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Confusing Desire

von

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Prolog

Die letzten Wochen waren hart für ihn gewesen, sehr hart. Er konnte sich noch sehr gut an diesen Abend erinnern, der flackernde Fernseher, der die neusten quietsch bunten Bonbons anpries, der penetrante Kindergesang als Untermalung, nur unterbrochen durch das Klingeln des Telefons. Wie oft hatte sich Manabu seit dem gewünscht nicht ans Telefon gegangen zu sein?
 

Die Stimme am anderen Ende redete schier endlos auf ihn ein, die Flut von Informationen, hätte ihn wohl überrollt, doch all die Worte waren an ihm vorbeigezogen wie ein Schnellzug. In seinem Kopf hatten sich nur die paar Worte festgesetzt, die er bis jetzt noch immer nicht wirklich begreifen konnte.

„Ihre Mutter hatte einen Autounfall. Sie war leider auf der Stelle tot…“ Weiter war er schon nicht mehr in der Lage gewesen zuzuhören. Sie war tot. Seine Mutter, der einzige Mensch, den er seine Familie nannte, der wohl wichtigste Mensch für ihn überhaupt. Tot.
 

Wie oft hatte er seit dem schon geweint? Er konnte es schon gar nicht mehr zählen. Und während für ihn die Zeit wie still stand, war sie doch so unendlich schnell vorbeigezogen. So viel war in diesen paar Wochen geschehen.
 

Und jetzt stand er in mitten einer kleinen Wohnsiedlung Tokyos, so weit entfernt von seiner Heimat Osaka. Aber er hatte nicht bleiben können. Er hatte keine Verwandten, die ihn hätten aufnehmen können und so hatte das Jugendamt einen Mann kontaktiert, den er bis dahin nicht einmal beim Namen kannte. Seinen Vater.
 

Seine Mutter hatte sich immer sehr bedeckt gehalten, was ihn anging, und jetzt wusste Manabu auch warum. Er war verheiratet und hatte einen Sohn, der wohl älter war als Manabu selbst. Eine heile kleine Familie, in die er als unehelicher Sohn nicht passte.
 

Er seufzte und sah sich noch einmal um. Eine wirklich hübsche kleine Wohnsiedlung, in die er hier mit seinen paar Habseligkeiten geraten war…. Aber wo zur Hölle war er nun genau? Hatte er nicht schon genug Probleme?
 

Er sah noch einmal auf seinen Stadtplan, er hatte vom Bahnhof aus mit Sicherheit die richtige Straße genommen, aber es half nichts. Hier sah für ihn alles gleich aus. Keine Querstraßen, Parks oder irgendetwas anderes, an dem man sich orientieren könnte. So gut und schön dieser Stadtplan auch war, er half ihm gerade herzlich wenig.

Kapitel 1

Manabu drehte den Stadtplan zum gefühlten 1000. Mal rum und seufzte dennoch resignierend. //Warum bin ich überhaupt hergekommen...? die hätten mich doch einfach im Heim lassen können...// Diese Frage stellte er sich nicht zum ersten Mal und dennoch sah er es irgendwo doch ein, dass es im Heim auf Dauer nicht sonderlich angenehm wäre. Aber was würde ihn in dem Haus seines Vaters erwarten? Er wusste beim besten Willen nicht, was ihm dort bevorstehen würde. Am Telefon klang sein Vater nicht bedrohlich und auch seine Ehefrau nicht. Dennoch blieb das mulmige Gefühl in seinem Magen.
 

Als er seinen Blick etwas durch die Gegend schweifen lies, blieb er an einer kleinen Bank am Straßenrand hängen. Es wäre wohl das Beste zu warten, bis er einen Passanten nach dem Weg fragen konnte. So griff er nach seinem Koffer und zog diesen langsam hinter sich her.
 

Kazuki bretterte ungebremst mit seinem Fahrrad durch die kleinen, leeren Einbahnstraßen der Wohnsiedlung, in der er wohnte. Heute war definitiv einer dieser Tag, die ihn tierisch ankotzten. Heute war es so weit. Ein ungewünschter Gast auf Dauer würde kommen. Kazuki verfluchte seinen Vater innerlich dafür. Erst vor ein paar Tagen hatten ihn seine Eltern ins Wohnzimmer gerufen und ihm eröffnet, dass er einen Halbbruder hätte. Es war nicht gerade ein großes Geheimnis, dass sein Vater ab und an fremd ging. Es wurde nie darüber geredet, aber im Grunde wussten es fast alle, auch er. An diesem Abend hatte er sich nicht vorstellen können, was seine Eltern ihm so wichtiges sagen wollten, umso mehr hatte es ihn entsetzt. Ein Bruder… ein HALBbruder. Er hatte sich zwar schon immer Geschwister gewünscht, aber nicht, wenn seine Mutter darunter leiden musste. Aber sie war nicht einmal geschockt, so hatte es den Anschein, sie hatte es also gewusst, die ganze Zeit.
 

