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Sein wahres Ich - One Shot-Sammlung

Seine wahren Gefühle
von

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Subaru's End

>>Ohne sie wollte er einfach nicht mehr leben«
 

Rest in peace, Subaru!
 

~~°~~
 

Subaru grinste breit, als er sein Werk betrachtete. Spiegelei, gebratener Speck, Reis, Miso-Suppe, Brot und Aufstrich, Müsli, Milch und Obst.

Ein recht üppiges Mal, bei dem er sich viel Mühe gegeben hatte.

Er hievte alles auf ein Tablett, das ihm die Haushälterin zur Verfügung gestellt hatte und verließ damit die Küche.

Für einen kurzen Moment musste der Blondhaarige blinzeln.

Die hell erleuchteten Flure sahen alle gleich aus.

Unglaublich, dass sein Stiefvater in so einer Prachtvilla wohnte und er von alledem nichts wusste.

Er nahm den Flur, aus dem er meinte, gekommen zur sein.

Das Tablett schwankte kurz und für einen Moment hatte er Angst, es würde ihm zu Boden fallen, aber er konnte sich noch rechtzeitig fangen und jeglichen Schaden vermeiden.
 

Als er vor der Zimmertür stand, schluckte er einmal kräftig.

Schließlich war es nicht alltäglich, dass er einem Mädchen das Frühstück ans Bett brachte.

Zaghaft legte er eine Hand auf die Klinke – und drückte sie hinunter.

Das Erste, was Subaru bemerkte, war ein eisiger Windzug, der durch die geöffnete Balkontür drang und die Vorhänge zum Flattern brachte.

Der Himmel hatte sich verdunkelt, dichte Regenwolken hingen am Horizont und von der strahlenden Sonne, die gerade eben noch die Welt mit ihrem gleißenden Licht erfüllt hatte, gab es keine Spur mehr.

Das Nchste, was dem Blondhaarigen auffiel, – und das versetzte ihm den größten Schocks seines Lebens - war, dass das Bett zu seiner Rechten leer war.

Die Bettdecke war ordentlich zusammengefalten und es deutete nichts darauf hin, dass jemand darin genächtigt hatte.

Subaru stellte das Tablett auf die kleine Kommode neben dem Bett und packte sich verwirrt an den Kopf.

Hatte er das alles bloß geträumt?
 

Ratlos sah er sich im Zimmer um.

Vielleicht war sie auch bloß im Bad.

Er wartete. Sekunden, Minuten, Stunden. Er wusste es nicht.

Erst als dicke Regentropfen vom Himmel herabfielen und ein Blitz das Zimmer kurzzeitig erleuchtete, bemerkte er das zusammengefaltete Stück Papier auf der Bettdecke.

Er griff danach, entfaltete es und las die Zeilen.

Seine Augen weiteten sich um Millimeter, immer wieder las er die Zeilen, wollte nicht wahrhaben, was sie ihm mitteilten.

„Verdammt“, brüllte er laut und zerknüllte das Stück Papier in seiner Faust.

„Verdammt, verdammt, verdammt!“

Erst langsam sickerte die wahre Bedeutung ihrer Worte in sein Gehirn – dann ging alles ganz schnell.
 

Er griff nach seiner Jacke und dem Rucksack, eilte aus dem Zimmer und stürmte die Treppen hinunter in die Eingangshalle.

Der Regen prasselte ihm eiskalt ins Gesicht, der Wind bließ ihm um die Ohren.

Aber Subaru spürte nichts. Rein gar nichts.

Es war so, als wären all seine Emotionen vom Regen hinfortgespült worden.

Er war bloß noch eine leere Hülle. Ein Schatten seiner Selbst.

Er lehnte sich an sein Motorrad, schaltete sein Handy an und sah die Email von Aoi.

Als er sie las, stieg Wut in ihm auf und er warf das Gerät an einen nächststehenden Baum, wo es zerschellte.

Dann stieg er auf sein Motorrad, gab Gas, fuhr viel zu schnell über die regennasse Landstraße.

Noch immer spürte er nichts. Weder den Fahrtwind, der ihm ins Gesicht schnitt, noch den Regen, der ihn bis auf die Knochen durchnässte. Er fuhr, bis der Tank leer war.

Es hatte ihn bis ans Meer getrieben.

Wutschnaubend sprang Subaru vom Gefährt, trat darauf ein, ignorierte den pochenden Schmerz in seinem Fuß. Er nahm den Helm, zerschlug ihn an einem der Steine, starrte benommen auf die Schnittwunden in seiner Hand.
 

Womit hatte er so ein Leben verdient?

Warum lebte er überhaupt, wenn er niemals glücklich sein durfte?

Er hockte sich nieder, schrie aus vollem Leibe, raufte sich die Haare, bis es schmerzte.

Seine Schreie hallten an den Küstenfelsen wider, trugen seine Verzweiflung über das weite Meer hinaus.

Die Brandung schäumte. Subaru fuhr herum und bemerkte erst jetzt, dass er auf einer Klippe stand.

Er lachte vor Freude, erhob sich, setzte sich wieder auf sein Motorrad und starrte in den endlos tiefen Abgrund.

Bald würde er bei seiner Mutter sein, ging es durch den Kopf und ein bitteres, verzweifeltes Lachen verließ seine Kehle.

Er stieß sich mit den Füßen ab, rollte über die Klippe – und fiel.

Es schien kein Ende zu nehmen.

Im Fall dachte Subaru über so vieles nach.

Über Aoi, wie er es geschafft hatte im Leben weiterzukommen, trotz aller Hindernisse.

Er dachte an seine Eltern, seinen Stiefvater.

Sogar an Kaya und Souma dachte er.

Und letztendlich dachte er an sie, sah ihr Gesicht vor Augen, sah den Brief von ihr und schloss die Augen.

Er ersehnte sich das Ende so sehr, dass es beinahe schon schmerzte.
 

Irgendwann prallte er dann mit ganzer Wucht auf.

Er lag da, konnte sich nicht bewegen, sah nach oben.

Der Regen prasselte immer noch unaufhörlich und er spürte urplötzlich ein schweres Gewicht auf seinem rechten Bein.

Wahrscheinlich war das Motorrad direkt darauf gefallen.

Aber der Schmerz blieb aus.

Natürlich tat er das, schließlich war er jetzt im Himmel.

Aber wieso fühlte sich der Himmel so real an?

Wo waren die Engel? Sein Engel?

Wo war seine Mutter, um ihn abzuholen?

Erst allmählich begriff Subaru, dass er noch lebte.

„Verdammte Scheiße!“ Seine Stimme war heiser und klang so völlig fremd.

Er tastete um sich, spürte den Sand zwischen seinen Fingern und starrte abwesend in den grauen Himmel über ihm.

Wieder tauchte ihr Gesicht auf und schmerzvoll schloss er die Augen und wand sich wild umher.

Dabei stießen seine Fingerkuppen auf etwas Scharfes.

Er griff danach und hatte eine rosafarbene Muschel in der Hand.

Ihre Seiten waren messerscharf und plötzlich kam Subaru eine Idee, wie er sich von all dem Leid befreien konnte.

Tränen stiegen ihm die Augen. Zum ersten Mal an diesem Tag.

Er setzte die Muschel an sein Handgelenk – und fuhr die nasse Haut damit entlang.

Warmes, dunkelrotes Blut floss aus der Schnittwunde und tropfte auf den Sand unter ihm.

Subaru wiederholte diese Aktion. Einmal, zweimal, dreimal, dann das andere Handgelenk.

Irgendwann spürte er nichts mehr.

Er legte den Kopf einfach auf die Seite und schloss die Augen, während das Letzte, was er sah, ihr Gesicht war.

Dann wurde alles schwarz.
 

~~°~~
 

Laute Stimmen, ein unerträgliches Piepsen und eilige Schritte ließen Subaru die Augen öffnen. Das Erste was er sah, war Grau, unendliches Grau.

Für einen Moment dachte er, immer noch an der Stelle zu liegen, an der er gestorben war.

Doch ehe er realisieren konnte, wo er war und dass er noch lebte, sah er ein ihm wohl bekanntes Gesicht über ihn auftauchen.

Tiefe Furchen zogen sich durch das über alles besorgte Antlitz des Weißhaarigen.

Noch nie hatte Subaru seinen Bruder weinen gesehen.

„Aoi“, brachte er mit erstickter Stimme hervor und der Weißhaarige schnappte hörbar nach Luft.

„Subaru!“ So viel Erleichterung schwang in Aois Stimme mit.

„Wie geht es dir?“

Subaru erwiderte nichts, starrte nur zur Seite.

„Warum... lebe ich noch?“ Die Worte kosteten ihn viel Mühe.

Er hörte, wie sein Bruder geräuschvoll ausatmete.

„Du hattest mehr als einen Schutzengel“, erklärte er leise.

„Durch den Sturz hast du dir sämtliche Knochen gebrochen“

Er hob die Hand und zählte die Verletzungen an seinen Fingern ab.

„Ein Genickbruch, der dich allerdings nicht getötet hat“ Er deute auf die Halskrause.

„Mehrere Rippenbrüche, dein rechtes Bein ist gebrochen, du hast eine Gehirnerschütterung und deine Handgelenke..“

Die nächsten Worte brachte er zischend raus.

„Weiß Gott, Subaru, wie konntest du nur so blöd sein?“ Noch nie hatte er Aoi so wütend erlebt. „Zum Glück hast du Trottel dir die Pulsadern falsch aufgeschnitten!“

Er machte eine Pause. „Es sind nur Narben übrig geblieben!“
 

Über diese Ironie musste Subaru, der alles emotionslos mitangehört hatte, lächeln.

Er wollte sterben und stattdessen blieben nur Narben zurück.

Gottverdammte Narben, von denen eh schon unzählige seinen Körper bedeckten.

Er bemerkte, wie sein Bruder sich neben ihm erhob und sich streckte.

„Ich erspar mir Frage nach dem wieso“, erklärte er. „Ich hab den Zettel gelesen!“

Er fuhr sich müde durch sein langes silberweißes Haar.

„Aber ich kann dich nicht verstehen. Diese Zicke, sie... Ich meine, das ist doch kein Grund, sich gleich das Leben zu n-„

Er bemerkte, wie er bei Subaru auf Ignoranz und Abweisung stieß und ließ es sein.

Momentan war er nicht dazu in der Lage, über dieses Thema zu reden.

„Und jetzt?“, fragte der Blondhaarige mit schwacher Stimme. „Wie wird es weitergehen?“

Aoi setzte sich wieder.

„Nachdem du entlassen wirst, gehen wir erst einmal zum Frisör. Deine Matte wächst schneller als ein Sämling in der taufeuchten Erde“, meinte er und musste leicht schmunzeln, als Subaru sich, sofern es ihm die Schläuche, die überall an seinem Körper befestigt waren, ermöglichten, in die Haare griff und sich Erstaunen in seine Gesichtszüge legte.

„Wie... lange?“

„Das ist unwichtig“, meinte Aoi und gähnte.

„Auf jeden Fall wirst du bei mir wohnen. Ich werde öfters arbeiten. Und bevor du jetzt irgendetwas sagst: Schon dich. Diskutieren hat eh keinen Sinn, ich lass mich nicht umstimmen“

Subaru antworte darauf nur mit einem patzigen ‚Tze‘.

Aoi musste lächeln.

„Und schließlich wirst du auf die High School gehen und deinen Schulabschluss machen. Du wirst neue Leute kennen lernen und es gibt da eine Menge süße Mädchen!“

„Ich will nur mein süßes Mädchen!“, war Subarus einzige Antwort darauf und Aoi sah ihn erstaunt an.

