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Es war einmal ...

von

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Prolog

Prolog

Finstere Nacht herrschte über der Grafschaft Luttenberg. Es war der Morgen des fünfzehnten Februars, kalter Eiswind fegte über die tief verschneite Landschaft dahin, zwang jedes Lebewesen dazu, sich einen sicheren Schlafplatz zu suchen. Lange hatte der Winter Einzug gehalten und noch länger dauerte er mittlerweilen. Kein Blümlein, kein Stückchen Wiese ward zu sehen.

Still lag nun die Landschaft da, kein Lebewesen rührte sich. Einzig in dem kleinen Schlösschen des Grafen Luttenberg herrschte aufgeregte Tätigkeit. Maria-Johanna, die Frau von Graf Josef lag seit den späten Abendstunden in den Wehen. Viele ihrer Zofen und Hofdamen befanden sich mit in ihrem Gemach. Die Hebamme war beunruhigt über die lange Dauer der Wehen, die nur langsam in kürzeren Abständen kamen. Außerdem drohte Maria-Johanna bereits zu zerplatzen. Wenn die alte Frau nicht völlig falsch lag, würde es sich bei dem Baby um einen großen stattlichen Jungen handeln. Und das war es, was sich Graf Josef am meisten wünschte. Einen männlichen Nachfolger, an welchen er seinen Titel und die Ländereien vererben konnte.
 

Es war nicht das erste Kind von Josef und Maria-Johanna, da sie bereits zwei Töchter hatten, Katharina und Charlotte. Prächtige Kinder, wunderhübsche Töchter, über die sich Graf Josef sicherlich nie beklagt hätte. Doch was ihm zu seinem vollendeten Glück noch fehlte, war ein Sohn.

Lisette, die erste Hofdame, saß neben ihrer Herrin und hielt deren Hand. Sie war schon zweimal ohnmächtig geworden, obschon der Schmerzen. Doch sie versuchte durchzuhalten, denn im Vergleich hierzu waren Katharina und Charlotte direkt schnell geboren gewesen.
 

Die Hebamme verlangte nach einem weiteren paar warmer Tücher und heißem Wasser. Es konnte nun wirklich nicht mehr lange dauern, bis der kleine Wonneproppen das Licht der Welt erblicken würde. Maria-Johannas Gesicht war schmerzverzerrt und Lisette hatte das Gefühl, dass ihre Hand bald abfallen würde. Die Hebamme murmelte etwas von Kopf und pressen, doch Maria-Johanna hätte eh nichts anderes tun können, als zu pressen, um ihre Schmerzen etwas zu lindern.

Lange Zeit verging noch, ehe der kleine Sohn von Graf Josef von Luttenberg geboren war. Ein prächtiges Kerlchen mit rosiger Haut und dunklen Locken auf seinem Kopf. Maria-Johanna hätte ihn gerne betrachtet, doch ihre Schmerzen waren noch immer nicht vergangen, was die Hebamme selbst auch etwas wundern ließ. Vorsichtig tastete sie den Bauch der jungen Gräfin ab und zog eine Augenbraue nach oben. War da etwa noch ein Baby? Sie ließ die Stirn der Frau abtupfen, machte sich anschließend wieder an die Arbeit, während eine Amme den ersten Sohn in Tücher wickelte und sich um ihn kümmerte.

Es war ein weiterer Kampf von Stunden und es graute bereits der Tag, ehe das zweite Kind geboren wurde. Ebenfalls ein Junge, jedoch nicht so lebendig und wohl auf, wie der Erste. Die Hebamme nahm ihn auf den Arm und brachte ihn zu einem kleinen Tisch, wo sie seine Nase und den Mund reinigte, ehe sie ihm versuchte Leben einzuhauchen. Erschöpft war die Gräfin eingeschlafen und bekam von alldem nichts mit. Doch Lisette beobachtete das Ganze mit Schrecken. Hoffentlich würden beide Jungen überleben, denn sie war sich sicher, das war die größte Freude, die man Maria-Johanna hätte machen können, nach diesem anstrengenden Kraftakt. Mit einem mal erfüllten endlich die Schreie des Jüngeren die Kammer und erst jetzt bemerkte Lisette, dass sie das Atmen vergessen hatte. Mit einem Lächeln drehte sich die Hebamme zu der jungen Frau um. Die Gräfin war ebenfalls wieder erwacht und verlangte nun nach ihren Söhnen, die man ihr liebevoll in die Arme legte.

„Herrin, ich sage euch etwas“ sprach die Hebamme.

„Diese beiden werden ein gemeinsames Schicksal teilen. Ihre Verbindung ist etwas besonderes und niemand wird sie trennen können. Ich wünsche ihnen alles Glück der Welt und alles Gute.“

Mit Freude im Herzen lauschte Maria-Johanna diesen Worten, denn nichts sehnlicher wünschte sie sich für ihre beiden Söhne.

„Meine Schätze“ flüsterte leise. „Johannes und William.“

Kapitel 1

Kapitel 1

Laut zwitscherten die Vögel als sich der Brünette stöhnend aufrichtete und eine Hand vor die Augen schlug.

"Viel zu früh" murmelte dieser, obwohl diese Aussage nicht recht zutraf.

Es war schon mitten am Tag und der ganze Hof schon in heller Aufregung, so wie immer. Langsam schälte er sich aus seinen vielen Decken und krabbelte aus dem großen weichen Himmelbett, welches seines war. Er tappte zur Waschschüssel und füllte sie mit kühlem Wasser. Schnell wusch er sich das Gesicht und kratzte sich am Hinterkopf.

Johannes gähnte laut bevor er sich zum Fenster begab und auf der kleinen Bank davor sinken ließ, um das Geschehen draußen zu beobachten.

William murrte leise, als sich sein Bruder aus dem Bett bewegte und ihm somit seine Wärmequelle nahm. Ihm war egal, dass es bereits nach Mittag war und sie noch immer im Bett lagen, aber der Ball vom gestrigen Abend war auch anstrengend gewesen und Johannes wieder einmal unersättlich. Er drückte sich also wieder in die Kissen.

"Ja, viel zu früh" bestätigte er die Aussage seines Bruders.

Als sich dieser nun waschen ging, drehte sich William zumindest auf den Rücken und starrte an den Himmel des Bettes. Als sein Zwilling wieder an ihm vorbeitappte, blickte er diesem nach. Sollte er auch nach draußen gehen? Er zog sich eines der Laken hinzu und schwang es um seine schmalen Hüften und folgte ihm nach draußen. Als Johannes bemerkte das sein Bruder ihm folgte sprang er schnell wieder auf lief zu diesem.

"Lass uns wieder rein gehen. Viel zu langweilig hier" bemerkte er und scheuchte seinen Bruder wieder ins Zimmer.

Wieder drinnen schloss er die Tür hinter sich und hielt die Hand vor den Mund. Er hustete leise und sah leicht gequält aus als ihm dies bewusst wurde.

Überrascht ging William rückwärts zurück in das Zimmer. Als Johannes schon wieder hustete, sah er diesen fragend an.

"Wie lange geht das jetzt schon Hannes?"

Er machte sich sichtlich Sorgen um den ebenfalls Brünetten. Er liebte seinen Bruder, mehr sogar als ihm eigentlich erlaubt war. Er nahm die Hand seines Zwillings in die Hand und hauchte sanfte Küsse darauf.

"Du musst schnell wieder gesund werden liebster Bruder" flüsterte er leise.

Sich allein auf den Bällen herumzutreiben war langweilig. Aber die Erkältung ließ den Älteren von ihnen beiden einfach nicht mehr los.

"Es ist nichts" beteuerte dieser und wich den Blicken seines Bruders aus.

Er selber wusste, dass es eine Lüge war, aber im Grunde belog er sich ja selber. Er hatte keine Ahnung was mit ihm war, wollte es aber auch niemandem sagen. Es wiederstrebte ihm, mitansehen zu müssen wie sein Bruder sich um ihn sorgte.

"Es geht mir gut, es ist nur kühl" hauchte er und ließ sich auf den großen Bett am Rand sinken.

Seine Brust brannte, aber von innen heraus. Es war ein seltsames Gefühl wie wenn man Schuldgefühle oder Liebeskummer hatte, oder wie beides aufeinmal. Er seufzte leise.

William zog eine der Decken heran, als Johannes erwähnte, ihm wäre kalt und wickelte ihn darin ein. Anschließend setzte er sich neben ihn und schlang ihn in seine Arme.

"Wenn du nicht mehr in meiner Nähe bist, fühl ich mich so unvollständig."

Er wusste, dass sein Bruder seine Gefühle für ihn nicht so in Einklang bringen konnte, wie er selbst. Er wusste, dass das der Grund war, warum es Johannes so schlecht ging.

"Ich bitte dich Hannes." Er lehnte den Kopf an dessen Schulter.

"Mach dir keine Sorgen" sagte Johannes und lächelte sanft.

Vorsichtig strich er seinem Bruder mit der Hand über die Wange und ließ diese dann wieder sinken, bevor er sie am Mund ansetzte, weil er wieder husten musste. Er kniff die Augen zusammen, da vom ganzen Husten sein Hals ganz gereizt war und brannte. William sah seinen Bruder mitleidig an.

"Du brauchst einen Arzt Hannes" beteuerte er leise.

"Das geht schon viel zu lange so. Oder ich bleibe dir des Nächtens fern, damit du dich endlich erholen kannst. Ich will dich nach Mutter nicht auch noch verlieren."

Er fasste nach der freien Hand seines Zwillings. Der Tod ihrer Mutter hatte sie fester zusammengeschweißt denn je. Sie waren seitdem unzertrennlich.

"Ich brauch keinen Arzt, ich bin gesund" brachte Johannes nicht sehr überzeugend hervor und ließ seine Hand wieder sinken.

Dabei bemerkte er nicht, dass einge Tropfen Blut daran klebte, genauso wie jetzt an seiner Lippe. Er senkte den Blick, ohne das mitzubekommen. Dann sah er wieder lächelnd zu William.

"Mach nicht so ein Gesicht, man meint ja ich wär totkra..." Er verstummte mitten im Satz, weil sein Bruder ihn aufeinmal vollkommen entsetzt ansah.

Als Johannes die Hand senkte, bemerkte er als erstes den Bluttropfen an dessen Hand, anschließend an seiner Lippe. Entsetzen trat auf sein Gesicht. Er wischte das Blut von Johannes Lippe und zeigte es diesem.

"Du kannst mich für immer strafen Johannes!" Und so nannte er seinen Bruder nur, wenn er wirklich wütend war.

"Aber ich suche dir jetzt einen Arzt." Er stand auf und suchte seine Kleider zusammen, in die er nun schlüpfte.

"Bitte, verschwinde nicht. Ich bin gleich wieder hier."

"Nein. NEIN!" schnell sprang Johannes auf und rannte seinem Bruder hinterher, packte ihn an der Schulter.

Er schlang seine Arme um Williams Körper und riss ihn zu Boden. Hals über Kopf stürzte er hinterher und beide blieben mit einem lauten Rums am Boden liegen.

"Warte, nein, tu das bitte nicht" flehte der Brünette.

William keuchte auf, als er so mit Johannes auf dem Boden landete und dessen Sturz noch abfederte.

"Aber du bist krank Hannes!" Seine Stimme klang flehend.

Er drehte sich unter seinem Brunder um und schlang die Arme um dessen Mitte.

"Lass dir helfen Johannes bitte!"

"Nein sag das nicht. Nicht so laut, ich bin nicht krank. Sags nicht" flehte auch anderer und versuchte sich wieder aufzurichten.

William hielt ihn fest, damit er nicht aufstehen konnte

"Hannes!" Er musste seine Stimme zwingen, leise zu bleiben.

"Hannes, du bist krank! Vielleicht hast du Schwindsucht! Das Blut!" Er küsste den Älteren vorsichtig.

"Ich will dich nicht verlieren Hannes, bitte nicht dich auch noch."

"Sei still!" schrie ihn sein Bruder an und stand wutentbrannt auf.

"Ich bin nicht krank!", schrie er vollkommen außer sich und spannte seine Körper an.

Er starrte stur zu Boden und ballte die Hände zu Fäusten.

"Sag sowas nie wieder, hör auf damit!" brummte er wütend und blieb so vor seinem, noch am Boden liegenden, Bruder stehen.

"Du hast dein Zimmer seit Wochen nicht verlassen Hannes, du hast Fieber, Husten, du spuckst Blut!"

Er sah vom Boden her zum Älteren auf. Tränen traten in seine Augen und er wischte sie unwirsch weg.

"Als was würdest du das denn sonst bezeichnen?"

Johannes machte auf der Ferse kehrt und wandte sich zu seinem Zimmer, er ging hinein und knallte die Tür hinte sich zu. Sein Kleiderschranktür flog auf und er wühlte sich etwas annehmbares zum anziehen heraus. Schnell schlüpfte er in seine frischen Kleider und verließ so schnell er konnte sein Gemach. Er schritt an seinem Bruder vorbei, ohne diesen eines Blickes zu würdigen. Doch es hinterließ Spuren, diese Wut. Kaum hatte er den Gang verlassen, fing wieder sein schlechtes Gewissen an, an ihm zu nagen. Wieder einmal hatte er sich unmöglich verhalten. Seine Schritte wurden langsamer, bis er stehen blieb.

Er war auf die große freie Wiese im Hof gerannt und sah sich suchend um. Schnell ging er nach rechts weiter und zu den Schießständen. Er nahm seinen Bogen, der schon ganz vertsaubt war. Seinen Köcher hängte er sich um die Schulter und spannte den ersten Pfeil ein. Er zielte und schoss. Der Pfeil hatte sein Ziel um Längen verfehlt. Nicht einmal die Zielscheibe getroffen. Er ließ den Bogen in seiner Hand sinken.
 

"Hannes!"

William konnte sich nicht schnell genug aufrappeln um seinem Bruder zu folgen. Er sah diesem mit verbittertem Ausdruck hinterher. Er wusste nicht, was er tun sollte. Seinen Vater hatte er schon lange nicht mehr gesprochen, ihn schon lange um nichts mehr gebeten. Doch jetzt blieb ihm keine andere Wahl. Es hatte zwar niemand erfahren sollen, dass er noch immer bei Johannes schlief, aber es ließ sich vermeiden.

