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Kiss, Kiss - Bang, Brawl

Schlagsahne oder Chocosauce?
von

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Introducing - Cherry and Sheldon

Die Regentropfen trommelten laut auf das Autodach nieder.

Im Radio lief Musik.

Sheldon pfiff leise das langweilig, langsame Lied mit und klopfte mit den Fingerspitzen auf den Griff des Lenkrads. Kurz stieß er ein Gähnen hervor, dann klopfte er weiter, seinen Blick stets auf die Ampel vor ihm gerichtet.

So ein Mistwetter und dabei war es Sommer.

Wie gern hätte er doch das Dach seines Cabrios runtergelassen und wäre unwillkürlich den Boulevard langgerast, ohne Rücksicht auf nervende Polizisten oder Passanten. Er hätte einer hübschen Dame gewunken, wäre aber weitergefahren. Danach hätte er sich einen Drink genehmigt und ein bisschen Ausschau gehalten und er hätte entspannt. Und wie er das hätte.

Stattdessen stand er nun schon geschlagene fünfzig Minuten an der verschlammten Straßenkreuzung.

Die Räder seines Wagens waren mit Blättern verschmiert. Über die Frontscheibe schwebten im schnellen Rhythmus die Scheibenwischer und trotzdem konnte er das Bild vor sich nur verschwommen erkennen.

Eigentlich kümmerte ihn es nicht wirklich, dass er schon mehrere Grünphasen verpasst hatte. Die hupenden Wagen hinter ihm und die fluchenden Auto- und Taxifahrer, die sich auf der halb versperrten Spur neben ihm einen Weg bahnten, um ihn dann, grün oder nicht, erst mal in den schlimmsten Tönen zu beschimpfen, juckten ihn ebenfalls relativ wenig.

Er trommelte stets weiter auf dem Lenkrad und suchte einen geeigneten Moment seinen Waagen wieder anzulassen. Dann schaute er auf die Uhr.

23:02.

Ein weiteres mal gähnte er.

Das traurige Lied im Radio blendete langsam aus und ein neues nahm seinen Platz ein. Es hatte einen schnellen Rhythmus und ein Sänger trällerte sich euphorisch die halbe Seele aus dem Hals.

Sheldon hüpfte etwas auf und ab und machte ein dämliches Gesicht.

Zwischendurch sprach er einige Sätze des Liedes mit und verzog verhetzend seine Miene, dann knallte er mit der flachen Faust gegen den Knopf: "Halt’s Maul..." Er warf seinem Radio einen bösen Blick zu.

Nun hörte man nur noch das laute Trippeln des Regens auf dem Dach des Autos und die Scheibenwischer auf der Frontscheibe.

Sheldon seufzte. Nach einer langen Weile Stillschweigen schaute er schließlich zur Seite.

Er griff nach der Waffe auf dem Beifahrersitz und hob die senkrecht vor seine Nase.

Mit einem schielenden Blick betrachtete er sie von oben bis unten, dann schaute er nach ob die geladen war, nickte als er sah, dass sie es war und legte sie an ihren Platz zurück.

Plötzlich riss jemand die Beifahrertür auf und ein vor Wasser triefendes Geschöpf schmiss sich auf den Platz neben dem Mann am Lenkrad.

Sheldon juckste auf: "Ey, bist du bescheuert? Du machst das ganze Auto dreckig!" Er wedelte mit seinen Händen und schubste sie ein wenig, sodass sie sich nicht ganz hinsetzen konnte. "Außerdem bist du viel zu spät!"

Das Mädchen neben ihm schaute auf, sie verzog eine Augenbraue und deutete dann einen vor Sarkasmus triefenden Kuss an, während sie mit einem leichten Fußtritt Sheldons Waffe vom Sitz hinunter kickte. Mit ihrer freien Hand zog sie die Autotür mit einem Knallen zu, dass das Blech vibrierte.

Sie hatte ein langes, gelbes Regencape übergezogen, darunter eine ziemlich unseriös ausschauende Müllmannuniform. Die Kapuze des Capes hatte sie sich tief ins Gesicht gezogen und nur ein paar lange, braune, tropfende Haarsträhnen baumelten vor ihrem Gesicht.

"Zieh den Drecksmist wenigstens aus, Cherry, ich bin nicht bereit dich SO rumzukutschieren! Und als Dank, dass ich hier schon geschlagene 50 Minuten meinen Arsch plattsitze, nur weil du nichts auf die Reihe bekommst, machst du auch noch meine niegel nagel neuen Sitze dreckig!"

"Stell dich nicht so an...", Cherry zog das Cape von ihren Schultern und es landete unten auf der achtlos weggeschmissenen Waffe im Fußraum.

Sie schüttelte ihre leicht gewellten, dunkelbraunen Haare auf, welche ihr fast bis zur Taille gingen. Dies konnte man gut erkennen, als sie sich nach vorn beugte um etwas unter dem Regencape hervorzuziehen.

Ihre Augen, unter denen, wenn man genau hinschaute, ein paar Sommersprossen zu sehen waren, waren ebenfalls braun, außerdem sie hatte eine leichte Stupsnase. Ihre wohlgeformten Lippen waren sehr voll und unterstrichen mit ihrer rosigen Farbe ihren blassbraunen Teint.

"Ich hab auch keine Lust, mich im Regen umzuziehen", murmelte sie, dann öffnete sie den Reisverschluss des gelb-orangen Overall.

Sheldon stöhnte nur leise auf, bevor er sich zu ihr drehte und hinunterbeugte, um seine Waffe aus dem zugemüllten Fußraum zu ziehen, dann plötzlich hielt er inne. Und grinste.

„Darf ich das machen?“ Er deutete mit einer leicht sarkastischen Miene auf das gelbe Nass um Cherrys Körper, das sie gerade auszog.

„Ganz sicher nicht.“ Nachdem sie das feuchte Kleidungsstück bis zu ihrer Hüfte gezogen hatte und sich kurz aufbäumte um es über ihren, wie Sheldon sagen würde, "geilen Arsch" zu ziehen, setzte sie sich wieder aufrecht hin. Sie öffnete das Kästchen, welches sie gerade unten, aus dem Cape gezogen hatte, betrachtete sich ein, zwei mal im Spiegel und stellte es auf das Armaturenbrett.

Sheldon verzog leicht verständnislos seine Augenbrauen. „Heute mal nicht so notgeil, Zuckermuschi?“

„Niemals.“

„Ach nein?“ Sheldon stütze sich auf ihrem Oberschenkel hab und beugte sich zu ihr vor.

Cherry grinste kurz: „Nein.“

Und wieder war es an dem braunhaarigem Agenten zu stöhnen: „Verwöhntes Weib. Nie bist du mal brav und hörst auf das was man dir sagt.“

Mit diesen Worten lehnte er sich im Sitz zurück und drückte auf das Gas. Und natürlich wusste er genau, auch wenn er so viele Grünphasen verpasst hatte, dass er voll über Rot gefahren war.

New York - Four Seasons

Genervt lief Sheldon durch die langen Gänge des New Yorker Police Departments. Er war nun gefühlte zwei Jahre nicht mehr hier gewesen und es machte ihn auch nicht sehr glücklich, dass er wieder herzitiert wurde. Seufzend klemmte er sich die Strähne seiner braunen Haare hinters Ohr, die ihm schon die ganze Zeit vor dem Gesicht gebaumelt hatte.

Was auch immer seinen verhassten Exchef dazu bewegt hatte, ihn herzubestellen, es war sicher nichts Gutes.

Das letzte Mal war er die sterilen, weißen Gänge im 17. Stock des Wolkenkratzers langgelaufen, um sich seine Entlassungspapiere abzuholen. Nachdem der langhaarige Agent den langen Gang passiert hatte, blieb er stehen und las das Schild neben der Tür.

296

Mr. L. Watson

Chief of Police

Ein weiteres Mal entwich seinem Mund ein Seufzen. Für einen kurzen Moment hatte er gehofft, dass Watson das Department verlassen und sich endlich zur Ruhe gesetzt hatte.

"Gott, warum hasst du mich so, du Dreckskerl?", murmelte Sheldon, dann klopfte er an der weißen Bürotür. Als er den Raum betrat, schlug ihm stickige Luft, vermischt mit dem Gestank von Zigarren und Pizza entgegen. Der Zigarrenqualm glänzte im Licht der vereinzelten Sonnenstrahlen, die durch die eingedrehte Jalousie drangen.