All das machte Kazuki wütend, egal wie oft er darüber nachdachte, er konnte und wollte seinen Vater nicht verstehen. Wie konnte er seiner Mutter so etwas nur antun? Wie konnte sie das alles ertragen?
 

Er bog Blindlinks ab und fuhr einfach weiter eine der kleinen Straßen entlang. Er achtete schon lange nicht mehr darauf, wo er eigentlich genau hin fuhr. Alles was er wollte, war den Wind auf seinem Gesicht zu spüren und seine Gedanken vielleicht etwas zur Ruhe zu bringen. Aber egal, was er auch versuchte, den ganzen Tag schon konnte er an nichts anderes denken. Denn heute war es so weit.

//Nich zu glauben... heute soll er schon kommen.... Konnte mein Vater seinen Schwanz nicht mal eine Sekunde im Zaum halten? Betrügt Mama und fabriziert dabei auch noch ein Kind... Und jetzt rückt er mir gegenüber erst damit raus!// Er schnaubte wütend auf und bog wieder um eine Kurve.
 

Nur im Augenwinkel nahm er eine zierliche Gestalt wahr und bremste so gut es ging ab. Mit quietschenden Reifen und einem großen Bogen kam er zum Stehen. Sein Atem raste und er brauchte erst einmal einige Momente, um sich von diesem Schreck zu erholen. Erst dann sah er sich zu dem fremden Jungen um, der wie ein ängstliches Mädchen zur Seite gesprungen war. Zu verübeln war es ihm jedenfalls nicht.
 

„Alles in Ordnung?“
 

Manabu starrte Kazuki noch immer leicht panisch an und versuchte seinen rasselnden Atem unter Kontrolle zu bekommen. //Kann der nich aufpassen? >.<// Trotzdem nickte er Kazuki leicht entgegen.
 

„Hai… ich…ich denke schon...“
 

Kazukis Blick flog über die Koffer und er betrachtete sich den fremden Jungen noch mal etwas genauer. Er kannte ihn wirklich nicht. Erst jetzt bemerkte der den Stadtplan, der lieblos zusammengefaltet von Manabus Fingern zusammengehalten wurde.
 

„Zu Besuch hier? Findest den Weg wohl nicht?“ Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, während er seine Gedanken kund tat.
 

„So was in der der Art, ja… Und den Weg… auch nicht so wirklich…“

Kazuki legte seinen Kopf etwas schief und plinkerte Manabu irritiert an. „So was in der Art?“ Diese Worte machten ihn schon etwas stutzig. „Hm. Wo willst du denn hin? Vielleicht kann ich dich ja hinbringen. Kenn mich hier schließlich n bissel besser aus als du.“
 

Diese Worte klangen für Manabu wie eine himmlische Melodie und so reichte er ihm seinen Stadtplan. „Da wo das Kreuz ist…“
 

Kazukis Blick flog nur kurz über das Blatt um zu erkennen, in welche Gegend Manabu genau wollte. „Da bist du aber ganz schön vom Weg abgekommen….“ Er schob den Stadtplan wieder weg und blinzelte Manabu etwas überlegend an. „Sag mal… Welche Nummer soll das genau sein?“
 

Die Nummer? Da musste Manabu selbst noch einmal genauer nachsehen. „Ehm…. Die 20.“ Er hob seinen Blick wieder von dem Blatt. „Wieso?“
 

Es war genauso, wie es sich Kazuki ein paar Augenblicke zuvor gedacht hatte. Er besah sich Manabu noch einmal prüfend von oben bis unten, ehe sein Blick denselben Weg zurück verfolgte. Als nächstes stieg er von seinem Fahrrad, schnappte sich eine der Taschen und legte sie sich selbst um. „Siehst netter aus, als ich dachte. Folg mir.“ Und mit diesen Worten schob Kazuki auch schon sein Fahrrad in die von Manabu gesuchte Richtung.
 

Manabu blickte ihm einen Moment lang verwirrt hinterher, bevor er sich entschloss ihm zu folgen. „Nani? Was meinst du?“
 

Erst als Manabu ihn eingeholt hatte und sie gemeinsam um eine Ecke bogen, blickte Kazuki ihn wieder an. „Du bist doch Manabu oder? Ich bin Kazuki. Dein Bruder.“ Mit diesen Worten streckte er ihm seine rechte Hand entgegen.
 

