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The Death Note Experience

Das 6. Kapitel is jetz fertich. Die Story wird vorerst nicht fortgesetzt. Ich arbeite noch an ner anderen Story... Gomen!!!
von

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Verfolgung

Wie lange wollen die mich noch verfolgen? Seit ich in den Park gegangen war, wurde ich mindestens von vier oder fünf Männern heimlich verfolgt. Dass aber so eine große Gruppe nicht wirklich unauffällig ist, war ja klar. Aber es war abends und es waren auch nur wenige Leute im Park unterwegs. Und genau das machte mir Angst. Ich beschleunigte meinen Schritt etwas und die Typen kamen nun hinter den Bäumen hervor. Ich hatte mich geirrt. Es waren nicht nur vier, sondern sechs. Ich wollte zwischen einigen Bäumen verschwinden, doch von da aus kamen mir auch zwei entgegen. Ich blieb stehen.

Scheiße. Ich saß in der Falle.

Ich konnte nicht fliehen. Als ich rückwärts an einen Baum ging, kamen plötzlich links und rechts Hände hervor, die mich festhielten. Es war sehr dunkel, sodass ich meine Angreifer nicht sehen konnte.

Dann kamen die anderen. Schemenhaft sah ich sie auf mich zukommen. Ich spürte einen Schlag in meine Magengrube, der mich gegen den Baum schleuderte. Das drückte mir die Luft aus der Lunge und mir wurde schwarz vor Augen. Doch noch wurde ich nicht ohnmächtig. Die Typen packten mich gewaltsam und verbanden mir die Augen. Dann knebelten sie mich mit einem Tuch und meine Hände wurden mir auf dem Rücken verbunden. Ich war nur noch halb da, aber ich merkte es trotzdem jedes Mal, wenn sie mich malträtierten. Sämtlichste Knochen taten mir weh. Ich spürte dann aber nur noch den Schlag auf den Kopf und dann kam endlich die erlösende Schwärze. Wie ich zu Boden fiel, bemerkte ich nicht mehr…

Kira...?

Auf einem Tisch, zwischen vielen Süßigkeiten, klingelte ein Handy. Ein schwarzhaariger junger Mann nahm ab.

„Ja?“, fragte er.

„Wir haben Kira.“, sagte der Kriminalist am anderen Ende.

Einen Moment herrschte Schweigen, weil der Schwarzhaarige das nicht so recht glauben wollte.

„Seid ihr sicher?“

„Ja. Die Person passt exakt auf deine Beschreibung, Ryuzaki.“

„Bringt mir Kira.“, sagte Ryuzaki und legte auf.

Für einige Minuten tat er gar nichts. Kira… Kira… Hatten diese Polizisten wirklich Kira geschnappt? Wenn ja, warum ohne sein Wissen? Wieso hatten sie auf eigene Faust ermittelt? Die würden was zu hören kriegen…

Nach einer halben Stunde und unzähligen Stücken Kuchen, klopfte es an der Tür. Jetzt war Ryuzaki gespannt.

„Die Tür ist offen.“, rief er.

Herein kamen zwei Polizisten als Vorhut und dahinter zwei, die einen scheinbar leblosen Körper unachtsam hereinschleiften. Die Nachhut bildeten der Kommissar Yagami und ein weiterer Polizist, der noch ziemlich jung war.

Die Polizisten rissen die Person unsanft auf die Beine, doch diese sackte gleich wieder auf die Knie. So kniete sie jetzt auch vor Ryuzaki. Ihre Augen waren verbunden und durch einen Knebel wurde sie ruhig gehalten. Ihre Hände waren auf dem Rücken verbunden.

„Das ist Kira?“, fragte Ryuzaki.

„Jawohl. Das ist Kira. Sie hat den Stundenplan, den du uns einmal gezeigt hattest und alle Auffälligkeiten, die du bei Kira festgestellt hattest, weist sie ebenfalls auf. Alles stimmt.“, erklärte Kommissar Yagami stolz.

Ryuzaki stand da und rieb ein Bein am anderen, während er die Person still betrachtete.

„Tja. Leider hat eure geniale Theorie einen ganz entscheidenden Fehler.“

„Was? Welchen? Es ist doch Kira.“

„Ihr habt mir also nicht aufmerksam zugehört…“, seufzte Ryuzaki. Die Polizisten sahen ihn nur verwirrt und erstaunt an. „Ich habe gesagt, Kira wäre ein Japaner. Und ein Student.“

„Ist sie.“

„Du hast den Fehler eben selbst genannt.“

„Bitte?“

„Kira ist keine Frau.“

Die Polizisten waren sprachlos. Einer trat vor und riss den Kopf der jungen Frau hoch.

„Aber sie ist vor uns geflüchtet, als wir sie beschattet hatten!“

„Da wäre jeder geflüchtet, wenn er von sechs Polizisten verfolgt würde.“, erwiderte Ryuzaki kühl. Der Polizist ließ los und trat wieder einen Schritt zurück.

„Ihr verschwindet von hier. Das Mädchen bleibt hier. Ich will noch mit ihr sprechen. Kommt erst wieder, wenn ich euch anrufen, klar?“

„Jawohl!“, erwiderte Kommissar Yagami und drehte sich zum Gehen. Seine Truppe folgte ihm.

Schicksalhafte Begegnung

Mein Kopf wurde erst wieder klar, als er von jemandem extrem unsanft nach oben gerissen wurde. Ich öffnete meine Augen, aber außer Schwärze sah ich nichts. Dann vernahm ich Stimmengewirr. Aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Mein Kopf wurde wieder losgelassen und ich sank wieder in meine Haltung zurück. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich auf einem Teppich hockte. Ich trug nur eine Dreiviertelhose und die kurzen Fasern spürte ich an meinen Schienbeinen. Vermutlich war ich irgendwo in einem Haus oder so. Ich wollte meine Hände nach vorn nehmen, doch ich konnte nicht. Sie waren scheinbar hinter meinem Rücken verbunden. Also wartete ich ab. Nach wenigen Momenten nahm das Stimmengewirr ab und dann waren sie ganz weg.

Doch allein war ich nicht. Es war noch jemand hier im Raum. Und dieser jemand nahm mir die Augenbinde ab. Dann entfernte er den Knebel aus meinem Mund und warf ihn zur Seite. Ich atmete einmal tief ein und bereute es gleich wieder. Mir tat alles weh und ich zuckte heftig zusammen. Meine Augen hatte ich wieder geschlossen, weil mich der Schmerz überfallen hatte. Die Person ging um mich herum und nahm mir die Handfesseln ab. Ich nahm meine Hände nach vor und rieb mir meine Handgelenkte. Als ich meine Augen öffnete, sah ich, wie rot und geschunden sie waren. Dann kam der Typ in mein Blickfeld. Es war ein junger Mann mit strubbeligen schwarzen Haaren. Er hatte dunkel geränderte Augen und seine Haltung war seltsam gebeugt. Er trug eine blaue Jeans und ein einfaches weißes Sweatshirt. Aber er hatte keine Schuhe an.

Er beugte sich jetzt zu mir hinunter, um mir auf zu helfen. Er griff unter meinen Armen durch und wollte mich hochziehen. Doch ich stieß einen Schmerzenslaut aus und er ließ mich sachte wieder zu Boden sinken. Dann ging er um mich rum und hockte sich hinter mich. Plötzlich spürte ich seine Hände an meiner Seite. Sie ergriffen mein Shirt. Er hob es etwas an und sah vermutlich viele Prellungen und blaue Flecken. Er schob es immer weiter hoch.

„Was haben diese hirnverbrannten Idioten bloß mit dir gemacht?“, fragte er leise. Dann zog er mir mit einem Ruck das Shirt ganz aus. „Das sieht echt übel aus. Ich werde mal etwas Salbe holen…“ Ich bemerkte, wie er an mir vorbei ging und in ein anderes Zimmer verschwand. Dann kam er mit einer Tube in der Hand wieder. Er ging wieder hinter mich und hockte sich hin. Ich hörte, wie die Tube beim Öffnen quietschte. Ich hockte immer noch so auf dem Boden wie am Anfang. Dann zuckte ich etwas zurück, weil ich plötzlich eine kalte Hand an meinem Rücken spürte.

„Tut mir Leid. Aber ich muss alles einreiben. Die haben dich echt übel zugerichtet. Die können noch was erleben…“

Die nächsten zehn Minuten rieb mich dieser Kerl mit der Salbe ein. Irgendwie fühlte es sich auch gut an, weil er ganz vorsichtig war, um mir nicht noch mehr Schmerzen zuzufügen, als ich ohnehin schon hatte. Dann war er auch endlich fertig. Er legte die Tube einfach weg und half mir vorsichtig auf. Erführte mich langsam zum Sofa und setzte mich darauf.