"Leonor, alter Freund!" Mit ausgebreiteten Armen betrat Sheldon den Raum.

Der Mann am Tisch blickte auf, dann biss er in seine Pizza. "Hören Sie auf zu schleimen, Sands, das macht meinen Wagen auch nicht wieder ganz", nuschelte er mit vollem Mund. Dann deutete er auf den Stuhl vor seinem langen, rustikalen Schreibtisch: "Setzen Sie sich."

Genervt stöhnend setzte sich Sheldon auf den Holzstuhl, lehnte sich zurück und legte seine Beine

auf den Bürotisch vor ihm. Sein Stuhl kippelte ein Stück zurück. Er faltete seine Hände in seinem Schoß.

"Was kann ich für Sie tun, Leonory?", grinste er. Watson verdrehte gernervt die Augen und lehnte sich ein Stück nach vorn, um sein angebissenes Stück Pizza zurück in den verschmierten Karton zu befördern. "Spielen Sie sich nicht so auf", sagte er leicht angestrengt. Er lehnte sich zurück und nippte an seiner Kaffeetasse. "Ich wusste doch, dass ich damals einen Grund hatte, Sie zu entlassen."

"Und trotzdem lassen Sie mich immer wieder antanzen. Sie können einfach nicht ohne mich, was?" Ein weiteres Mal war es an dem braunhaarigen Agenten zu grinsen. Dann ließ er seinen Blick durch das Büro schweifen: "Hübsche Inneneinrichtung übrigens. Wie nennt sich sowas? Mittelaltermafia?"

Watson verdrehte die Augen, während er sich mit dem Zeigefinger die Reste seiner Pizza aus den Zähnen pulte. "Halten sie ihr freches Maul und schauen Sie sich das an." Er pfefferte Sheldon eine Akte vor die Nase. Plötzlich flammte Interesse in seinem Gesicht auf und er zog die Akte vom Tisch. Nachdem er die erste Seite eingehend studiert hatte, richtete er seinen Blick wieder auf den grauhaarigen Chief. Verwundert hob er die Augenbrauen: "Sergejev?"

"Iwan Sergejev um genau zu sein", Watson wischte seinen Mund mit seinem Ärmel ab, "Er ist russischer Spion und nicht zu unterschätzen. Vor etwa einem Jahr hatten wir einen Maulwurf in Abteilung 4. Nachdem er zur Rechenschaft gezogen wurde, tauchte Sergejevs Name in unseren Akten auf. Der Drecksack aus der 4 scheint sich aus Angst vor unseren Leuten wohl so in die Hose geschissen zu haben, dass er seine Eignen verraten hat."

"Vor soetwas wie Ihnen hätte ich aber auch Angst, Lory." Sheldon feixte.

"Halten sie sich geschlossen, Sands." Er wischte die Pizzakrümel vom Tisch auf den Boden. "Und hören sie auf mir alberne Spitznamen zu geben."

"Entschuldigen Sie, Madame."

"Ja ja." Ein weiteres Mal verdrehte Watson die Augen, dann zog er sich eine Zigarette aus einer zerbeulten Schachtel

und zündete sie an.

"Wir haben den Verdacht, dass das Ganze nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist. Wir schätzen, dass Sergejev kein kleiner Fisch war. Er ist nicht nur ein ausgezeichneter Spion, er ist ausserdem ein ausgebildeter Killer." Dichter Rauch quoll aus seiner Nase.

"Uuh." Sheldon entwich ein sarkastisch beeindrucktes Pfeiffen.

"Sands", Watson zog ein weiteres Mal an seiner Zigarette, "Halten sie endlich ihre Klappe und hören sie zu." Dann deutete er erneut auf die Akte: "Ihr habt den Auftrag Sergejev zu finden und in Erfahrung zu bringen, was die Russen wollen."

"IHR habt..?", Sands verzog eine Miene.

"Sie und Parker."

Sands legte stöhnend seinen Kopf in den Nacken, dann lehnte er sich nach vorn und nahm sich ebenfalls eine Zigarette

aus der Schachtel auf dem Tisch. "Brauch ich jetzt einen Anstands-Wau-Wau, oder was? Sie wissen genau, dass ich grundsätzlich alleine arbeite und das wird sich auch so schnell nicht ändern", nuschelte er, die Zigarette im Mundwinkel. Dann zündete er sie an und lehnte sich wieder zurück.

"Parker ist kein Anstands-Wau-Wau. Sie ist eine ausgebildete Agentin und sie ist die Beste, die wir bekommen können." Der braunhaarige Agent zog seine Augenbrauen in die Höhe, dann nahm er die Zigarette aus dem Mund.

"SIE? Ich meine, moment mal, SIE?" Er zog seine Beine vom Tisch und lehnte sich nach vorn.

Abwertend belächelte Watson Sheldons ungläubigen Blick: "Immer noch der gute, alte Chauvi, was Sands? Nur leider bringt Ihnen das relativ wenig. Parker wird Ihnen gehörig den Marsch blasen, wenn Sie sich so in ihrer Gegenwart verhalten."

"Die kann mir was ganz anderes blasen, wenn ich sie sehe." Kopfschüttelnd zog er ein weiteres Mal an der Zigarette und bließ den Rauch aus Nase und Mund, während er sich die Augen rieb. "Erst zitieren sie mich hier hin, dann erzählen sie mir was von korrupten, russischen Vollidioten und dann wollen sie mir auchnoch 'ne Frau, ich betone, eine FRAU zur Seite stellen. Haben sie gesoffen, Lory?"

Ein weiteres Mal grinste der Chief. "Das ist Ihre letzte Chance, Sands. Wenn Sie das nicht durchziehen, gehen sie in

den Knast."

Stöhnend senkte Sheldon den Kopf: "Für was wollen sie mich einbuchten? Für die paar Kratzer in ihrem Wagen?"

"Nein. Für Steuerhinterziehung und Drogenhandel." Der Chief schielte auf seine Zigarette.

Sheldon hob leicht schockiert den Kopf: "Was-"

"Wir mussten uns doch etwas überlegen, damit Sie mitspielen", unterbrach Watson ihn, "Glauben Sie mir, ich bin auch nicht glücklich, dass ich Sie wieder herbitten musste. Aber Sie sind nunmal der Beste für sowas."

Grinsend schüttelte der Agent den Kopf: "Sie Arschloch wollen mich also für diese unsinnigen Dinge in den Knast stecken, wenn ich nicht mit ihrer Tussi böse Schlingel jagen gehe, hm?"

Watson drückte seine Zigarette aus und nippte ein weiteres Mal an seiner Kaffeetasse, deren Inhalt längst kalt geworden war. "Ich würde es anders formulieren, aber ja." Dann lehnte er sich nach vorn und legte Sheldon einen Schlüssel vor die Nase: "Morgen, 14.00 Uhr im 'Four Seasons'-Hotel, Sands. Und ziehen Sie sich etwas besseres an, Sie sehen aus, wie ein arbeitsloser Penner."

"Ficken Sie sich ins Knie." Sheldon erhob sich von seinem Stuhl und schnappte sich den Schlüssel vom Tisch.

"Bis morgen dann", ein selbstgefälliges Grinsen huschte über Watsons Gesicht. Sheldon öffnete die Tür und zeigte ihm nur den Mittelfinger. Dann drehte er sich um und verließ das stickige Büro.
 

Die heiße Sommersonne prallte auf die vollen Straßen New Yorks nieder. Mit langsamen Schritten betrat Sheldon Sands, ehemaliger Polizist der New Yorker Polizei und Agent des CIAs, das pompöse Hotel.

"Was kann ich für Sie tun?" Eine große, schlanke Frau lächelte ihn von der Rezeption aus an. Sie hatte dunkelblondes,

hochgestecktes Haar und um ihre dürren Schultern, trug sie einen schwarzen Blazer, an dessen Kragen das Emblem des 'Four Seasons' zu sehen war. Sheldon trat an die Rezeption heran: "Sands. Sheldon Jefrrey Sands. Ich bin verabredet."