Er hatte sich schon auf ein Genörgel ála ‚Wie soll ich das denn schaffen?‘ vorbereitet, aber diese Antwort... machte ihn traurig und wütend zugleich.

Er legte seinem Bruder eine Hand auf den Arm.

„Wir schaffen das, Subaru“, erklärte er.

„Auch ohne sie“

Ob er ohne sie überhaupt leben wollte und konnte, interessierte anscheinend niemanden.

Mit leeren Augen inspizierte der Blondhaarige die Wand, drehte sich wieder auf den Rücken und griff nach seinem Kissen. Er presste es sich fest aufs Gesicht, so als hoffe er, zu ersticken.

„Also“ Aoi ging auf die Tür zu. „Ich hol mir einen Kaffee. Pass bitte auf das Kabel an deinem Kopf auf. Es darf nicht abgehen, das könnte lebensgefährlich sein. Wenn was ist, drück den roten Knopf neben dir...“ Seine Stimme klang gedämpft, weit weg, so, als wäre Subaru in Watte gepackt.

Als die Tür hinter seinem Bruder zufiel, lächelte Subaru schwach.

Er hatte eine Gehirnerschütterung und dennoch konnte er sich sehr gut an sie erinnern.

An ihr Gesicht, ihren Duft, ihre Wärme...

Ach, das hatte doch alles keinen Sinn mehr!

„Gomen ne“, flüsterte er leise. Eine Träne stahl sich aus seinem Auge, lief seine Wange hinab und tropfte auf das Bettzeug.

Dann riss er den Schlauch an seinem Kopf ab.
 

Fin~

The End of all

Ein spontaner kleiner One Shot.
 

~~°~~
 

Er hatte sie geliebt. Mehr als sein eigenes Leben, mehr als die Welt.

Nie hatte er geglaubt, dass es möglich war, einen Menschen so zu lieben.

Er hatte sich in ihren Charakter verliebt, in ihre liebensvolle Art, ihr Lächeln.

Nichts hätte daran etwas geändert.

Äußerlichkeiten zählten für ihn nicht.

Obgleich sie dick oder dünn,

hässlich oder hübsch,

Mann oder Frau,

jung oder alt gewesen wäre.

Es wäre ihm egal gewesen, wenn sie einfach bloß sie geblieben wäre.

Natürlich hatte er auch ihren Körper geliebt, ihr seidiges, glänzendes Haar, ihre warme Haut, ihren Duft.

Aber am meisten liebte er ihre Art.

Was kümmerte es die Anderen, was er fühlte? Es ging nur sie und ihn etwas an.

Und er hatte alles vermasselt, hatte ihr seine Liebe nicht gestanden, obwohl sie es gerade in dem Moment am meisten gebraucht hätte.

Er war für ihren jetzigen Gefühlzustand verantwortlich.

Dafür hasste er sich. So sehr.
 

Er lief durch die regennassen Straßen.

Lief einfach; ohne Ziel, ohne Grund.

Am liebsten würde er sich totlaufen, solange laufen, bis er erschöpft zusammensackte.

Es wurde dunkel, bald würde es Nacht werden.

Und er wusste nicht, wohin er sollte.

In Gedanken versunken, merkte er überhaupt nicht, wie er gegen jemanden lief.

„Hast du keine Augen im Kopf?“

Erst, als er am Kragen gepackt wurde, sah er auf. Er sah einen großgewachsenen Mann; er schaute grimmig drein und sagte etas, dass er nicht verstand.

Subaru antwortete nicht, ihm fehlte die Stimme, sein Blick war leer.

„Ich rede mit dir, du kleiner Bastard!“

Dann spürte er einen Schlag ins Gesicht. Ein weiterer folgte und auch sein Magen blieb nicht verschont.

Er wurde mit dem Kopf gegen eine Wand gedrückt.

Der Schmerz war überwältigend, lähmend.

„Was ist das?“, hörte erden Fremden sagen, gefolgt vom Rascheln eines Stück Papieres. Er hatte doch nicht etwa ihr Foto...?

Zum ersten Mal seit Tagen fand er seine Stimme wieder.

„Lass... das Foto... in Ruhe“

Doch er hörte nur ein finsteres Lachen.

„Hübsch, die Kleine! Vielleicht sollte ich ihr mal einen Besuch abstatten“

Er riss die Augen auf. „Wag es nicht!“, zischte er und versuchte sich zu wehren. Vergeblichst.

Höhnisch lachend ließ der Fremde von ihm ab.

Mit einem grausamen Knirschen landete er auf dem Boden. Dann spürte er Tritte. Tritte in sein Gesicht.

Der Schmerz betäubte ihn, aber er richtete sich dennoch auf.

Nach weiteren Tritten und Schlägen war es plötzlich still um ihn.

Dunkelheit umhüllte ihn, bittere, kalte Dunkelheit und er begann zu wimmern, bitterlich zu weinen. Sie hatten ihm sein Foto genommen, seinen größten Schatz. Alles, was er noch von ihr hatte.

Er fühlte sich wie Dreck, was er im Grunde wahrscheinlich auch war.

Dreck, der kein Leben verdient hatte.

Während er umgeben von all der Dunkelheit war, hörte er eine Stimme in seinem Kopf. Eine helle, melancholische Stimme.

Irgendwie kam sie ihm bekannt vor. Es war ihre Stimme.

Doch im Moment fiel ihm ihr Name nicht mehr ein, er wusste nicht mehr, wie sie aussah. So sehr schmerzte sein Kopf.

Das Einzige, was er wusste, war, dass er sie unendlich geliebt hatte.

Aber dann brach er ihr das Herz. Und der Blick, den sie ihm zugeworfen hatte.

Er hatte ihm das Herz zerissen. Er wollte doch nie, dass sie seinetwegen leiden musste.

Aber der Schmerz war unerträglich gewesen, tausend Mal schlimmer als die körperlichen Schmerzen, die er jetzt empfand.

Wieder hörte er Stimmen, doch diesmal kamen sie nicht aus seinem Kopf.

Eine Männerstimme rief irgendwas. Dann wurde er geschüttelt.

„Lebt er noch?“

„Ja. Lass ihn uns in Krankenhaus bringen“
 

---
 

„Er erlitt schwere Verletzungen am Gehirn“, vernahm er die nüchtern sachliche Stimme eines Arztes. „Seine Überlebenschancen stehen schlecht“

Er versuchte, die Augen zu öffnen, aber seine Lider waren zu schwer.

„Hmmm“ Ein weiterer Mann, mit sehr dunkler Stimme.

„Heißt das, er stirbt?“

„Das oder er fällt ins Koma“

„So...“

„Ich lasse sie jetzt mit ihrem Sohn allein“

Eine Tür wurde zugeschlagen, dann spürte er ein Gewicht auf seiner Matratze.

Ein leises Seufzen.

„Du bist echt das Letzte“ Wieder diese dunkle Stimme.

„Ich wünschte, du wärst nie geboren. Du bist Abschaum, zu wirklich nichts zu gebrauchen“

Er wollte sich die Ohren zuhalten, aber es ging nicht.

„Weißt du, mein Sohn, du hättest ein echt tolles Leben führen können.

Du hattest eine tolle Freundin, einen Bruder, der alles für dich getan hätte. Aber du trittst dein Glück mit Füßen. Es muss ein komisches Gefühl sein, nicht wahr?

Aber du machst es allen leichter, wenn du einfach verreckst. Verschwinde, hau einfach ab, dich will eh keiner mehr sehen“
 

Warum diese harten Worte?

Hatte er es wirklich verdient zu sterben?

Er beschäftigte sich Stunden mit dieser Frage. Oder waren es Sekunden?

Inzwischen war keiner mehr da.

Das glaubte er zumindest. Doch dann spürte er eine Hand, die die seine nahm und leicht drückte.

Die Hand... Sie kam ihm so vertraut vor.

Wieder versuchte er, die Augen zu öffnen, aber es gelang ihm einfach nicht.

Er hörte ein Flüstern, verstand aber nichts, dann strich eine Hand durch sein Gesicht. Er versuchte sich an ihren Namen zu erinnern. Sie war es doch, oder?

Sein Kopf rumorte, er konnte keinen klaren Gedanken fassen.

Die Hand verschwand und plötzlich wurde es um ihn herum noch dunkler.

Würde er jetzt sterben? War es soweit?

Er wanderte mit den Händen umher, bis er plötzlich etwas kaltes unter seinen Fingerkuppen spürte. Glas. Kaltes, lebloses Glas.

Er zog seine Hand zurück, packte sich an den Kopf, während es immer dunkler wurde.

Er spürte den blutdurchtränkten Verband an seinem Kopf und löste ihn ein wenig.

Warmes Blut floß auf seine Finger.

Bevor er starb, musste er noch etwas tun. Langsam tastete er sich zu der Glasscheibe zurück, sammelte all seine restliche Kraft und überlegte fieberhaft, wie sie hieß. Noch nie hatte Nachdenken so geschmerzt.

Dann fuhr seine Hand plötzlich wie automatisch über die Glasscheibe, schrieb Buchstabe für Buchstabe, ehe seine Hand hinuntersank und alles komplett schwarz wurde.
 

„Er ist hirntot und vor zehn Minuten ins Koma gefallen. Sein Vater will die Geräte abschalten“

„Der arme Junge“

„Ja“

„Aber er hat noch was geschrieben!“

„Hmm? Was meinen Sie?“

„Da. An der Glasscheibe steht: Gomen ne. Ich liebe dich, Naomi-„

„Wischen sie es weg. Es ist eh hoffnungslos. Es interessiert sich eh niemand mehr für den Jungen“
 

Worte verletzen einen tief, doch Taten können noch schlimmer sein.

Worte kann man zurücknehmen, doch Taten vergisst man nie.

Worte kann man verkraften, Taten prägen das Leben eines Menschen.

Es ist besser, mit jemanden über etwas zu reden, als Taten sprechen zu lassen.

Denn am Ende verliert man einen wichtigen Menschen in seinem Leben. Vielleicht ja für immer.
 

Fin~

Dark Side Story

Wieder ein Subaru-OS.
 

Hoffen wir mal, dass es nie so weit kommt und der Arme das wirklich erleben muss.
 

~~°~~
 

Der Regen durchnässte ihn, die Angst zerfuchte seinen Körper.

Subaru hatte Hunger und sein blaues Auge schmerzte.

Twiggle kam fiepsend aus seiner Jackentasche und kletterte auf seinen Kopf.

„Du hast Hunger, oder?“, erkundigte er sich und strich dem kleinen Nager über den Kopf.

//Ich auch\\, dachte Subaru und starrte in den Nachthimmel.

Dabei war ihm gerade überhaupt nicht nach Essen zumute. Er würde gar nichts runterbekommen.

Er bog ab in eine ziemlich dunkle Seitengasse.

Hier war er, der Ort, an dem er so vieles erlebt hatte. Erinnerungen, die er am liebsten vergessen wollte.

Er stand vor der großen Tür, sah auf das kalte Metall und das Blut, das daran klebte.

Mit aller Kraft warf er sich dagegen. Die Tür öffnete sich knirschend und Subaru trat ins Dunkel.

Es roch immer noch genau so wie damals.

Nach Nässe, Schimmel, Urin und Blut. Seinem Blut.

Vorsichtig knipste er die Taschenlampe an und blickte sich um. Im Hauptraum des alten Fabriklagers hatte sich nichts verändert. Auf dem Boden klebte immer noch Blut und die Wand war zerfurcht von Soumas Messerstichen.