„Mein… Bruder?“ Manabus Gesichtsausdruck sprach in diesem Moment Bände. Er hatte ja mit vielem gerechnet, aber ausgerechnet jetzt hier seinen Halbbruder zu treffen und sich von ihm führen zu lassen, das war schon ein recht absurder Gedanke.
 

„Ist dir wohl noch nicht gesagt worden.“ Er legte seine Hand wieder an den Lenker, um sein Fahrrad wieder leichter vorwärtszuschieben. Manabu machte auf ihn nicht den Eindruck, als wolle er ihm noch irgendwann die Hand schütteln.
 

„Ja doch schon… nur… ich hab nicht gedacht…. Weiß auch nicht… Kann ja nicht ahnen, dass ich dir gleich vors Rad laufe.“ Wenigstens hatte er es doch noch geschafft einen vollständigen Satz von sich zu geben. Was musste diese ganze Situation auch so kompliziert sein? Wie verhält man sich seinem Halbbruder gegenüber, den man gar nicht kennt?
 

Kazuki musste leicht grinsen. „Ja, ich hätte auch nicht gedacht, dass ich dich fast überfahre. Hättest anrufen können, dann hätte dich jemand abgeholt. Wenn man sich hier nicht auskennt, verläuft man sich schnell.“ Kazuki hatte sich das schon allzu oft von Freunden anhören dürfen, die zum ersten Mal bei ihm zu Besuch kamen. Aber eigentlich störte ihn grad etwas ganz anderes. // Warum zur Hölle bin ich so arschfreundlich?// Hatte er sich nicht vorgenommen Manabu schon rein aus Prinzip nicht zu mögen? Und nun spielte er sich hier wie der strahlende Retter der Jungfrau in Nöten auf. Damit war dann wohl sein Vorhaben erst einmal gescheitert. Aber was nicht ist, kann ja noch werden, so hieß es doch. „Wie alt bist du?“ Diese Frage hatte er sich schon etwas länger gestellt, aber seine Eltern hatten ihm darauf keine Antwort geben wollen.
 

„…16…“
 

Nun war es an Kazuki Manabu mehr als geschockt zu mustern. „16? Ich bin auch 16, nächste Woche ist mein 17. Geburtstag. Ich hätte gedacht, dass du etwas jünger bist… so 15 oder 14. Jedenfalls nicht ganz so dicht an mir.“ Na wenn das kein Grund war das Vorhaben doch noch in die Tat umzusetzen. Aber was hätte er davon? Manabu würde schließlich von jetzt an bei ihnen wohnen und das bedeutete, dass er eine sehr lange Zeit mit ihm auszukommen hatte. Es war zum Haare raufen. Auf der einen Seite rebellierte das Einzelkind in ihm und auf der anderen Seite stand die Einsicht. Er würde über alles ganz in Ruhe nachdenken müssen.
 

„Hätte ich auch nicht gedacht.“ Man konnte Manabu förmlich anhören, wie auch er sich Gedanken machte. Kazuki musste ihn hassen. Schließlich drängte er sich hier gerade in eine mehr oder minder heile Familie. Was hatte er hier überhaupt verloren. Diese Frage stellte er sich pausenlos. „Ist es noch weit?“
 

„Na ja schon… Ich bin ne ganze Strecke gefahren. Bist also ganz schön vom Weg abgekommen.“ Kazuki richtete seinen Blick fest auf die Straße. Ja, sie hatten noch einen ganz schönen Weg vor sich. Und das bedeutete genug Zeit, um Manabu all die Fragen zu stellen, die ihm seine Eltern nicht beantworten wollten. „Kennst du… unseren Vater überhaupt?“ ‚unseren Vater‘ es klang so seltsam und es fühlte sich noch viel seltsamer an, es auszusprechen.
 