"Moment, ich schaue kurz nach." Die Blonde an der Rezeption widmete sich ihrem PC. Sheldon ließ seinen Blick durch die Eingangshalle schweifen. "Nett hier", sagte er beeindruckt, dann grinste er sein Gegenüber an. Sie nickte, dann lächelte sie erneut. Man hörte sie ein, zwei mal klicken, dann tippte sie schnell etwas in ihre Tastatur. Kurz darauf blickte sie Sheldon bestürtzt an: "Tut mir Leid, Mr. Sands. Ich kann keinen Eintrag finden."

"Hm..." Sheldon tippte mit dem Finger auf das Mamor der Rezeption. "Dann suchen Sie nach Watson. Leonor Watson." Wieder senkte sie ihren Blick auf den PC, dann nickte sie: "Er hat vor einer halben Stunde eingecheckt. Er müsste sich also derweil noch in der Lobby befinden." Sie hob ihre Hand und deutete in Richtung Treppe. "Neben der Treppe links." Sheldon beugte sich ein Stück nach vorn: "Danke, Schätzchen." Dann stieß er sich von der Rezeption ab und passierte die große Eingangshalle. Die Decke der Lobby war um die zehn Meter hoch. Die Wände des Raumes waren allesamt aus weissem Marmor mit ein paar farbigen Akzenten und es standen ein paar große, schwarze Ledersofas vor niedrigen Glastischen, auf denen Zeitungen und Zeitschriften ausgelegt waren. Von der Decke hingen protzige Kronleuchter.

Sheldon konnte Watson auf einem der Sofas erkennen, wie er, die Beine übereinander geschlagen, etwas las. In seinem Mundwinkel steckte eine Zigarre. Der blaue Dunst stieg in Richtung der hohen Raumdecke. Er trug einen grauen, knielangen Mantel, darunter ein schwarzes T-Shirt und eine dunkle Jeans. An den Füßen trug er schwarze Lackschuhe, die um einiges länger waren, als seine Füße selbst. Der braunhaarige Agent durchquerte den großen Raum, dann stellte er sich vor den grauhaarigen Chief und steckte seine Daumen in den Saum seiner Hose: "Na, Chef?" Seine freien Finger tippten auf seine schwarze Jeans, in die er sein dunkles T-Shirt gesteckt hatte. Seine fast schulterlangen, braunen Haare, hatte er am Hinterkopf zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammengebunden. Seine Augen verdeckte eine dunkle Sonnenbrille.

"Sie sind zu spät", nuschelte Watson, ohne von seiner Zeitung aufzublicken.

"Bin ich?" Verwundert hob Sheldon sein Handgelenk vor sein Gesicht und blickte auf seine Uhr.

14:29.

"Sind Sie. Setzen Sie sich hin." Noch immer blickte Watson auf seine Zeitung. Als Sheldon sich auf das schwarze Sofa

gegenüber gesetzt hatte, sah er zu ihm auf.

"Wo ist denn meine Gehilfstussi?", fragte der Agent, als er es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht hatte. Mit ausgebreiteten Armen, die er auf der Rückenlehne platzierte, lehnte er sich zurück.

"Die müsste eigentlich auch schon da sein. Aber da Sie zu spät sind, müssen wir das Ganze ein wenig abkürzen, bis sie kommt", sagte Watson und beugte sich nach vorn, um seine Zeitung zurück auf den Tisch zu den anderen zu legen. "Also, folgendes." Mit zwei Rucken zog er einen Ordner aus seinem schwarzen, ledernen Aktenkoffer. Er legte ihn auf seinen Schoß und feuchtete seinen Finger an. Kurz blätterte er durch die Seiten, dann fing er an zu sprechen: "Ihr zwei werdet erstmal von New York aus ermitteln. Alles was ihr braucht ist hier drin." Er deutete auf den Ordner vor sich. "Ihr habt drei Tage Zeit, um genug über Sergejev in Erfahrung zu bringen, denn am 4. Juni geht euer Flug nach Moskau."

"Sagen sie das meiner Anstandsdame und nicht mir."

"Das können Sie ihr auch selbst sagen", feixte Watson und wendete seinen Blick zu der jungen Frau, die nun am Eingang der Lobby stand.

Sie war um die 1, 70 m groß und hatte ihre taillenlangen, braunen Haare zu einem hohen Pferdeschwanz nach hinten gebunden. Die Längen des Zopfes waren geflochten. Ihre helle Jeans hatte sie in ihre Bootschuhe gesteckt, die bis zur Mitte ihrer Waden reichten. Obenrum trug sie ein einfaches weisses Top und auf ihrer Nase hatte sie ebenfalls eine dunkle, große Sonnenbrille. Mit einem leichten Grinsen auf den Lippen machte sie ihren Weg zu den zwei Männern in der Ecke der Raumes.

"Parker", Watsons Mundwinkel durchzuckte ein Grinsen, "wie schön, dass wenigstens Sie pünktlich kommen." Mit einer leicht sarkastischen Miene, hob er seinen Blick zu ihr.

"Hätten Sie nicht etwas noch protzigeres auswählen können, Leonor?"

"Nein." Lächelnd erhob sich der Chief und lies sich von ihr einen Kuss links und rechts geben, dann deutete er auf den Platz neben Sheldon. Dieser saß noch immer mit ausgebreiteten Armen auf dem Sofa. Seine Sonnenbrille hatte er derweil abgenommen und starrte ihr mit hochgezogenen Augenbrauen und einem Grinsen im Gesicht unverschämt eindeutig auf den Hintern.

Die Frau wendete ihren Blick von Watson ab und sah hinunter auf den zufrieden grinsenden Agenten auf dem Sofa. "Na, Zuckermuschi?", Sheldons selbstgefälliges Grinsen wurde breiter.

Für einen Moment starrte ihn die Frau fassungslos an, dann sah sie wieder zum Chief: "Ist das 'n Witz?"

"Setzen Sie sich hin, Parker."

Ihrem Mund entwich ein genervtes Stöhnen, dann setzte sie sich an den Rand des Sofas, auf dem Sheldon Platz genommen hatte und zog sich ihre Sonnenbrille von ihrer Nase.

"Dieser ungemein seriörs ausschauende Mann neben Ihnen, Parker", der sarkastische Unterton in Watsons Stimme war zur Genüge herauszuhören, "ist Sheldon Jeffrey Sands. Er arbietet beim CIA und ist einer unserer top Agenten."

Gespielt beeindurckt zog die Frau ihre Augenbrauen in die Höhe: "Wow."

"Sands, über sie da", der Chief deutete mit einer Geste auf die braunhaarige Frau, "brauche ich Ihnen wohl nichts mehr erklären. Sie heißt übrigens Cherrily Susan Parker."

"Ich bleibe bei Zuckermuschi." Sheldon drehte seinen Kopf zu Cherry und ein weiteres Grinsen umspielte seine Lippen: "Ich wusste gar nicht, dass das FBI mitlerweile ihre Tipsen auf die Jagd nach bösen Buben schickt."

Cherry verdrehte die Augen und steckte den Bügel ihrer Sonnenbrille in ihren Ausschnitt: "Erlaub dir nicht zu viel, du kleiner Pisser."

Seufzend legte Watson seinen Kopf in den Nacken. "Na das kann ja heiter werden", murmelte er leise, dann blickte er die zwei vor sich genervt an. "Ich möchte, dass ihr beide euch wie zivilisierte Erwachsene verhaltet, auch wenn ich weiß, dass euch das ungemein schwer fällt. Ich hab genug zu tun, ich will nicht noch Kindergärtner spielen." Dann legte er den dicken schwarzen Ordner vor Cherry und Sheldon auf den Tisch und richtete sich auf. "Ich hab hier ein Zimmer für euch reserviert. In 3 Tagen treffen wir uns am Flughafen." Mit diesen Worten streckte er sich und lies die beiden Agenten auf dem Sofa sitzen. "Seid schön brav", sagte er noch etwas lauter, dann ging durch den Eingang der Lobby und verschwand aus ihrem Blickfeld.

New York - Burn, Bitch, Burn

Der kalte Atem des Russen zog sich wie ein Spinnenetz durch die trockene Luft. Vereinzelt klebte vereister Schnee in seinem stoppligen, schwarzen Bart und seine 2 langen Narben, die sich den Kiefer entlang über seine Halsschlagader zu seiner haarigen Brust zogen, waren blau-lila angelaufen. So auch die Wunden und Verletzungen an seinen Händen und Armen.