„Sorry, aber du musst noch einen Moment warten, damit die Salbe einziehen kann. Ist es hier drin warm genug?“, fragte er mich.

Ich nickte bloß. Im Moment nahm ich kaum etwas wahr. Ich kann mich auch nicht richtig daran erinnern, was passiert war, bevor ich hier her kam. Aber ich wusste noch, wer ich war und woher ich kam. Aber mein Kurzzeitgedächtnis schien ausgelöscht worden zu sein. Ich versuchte krampfhaft, mich an irgendetwas zu erinnern. Aber ich bekam nur Kopfschmerzen davon. Ich hielt mir auch gleich den Kopf. Der Typ war irgendwo hinter mir im Raum und lief dort herum. Keine Ahnung, was er da machte. Er war außerhalb meines Blickfeldes. Ich saß vornüber gebeugt und starrte auf meine Knie. Auf einmal wurde mir irgendwie frisch und ich hob eine Hand an meinen Arm. Ich hatte vergessen, dass der Kerl mir vorhin das Shirt ausgezogen hatte… Moment mal. Ein Kerl hatte mir mein Shirt ausgezogen? Auf einmal wurde mir die Situation bewusst. Ich schlang meine Arme um meinen Körper. Ich saß hier in meiner Hose und meinem BH. Und der Typ lief seelenruhig hinter mir rum. Dann senkte sich eine Decke auf mich herab.

„Ich will mal das Fenster aufmachen. Und du sollst ja nicht frieren.“, sagte er nett zu mir. Ich verstand das alles irgendwie nicht. Er kannte mich nicht, zog mir mein Shirt aus, um meine Verletzungen zu versorgen und er sorgte sich um mich. Warum? Er kannte mich doch gar nicht… Wer war er überhaupt?

Egal. Ich zog die Decke enger um meinen Körper. Irgendwie war es mir auf einmal peinlich. Aber ich konnte nicht hier weg. Nicht so und nicht in meiner Verfassung. Dann kam der Typ um das Sofa herum und setzte sich neben mich. Ich vermied es aber erstmal ihn anzusehen. Doch ich merkte ganz deutlich seinen Blick auf mir.

„Sagst du mir, wie du heißt?“, fragte ganz freundlich.

„Sayuki. Sayuki Tahoma. Für meine Freunde bin ich Sai…“ Das war das erste, was ich hier gesprochen hatte. Meine Stimme klang ziemlich rau und trocken. Ich hustete. Sofort bot er mir etwas zu trinken an, was ich auch dankend nahm. Nachdem ich getrunken hatte, fragte ich: „Und wer bist du?“

„Mein Name ist Ryuzaki. Codename L. Ich bin Detektiv und leite die Ermittlungen gegen Kira. Von ihm hast du sicher gehört, oder?“

„Ja, hab ich. Er ist ein Mörder, der andere Mörder und Verbrecher hinrichtet. Um ehrlich zu sein, finde ich seine Art zwar etwas radikal, aber er säubert die Welt von dem Unrat. Er sollte aber keine unschuldigen Menschen töten. Da bin ich dagegen.“

„Du hast also eine geteilte Meinung?“

„Hm.“, sagte ich und nickte. „Weniger Verbrecher bedeuten auch weniger Verbrechen, Überfälle, Morde und so weiter. Irgendwo ist das auch gut.“

„Kann sein.“ Auf einmal wandte er sich von mir ab und sah verschlossen aus.

„Habe… habe ich etwas Falsches gesagt?“, fragte ich vorsichtig.

„Nein. Du hast nur deine Meinung geäußert. Aber ich ermittle gegen Kira und deshalb bin ich auch gegen alle seine Aktivitäten. Seien sie auch noch so ehrenhaft gewollt.“

„Verstehe…“

Ich starrte vor mich hin auf den Boden. Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte. Es war eine seltsame Situation.

„Möchtest du etwas essen?“, fragte mich Ryuzaki dann plötzlich.

Ich war aus meinen Gedanken gerissen worden. „Wa…? Ah. Ähm… Gerne…“

Er reichte mir einen Teller mit Kuchen und ich nahm ihn. Während ich aß, stand er auf und verschwand in einem Zimmer. Vermutlich sein Schlafzimmer oder so. Er kam mit einem T-Shirt wieder. Dieses gab er mir.

„Tut mir Leid, aber was anderes habe ich nicht. Und dein Shirt ist schon ziemlich im Eimer, weil die Typen so an dir herumgezerrt haben.“

Ich stellte den Kuchen weg und nahm das Shirt. Die Decke, die noch über meinen Schultern hing, ließ ich einfach zurückfallen und zog mir sein Shirt über. Im Moment war es mir egal, ob er mich mit BH sah oder nicht. Vorhin hatte es mich ja auch nicht gestört. Ich zupfte das T-Shirt zurrecht und sah an mir hinab. Natürlich war es mir zu groß, aber es störte mich nicht.

„Wo sind wir hier eigentlich?“, fragte ich dann und sah mich um.

„In einem Hotel. Von hier aus leite ich die Ermittlungen. Wir observieren gerade jemanden, deshalb stehen hier so viele Fernseher herum. Und das ganze Essen… Aber ohne kann ich einfach nicht leben.“, sagte Ryuzaki und grinste. Und wirklich war er gerade dabei von einer Tafel Schokolade abzubeißen. Ich hingegen nahm mein angefangenes Stück Kuchen und beendete die Sache. Nachdem ich den Teller wieder auf den Tisch gestellte hatte, stand ich auf und ging zum Fenster, welches Ryuzaki noch offen gelassen hatte. Ich sah hinaus und erkannte die Umgebung. Das Hotel, in dem wir uns aufhielten, war das „Hyatt Regency Hotel“ in Shinjuku, Tokyo. Es war ein teures fünf Sterne Hotel, welches im Herzen Tokyos lag.

„Wie kannst du dir das Hotel leisten?“, fragte ich Ryuzaki und drehte mich kurz in seine Richtung.

„Ich bin erfolgreicher Detektiv und hab eine Menge Geld zur Verfügung. Da ich keine Eltern oder sonstige Verwandte habe, gehört mir das alles.“

Keine Eltern? Er meinte bestimmt, dass er sie früh verloren hatte. Aber als er das sagte, klang er völlig ungerührt. Vielleicht war er nicht der Typ, der Emotionen deutlich zeigte.

Ich wandte mich wieder um und schaute aus dem Fenster. Auf einmal fiel mir ein Park auf. Da war doch etwas… Dann plötzlich kamen alle Erinnerungen wieder zurück.

„Ah…!“, konnte ich nur machen und sackte auf den Boden. Ich presste meine Hände gegen den Kopf, weil ich auf einmal unheimliche Kopfschmerzen hatte.

„Sai? Was ist?“, fragte Ryuzaki. Dann musste er sich umgedreht haben, denn ich hörte ihn auf mich zueilen.

„Was ist? Was hast du?“, fragte er etwas panisch.

Ich konnte aber nicht antworten, weil mein Kopf sich anfühlte, als würde er gleich explodieren. Ryuzaki nahm mich in seine Arme und zog mich hoch. Dann brachte er mich zurück zum Sofa und legte mich darauf der Länge nach ab.

„Mein Kopf…“, konnte ich nur sagen.

Und er schien zu verstehen. Ich bekam mit, dass er kurz weg war und dann wieder kam. Ich öffnete meine Augen und sah ihn an. Er hatte einen Tablettenfilm bei sich, aus der er jetzt eine Tablette herausdrückte. Diese behielt er erstmal in der Hand und suchte mir dann was zu trinken. Er führte seinen halben Arm unter meinen Kopf, hob ihn hoch, steckte mir die Tablette in den Mund und setzte das Glas an meinen Mund. Ich trank und die Tablette verschwand in meinem Magen. Ryuzaki stellte das Glas weg und hockte sich vor das Sofa. Ich hatte meine Augen halb geschlossen und sah es nur aus dem Augenwinkel. Er sah mich besorgt an.

Nach einigen Augenblicken setzte die Wirkung der Tablette ein. Es war vermutlich eine Kopfschmerztablette gewesen. Ich schloss die Augen und genoss es, wie die Schmerzen verschwanden.

„Danke.“, sagte ich zu Ryuzaki, als die Schmerzen weg waren. Er sah mich mit großen Augen an.

„Wofür?“, fragte er schließlich.

„Dafür, dass du mir geholfen hast und so nett zu mir bist. Deshalb.“

„Aber… das ist doch etwas Selbstverständliches… Und irgendwie mag ich dich…“ Ryuzaki kratzte sich verlegen mit einem Finger an der Wange und lächelte. Meinte er das ernst oder verarschte er mich nur? Ich sah ihn mit großen Augen an.