Er eilte also zu seinem Vater und schilderte ihm die morgendliche Szene unter vorbehalt einiger Details. Zumindest der Tatsache, dass er bei seinem Bruder geschlafen hatte und mit ihm. Sein Vater ließ sofort den Arzt rufen und machte sich auf die Suche nach seinem ältesten Sohn.

"Johannes" sprach er ihn an, als er ihn gefunden hatte.

William war seinem Vater auf den Hof gefolgt.

"Der Arzt wird gleich hier sein. Bitte gehe zurück auf dein Zimmer."

William ertrug den Blick seines Bruders nicht und sah deshalb auf den Boden. Dessen Augen weiteten sich als sein Vater ihn ansprach.

"Vater?" fragte er stotternd.

"Was soll das? Warum glaubt Ihr ich bräuchte einen Arzt?" fragte er und sein Blick fiel auf William.

"Das ist doch nicht war, es geht mir blendend" log er und wandte sich ab, machte einige Schritte rückwärts, für den Fall wegrennen zu müssen.

"Hannes!" Jetzt wandte sich William seinem Bruder doch zu.

"Hannes, lass dich bitte untersuchen. Wenn schon nicht für Vater, dann wenigstens für mich! Für mich Hannes!" flehte er seinen älteren Bruder an.

"Hör bitte auf William, Johannes. Es ist nur zu deinem Besten."

Der Graf hatte zwei Wachen holen lassen, die sich nun neben dem Älteren plazierten und somit eine Flucht unmöglich machte. Tränen standen in Williams Augen, als man Johannes unter Gleitschutz in sein Zimmer brachte. Er wollte ihn sicherlich nicht verlieren, er liebte ihn schließlich.
 

Stumm starrte Johannes zu Boden bis er wieder in seinem Zimmer war. Der Arzt wartete schon auf ihn. Doch nachdem die Tür geschlossen war, bewegte dieser sich kein Stück mehr. Er weigerte sich strickt, sich auszuziehen oder einen Schritt weiter zu tun.

William ging unter den strengen Blicken seines Vaters ständig vor der Tür auf und ab.

"Was hast du heute Morgen überhaupt bei Johannes gemacht William?"

Er sah nicht zu seinem Vater.

"Ist es mir denn verboten, nach meinem Bruder zu sehen?" fragte er schnippisch.

"Das tust du in letzter Zeit ständig, wie mir zu Ohren gekommen ist. Wie es scheint, verbringst du auch deine Nächte bei ihm."

Der Jüngere erstarrte in seiner Bewegung. Wie konnte er dieser Frage jetzt am geschicktesten ausweichen?

"Ich fühle mich einsam, seit Mutter gestorben ist. Ich kann nicht schlafen, nur wenn Hannes in meiner Nähe ist."

Lautes Geklirr trat aus dem Zimmer hervor und jemand schrie. Glas hörte man splittern und einen lauten Knall.

"Mein Herr! Mein Herr!" schrie der Arzt und stürzte zum offenen Fenster.

Johannes hatte sich wiederwillig untersuchen lassen, doch bevor der Arzt zu seinem Urteil kommen konnte, war er Hals über Kopf zum Fenster gestürzt und hinausgesprungen. Es war zwar nur der erste Stock, aber immer noch hoch genug, um sich etwas zu brechen.

Jetzt konnte William nicht mehr an sich halten. Doch im Gegensatz zu seinem Vater, der ins Zimmer rannte, lief er nach draußen, wo er Johannes auf dem Boden liegend vorfand. Tränen strömten nun unerbittlich über seine Wangen, als er neben seinem Bruder kniend ankam.

"Hannes" flüsterte er leise, während er über dessen Wange strich.

"Hannes, geht es dir gut!"

Er schien nicht zu atmen und unter einem leisen Aufschrei brach William über seinem Bruder zusammen.

"Hannes, nein bitte nicht. HANNES!"
 

Beide waren nicht mehr bei Bewusstsein und so wurden sie in ihre Zimmer gebracht und versorgt. Der Arzt kümmerte sich gleich um Johannes und dann um William. Stunden vergingen, ohne das einer der Beiden erwachte.

Erst am nächsten Tag öffnete William die Augen und fand sich in seinem Zimmer. Sein Vater war gegangen, um sich um andere Angelegenheiten zu kümmern. Er würde später noch mit seinen Söhnen sprechen. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen drehte sich William auf die Seite. Er war noch immer nicht in der Lage, ordentlich zu denken, da sein geliebter Bruder wohl tot war. Und es war alleine seine Schuld.

"Hannes" kam es schluchzend über seine Lippen.

Er drückte sich weinend wieder in die Kissen.

"Mein Herr, wie gehst es euch?"

Die Amme der Jungen saß am Ende seines Bettes und sollte über ihn wachen, falls sich sein Zustand verschlechterte. Sie blickte auf, als William schluchzte. Er hatte die Frau nicht bemerkt, die am Ende seines Bettes saß und sie war ihm auch völlig egal. Hannes war tot. Er würde nie mehr zu ihm kommen können, ihn nie wieder in die Arme schließen, nie mehr lieben. Sein Körper bebte unter dem fürchterlichen Heulkrampf, der sich seiner nun bemächtigte. Er wollte auch sterben, um wieder mit seinem Bruder vereint zu sein.

"Mein Herr." Schnell stand die Dame auf und kniete sich zu William.

"Wollt ihr nicht nach Eurem Bruder sehen?"

Oft war sie da gewesen wenn die beiden noch schliefen, sie wusste das sie jede Nacht zusammen verbrachten. Aber gesagt hatte sie kein Sterbenswort. Seit die Beiden geboren waren, war sie hier am Hof gewesen und hatte, auf Wunsch ihrer Mutter hin, immer ein Auge auf die Jungen.

"Oh Lisette!"

Erst als er die Stimme seiner Amme vernahm, drehte er sich um und drückte sich an ihren fülligen Körper. Sie war immer für ihn und Hannes da gewesen.

"Ich will ihn nicht sehen Lisette. Ich will ihn so in Erinnerung behalten, wie er war."

Leise lachte sie und strich dem Jungen über den Kopf.

"Jetzt weint doch nicht, Ihr redest ja so, als sei er von uns gegangen" bemerkte sie schmunzelnd.

"Ich habe ihn gesehen. Er ist tot ... Er hat sich nicht mehr bewegt, als ich zu ihm kam."

Er drückte sich noch etwas mehr in die warme Umarmung.

"Ich vermisse ihn so sehr."

"Jetzt reißt Euch aber zusammen, was würde Eure Mutter sagen" sagte sie und strich ihm die Tränen aus dem Gesicht.

"Johannes lebt noch" sagte Lisette und sah William ins Gesicht.

Seine Augen weiteten sich ungläubig.

"Aber er ... er ist aus dem Fenster gesprungen. Er war ganz kalt, als ich bei ihm war!"

"Ja, dass war auch wirklich dumm von ihm. Er hat sich den Arm gebrochen, aber er lebt. Geht schnell zu ihm ja?" fragte sie und schenkte dem Jungen ein aufmunterndes Lächeln.
 

So schnell konnte vermutlich kein Mensch der Welt schaun, wie William jetzt flink aus dem Bett kletterte, in eine nahe Hose schlüpfte und in das anliegende Zimmer seines Bruders lief. Bei dessem Anblick rutschte sein Herz nun doch in die Hose. Er war ganz bleich und sah aus wie tot. Hatte Lisette ihn etwa doch belogen? Nein, das würde sie nie tun.

"Hannes?" flüsterte er leise, während er an das Bett seines Bruders trat und schließlich hineinkletterte.

"Hannes wach auf!"

Ein stetiges Atmen war zu hören und kaum erkennbar hob und senkte sich die Brust seines Bruders. Sein Arm war geschient und an seinen Körper gebunden, damit er ihn nicht bewegen konnte.

Schnell eilte Lisette zu ihnen und blieb hinter William stehen und schloss die Tür hinter sich. Sie verriegtelte diese, da niemand die Beiden jetzt stören sollte. Sie wusste was zwischen den Beiden im Gange war.

Leise keuchte Johannes, als er seinen Namen hörte. Er öffnete zaghaft die Augen und blickte in Williams Gesicht.

Diesem traten sofort wieder Tränen in die Augen, als er die blauen Augen seines Bruders sah.

"Hannes"

Er streichelte sanft über dessen Wange und küsste seine Lippen.

"Jag mir nie wieder einen solchen Schrecken ein ja!"

Johannes keuchte unter diesem Kuss, es fiel ihm schwer so im liegen Luft zu bekommen.

"Ich" wieder hustete er und hielt sich die gesunde Hand vor den Mund.

"Verzeih mir" murmelte er.

William legte sich nun einfach an Johannes Seite, nachdem er die Kissen so aufgerichtet hatte, dass er leicht saß. Seine Hand ruhte auf dem Bauch seines Bruders und noch immer liefen leichte Tränen über seine Wangen, auch wenn er es gar nicht wollte.

"Es ist alles meine Schuld" flüsterte er schließlich.

"Hätte ich dich nicht zu einem Arzt gezwungen, hättest du das gar nicht gemacht. Verzeih mir."

"Nein, sag das nicht. Es ist nicht deine Schuld" murmelte er leise und wandte den Bick zu seinem Bruder.

Seine Augen waren glasig und Johannes schien nicht ganz so zu wirken, als ob er wirklich mitbekam was gerade geschah.

"Doch Hannes! Ich mache mir immer zu viele Sorgen um dich! Du hast Blut gespuckt und ich hab dich zu etwas gezwungen, dass du nicht wolltest! Natürlich ist es meine Schuld" antwortete der Jüngere energisch.

"Ich liebe dich doch!"

"Nein ist es nicht. Sag das bitte ni..." wieder stoppte er im Satz und beugte sich nach vorn.

Er kniff die Augen zusammen und hustete. Seine Lungen und sein Hals brannten. Er konnte nicht weitersprechen.

"Warum nicht?" Fassungslos blickte er Johannes an.

Wie konnte er nur so etwas sagen. Er liebte ihn doch wirklich und nichts würde sich je daran ändern. Jedes Mal wenn sein Bruder sich vor Schmerzen krümmte, tat es auch ihm weh. So sehr schmerzte sein Herz, wenn er ihn so leiden sah.

"Hannes" flüsterte er leise.

Gerade als Lisette zu den Beiden gehen wollte, klopfte es an der Tür.

"Johannes!" hörte man ihren Vater von draußen.

"Mach auf! Ich weiß, das du wach bist"

"William" sagte Lisette und winkte William zu sich.

"Schnell, wenn Euer Vater euch hier sieht" flüsterte sie und sah erschrocken zur Tür.

Erschrocken blickte William auf, als er die Stimme seines Vaters vernahm. Er hauchte Johannes noch einen Kuss auf die Stirn, ehe er flink aus dem Bett kletterte und zu Lisette lief. Diese scheuchte ihn schnell in sein Zimmer, ehe sie die Tür öffnete.

"Mein Herr, Johannes fühlt sich noch nicht so wohl" sagte sie leise und verneigte sich leicht.

Bei ihr würde man wohl kaum Verdacht schöpfen, wenn sie hier war.

Langsam trat sein Vater ein und blickte sich im Raum um.

"Lisette bitte geh doch nach draußen" sagte er ruhig und Lisette tat wie ihr befohlen.

Sie schloss die Tür hinter sich und wartete draußen.

Kapitel 2

Kapitel 2

"Johannes!" sagte sein Vater streng und sah seinen Sohn an der dort gekrümmt auf dem Bett saß.

"Steh auf! Ich muss mit dir reden! Wegen deines Bruders."

Johannes riss sich zusammen und stand auf, blieb gerade stehen ohne einen Mucks von sich zu geben.

"Ja Vater?" fragte er und sah eher verunsichert zu ihm auf.

"Gnade euch Gott, wenn mir noch einmal zu Ohren kommt, dass ihr euch ein Bett teilt! Du wirst dich von deinem Bruder fern halten, schon schlimm genug, dass du so ein schwächlicher Junge bist! Es ist eine Schande für mich!" sagte er streng.

"Ich habe verstanden" sagte Johannes emotionslos.

Er war sich im Klaren das sich durch diese Anweisung seines Vaters sein Gesundheitszustand nicht gerade verbessern würde, aber er musste es tun, für seinen Bruder. Er sollte nicht auch noch den Zorn seines Vaters auf sich ziehen.

"Ich werde dir keine Schande mehr bereiten" sagte Johannes und nickte einwilligend.
 

Die Zeit verging und so vergingen auch die Tage, Wochen und Monate. Johannes Arm verheilte aber seine seelischen Wunden wurden nur noch Größer. Er verriegelte die Tür seines Zimmers nachts und sprach auch so wenig wie möglich mit William. Es zermürbte ihn innerlich.

William hatte an diesem Tag noch an der Tür seines Bruders gelauscht und war bei den Worten seines Vaters weinend zu Boden gesunken. Wieso musste Johannes das alles für sie Beide ertragen? Er war es doch gewesen, der des nächtens immer wieder in das Bett seines Bruders kroch und sich nach ihm verzehrte. Er war es gewesen, der sie Beide in diese Situation gebracht hatte. Es war alles seine Schuld, seine Schuld allein und Johannes musste es jetzt ausbaden. William hatte gewusst, wie sehr der Ältere unter dieser Liebe gelitten hatte, wie sehr er ihn damit verletzte und trotzdem hatte er nicht aufgehört ihn zu lieben, ihn für sich zu beanspruchen.

Lisette hatte ihn zu seinem Bett tragen müssen. Er kam die nächsten Tage gar nicht so recht auf die Beine und wie es schien hatte William jeglichen Lebensmut verloren. Nach seiner Mutter hatte man ihm nun das wichtigste auf der Welt genommen.
 

Es fand schon bald ein großes Tunier statt, an dem die beiden Söhne des Grafen teilnehmen sollten und Johannes war wieder einmal, wie so oft, am Schießstand zu gange. Er schoss einen Pfeil nach dem anderen ab, um seine Leistung zu verbessern.

Am Tag des Tuniers befand sich der Jüngere auf der Reitanlage, obwohl ihm gar nicht nach einem Wettstreit war. Er sah schrecklich aus, wie er selbst fand. Keine Nacht fand er mehr Ruhe, seit er nicht mehr bei Johannes schlief. Ständig quälten ihn Albträume und er vermisste seinen Bruder so sehr.