Angestrengt verzog er seine Miene, als er ein Maschinengewehr zwischen den anderen hervorzog. Dann richtete er sich auf und leckte seine obere Zahnreihe.

Der Schnee knirschte unter seinen dicken, schwarzen Stiefeln, als er die alte Holzhütte wieder verlies.

"Eh! Nikolajew!", brüllte er mit rauher Stimme über den schneeverwehten Platz, was einen anderen groß gebauten Mann dazu verleitete, sich umzudrehen. "Komm her!"

Der Große setzte sich in Bewegung und schwenkte in seiner rechten Hand ebenfalls ein Gewehr.

"Was, Sorokin?", sprach er mit einer lauten, rauen Stimme, die perfekt zu seinem klotzigen Körperbau passte.

Sein Englisch war schlecht und durch seinen Akzent konnte man hören, dass auch er Russe sein musste.

"Wie viele?", spuckte Sorokin seinem Gegenüber ins Gesicht.

"4 Stück bis jetzt." Mit einem grummelnden Geräusch zog Nikolajew die Nase hoch und spuckte den Rotz in den Schnee. Dann wischte er mit seiner Hand Nase und Mund ab.

"Erst?" Sorokins Blick wurde noch düsterer als er zuvor schon gewesen war.

"Sie waren alle nicht gut genug."

"Habt ihr wenigstens den Müll entsorgt?" Der vernarbte Russe bohrte den Lauf seiner Waffe tief in den Schnee und lies seinen Blick über des vereiste Militärgelände schweifen. Die großen Holzhütten am Ende des weissen Landes waren ebenfalls stark zugefrohren und die Männer auf dem Platz umgab ein dichter, kalter Nebel.

"Haben wir", ein weiteres mal spuckte der Riese gelben Rotz vor Sorokin. "Dienen nett als Feuerholz."

Auf Nikolajews Gesicht breitete sich ein biestiges Grinsen aus, welches sein klaviertastenartiges Gebiss entblößte.

Sorokin zog mit einem Ruck sein Maschinengewehr aus dem Schnee und fing es am Griff. Mit grimmiger Miene und verzogenem Mund, drückte er seinem Gegenüber den Lauf des Gewehrs unter das Kinn, an welchem kalter, getauter Schnee tropfte.

"Bewegt euren Arsch und macht schneller, ihr scheiss Nichtsnutze", fauchte er. Er versetzte Nikolajews einen leichten Stoß und wendete sich von ihm ab.

Dann ging er leicht humpelnd über den vereisten Militärplatz zu einer großen Holzhütte.

Durch ihre löchrigen Holzlatten drangen die gequälten Schreie einer Frau, die im Nichts der Schneelandschaft leise verhallten.
 

"Ein Doppelbett? Will der alte Sack mich verarschen?" Cherry pfefferte ihren schwarzen Rucksack in die Ecke des Raumes, dann lies sie ihren Blick durch die große Luxussuite schweifen. "Aber die Suite hat was."

"Lory scheint wohl zu wollen, dass wir gut zusammenarbeiten." Der braunhaarige CIA-Agent lies die Tür hinter sich zufallen und ein anstößiges Grinsen in seinem Gesicht aufblitzen. Während er sich an mit dem Anblick des Pools vor der großen Fensterfront begnügte, legte er den dicken, schwarzen Ordner von Watson auf das Hotelbett.

"Falls du denkst, dass ich mit dir schlafe, hast du dich geschnitten", hörte man Cherrys Stimme aus Bad klingen, in das sie sich, gleich nachdem ihre Waffen unter ihrem Kopfkissen verschwunden waren, verzogen hatte.

"Niemals, Ms. Parker" Sheldon feixte, dann drehte er sich zu dem Ordner und blätterte durch die ersten Seiten.

"Sergejev", murmelte er, dann richtete er seinen Blick auf Cherry, die aus dem Bad zurückkam. "Sag mal, was hat Watson dir über diesen komischen Russen erzählt?"

"Nichts besonderes", antwortete Cherry, während sie einen Laptop aus ihrem Rucksack zog und ihn auf das Hotelbett legte. "Nur, dass dieser Kerl wohl irgendwen aus dem Department dazu animiert hat, vertrauliche Daten rauszugeben." Dann richtete sie sich auf und legte sich auf den Bauch quer über das Bett. Sie klappte ihren Laptop auf und drückte auf den Powerschalter. Schnell richtete sie ihren Blick wieder auf Sheldon: "Sag mal, sind eigentlich alle beim CIA so scheisse wie du?"

Verwundert hob Sheldon seine Augenbrauen, dann grinste er: "Nein, aber man kann ja nicht alles haben, Zuckermuschi." Er setzte sich neben ihren Laptop und blätterte erneut durch den Ordner. "Aber ich denke, deswegen hat Lory uns auch ausgesucht. Wie sagt man noch?" Er lehnte sich zurück, stützte sich auf seine Handballen und stieß ein leises Seufzen aus. "Gleich und gleich gesellt sich gern."

Ein leichtes Grinsen huschte über Cherrys Gesicht, dann zog sie den Ordner von Sheldons Schoß und legte ihn neben die Tastatur. Mit zwei klicken öffnete sie eines der vielen Programme auf ihrem Desktop.

Eine schwarze Fläche öffnete sich. In eines der Kästchen tippte sie Iwan Sergejevs Namen und eine Codenummer, die sie von einem der ersten Blätter des Ordners ablas.

Angewidert verzog sie das Gesicht: "Der Kerl hat dringend mal ein Umstyling nötig.", sagte sie und bearbeitete ihren Kaugummi, den sie sich auf dem Weg ins Hotelzimmer genehmigt hatte. Den dummen, anstößigen Kommentar von Sheldon über "frischen Mundgeruch", den sie nach ihm natürlich nur für ihn "frisch" machte, hatte sie gepflegt überhört.

Konzentriert lies Cherry ihren Blick über die Daten des schäbbigen Russen schweifen, dann hielt sie inne. "27. Mai", nuschelte sie. Dann scrollte sie weiter durch seine Akte.

Sheldon richtete sich auf und streckte sich ächzend: "Hat 'der alte Sack' was dazu gesagt, wann wir am Flughafen sein sollen?"

"Neun Uhr", antwortete die junge Agentin einsilbig, dann klappte sie ihren Laptop zu und legte ihn neben das Bett. Suchend wühlte sie einen Moment in ihrem Rucksack, dann zog sie eine Hose und ein Shirt heraus und richtete sich auf.

Nachdem sie ihre Jeans aufgeknöpft und sie über ihre Beine gezogen hatte, hielt sie inne. Dann drehte sie sich um und sah genau das, was sie erwartet hatte. Sheldon lag derweil auf dem Bett. Seine Arme hatte er hinter seinem Kopf verschränkt und ein selbstgefälliges Grinsen schmückte sein Gesicht: "Willst du mich mit deinem Striptease geil machen, Zuckermuschi, oder was soll das werden?"

Genervt verdrehte Cherry die Augen, dann machte sie ihren Weg durch das Zimmer und verschwand erneut im Bad.

Leise lachend legte Sheldon seinen Kopf in den Nacken. Sich entspannend schloss er die Augen: "Dumme Zicke."

Dann machte er sich es bequem und legte den Ordner wieder auf seinen Schoß: "So, Iwan, was haben wir denn verbrochen?"

Gemächlich blätterte er durch die Seiten.

Nach einer Viertelstunde kam die Braunhaarige wieder aus dem Bad. Sie hatte sich derweil eine schwarze Hotpants angezogen, in die sie ihr schwarzes, schlichtes Shirt gesteckt hatte. Um ihre Hüften hatte sie einen Gürtel geschnallt, an denen die Halterungen für ihre USP Matches befestigt waren und darunter schlang sich um jeden ihrer Oberschenkel eine Art Verlängerung ihres Gürtels. Auf ihrer Nase hatte sie sich wieder ihre dunkle, große Sonnenbrille gesetzt und schlenderte nun zum Bett, um ihre Pistolen unter dem Kissen hervorzuziehen. Dann steckte sie sie in die Halterungen und zückte ihr Handy aus der Hosentasche.