„Du… magst mich? Meinst du das ernst?“, fragte ich ihn.

„Ja… Irgendwie…“

„Also verarschst du mich nicht?“

„Was? Verarschen? Warum sollte ich dich verarschen? Ich verstehe nicht…“

„Ich wurde schon mal von einem Jungen zum Narren gehalten. Ich hatte ihn wirklich gemocht, aber ich war ihm egal… Anfangs war er noch nett zu mir, aber dann…“ Ich wurde irgendwie melancholisch und mein Gesicht wurde zu einer Trauermiene. Es hatte mich damals wirklich verletzt. L streckte seine Hand nach meinem Gesicht aus, berührte es aber nicht. Kurz vorher zog er sie zurück. Ich bemerkte es nur aus dem Augenwinkel, weil mein Gesicht Richtung Decke schaute. Ich sah es trotzdem.

„Hast du Angst, mich zu berühren?“, fragte ich leise.

„Nein. Aber Angst, dich zu verletzen.“ L stand einfach auf und ließ mich verwirrt zurück. Ich richtete mich auf und sah ihm hinterher. Dann stand ich auf und ging zu ihm. Er war ans Fenster gegangen.

„Was meinst du damit?“, fragte ich.

Doch bevor er mir eine Antwort geben konnte, klingelte sein Handy. Mit zwei Fingern nahm er es, hob ab und hielt es an sein Ohr.

„Ryuzaki?“, sagte er und wartete.

Ich wollte ihm nicht beim telefonieren zuhören, weshalb ich mich auch etwas bedrückt zum Sofa zurückzog. Nach wenigen Minuten legte er auf.

„Die Polizisten kommen gleich vorbei. Wenn du sie nicht sehen willst, musst du ins Schlafzimmer gehen.“

Wieder erinnerte ich mich. Die Typen, die mich so brutal überfallen hatten, waren also Polizisten. Ich wollte sie nicht sehen und beschloss somit ins Schlafzimmer zu gehen. Vermutlich keine schlechte Idee, da es jetzt eh dunkel war und ich schon echt müde war.

„Okay…“, sagte ich leise und stand wieder vom Sofa auf. Als ich an der Schlafzimmertür war, stand plötzlich L hinter mir.

„Was ich vorhin sagte… Ich werde es dir später erklären…“, sagte er ebenso leise und sah mich aufmunternd an. Ich musste scheinbar immer noch eine Fresse ziehen. Also versuchte ich zu lächeln und schaffte es auch. „Du kannst dir noch andere Sachen aus dem Schrank nehmen, wenn du andere zum Schlafen brauchst. Tu dir keinen Zwang an und nimm dir, was du willst.“

„Gut. Danke. Bis später…“, sagte ich und betrat das Schlafzimmer. L schloss hinter mir die Tür und ich war allein. Natürlich wollte ich als erstes die Sachen ansehen. Irgendwie war ich neugierig. Also ging ich zum Schrank und öffnete ihn. Am meisten hingen hier weiße Shirts und blaue Jeans. In einem andern Regalfach entdeckte ich Schlafzeug. Ich suchte mir etwas heraus. Es war eine kurze Hose, die mir bis über die Knie reichte und ein Hemd, welches man zuknöpfen musste. Das nahm ich, schloss die Schranktür und zog mich um. Während ich das Hemd über meinen Kopf zog, hielt ich es für einen Moment vor mein Gesicht und atmete tief durch die Nase ein. Es waren unverkennbar L’s Sachen. Sie hatten seinen Geruch an sich… Ich schüttelte den Kopf. Warum tat ich das? Egal…

Hier in dem Schlafzimmer stand ein Fernseher, den ich auch gleich einschaltete. Aber ich dämpfte den Ton etwas, damit ich die Polizisten und L nicht störte. Dann legte ich mich mit der Fernbedienung auf die eine Bettseite, denn es war ein Doppelbett.

Wenn Werbung lief, schaltete ich den Ton vom Fernseher aus und lauschte den Stimmen, die aus dem Hotelzimmer kamen. Es waren viele laute dabei. Es gab nur eine ruhige. Und das war L’s Stimme. Ich konnte nicht verstehen, was sie besprachen, aber ab und zu meinte ich den Namen ‚Kira’ herauszuhören. L nannte oft seinen Namen. Er musste ihn wirklich hassen…

Aber das war mir im Moment egal. Ich ertappte mich dabei, wie ich die ganze Zeit nur auf L’s Stimme achtete. Ich wusste nicht, was mit mir los war. Ich kannte ihn kaum. Aber wir verstanden uns gleich irgendwie. Er hat sich um mich gesorgt, wie vorher niemand. Nicht mal meine Eltern hatten je Anstalten gemacht, mir zu helfen, wenn es mir schlecht ging. Aber sie waren ja jetzt schon seit Jahren tot und das war vermutlich auch das Beste für mich. Ich hätte es nie lange mit ihnen ausgehalten. Sie hatten mich in den Wahnsinn getrieben. Mich dazu gebracht, zu töten… Das durfte L niemals erfahren. Er würde mich dafür hassen… Aber warum interessierte mich das so? Ich wusste keine Antwort darauf. Aber ich wusste, dass er mich festnehmen lassen würde, wenn er davon erfahren würde. Auch, wenn ich ihm erklären würde, dass das ganze nur eine scheiß Affekthandlung gewesen war. So viel Vertrauen hatte er sicher nicht in mich, dass er darüber hinweg sehen könnte. Er würde mich festnehmen oder einweisen lassen.

Auf einmal war ich nicht nur allein, ich fühlte mich auch so. Ich saß auf dem Bett, hatte meine Beine angezogen, sie mit meinen Armen umschlungen und meinen Kopf darauf gelegt. Ich war plötzlich traurig und deprimiert. Ich hatte eine beschissene Kindheit. Um genau zu sein, hatte ich gar keine gehabt. Ich war immer allen ein Klotz am Bein gewesen und das hatte sich vermutlich auch nicht geändert. Dort, wo ich studiere, habe ich keine Freunde. Ich unterhalte mich mit niemandem und niemand unterhält sich mit mir. Aber das hatte mich bis jetzt auch nicht gestört. Jetzt, wo ich genauer darüber nachdachte, fühlte ich mich allein gelassen.

Um mich abzulenken, zog ich das Hemd, was ich von L hatte, höher, um daran riechen zu können. Dieser Geruch beruhigte mich. Ich fühlte mich willkommen und geborgen. Wenn L doch nur nicht da draußen bei den blöden Bullen sitzen würde, sondern hier, bei mir…

Mit diesem Wunsch im Gedächtnis schlief ich irgendwann ein, nachdem ich den Fernseher ausgeschaltet hatte.

Geständnisse und Freude

Der nächste Morgen hielt gleich nach meinem Erwachen eine Überraschung für mich bereit. Als ich nämlich die Augen öffnete, schaute ich genau in L’s Gesicht. Ich erschrak ziemlich heftig und schreckte fast so weit zurück, dass ich beinah vom Bett gefallen wäre. Vor der Bettkante konnte ich mich aber noch festhalten und rutschte wieder ein Stück weiter aufs Bett. Durch meine schnellen Bewegungen hatte das Bett gewackelt und L war wach geworden. Ich saß nun gerade auf dem Bett und sah ihn erstaunt an. Doch L war noch im Halbschlaf und brauchte noch einige Momente, um richtig wach zu werden.

„Wa… was machst du hier?“, fragte ich vorsichtig.

„Ist doch mein Schlafzimmer und ich wollte nicht auf dem Sofa pennen, wenn ich weiß, dass ich es doch viel bequemer haben kann. Außerdem ist mir deine Gesellschaft etwas angenehmer, als die der Polizisten. Die sehen nämlich nicht so gut aus, wie du.“

Ich wurde rot und wandte mich etwas ab.

„Wie ich sehe, hast du etwas Passendes gefunden. Da hab ich ja sogar was davon.“, sagte L und grinste mich an. Dann erst bemerkte ich, dass das Hemd, welches ich anhatte, etwas aufgegangen war und man mir voll in den Ausschnitt schauen konnte. Ich knöpfte es hektisch zu.

„Scheiß Männerklamotten…“, meckerte ich. Wenn ich länger hier bleiben sollte, konnte ich ja kaum immerzu L’s Klamotten tragen. Er musste ja auch was anziehen. „Kann ich nicht zu meiner Wohnung zurück?“

„Nein.“

„Was?“

„Nein. Du kannst nicht mehr weg.“

„Vertraust du mir etwas nicht?“, fragte ich völlig entrüstet.