Katharina, die ältestete Tochter aus dem Hause Luttenberg hatte sich auf Grund des Turniers am Hofe eingefunden und wartete am Rand des Schießstandes auf Johannes. Sie musste dringend mit ihm sprechen, seitdem sie William gesehen hatte. Doch wie es schien, ging es keinem der Zwillinge besonders gut.

"Johannes!" rief sie ihren jüngeren Bruder.

Mürrisch ließ Johannes seinen Bogen sinken und ging zu seiner Schwester.

"Was ist Katharina?" fragte er, machte aber keinen besonders intressierten Eindruck.

Auch er hatte sich verändert in den letzten Monaten, war immer mehr in sich zurück gegangen, sprach selten ein Wort. Nur selten, wenn er nicht mehr wusste was er tun oder denken sollte war er zu Lisette gekommen und hatte sich bei ihr ausgeweint. Nur sie verstand es ihn zu trösten. Sie war ihm die liebste Person, nach seinen Bruder, hier am Hof.

Sie ignorierte die Ignoranz von Johannes. Er war schon immer ein verschwiegener Mensch gewesen, aber sie hatte ihre Geschwister doch so sehr lieb. Und ihre Brüder so leiden zu sehen, machte sie unglücklich. Sie war vor vier Jahren verheiratet worden, an einen österreichischen Adligen und vermisste ihre Familie schrecklich. Charlotte hatte man mit einem Ungarn verheiratet, was hieß, dass sie heute nicht hier sein würde. Nur ihre Brüder waren da und sie so zermürbt und traurig zu sehen, tat der Dunkelblonden in der Seele weh.

"Könnte ich dich alleine sprechen, unter vier Augen." Sie atmete ruhig aus.

"Es geht um William."

Sofort senkte sich sein Blick.

"Ich wüsste nicht, was du da mit mir besprechen willst" sagte er und versuchte dem Thema auszuweichen.

Sie schnaubte abfällig.

"Das dachte ich mir schon fast. Wenn ich dem trauen darf, was ich hörte, als ich gestern Abend hier ankam, hat Vater dir verboten dich mit William zu treffen."

Ihr Blick war kalt, was jedoch ihrem Vater galt und nicht Johannes.

"Er zerbricht an dieser Trennung Johannes, genau so sehr wie du! Warum lasst ihr euch so sehr verletzen?"

"Du hast doch keine Ahnung, Schwester" sagte Johannes und wandte den Blick ab.

"Red nicht so, als ob es so einfach wäre sich gegen Vater zu richten" sagte er kühl und umfasste seinen Bogen schroff.

"Aber es fällt dir anscheinend leichter, William an seinem Kummer sterben zu lassen!" fauchte Katharina so leise, dass nur Johannes es hören konnte.

"Wo ist dein Tatendrang Johannes, deine Impulsivität?"

"Sei still!" fuhr Johannes sie scharf an.

Leise fing wieder der Schnee an, zu Boden zu fallen und bedeckte die Erde mit weißen Flocken. Sie landeten in Johannes Haaren und bedeckten diese schließlich ganz.

"Das Tunier fängt bald an, ich muss gehen" sagte er, fasste seinen Bogen und wandte sich zum gehen.

"Wenn William etwas passiert Johannes" Katharinas Stimme bebte vor Zorn. "Werde ich es dir nie verzeihen, dessen sei dir Gewiss!"

Sie wandte sich um und ging zurück zu den Pferden, wo sie den Jüngsten der Familie gerade entdeckt hatte. Er lehnte an seinem schwarzen Hengst, den Blick trostlos ins Leere gerichtet. Für einen kleinen Moment schien Leben in ihn zu kommen, als Katharina die Arme um ihn schloss und er sich an ihr schönes Kleid klammerte. Stille Tränen bahnten sich den Weg über seine Wangen, wie so oft in den letzten Monaten.

Schnell verschwand Johannes im Schießstand und zerbrach vor Zorn auf sich selber den Pfeil, den er bis eben noch in der Hand hielt. Er hasste sich dafür, was er tat, aber was sollte er tun? Er war hilflos wenn sein Vater ihm diese Bedingung stellte. Er konnte sich dagegen nicht wehren.

Wieder überkam ihn ein Kratzen in Hals und er hielt sich keuchend die Hand vor den Mund. Als er die Augen wieder öffnete war sein, bis eben noch weißer Handschuh mit roten Flecken beschmutzt. Er fluchte leise und ließ sich zu Boden sinken. Sein Kopf glühte förmlich, er fühlte sich seit Monaten schon so elend. Aber er wollte jetzt nicht aufgeben.
 

William sah Johannes nur zu Boden sinken. Ohne weiter groß darüber nachzudenken, löste er sich aus der Umarmung seiner Schwester, die ihm nun nicht weniger entsetzt folgte. Flink sprang er über die Absperrung und rutschte das letzte Stück auf den Knien zu seinem Bruder.

"Hannes!" flüsterte er leise.

Er zog sich schnell die Jacke aus und legte sie über seinen Zwilling.

"Hannes ich bin hier, hörst du mich?"

Seine Stimme bebte vor Angst. Katharina blieb hinter William zurück. Es war so richtig, die Beiden zusammen zu sehen.

"Will, bitte geh, wenn Vater das sieht" flüsterte Johannes heiser und sah zu seinem Bruder, der vor ihm kniete.

Er hatte Angst vor dem was sein Vater sagte. Er sagte, dann Gnade euch Gott. Himmel, er fürchtete sich so sehr davor, was er mit William anstellen würde. Das wollte er auf keinen Fall riskieren.

Stur schüttelte der Jüngere den Kopf.

"Ich werde nicht gehen. Nicht jetzt, du musst in dein Zimmer Hannes."

Er hielt die Hand seines Bruders fest in seine geschlossen. Auch er fürchtete die Worte seines Vaters, doch nicht so sehr, wie er die Einsamkeit fürchtete, in der er leben musste, wenn sein geliebter Bruder nicht bei ihm war. Katharina legte William die Hand auf die Schulter.

"Komm William, sonst können sie Johannes nicht in sein Gemach bringen. Wir sehen später nach ihm."

Wiederwillig löste sich William von Johannes und sah ihm wehmütig nach.
 

Doch später war Johannes nicht mehr dort. Kurz nachdem man ihn auf sein Zimmer gebracht hatte, war er auch schon wieder verschwunden. Er war zum Tunier, wie geplant, gegangen und trat nun dort an. Es fand im Wald statt und viel Söhne reicher Familien nahmen daran Teil, um ihrer Familie Ehre und einen großen Pokal zu bringen.

Und so trat auch Johannes an. Sie schossen mit dem Bogen, ritten um die Wette und traten später auch im Schwertkampf gegen einander an. Johannes wartete noch, da er noch nicht an der Reihe war. Mit noch immer zittrigen Fingern hielt er sein Schwer umfasst. Auch trug er unter den Ledernen die blutigen Handschuhe. Er verfolgte jede Bewegung des gerade augetragenen Kampfes.
 

Charlotte war reichlich spät für das Turnier angekommen und eilte in den Wald. Im Schlepptau hatte sie William. Katharina hatte ihr erzählt, was dem älteren Zwilling zugestoßen war und hatte eine Idee. Sie fürchtete ihren Vater schon längst nicht mehr und wenn es um die Gesundheit ihres Bruders ging, würde sie kein Wiederwort dulden. Für was zum Donnerwetter waren die beiden Zwillinge.

"Johannes" flüsterte sie aus dem Schatten eines Baumes.

"Johannes! Komm her!"

Johannes ignorierte die Rufe und rutschte nach vorn durch die Menge, näher an den Rand des Geländers. Er hörte seine Schwester, wollte jedoch nicht zu ihr, da er sich vorstellen konnte, weswegen sie mit ihm reden wollte.

"Johannes komm sofort her!"

Charlotte hätte am liebsten mit dem Fuß aufgestampft, aber das brachte ihr auch nichts. So verließ sie den Schutz der Bäume, legte lächelnd den Arm um ihrem Bruder und zerrte ihn regelrecht in den Wald. Dort nahm sie ihm das Schwert ab und drückte es William in die Hand. Dieser war als Jüngerer nicht berechtigt am Turnier teilzunehmen.

"Pass auf dich auf!" meinte Charlotte leise.

Der Brünette nickte, warf noch einmal einen Blick auf seine Schwester und Johannes und nahm schließlich dessen Platz ein.

"Warum verhältst du dich so törricht Johannes. Die Idee mit William hätte auch dir kommen können."

"Nein nein nein, halt Will daraus! Das ist nicht fair, gib mir mein Schwert zurück!" forderte Johannes wütend.

"Hört auf, ich will nicht das William das tut!" sagte er und versuchte nach dem Schwert zu greifen doch seine Schwester hielt ihn fest im Schwitzkasten.

"Sei still Johannes!"

Charlotte legte ihm vorsichtig die Hand über den Mund, damit er sich nicht mehr so lautstark beschweren konnte.

"Wenn du stirbst, bringt das keinem was und du hast Fieber, dass kannst du nicht leugnen. Du glühst förmlich!" Sie sah ihm tief in die blauen Augen.

"Er schafft das Johannes. Er ist genauso gut wie du."

Sie küsste ihn beruhigend auf den braunen Schopf.

"Lass mich los" murmelte Johannes, aber es sollte wie kein Befehl klingen.

Er hatte aufgegebn sich zu wehren und hing jetzt schlaff in den Armen seiner Schwester. Er schloss die Augen, lehnte sich an sie.

"Ich kann nicht mehr" murmelte er noch und hielt sich an ihren Armen fest.

Charlotte, die ein ausladendes blaues Winterkleid trug, ließ sich mit Johannes im Arm auf den Boden sinken. Sie zog ihn noch etwas mehr in ihre Arme und legte ihren Schal etwas um seine Schultern. Sie küsste ihn erneut sanft auf die Stirn.

"Es wird alles gut."

Und damit meinte sie nicht nur das Turnier, sondern auch ihre gesamte Situation. Wenn ihr Vater sich weiterhin gegen die Gefühle seiner Söhne stellen würde, hatte Charlotte für sich beschlossen, die beiden nach Ungarn zu holen. Katharina unterstützte dieses Vorhaben, auch wenn sie nicht so offen dazu stehen konnte, wie ihre jüngere Schwester.

"Lotte?" murmelte Johannes und sah fragend zu siener Schwester auf.

"Ich hab eine Bitte" sagte er und richtete sich vorsichtig auf.

"Welche denn?"Sie sah ihn aus den blauen Augen fragend an.

"Ich würde dir alles erfüllen Johannes, das weißt du."

"Nimm William zu dir, bitte" flehte er und sah sie bettelnd an.

Ihre Gesichtszüge entgleisten für einen Moment, doch sie hatte sich sofort wieder unter Kontrolle.

"Und warum sollte ich nur William mit mir nehmen?" fragte sie leise.

"Du weißt, dass ich dich auch mitnehmen kann Johannes."

"Was soll Vater denn sagen? Ich kann nicht. Ich will das es William besser geht als mir. Wir müssen damit aufhören, es hat doch keinen Sinn" sagte Johannes und richtete sich auf.

"Bitte Lotte, ich hab doch keine Chance."

Charlotte zog Johannes noch tiefer in die Umarmung.

"Das ist das Letzte, was ich tun werde. Euch zu trennen lag mir nie im Sinn Johannes und du weißt, dass es weder dir, noch William gut tun würde. Ihr gehört zusammen. Und es war Gottes grausamster Scherz, euch beide als Geschwister zur Welt kommen zu lassen."

Ihre Hand strich sanft über das brünette Haar von Johannes.

"Du siehst doch, wie sehr William bereits jetzt darunter leidet. Wie soll das erst sein, wenn er in Budapest ist und du hier?"

Johannes hielt sich am seidenen Stoff ihres Kleides fest und schmiegte sich in die Umarmung.

"Bitte bitte, nimm ihn mit!"

Erneut hustete Johannes und ohne es zu wollen, liefen die ersten Tropfen über seine Lippen und fanden sich auf dem Stoff des Kleides seiner Schwetser wieder. Er blickte sie verzeihend an.

"Verzeih mir" murmelte er wehleidig.

Charlotte schüttelte wiederwillig den Kopf. Nie würde sie die Zwillinge trennen.

"Ich musste Mutter etwas versprechen Johannes" flüsterte sie unter Tränen.

"Euch nie zu trennen. Ihr wart ihr Herz, ihre Seele und wenn sie noch leben würde, würde sie es nicht zulassen. Sie würde euch mit aller Macht schützen. Und das werde ich jetzt tun."

Sie strich ihm über die Lippen, wischte das Blut mit ihrem Handschuh weg.

"Du machst dich doch nur selbst kaputt Johannes. Das ist alles Vaters Schuld!"

"Nein hör auf, ich möchte nicht das du dich gegen Vater stellst. Das wird schlimm. Wenn ich könnte, wenn ich könnte würde ich William gehen lassen, aber ich hab angefangen. Ich würde ihm so gern den Schmerz nehmen, den ich ihm bereite, aber ich kann nicht, was soll ich nur tun? Ich bin doch vollkommen hilflos" jammerte Johannes.

"Ich weiß es nicht. Ich kann dir nicht sagen, was gut oder falsch ist. Ich weiß nur, dass ich an dem Versprechen festhalten werde und wenn ich deswegen aus Budapest zurückkommen muss. Niemand wird euch trennen. Ihr gehört zusammen Johannes, bitte glaub mir das." Charlotte schluchzte leise.

"Tut mir Leid" lachte sie schließlich.

Sie war einfach viel zu sentimental

"Hör auf zu weinen, lass uns lieber schauen, wie Will sich schlägt" sagte Johannes und hielt ihr die Hand hin um ihr auf zu helfen.

Er wollte nicht weiter darüber sprechen. Es fraß das ganze lieber in sich hinein und ging daran zu Grunde. Charlotte wischte sich die Tränen aus den Augen. Sie nahm die Hand von Johannes und ließ sich aufhelfen.

"Hör auf dich selbst zu verletzen Johannes" ermahnte sie ihn nocheinmal.

"Und sprich mit William darüber, auch über das, was Vater dir angedroht hat."