Nur aus dem Augenwinkel konnte Kazuki Manabus Kopfschütteln erkennen. „Ich hab ihn noch nie gesehen… und gemeldet hat er sich auch nie. Ich glaub, er wusste gar nicht von mir.“ Ein Seufzen verließ Manabus Lippen, bevor er auch seinen letzten Gedanken aussprach. „Und eigentlich will ich ihn auch gar nicht kennenlernen.“
 

Auf eine seltsame Art und Weise konnte Kazuki das sogar nachvollziehen. Kannte er ihren Vater überhaupt selbst? Manabu war doch der beste Beweis dafür, dass er seinen Vater nicht einmal ansatzweise so gut kannte, wie er immer gedacht hatte. „Ich glaub, er wusste von dir. Ich hatte zumindest das Gefühl…Und meine Mutter schien auch nicht so geschockt. Wahrscheinlich hat er es ihr sogar gesagt.“
 

„Trotzdem war er nie für mich da…“ Ja, er hatte nie einen Vater gehabt. Dabei hatte er sich als kleiner Junge nichts sehnlicher gewünscht. Er hatte die Jungen in seiner Klasse immer beneidet, wenn sie davon erzählten, dass sie mit ihren Vätern Fußball spielten oder Vogelhäuschen bauten. Seine Mutter hatte sich stets darum bemüht auch diese Rolle auszufüllen, aber es war nicht das Selbe.
 

Kazuki biss sich auf seine Unterlippe und versuchte es einfach zu überhören. Natürlich war ihr Vater nie für Manabu da gewesen. Wie und wann denn auch? Aber was sollte er darauf sagen? Sollte er überhaupt etwas dazu sagen? Manabu hatte es so leise gesagt, fast so als hätte er völlig gedankenverloren laut gedacht. Schlussendlich entschied sich Kazuki dazu das Thema zu wechseln. Etwas was früher oder später, wenn sie ankamen, eh geklärt werden musste. „Das Zimmer für dich ist noch nicht fertig. Du sollst also erst mal bei mir mit im Zimmer wohnen.“
 

Manabu sah etwas ungläubig zu Kazuki herüber. Hatte er gerade richtig gehört? Er würde sich erst einmal ein Zimmer mit Kazuki teilen? „Oh…“
 

„Naja, vielleicht hilft es uns ja, uns kennen zu lernen. Wenn du jetzt bei uns lebst, wären Reiberein nicht gerade von Vorteil oder? Und so gesehen kannst du ja auch nichts für…“ Und trotzdem sträubte sich Kazuki innerlich noch immer dagegen. Es würde ihm schwer fallen, sehr schwer. Sein Zimmer war sein Reich, in dem er herrschte. So ein Untermieter war eine völlig neue Erfahrung für ihn. Aber vielleicht half es ja, sich die ganze Sache schön zu denken. Vielleicht glaubte er dann irgendwann daran, dass sie sich verstehen könnten.
 

„Ich kann mir trotzdem vorstellen, dass du es nicht so toll findest.“
 

Manabu hatte mit verbundenen Augen einmal genau ins Schwarze getroffen. Zumindest kam es Kazuki so vor. Aber vielleicht war Manabu auch einfach gar nicht so blind, wie sich Kazuki es dachte. Er versuchte so sanft es ging zu lächeln. „Wird schon… irgendwie.“
 

„Seit wann weißt du von mir?“
 

Und schon verschwand Kazukis Lächeln wieder. „Seit der Anruf kam, dass deine Mutter… Tut mir leid…“ Kazuki biss sich wieder auf seine Unterlippe. Ein so heikles Thema, in all der Zeit hatte er nicht einmal versucht sich vorzustellen, wie es für Manabu sein musste seine Mutter zu verlieren. Bis jetzt hatte er Manabu nur als den ungebetenen Gast angesehen. Kazuki konnte sich noch gut daran erinnern, als damals sein Goldfisch gestorben war. Er hatte mit dem Bauch nach oben einfach an der Wasseroberfläche geschwommen. Sein Vater hatte ihn einfach nur aus dem Wasser gefischt und in der Toilette entsorgt. Kazuki hatte nicht geweint und wirklich traurig war er über den Verlust nicht gewesen, aber das hier, das war eine ganz andere Sache. Die Vorstellung seine eigene Mutter zu verlieren, ließ ihm einen Kloß im Hals bilden.
 

In diesem Moment fasste Kazuki einen Entschluss. Egal was er sich vorgenommen und über Manabu bis jetzt gedacht hatte, er würde sich aufrichtig bemühen ihn zu akzeptieren, vielleicht nicht als Bruder, aber als Mensch. Vielleicht konnten sie irgendwann so etwas wie Freunde werden. Manabu hatte sich sein Schicksal nicht ausgesucht und er verdiente auf jeden Fall eine faire Chance.



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von: abgemeldet
2010-02-16T14:19:21+00:00 16.02.2010 15:19
wahhhhhhhhhhhh, ik freu mi scho aufs nächste kapi *_______*

Von: abgemeldet
2010-02-16T14:16:16+00:00 16.02.2010 15:16
wow, voll der schöne anfang^^
ich liebe dieses paar<3


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