Erst, als er in einem der Nebenräume trat und einen noch fürchterlicheren Gestank vernahm, zuckte er zusammen. Die Leiche eines Obdachlosen, die, von Maden zerfressen, in der Ecke lag, bescherten ihm Übelkeit und er schloss die Tür schnell wieder.

„Verdammt“, murmelte leise und setzte sich dann an seinen Stammplatz an der Wand.

Er sah sich um. Hier hatte er gelebt. Damals, als die Welt noch schrecklich war, düster, als er nicht wusste, was Glück und Liebe waren.

Doch jetzt war alles genauso, der Ort passte also zu ihm.

Subaru schloss die Augen und wollte nicht an Dinge wie Liebe oder Glück denken.
 

Laute Schritte hallten an den Wänden der Halle wider. Subaru riss die Augen auf.

Er musste eingeschlafen sein!

Ehe er realisieren konnte, was passiert war, blieb plötzlich vor ihm eine Person stehen.

Im Dunkeln konnte Subaru nur das Glimmen einer Zigarette ausmachen.

„Na, sieh einer an“, sagte eine ihm bekannte Stimme. „Wenn das mal nicht Subaru ist“

Die Stimme klang gefährlich und Subaru konnte es nicht fassen.

„Don?“

Ein Lachen. Schräg, schrill, höhnisch, voller Hass.

„Verdammt ja, du dreckiger kleiner Bastard.“

Subaru sprang auf, wollte verschwinden, doch der großgewachsene Typ hielt ihn auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Na na, wo willst du denn hin? Denkst du nicht, es besteht noch Klärungsbedarf wegen damals?“

Don nahm die Zigarette aus seinem Mund und drückte sie an Subarus Hals aus.

Ein gellender Schrei entrang ihm.

„Klappe“, zischte Don und drückte ihn gegen die Wand.

„Wo warst du die ganze Zeit über?“

Während er Subaru festhielt, tastete er mit der anderen Hand seinen Körper ab.

Dann zog er etwas aus Subarus Gesäßtasche.

„Sieh einer an“, murmelte Don und hob eine Augenbraue.

„Wer st das?“, fragte er und musterte das Bild genau.

„Deine Freundin?“

„Nein“, erwiderte Subaru und versuchte, sich zu befreien. Sie war nicht mal mehr eine Freundin, aber daran wollte er im Moment nicht denken.

„Gib mir das Bild wieder!“
 

Lange Zeit trat Stille ein, dann lachte Don leise.

„Sag mal, Subaru, willst du dir immer noch das Leben nehmen? Wie damals?“

Es raschelte und dann sah Subaru etwas aufblitzen.

„Weißt du, ich könnte dir dabei helfen.“

Plötzlich spürte der Blondhaarige, wie etwa kaltes, scharfes seinen Arm entlang fuhr.

Eine Rasierklinge!

„Wie wäre es? Willst du immer noch sterben?“

Er wanderte Subarus Arm entlang, immer höher, hinterließ tiefe, blutende Schnitte.

„Ich...“ Er musste überlegen.

Lieber würde er sterben, als noch einen Tag länger ohne sie zu sein, aber war er im Himmel glücklicher ohne sie? Konnte er überhaupt wieder irgendwann glücklich sein? Ohne sie?

Inzwischen war die Rasierklinge in seinem Gesicht angelangt, verpasste ihm tiefe Schnitte. Dann hörte Don plötzlich auf.

„Dieses Foto“, er wedelte damit vor seiner Nase herum.

„Du kriegst es wieder, wenn du mir Drogen besorgst. Von Zotai, du kennst ihn. Ich hab morgen keine Zeit. Ist das Zeug nicht da, da verbrenn ich das Bild, klar?“

Natürlich war es klar.

Subaru nickte.

„Braver Bastard!“, grinste Don, packte Subarus Haare und schleuderte ihn mit voller Wucht gegen die Wand hinter sich.

Das Letzte, was Subaru hörte, bevor er auf den Boden fiel, waren laute Schritte, die sich entfernten.

Twiggle quiekte, als sein Besitzer mit einem dumpfen Geräusch aufkam und sich nicht mehr rührte.

Subaru keuchte. Er bekam kaum noch Luft. Das Blut, dass seinen Körper hinablief vermischte sich mit Dreck und den Tränen, die seine Wange hinunterrannen.

Er hatte ihm sein Foto genommen, sein Ein und Alles. Sein wertvollster Besitz, das einzige Andenken an sie.

„Verdammt!“ Er schlug mit den Fäusten auf den Boden. Sein lautes Schluchzen hallte an den Wänden wider.

„Verdammt! Verdammt! Verdammt!“ Er wiederholte das Wort, unendlich oft, setzte sich auf und schlang die Arme um die Knie.
 

Er musste an sie denken. An ihr Gesicht, ihre Augen, ihr bezauberndes Lächeln.

Ihre leuchtenen Haare, ihr berauschender Duft, die Anmutigkeit ihrer Bewegungen.

Er musste an den verhängnisvollen Abend denken, die Verletztheit in ihrem Blick.

Er war wirklich das Allerletzte. Er hätte sie nie anlügen dürfen. Er hatte sie hintergangen, da war es doch kein Wunder, dass sie ihn abgrundtief hasste. Selbst sein Bruder verachtete ihn.

Er hatte es verdient, dass er sie gesehen hatte, mit diesem anderen Jungen.

Wahrscheinlich war er ein viel besserer Mensch als er, konnte sie glücklich machen, sie beschützen.
 

Es war mitten in der Nacht, noch immer prasselte der Regen gegen die dreckigen Fensterscheiben. Es war dunkel, eiskalt und er hatte Hunger.

Subaru rollte sich zusammen, schlang die Arme um seinen Oberkörper und schloss die Augen. Warum weinte er? Warum konnte er nicht stark sein? Für sie?

Und mit diesen Gedanken weinte er sich in den Schlaf.
 

~~
 

Der nächste Morgen kam, im wahrsten Sinne des Wortes, schnell und knüppelhart.

Er spürte einen heftigen Schlag in der Magengegend und ihm blieb kurz die Luft weg.

Er riss die Augen auf und starrte auf zwei Beine.

„Na, wach, du Bastard?“ Don stand vor ihm, einen Baseballschläger in der Hand, mit dem er ihm wohl so sanft geweckt hatte.

Subaru setzte sich auf und rieb sich den Kopf.

„Biste bereit?“, fragte Don und fuhr sich durch sein dunkles Haar, ehe er sich eine Zigarette ansteckte. „Zotai wartet am Hauptbahnhof auf dich“

Subaru nickte knapp, stand auf und tat schnellstmöglich das, was Don von ihm verlangte.
 

Am Hauptbahnhof war es wie immer voll. Subaru kannte sich hier gut aus.

Schließlich hatte er genau hier schon einmal gestanden, die Taschen voller Drogen.

Am liebsten würde er sich einfach in einen Zug setzen oder sich auf die Gleise werfen. Aber er wollte nicht zu weit von ihr entfernt sein.

Er wartete dort, wo dieser Zotai sonst immer stand.

Doch er kam nicht. Stattdessen kam ein junger, gutaussehender Mann, schmal, mit dunklem Haar und einer Baseballmütze.

„Nanu?“, fragte er und hob eine Augenbraue, als er Subaru sah.

„Wo ist Don?“

„Ich bin sein Ersatz“

Der junge Mann sah ihn erstaunt an und zog sich dann die Mütze vom Kopf.

„Ehrlich? Wie alt bist du?“

„18“, antwortete Subaru und verdrängte die Erinnerung an seinen schönsten Geburtstag, den er je erlebt hatte. Zusammen mit ihr...

„Oh, du siehst jünger aus“, gestand sein Gegenüber.

„Ich bin Shun“ Er hielt Subaru die Hand hin. Als dieser seine Geste jedoch nicht erwiderte, zog Shun seine Hand zurück und lächelte verständnisvoll.

„Du siehst gar nicht gut aus. Und abgemagert. Ist alles in Ordnung mit dir? Hat Don...?“

Subaru schwieg und Shun wusste es zu deuten.

„Fuck“, murmelte er und sah das Häufchen Elend vor sich an.

„Also... Junge?“

„Subaru“

„Also, Subaru. Ich lad dich zu ´nem Burger ein und du erzählst mir, warum du hier halb vermummt vor mir stehst, okay?“

„Hmmm“ Subaru war sie nicht sicher, ob er Shun vertrauen konnte. Aber durfte er überhaupt noch jemanden vertrauen? Der wichtigsten Person in seinem Leben hatte er schließlich auch nicht vertraut. Beziehungsweise, er hatte ihr Vertrauen gebrochen...

„Okay...“

„Super!“ Shun grinste und legte ihm einen Arm um die Schulter.
 

Sie aßen in einem Burgerrestsurant außerhalb des Hauptbahnhofes.

Während Subaru wie ein Gieriger schlang, nestelte Shun an seiner Baseballmütze herum und setzte sie ihm schließlich auf.

„Damit du keinen Ärger von Don bekommst“ Er zwinkerte. „Das ist eine Zaubermütze!“

Subaru verstand. „Aber ich habe kein Geld!“

Shun lachte. „Lass stecken, Kleiner. Ich hol mir die Kohle später von Don. Aber jetzt sag mal, warum dieser Schal und die Sonnenbrille?“

Subaru sah sich vorsichtig um. Als die Luft rein war, zog er sich beides aus dem Gesicht.

„Ach du Scheiße!“ Shun schluckte. „War das....?“

„Die Schnitte an Armen und Gesicht? Ja. Die Narben auf meiner Brust? Nein! Die stammen von Souma, einem Freund von Don und einem Irren, der meine.... eine Freundin von mir angegriffen hat“ Subaru biss in seinen Burger und schluckte. „Das Brandmal auf meinem Hals ist auch von Don, die auf meiner Schulter sind von meinem Vater. Ebenso wie die Narben auf meinen Rücken.“ Er hob seine Hand. „Und die Narbe...“ Er lächelte bitter. „Ist von einem Fahhradsturz“
 

Shun konnte es nicht glauben. Er wusste, dass das Leben hart sein konnte. Verdammt hart. Aber so was Grausames hatte er noch nie gehört!

„Was ist mit deiner Familie? Deinen Freunden?“

Der Blondhaarige starrte auf seine Handflächen.

„Meine Mutter ist tot, mein Vater verschwunden. Ich hab noch einen Bruder, doch der hasst mich. Und Freunde... Die Person, die ich über alles geliebt hatte, die mir wichtiger war, als mein eigenes Leben, die habe ich vergrault. Ich habe sie verletzt und dadurch verloren. Sie, ihre Schwester un meinen Bruder. Ich habe sie belogen, ihnen nicht vertraut, sie hintergangen.“

Dann schwieg er.

Lange Zeit war es still, ehe er ein Seufzen seitens Shun hörte.

„Das ist echt... Mir fallen keine passenden Worte ein“

Er spielte mit einer Serviette herum.

„Vielleicht solltest du Drogen nehemen. Sie sind schlecht und machen aus Menschen schlechte Menschen... Aber sie helfen dir auch kurzzeitig, alles zu vergessen. All die Trauer und dem Schmerz“ Er sah auf, in zwei Augen, die genau diese Emotionen zeigten.

„Ist das wirklich so?“

Shun nickte.

„Sou ka....“ Subaru griff nach seiner Flasche Cola. „Dann lass das Zeug mal rüberwachsen!“

„Aber doch nicht hier!“, flüsterte Shun und stand auf, um zu bezahlen.