"Aber dann macht er sich darüber auch noch Sorgen" sagte Johannes und sah zu seiner Schwester.

"Und dennoch könntet ihr zusammen eine Lösung finden!" antwortete sie ermunternd.

"So wie ich Lisette einschätze, wird sie euch sicherlich behilflich sein. Und du weißt, dass du auf Katharina und mich auch immer zählen kannst."

"Ja, aber ich will euch da doch nicht mit reinziehen. Du weißt was Vater gesagt hat, ihr seid zwar älter, aber ich bin der erstgeborene Sohn. Er würde außer sich sein vor Wut, wenn er erfahren würde, dass ich zu dir nach Budapest gehen würde" erklärte Johannes.

Charlotte lächelte leicht, während sie sich mit Johannes an der Hand den Weg durch die Menge bahnte. William war bereits im Schwertkampf und wie es schien, führte der Jüngste.

"Darin sind wir verwickelt, seit ihr geboren wurdet. Weißt du, was eure Hebamme gesagt hat, nachdem feststand, dass auch William überleben würde?"

Sie blickte auf Johannes, da er sie bereits um einen Kopf überragte.

"'Sie werden ein gemeinsames Schicksal teilen. Ihre Verbindung ist etwas besonderes und niemand wird sie trennen können.' Mutter hat oft davon gesprochen und ich denke, die Hebamme hatte Recht."

Johannes lächelte leicht und blickte dann zu seinem Bruder. Er war erstaunt von seinen Kampfkünsten, gebannt blickte er zu ihm. Charlotte legte die Arme um Johannes Mitte und blickte ebenfalls zu William. Er war gut und ein kluger Kopf, der seinem Gegner immer einen Schritt voraus zu sein schien. Schließlich gewann er das Duell und wurde zum Sieger gekürt. Johannes stand zum Schluss nur stumm am Rand und ließ sich von Charlotte die Hand halten.
 

Sie entfernten sich ein wenig von der Menge nachdem diese sich auflöste. Sie warten bis Jüngerer zu ihnen kam, um seinen Pokal zu präsentieren. Johannes starrte zu Boden, wagte es nicht den Blick seines Bruders zu kreuzen.

William kam zu Johannes und Charlotte, wobei er seine Schwester leicht auf die Wange küsste und seinem Bruder den Pokal hinhielt.

"Ich denke, dass ist deiner" flüsterte er leise.

Er ertrug es nicht, wenn Johannes ihn gar nicht ansah. Charlotte rammte Johannes unauffällig den Ellbogen in die Seite, damit er William ansehen musste.

"Sei nicht so kaltherzig" mahnte sie Johannes leise.

"Nein es ist deiner" sagte Johannes und schob den Pokal zurück.

"Gehen wir lieber rein. Mir ist kalt, ja?" fragte er und strich sich mit dem Handrücken über die Stirn.

Kalter Schweiß hatte sich darauf gebildet und ließ den Brünetten frieren.

"Tut mir leid, William" sagte er, als sie sich auf den Heimweg begeben hatten und William neben ihm lief.

"Es braucht dir nicht leid tun" antwortete der Jüngere und ließ den Pokal uninteressiert an seiner Seite baumeln.

"Ich habe jedes Wort gehört, das Vater damals zu dir sprach. Ich wünschte, er hätte es nie erfahren, aber daran lässt sich wohl nichts mehr ändern." Er seufzte resigniert.

"Es wird nie mehr wie früher werden. Erst wenn er stirbt, werden wir wieder zusammen sein können." Eine gnadenlose Bitterkeit lag in seiner Stimme und er meinte jedes Wort ernst.

"Sag sowas nicht, er ist doch unser Vater" mahnte Johannes und sah zu William.

"Wir sollten gehen, einfach verschwinden. Er kann uns zu nichts zwingen, wir sind eigene Lebewesen und brauchen sein Einverständis nicht, um zu existieren. Das schaffen wir auch allein" erklärte Johannes und sah ernst zu Boden.

Zur gleichen Zeit beschloss er auch mit seinem Vater reinen Tisch zu machen, er würde ihm alles sagen was er fühlte und hoffte. Ob es seinem Vater nun gefallen würde oder nicht. Er würde es ihm sagen und dannach aus seinem Leben verschwinden.

William biss sich auf die Lippen, statt seine Antwort auszusprechen. Johannes hatte ja Recht, er war ihr Vater, aber kein Vater sollte so gegen seine Söhne aggieren und sie von ihrem Glück fernhalten.

"Du ... du willst mit mir weglaufen?" Williams Augen glänzten.

"Das würdest du tun?"

Nun kehrte augenblicklich Leben zurück in den Jüngeren. Er wünschte sich nichts sehnlicher als das.

"Aber, wohin wollen wir gehen? Niemand würde uns unterstützen."

"Wir finden schon einen Platz" erklärte Johannes ruhig.

"Und so allein sind wir garnicht" fügte er noch hinzu und warf seiner Schwester einen dankenden Blick zu.

Charlotte sah zu ihrem Bruder und erwiederte dessen Blick.

"Ich werde für euch da sein."

William wusste nicht, ob er Johannes Hand nehmen durfte. Was, wenn ihr Vater nicht für sie war, wenn er sie nun endgültig trennen würde.

"Ich will dich nicht verlieren Johannes."

"Das wirst du nicht, keine Angst, ich schaff das" versicherte er Jüngerem.
 

Sie gingen zurück zum Hof und saßen noch ewig zusammen. Erst spät am Abend wagte Johannes sich zu seinem Vater. William hatte er gebeten auf seinem Zimmer zu bleiben. Der Brünette nahm all seinen Mut zusammen und klopfte an der Tür der großen Halle, in der sein Vater immer vorm Kamin abends saß.

Charlotte hatte ihren jüngsten Bruder begleitet und wartete nun mit diesem auf die Entscheidung. Jedoch konnte sie William nicht dazu bewegen, still zu sitzen und dieser lief ständig nervös auf und ab. Sie hatte mit Johannes eine Vereinbarung getroffen, als William kurz weg war. Sie würde ihn mit nach Budapest nehmen, wenn ihr Vater sich weiter weigern sollte.

Der Graf saß auf seinem Platz und sah erstaunt auf, als man ihm seinen Sohn ankündigte.

"Johannes, was willst du zu so später Stunde noch hier?"

"Ich will mit Euch reden Vater, es geht um William" sagte er und blieb einige Meter von ihm entfernt stehen um seine Reaktion abzuwarten.

"William?" Fragend sah der Graf zu seinem Sohn.

"Was ist mit deinem Bruder."

"Ich liebe William!" sagte er entschlossen und sah zu seinem Vater auf.

Blickte ihn durch eher trübblaue Augen an und zeigte noch keinerlei Reaktionen. Seine Miene ließ nicht vermuten, wie schwer es ihm fiel, dies zu sagen und auch so rüber zu bringen, wie es gedacht war.

"Das tut jeder hier" antwortete Josef erst, doch dann wurde er sich der wahren Wirklichkeit von Johannes Worten bewusst.

"Du liebst William? Wie ... Johannes! Wie kannst du dich erdreisten zu so später Stunde noch hier aufzutauchen und mir solchen Unsinn zu erzählen. Du weißt, was ich zu dir gesagt habe, als wir uns das letzte Mal gesehen haben!"

"Natürlich, wie könnte ich das vergessen, aber selbst Ihr müsstet bemerkt haben, wie mir diese Situation zu schaffen macht und auch ihm, ich will nicht wieter mitansehen wie das so weiter geht!" sagte er und machte einen Schritt nach vorn.

"Ich werde bei ihm bleiben und Ihr müsst das akzeptieren!" forderte er.

Josefs Blick wurde immer finsterer, während Johannes sprach.

"Ich muss es akzeptieren? Du bist dir bewusst, dass ich dich oder William ohne Umschweife trennen könnte. Das ist unnatürlich Johannes! Und ich denke, William sieht das ähnlich wie ich!"

Er war nun aufgestanden und hatte den Sessel umrundet.

"Ich bleibe bei meiner Entscheidung Johannes und wenn du dich ihr nicht beugst, werde ich dich in ein Sanatorium schicken lassen, um dich von diesen ... diesen leidlichen Gefühlen befreien zu lassen!"

"Es liegt doch wohl nicht an Euch zu entscheiden wie er das sieht oder? Und ihr könnt tun was ihr wollt, uns kann man nicht trennen! Wir sind nicht umsonst Zwillinge! Ihr werdet es nicht schaffen, mich von ihm fern zu halten und es ist mir egal, wie er zu mir steht, aber ich werde immer die Person sein die bei ihm ist und ihn beschützt!" schrie Johannes schon fast und ballte die Hände zu Fäusten.

Er fasste es nicht, wie konnte sein Vater ihm nur so drohen.

Josef ballte seine Hände zu Fäusten.

"Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen Johannes! Ich bin dein Vater und weiß wohl am Besten, was gut für dich und William ist!" Er stand nun direkt vor ihm.

"Ich habe dir gesagt, ich werde aus deinem Verhalten Konsequenzen ziehen."

Zwei Wachen traten hinter den brünetten Jungen.

"Ich werde dich in das Sanatorium von Bad Wiessee bringen lassen! Ich kann nicht zulassen, dass du William auch noch verdirbst. Er ist jünger als du, er weiß nicht, zuwas du ihn zwingst."

"Er ist jünger?! DU bist doch nicht mehr ganz richtig! Das sind nur ein paar Stunden und ich bin mir im Klaren darüber, was ich tue! Ich würde nie etwas tun, dass er nicht will! Ich bin nicht so grausam wie du!" schrie Johannes und seine Stimme war durchs ganze Schloss zu hören.

Als die Wachen nach seinem Arm greifen wollten, rang er einen zu Boden und bevor er sich dem Anderen zuwenden konnte, fasste er sich an die Brust. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn und lähmte seine Glieder. Er schaffte es nicht, sich gegen deren Kraft zu erwehren und wurde von beiden, jeder an einem Arm, fest gehalten.

Sein Vater schüttelte den Kopf.

"Du enttäuscht mich Johannes. So sehr. Mal abgesehen von deinen unnatürlichen Gefühlen für deinen Bruder, deinen Bruder Johannes, bist du auch noch mit dieser schwächlichen Gesundheit gesegnet." Er seufzte.

"Ich verstehe nicht, wie ich mit soetwas bestraft werden konnte. Was ich falsch gemacht habe, um das zu verdienen." Er wandte sich an die Wachen.

"Führt ihn ab. Vor dem Schloss wartet bereits eine Kutsche. Dr. Bauer wird in in Bad Wiessee bereits erwarten."

Nach diesen Worten drehte er sich um und ging zurück an den Kamin, doch bevor er sich setzte, sah er nochmal zu seinem Sohn.

"Wenn du wieder klar bist, erwarte ich dich zurück am Hof Johannes. In der Zeit werde ich eine passende Braut für dich suchen. Vielleicht wird es dann auch besser."

Laut schreiend wurde Johannes den Flur entlang geschliffen.

"IHR SEID DOCH NICHT MEHR BEI VERSTAND! LASST MICH SOFORT LOS!!" schrie der Junge vollkommen außer sich.

"Lasst los! Sofort!"

Er wehrte sich nach Leibeskräften, konnte jedoch gegen die körperlich Stärkeren nichts ausrichten.

Lisette lief gerade den Gang entlang, als die Rufe von Johannes hörte, sie lauschte auf und eilte zu dem Jungen.

"Lisette sags Will nicht! Sag nichts, bitte!" flehte er und ohne ein Wort zu sagen nickte sie nur.

Tränen bildeten sich ihn ihren Augen. Es tat ihr so unendlich Leid, was mit Johannes geschah. Und dies zu unrecht, es war grausam ihn so zu behandeln, als habe er eine ansteckende Krankheit. Sie seufzte und lief schnell zu Williams Zimmer.
 

William sprang sofort auf, als Lisette das Zimmer betrat. Doch sofort blieb der Brünette stehen, als er die Tränen seiner Amme sah. Schnell ging er zu ihr und schloss sie in die Arme.

"Lisette, liebste Lisette, was ist los?" fragte er leise.

"Wo ist Johannes?"

"Er ist fort" antwortete sie leise und senkte den Blick.

Charlotte blickte entsetzt zu Lisette, als sie ihre Worte hörte und beobachtete die Reaktion von William. Doch dieser lächelte sanft und wischte Lisette die Tränen von der Wange.

"Lisette, bitte hör auf mit mir zu Scherzen. Sag, wo ist er?"

"Er ist gegangen, er ist weg. Verzeih, mehr kann ich nicht sagen" sprach sie und senkte den Blick noch weiter, da sie es nicht schaffte dem Jungen in die Augen zu blicken.

Entsetzt trat William einen Schritt zurück.

"Er ... Hannes ist weg? Aber, wieso? Wieso ist er gegangen. Er wollte doch mit Vater reden und dann kommen!"

Er sah verzweifelt zwischen seiner Amme und Charlotte hin und her. William verstand in diesem Moment die Welt nicht mehr. Warum war Johannes weg? Hatte ihn allein gelassen, dass war doch nicht normal.

"Er liebt mich doch" flüsterte er leise.

Sein Kopf sank nach unten und er sah auf den Boden.

"Bitte ... lasst mich allein."

"Er liebt dich, aber es gibt Dinge gegen die selbst er nichts tun kann. Verzeih mir" sagte Lisette und verschwand schnell aus dem Raum.
 

Draußen trat sie zu Charlotte die ihr gefolgt war.

"Habt Ihr ihn nicht schreien gehört? Es war herzzereißend" meint Lisette traurig.

Charlotte schüttelte den Kopf, nachdem sie die Tür zu Williams Zimmer geschlossen hatte. Sie hatte wirklich nichts gehört, dafür hatten sie sich zu gut unterhalten.

"Was ist wirklich mit Johannes Lisette?" fragte die Dunkelhaarige.

"Er würde William doch nie alleine lassen."

"Euer Vater hat ihn ins Sanatorium von Bad Wiessee eingewiesen, wegen seinen Gefühlen für William. Ich konnte ihn noch sehen, bevor man ihn fort brachte. Er bat mich, William nichts davon zu sagen. Er hat fürchterlich geschrieen. Ich bezweifle, dass ihm dies gut tun würde. Es wird ihn kaputt machen, ohne William wird er zu Grunde gehn" sagte Lisette und wischte die letzte Träne von ihrer Wange.