„Doch. Aber du kennst mein wahres Ich, meine wahre Identität. Nicht mal die Polizisten wissen das, was ich dir gestern nur mal so nebenbei erzählt habe.“

„Verstehe.“, sagte ich leise. Er meinte sicher die Sache mit seinen Eltern und Verwandten. „Aber kannst du wenigstens jemanden zu meiner Wohnung schicken, damit ich ein paar Sachen von mir bekomme?“

„Kein Problem. Aber nur, wenn du versprichst, hier zu bleiben und dich so unauffällig wie möglich zu verhalten.“

„Alles klar.“, sagte ich und lächelte.

Erst jetzt richtete sich L auf und die Decke, die vorher noch auf seinem Körper geruht hatte, fiel herunter. Und was ich dann sah, verschlug mir den Atem für einen langen Moment. L hatte kein Oberteil an. Mir verschlug es den Atem, weil das so ein wahnsinniger Anblick war. Außerdem hatte er ein Tattoo auf der linken Schulter, welches von seinem Rücken zu kommen schien und über den Arm weiter verlief. Ich konnte seinen Körper wirklich nur anstarren, weil ich das nun echt nicht erwartet hätte.

„Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte mich L, der bemerkt hatte, wie ich ihn ansah.

„Äh… Nein… Äh… Alles in äh… Ordnung… Ja. Alles gut…“, stammelte ich und drehte mich weg, um ihn nicht weiter anstarren zu müssen. Dann bewegte sich das Bett und als ich mich umdrehte, stand L schon vor dem Bett. Er hatte mir den Rücken zugewandt. Das Tattoo lief wirklich noch bis auf seinen Rücken. Im Ganzen war es eine Art Tribal. Es sah mehr als nur gut aus. Ich hatte auch einige Tattoos. Zum Beispiel an meinem Fußgelenk. Es war wie eine schwere Kette und der Anhänger war ein verkehrt herumes Kreuz. Für mich und meine Ansichten war es richtig herum. Auf dem Kreuz standen noch drei sechsen. Dass das ja angeblich nicht die Zahl des Teufels sein sollte, war mir egal. Jeder, der es sah, erkannte diese Zahl als solche. Und somit hatte es seinen Zweck erfüllt.

Mein Rücken wurde auch noch von diversen Schriftzeichen entlang meiner Wirbelsäule geziert. Zum Beispiel ‚Hass’, ‚Vernichtung’, ‚Tod’ und so weiter. Mein Rücken sah mehr aus, wie der eines Yakuza. Deshalb hatten sich auch viele im Schwimmbad von mir ferngehalten. Aber ich in meiner Egophase hatte ich es nie richtig für voll genommen. Es war mir alles am Arsch vorbei gegangen.

Aber jetzt war mir nicht mehr alles egal. Ich wollte Aufmerksamkeit. Und zwar von jemand bestimmtes. Und dieser jemand war gerade dabei sich ein Shirt anzuziehen. Doch dieses Bild wurde gestört, als es an der Tür klopfte. L öffnete sie nur ein Stück und sah hinaus. Vor ihm musste einer der Polizisten stehen, denn er verließ sofort den Raum. Ohne ein Wort zu mir zu sagen…

Ich stand ebenfalls auf und zog mich an. Dann ging ich zum Fenster und zog die Vorhänge zur Seite. Anschließend öffnete ich sie. Ich lehnte mich ein Stück raus und atmete die Luft ein. Heute war so gut wie kein Smog. Um das Hotel herum standen auch eine Menge Bäume in Parks und Grünanlagen. Deshalb war die Luft auch sehr sauber. In Tokyo war das eigentlich etwas ziemlich Ungewöhnliches. Ich ließ das Fenster offen und ging zum Radio, welches sich hier ebenfalls im Zimmer befand. Ich schaltete es an und suchte einen bestimmten Sender. Als ich ihn fand, lief auch gerade das, was ich wollte. Girugamesh mit ‚Real my place’. Ich konnte nicht anders, als mich etwas im Takt der Musik zu bewegen. Während ich das Bett ordentlich machte, sang ich leise mit und hüpfte halb durch das Zimmer. Wie das aussehen mochte, war mich scheißegal. Doch ich erschrak, als plötzlich L im Raum stand. Das Radio war schon auf ziemlich leise eingestellt gewesen und trotzdem hatte ich ihn nicht gehört.

„Ich wollte bloß sagen, dass Watari zu deiner Wohnung will. Ich brauch aber eine Beschreibung und deinen Wohnungsschlüssel. Und vielleicht noch eine Liste mit Dingen, die du haben willst.“

„Ja… Klar.“ Ich holte aus der Tasche, die ich dabeigehabt hatte, den Schlüssel und beschrieb L den Weg. Dazu gab ich ihm noch die Liste mit Dingen, die ich aus meiner Wohnung unbedingt wollte. Ich wohnte nicht allzu weit weg von hier, weshalb dieser Watari bald wieder zurück sein müsste.

„Die Polizisten gehen auch gleich.“

„Kann ich dann nachher mal Duschen?“, fragte ich.

„Selbstverständlich.“, erwiderte L bloß und ging dann wieder.

Was er wohl gesagt hätte, wenn wüsste, was ich gestern Abend alles so gedacht hatte? Dass ich kein unbeschriebenes Blatt war? Er würde mich hassen. So, wie er Kira hasste. Aber darum wollte ich mich jetzt nicht kümmern. Ich freute mich jetzt auf das Duschen. Wenn ich mich nicht wohl fühlte, ging ich Duschen und danach fühlte ich mich immer wie neugeboren. Hoffentlich war das heute auch so.

Ich ging wieder zum Bett und setzte mich drauf. Mit der Fernbedienung schaltete ich den Fernseher an und wollte so die Zeit überbrücken, bis dieser Watari mit meinen Klamotten kam und ich Duschen gehen konnte.

Nach einer viertel Stunde war es dann soweit. Es klopfte an meiner Tür und zu meiner Überraschung kam ein alter Mann mit weißen Haaren und einem ebenso weißem Schnauzer durch die Tür. Er trug einen mir bekannten Koffer bei sich.

„Guten Tag, junges Fräulein. Sie müssen Sai sein. Richtig?“, fragte er und lächelte freundlich.

„Ja.“, erwiderte ich und stand auf, um ihm meine Hand zu reichen. „Sind Sie Watari?“

„Ganz genau.“

„Dann danke ich ihnen, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, um mir meine Sachen zu holen.“

„Ach was. Dazu bin ich ja da. Ich bin Schauffeur, Kellner, Butler und so weiter. Aber an erster Stelle bin ich Ryuzakis Freund. Und wenn ein Freund mich um einen Gefallen bittet, sage ich nicht nein.“

Er stellte meinen Koffer vor das Bett und verabschiedete sich von mir.

„Ich hoffe, ich habe alles zu Ihrer Zufriedenheit eingepackt.“ Dann ging er.

Ich hingegen ging zu meinem Koffer, öffnete ihn und suchte mir frische Klamotten heraus. Als ich alles hatte, ging ich zur Tür. Doch bevor ich sie öffnete, hörte ich die Polizisten und L draußen reden. Watari hatte die Tür nicht richtig geschlossen, sodass ein kleiner Türspalt offen stand und ich ihr Gespräch belauschen konnte.

„…Und jetzt erklärt ihr mir bitte, warum ihr das Mädchen so zugerichtet habt.“, verlangte L von den Polizisten.

„Na ja… Wir haben sie im Park verfolgt und sie nach einer Weile festgenommen. Wir hatten die ganze Zeit den Verdacht, dass sie Kira ist, deshalb sind wir auch nicht zimperlich mit ihr umgegangen. Als sie sich wehrte, haben wir ihr einen Schlag auf den Kopf verpasst.“, erklärte ein mir unbekannter Polizist.

„Aber nur von dem brutalen Übergriff auf sie kann sie doch nicht diese ganzen blauen Flecke und Prellungen haben, oder?“

„Wir haben sie anschließend noch verhört.“

Verhört? Daran kann ich mich gar nicht mehr erinnern.

„Weil wir dafür nicht wirklich geeignet sind, haben wir sie zum ‚Nussknacker’ gebracht.“

„Nussknacker?“, fragte L verwundert und auch ich schaute verdutzt.

„Er heißt so, weil bis jetzt noch jeder vor ihm gestanden hat. Und so auch sie. Das Mädchen gab zu, Kira zu sein. Als wir das Geständnis hatten und sie aus dem Verhörzimmer holten, sah sie fertig und schlimmer denn je aus. Und sie war ohnmächtig geworden. Vermutlich hatte ihr der ‚Nussknacker’ auch eine auf den Kopf verpasst.“

Das erklärt, warum ich mich an nichts erinnern konnte und warum ich solche Kopfschmerzen danach hatte. Diese Schweine…

„Es war also ein Geständnis unter Folter?“, fragte L und klang schon ziemlich wütend.