"Was soll der Aufzug?" Sheldon blickte von seiner derzeitigen Tätigkeit auf und verzog eine Miene.

Eine Antwort bekam er nicht.

"Hey", sagte Cherry, als sich am anderen Ende der Leitung jemand gemeldet hatte. "Kann ich eben vorbeikommen? Es geht um die Sache vom 27. Mai."

Der braunhaarige Agent auf dem Bett hob verwundert eine Augenbraue in die Höhe, dann grinste er: "Neuer Freier?"

Cherry rollte die Augen, dann zog sie ihre Waffe aus der Halterung und drückte den Abzug.

Die Kugel traf ein Stück über Sheldons Kopf die Wand und zerbärste den weiss tapezierten Beton. Nebliger Staub rieselte auf den Kopf des Agenten auf dem Bett nieder.

Einen kurzen Moment starrte er in Cherrys Richtung, dann drehte er sich zu dem Loch in der Wand und wieder zurück zu der Agentin, die noch immer telefonierend an der Tür stand.

"Sag mal, bist du bescheuert, du scheiss Zicke?" Sein zuvor eher belustigter Gesichtsausdruck schien nun wütend und schockiert. "Du hättest mich treffen können!"

"Ach, hab ich nicht?" Sie steckte ihr Handy zurück in ihre Hosentasche, dann öffnete sie die Tür. "Bis später."

Mit diesen Worten lies sie die Tür ins Schloss fallen. Sheldon starrte ihr fassungslos nach, dann lehnte er sich zurück und betrachtete vom Bett aus das Loch in der Wand. "Ich hasse Sie, Watson, Sie Scheisskerl", seufzte er. "Ich hasse Sie einfach."
 

Genervt schwang sich Cherry auf ihr Motorrad, welches sie hinter dem Hotel geparkt hatte. Sie startete den Motor und setzte ihren Helm auf, den sie zuvor unter dem Arm getragen hatte. Dann gab sie Gas und bog aus der Parkplatzausfahrt.

Als sie die E 70th Street, Ecke Park Avenue erreichte, stieg sie ab und klingelte links neben dem untersten Schild.

T. Ming

Eine Männerstimme ertönte verzerrt durch den Lautsprecherschlitz: "Ja?"

"Ich bins, Tae, mach auf."

Kurz herrschte Stille, dann drang das schrille Geräusch des Öffners in Cherrys Ohren und sie drückte gegen die schwere Tür des Blockhauses. Sie ging zwei Treppenstufen hinauf und entdeckte dann den asiatischen, kleinen Kerl, der durch einen Türschlitz lugte. Sie grinste: "Bist du immer noch so paranoid?"

Als er ihre Stimme hörte, öffnete er die Tür etwas weiter. "Man kann nie wissen, Sue." Dann lächelte er und breitete die Arme aus. "Lang nicht gesehen."

Einen kurzen Moment drückte sie den jungen Mann, der bloß ein paar Zentimeter größer war als sie, dann ging sie an ihm vorbei in die kleine, unordentliche Einzimmerwohnung.

"Du solltest mal wieder aufräumen. Ist deine Mama nicht zu Hause?", sagte Cherry, während sie sich umsah.

Auf dem Boden lagen hier und da ein paar Kleidungsstücke verteilt. Die Rolläden waren in dem Raum, der direkt an den Flur angrenzte, heruntergelassen und nur das Licht des Computers, welcher auf einem zugemüllten Schreibtisch in der Ecke des Zimmer stand, versorgte die Dunkelheit mit ein wenig Licht. Auf dem Sofa lagen Pappkartons, in denen noch einige angebissene Pizzastücke zu finden waren und unter dem Bett konnte man verschiedene Kabel herrausragen sehen, die zum Schreibtisch hin alle möglichen Geräte mit Strom versorgten. Die stickige Luft in Taes Zimmer glich der einer Kneipe bei einem Baseballspiel während der Sommersaison.

"Lass meine Mutter aus dem Spiel. Die ist froh, dass ich mittlerweile ausgezogen bin", antwortete Tae gelassen und ging an der braunhaarigen Agentin vorbei zurück an seinen Schreibtisch. Sie folgte ihm und lies ihren Blick durch sein Zimmer schweifen, um einen geeigneten Platz zum sitzen zu finden. Schnell gab sie es jedoch auf und stellte sich hinter Tae an den PC. Sie lehnte sich nach vorn und stützte ihre eine Hand auf den Schreibtisch. Die andere auf seinen schwarzen Drehstuhl, der schon ein Loch an der Lehne hatte, an dem das Polyester durchgesessen war.

"Spielst du immer noch dieses alberne Spiel?" Cherry deutete mit einer Geste auf den Bildschirm, auf dem der Titlescreen eines Internetgames flimmerte.

"Das ist nicht albern, Sue, das ist internationales Freundschaftenschließen und-"

"-absolut real." Cherry grinste. "Absolut."

Der kurzhaarige Asiate seufzte, dann klickte er das Spiel von seinem Bildschirm: "Du sagst, es geht um den 27. Mai?" Er tippte etwas in seine Tastatur.

"Jep." Cherry lehnte sich etwas nach vorn und griff nach der Colaflasche auf dem Schreibtisch. Innerhalb des Flaschenhalses hatte sich schon ein milchiger Dunst abgesetzt und es schien so, als habe sie auch keine Kohlensäure mehr. Mit einem angewiderten Blick stellte sie die Flasche zurück auf dem Schreibtisch.

"Ich bin auf einen neuen Fall angesetzt worden", sagte sie, während sie gespannt verfolgte, was Tae in seine Tasten hämmerte. "Es geht um einen gewissen Iwan Sergejev. Er hatte Kontakt zu einem Maulwurf in Abteilung 4 im NYPD."

"Ach." Tae hob gespannt die Augenbrauen.

"Na ja. Im Grunde hat das nicht wirklich viel mit den Vorfällen am 27. Mai zu tun und ich wäre auch nie darauf gekommen, bis ich in seiner Akte gelesen habe, dass er genau an dem besagten Tag, drei Stunden vor Fund der Leiche von Überwachungskameras aufgezeichnet wurde." Cherry kniff die Augen konzentriert zusammen, dann hob sie fragend die Augenbrauen: "Sag mal, was machst du da eigentlich, du kleiner Freak?"

"Schreibe meine Hausarbeit für Numerik. Red weiter."

Genervt seufzend fuhr die braunhaarige Agentin fort: "Er hat einige Vorstrafen, allerdings nur kleine Dinge. Drogenhandel und Diebstahl, Vergewaltigung und sowas halt." Sie räusperte sich. "Allerdings hatten wir doch dieses kleine Problemchen damals, wegen diesem Fall am 27., erinnerst du dich?"

"Ja, ich erinnere mich. Die Schnittstellen."

"Genau, durch ihre Wunden ist der Forensiker darauf gekommen, dass der Mörder ein ausgebildeter Killer hätte sein müssen. Zwei gezielte Stiche, zweimal durch die Aorta."

"Und du glaubst jetzt, dass dein komischer Sergenif der Mörder ist." Tae hielt seinen Blick stets auf seinen flimmernden Computerbildschirm gerichtet und ratterte Zahlen in sein Dokument.

"Sergejev heißt er. Und ja, den Verdacht habe ich schon. Vor allem, weil Sergejev einer dieser ausgebildeten Killer ist, die soetwas hätten veranstalten können, verstehst du?" Cherry lies ihren Blick durch Taes Zimmer wandern.

"Und meine Aufgabe dabei ist...?"

"Du, Tae, hackst dich in alle Departments in ganz Amerika und ziehst mir alle Mordfälle in diesem Muster runter, welche du mir dann schicken wirst."

"Wird gemacht, Chef", grinste der schmächtige Asiate. "Ist morgen Mittag auf dem PC."

"Ich schick dir deine Bezahlung dann morgen Nachmittag vorbei", feixte Cherry, dann richtete sie sich auf. "Blond oder Brünett?"

"Blond, bitte."

"Alles klar." Dann machte die junge Agentin ihren Weg durch das Chaos zurück zur Tür der Wohnung. "Wir sehn uns, Kleiner.", sagte sie noch, als sie durchs Treppenhaus zurück zu ihrem Motorrad lief und die Tür ins Schloss fiel.