"Es tut mir so Leid" sagte sie.

"Oh nein" keuchte Charlotte.

Das durfte doch nicht wahr sein.

"William wird sich nie mit dieser lausigen Antwort zufrieden geben. Sie werden beide daran zu Grunde gehen. Keiner überlebt lange ohne den Anderen. Ich werde sehen, was ich tun kann. Kümmer du dich derweilen um William Lisette, ich bitte dich."

Charlotte hatte die Hände auf die Schulter der Frau gelegt, während sie ihre Worte wohl gewählt hatte. Sie würde nun doch Katharina auch noch damit belästigen müssen. Doch diese hatte ebenfalls ihre Unterstützung zugesagt.
 

Katharina befand sich im Moment gerade bei ihrem Vater, da ihr das Geschrei von Johannes nicht entgangen war.

"Ihr lasst ihn wirklich wegbringen?" fragte sie erstaunt.

"Es ist besser ihn wegzusperren, als das mit ansehen zu müssen. Außerdem, ich habe zwei Söhne, sie sind gleich alt, niemanden wird es kümmern. Es ist das Beste für alle, er ist doch krank" erklärte ihr Vater kurz und wandte sich ab.

"Geh, ich bin beschäftigt!" befahl er seiner Ältesten und schickte sie fort.

Katharina sah den Mann, der sich ihr Vater nannte, entrüstet an.

"Als was mitansehen zu müssen? Wie Eure Söhne ihr Glück ineinander gefunden haben?"

Für gewöhnlich wagte sie es nicht, so gegen ihren Vater zu rebellieren, doch in diesem Fall war es selbst ihr nicht unmöglich.

"Ich werde gehen Vater, aber seid Euch gewiss, dass nächste Mal, dass Ihr mich sehen werdet, ist vermutlich auf der Beerdigung Eurer Söhne."

Sie raffte ihr Kleid hoch, machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Zimmer.
 

"Natürlich" sagte Lisette und trat wieder ein.

"William?" fragte sie und blickte zu ihm.

Der Brünette stand noch immer an der Stelle, an der ihn Charlotte und Lisette verlassen hatten. Sein Blick war leer und es fühlte sich alles kalt an. Schon wieder war er verlassen worden und allein. Warum taten das immer die Personen, die er am meisten liebte? Schnell ging die eher rundliche Dame zu William und schloss ihn in ihre Arme.

"Sssch" flüsterte sie und strich ihm behutsam über den Kopf.

"Es wird alles gut mein Junge" sagte sie leise und setzte sich mit ihm auf sein Bett.

Er lehnte leicht an ihr und blieb stumm. Sie würde bei ihm bleiben, dass war das Mindeste, was sie tun konnte.
 

Charlotte hatte Katharina im Salon des kleinen Schlosses gefunden. Die Älteste hatte beschlossen, Johannes morgen nach Bad Wiessee zu folgen und dort ein Auge auf ihn zu haben. Da es ihrem Sohn Peter selbst nicht so gut ging, war dies die beste Möglichkeit, ein Auge auf den Jüngeren zu haben.
 

William saß schweigend neben Lisette, lehnte nur stumm an ihr und starrte den gleichen Punkt an. Vielleicht war es wirklich falsch gewesen, Johannes alleine gehen zu lassen. Sollte er etwa auch zu seinem Vater gehen? Es ihm sagen, wie er für Johannes fühlte, vielleicht konnte er ihn dazu bewegen, wieder zurückzukommen.

"Ich brauche ihn doch!"

"Er dich auch, aber es war nicht seine Entscheidung zu gehen, es ist nicht deine Schuld William" antwortete Lisette und strich weiterhin über Williams Schopf.

Er schüttelte wiederwillig den Kopf.

"Es war immer meine Schuld" hauchte er leise.

"Auch Mutters Tod. Wenn ich nicht so töricht gewesen wäre und bei dem Regenwetter nach draußen gelaufen, hätte sie nicht die Lungenentzündung bekommen."

Nun war es wieder da, dieses nagende Gefühl, dieses Trauma, dass ihn seit über drei Jahren beschäftigte. Für das er sich immer noch die Schuld gab.

"Sag nicht so etwas! Deine Mutter war krank und das schon vorher, sie hatte nicht mehr viel Kraft. Johannes war auch auf der Suche nach dir und ist stundenlang bei dem Regen durch den Wald geirrt und er lebt noch" meinte die Amme sanft.

"Wie lange noch?" Das war eine rhetorische Frage und er erwartete keine Antwort von Lisette.

Seine Mutter hatte nur etwas Schnupfen gehabt, ehe er weggelaufen war. Und drei Tage später war sie tot gewesen. Es war seine Schuld, seine ganz allein.
 

*~~+~~+~~+~~*
 

Es war ein regnerischer Frühlingstag. Johannes und William hatten den Vormittag damit verbracht, mit einem Ball im Salon zu spielen, unter den wachsamen Augen ihrer Amme und ihrer Mutter. Maria-Johanna fühlte sich schon seit einer Weile nicht sehr wohl. Ein lästiger Schnupfen quälte die junge Gräfin bereits seit Wochen, immer wieder bekam sie Fieber. Ihr Arzt hatte gemeint, sie solle sich schonen, darum war sie heute mit ihren beiden Söhnen hier im Salon. Die beiden hatten sich wirklich gemacht und waren zu prächtigen Burschen herangewachsen. William hatte sich trotz anfänglicher Schwierigkeiten zu einer starken Persönlichkeit entwickelt und Johannes achtete stets auf den Jüngeren. Nichts hätte Maria-Johanna stolzer machen können. Lisette und sie saßen an einem großen Stickbild, dass sie nun schon seit Tagen beschäftigte, aber langsam kamen sie wirklich vorwärts.

„Mutter, dürfen wir in die Küche? Uns einen Kuchen holen?“ fragte Johannes sie plötzlich.

Sie tat sich bei weitem leichter, als Josef, die Zwillinge zu trennen. Das einzige körperliche Merkmal war das Muttermal auf Williams Nacken. Doch für sie waren beide so unterschiedlich, dass es nicht unterschiedlicher gegangen wäre.

Mit einem Lächlen nickte sie.

„Natürlich dürft ihr. Aber bleibt bitte nicht zu lange weg.“

Der Ältere war bereits bei der Tür verschwunden, während William ihr noch einen Kuss auf die Wange hauchte.

„Ich liebe Euch Mutter!“

Nun musste Maria-Johanna lachen.

„Ich dich auch William.“

Und schon waren die beiden Wirbelwinder verschwunden. Ein Stich durchfuhr Maria-Johannas Lungen und sie musste husten. Das hatte ihr gerade noch gefehlt, eine leidliche Grippe, wo doch bald der große Blumenball in ihrem Hause stattfand. Sie musste dringend morgen ihren Arzt konsultieren. Dr. Unger wusste schließlich immer Rat.
 

Es war bereits eine volle Stunde vergangen, als Johannes ganz aufgeregt zu ihnen zurück in den Salon kam.

„Mutter! Mutter! William ist verschwunden!“

Erschrocken blickte Maria-Johanna zu Johannes auf.

„Verschwunden? Was hast du wieder angestellt?“ Sie wollte nicht vorwurfsvoll klingen, doch sie konnte es nicht ganz vermeiden.

Betreten sah der Brünette zu Boden und scharrte mit dem Fuß.

„Einer der Küchenjungen meinte, William sei dumm, weil er nur mit mir allein spielen wolle und mich mit niemanden teilt.“

Die Gräfin seufzte, wie auch Lisette neben ihr. Das war ständig der Grund, warum William das Weite suchte. Er hing einfach viel zu sehr an Johannes und irgendwie lag es ihr fern, die Beiden auch nur eine Minute von einander zu trennen. Sie gehörten zusammen, wie es bereits die Hebamme erwähnt hatte. Und wenn Josef das ungern sah, noch wagte er es nicht, sich gegen seine Frau Gemahlin aufzulehnen. Bis zu ihrem achtzehnten Lebensjahr waren sie ihrer Obhut überlassen worden. Doch dann würde für die Zwillinge eine harte Zeit beginnen.

Maria-Johanna legte die Nadel beiseite und stand auf, ehe sie Lisette anwieß, ihren Umhang holen zu lassen. William, dass wusste sie, würde mit niemanden gehen, außer ihr und Johannes. So war es wohl angebrachter, sie würde zusammen mit ihrem Sohn und der Amme nach ihm suchen. Seitdem Charlotte und Katharina verheiratet worden waren, verging kein Tag ohne etwas Trubel. Die beiden Mädchen hatten ihre Brüder noch besser unter Kontrolle gehabt. Allen voran Katharina, die mit ihrer Strenge ihrem Vater sehr große Ehre bereitete. Doch trotzdem konnte das die Liebe unter ihnen nicht trüben.

Als Lisette wiederkam, machten sich die drei auf die Suche nach William. Noch immer fiel strömender Regen vom Himmel und erschwerte ihnen ihre Aufgabe. Die Amme hatte viel daran gesetzt, die Gräfin von ihrem Vorhaben abzubringen, doch nichts konnte die Frau überzeugen.
 

Johannes war es schließlich, der seinen Bruder in einem verlassenen Baumstumpf fand. Völlig durchnässt und verstört. Zusätzlich zum Regen hatte es auch noch ein Gewitter gegeben, was den Jüngsten immer wieder verängstigte. Weinend barg ihn Maria-Johanna schließlich in den Armen und wartete bis er eingeschlafen war. Sie hatte noch nichteinmal Zeit gefunden, sich umzuziehen, doch das war ihr im Moment egal. Hauptsache ihren beiden Kindern ging es gut und sie waren wohl auf. William jetzt auch noch zu schimpfen, lag ihr fern. Er handelte einfach noch viel zu instinktiv und brachte sich so ständig in große Schwierigkeiten.

Gemeinsam mit Lisette brachte sie Johannes und William in ihre Gemächer. Da noch immer Blitze vom Himmel zuckte, war es wohl besser, William bei Johannes schlafen zu lassen. So zog sie den brünetten Jungen um, wartete bis Johannes zu ihm ins Bett kam und deckte Beide liebevoll zu. Anschließend löschte sie die Kerzen und kehrte in ihr eigenes Gemach zurück. Sie spürte bereits, wie sich das Fieber wieder ihres Körpers bemächtigte und sank erschöpft vor dem Bett zusammen. Es war einfach nur die Aufregung um William, versuchte sie sich einzureden.
 

*~~+~~+~~+~~*
 

"Mach dir bitte keine Vorwürfe, was würde Johannes dazu sagen?!" fragte sie ganz unveblümt und meinte dies wirklich ernst.

Sie wusste genau was er antworten würde, laut protestieren würde er und mit dem Fuß aufstampfen.

'Jetzt hör aber auf Will, dafür kann niemand was, das ist Schicksal. Wenn du das nochmal sagts bin ich dir ernsthaft böse!'

Ja das würde er sagen und Lisette musste schmunzeln.

Kapitel 3

Kapitel 3

Die Zeit verging. Tage wurden zu Wochen und Wochen zu Monaten, bis dann ein Jahr ins Land gezogen war. Das Schloss der Adelsfamilie war ruhig geworden und über Johannes war kein Wort mehr gefallen, als habe er nie existiert. Nur William und Lisette nahmen seinen Namen noch in den Mund.
 

Es war früh am Morgen als eine Kutsche vorfuhr und Charlotte vollkommen überstürzt aussstieg und ins Schloss stürmte. Vor Williams Gemach blieb sie stehen und klopfte an. Sie hatte Neuigkeiten über Johannes und dessen Aufenthaltsort. Sie hatte sich vorgenommen ihre Brüder wieder zusammen zu führen und dazu musste sie William wohl oder über 'entführen'.

William hatte sich in dieser Zeit zurückgezogen. Seinem Vater zum Trotz hatte er sich auch einige Liebhaber zugezogen, doch keiner konnte die Leere füllen, die Johannes in ihm zurückgelassen hatte.

Auch an dem Morgen, als Charlotte ankam, teilte er sich das Bett mit einem Offizier seines Vaters. Doch geschalfen hatte er schon lange nicht mehr. Als er die leisen Schritte vernahm, kroch er aus seinem Bett, zog sich eine Hose über und öffnete die Tür. Erstaunt blickte er auf seine Schwester.

"Lotte, was machst du hier? Ich dachte du wärst in Budapest."

"Keine Zeit für Erklärungen!" sagte sie, packte William an Arm und zog ihn aus seinem Zimmer.

Sie streifte ihm schnell einen Umhang über und fasste ihn an der Hand, um ihn aus dem Schloss zu führen.

"Wir müssen uns beeilen und vor Mittag in Bad Wiessee sein!" sagte sie und stieg schnell wieder in die Kutsche ein.

Sie hatte gesehen wer dort im Bett lag, aber darauf würde sie William noch ansprechen, wenn sie unterwegs waren. Es gab so viel, was sie William erzählen musste, über Johannes Aufenthaltsort. Und auch hatte sie einige Fragen an ihren kleinen Bruder.

"Bad Wiessee?" fragte er ungläubig.

Was sollte er denn bitte dort? An einem Kurort? Er war weder krank, noch fehlte ihm sonst irgendetwas.

"Du bist mir eine Erklärung schuldig" sagte William schließlich, als sie in der Kutsche saßen.

"Was hat das zu bedeuten. Was du gerade machst kommt einer Entführung sehr Nahe Lotte. Vater wäre nicht sehr erfreut darüber."

"Vergiss Vater doch einmal, er ist an dem ganzen Dilemma doch Schuld, wir fahren nicht meinetwegen dort hin." sagte sie und schloss die Tür und wieß den Kutscher an sofort loszufahren.

Es holperte kurz und die Kutsche setzte sich in Bewegung.

"Aber erklär mir eins noch, bevor ich dir erzähle was wir dort wollen. Wer war das in deinem Bett?" fragte sie und ihr Blick wurde ernst.

Williams Blick wanderte nach draußen, als sie seinen Bettgefährten ansprach.

"Niemand von Bedeutung. Aber ihr könnt auch nicht alle von mir verlagen, dass ich mich der Keuschheit hingebe, nur weil man mir das wichtigste in meinem Leben genommen hat!"

Sein Ausdruck in den Augen war wieder leer.