„Ähm… so kann man es wohl nennen.“

„Ich bin wirklich enttäuscht. Aber wenigstens wissen wir jetzt, dass sie nicht Kira ist.“

„Hast du das überprüft?“, fragte der Kommissar L.

„Indirekt.“

„Wie sollen wir das verstehen?“, fragte einer der Polizisten.

„Ich habe mich mit ihr beschäftigt und ich glaube nicht, dass sie Kira ist.“ L lächelte. Und was er dann sagte, ließ mein Herz für einen Moment aussetzten. „Ich glaube, sie mag mich ziemlich. Deshalb würde sie mich nicht töten. Sai hatte schon mehr als einmal die Gelegenheit dazu, mich zu töten. Sie hätte mich auch umbringen können, während ich schlief. Aber sie hat es nicht getan, obwohl sie meinen Namen wusste. Und auch, wenn sie der zweite Kira gewesen wäre, hätte sie mich schon kalt machen können. Apropos zweiter Kira. Ich habe mir da etwas überlegt…“

Ich ging von der Tür weg und setzte mich wieder auf das Bett. Hatte ich eben richtig gehört? Hatte er den scheiß Bullen gesagt, dass ich ihn mochte? Solche Dinge erzählte man doch nicht einfach der Polizei. Oder wollte er damit nur den Verdacht von mir nehmen? Aber wenn er dachte, dass ich ihn mochte, wusste er doch sicher auch, wie er darauf zu reagieren hatte. Aber ich wollte mir nichts anmerken lassen und blieb weiterhin hier auf dem Bett sitzen. Nach zehn Minuten kam L herein. Ich versuchte mich so natürlich wie möglich zu geben.

„Du kannst jetzt Duschen gehen. Die Polizisten sind jetzt weg und werden erst morgen wieder da sein.“

„Alles klar.“, sagte ich und stand auf. Als ich an L vorbei ging, hatte ich ein seltsames Gefühl. Ich hätte ihn zu gern angefasst, aber ich beherrschte mich und setzte meinen Weg fort. Im Bad angekommen, suchte ich nach einem Schlüssel im Schloss, aber es gab scheinbar keinen. Auch egal. L wusste, dass ich im Bad war.

Ich entledigte mich meiner Sachen, legte ein Handtuch vor die Dusche und stieg hinein. Nachdem ich das Wasser über meinen Körper laufen gelassen hatte, nahm ich das Duschzeug, welches mir Watari ebenfalls mitgebracht hatte, und seifte mich ein. Nachdem ich ähnliches auch mit meinen Haaren gemacht hatte, spülte ich alles wieder aus. Somit war ich fertig und stieg aus der Dusche. Ich schnappte mir das Handtuch und trocknete mich. Kurz darauf war ich schon halb in meinen Sachen und es klopfte an der Tür.

„Sai? Bist du schon fertig?“, fragte L durch die Tür.

„Gleich. Du kannst aber schon reinkommen.“

Ich richtete eben noch mein Shirt als L auch schon im Bad stand. Ich räumte mein Handtuch weg und war gerade dabei es aufzuhängen, als ich im Spiegel sah, wie L sich sein Shirt auszog. Als er auch schon anfing an seinem Gürtel zu fingern, ging ich dazwischen.

„Ähm… Kannst du nicht noch einen Moment mit ausziehen warten, bis ich raus bin?“, fragte ich und merkte schon, wie ich wieder rot wurde, wenn ich L’s Körper ansah. Also wandte ich schnell meinen Blick ab.

„Wieso?“, fragte er nur verständnislos.

„Ach vergiss es…“, sagte ich und schnappte meine restlichen Sachen, so schnell es ging. Dann stürzte ich förmlich aus dem Bad und schloss die Tür hinter mir.

Was denkt dieser Typ sich eigentlich? Sich vor mir halb auszuziehen… Ich musste meinen Kopf erstmal wieder klar bekommen und ging deshalb ins Schlafzimmer. Dort legte ich meine Sachen ab und betrat dann das Wohnzimmer. Ein Fenster stand offen und ich ging hin. Fenster zogen mich irgendwie magisch an, aber aus einem stürzen, würde ich mich niemals.

Ich stand also am Fenster und atmete die frische Luft ein, um diese Gedanken zu verdrängen. Doch je mehr ich sie ignorieren wollte, umso mehr kamen sie hervor.

Was empfand ich für L? Warum wollte ich ihm nah sein? Solche Fragen schwirrten in meinem Kopf herum und verschwanden nicht. Aber eine Antwort bekam ich auf sie auch nicht. Warum nur? Warum fühlte ich mich so?

Doch meine Gedankengänge wurden von L unterbrochen, der eben aus dem Bad kam. Ich drehte mich kurz um, und dann wieder schleunigst zum Fenster. Er hatte nur seine Hose an, aber kein Shirt. Seine Haare waren nass und hingen nach unten. Er sah verdammt sexy aus. Scheiße. Warum dachte ich so was? Und zu allem Überfluss kam er jetzt auch noch auf mich zu. Ich hörte seine Schritte näher kommen. Dann stoppten sie.

„Willst du mich nicht ansehen?“, fragte L.

Ich antwortete darauf nicht, sondern starrte stur und ohne Ziel aus dem Fenster.

„Was ist mit dir los?“

Okay, jetzt reichte es mir. Ich drehte mich zu ihm um.

„Merkst du es nicht selber, du großer Detektiv?“, fuhr ich ihn an. Damit hatte er wohl nicht gerechnet, denn L sah einen Moment lang erstaunt aus, bis er seine Fassung wiederbekam.

„Doch. Ich merke es ganz genau.“

Ich sah ihn mit großen Augen an.

„Was merkst du?“

„Was mit dir los ist. Ich weiß es. Aber ich will es von dir selbst hören.“

„Was?“

„Sag mir, was du für mich empfindest.“ Er sagte es einfach so gerade heraus, ohne einen erkennbaren Gesichtsausdruck.

„Ich… ich… weiß nicht…“, stammelte ich und sah zu Boden. Dann streckte L seine Hand aus und hob damit meinen Kopf an, sodass ich ihm in die Augen sehen musste.

„Sag es.“

Ich nahm all meinen Mut zusammen und sagte es.

„Ich… ich liebe dich, Ryuzaki.“

Mit dem, was dann geschah, hatte ich absolut nicht gerechnet.

L zog meinen Kopf mit seiner Hand näher zu sich heran und küsste mich dann. Ich riss meine Augen weit auf. Ich konnte das nicht glauben. Aber ich fühlte es doch. Als würde mein Herz gleich vor Freude zerspringen… Endlich erwiderte ich den Druck von L und schloss meine Augen. Ich hob meine Hände und legte sie an L’s Seite. Sein Körper fühlte sich toll an.

Doch auch der Kuss fand sein Ende. Ich hatte meine Hände noch immer auf L’s Körper und L seine Hand an meinem Gesicht. Ich sah ihn verlegen an. Verdammt, warum war ich nur so schüchtern? Aber wenigstens wich ich seinem Blick nicht mehr aus. Und L sah mich lächelnd an.

„Also war mein Verdacht richtig.“

„Verdacht? Also war es nur ein Verdacht, was du den Polizisten vorhin erzählt hast?“

„Woher weißt du, was ich ihnen erzählt habe?“

„Ich hatte mir gerade frische Sachen genommen und wollte Duschen gehen. Aber die Polizisten waren noch da. Die Tür war nicht exakt geschlossen und ihr habt euch über mich unterhalten. Ich wusste wirklich nicht, dass ich verhört worden war. Aber das erklärte wenigstens meine Kopfschmerzen. Und dann hast du gesagt, dass du mich nicht für Kira hältst, weil ich dich mag. Aber wie es aussieht, wusstest du es zu diesem Zeitpunkt gar nicht, oder?“ Ich hatte ihn losgelassen. Irgendwie hatte mich das getroffen. Er behauptete etwas, ohne es genau zu wissen. Und so einer nennt sich Detektiv?

„Ich habe es gesagt, damit sie dich in Ruhe lassen.“

„Was?“

„Nachdem du unter Folter zugegeben hattest, Kira zu sein, dachten die Polizisten natürlich, dass du wirklich Kira seiest. Aber das war Blödsinn. Trotzdem ließen sie nicht von ihrem Verdacht ab. Deshalb sagte ich, dass du nicht Kira bist und dass du mich magst. Insgeheim hatte ich es auch gehofft…“ L hatte zur Seite gesehen, während er das sagte.

Ich umarmte ihn einfach. Ich konnte nicht anders.

„Tut mir leid. Ich wollte eben nicht so kalt sein. Ich konnte ja nicht wissen, was du in deinem Geniehirn für eine Idee hinter der Aussage hattest. Ich wollte es nicht so sagen…“

L erwiderte die Umarmung und ich konnte deutlich seinen Körper an meinem spüren. Es war ein unglaublich intensives und schönes Gefühl.

