung sein Leben auszuplaudern. Dann eben nicht!

Sie schritten durch die Tür, Raphael voran. Sanctus verschloss die Tür wieder sorgfältig hinter sich.

Die beiden stand nun am Fuß eines kleinen Hügel. Raphael erkannte aber schon, dass es heller war, als draußen.

"Sanctus, wo br-!" Er wollte ihn eigentlich fragen, wohin sie gingen, doch er wurde von einem erhobenen Finger vor seiner Nase zum Schweigen gebracht. Sanctus sah ihn an, als wäre er nahe dran, seine Finger im seinen Hals zu schlingen und fest zuzudrücken.

"Zuerst einmal etwas zum merken! Ich bin Saint!" Er senkte den Finger, den Raphael mulmig begutachtet hatte.

"In Ordnung, gemerkt!" Raphael lächelte ihn schwach an.

Saint - komischer Name! - ging an Raphael vorbei, dabei raschelte es bei jedem Schritt. Dem Jungen fiel der Mund auf und er konnte ihn nicht mehr schließen, seine Augen waren an Saints Rücken gefesselt, es gab keine Chance nicht darauf zu achten.

Da waren blendendweiße Flügel. Drei Paar am Stück...

"Was ist das? Waren die vorher auch schon da?" Raphael konnte sich nicht mehr einkriegen.

"Das sind Flügel, die Zeichen dafür, dass ich ein Engel bin. Ein Seraphim, um es genauer zu sagen. Wir sind die Beschützer des Allmächtigen, außer natürlich meiner Wenigkeit, da ich meine Kraft ungewissenhaft eingesetzt habe." Er hörte sich an, als würde er eine Standpauke lustlos wiedergeben. "Und nein... die waren vorher noch nicht da. Sie werden erst hinter dem Totentor sichtbar. Wir sollen uns nicht vor den Ungläubigen offenbaren!"

"Bin ich dann ein Gläubiger, oder was?" Raphael kam nicht ganz mit.

Saint grinste leicht. "So in etwa!"

Ohne ein weiteres Wort stieg er den Hügel hinauf. Raphael folgte ihm unauffällig.

Es war ein beschwerlicher Aufstieg, auch wenn der Hügel unscheinbar wirkte, der Anstieg war überwältigend. Hoffentlich war die Aussicht die ganzen Strapazen auch wert!

Saint wartete auf den Jungen an der Spitze. Raphael war atemlos, als er bei Saint angekommen war.

"Herzlich willkommen, Kleiner, im Himmelreich!"

Raphael fiel wieder der Mund auf. Da unten war etwas, das ganz und gar überwältigend war...



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