Tae hörte sie ihren Motor starten und wegrasen, dann wendete er sich wieder, ein Stück seiner angebissenen Pizza im Mund, seinem PC zu.

Er schaute auf seine Uhr.

19:56.

New York - Sleep Well, Cunt

Die Sonne war bereits lange Zeit untergegangen und ein stickiges Gemisch aus Smog und Staub hatte sich über die Straßen der amerikanischen Großstadt gelegt.

Durch den nebeligen Dunst tat sich Cherry schwer, in ihrem gewohnt schnellen Tempo die Park Avenue langzubrettern.

Mittlerweile war es kurz nach Mitternacht. Die letzten vier Stunden hatte die braunhaarige FBI-Agentin damit verbracht, in einem Internetcafé nach brauchbaren Artikeln in den Archiven der NY-Times zu suchen.

Cherry bog in eine Seitenstraße und stellte den Motor ab. Das leise Geräusch ihres Klingeltons konnte sie nun besser wahrnehmen. Bevor sie den Anruf entgegennahm, schaute sie auf die Digitaluhr ihres Handys.

00:07.

"Ja?"

"Sue, ich bin's." Taes Stimme drang leise aus dem Hörer.

"Was gibt's?" Die Braunhaarige machte es sich ein bisschen bequemer auf dem Sitz ihres Zweirads.

"Hör zu, ich hab da was recht Interessantes gefunden." Nun klang die Stimme des Asiaten etwas aufgeregter und Cherry konnte ihn auf seiner Tastatur rumhämmern hören. "Das dieser Sergejev noch in New York ist, wusstest du, oder?"

Innehaltend zog die Frau am Telefon die Augenbrauen hoch: "Nein."

"Oh." Tae klickte auf seiner Maus herum, dann tippte er wieder. "Dieser Typ wurde vor drei Tagen als Gast im Broadway Plaza registriert. Ob er immer noch da ist, weiß ich nicht."

"Broadway Plaza?" Nachdenklich kaute Cherry auf dem Nagel ihres kleinen Fingers.

"Genau. Aber das war ja nichtmal das 'Interessante', was ich dir erzählen wollte." Ein weiteres Mal hörte er auf zu sprechen und tippte wieder undefinierbar auf seiner PC-Tastatur herum. Seinem Mund entwich ein erfreutes "Da" und kurz darauf fing er an zu sprechen: "Nachdem ich mich ersteinmal mit den Mordfällen von Januar bis Juni in New York vertraut gemacht hatte, bin ich auf einen Vorfall gestoßen, der mich ein wenig stutzig gemacht hat." Er räusperte sich. "Nora Bertas, eine Frau von 20, ledig, wurde vor 15 Tagen als vermisst gemeldet."

"Aha und weiter?" Cherry ließ ihren Blick durch die vernebelte Seitenstraße schweifen. Eine Katze, die sich durch die lauten Motorengeräusche unter einer der versifften Mülltonnen versteckt hatte, huschte an der Wand entlang. Dreck und Essensreste quollen aus dem Container hinten links an einer Backsteinmauer und auch auf dem Boden lagen verdreckte, alte Kitschen von Äpfeln und zerknülltes Papier.

Cherry fiel es recht schwer, alles um sich herum zu erkennen, da die Gasse nur von einer kleinen, gilblichen Lampe erhellt wurde, die über der Hintertür zu einem Bistro hing.

"Rate mal, wer gestern Abend tot im Central Park gefunden wurde?"

"Ach..." Cherry verzog eine Miene. "Und? Zwei Stiche durch die Aorta?"

"Falsch." Tae lachte leise auf. "Das wäre zu auffällig für unseren Killer." Man konnte leise das Zischen einer Flasche hören, dann schluckte der Asiate am anderen Ende eine Flüssigkeit hinunter. Nach einem Moment und einem frischen, befriedigten Seufzer, fuhr er fort: "Sie wurde stranguliert. Allerdings", erneut schluckte er, "mit einem sehr harten Drahtseil, ein Normales war es jedenfalls nicht."

"Und? Komm zur Sache, Mogli."

"Keine Spuren. Nichts. Außer der Striemen an ihrem Hals gibt es keine Hinweise auf irgendeinen Täter."

Nachdenklich biss sich Cherry auf die Unterlippe, dann ertönte erneut die helle Stimme des Asiaten am Telefon: "Allerdings haben die Gerichtsmediziner im Nachhinein festgestellt, dass die Frau, wie auch unsere Mrs. Golding vom 27., nachweisliche Spurenelemente von Heroin im Blut hatte. Ich schätze mal, dass die vom NYPD nicht damit rechnen würden, dass sie es mit einem Serienkiller zu tun haben. Immerhin sind einige Menschen in New York Fixer."

"Und vielleicht ist es auch recht vernünftig, sich nicht an solchen Sachen hochzuziehen", grinste Cherry und klemmte sich eine kleine Strähne, die aus ihrem Zopf gefallen war, hinter ihr Ohr.

"Wieder falsch." Taes Stimme klang nun stolz und erfreut. "Die beiden haben zu viel gemeinsam, als das es ein Zufall sein könnte." Er räusperte sich erneut. "Beide Frauen sind ledig, ausserdem Kinder - und Familienlos. Goldings Eltern sind, wie du weißt, verstorben und auch Bertas' Eltern oder Großeltern sind nicht als Staatsbürger eingetragen. Sie sind beide um die 20 Jahre alt und waren, wie ich finde, recht attraktiv. Ausserdem hatten sie keinerlei Vorstrafen und im Kontakt mit Drogen waren sie auch nicht. Aber das Schärfste ist: Sie sind beide Ausländerinnen, eben nicht gebürtig amerikanisch."

"Alles klar. Ich verstehe, worauf du hinaus willst." Cherry knirschte mit den Zähnen. "Ich muss zu diesem Hotel, Tae. Wenn du Recht hast, wird dieser Drecksrusse nicht mehr lange hierbleiben."

Tae seufzte: "Wie ich sehe, spricht mal wieder die Lady aus dir, hm?"

"Halt's Maul, Mogli", sagte die Agentin, ein schwaches Grinsen auf den Lippen. "Und vergiss nicht, was ich dir aufgetragen habe."

Sie drückte auf den roten Hörer, dann lehnte sie sich seufzend nach vorn und startete den Motor.

Die graue Katze huschte wieder unter den Müllcontainer, als sie wendete und wieder zurück auf die versmogte Straße New Yorks bretterte.
 

Das leuchtende Schild des Broadway Plaza erhellte die Straße in einem gelb-weissen Licht. Leise Motorengeräusche einger Autos und Limousinen, die um diese Zeit noch unterwegs waren, brummten über den Asphalt.

Vereinzelt konnte man in der Ferne Sirenen von Krankenwagen hören, die wahrscheinlich zu Discos und Parks fuhren, um die Alkoholleichen und Drogenjunks aufzusammeln. Aus Clubs und Bars drang dumpf Musik und man hörte Gekicher und Lachen von den wenigen Menschen auf den Straßen.

Cherry stieg von ihrem Motorrad ab und zog den Schlüssel aus der Zündung. Mittlerweile hatte sie sich ihre Lederjacke übergezogen. Sie war ihr ein etwas zu groß und verdeckte die Waffen an ihrem Gürtel.

Sich umschauend lief sie dann über die Straße auf das Broadway Plaza zu.

Es schien protziger zu sein, als sie es in Erinnerung gehabt hatte. Einmal war sie mit ihrem Vater dort gewesen, als dieser ein Meeting mit seinen Kollegen vom S.W.A.T. hatte.

Es war kurz vor seinem Tod, als er noch im Vorstand gewesen war.

Sie hatte ein kleines, beiges Kleid getragen und ihre schulterlangen Haare hatte ihre Mutter zu zwei Zöpfen geflochten.

"Ich seh' doof aus, Mama", hatte Cherry gequängelt und sich strikt dagegen gewehrt, aus dem Haus zu gehen. Mit verschränkten Armen hatte sie sich im Schneidersitz auf den Parkettboden des Zimmers gesetzt: "Ich will nicht mit!"

Ihr Vater hatte sich dann zu ihr heruntergebückt und ihren Kopf gestreichelt. "Du siehst wunderschön aus, meine kleine Prinzessin", hatte er gesagt. Dann hatte er sich zu ihr gesetzt. "Du hast mir doch mal gesagt, dass du werden willst wie dein alter Daddy..."