„Schon gut. Ich wusste ja nicht, dass du das mitgehört hast. Ich weiß, dass man solche Sachen für sich behält. Tut mir leid, wenn ich dich gekränkt habe.“

„Ach was.“ Ich löste mich von ihm. „Aber jetzt ziehst du dir besser etwas an, sonst kann ich für nichts garantieren.“, sagte ich grinsend und ging Richtung Tisch. Dieser sah ziemlich unordentlich aus, weil hier eine Menge Zettel und Fotos herumlagen. Aber ein Bild zog mich an. Es war ein Bild einer Wand, auf dem mit Blut etwas geschrieben stand. Es war der Titel eines Songtextes.

„Shadan. Wir haben keine Ahnung, was das bedeuten soll.“, sagte L, der hinter mir stand und über meine Schulter schaute.

„Wenn mich nicht alles täuscht, ist das ein Songtitel.“

„Ein Songtitel?“

„Spreche ich Suaheli? Ja, ein Songtitel. Ein Song von Girugamesh heißt so.“

„Ist das wahr?“, fragte er. Ich nickte. „Aber hilft uns das weiter…“

„Vielleicht…“, überlegte ich. „Im Text kommen bestimmte Zeilen vor, die etwas mit Kira zu tun haben könnten. Ich zitiere mal den Refrain: ‚Ich werde alles zerstören. Ich habe keinen Grund es nicht zu tun. Da es solche Menschen gibt, wie dich.’ Hilft dir das weiter?“

L hatte mir aufmerksam zugehört. „Könnte sein. Mich würde aber zu gern interessieren, wen er mit ‚solche Menschen wie dich’ meint.“

„Er hat es ja nicht direkt gesagt. Das steht aber im Text. Ob er sich darauf bezieht, wissen wir nicht.“

L überlegte wieder. Er sah sich das Foto wieder und wieder an, als ob er etwas übersehen hätte.

„In zwei Tagen geben Girugamesh hier ein Konzert. Da wäre ich gern hingegangen…“

„Das ist es! Kira will auf das Konzert und dort Menschen töten!“ L, der sich erst gesetzt hatte, sprang wieder auf und sah mich erschrocken an. „Wir müssen auf das Konzert.“

Mein Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen, obwohl der Anlass des Konzertes nicht das Vergnügen war. Ich würde trotzdem Spaß haben.

„Ist das dein Ernst?“, fragte ich zur Sicherheit und klang dabei erfreut und aufgeregt.

„Ja. Wenn Kira da aufkreuzt, müssen wir doch auch das sei…“ L konnte nicht weiter sprechen, weil ich ihm um den Hals fiel.

„Das ist so geil! Ich geh auf ein Girugamesh-Konzert!“ Ich freute mich so wahnsinnig darüber, dass ich mich kaum einbekam.

L schlang seine Arme um meinen Körper und hielt mich fest.

„Schön, wenn es dich so freut. So kann ich meiner Arbeit nachgehen und du hast auch deinen Spaß.“, sagte er und drückte mich noch etwas enger an sich. Ich lehnte mich etwas zurück und sah L in die Augen. Dann küsste ich ihn. Ich freute mich ja so wahnsinnig. Ich hatte schon vor Monaten geplant, auf ein Girugamesh-Konzert zu gehen, aber durch meine finanzielle Situation ging das schlecht. Ich hatte einen Teilzeitjob als Kellnerin angenommen und verdiente nicht allzu viel. Und ein Konzerticket war alles andere als billig. Ich hatte schon ewig darauf hin gespart.

„Ich danke dir, L. Du glaubst gar nicht, wie viel mir das bedeutet.“

„Ich kann’s mir denken.“ Wir lösten uns voneinander und L widmete sich wieder den Unterlagen der Ermittlungen. Ich wollte zum Sofatisch gehen, doch stattdessen tänzelte ich dorthin. Ich nahm eine Tüte Kekse und kehrte damit zu L zurück. Ich setzte mich neben ihn und während er die Unterlagen durchsah, hielt ich ihm ab und zu einen Keks vor den Mund, den er dann aß. So hatte er die Hände frei und bekam gleichzeitig etwas Hirnnahrung in den Magen. Ich aß ebenfalls was von den Keksen.

Es vergingen viele Stunden und ich holte immer wieder was zu essen. L schien ein Nimmersatt zu sein. Ich hingegen hatte nach einer Tafel Schokolade, zehn Keksen und diversen Gummibärchen keinen Hunger mehr. Ab und zu machte ich L einen Kaffee, weil er diesen brauchte, um wach zu bleiben. Irgendwann wurde aber auch ich müde und begann zu dösen. Dann überfiel mich der Schlaf…

Ermittlungsstress

L war vertieft in seine Unterlagen und bemerkte nicht, dass Sai eingeschlafen war. Er griff nach links auf den Tisch, um noch ein Stück Schokolade zu nehmen, doch diese war alle. Er wollte gerade Sai beten, neue zu holen, als er ein Gewicht von links gegen sich stoßen fühlte. Er sah, dass es Sai war, die scheinbar schlief. L legte alles weg, was er in der Hand hatte und drehte sich zu Sai. Er hielt sie fest, legte sich der Länge nach hin und zog Sai auf sich drauf. Ihr Kopf ruhte nun auf seiner Brust. L’s Hände waren knapp über ihrem Bauch.

Während er Sai beim Schlafen zusah, wurde auch er müde. Langsam aber sicher entglitten auch seine Gedanken ins Reich der Träume…
 

Als ich erwachte, lag ich ziemlich bequem. Ich wusste aber nicht, wieso. Nachdem ich etwas gelauscht hatte, bemerkte ich ein rhythmisches Geräusch. Es war L’s Atmung. Ich lag auf ihm. Als ich überlegte, fiel mir auch ein, wieso. Ich war gestern Abend eingeschlafen und musste gegen ihn gesackt sein. Jedenfalls lag ich jetzt sehr gemütlich und es war so schön warm bei ihm. Ich drehte mich etwas und dadurch wurde L wach.

„Guten Morgen. Na, gut geschlafen?“, fragte er mich, nachdem er etwas wacher war.

„Ähm… Ja. Sehr gut. Danke…“

Dann drehte er mich einfach zu sich um, sodass wir Bauch an Bauch lagen. Ich sah ihn verwundert an und konnte gar nichts sagen. Da mir meine Haare ins Gesicht gefallen waren, nahm L eine Hand und strich sie zur Seite. Dann hob er seinen Kopf an und küsste mich. Ich erwiderte den Druck etwas und L strich mit seinen Händen meinen Rücken entlang. Dann löste ich mich von ihm.

„Wir sollten aufstehen. Wenn die Polizisten bald wiederkommen…“, sagte ich und richtete mich auf. So saß ich rittlings auf L.

„Ach Menno. Ich wäre gern noch etwas mit dir hier liegen geblieben.“ Doch dann richtete L sich ebenfalls auf und schlang seine Arme um meinen Körper. Ich legte meine Hände auf seine Schultern. Gerade, als ich ihn erneut küssen wollte, wurde die Tür geöffnet und Watari trat herein. Er sah die Szene und lächelte.

„Ah. Master Ryuzaki und Miss Sai. Tut mir leid, wenn ich störe, aber ich komme immer um diese Zeit und mache sauber. Lassen Sie sich von mir nicht stören.“ Watari stellte den Aktenkoffer, den er mitgebracht hatte, ab und ging einfach an uns vorbei. Ich sah ihm einen Moment lang nach. Verdammt, irgendwie fand ich das unangenehm. Aber L schien das nicht zu stören. Dieser nahm nämlich gerade eine Hand um meinen Kopf zu sich zu drehen und küsste mich wieder. Nach einem langen Moment löste ich mich doch schon etwas widerwillig von L.

„Lass uns aufstehen.“, sagte ich und stieg von L herunter. Somit duldete ich keine Widerrede. Und kaum, dass ich stand, kam auch schon Watari und begann das Chaos wegzuräumen, welches L und ich letzte Nacht hinterlassen hatten. Unzählige Verpackungen landeten im Mülleimer und die ganzen Teller brachte Watari in die Küche, wo er sie auch gleich abwusch. Er war echt fleißig. Und er hatte noch eine Menge zu tun. Es gab hier so viele dreckige Teller, dass ich mir kurzerhand welche schnappte und zu Watari in die Küche ging. Gerade, als ich einen Fuß über die Schwelle gesetzt hatte, klopfte es an der Tür. Es waren die Polizisten. Ich verschwand schnell in der Küche.