„Komm mit, ich bring dich in meine ‚Bude‘“
 

Eine Dreiviertelstunde später saß Subaru auf Shuns Couch und würgte einen Drogencoktail hinunter, der wahre Wunder bewirken sollte.

Und es schien zu klappen. Subaru fühlte sich plötzlich so losgelöst vom Boden, als könnte er fliegen. Er sah seine Umwelt plötzlich so anders, in schrillen Farben.

„Danke, Shun“, meinte Subaru und erhob sich. Seine Stimme klang plötzlich so anders.

Er wankte die Treppen hinunter und hörte in der Ferne noch Shuns Stimme.

Aber er verstand ihn nicht.
 

Irgendwie schaffte Subaru es, zurück zur Lagerhalle zu gelangen.

Er legte sich auf den kalten Boden und lachte. Wie ein Irrer. Wie ein Verrückter. Wie ein Verzweifelter.

Und er weinte. Wie ein Verzweifelter.

Er war das Letzte. Das Letzte. Dreck. Abschaum. Zu nichts zu gebrauchen.

Sie hatte alles richtig gemacht, in dem sie ihn verließ. Sie sollte glücklich werden.

Und das ging nur ohne ihn.

Dann schlief Subaru ein und träumte davon, wie er sie im Arm hielt, lächelte, glücklich war.

Und die Seifenblase senes perfekten Lebens platzte.
 

~~
 

Er wusste nicht, was ihn wieder zum Hauptbahnhof trieb.

Er lief ziellos umher, starrte auf die Pärchen, die an ihm vorbeiliefen, hatte wieder den Wunsch, einfach zu verschwinden, sich in Luft aufzulösen.

Er hatte Shun alles auf seinen Anrufbeantworter gesprochen.

Es war entschieden. Er würde die Stadt verlassen.

Nachdem ihn Don am Morgen besucht und ihr Foto zerissen zurückgegeben hatte und er jedes Stück zusammengesucht und mit Klebeband, dass er in einem Schreibwarengeschäft gestohlen hatte, zusammengeklebt hatte, wurde es ihm bewusst.

Vielleicht war es besser so.

Wenn er nicht mehr in der Stadt war, wäre sie glücklicher. Viel glücklicher.

Er lief an einem Café vorbei, sah zufällig hinein – und entdeckte sie.

Sie saß an einem Tisch, trank ihr Lieblingsgetränk und redete. Mit diesem Kerl von neulich.

Er legte eine Hand auf die Fensterscheibe.

Sie war so wunderschön und es zersprengte ihm beinahe die Brust, dass er sie nun verlassen musste. Als sie zufällig herumfuhr und sich ihre Blicke streiften, wandte er sich schnell ab und ging weg. Er würde einfach in irgendeinen Zug springen. Fort von ihr.

Damit sie glücklich war.

Und während er eiligen Schrittes durch den Hauptbahnhof ging und ihm eine Träne die Wange hinunterrann, flüsterte er leise drei Worte.
 

»Ich liebe dich!<<

Dear Naomi

Liebe Naomi,
 

du glaubst gar nicht, wie viel Mühe und Mut mich dieser Brief gekostet hat.

Mir fällt jedes Wort so verdammt schwer, meine Hand zittert, dabei ist meine Handschrift eh schon die reinste Sauklaue.

Ich hab einen riesigen Kloß im Hals, denn das, was ich dir mit diesem Brief sagen will, ist etwas, was ich noch nie getan habe, da ich noch nie einen Grund dafür hatte, zuvor noch nie so gefühlt hatte.

Ich weiß, ich bin bloß ein dummer und tollpatschiger Straßenjunge, der schwer krank im Kopf ist. Ich habe viel in den 17 Jahren, die ich schon lebe, durchgemacht. Doch du musstest um einges mehr leiden als ich. Ich habe überhaupt nicht das Recht dazu, dir das zu sagen, was ich dir so gerne sagen möchte.

Ich sitze hier, denke jede verflixte Minute nur an dich, bereue wirklich alles.

Dich verloren zu haben, ist schlimmer als der Tod, dich nicht in meiner Nähe zu wissen, die Hölle. Nun weiß ich, was Herzschmerz bedeutet und ich glaube, es ist wahr, was die Menschen über gebrochene Herzen sagen. Meines ist wirklich gebrochen und die Narben auf meinem Körper sind nichts im Vergleich zu der Narbe, die sich durch mein Herz zieht.

Ich habe viel nachgedacht in der letzten Zeit. Und immer wieder hatte ich dein Gesicht vor Augen. Deine strahlenden Augen, dein wunderbares Lächeln, selbst deine zänkische Miene, wenn Aoi dich wieder zur Weißglut gebracht hat. All das geht mir nicht mehr aus dem Kopf.

Jedes Wort, dass meinen Mund verlässt, ist dein Name. Ein anderes Wort bekomme ich gar nicht mehr über die Lippen.

Mir wird erst jetzt bewusst, dass ich den wunderbarsten Menschen in meinem Leben verloren habe. Den wichtigsten Menschen, wichtiger, als mein Leben.

Nun, das, was ich dir unbedingt sagen will, ist das, was ich dich schon seit dem Moment, an dem ich dich zum ersten Mal gesehen habe, wissen lassen wollte.
 

Ich liebe dich!
 

Ich liebe alles an dir und ich kann und will nicht mehr ohne dich sein.

Jetzt habe ich es gesagt und vielleicht hätte ich es dir früher sagen sollen. Dann hätte ich dir wenigstens in dein wunderhübsches Gesicht sehen können, wenn diese drei Worte meine Lippen verlassen hätte.

Ich weiß, dass du wahrscheinlich nicht mal dasselbe für mich empfindest, nie empfunden hast. Es ist töricht zu glauben, dass mich ein so wundervolles Mädchen wie dich auch nur mögen könnte. Ich kann dir schließlich nichts bieten. Ich bin ungebildet, tollpatschig, arm, naiv und hässlich. Ich möchte mich nicht selbst schlecht machen, aber wenn mich selbst so komische Apfeltanten, die in Bushaltestellen sitzen und Ewigkeiten lang auf den Bus warten, komisch finden, was sollte dann ein attraktives, junges, intelligentes Mädchen von mir denken?

Ich habe es nicht verdient, dich kennengelernt zu haben. Letzten Endes habe ich dich nur verletzt. Dafür hasse ich mich selbst. Ich wollte dich immer beschützen vor allem Bösen auf dieser Welt. Ich wollte dich im Arm halten und nie wieder loslassen.

Und dann habe ich es doch getan. Wie soll ich mir das je verzeihen?

Ich habe gelernt, dass ich nicht der Richtige bin, um dich zu beschützen, dich zum Lächeln zu bringen.

Ich kann mich nicht mal um mich selbst und um meinen Hamster kümmern, wie soll ich dann das Mädchen glücklich machen, dass ich über alles liebe?

Ich kann es verstehen, wenn du nie wieder was von mir wissen willst.

Und wenn es das ist, was du möchtest, werde ich aus deinem Leben verschwinden. Auch, wenn ich weinen muss, auch, wenn ich mehr leide als je zuvor, auch, wenn ich nicht mehr leben will. Nicht ohne dich.

Alles, was ich will, ist, dass du glücklich bist, dass du deine Zukunft mit jemanden lebst, der dich wirklich glücklich machen kann.

Ich werde all diese Momente, die die wunderschönsten in meinem Leben waren, niemals vergessen. Unser erstes Treffen, die Zeit bei meinem Stiefvater, die Tatsache, dass ich dich in den Armen halten und deinen Duft aufnehmen durfte, diese angenehme Wärme und das wunderschöne Gefühl, als du dich in mein Bett verirrt hattest. Ich werde nie vergessen, als ich aus dem Koma aufwachte, dein Gesicht sah und dachte: „Wenn man vom Verliebtsein sterben könnte, wäre ich schon mausetot“

All diese Erinnerungen sind in meinem Herzen und werden dort zusammen mit dir für immer bleiben.

Ich kann dir gar nicht oft genug sagen, wie sehr ich dich liebe, geliebt habe und lieben werde.

Du bist mein Leben.

Ich will, dass du glücklich wirst.

Und darum tue ich das, was mir am aller schwersten fällt.

Ich sag Goodbye.

Auch, wenn ich es nicht will, ich lieber sterben würde, als dir Lebwohl zu sagen.

Ich werde innerlich zerissen, aber ich kann nicht von dir verlangen, dass du mir eine zweite Chance gibst.

Denn das, was ich getan habe, war das Letzte, ist nicht zu entschuldigen, und obwohl ich alles für eine zweite Chance hergeben würde, so habe ich sie doch nicht verdient.
 

Ich hätte nie gedacht, dass ich in der Lage bin, so viel zu schreiben. Vor nicht allzu langer Zeit konnte ich nicht mal lesen oder schreiben, aber ich habe hart gelernt, war Nächte lang wach, nur um dir diesen Brief schreiben zu können.

Darum wäre es schon ein Geschenk für mich, wenn du meinen Brief wenigstens einmal durchlesen würdest.
 

Ich möchte dich auch nicht weiter mit meiner unwichtigen Persönlichkeit belästigen.
 

Gomen nasai. Es tut mir wirklich alles so schrecklich Leid. Wirklich alles.

Und, ich könnte es wirklich unendlich oft sagen:
 

Ich liebe dich!

Without you

Stück für Stück kommen wir uns näher ...

... und zwei Herzen finden einander.

Warum nur sind jene Worte so schwer ...

... Ich liebe dich!

Meine Fingerspitzen, die dich berühren ...

... wispern sanft meine Gefühle in dein Herz.
 

~~°~~
 

Der Himmel war tiefrot, als Subaru hinaufschaute und sich an dessen Schönheit labte.

Er schlug, aufgrund der Kälte, den Kragen seiner Jacke nach oben und ließ ein tiefes Seufzen verlauten. Er wollte einfach nur noch nach Hause...

Es dämmerte bereits, als Subaru Aois Wohnung betrat und er wunderte sich sehr, als er seinen Bruder in der Küche vorfand.

"Ich durfte heute eher gehen", erklärte der Weißhaarige, als sein kleiner Bruder die Küche betrat. Er stand am Herd und allem Anschein nach bereitete er gerade das Abendessen zu.

Subaru setzte sich in an den kleinen Küchentisch, zog sich nicht einmal die Jacke aus. Er saß einfach nur da, die Hände ineinandergefaltet und sah sich in der kleinen Küche um.

Sein Blick heftete sich an den Regenschirm, der in der Ecke stand, und auf den Kassenbon, der vor ihm auf dem Tisch lag.

"Warst du bei ihrem Grab?", erkundigte sich Subaru leise und hasste sich im nächsten Moment dafür, diese Frage gestellt zu haben.
 

Sofort hielt Aoi in seiner Bewegung inne, stand ganz regungslos da.

"Ja", war die einzige Antwort, die er gab. Dann kochte er weiter.

Subaru seufzte innerlich. Sein Bruder tat ihm Leid.

Seit er den Weißhaarigen kannte, also seit viereinhalb Jahren, die Zeit vor dem Unfall mal nicht mitgerechnet, hatte Subaru Aoi erst zweimal richtig verliebt gesehen.

Für Ami, eine Halb-Amerikanerin mit japanischen Wurzeln, hatte er hart gelernt, er wollte ihr eine wunderbare Zukunft mit ihm verschaffen.

Dann starb sie. Und Aoi war praktisch genauso tot.

Die erste Zeit hatte er kaum geredet, kaum gegessen, kaum geschlafen.

Irgendwann hatte er es dann verkraftet.

Und als dann ein kleines, freches, blauhaariges Mädchen in sein Leben trat, schien es sogar so, als hätte Aoi Ami vergessen.