"Ja, ich will auch so werden wie du, Daddy."

"Dann solltest du dich doch auch mit deinen späteren Kollegen bekannt machen." Er hatte gegrinst und sie zu sich herangezogen. Dann hatte er geflüstert: "Die werden so von dir beeindruckt sein, dass ihnen Hören und Sehen vergeht."

"Meinst du?"

"Na klar."

Ein bedrücktes Lächeln breitete sich in Cherrys Gesicht aus, als sie die breite Straße passiert hatte.

Als sie wieder zum Eingang des Broadway Plaza guckte, verblasste es jedoch plötzlich.

Ein Mann, um die 1,80 m groß, mit einem Hut, den er sich tief ins Gesicht gezogen hatte, verließ das Hotel. Er hatte den Kragen seines schwarzen Mantels bis zu seinen Ohren hochgeklappt, über die dünne, fettige Haare, die wie Spinnenweben aussahen, flatterten. Seine Hände hatte er in den Manteltaschen versenkt und seinen Blick hatte er in Richtung Straße gerichtet.

Cherry verzog eine Miene, als sie sah, wie er um die Ecke bog und aus ihrem Sichtfeld verschwand. Schnellen Schrittes ging sie zum Eingang des Hotels.

Als sie die Rezeption erreichte, drehte sich die Frau hinter dem Tresen und betrachtete verwundert Cherrys nervösen Gesichtsausdruck: "Was kann ich für Sie tun?"

"Wissen Sie, wie der Mann heißt, der gerade aus dem Hotel gegangen ist?" Sie lehnte sich nach vorn, dann grinste sie gespielt: "Er hat mir so nett zugelächelt, sie verstehen?"

Die dunkelhaarige, moppelige Frau an der Rezeption nickte: "Natürlich, Madame." Sie lies ihren Blick durch die Eingangshalle schweifen, dann lehnte sie sich ein Stück nach vorn. "Ich darf das eigentlich nicht, aber sie sehen ja wohl kaum aus wie jemand, der unseren Gästen etwas Böses will." Sie lächelte.

Cherry erwiderte ihr Lächeln mit einem gespielten Seufzen: "Ach, iwo."

"Das ist Wovka Kusnezow, ein ganz reicher Mann. Jedenfalls denke ich das, denn er hat immer einen Bodyguard bei sich, ein ganz fieser Typ. Düstere Miene und vernarbte Wangen."

Sergejev, schoss Cherry durch den Kopf.

Erneut grinste sie die Frau am Tresen an: "Klingt ja spannend." Dann stieß sie sich vom Tresen ab, nickte ihr zu und passierte den Eingang des Hotels wieder. Schnell legte sie ihren Weg zu der Gasse am Ende der Straße zurück, in der Kusnekow zuvor verschwunden war.

Durch den dunklen Nebel konnte Cherry einen Hinterhof erkennen, auf dem ein leichtes, gelbes Licht flackerte. Mit bedächtigen Schritten tappte sie durch den Nebel, dann lugte sie um Ecke.

Auf einem kleinen Vorsprung der Tür saßen zwei Männer, neben ihnen eine Flasche russischer Vodka.

Keiner der beiden hatte Sergejevs schäbiges Gesicht, ob Kusnekow dabei war, wusste sie nicht.

"Scheiß Tag", raunte der eine mit kratziger Stimme. Er war Amerikaner, da war sich Cherry sicher. Er spielte in der linken Hand mit einem Sprungmesser, welches er immer wieder einklappte und aufflippen ließ.

"Das kannst du laut sagen", antwortete der andere mit einer ebenso dunklen, wie auch atemlos hauchigen Stimme, was verriet, dass er starker Raucher sein musste. In seine Stimme mischte sich ein starker russischer Akzent und die Worte, die er sagte, quollen nuschelig aus seinem Mund wie schleimiger Speichel.

"Iwan, dieser scheiss dreckige Wichser." Der Amerikaner rotzte auf den Boden und schwang seinen Kopf in den Nacken, sodass sein Genick einen lauten Knackston von sich gab. "Wenn er weiter meint, den Boss spielen zu müssen, reiss ich dem Dreckskerl seinen Schwanz ab."

Der Russe lachte keuchend und spülte mit einem Schluck des Vodkas den trockenen Speichel hinunter.

"Will ich mal sehn, was er dann sagt", nuschelte der Amerikaner und riss seinem klobigen Sitznachbarn die Flasche aus der Hand. "Nastrowje, Naztaw."

"Nastrowje", keuchte der Russe, dann sah er sich um. "Wie lange müssen wir hier noch sitzen, ich-" Er hielt inne. "Wen haben wir denn da?"

Sein Englisch war schon fast lachhaft schlecht wie seine Zähne, die er zeigte, als Cherry um die Ecke in den dunklen Innenhof bog.

"Guten Abend, Gentlemen." Cherry zeigte ein falsches Lächeln. Dann zog sie ihre Hände hinter dem Rücken hervor und jagte dem dicken Russen mit zischendem Geräusch, welches durch den Schalldämpfer auf ihrer Waffe ausgelöst wurde, eine Kugel in den Kopf. Kurz schlug dieser rücklinks auf dem Boden auf.

"Na", sagte sie, während sie, beide Waffen auf den Amerikaner gerichtet, einige Schritte vorwärts machte. "Komm ja nicht auf die Idee, deine Waffen rauszuholen, John Doe."

Der Amerikaner zeigte ein schäbiges Grinsen: "Niemals, Schätzchen." Er klappte sein Sprungmesser ein. "Was kann ich für dich tun?"

Sie näherte sich weitere zwei Schirtte, bis sie nurnoch einen Meter von ihm entfernt stand: "Sergejev. Wo ist er?"

"Ich kenne keinen Sergejev, Schätzchen", wieder zeigte der breite Amerikaner sein dreckiges Lächeln.

"Lüg mich nicht an, du kleiner Möchtegernganove." Verächtlich blickte Cherry auf den Mann, der auf dem Treppenvorsprung saß, nieder. "Also?"

Langsam senkte er seinen Kopf. Kurz zog er seine Nase hoch, dann spuckte er ihr gelben Rotz auf die Schuhe. Wieder hob er seinen Kopf und grinste erneut: "Ich kenne keinen Sergejev, du scheiss Hure." Seine Stimme klang nun um einiges lauter und agressiver als zuvor.

Kurz verharrte Cherry mit einem abwertenden Blick auf dem klotzigen Mann, dann versetzte sie ihm einen harten Tritt gegen den Kiefer, sodass sein Kopf auf eine der Treppenstufen schlug. Ächzend versuchte er sich auf seine Ellenbogen zu hiefen. Cherry aber trat ihn ein weiteres Mal, nun in die Magengegend, sodass er sich auf den Rücken rollte. Sie drückte ihre Schuhsohle gegen seinen Hals: "Tut mir Leid, ich hab dich nicht ganz verstanden: Was bin ich?"

Das Grinsen des Amerikaners war noch immer nicht verschwunden: "Eine kleine, dreckige Nutte."

"Falsche Antwort", grinste sie, dann drückte sie den Abzug ihrer Waffe. Das Blut, welches aus dem Schädel des Amerikaners trat, ronn die Treppenstufen hinab.

Angewidert schaute Cherry zu dem Schuh hinab, auf dem sein gelber Rotz klebte. Dann wischte sie ihn an seiner Hose ab.

"Keine Manieren, tze", murmelte sie, während sie über die zwei Leichen der Männer stieg, um die Haustür im Hinterhof zu erreichen.

Cherrys Schritte hallten leise durch den Flur, der zum Großteil nur aus Betonwänden bestand, an welchen staubiger Putz und Tapetenreste klebten. Langsam, ihre Pistolen neben ihrem Kopf haltend, schlich sie den Gang entlang. Aus einem der Räume quoll gedämmtes, oranges Licht und sie konnte eine Männerstimme wahrnehmen, die auf Russisch mit einer anderen Stimme diskutierte.

Als die Agentin an der Tür angelangt war, konnte sie sehen, dass ein Schwarzweissfernseher alte Stummfilme abspielte. Die Beine eines Mannes waren auf einen Stuhl gelegt, sein Gesicht konnte sie nicht erkennen.