"Niemand könnte Johannes Platz einnehmen, falls es das ist, was du meinst."

"Aber du tust es trotzdem. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Johannes das gut heißen wird" sagte sie und legte den Kopf nach hinten.

Sie seufzte laut hörbar und band ihre Kopfbedeckung los und legte sie neben sich auf die Bank.

"Es ist jetzt ein Jahr her, seitdem er ohne ein Wort gegangen ist."

Lisette hatte William nie erzählt, wohin sein Bruder verschwunden war.

"Er hat es in Kauf genommen, mir das Herz zu brechen. Ich habe doch nur etwas gesucht, dass das alles wieder heilen könnte." Er seufzte.

"Aber das kann wohl niemand. Außer Hannes selbst." Er sah zu Charlotte.

"Also, was willst du mit mir in Bad Wiessee?"

Ihr Blick war immer noch ernst. So langsam befürchtete sie, dass es ein Fehler war erst jetzt nach Bad Wiessee aufzubrechen. Zu viel hatte sich für William verändert. Sie hoffte das er nicht Johannes die Schuld an allem gab.

"Um das zu erklären, lass mich im letzten Winter beginnen" sagte sie und holte Luft, da es eine lange Erklärung werden würde.

"Johannes ist nicht freiwillig gegangen" begann sie.

Williams Blick richtete sich jetzt auf Charlotte.

"Das hat Lisette mir bereits gesagt. Aber keiner wollte mir dann einen besseren Grund dafür geben."

Niemand hatte erkannt, wie kaputt es jetzt in ihm aussah. Vielleicht war eine Kur für ihn gar nicht so verkehrt.

"Hat man dir auch gesagt, dass ich versucht habe mir das Leben zu nehmen? Zweimal?"

"Natürlich" sagte Charlotte und nickte.

"Johannes geht es nicht viel besser, er kommt nicht einmal dazu, dies zu versuchen" erzählte sie.

"Vater hat ihn weg schaffen lassen, weil er eine 'Schande' in seinen Augen war. Er hat sich zwar mit Händen und Füßen gewehrt, aber hatte gegen Vater keine Chance. Es tut mir Leid, dass ich dir das erst jetzt erzähle. Aber Johannes hätte dich freiwillig niemals verlassen!"

Das war das erste Mal, dass William das hörte. Wieso hatten sie ihm das nicht schon viel früher gesagt? Dann hätte er verschwinden können und zu Johannes gehen. Sie hätten zusammen fliehen können und ein neues Leben beginnen.

"Warum habt ihr mich alle belogen? Du, Katharina, Lisette?" Seine Worte klangen nicht halb so vorwurfsvoll, wie sein Blick es dagegen war.

"Weißt du wie ich mich jetzt fühle Lotte, wie ein billiges Flittchen!"

"Johannes wollte nicht, dass du weißt warum, ich denke er hatte Angst, dass du Streit mit Vater anfängst und genauso endest wie er. Aber du kannst dir jetzt doch bestimmt denken, warum wir nach Bad Wiessee fahren?" fragte sie und wandte den Blcik zu William.

Ja, mittlerweilen konnte er sich das wirklich denken und etwas Leben kehrte in seinen müden Blick zurück.

"Wir fahren zu Hannes?"

"Ja, verzeih mir das ich solange gewartet habe, aber es ergab sich keine günstige Gelegenheit" sagte Charlotte und blickte schuldbewusst zu William.

"Günstige Gelegenheit?" Ein leises Lachen entfuhr seiner Kehle.

"Die wird es nie geben. Aber warum ausgerechnet jetzt. Und warum lässt du Janosch wegen uns schon wieder allein Charlotte. Das macht mir ein schlechtes Gewissen, dass du nicht bei ihm bist."

"Denk bitte nach, bevor du lachst" ermahnte sie ihren Bruder und fuchtelte mit dem Zeigefinger herum.

"Er hat Verständniss dafür, er ist nicht so ein Menschenhasser wie Vater, er ist ein verständnissvoller Mensch! Und warum gerade jetzt? Es geht ihm immer schlechter und sein Arzt ist nicht im Land, eine gute Gelegenheit, uns bis zu ihm durchzuschlagen!" erklärte sie kurz.

Ein Stich durchfuhr Williams Herz. Es ging Johannes schlechter. Noch schlechter, als bei seiner Abreise. Jetzt bahnten sich die Tränen in seine Augen.

"Oh wie törricht war ich nur, nicht nach ihm zu suchen Lotte, sondern mich einfach meinem Schicksal zu ergeben. Meine Liebe für Johannes war doch immer so stark und jetzt? Sie ist es immer noch und trotzdem hab ich mich ohne zu Murren meines Vaters Willen ergeben. Hannes leidet doch noch viel schrecklicher darunter als ich."

"William!" sagte Charlotte scharf.

"Jetzt hör auf, Selbstmitleid hilft Johannes auch nicht, ich bin nicht umsonst mitten in der Nacht abgereist. Ich will, dass du dich zusammenreißt und mir zuhörst! Wir gehenn da rein und suchen ihn, es müsste nicht schwer sein, du ziehst dir den Umhang über das man dich nicht gleich erkennt und ich frage nach Johannes. Wir nehmen ihn mit und verschwinden nach Budapest! Ihr kommt zu mir, dort hat Vater keinen Einfluss mehr auf euch! Ihr seid doch meine Brüder, ist das nicht meine Aufgabe als große Schwester?" fragte sie und ihr Lächeln wurde warmherzig.
 

*~~+~~+~~+~~*
 

Charlotte war schon immer diejenige gewesen, die Gräfin Maria-Johanna in ihre Pläne eingeweiht hatte und der sie auch angewiesen hatte, stets auf ihre Brüder zu achten. Die Nachricht vom Tod ihrer Mutter ereilte sie nur wenige Stunden danach. Die Brünette machte sich sofort auf dem Weg von Budapest nach Luttenberg. Die Fahrt dauerte ohne Pause fast eineinhalb Tage. Erschöpft kam sie dort an und wurde von ihrem Vater begrüßt. Dieser war äußerst niedergeschlagen wie es schien, doch er wusste, wie er mit der Trauer umzugehen hatte. Doch wie es den Zwillingen ging, das vermochte er ihr nicht sagen zu können.

Nachdem sich Charlotte etwas frisch gemacht hatte, ließ sie Lisette rufen. Die Hofdame ihrer Mutter und Person ihres Vertrauens trug, wie es sich gebührte, schwarze Trauerkleidung und einen schwarzen Schleier über dem bereits leicht ergrauten Haar. Anscheinend raubten ihr die Zwillinge doch etwas Kraft und Nerven, was ein Lächeln auf ihre Lippen huschen ließ. Man hatte die junge Gräfin gebeten, sich noch am selben Tag in der Gruf einzufinden, wo sie sich gebührend von ihrer Mutter verabschieden konnte.

Zusammen mit Lisette trat Lotte nun diesen Weg an. Alleine, denn ihr Mann Janosch hatte auf Grund von Regierungsgeschäften zu Hause bleiben müssen. Die junge Frau zitterte am ganzen Leib, als sie die marmornen Stufen nach unten stieg und sie konnte es kaum kontrollieren. Ihre Mutter war doch noch nicht einmal 40 Jahre alt gewesen. Wie konnte das Schicksal nur so grausam mit ihnen sein. William und Johannes waren noch Kinder, die ihre Mutter so dringend benötigten, wie niemand sonst auf dieser Welt. Es war erstaunlich kühl in der Gruft des Schlosses, eine Gänsehaut zog sich über den Körper der Brünetten. Lisette blieb am Eingang stehen, sie wollte den Anblick nicht nocheinmal ertragen müssen.

Mit langsamen, unwilligen Schritten trat Charlotte auf den offenen Sarg zu. Die Augen hatte sie bis zu letzt geschlossen, erwartete sie doch einen schrecklichen Anblick. Doch als sie bei Maria-Johanna ankam, schien es, als ob sie schlafen würde. Ein trauriges Lächeln trat auf das Gesicht der Siebzehnjährigen. Das letzte Mal als sie ihre Mutter lebend gesehen hatte war auf ihrer Hochzeit gewesen, vor gut einem halben Jahr und jetzt war sie zurück nach Luttenberg gekommen, um sie zu beerdigen. Wie grausam doch das Leben sein konnte. Sie fasste nach der Hand der Gräfin, welche äußerst kalt war. Noch immer hoffte Charlotte, dass sie die Augen öffnen würde, doch sie wusste, dass dies nie geschehen würde, egal wie sehr sie es sich wünschte. Stille Tränen liefen über ihre Wangen, als sie sich über den Rand beugte und einen Kuss auf die kalte Stirn hauchte. Sie war die gütigste Mutter gewesen, die sie sich hätten wünschen können und nichts würde den leeren Platz in ihrem Herzen füllen können.

Die ungarische Gräfin bemerkte ihre große Schwester erst, als sie diese in den Arm nahm, tröstend in ihre Umarmung zog. Charlotte hatte nicht einmal bemerkt, wie sie hemmungslos zu weinen begonnen hatte. Katharina flüsterte beruhigende Worte in ihr Ohr, die jedoch nicht zu ihrem innersten vordrangen. Gemeinsam verließen sie nun diesen kalten Ort, so voller Tod.

Einen letzten Blick riskierte Charlotte dann doch, und es schien ihr, als ob hinter dem Kopf ihrer Mutter ihr Geist stehen würde und für sie lächelte. Unter Tränen lächelte Charlotte zurück. Nein, Maria-Johanna würde sie nie im Stich lassen, sie würde immer an der Seite ihrer Kinder bleiben.
 

*~~+~~+~~+~~*
 

Katharina klopfte leise an die Tür zu Johannes Zimmer. Paul hatte sie an der freien Hand. Da sie keine Antwort erhielt, öffnete sie die Tür und trat ein. Ihr Bruder war nicht im Zimmer und so ging sie mit ihrem Söhnchen nach draußen auf den Balkon, wo sie den Brünetten in eine Decke eingehüllt und auf dem Balkon sitzend vorfand.

"Johannes?" fragte sie vorsichtig.

Vor gerade mal zwei Stunden war sie hier angekommen, da auch Pauls Gesundheit nach einem zweiten Aufenthalt hier verlangte.

Keine Reaktion kam vom Angesprochenen. Er saß stumm dort auf der Bank auf dem Balkon und starrte Löcher in die Luft. Seine Haare waren gewachsen und mittlerweile zu einem Zopf gebunden. Einige Strähnen hingen ihm ins Gesicht, was den Brünetten aber nicht zu stören schien. Sein Blick war leer.
 

William versuchte seine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bringen und lächelte Charlotte zu.

"Vater wird uns finden, egal wohin wir verschwinden werden. Er wird wissen, dass du dahinter steckst Charlotte und das will ich nicht riskieren. Es reicht mir, wenn ich Johannes sehen darf."

"Und wenn schon? Er kann euch nichts vorschreiben! Ihr seid beide 18, da dürft ihr selber entscheiden, außer du sorgst dich darum was andere sagen" erklärte Charlotte und schloss die Augen.

"Johannes ist sein Nachfolger. Er hat bereits eine Braut für ihn gewählt. Die Tochter des bayrischen Königs. Weißt du was das bedeutet Charlotte. Wir könnten zu großer Macht aufsteigen." William seufzte leise.

"Willst du das er einwilligt? Ist das dein Wunsch, William?" fragte Charlotte und öffnete die Augen wieder, sah zu ihrem Bruder und erwartete eine Antwort.
 

Katharina schickte Paul wieder nach drinnen, zum spielen, während sie sich auf den Stuhl neben Johannes sinken ließ. So war es bereits gewesen, als sie vor drei Monaten abgereist war. Von seinen Pflegern hatte sie sich ständig Bericht erstatten lassen, wie sein Zustand war, doch was sie dort gelesen hatte, hatte sie stets beunruhigt. Zögernd nahm sie die kalte Hand und streichelte sanft darüber.

"Johannes" sprach sie ihn erneut an.

"Ich habe Neuigkeiten für dich. William ist auf den Weg hier her."

Kurz wandterte sein Blick zu Katharina, fand sich jedoch wieder schnell am Himmel ein, wo er schon die ganze Zeit hing. Sein Atem ging leise, kaum hörbar. Seine Miene ließ nicht erkennen, ob er wahrnahm was seine Schwester ihm sagte oder ob es durch ihn durchging ohne jegliche Emotionen auszulösen.

"Oh Johannes ..." seufzte die Blonde.

Hoffentlich würde die Ankunft Charlottes mit ihrem jüngsten Bruder etwas an dieser Situation ändern. Doch zuvor musste sie Johannes wieder etwas auf Vordermann bringen. Im Zimmer fand sie eine Schere und machte sich daran, die viel zu langen Haare abzuschneiden und ihm die gleiche zerzauste Frisur zu verpassen, wie er sie noch vor einem Jahr gehabt hatte.

Sie schnitt einige Strähnen ab, dann fasste Johannes nach der Schere und hielt sie fest.

"Hör auf" sagte er und behielt ihre Hand mit der Schere in seiner und ließ nicht los.

Mit einen druchdringend ernsten Blick sah er sie an.

Er war doch noch immer rebellisch. Sie lächelte leicht und ließ die Schere sinken.

"Lass mich dir die Haare abschneiden Johannes. William soll dich doch sicherlich nicht so sehen."
 

"Natürlich will ich das nicht" antwortete William energisch.

"Aber was soll ich schon dagegen tun oder gar du oder Katharina? Es lässt sich nicht verhindern Lotte. Wir können unserem Schicksal nicht entfliehen."

Charlotte seufzte.

"Jetzt hör bitte auf so pesimistisch zu reden, du tust ja so, als ob Vater die ganze Welt gehört und er tun könnte was er will, natürlich es wird nicht einfach, aber wer nicht wagt der nicht gewinnt, oder?"

Auch William seufzte. Charlotte weiter zu wiedersprechen würde sicherlich nichts bringen. Er warf einen Blick aus dem Fenster.

"Wie lange brauchen wir noch?"

"Wir kommen bald an" versprach Charlotte und ließ auch ihren Blick aus dem Fenster schweifen.

William war bereits so nervös, dass er es kaum noch aushielt. Und die Kutsche fuhr so langsam. Er hoffte, dass Charlotte nicht nur versuchte, ihn zu beruhigen, sondern die Wahrheit sprach und sie bald in Bad Wiessee ankamen.
 