Subaru kam es sogar so vor, als wäre der Weißhaarige in dieses Mädchen noch viel verliebter gewesen, als in Ami. Sie war zwar einige Jahre jünger, aber Aoi war das egal. Er hatte immer davon geredet, dass er warten würde, bis sie volljährig seie. Und dann hätte er...
 

Ein Geräusch riss Subaru jäh aus seinen Gedanken. Er schaute zu Aoi, der gerade damit beschäftigt war, seine Hand unter kaltes Wasser zu halten. Anscheinend hatte er sich verbrannt.

"Alles in Ordnung?"

Aoi nickte, dann servierte er das Essen.

Als sie zusammen am Tisch saßen und ihr Abendessen verzehrten, hatte Subaru plötzlich das Gefühl, es würde etwas fehlen. Etwas in seinem Leben.

"Hast du heute Abend noch etwas vor?", fragte der Blondhaarige und sah seinem Bruder zum ersten Mal an diesem Abend in die Augen.

"Ich geh mit Takuya und Saturo zu einem Go-kon..."

Subaru nickte. Er ersparte sich die Frage, warum Aoi auf ein Gruppenblinddate ging. Er war nicht wirklich an den Mädchen interessiert, er brauchte bloß ein wenig Gesellschaft, um den Schmerz zu überwinden.

Subarus Schmerz war noch um einiges größer, als der von Aoi, davon war er überzeugt, aber im Gegensatz zu dem Weißhaarigen, wusste Subaru sich nicht zu helfen.

"Und du?"

Der Blondhaarige überlegte. "Ich geh ein wenig spazieren..."

"Sou ka. Der selbe Weg wie immer?"

"..."

Aoi erhob sich. "Ich hab keinen Appetit."

Er hatte nicht mal ganze drei Bissen verschlungen. Er aß schon lange nicht mehr richtig und hatte ganze 6 Kilo abgenommen.

Subaru starrte auf seine Schüssel, er hatte nicht mal ein Reiskorn vertilgt.

Nur Wasser getrunken...

Aber er kriegte einfach nichts runter. Seine Trauer schnürte ihm buchstäblich den Magen zu.

Er war genauso ein seelisches Wrack wie Aoi.
 

Als sie das Essen entsorgt und den Abwasch erledigt hatten, verließen sie zusammen die Wohnung.

Jetzt im Winter waren die Nächte besonders kalt und Subarus dünne Jacke spendete nicht sonderlich viel Wärme.

Er verabschiedete sich von seinem Bruder und wünschte ihm viel Spaß, dann setzte er sich in Bewegung.

Der Asphalt knirschte unter seinen Turnschuhen, die auch schon mal bessere Zeiten durchgemacht hatten. Das Geld reichte einfach hinten und vorne nicht, egal, wie lange Subaru tagsüber arbeitete.

Irgendwo in der Ferne miaute eine Katze und als er an der Hauptstraße ankam, erfasste ihn ein Lärm, der beinahe noch schrecklicher war, als der am Tag.

Um diese Zeit war viel los in der Stadt. Vor allem Pärchen traf er jetzt an, in Cafés, Restaurants, Spielhallen oder einfach Händchen haltend durch die Gegend schlendernd.

Er atmete geräuschvoll aus, seufzte. Sein Atem trieb in einem weißen Wölkchen gen Himmel. Es war bitterkalt.

Überall um ihn herum waren bunte Lichter, Autoscheinwerfer, Reklametafeln, Neonlichter. Er bekam Kopfschmerzen.
 

Nur langsam kam er voran, hielt bei der Bushaltestelle vor dem örtlichen Park.

Nur schemenhaft konnte er in der Dunkelheit eine Person ausmachen, die auf einem der Sitze saß und auf den Bus wartete.

Erinnerungen kamen auf, Erinnerungen, die ihm beinahe das Herz in der Brust zersprengten.

Er drehte sich weg und ging weiter. Eigentlich wollte er durch den Park gehen, aber er hatte nicht wirklich Lust, von dieser Apfeltante, falls sie es war, entdeckt und angequatscht zu werden. Außerdem birgte der Park noch mehr Erinnerungen.

Also ging er einen Umweg durch die Innenstadt, durch den Kern dieses Ortes, dort, wo am meisten los war.

An einer Tierhandlung blieb er kurz stehen und sah durch die hell erleuchteten Fenster in den kleinen Laden.

Ob es Twiggle wohl gut ging?

Er hatte den Hamster, schweren Herzens, vor zwei Wochen in dieser Tierhandlung abgegeben. Er konnte sich einfach nicht mehr um den kleine Nager kümmern.

Subaru wischte sich kurz über die Augen, wischte die Träne weg, die sich plötzlich davonstahl. Er war echt eine Heulsuse, dabei war er doch ein Mann.

Aber man durfte doch weinen, wenn man seinen besten Freund verlor, oder?

Und man durfte doch erst recht weinen, wenn man den wichtigsten Menschen in seinem Leben verlor.

Oder etwa nicht?
 

Sein nächster Halt war einem Schmuckgeschäft.

Wieder starrte er durch das Glas, sah die prächtigen Ringe und Ketten, die Armbänder und Uhren.

Er bereitete sich innerlich auf das vor, was ihm jetzt bevorstand.

Schnee fiel in dichten Flocken vom Himmel, als er vor dem großen, mehrstöckigen Haus stand. Er war so nervös, hatte solche Angst, dass er heulen könnte.

Es brannte nirgendwo Licht, vermutlich schlief sie schon.

Es war eine bescheuerte Idee, so bescheuert, wie all seine Ideen, aber er war zu verzweifelt.

Er legte eine Hand auf das kalze Holz. Türen waren echt eine grausame Erfindung.

Lange Zeit stand er so da, dann lehnte er sich mit den Rücken an die Tür und ließ sich daran runtergleiten.

Er war müde, hatte tierische Kopfschmerzen und ihm war verdammt kalt. Von den Schmerzen und der Kälte in seinem Herzen einmal abgesehen.

Das, was als er nächstes tat, war noch unsinniger, als grüne Schafe mit Laserpistolen, die fliegen konnten, aber er wusste einfach nicht weiter.

Sollten die Leute doch von ihm denken, was sie wollten. Es hatte ihn eh noch nie interessiert, wenn er allein war.

Also redete er mit der Tür, stellte sich Naomis Gesicht vor.
 

"Hey..."

//Was für eine lahme Anrede...\\

"Ich weiß, dass du... mich nie wieder sehen willst. Und ich weiß auch, dass ich deine Verachtung verdient habe..."

Er zog sich seine Jacke enger um die Schultern.

"Ich möchte mich wirklich für alles bei dir entschuldigen. Ich hatte nie vor, dich anzulügen... Ich... Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin nicht ich selbst... Was ich sagen will, ist..."

//Was rede ich da eigentlich für einen Mist?\\

"Um es auf den Punkt zu bringen: Ich bin total verknallt in dich. Ich wusste vorher nie genau, was Liebe bedeutet, das, was mit Kaya war, war schließlich nur Kinderkram. Aber wenn ich deiner Nähe bin, dann pocht mein Herz so laut, dass ich denke, jeder könnte es hören. Es ist lauter als mein Magengrummeln... In deiner Gegenwart setzt mein Gehirn plötzlich aus, mein Verstand ebenso, ich rede nur noch unsinniges Zeug, stammel rum, werde rot. Meine Hände werden schwitzig, meine Beine weich und ich habe das Gefühl, ich könnte fliegen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass dies daher kommt, dass ich dich liebe."

War er zu kitschig? Zu naiv?

"Momentan fühle ich mich so, als würde etwas in meinem Leben fehlen. Ich fühle mich einsam, ich esse, schlafe, rede kaum noch. Ich bin wie ein Sack Kartoffeln.

Ich habe zu nichts mehr Lust. Ich möchte einfach nur noch für immer bei dir sein."

Plötzlich sprudelten die Worte aus ihm heraus.
 

"Damals, als ich dich noch nicht kannte, hatte mein Leben keinen Sinn. Doch als ich auf dich traf, hatte ich plötzlich ein Ziel. Ich wollte dich um alles in der Welt beschützen, ich wollte bei dir sein, wann immer du mich brauchtest. Ich wollte dich umarmen, deine Hände in den meinen halten, dir sagen, dass ich dich liebe. Dafür habe ich weitergelebt und gekämpft. Ich hatte mir vorgenommen, niemals aufzugeben."

Ein paar Leute gingen an ihm vorbei, sahen ihn merkwürdig an, schüttelten ab und an den Kopf.

Doch es interessierte ihn nicht.

Seine Beine waren inzwischen zugeschneit, seine Hände taub vor Kälte, seine Wangen und Nase rot.

Doch es interessierte ihn nicht.

"Ich liebe dich" Das sagte er mehr zu sich selbst, als zu der Tür.

"Wenn ich könnte, wenn ich könnte, würde ich alles dafür tun, damit du mir wieder verzeihst, mich wieder ein wenig magst. Ich würde dir versprechen, für immer an deiner Seite zu bleiben. Ich würde zur Schule gehen, studieren und nebenbei arbeiten, um dir zu zeigen, wie wichtig es mir ist.

Ich würde wochenlang vor diesem Haus sitzen, wenn ich dich dadurch zurückbekommen würde.

Ich würde mich nie wieder runtermachen, sondern an mich glauben.

Und ich würde dich nie wieder anlügen.

Ganz bestimmt nie wieder. Ich würde dir alles erzählen, wenn du mich dadurch nicht mehr hassen würdest.

Wenn du mir vertrauen und mir dadurch eine zweite Chance geben würdest..."
 

Er blickte auf die Tür, durchbohrte sie mit seinem Blick.

Was hatte er erwartet? Dass die Tür seine Worte an Naomi witergab? Dass sich diese blöde Stück Holz in Naomi verwandeln würde? Oder dass ihm vielleicht ihre Tante öffnen und eine Tasse Tee einladen würde?

Er war ein Idiot...!

Langsam erhob er sich wieder, starrte noch eine Weile das Haus an, das Fenster, hinter dem sie sich wahrscheinlich gerade verbarg und schlief.

Ihr engelsgleiches Gesicht, dass im Schlaf so unglaublich schön war, dass es ihm jedes Mal den Atem geraubt hatte.

Doch es war beklopft, hier im Schnee zu stehen und auf ein Wunder zu hoffen.

Er war ein Idiot...! Ein gottverdammter Idiot! ...

Ihm fehlte einfach der Mut, ihr gegenüberzutreten. Er würde es nicht ertragen, den Hass und die Trauer in ihren Augen zu sehen. Er würde kaputtgehen...

Subaru machte auf dem Absatz kehrt, ließ das Haus hinter sich.

Ihm war nach Weinen zumute. Er fühlte sich nutzloser denn je.
 

Wieder das wilde und bunte Treiben, als er in die Innenstadt gelangte.

Es wurden schon Weihnachtsdekorationsartikel verkauft und vor dem einen oder anderen Geschäft standen Weihnachtsbäume, prächtig, bunt, zum Träumen.

Subaru hatte in seinem ganzen Leben noch nie Weihnachten gefeiert, noch nie einen Weihnachtsbaum besessen.

An einer Gebäudefront hing eine große Tafel, auf der in schillernden Ziffern das Datum, die Uhrzeit und die gerade vorherrschende Temperatur angezeigt wurden.

In einer Woche war der 12. Dezember...

Er stand wieder vor dem Juwelier, sah abermals durch die Glasscheibe auf die ausgestellten Stücke.