"Kurva, Kusnekow!!" Einer der Männer brüllte fast, dann konnte man Schritte hören.

Hastig drückte sich Cherry gegen die Tür des Nachbarzimmers. Ein Mann verließ den Raum und ging, ihr den Rücken zugewendet, den Gang entlang. Auch er war nicht Sergejev. Er hatte langes, schwarzes Haar und für seine Größe extrem breite Schultern.

Cherry fackelte nicht lang und zielte auf seinen Kopf. Das laute Geräusch seines aufschlagenden Körpers hallte durch den Gang und als es wieder verstummte, versicherte sich Cherry, dass der Andere im Zimmer davon nichts mitbekommen hatte.

Dieser zeigte keinerlei Reaktion.

Leise schlich sie wieder die Wand entlang zu dem türlosen Ramen des Zimmers. Nun konnte sie die Beine des Mannes, die vorher auf dem Stuhl lagen nicht mehr sehen. Cherry war sich sicher, dass die sie jedoch nicht zu der Leiche im Flur gehörten und versuchte weiter um die Ecke zu lugen.

Plötzlich stach der Lauf einer Waffe in ihren Hinterkopf und sie spürte eine raue Hand in ihrem Nacken: "Hier hört dein kleines Abenteuer auf."

Auch der Mann hinter ihr hatte einen starken russischen Akzent in der Stimme. Sein heißer, alkoholischer Atem stach in Cherrys Nase.

"Schlaf gut, du kleine Schlampe."

"Mein Spruch." Ein lauter Schuss hallte durch den Flur und der Körper des Russen hinter Cherry fiel zu Boden.

Erschrocken zuckte sie zusammen, dann fuhr sie herum. Sheldon stützte sich mit einer Hand gegen die Wand und neigte seinen Kopf, bis er mit seinem Gesicht auf gleicher Höhe war mit ihrem: "Sag mal, bekommst du eigentlich irgendwas auf die Reihe?"

Seufzend lehnte sie sich gegen die Wand, dann grinste sie: "Bist du mir nachgelaufen?"

Er ließ seinen Blick über ihr Gesicht schweifen und ein leichtes Grinsen durchzuckte seine Mundwinkel. Dann näherte er sich ihr etwas. "Nein", zischte er und im nächsten Moment richtete er sich auf. "Nachdem du deinen glohreichen Abgang im Hotel gefeiert hast, habe ich mich damit beschäftigt Sergejevs Aufenthaltsort rauszufinden. Durch Zufall hab ich dich dann in diesem schnuckelig eingerichteten Haus Agentin spielen gesehen." Er seufzte: "Was hast du die ganze Zeit getrieben, Zuckermuschi?"

Genervt verdrehte sie die Augen: "Weißt du, du Arschloch, fast hätte ich dir gedankt, bis du den Mund aufgemacht hast. Ist das Haus sauber?"

"Ist es", grinste Sheldon. "Du schuldest mir was." Er ging an ihr vorbei zur Haustür.

"Hey!", verwundert verzog sie die Augenbrauen. "Willst du dir das Ganze hier nichtmal anschauen?"

"Schon erledigt, du Superagentin." Sheldon feixte, dann lies er die Tür hinter sich ins Schloss fallen, die ihm hinterherlaufende Cherry ignorierend.

"Sands!" Sie stieg erneut über die Leichen an den Treppenstufen.

"Hör auf meinen Namen rumzuschreien, es sei denn es gibt einen guten Anlass dafür", grinste er.

"Du bist so ein notgeiler Wichser", murmelte Cherry, als sie an ihrem Motorrad angekommen war. Er hatte seins gleich neben ihrem abgestellt.

Er musste also gewusst haben, dass sie dort war, dachte Cherry, dann wendete sie sich zu Sheldon, der sich bereits auf sein Motorrad geschwungen hatte.

"Danke für das Kompliment." Erneut huschte ein selbstgefälliges Grinsen über seine Lippen. "Ach und wo wir grad bei 'notgeil' wären. Hab ich schon erwähnt, dass du mir was schuldest?"

"Halt's Maul." Cherry startete den Motor und lehnte sich nach vorn. Sheldon schüttelte nur amüsiert den Kopf, dann gab er Gas und das Motorengeräusch erfüllte erneut die dunkle, stickige Nacht.
 

Keuchend richtete sie ihren Blick auf die Uhr.

09:34.

Sie war nun schon eine halbe Stunde unterwegs und joggte. Mittlerweile fehlte es ihr an Atem und es war nur eine Frage der Zeit, bis ihr Körper nicht mehr weiterlaufen wollte und sie sich schlussendlich auf eine Bank setzen musste.

Der Schweiß auf ihrer Stirn sog sich in ihr Stirnband und ließ ihre Haare noch fettiger aussehen, als sie es zuvor schon gewesen waren. Die Häärchen an ihren Armen standen zu Berge.

Hechelnd verlangsamte sie ihr Tempo, dann stützte sie sich mit ihren Händen auf die Knie und schnappte nach Luft. Nachdem sich ihr Puls wieder halbwegs normalisiert hatte, richtete sie sich auf, dann plötzlich hielt sie inne.

"Hallo?", rief sie mit einer sehr hellen, mädchenhaften Stimme.

Unter einem Busch an der Parkbank entdeckte sie ein Paar Beine.

Seufzend verdrehte sie die Augen.

Immer diese Betrunkenen nach den Wochenenden, dachte sie und ging mit schnellen Schritten zu dem Gebüsch, um die Person zu wecken.

"Hallo?", sagte sie etwas lauter, als sie nurnoch zwei Meter entfernt war, dann packte sie die Äste und Blätter, um die Person erkennen zu können.

Plötzlich stach ein schriller Schrei in die idyllische Stille des Central Parks, welcher die Aufmerksamkeit eines anderen joggenden Mannes und eines alten Ehepaars auf sich zog.

"Eine Tote! Überall ist Blut!"



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von: abgemeldet
2008-12-01T14:58:47+00:00 01.12.2008 15:58
„Irgendwann in Mexico“ habe ich vor Urzeiten mal aufgenommen, aber bisher noch nicht angeschaut. Schande über mich! Dank Wikipedia (Ich liebe diese Codes! ❤) bin ich aber grob mit der Handlung vertraut. Nur damit du Bescheid weißt, wenn ich blöde Fragen zum Film stelle xD

Mir kommt es so vor, als hätte sich dein Schreibstil ein wenig verbessert. Ich weiß auch nicht, irgendwas ist anders. Ich würde jedenfalls gerne so schreiben können wie du, aber leider liegt mein Talent mehr im... äh... öh... na ja, woanders halt. Wie dem auch sei, meine Lieblingsstelle ist auf alle Fälle:
> Sheldon hüpfte etwas auf und ab und machte ein dämliches Gesicht.
Haha, das muss man sich mal bildlich vorstellen xDD Wobei gesagt werden muss, dass das Ganze in meiner Vorstellung wohl doppelt so bescheuert aussieht.
Ob Sands OOC ist oder nicht, kann ich (noch) nicht beurteilen, da ich, wie gesagt, den Film noch nicht gesehen habe. Doch ich gehe einfach mal stark davon aus, dass du ihn perfekt getroffen hast, da mich dein Jack in Kiss me, Pirate einfach überzeugt hat ;)
Cherry ist mir bis jetzt eigentlich auch ganz sympathisch, sie gibt so herrlich knappe Antworten und scheint weder ein Charakterschwein noch übertrieben freundlich zu sein. Das Mittelding, wunderbar. Um Genaueres sagen zu können, muss ich allerdings erstmal den weiteren Verlauf der Geschichte abwarten. Wichtig ist mir nur, dass du keine Mary Sue aus ihr machst, aber bisher sieht es ja noch nicht danach aus :)

Ein paar kleine Rechtschreibfehler haben sich eingeschlichen, die schicke ich dir aber extra aufgelistet und pseudo-korrigiert in einer ENS, ok? Argh, da fällt mir ein, dass ich das Gleiche beim letzten Kapitel deiner anderen Fanfic noch machen muss bzw. wollte óO° Natürlich nur, wenn's dir recht ist.

Wie auch immer, ich bin jedenfalls schon auf die Story gespannt und freue mich aufs nächste Kapitel. Du sagst mir dann einfach Bescheid, wenn es da ist, ja? :3


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