"Ich bin ich, mit oder ohne Haare, oder?" sagte Johannes und nahm Katharina dann vorsichtig die Schere aus der Hand.

Er fand keine Begründung dafür, dass er momentan dagegen war seine Haare zu behalten, aber er wollte es jetzt einfach nicht, noch nicht.

Wiederwillig ließ sie ihren Bruder dies tun. Sie fand ihn einfach nicht hübsch mit den langen Haaren, doch wenn er es nicht anders wollte, konnte sie ihn nicht zwingen. Man hatte ihn schon zu viel zu viel gezwungen. Am Weg zum Sanatorium war bereits eine Staubwolke zu erkennen. Ein Lächeln huschte auf die Züge der Blonden.

"Sie sind gleich hier."

Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, stand Johannes auf und ging ins Zimmer. Er war bleich angelaufen und wirkte leicht nervös als er drei oder viermal hin und her lief. Katharina folgte Johannes, da schließlich auch Paul noch in dessen Zimmer war. Besorgt blickte sie ihren Bruder an. Freute er sich denn gar nicht, seinen Bruder wieder zu sehen? War es ihm so sehr zuwieder?

"Johannes? War das nicht dein Wunsch?"

Sie und Charlotte hatten gar nicht weiter darüber nachgedacht, dass Johannes das nicht möchten könnte.

"Doch, aber" Sein Blick wurde kurz schmerzverzerrt, bevor er sich zusammenriss und seine Augen kurz schloss.

"Ich hab hier nicht den ganzen Tag Blümchen gepflückt. Was glaubst du, warum ich hier war? Man hat mir täglich eingetrichtert, was für Hirngespinste das seien, ich fühle mich total umgekrempelt und alles wirkt so falsch, alles" sagte Johannes und starrte dabei auf seine Hände.

Sein rechtes Handgelenk wies lauter Schrammen und Kratzter auf, die unterm Hemd nicht sichtbar, bis hoch zur Armbeuge gingen. Das alleinsein und die täglichen Torturen hatten ihm schrecklich zugesetzt.

"Ich wünsche mir nichts mehr als William zu sehen, aber wie wird er reagieren? Und wie soll ich reagieren?" fragte Johannes verzweifelt.

Katharina nahm Paul auf den Arm, während ihr Bruder seine Gefühlswelt erklärte. Mit finsterem Blick sah sie nach draußen, wo die Kutsche mittlerweilen angehalten hatte und man die Türen hören konnte.

"Johannes, ich kann dir nur sagen, dass nichts an deinen Gefühlen zu William falsch ist. Er liebt dich und du ihn doch auch. Diese Menschen hier sind in ihrem Blickfeld einfach nur eingeschränkt und wollen nicht sehen, was für herrliche Gefühle das zwischen euch sind."

Sie seufzte leise und küsste Paul auf die Wange.

"Er freut sich bestimmt, dich zu sehen. Ich weiß von Lisette, dass es ihm genauso schlecht erging wie dir, im letzten Jahr. Sie hat sogar von langen Krankheiten gesprochen, zweimal. Ich kann dir nicht sagen, wie du reagiern sollst. Lass dich einfach von deinen Gefühlen leiten."

Zaghaft nickte Johannes und ließ sich auf sein Bett sinken.

"Ja du hast wohl recht" gab er zu und wartete. Mehr konnte er im Moment wohl nicht tun.

"Möchtest du alleine sein?" fragte Katharina schnell.

Es war das erste Mal seit Monaten, dass etwas Leben in Johannes gekehrt war.

"Ich könnte mit Paul und Charlotte spazieren gehen."

"Ja bitte" sagte Johannes und sah kurz auf.

"Danke Katharina" sagte er und nickte.
 

Schnell stieg Charlotte aus und stürmte zur Eingangstür.

"Komm, schnell!" Wie ein kleines Kind drängte sie William sich zu beeilen.

William zog sich die Kapuze über den Kopf und folgte seiner Schwester schnell.

"Lotte, ich hab nichtmal ein Hemd an!" bemerkte er nun.

Er hatte Schloss Luttenberg schließlich Hals über Kopf mit ihr verlassen.

"Das ist egal, du hast doch den Umhang, genier dich nicht" sagte sie und durchschritt schnell die großen leeren Hallen des Anwesens.

Bei diesen Worten zog er den Umhang noch etwas fester um seine Schultern, damit er ja nicht geöffnet werden konnte. Hoffentlich würde er bald bei Johannes sein, dann konnte er sich von diesem ein Hemd borgen.
 

"Nichts zu danken."

Katharina verließ mit ihrem Sohn auf dem Arm das Zimmer und fing Charlotte dort ab. Sie wusste, dass ich unter dem Umhang ihr jüngster Bruder befand und trat zur Seite.

"Er ist dort drin."

"Geh schon rein" drängte Charlotte ihren Brudernun und schupste ihn nach vorn.
 

Johannes saß noch still auf seinem Bett und wartete. William stolperte durch die halb offene Tür und sah sich erstmal um, ehe er die Kapuze vom Kopf zog. Schließlich musste er sicher gehen, dass er mit Johannes allein war. Bevor er zu seinem Bruder ging, den er auf dem Bett sitzend entdeckt hatte, schloss er die Türe und sperrte ab. Niemand sollte sie jetzt stören.

Eine riesige Woge von Liebe erfasste ihn plötzlich und nur mit großer Mühe konnte er sich beherrschen und Johannes nicht einfach küssend und liebkosend anzufallen.

"Hannes" kam es sehnsüchtig von seinen Lippen, als er neben diesen ans Bett trat.

Johannes ließ seinen Blick gesenkt und starrte hinab zu seinen Händen die offen in seinem Schoß lagen.

"Tut mir Leid" kam es leise von ihm.

Um Williams Schultern lag noch immer der Umhang, doch seine Hände lösten sich nun daraus, um Johannes Kopf anzuheben.

"Was tut dir Leid?"

Zu lange hatte er es vermisst in diese blauen Augen zu sehen, er hatte Johannes so schrecklich vermisst.

"Das ich weg bin. Es tut mir leid" sagte er und sah nun zu seinem Bruder auf.

Seine Augen hatten ihren Glanz verloren. Sie wirkten matt und leblos.

"Du hattest keine andere Wahl. Man hat dich dazu gezwungen Hannes."

Es tat ihm weh, seine Augen so glanzlos zu sehen. Ganz ohne Lebenswillen.

"Ich habe dich so schrecklich vermisst und so viele Dummeheiten begangen. Ich bin mir nicht mal sicher, ob du mich wieder haben willst" meine William leise.

"Natürlich" sagte Johannes, machte eine Pause.

Dann fiel er William augenblicklich um den Hals und hielt sich an diesem fest.

"Natürlich" schluchzte er schon fast und drückte seinen Bruder ganz fest an sich. Erstaunt, aber gleichzeitig wahnsinnig erleichtert, schloss William Johannes in seine Arme, drückte den schmalen Körper fest an sich. Die Wärme seines Zwillings wieder zu spüren war einfach toll. Und diesesmal würde es niemand mehr schaffen, sie voneinander zu trennen. Er löste sich etwas von seinem Bruder und küsste ihn vorsichtig. Schließlich wusste er nicht, was man ihm alles angetan hatte, was er alles erlebt hatte. Doch egal was es war, William würde ihm alles nehmen, jeglichen Zweifel und die Angst.

"Hannes"

"Will" hauchte Johannes und blieb an seinem Bruder hängen.

Er wollte diesen auf keinen Fall wieder loslassen. Williams Stirn lehnte nun an der seines Zwillings.

"Verlass mich nie wieder, versprich es mir Hannes."

Er schloss kurz seine Augen und seufzte.

"Ich musste ständig an Mutter denken, die ganze Zeit als du nicht da warst. Ich ... habe fast nichts geschlafen und ... kurz nach deiner Abreise ... Lisette hab mich gefunden, beide Male."

Er hatte einfach das Verlangen, Johannes alles zu erzählen.

"Und egal wer bei mir schlief, niemand konnte die Albträume so gut verjagen wie du. Keiner konnte mir diese Liebe und Geborgenheit geben."

"Nie wieder" schwor Johannes und ließ seine Stirn kurz auf Williams Schulter liegen, bevor er ihn wieder hob.

"Was ist passiert?" fragte er und blickte erwartungsvoll zu William.

"Was ist passiert als ich weg war?" fragte er.

William sah auf seine Handgelenke, die von zwei langen Narben geziert wurden.

"Ich habe versucht mir das Leben zu nehmen. Gleich den Tag nach deinem Verschwinden und vier Monate später wieder. Lisette hat mich jedes Mal noch rechtzeitig gefunden. Sie konnte es sogar vor Vater geheim halten."Er seufzte leise.

"Und ich hatte einige Liebhaber. Bitte hasse mich nicht dafür Hannes. Aber ich wusste nicht, was ich tun sollte. Diese unerträgliche Leere in mir hat mich aufgefressen."

"Entschuldige dich nicht, es ist meine Schuld. Wenn ich nicht gegangen wäre, wär es nicht so weit gekommen" sagte Johannes und blickte wieder nach unten.

Seine Umarmung löste sich von William und er blieb wieder still neben ihm sitzen.

"Ich glaube diese 'Leere' hat mich überhaupt am Leben gehalten" flüsterte Johannes und wandte seinen Blick zu William.

Dieser sah aus dem Fenster, während er noch immer Johannes Hand hielt. Es hatte jetzt auch keinen Sinn mehr, in der Vergangenheit zu leben und sich deswegen zu grämen. Er war gekommen, um ein neues Leben zu beginnen, mit Johannes zusammen.

"Wir sollten das hinter uns lassen. Beginnen wir von vorne, wenn du es denn willst Hannes."

Er war wirklich bereit dazu, das alles liegen zu lassen.

"Lauf mit mir weg, so wie wir es vor einem Jahr vor hatten."

"Wir bleiben zusammen. Ich liebe dich, ich will bei dir bleiben. Ich habe an nichts anderes denken können" erklärte Johannes.

Nichts lieber würde er tun. Aber es war so viel passiert. Er wusste nicht recht, sollte er wirklich bei ihm bleiben, was wenn Williams Gefühle für ihn sich geändert hatten. Der Jüngere lächelte bei diesen Worten.

"Ich liebe dich auch, mehr noch als mein Leben. Ich will mir einfach nicht vorstellen, weiter ohne dich sein zu müssen."

Er schmiegte sich wieder an Johannes und küsste sanft dessen Hals. Wie sehr er ihn doch vermisst hatte. Die zarte Haut unter seinen Lippen. Das Gefühl, geliebt und erwünscht zu sein. Johannes seufzte.

"Ja" sagte er und nahm Williams Gesicht in die Hand.

Sanft, zaghaft berührte er die Lippen seines Bruders und ließ sie dann darauf ruhen. Dutzende Küsse landeten auf Williams Lippen und lösten sich schnell wieder. Williams Kopf lehnte nun wieder auf der Schulter seines Bruders und nur zu gern erwiederte er dessen sanfte, flatterhafte Küsse. Seine Hand schlang sich sanft um dessen Mitte und er vertiefte alles noch etwas mehr. Langsam ließ er sich nun mit Johannes in die weichen Kissen sinken, seine Augen hatte er dabei geschlossen. Genoss jede Sekunde, die er jetzt mit ihm war. Johannes lächelte und bevor er sich versah war er eingeschlafen. Er hatte so wenig geschlafen, vielleicht genauso wenig wie William, aber er konnte sich jetzt nicht mehr länger wach halten. Er war so erleichtert darüber das William wieder bei ihm war. Auch dem Jüngeren ging es nicht anders. Diese Vollkommenheit, die plötzlich wieder in ihm herrschte, ließ ihn erst merken, wie erschöpft er eigentlich war. Eng mit Johannes umschlungen war er eingeschlafen, seinen Kopf vorsichtig an dessen Schulter gebettet.
 

Katharina war mit Charlotte etwas spazieren gegangen.

"Du willst also mit den beiden nach Budapest reisen ja?"

"Ja, ich denke es wäre das Beste für beide wenn sie von all dem etwas Abstand haben würden oder? Meinst du nicht?" fragte sie und sah fragend zu ihrer Schwester.

"Natürlich ist es das Beste für sie. Aber für dich bedeutet es doch, einen Bruch mit Vater einzugehen."

Paul lief nun vor den Beiden und spielte mit einer kleinen Katze, die über ihren Weg gelaufen war.

"Versteh mich bitte nicht falsch Charlotte, ich würde das gleiche für sie tun, wenn ich könnte. Aber bist du dazu wirklich bereit? Und was sagt dein Gatte dazu?"

"Ich habe mit ihm gesprochen, er ist so ziemlich meiner Meinung. Ich bin dankbar dafür, er ist so ein gütiger Mensch und bestimmt auch guter Vater" sagte Charlotte und lächelte.

"Was sollen wir denn sonst tun? Zurück zu Vater? Das würden sie nicht verkraften oder weiter getrennt bleiben."

Katharina horchte auf.

"Vater?" fragte sie mit hochgezogener Augenbraue.

"Willst du mir etwa etwas mitteilen liebste Lotte?"

Nein, die beiden getrennt zu halten, wäre sicherlich auch verkehrt. So war es fürs Erste wohl am Besten. Charlotte lächelte und nickte.

"Ich wollte eigentlich noch warten, aber seis drum. Ich erwarte ein Kind Katharina" sagte sie fröhlich und lächelte in sich hinein.

"Oh Lotte!" rief Katharina aus und herzte ihre Schwester liebevoll.

"Und dann nimmst du auch noch solche Strapazen auf dich, nur um Johannes und William zu helfen. Mutter wäre so stolz auf dich." Und das war ihr ernst.

Die Gräfin wäre mit Sicherheit stolz auf das Verhalten ihrer jüngsten Tochter gewesen. Charlotte war schon immer ein Freigeist gewesen, wo Katharina vernünftig war.

"Ich denke es ist doch meine Aufgabe oder?" lachte sie und wirkte vollkommen unbeschwert.

"Sie hat dir die Beiden anvertraut. Du warst es, von der sie sich wünschte, du sollst auf sie acht geben." Katharina lächelte tapfer bei der Erinnerung an ihre verstorbene Mutter.