Ein Ring fiel ihm besonders ins Auge. Silbern, hübsch, irgendwie passend.

Als er den Preis sah, wurde ihm übel.

Er wühlte in seinen Hosentaschen rum. Knöpfe, Kaugummi und 10 Yen. Seine Ersparnisse befanden sich auf dem Konto, dass Aoi ihm erstellt hatte.

Aber das würde nicht reichen.

Er musste härter arbeiten. Ein Blick auf die große Kirchenuhr verriet dem Blondhaarigen, dass es bereits nach Mitternacht war.

Er könnte früher mit dem Arbeiten beginnen. Schlafen konnte er eh nicht.

Aoi würde sich sorgen machen, aber das war gerade unwichtig...

Auf der anderen Straße war ein Café, in dem er kellnerte. Er würde dort bis zum Morgengrauen arbeiten und dann zur Umzugsfirma gehen.

Vielleicht würde er doch noch genug Geld zusammenbekommen.

Er ging über die Straße, ein gleißendes Meer aus Farben und Geräuschen!

"Subaru!"

Er fuhr herum, sah die Scheinwerfer, die im rasanten Tempo auf ihn zukamen. Er war wie gelähmt. Noch ehe er realisierte, was los war, wurde er vom Auto erfasst und meterweit geschleudert.

Vielleicht hatte er genau das verdient.
 

Fin~

My last birthday with you

Es war ein lauer Wintertag, angenehm mild für diese Jahrszeit und Weihnachten stand kurz bevor.

Subaru saß am Küchentisch und starrte auf das Geschenkpapier vor sich.

Er war schrecklich, wenn es darum ging, Geschenke einzupacken. Und für Naomi sollte alles perfekt sein! Aoi stand am Kühlschrank und war gerade dabei, sich ein Glas Orangensaft einzuschenken, als sein Blick flüchtig aus dem Fenster fiel. „Es schneit“, merkte er verwundert an und vergaß dabei, dass er sich etwas einschank. Die orangefarbene Flüssigkeit ergoss sich über den Fußboden und der Weißhaarige fluchte.

Subaru indess sah aus dem Fenster und grinste breit.

„Yuki!“ Seit er sich erinnern konnte, hatte Subaru noch nie weiße Weihnacht erlebt, noch überhaupt nie wirklich Weihnachten gefeiert.

Er freute sich über die weißen Flocken so sehr, dass er sich beinahe de Finger an dem Klebebandabroller schnitt.

Hoffentlich würde der Schnee bis Weihnachten liegen bleiben!

Oder zumindest doch bis Naomis Geburtstag.

Er starrte abermals auf das Geschenk vor sich. Ob es Naomi gefallen würde?

Es sollte etwas ganz besonderes sein, nach all dem, was sie durchmachen musste.

Die bitteren Tränen, die sie vergossen hatte. Noch nie hatte Subaru sich so elend gefühlt. So...

Noch immer wurde ihm total schlecht, wenn er daran dachte, ein echt unangenehmes Gefühl...

Subaru klebte das letzte Stückchen Klebeband auf und besah sich dann sein Werk.

Unglaublich, dass er wieder in ihrer Nähe sein durfte. Er war der glücklichste Mensch der Welt!
 

„Morgen ist ihr Geburtstag, huh?“, fragte Aoi und leerte sein Glas Orangensaft auf Ex.

Der Blondhaarige nickte bloß und erhob sich. „Was machst du morgen?“

Aoi kratzte sich am Kopf.

„Ich werde mit Honoka in den Freizeitpark gehen, denke ich. Ich will ja nicht, dass sie euch in eurer Zweisamkeit stört!“, grinste sein Bruder breit.

Subaru wurde rot und drehte seinen Kopf weg.

„Baka!“

„Ich weiß“

„Sag mal...“ Subaru hielt inne.

Sein Bruder stutzte. „Ja?“

„Ach, nicht so wichtig“, erwiderte der Blondhaarige und musste an die Mitteilung von gestern denken. Aber er musste einfach zuversichtlich sein.
 

Inzwischen war alles schon von einer leichten Schneedecke bedeckt und der Blondhaarige staunte über diesen Anblick. Wie der Schnee glitzerte und funkelte! Er war beinahe so atemberaubend wie Naomi!

„Weißt du“, grinste er und drückte sein Paket fest an sich. „Ich kann es kaum erwarten, morgen Naomi ihr Geschenk zu überreichen!“ Sein Bruder wunderte sich über Subarus plötzliche Europhie und sah nur noch, wie dieser eilig in sein Zimmer rannte. Wahrscheinlich wollte er schnellstmöglich schlafen gehen, damit der morgige Tag schneller kam.

„Dieser Junge“ Mit diesen Worten und einem Kopfschütteln räumte er den Küchentisch auf.
 

~~°~~
 

Der nächste Tag war einfach ein atemberaubender Anblick. Die Sonnenstrahlen wurden von dem Schnee reflektiert und es glitzerte und funkelte und roch nach Eis.

Es war nachmittags und Subaru hatte diesen Moment kaum abwarten können.

Er hatte die Minuten gezählt und wie ein kleines Kind in seinem Zimmer rumgehibbelt, bis ihr Anruf kam.

Danach war er sofort zur Haustür gestürmt, hatte sich umgezogen und nach dem Geschenk auf dem Küchentisch gegriffen.
 

Seine Schuhe machten knirschende Geräusche in dem frischgefallenen Schnee. Wie viel Spaß es machte, durch den noch unberührten Schnee zu rennen!

Als er durch die Stadt lief, traf Subaru auf eine Menge Leute, die er kannte.

Im Rennen winkte er ihnen zu, der alten Frau aus dem Haus neben der Tierhandlung half er über die Straße; dann rannte er noch schneller, um die verlorene Zeit einzuholen.

Vor Nomis Haus blieb er stehen und rang nach Atem.

Das mächtige Anwesen beeindruckte ihn immer wieder aufs Neue.

Er war fasziniert und eingeschüchtert.

Nur gut, dass Naomis Tante nicht da war. Dieser alte Drachen würde ihm gerade noch fehlen...

Noch einmal tief nach Luft ringend, klingelte er. Plötzlich wurde er total nervös und eine leichte Röte zierte seine Wangen.

„Verdammt“, wisperte er und starrte gen Boden, als auch schon die Tür aufging – und Subaru die Luft wegblieb.

Es war unglaublich, aber die Anmut ihrer Bewegungen, ihre Schönheit, die Augen, die Haare, all dies erstaunte ihn jedesmal auf Neue. Konnte man vom Verliebtsein eigentlich sterben?

Wenn ja, dann war er schon kurz davor. Da war er sich sicher.

„Happy Birthday, Naomi!“, murmelte er verlegen und inzwischen war er puterrot.

Er sah sie leicht lächelnd an.

„Arigatou. Magst du reinkommen?“

„Sicher“

„Tut mir Leid, dass es hier so unordentlich ist. Ich mache mir ja nichts aus Geburtstagen, da hielt ich es für unnöig, aufzuräumen“

Irgendwie schien sie auch etwas nervös.

„Ach was, kein Problem“, erwiderte Subaru und lachte unsicher.

Als würde ihn die Unordnung interessieren. Alles, was ihn interessierte, war doch ganz allein sie!
 

„Möchtest du was trinken?“

Ihre Stimme, dieser Engelsgesang, riss ihn jäh aus seinen Gedanken.

„Äh... Nani?“

„Ob du was trinken willst“

„Sou ka... Gerne!“

Er folgte seiner Angebeteten in die Küche und fragte sich, warum er sie nicht einfach in den Arm nahm, ihr gratulierte und somit sein Verlangen stillte?

Es war, als wäre eine unsichtbare Glaswand zwischen ihnen.

„Ist dir Sprite recht?“ Naomi stand am Kühlschrank und Subaru beherrschte sich, als sein Blick auf ihren Hintern fiel.

Rot wie eine Tomate drehte er sich weg und befürchtete schon, Nasenbluten zu bekommen.

So ein Mist!

„Sicher doch!“ Subaru kratzte sich verlegen am Kopf.

In ihrer Gegenwart würde er sich eh nicht auf den Geschmack des Getränkes konzentrieren können.

„Gut, dann lass uns nach oben gehen“

Ein Nicken.
 

In Naomis Zimmer angekommen fühlte sich Subaru noch viel unbehagener. Dieser Raum war für ihn etwas ganz besonderes. Es war IHR Zimmer. Er konnte ihre Anwesenheit in jeder Ecke spüren und fühlte sich hier so wohl, wie sonst nirgendwo.

Zusammen setzten sie sich auf ihr Bett und sie sahen sich eine Weile schweigend an.

Dann überwand sich der Blondhaarige, beugte sich ein wenig zu ihr vor und drückte ihr einen schnellen und flüchtigen Kuss auf. Das war die pure Folter, am liebsten hätte er sie bis an ihr Lebensende geküsst.

„Alles Gute“ Er hielt ihr sein Geschenk entgegen.

Überrascht starrte Naomi auf das, eher schlecht als recht, eingepackte Päckchen in Subarus Händen.

Sie nahm es zögernd entgegen und packte es aus.

„Was ist das?“, fragte sie, als sie auf das in Leder gebundene Büchlein in ihren Händen sah.

In goldenen Lettern stand darauf: „To my angel“

„Ähm... Das ist ein Buch, mit unseren Erinnerungen“ Er schämte sich. Das war eine schwachsinnige Idee gewesen. „Das sind die Armbändchen, die wir im Krankenhaus bekommen haben“, kommentierte Subaru die Seite, die Naomi gerade aufgeschlagen hatte. „Und das ist die Quittung, als wir uns die DVDs und das Knabberzeug für unseren Filmabend besorgt hatten“

„Das hast du alles aufgehoben?“, wollte Naomi überrascht wissen und sah auf – direkt in Subarus Augen.

Dieser scluckte kräftig, wäre am liebsten im Erdboden versunken.

„Hai... Tut mir Leid, dass ich kein besseres Geschenk...“

„Ich find es wundervoll“

„Wirklich?“

„Hai. Arigatou“

Subaru grinste und irgendwie spürte er, dass es jetzt in Ordnung gehen würde, wenn er sich vorbeugen und Naomi küssen würde.

Er schloss die Augen.

Ihre Lippen waren nur noch wenige Zentimeter voneinander getrennt, als Subaru plötzlich spürte, wie die Erde unter seinen Füßen bebte.

Die Fenster klirrten, die Lampen zerbersten, der Fernseher fiel von der Anrichte.

„Ein Erdbeben!“, entfuhr es Subaru und ohne nachzudenken, griff er Naomis Schultern, zerrte sie auf den Boden und warf sich schützend über sie.
 

„Keine Angst!“, beruhigte er sie. „Es ist gleich vorbei“

Der Stuhl neben ihnen fiel um, eine Lampe krachte von der Decke.

Das große Bücherregal hinter ihnen schwankte und kippte um – direkt auf Subaru und Naomi.

Ein lautes Krachen war zu vernehmen, wie Knochen, die zerbersteten.

Dann war alles still.

Das Erdbeben hatte aufgehört.

„Naomi?“, fragte Subaru in die Stille hinein. Seine Stimme klang gepresst, war kaum zu vernehmen. Mit aller Kraft stemmte sich der Blobdhaarige gegen das Regal- „Geht es dir gut?“

Die Angesprochene nickte zaghaft, konnte nicht ganz realisieren, was soeben passiert war.

Subaru seufzte erleichtert auf und der Kloß in seinem Hals verschwand.

Wie froh er war, dass es ihr gut ging! Ohne sie hätte er nicht mehr leben wollen.