„Oh, aber Miss Sai. Sie müssen mir doch nicht helfen.“, sagte Watari und hatte wieder sein freundliches Lächeln im Gesicht.

„Ich helfe aber gern. Ich bin es außerdem gewohnt. Ich hatte bis vor kurzem noch einen Job als Kellnerin.“

„Bis vor kurzem? Haben Sie ihn denn nicht mehr?“

„Nein. Nachdem ich entführt wurde, haben die Betreiber sicher einen guten Ersatz für mich gefunden.“

„Oh.“, erwiderte Watari. Dann erhellte sich seine Miene. „Aber um so etwas brauchen Sie sich jetzt keine Sorgen mehr machen.“

„Was… was meinen Sie?“, fragte ich und sah ihn begriffsstutzig an.

„Sie werden natürlich hier bei Master Ryuzaki und mir bleiben.“

Das verschlug mir die Sprache für einen Moment.

„Ist das… Ihr Ernst?“, fragte ich fassungslos.

„Aber natürlich. Ich glaube nicht, dass Master Ryuzaki eine Frau wie Sie gehen lässt. Und so wie ich das vorhin gesehen habe, wollen Sie auch nicht gehen, oder?“

Ich wurde rot und schüttelte mit dem Kopf.

„Na also. Also bleiben Sie schön hier. So müssen Sie sich keine Sorgen mehr um etwas machen.“

Wenn es mal so leicht wäre. Mein Gesicht veränderte sich und sah bedrückt aus. Mir fiel die Sache mit dem Mord wieder ein. Das musste ich L unbedingt noch erzählen. Bloß wann war der richtige Moment für so etwas? Ich wusste es nicht.

„Bedrückt Sie etwas, Sai?“, fragte Watari besorgt.

„In der Tat. Aber ich kann es Ihnen nicht so einfach erzählen.“

„Dann versuchen Sie es mir so zu sagen, dass es Ihr Geheimnis bleibt.“

„Leicht gesagt… Also, es geht um etwas, was ich Ryuzaki unbedingt erzählen muss. Leider ist es eine sehr, sehr unschöne Sache und ich denke, dass er mich mindestens dafür hassen, wenn nicht sogar einsperren lassen wird.“ Verdammt. Ich hatte eigentlich schon zu viel gesagt, aber falls Watari das mitbekommen hatte, ließ er sich nichts anmerken.

„Das denke ich nicht.“

„Was?“

„Ich habe eine Vermutung, was diese Sache anbetrifft. Aber selbst, wenn es der Fall sein sollte, würde Master Ryuzaki sie nicht verurteilen.“

„Woher wollen Sie das wissen?“

„Als sie neulich im Bad waren, kam ich noch einmal kurz vorbei, um Master Ryuzaki seinen Lieblingskuchen zu bringen. Da hat er mich etwas gefragt.“

„Und was?“ Er hatte mich neugierig gemacht.

„Was ist Liebe?“

Ich war verblüfft. „L ist doch so ein Genie. Aber was diese einfache Sache bedeutet, wusste er nicht?“

„Scheinbar. Aber wie würden Sie denn Liebe definieren?“

Mist, jetzt hatte er mich.

„Na ja… das ist wenn… zwei Menschen sich sehr zueinander hingezogen fühlen und… es nicht lange ohne einander aushalten… Oder?“

Watari lachte etwas. „Ich habe es Master Ryuzaki ähnlich erklärt. Und wissen sie, was er dann gesagt hat?“

„Nein…“

„Er sagte: ‚Watari, ich glaube, ich habe mich verliebt.’“

Dazu konnte ich nichts sagen. Vermutlich hatte er sich ebenso gefühlt, wie ich, als ich so allein im Bett war und er bei den Polizisten. Aber die Sache mit dem Duschen war noch vor dem Kuss. Also hatte er sich ganz sicher wie ich gefühlt.

„Und deshalb glaube ich nicht, dass er Sie verurteilen wird.“

„Ich hoffe, Sie haben Recht… Aber ich weiß nicht, wann ich ihm das sagen soll.“

„Vielleicht heute Abend, wenn wir alle weg sind.“

„Ich denke, das ist nicht so gut. Morgen ist das Girugamesh-Konzert und da will ich unbedingt hin. Wenn ich es ihm sage, fliege ich hier hochkant raus… Ich muss es ihm danach sagen. Aber dann habe ich ein schlechtes Gewissen, weil es mir wie Ausnutzung vorkommt… Aahrg! Ich weiß nicht, was ich tun soll…“ Während ich das erzählte, wanderte ich auf und ab in der Küche. Watari stand daneben und dachte nach. Den Abwasch hatten wir beide jetzt verdrängt.

„Dann sagen Sie es ihm morgen nach dem Konzert. Master Ryuzaki hat Sie schließlich zu dem Konzert eingeladen und wird sie nicht wieder ausladen. Gehen Sie hin, genießen Sie es und klären Sie das Problem später.“

„Wenn Sie das sagen, Watari, glaube ich Ihnen.“ Ich war stehen geblieben und lächelte ihm zu. Dann wandte ich mich wieder dem Geschirr zu und trocknete das ab, was Watari schon gespült hatte.

Während der Arbeit redeten wir noch ein wenig. Watari fragte mich dies und das und wir verstanden uns prächtig. Er war wie der Großvater, den ich nie hatte. Auch, wenn er als mein Vater zu alt wäre, hätte ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als einen Vater mit Watari’s Charakter gehabt zu haben. Aber über so etwas brauchte ich mir jetzt keine Gedanken mehr zu machen. Tote soll man ruhen lassen.

Da wir so viel redeten, dauerte die Küchenarbeit auch länger als gewöhnlich. Doch irgendwann musste auch ich aus der Küche raus, weil Watari das Essen vorbereiten wollte und das lieber allein machte. Also hatte ich keine andere Wahl. Ich musste, um ins Schlafzimmer zu kommen, durch das Wohnzimmer. Und dort saßen die Polizisten. Ich wollte nicht mal in ihrer Nähe sein. Sie hatten bei mir ein Trauma verursacht. Eine Wahl hatte ich aber nun mal nicht.

So leise wie möglich öffnete ich die Tür und schloss sie auch wieder. Dann schlich ich mich, mit dem Blick auf den Polizisten, Richtung Schlafzimmer. Doch die Tür dort klemmte und machte ein unüberhörbares Geräusch beim Öffnen. Sofort schnellten alle Köpfe zu mir nach hinten. Ich war einen Moment lang erstarrt, doch als ich mich wieder hatte, verschwand ich schleunigst im Schlafzimmer. Erst dort fühlte ich mich in Sicherheit. Nachdem ich einmal tief Luft geholt hatte, ging ich zum Radio und suchte wieder meinen Lieblingssender. Nach ein wenig herumdrehen an dem Suchrad, fand ich auch meinen Sender. Im Moment lief the GazettE. Doch ich wusste, dass das Lied bald zu Ende war. Und einen Moment darauf kam auch schon Girugamesh mit ‚Freesia’. Sofort versank ich in einer Art Trance, weil dieser Song eines meiner Lieblingslieder war. Ich ging zum Fenster, nachdem ich das Radio etwas lauter gedreht hatte. Ich öffnete es und sah hinaus. Mal wieder neigte sich der Tag dem Ende zu und ich konnte den Sonnenuntergang bewundern. Schade, dass ich hier allein stand. Eigentlich stand ich gar nicht auf solchen Kitsch mit Sonnenuntergang und so. Aber allein sein wollte ich auch nicht. Ich war mein ganzes Leben lang allein. Ich wollte daran jetzt nicht denken, weil ich sonst wie ein Emokind klang. Solche Gedanken ließen sich gerade nicht vermeiden. Verdammt, jetzt fühlte ich mich echt beschissen. Ich ging zum Kühlschrank, der seltsamerweise hier stand, und öffnete ihn. Darin fand ich diverse Schokolade und ganze Kuchen. Ich nahm mir eine halbe Tafel Mousse au Chocolat und verkrümelte mich damit zum Bett. Während die Musik lief, machte ich mich an der Schokolade zu schaffen. Doch nach einigen Stücken reichte es mir auch. Ich legte die Schokolade auf die andere Bettseite und lehnte mich zurück. In der Zwischenzeit liefen schon etliche andere Lieder von Girugamesh oder Gackt. Ich lag einfach nur da und ließ mich von der Musik berieseln. Ab und zu kam auch ein Song von Miyavi. Es war einfach entspannend, aber irgendwie auch langweilig… Es vergingen fast drei Stunden, die ich allein im Schlafzimmer rumgammelte. Ich schaltete das Radio ab. Dann stand ich auf, ging zur Tür und lauschte. Doch außer leisem Schnarchen hörte ich nichts. Ich streckte die Hand nach der Türklinke aus, doch dann hielt ich inne. Sollte ich nachsehen? Ich vollzog die Bewegung und öffnete leise die Tür. Vorsichtig steckte ich meinen Kopf aus der Tür und erblickte die schlafenden Polizisten auf dem Boden. Langsam schloss ich die Tür hinter mir, nachdem ich aus dem Zimmer getreten war. Nach kurzem Umsehen, sah ich L auf dem Sofa liegen. Doch von hier aus konnte ich nicht sehen ob er schlief oder nicht. Also setzte ich mich langsam in Bewegung und schritt zur Couch. Zum Glück lagen keine Polizisten in der Nähe des Sofas. Somit kam ich ungehindert durch. Als ich am Sofa war, stand ich noch etwas unschlüssig herum. Dann kniete ich mich vor das Sofa und betrachtete den scheinbar schlafenden Ryuzaki. Ich legte meine Hand an sein Gesicht und strich über seine Wange, während ich ihn lächelnd betrachtete. Dann öffnete er plötzlich seine Augen und sah mich an. Ich schreckte zurück und stieß hart gegen den Tisch. Da ich hockte und nach hinten kippte, knallte ich mit meinem Kopf gegen die Tischkante. Ich unterdrückte den Schmerzenslaut und presste meine Hand auf die schmerzende Stelle. L sah mich erschrocken an und streckte seine Hand nach mir aus.