"Sie fehlt mir so sehr" seufzte die Blonde.

"Mit ihr wäre das hier alles erst gar nicht passiert."

"Nein warscheinlich nicht, ich vermisse sie doch auch" sagte sie und nickte.

"Ich auch Katharina, sehr sogar"

Sie nahm Charlottes Hand und machte kehrt.

"Lass uns zurückgehen. Die Beiden haben sich sicherlich bereits ausgeredet und ihr könnt abreisen. Die Erklärung, wo Johannes abgeblieben ist, überlass bitte mir. Paul geht es nicht sehr gut, deshalb werde ich wohl wieder etwas länger hier sein." Sie grinste ein wenig.

"Außerdem kommt Alexander bald und besucht mich und seinen Sohn."
 

So gut es auch war, wieder an Johannes Seite zu schlafen und ihn wieder bei sich zu wissen, lange verweilte William nicht in diesem Zustand der Glückseeligkeit. Sich vorsichtig von seinem Bruder lösend, stand er auf und ging zu den Kleiderschränken, wo er sich ein Hemd herausnahm, dass er anzog und schließlich die Sachen von Johannes in eine naheliegende Tasche räumte. Sie sollten schließlich schnell verschwinden, nicht dass ihnen noch was dazwischen kam. Als er gepackt hatte, weckte er seinen Bruder vorsichtig.

"Hannes, wir müssen los, ehe dein Arzt zurückkommt. Komm, zieh meinen Umhang an, damit du unentdeckt bleibst."

Vorsichtig, als ob er irgendwelche Gebrechen hätte, setzte sich Johannes wieder auf und stellte sich dann auf die Beine. Er nickte zaghaft und nahm den Umhang von seinem Bruder und streifte ihn sich über.

"Glaubst du nicht, dass die dich erkennen?" fragte er.

William lächelte.

"Ich mag dein Zwilling sein, aber ich kann verdammt schnell laufen"

Er küsste Johannes flüchtig, ehe er ihn an der Hand nahm.

"Komm, lass uns gehen. Lotte und Rina warten sicher auch schon auf uns."

Erneut nickte Johannes und folgtr seinem Bruder.

"Die haben Schlagstöcker, da musst du ziehmlich schnell rennen" sagte er noch und öffnete dann die Tür.

"Keine Sorge, dass kann ich schon."

Er öffnete die Tür und ging vorraus. Als sie die Treppe nach unten gingen, kamen ihnen ihre Schwestern entgegen. Glücklich lächelnd trat William ihnen entgegen.

"Ich denke, wir sind bereit um abzureisen."

Johannes hielt den Blick gesenkt. Seine Stimmung war angespannt, immer noch war die Angst da, aufgehalten zu werden. Doch folgte er Charlotte, welche die beiden zur Kutsche führte. Erst als diese sich in Bewegung setzte, konnte er aufatmen. William stieg nach Johannes und Charlotte in die Kutsche, nachdem er sich von Katharina verabschiedet hatte, und kaum das er die Türen geschlossen hatte, setzte sie sich in Bewegegung.

"Wie lange wird es dauern, bis unser Verschwinden bemerkt werden wird?"

Charlotte lachte leise.

"Wenn Vater aufmerksam ist, hat er deines zumindest schon bemerkt. Das hier, solange Johannes Arzt nicht zurückkommt, wird es unbemerkt bleiben. Und Katharina wird sich darum kümmern. Bis wir die Grenze erreichen sind es noch zwei Tagesreisen. Aber das werden wir schon schaffen."

Erst jetzt wandte sie sich ihrem Bruder zu.

"Wie fühlst du dich Johannes? Du siehst so blass aus."

"Mir geht es gut, macht euch bitte keine Sorgen" bat Johannes.

Seine Stimme klang rau. Lange Zeit hatte er dort kein Wort gesprochen, denn es gab für ihn keinen Sinn noch weiter zu sprechen. Niemand war dort gewesen, mit dem sich eine Unterhaltung lohnen würde. Es ergab für ihn keinen Sinn. Seinen Blick hielt er weiterhin gesenkt. Er fühlte sich ein wenig unwohl, so von allen angestarrt zu werden. William setzte sich nun neben Johannes und nahm dessen Hand in seine.

"Es wird alles wieder gut werden Hannes. Wir sind jetzt wieder zusammen und nichts kann uns mehr trennen." Er lehnte seinen Kopf an den seines Zwillings.

"Ich liebe dich" hauchte er, nur für Johannes hörbar. "Vergiss das bitte nie!"

"Natürlich nicht" beteuerte er und nickte.

Doch es war viel zu einfach zu sagen, das nichts mehr geschehen konnte. Sie waren keine Kinder mehr. Die Regeln, die ihr Leben bestimmten, hatten sich geändert. Es war nichts mehr so einfach wie man es sich wünschte.

"Hör zu Johannes. Mein Mann ist ein sehr einflussreicher Mensch, der es sich leisten kann, mit einem Grafen, wie unserem Vater in Streit zu geraten. Und sollte dieser Ungarn mit Krieg drohen, weiß er auch, dass wir Österreich und Bayern auf unserer Seite haben. So leicht wird man es ihm sicherlich nicht machen."

Charlottes Worte sollten beruhigend auf die Zwillinge wirken, doch selbst bei William lösten sie einen kalten Schauer aus, der ihm über den Rücken lief. Einen Krieg wollte er sicherlich nicht riskieren. Doch von Johannes getrennt zu sein, war mehr, als er ertragen konnte. Johannes überlegte und seufzte.

"Wir können doch keinen Krieg riskieren? Da können wir doch nicht das ganze Land mit hineinziehen" sagte Johannes und hob den Blick.

"Hannes hat Recht Lotte, das wäre zu viel des Guten." stimmte auch William zu, der sich noch immer an Johannes gekuschelt hatte.

"Keine Sorge, Vater droht sicherlich nur damit und bei Verhandlungen zieht er automatisch den Kürzeren. Alexander und Janosch sind ziemlich gnadenlos und sehr überzeugend."

Johannes seufzte.

"Das hab ich garnicht verdient, dass ihr euch so um mich sorgt" gestand er und zog sich dann die Kapuze vom Kopf.

Vorsichtig strich er sich durch die Haare und seufzte erneut.

"Natürlich hast du das!" antworteten seine Geschwister unisono.

Doch nur William sprach weiter.

"Was würde ich denn ohne dich tun Hannes? Mein Leben hätte keinen Sinn und ich würde mich leer und einsam fühlen. Wenn du nicht mehr wärst, wüsste ich nicht, ob ich noch weiterleben will."

Erneut strich Johannes sich einige Strähnen aus dem Gesicht, die ihm immer wieder vor die Augen fielen. Leise fluchte er, da ihn dies wirklich störte. Warum hatte er nur Katharina davon abeghalten sie zu trimmen?

"Sag sowas nicht. Selbst wenn ich nichtmehr bin, darfst du gar nicht daran denken!" sagte Johannes und nickte sich selbst zustimmend zu.

"Egal warum, egal du darfst sowas nicht sagen und denken, dass will ich nicht" fügte er hinzu.

William seufzte. Er wollte aber ohne Johannes nicht mehr leben, aber jetzt würde er ihn ja nicht mehr verlassen.

"Du bleibst ja jetzt auch bei mir. Also brauch ich über sowas gar nicht nachdenken."

Er lehnte sich wieder an seinen Bruder und streichelte über dessen Arme. Katharina war eingeschlafen und ihr Kopf lag an der Lehne ihrer Sitzbank. William strich schließlich über die feinen Narben und sah sie sich an.

"Woher hast du die?"

Johannes blickte zu William.

"Willst du das wirklich wissen?" fragte er.

William nickte. Er hatte zwar jetzt schon ein seltsames Gefühl dabei, aber er wollte es hören.

"Du weißt ja auch, was ich getan habe."

"Ja, grob" antwortete er.

"Es ist ähnlich wie bei dir denke ich. Das war ich selber, aber das ist noch nicht alles. Ohne Hemd seh ich noch schlimmer aus" gestand Johannes und senkte seinen Blick wieder.

Noch schlimmer? Fragend wanderte Williams Augenbraue nach oben.

"Was genau hast du getan Johannes? Was haben sie dir angetan?" Seine Stimme schwang voller Verzweiflung und Sorge.

"Nichts, mach dir darüber keine Gedanken, es geht mir gut. Außerdem ist es mir viel wichtiger wie es dir geht" sagte er und strich William über die Wange. William grummelte leise.

"Es geht mir nur so gut, wie es dir geht. Merkt man wohl, dass wir Zwillinge sind. Ich hab zweimal versucht mir die Pulsadern aufzuschneiden. Aber Lisette scheint ja immer noch ein unverbesserliches Gespür für unser Befinden zu haben und hat mich gefunden."

"Ja das hat sie." Johannes fing an zu erzählen.

"Anfangs hab ich mich oft mit den Pflegern angelegt, man hat mich behandelt, als hätte ich eine ansteckende Krankheit oder wär ein rohes Ei. Das hat mich so gestört" erklärte Johannes.

Johannes war der sanfteste Mensch auf Erden. William konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, auf welche Art und Weise er sich mit denen angelegt haben könnte.

"Sie haben dir wehgetan" stellte er schlichtweg fest.

Das war in seinen Augen die einzige Möglichkeit, woher die Narben kamen.

"Natürlich, ich bin nicht der Größte oder Kräftigste und wenn Worte nicht mehr halfen, da mussten sie wohl zuschlagen. Ich glaube die haben Gefallen daran gefunden, wenn ich mich darüber aufgeregt hab, das ich garnicht hier sein wollte. Irgendwann kamen die einfach so und haben mich schikaniert" meinte Johannes.

Seine Augen waren fast geschlossen und wirkten glanzlos. Die Erinnerung an diese Zeit, wo er sich so allein und verloren gefühlt hatte, war fruchtbar. Er fühlte sich unvollkommen, denn seine bessere Hälfte, William, fehlte ja. Dieser schauerte bei dem Gedanken.

"Nach meinem ersten Selbstmordversuch war ich sechs Wochen lang ans Bett gefesselt. Lisette hat mich nicht aus den Augen gelassen und erst als sie befand, dass es mir wieder besser ginge, durfte ich alleine etwas unternehmen. Ich kann es nicht fassen, dass Vater von alldem nichts bemerkt hat." Er schlang seine Arme um Johannes

"Aber sie haben dich nicht angefasst, also ich meine, auf sexueller Ebene" Seine Stimme war leiser geworden.

Johannes Blick wanderte nach draußen.

"Nein, warum?" fragte er und blickte William in die Augen.

Diese Frage weckte leise Zweifel in ihm. Wollte sein Bruder ihm damit etwas sagen? Hatte diese Frage etwas Bestimmtes zu bedeuten? Ohne es wirklich zu wollen, fing er an zu überlegen.

"Katharina hatte in einem der Briefe erwähnt, dass die Pfleger nicht äußerst freundlich zu dir wären. Und ich hatte mir Sorgen gemacht, dass sie dich vergewaltigen würden oder so." Er schmiegte sich wieder an seinen Bruder.

Er hatte sicherlich keine Zweifel in diesem hegen wollen. Doch er merkte, dass ihm das gerade sehr gut geglückt war.

"Das hätten sie bestimmt gerne" sagte Johannes und lehnte sich dann gegen die Wand.

Er seufzte leise und schloss die Augen.

"Ja" knurrte William.

Allein bei dem Gedanken daran, bekam er eine Wut in seinem Bauch, die unglaublich heftig war. Aber Johannes würde es sicherlich nicht anders ergehen, wenn er ihm von den vielen Liebschaften berichtete. Obwohl, es waren ja nur drei oder vier gewesen. Aber keine hatte er lang für sich gehabt. Er duldete nunmal niemand anders in seinem Bett, als seinen Bruder.

"Ich will wieder mit dir zusammen sein Johannes."

Johannes seufzte.

"Ich auch. Ich hab mir nichts anderes die ganze Zeit gewünscht." Sie verharrten in dieser Postion.

Johannes überlegte in sich hin und her, ob William sich woanders die Liebe gesucht hatte, die er vermisste. Die Zweifel plagten ihn, aber er wollte seinen Bruder danach auch nicht fragen. Dieser jedoch spürte die Unruhe deutlich, die von Johannes ausging.

"Was hast du auf dem Herzen? Sags mir" forderte er liebevoll.

"Nichts, mir gehts gut, ich bin glücklich. Ich bin nur müde" antwortete Johannes.

Es war ja die Wahrheit, auch wenn er dabei einiges verschwieg.

"Hannes" flehte William, sich der Nähe von Charlotte nur deutlich bewusst.

"Ist es das, was ich vorhin bei dir sagte? Dass ich Liebhaber hatte?"

Genauer wollte Johannes jetzt gar nicht darüber nachdenken. Denn wenn er das tat, dann würde er wahrscheinlich ausrasten. Nicht weil er sauer auf William war, sondern weil er eher sauer auf sich selbst war. Er war derjenige den er nicht leiden mochte, er hasste sich selber, das er schuld war an dieser ganzen Situation.

William hauchte einen zarten Kuss auf die Wange seines Zwillings.

"Lass uns heute Nacht zusammen verbringen. Ganz allein in einem Zimmer und einem Bett" hauchte er.

"Lass uns erstmal abwarten, wie weit wir kommen" sagte Johannes und blieb so an die Wand gelehnt, er war so müde.

"Schlaf Liebster" flüsterte William.

"Du hast es verdient."

Er schlang seine Arme um Johannes und wartete, bis dieser eingeschlafen war. Anschließend wanderte sein Blick wieder nach draußen auf die Landschaft. Er kannte den Weg nach Budapest nicht so gut, aber wie es ihm schien, kamen sie doch gut vorran. Und so wie er Charlotte kannte, hatte sie sicherlich nicht vor, eher zu halten, als die Nacht über sie hereingebrochen war. Tief schlief Johannes. Nach langer Zeit mal wieder erholsamer und ruhiger Schlaf. Nichts trübte seine Träume, sie waren verwirrend und auf nichts konkretes gerichtet. Vielerlei Bilder flogen vor seinem inneren Auge vorrüber, streiften sanft sein Bewusstsein. Es war ewig her, das er im Schlaf nicht schreiend aufwachte.



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