Er hätte es nicht mehr gekonnt. Ganz gewiss.
 

„Pass auf!“, meinte er nach einiger Zeit. „Kriech unter mir weg!“

Er drückte den Rücken durch und hievte das Regal hoch. Es war zerbrochen, vollkommen zerstört. Naomi krabbelte unter ihm weg, sprang schnell auf die Beine und zog das Regal weg.

„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie besorgt und kniete sich zu ihm. Sie legte eine Hand auf seine Wange, auf der vereinzelt ein paar tiefe Kratzer vorzufinden waren.

„Tut dir irgendetwas weh?“ Sie sah sich in dem komplett zerstörten Raumb um und Subaru trieb es fast die Tränen in die Augen. Dabei sollte ihr Geburtstag doch etwas ganz Besonderes werden. Etwas ... Unvergessliches. Und dann passierte so etwas!

„Subaru?“

Der Blondhaarige stöhnte. „Nein, alles okay“

Er stand auf. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn und verschwand so schnell wie er gekommen war.

Die beiden setzten sich aufs Bett.
 

„Ich ruf´Aoi an und frag´, wie es ihm und Honoka geht“, murmelte der 18-jährige und holte sein Handy aus der Hosentasche. Naomi nickte und man sah ihr ihre Besorgnis um Honoka regelrecht an.

„Alles wird gut“, murmelte er leise, während er darauf wartete, dass Aoi abnahm, und drückte ihr einen sanften Kuss auf die Stirn.

„Aoi?“ Subarus Erleichterung war nicht zu überhören. „Wie geht es dir und Honoka?“

„Uns geht es gut“, beruhigte Aoi ihn. „Honoka hatte sich mit Zuckerwatte vollgestopft und weil ihr schlecht war, haben wir im Auto gewartet. Das war unsere Rettung. Ich weiß nicht, ob wir es im Freizeitpark überlebt hätten...“

Der Weißhaarige schluckte kräftig.

„Und was ist mit euch?“

Sein Bruder räusperte sich. „Hier ist auch alles in Ordnung“, erklärte er.

Wieder dieser Schmerz, der ihn die Zähne zusammenpressen ließ.

Naja, fast alles...

„Gut“ Erleichterung schwang in Aois´ Stimme mit.

„Bleibt, wo ihr seid, bis Hilfe kommt. Verstanden?“, tönte es aus dem Hörer.

„Verstanden!“, murmelte Subaru und warf einen flüchtigen Blick auf Naomi, die auf ihrem Bett saß und sich von dem gewaltigen Schreck erholte.
 

Als Aoi aufgelegt hatte, wandte er sich an Naomi.

„Ihnen geht’s gut!“, meinte er. Naomi nickte bloß und biss sich auf die Unterlippe.

Plötzlich bemerkte er die Trauer in ihrem Gesicht.

„Was ist los?“, fragte er besorgt, setzte sich neben ihr auf das Bett und legte ihr einen Arm um die Schultern.
 

„Ich kann meine Tante nicht erreichen!“, erklärte sie aufgebracht.

Subaru sah sie überrascht an. Obwohl Naomis Tante nicht die beste Tante war, so liebte sie sie doch -

auch wenn dem manchmal nicht so schien – und sorgte sich um sie.

„Wahrscheinlich hat deine Tante viel zu tun und hat das Klingeln des Telefons einfach überhört“, versuchte Subaru sie zu beruhigen. Im nächsten Moment schalte er sich einen Narren. Er selbst konnte seinen eigenen Worten ja nicht mal Glauben schenken. Und Naomi war um einiges intelligenter als er. Warum sollte sie dann ihm glauben?
 

Naomi nickte, aber so ganz überzeugt schien sie nicht.

„Wahrscheinlich hast du Recht!“, murmelte sie und versuchte zu lächeln. Doch es gelang ihr nicht.

Subaru konnte ihre traurigen Augen nicht mehr ertragen!

Er stand auf, kniete sich vor sie und ergriff ihre Hände.

„Hör mir zu“, meinte er bestimmt. „Ich werde Hilfe holen. Bleib hier und schließ alle Fenster und Türen ab. Ich werde mich beeilen!“ Naomi protestierte, aber der Blondhaarige legte ihr einen Finger auf die Lippen.

„Hab keine Angst!“, flüsterte er.
 

Dann küsste er sie lang und zärtlich – fast so, als seie es das letzte Mal.

„Pass auf dich auf!“ Er küsste ihre Stirn, ihre Lider. Dann fuhr er mit dem Daumen über ihre Lippen. Er konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Kaum merklich rannen sie über seine Wangen.

Es war so schmerzhaft, ihre Hände loszulassen. So unglaulich schmerzhaft. Jede Folter war, im Vergleich dazu, erträglicher.

Er umfasste ihr Gesicht ein letztes mit seinen Händen.

„Bitte pass auf dich auf. Ich verspreche dir, dass ich zurückkomme. Okay?“

Ein zögerndes Nicken.

„Gut!“ Er lächelte. „Ich liebe dich. Alles wird gut!“

Subaru erhob sich, klopfte sich den Staub von den Kleidern. Er sah ein letztes Mal zu ihr, dem Mädchen, welches er so sehr liebte, dass es schmerzte.

„Bis nachher!“, rief er ihr beim Verlassen des Hauses zu.
 

Draußen lag alles in Trümmern und die kalte Abendluft schnitt ihm ins Gesicht.

Wohin er auch blickte, alles lag in Schutt und Asche. Er wusste kaum noch, wo er war.

So schnell er konnte, rannte er die Straße hinunter, rannte und rannte, in der Hoffnung, irgendjemanden anzutreffen, der ihm behilflich sein konnte.

Er wusste nicht, wie lange er diese gottverdammte verlassene Straße entlanglief; es kam ihn vor wie eine Ewigkeit.

Plötzlich hielt er inne. „Verdammt!“, fluchte er und fasste sich an die Seite.

Ein riesiger Holzsplitter steckte in seiner Hüfte. Er musste vom Regal abgesplittert sein, als es auf ihn gefallen war. Die Wunde schien ziemlich tief zu sein und Subaru vberspürte eine leichte Übelkeit.

Der Schmerz war unerträglich.

Er hatte Naomi nicht beunruhigen wollen und hatte ihr deswegen nichts erzählt. Sie hätte ihn doch sonst niemals gehen lassen.

Und vielleicht hätte sie geweint, seinetwegen – das hätte er nicht ertragen. Nicht noch einmal...
 

Er fischte nach seinem Handy und versuchte, Aoi zu erreichen. Kein Empfang. Die Verbindung war tot.

Ein weiteres ‚Verdammt‘ entwich ihm, als er sich mitten auf die Straße setzte und überlegte.

Er wollte nicht, dass Naomi etwas passierte!

Eine Straßenlaterne krachte unmittelbar neben ihn auf die leere Straße und er zuckte zusammen.

„Verdammt“ Er musste dringend Hilfe holen!

Vor einiger Zeit hatte er Naomi schon einmal verloren. Von da an schwor er sich, dass dies nie wieder passieren würde.

Er keuchte, wollte aufstehen. Doch es gelang ihm nicht.

Er war einfach zu schwach. Er musste Hilfe holen.

Aber er konnte es nicht.

Er würde es nicht schaffen.

Wie sehr er sich dafür hasste!

Die Stadt war zu weit entfernt und er würde mit seiner Verletzung nicht weit kommen.

Ihm blieb nichts anderes übrig...

Unter Tränen griff er nach einem umherfliegenden Stück Papier und fischte einen Kugelschreiber aus seiner Brusttasche. Dann bekritzelte er das Blatt Papier und legte sich ermattet auf die Straße. Das Blut färbte den Asphalt unter ihm eigenartig braun.
 

Indess hatte sich Naomi auf dem Dachboden verbarrikadiert. Eine Durchsage im Radio erweckte ihre Aufmerksamkeit.

„Gerade wurde Leiche 2029 geborgen. Es ist eine junge Frau, die...“

Die Blondhaarige hörte nur mit halbem Ohr zu, galt ihre Aufmerksamkeit doch der Treppe, die ins Erdgeschoss führte. Hoffentlich würde sie hier keiner finden.

Sie schluckte und packte sich an den Kopf.

So ein schlimmes Erdbeben hatte es seit Jahren nicht mehr gegeben. So viele Tote...

Ihr stiegen die Tränen in die Augen, plötzlich hatte sie so ein ungutes Gefühl Subaru betreffend.

Was, wenn er...?

Plötzlich hörte sie im Erdgeschoss ein lautes Klirren, so als ob ein Fenster eingeschlagen wurde, gefolgt von lauten polternden Schritten. Sie kamen die Treppe hinauf. Naomi hielt den Tennisschläger, der ihr als Schutz dienen sollte, noch fester umklammert und ging langsam auf die Treppe zu, bereit, dem Einbrecher eines überzubraten.

„Naomi“, rief eine tiefe Männerstimme von unten. Es war Aoi!

Freudig machte sie einen Satz nach vorne und zog die schwere Dachbodentür auf.

„Alles ist gut!“, beruhigte der Weißhaarige sie und nahm sie in die Arme.
 

„Deine Tante und Honoka sind in Sicherheit. Ich habe sie zur Turnhalle deiner Oberschule gebracht. Dort wurde ein Hilfslager errichtet“

Für einen kurzen Moment schluchzte Naomi laut auf, dann war plötzlich Stille. In ihrem ganzen Leben war sie noch nie so froh gewesen, diesen blöden Macho zu sehen!

„Wo ist Subaru?“, wollte Aoi wissen und strich ihr beruhigend über den Rücken.

„Er wollte Hilfe holen“, erklärte Naomi und vergrub ihr Gesicht in Aois Pullover. Dieses komische Gefühl war schon wieder da.

Eine weitere Durchsage aus dem Radio vertrieb die unangenehme Stille.

„Soeben wurde das 2030 Todesopfer geborgen. Es ist ein Teenager zwischen 16 und 19 Jahren, mit einem Holzsplitter in der Seite. Er trug keine Personalien mit sich und konnte anhand dessen noch nicht identifiziert werden. Allerdings hielt er in der rechten Hand einen Zettel, auf dem stand: ‚Ich liebe dich, Naomi! Entschuldige, dass ich mein Versprechen gebrochen habe‘“
 

Fin~

Forever

Als er aufwachte und einen Blick aus dem Fenster warf, seufzte Subaru erleichtert.

Das Wetter war perfekt.

Regen war schließlich dafür bekannt, alles wegzuspülen.

Er setzte sich im Bett auf. Es war kalt, grau und trist.

Ein typischer Herbsttag eben.

Aus dem Radiowecker, der neben ihm auf dem kleinen Nachttisch stand, erklang die monotone Stimme eines Nachrichtensprechers.

Er berichtete von einem Mord, ein junges Mädchen, dass auf dem Heimweg von der Schule verschwunden ist. Gestern wurde die Leiche des Mädchens verscharrt am Waldrand gefunden.

Ihm wurde übel, als er an die Gechichte dachte.
 

Der Blondhaarige schlug die Decke zurück, stand auf und streckte sich einmal herzlich. Komisch, wie gut es tat, sich zu strecken.

Es war 7 Uhr morgens, viel zu früh für Subaru, aber Aoi arbeitete bloß neun Stunden, da musste er jede Sekunde ausnutzen.

Ohne sich anzuziehen, kniete sich Subaru nieder und zog den Pappkarton, den er eigens für heute besorgt hatte, unter dem Bett hervor.

Er faltete ihn zusammen und erhob sich schließlich, ehe er alles aus seinem Zimmer, was kein Möbelstück war, in den Karton räumte.

Und er besaß, weiß Gott, nicht viel.

Als er fertig war, machte er sein Bett, saugte schnell und sah sich schließlich um.

Jetzt sah alles genauso aus, wie es vor seinem Einzug ausgesehen hatte.
 

Sein Weg führte in weiter ins Badezimmer, die Zahnbürste und sein Kamm waren schnell eingepackt. Auch die Fotos im Wohnzimmer waren schnell weggeräumt.

Fotos, auf denen er drauf war. Sein fünfter Geburtstag. Er und seine Plüschkuh Muh. Ein Familienfoto. Er und Aoi beim Fußballspielen. Er mit 18.

Er mit...

Das letzte Foto auf dem Kaminsims, auf dem er abgebildet war, flog unsanft in den Karton.

Es war kein Platz mehr für Erinnerungen.

Nach einer halben Stunde hatte Subaru seinen Gang durch Aois Wohnung beendet.

Nun stand er, den Karton unter dem einen Arm, einen kleinen Haufen Kleidung unter dem anderen, vor der der kleinen Apartmentwohnung und starrte schweigend auf das dunkle Holz.

"Mach´s gut, Aoi"
 

Als er ins Freie trat, peitschte ihm augenblicklich eiskalter Regen gegen die nackte Brust.

Der scharfe Wind schnitt ihm ins Gesicht, als er, nur mit einer Jeans bekleidet, durch die ganze Stadt lief und nach einem trockenen Ort suchte.

In einer leerstehenden Tiefgarage fand er schließlich diesen Ort.

Mit ausdrucksloser Miene warf der Blondhaarige den Inhalt des Kartons und die Kleidungsstücke auf einen Haufen und zog anschließend das Feuerzeug, das er aus Aois Wohnung hatte mitgehen lassen, aus der Tasche seiner Jeans.

Er griff nach einem der Bilderrahmen, zerbrach das Glas an seinem Knie und musterte das Stück Papier.

Er sah einen strahlenden 17-jährigen Jungen, der überglücklich mit drei anderen Personen vor der Eishalle stand.

Er erinnerte sich an diesen Tag. Ein schmerzhafter Tag, wenn man nicht Schlittschuh laufen konnte...

Jetzt würde dieser Tag nicht mehr präsenz sein.

Die Flammen des Feuerzeuges leckten gierig an dem Stück Papier und der Blondhaarige warf einen letzten Blick auf die vier langsam verschwindenen Gesichter, ehe er das brennende Foto auf den Haufen, bestehend aus Erinnerungen, warf.
 

Das Feuer knisterte und erleuchte Subarus Gesicht, der regungslos dastand und dabei zusah, wie sich sein ganzes Leben in Asche verwandelte.

Nach einer weiteren Stunde verließ er die Tiefgarage schließlich.

Er hatte gehofft, sich besser zu fühlen, nachdem er seine Existenz zerstört hatte. Aber er fühlte sich nicht besser.

Er lief weiter, der Regen prasselte immernoch unaufhörlich auf ihn ein.

Auf dem Weg zu Kyoutai, einem ehemaligen Yakuza-Sprössling, mied er die Wege, die ihm zum Park, der Bushaltestelle, der Tierhandlung oder ins Nobelviertel führten.

Diese Orte waren nicht gut für sein Herz.
 

Er fand Kyoutai an seinem Standardplatz, einem verlassenen Eisenbahnwagon.

Rauchend saß der junge Mann vor dem Wagon und starrte in den Himmel.

Als er Schritte vernahm, sah er auf.

"Subaru", kam es leicht überrascht von dem Einäugigen, ehe er sich erhob und den Blondhaarigen grinsend musterte.

"Was machst du denn hier? Wie geht´s?"

"Ich brauch ´ne Knarre ..."

Sein Gegenüber hob eine Augenbraue, zog kräftig an seiner Zigarette und lehnte sich an die Wand in seinem Rücken.

"Warum?"

"..."

"Hmmm" Kyoutai fuhr sich durch sein feuerrotes Haar.

"Ich deale nicht mehr mit Waffen"

"Es ist wichtig. Bitte"

Ein Seufzen entrang der Kehle des 27-jährigen, dann schaute er in die Ferne.

Sein schwarzer Umhang wehte leicht im Wind.

"Na schön... Was bekomme ich denn dafür?"

Der Blondhaarige sah ihn ausdruckslos an.

"Ich habe nichts"

"Das sehe ich", gestand Kyouta und er steckte sich eine neue Zigarette in den Mund.

"Subaru. Heutzutage ist nichts mehr umsonst"
 

Subaru nickte. Das wusste er.

"Ich tu alles, was du willst"

"Hmmm?" Der Einäugige musterte sein Gegenüber nachdenklich.

"Du scheinst es wirklich ernst zu meinen..."

Kyoutai stieß sich von dem Wagon ab und ging auf den Blondhaarigen zu.

"Du hast viele Narben", stellte er fest, als er sich den Körper des 18-jährigen genau ansah.

"Anscheinend hast du viel durchgemacht"

Als Antwort drehte Subaru nur den Kopf zur Seite.

"Nun gut", kam es bloß von dem eindeutig Älteren, ehe er dem Blondhaarigen die Anweisung gab, ein paar Schritte nach hinten zu gehen.

Währenddessen hatte sich Kyoutai ins Innere des Wagons verzogen und kam wenig später mit einer glänzenden Pistole hinaus.

Deie Regentropfen spiegelten sich in dem Metall wider und Subaru sah, wieder Rothaarige die Waffe in seinen Händen wog.

"Ein schönes Teil"

Subaru wollte sich gerade auf den Weg zu ihm machen, um eben dieses 'schöne Teil' entgegenzunehmen.

"Warte", durchfuhr Kyoutais Stimme die Luft.

"Bleib da stehen!"
 

Der 18-jährige tat, wie ihm befohlen wurde.

Wartend stand er da, den Blick so leer, dass man meinen könnte, er hätte nie auch nur eine Emotion gezeigt.

Er beobachtete, wie der Ex-Yakuza plötzlich den Arm hob und die Pistole direkt auf ihn richtete.

Ohne zu zögern betätigte er den Abzug und Subaru schloss abwartend die Augen.

Doch die Kugel streifte ihn bloß an der Schulter und hinterließ lediglich eine stark blutende Wunde.

Der Blondhaarige fasste sich an das schmerzende Körperteil und starrte auf seine blutige Hand.

"Also", kam es von Kyouta, während er durch den Regen auf ihm zulief, ihm seine Ketten vom Halse rief und schließlich mit aller Kraft das schwere Stück Metall gegen Subarus Hinterkopf schlug.
 

Subarus Kopf flog nach vorne, während er sich keuchend den Kopf hielt und versuchte, den Schmerz zu ignorieren.

"Sieh auf", befahl der Rothaarige - und Subaru sah auf.

"Das war dafür, weil du so ein Idiot bist. Einfach aufzugeben ist feige"

"..."

"Hier" Er drückte dem Blondhaarigen die Waffe in die Hände.

Ein leichtes Lächeln umspielte die Lippen des Einäugigen.

"Pass auf dich auf"

"Tzz..."
 

Der Regen war wirklich praktisch. Er spülte das Blut, das unaufhörlich aus der Wunde an seiner Schulter strömte, spurlos weg.

Allerding schmerzten die Regentropfen auch.

Es war bereits mittag, in einer Stunde würde Aoi nach Hause kommen und er musste sich beeilen.

Er atmete tief ein und aus starrte auf das große Schild über sich, auf dem 'Hauptbahnhof' stand.

Ein Mädchen ging an ihm vorbei, lächelnd, den Arm um ihren Freund geschlungen.

Subaru schlug mit der Faust gegen eine Mauer.

Blut rann seine Hand hinunter.

Blut...

Bald würde es noch mehr davon geben.

Er packte sich an den Hals, wo er die Waffe unter einem Halstuch verborgen, mit sich trug.

Das war wirklich das letzte Mal gewesen, das er geklaut hatte.

Er spürte die Blicke der anderen Leute auf sich.

Kein Wunder.

Wann sah man schon einen 18-jährigen, nur mit Jeans und Halstuch bekleideten, Jungen mit einer Schuss- und einer Platzwunde am Hauptbahnhof stehen und mit emotionsloser Miene zur großen Uhr schauen?

Mehrere Leute sprachen ihn an, aber er ignorierte sie.
 

Seine Füße waren wund vom rauen Asphalt und es hatten sich Blasen gebildet.

Ihm war speiübel und er wusste nicht, wieso.

Er übergab sich hinter einem Mülleimer und wischte sich über den Mund.

Bloß noch eine halbe Stunde. Es wurde Zeit.

Subaru blickte sich um. Der nächste Zug fuhr auf Gleis 23 ein.

Schweratmend stieg er die lange Treppe zu besagtem Gleis hinauf.

Jede Stufe war der Horror.

Er hielt sich im Hintergrund, wollte die Menschen nicht sehen.

Ein kleines Mädchen, vielleicht fünf Jahre alt, musterte den Blondhaarigen mit großen Augen.

"Buh!", machte er und erschrocken fuhr die Kleine herum und verschwand.

Ungeduldig blickte er zur Uhr, jede Minute kam ihm wie eine Ewigkeit vor.

Als die Stimme einer Frau durch die Lautsprecher erklang und den einfahrenden Zug ankündigte, schloss der Blondhaarige kurz die Augen.

Der Zeitpunkt war gekommen.

Mit lautem Getöse fuhr das Fahrzeug ein, die Menschen drängelten sich in Trauben in das Gefährt, ohne auf ihre Umgebung zu achten.

Subaru nutzte diesen Moment, lief los und sprang ca. 300 Meter vor dem Zug auf die Schienen.
 

Die Türen schlossen sich.

Subaru griff sich an den Hals.

Ein lautes Geräusch.

Er entfernte das Halstuch und warf es neben sich auf den Boden.

Der Zug setzte sich in Bewegung.

Stille.

Die Pistole lag schwer in seiner Hand.

Noch 250 Meter.

Erinnerungen kamen zurück. Er verdrängte sie.

Noch 200 Meter.

Er hatte alles getan, was möglich war. Niemand sollte mehr daran denken, dass es ihn je gegeben hatte.

Noch 150 Meter.

Er hob den Arm und hielt die Pistole an seine Schläfe.

Er wollte in Vergessenheit geraten.

Noch 100 Meter.

Hiermit wollte er sich für alles entschuldigen.

Noch 50 Meter.

Mit gesenktem Kopf und einem kleinen Lächeln betätigte er den Abzug. Und er wusste, es war aus, für immer.
 

~~°~~
 

Ein Foto flog durch die Luft. Es zeigte zwei Menschen, ein Mädchen und einen Jungen. Verliebt hatte er sie angesehen und er schien so glücklich, wie noch nie gewesen zu sein. Er hatte es einfach nicht verbrennen können. Nicht sie.
 

Fin.
 

Ein Engel kam vom Himmel.

Ein Engel, nur für ihn.

Er kannte ihren Namen nicht,

sah nur ihr Gesicht.

Er war ein Niemand,

ein namensloser Straßenjunge.

Untalentiert, dumm, tollpatschig.

Er war geboren, um zu leiden.

Sein Schicksal war vorherbestimmt.

Es sollte so enden.

Die letzte Nacht. Der letzte Tag.

Ein Augenblick, eine Bewegung.

Und alles war vorbei.

Seine Träume waren ausgeträumt,

sein Leben nichts mehr wert.

Er würde niemals glücklich sein.

Denn Erinnerungen sterben nie



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