„Ich… ich wollte dich nicht erschrecken. Tut es sehr weh?“, fragte L leise und streichelte meinen Kopf. Statt zu antworten schüttelte ich den Kopf. Dann beugte ich mich vor und sah L lächelnd an. Ich unterdrückte den Schmerz einfach. Er legte nun seine Hand an mein Gesicht.

„Tut mir leid. Wolltest du zu mir?“

„Was für eine Frage. Natürlich wollte ich zu dir. Aber ich hätte es auch schön gefunden, wenn du zu mir gewollt hättest…“, sagte ich und drehte meinen Kopf leicht weg.

„Ich wollte zu dir. Glaub mir. Aber leider ließen mir die Polizisten keine Gelegenheit, auch nur einen Moment zur Ruhe zu kommen. Die ganze Zeit: Kira hier, Kira da… Ich muss aber in dem Fall ermitteln und konnte schlecht sagen: So Leute. Ich mach jetzt mal ein paar Stunden Pause und lasse euch allein.“ Wir redeten die ganze Zeit gedämpft, aber so, wie er das eben gesagt hatte, konnte ich mir ein leises Lachen nicht verkneifen. Doch ich hielt mir schnell die Hand vor den Mund und unterdrückte das Lachen. L grinste jetzt. Dann streckte er seine Arme aus und zog mich zu sich auf das Sofa hoch. Ich sah einen Moment erstaunt aus, lächelte dann aber. Zum Glück war das Sofa so groß, sonst hätten wir nicht nebeneinander liegen können. Ich drehte mich zu ihm hin und L legte seine Hände um meine Taille, damit ich nicht herunterfiel. Ich kuschelte mich ganz eng an L und sog seinen angenehmen Geruch ein. Das beruhigte mich und alles um mich herum war egal. Dass die Bullen noch hier herumlagen, störte mich plötzlich nicht mehr. L streichelte mit seiner anderen Hand meinen Kopf und sah mir tief in die Augen. Dann küsste er mich. Zögerlich und vorsichtig, dann aber wurde er scheinbar mutiger und seine Küsse wurden etwas wilder. Doch irgendwann hatte auch dieser schöne Augenblick sein Ende. Wir lösten uns voneinander und ich drückte mich wieder an seinen Körper. Ich war so müde und wollte nur noch schlafen. Und zwar hier bei L. Seine Wärme machte mich noch müder. Nach ein paar Minuten war ich auch eingeschlafen.

Unvergesslich...

Etwas strich mir über mein Gesicht und als ich meine Augen öffnete, erblickte ich das lächelnde Gesicht von L. Er hatte seine Hand an meiner Wange. Dann ließ er seine Hand zu meinen Lippen gleiten und berührte sie vorsichtig. Ich schob meinen Kopf vor, sodass er seine Hand wegnehmen musste, damit ich ihn küssen konnte.

„Ähm… Ryuzaki. Wir müssen weitermachen.“

Ich erschreckte mich total und drehte meinen Kopf schnell nach oben, wo ich in das erstaunte Gesicht eines der Polizisten sah. Ich richtete mich auf und auch L tat dies. Dann nahm er mich schützend in seine Arme, während ich den Polizisten böse ansah. Dieser schreckte etwas zurück, weil er mit dieser Situation nicht gerechnet hätte. Auf einmal kamen noch andere Polizisten um das Sofa herum, weil sie den Polizisten zurückschrecken gesehen hatten. Ich war mit dieser Situation plötzlich überfordert und drückte mich noch enger an L.

„Verschwindet!“, sagte ich leise und krallte meine Hände in L’s Shirt.

Sofort machten die Polizisten kehrt und ich war quasi mit L allein. Ich beruhigte mich wieder und L brachte mich schnell ins Schlafzimmer. Doch bevor wir dort ankamen, fragte einer der Polizisten: „Was hat das Mädchen?“

„Ein Trauma. Dank euch.“, fauchte L den Typen an und wir setzten unseren Weg fort. Ich beruhigte mich wieder ganz, als ich im Schlafzimmer war.

„Danke…“, sagte ich und drückte mich wieder an L.

„Schon gut. Ich hätte gestern Abend zu dir kommen sollen. Dann hättest du das jetzt nicht erleben müssen.“

„Ach was… Ich… habe überreagiert. Aber… es kam nur so plötzlich… Die Erinnerungen… Du verstehst…“

„Ja, ich verstehe. Es tut mir aber trotzdem leid. Aber heute werde ich dich gebührend ablenken. Ich hoffe, du freust dich schon auf das Konzert.“

Sofort war meine Laune besser und ich sah L lächelnd an. „Ja, darauf freue ich mich schon sehr. Und ich hoffe du weißt auch, dass ich dir dafür sehr dankbar bin. Das wird einmalig werden.“

„Ja. Das wird es sicher.“, sagte L mit einem verheißungsvollem Grinsen. „Aber jetzt gehe ich noch kurz zu den Polizisten und weihe sie in unsere Vermutungen ein, damit sie sich darauf vorbereiten können. Du kannst dich ja schon mal fertig machen.“

Damit ließ L mich los und verließ das Zimmer. Also ging ich zum Schrank und suchte mir Sachen heraus. Ich wählte bewusst schwarze Sachen mit Nieten und Ketten. Meine Haare band ich zu einem Pferdeschwanz und ich schminkte meine Augen dunkel. Jetzt sah ich fast wie L aus mit den Augen. Dieser Gedanke brachte mich zum grinsen.

Dann war ich auch fertig und wartete auf L. Nach einigen Minuten kam er wieder.

„Die Polizisten sind schon losgefahren. Ich muss mich noch umziehen und Watari bringt uns dann zum Konzert.“

Damit ging L zum Schrank und suchte sich ein Shirt heraus. Diesmal war es ein Schwarzes. Eine neue Hose nahm er ebenfalls heraus. Diese war jedoch fast schwarz. Nun begann er, sich auszuziehen. Anfangs zog er nur sein Shirt aus, um es gegen das Neue zu wechseln. Da starrte ich ihn schon wieder an. Der hatte einen tollen Körper… Doch als er seine Hose öffnete, drehte ich mich diskret um. Ich musste ihn ja jetzt nicht in Unterhose sehen.

„Ich bin dann soweit.“ Er drehte sich zu mir um. „Du siehst echt toll aus.“

„D-danke… Du auch. Mal was anderes.“ Ich schenkte ihm ein Lächeln. „Das Schwarz steht dir sehr gut. Du siehst nur etwas blass aus…“

„Mach dir keine Sorgen. Ich bin schon immer blass gewesen. Das ist bei mir natürlich.“

„Na dann…“

Wir verließen das Schlafzimmer und trafen im Wohnzimmer auf Watari, der auf uns gewartet hatte. Nun kam ich endlich mal aus dem Hotelzimmer raus. Als wir vor dem Hotel standen, sah ich hinauf in den Himmel. Von hier unten aus hatte man zwar keine so gute Aussicht wie auf dem Balkon, aber der Sonnenuntergang war trotzdem schön. Ich stand einfach da und starrte in die untergehende Sonne. L war neben mir stehen geblieben und sah mich an.

„Schön, nicht wahr?“, sagte ich verträumt.

„Ja. Aber du gefällst mir besser…“, sagte L und ich drehte mich mit geweiteten Augen zu ihm um. Er jedoch lächelte mich einfach nur an. Dann hupte es auf einmal. Ich schrak zusammen und als ich nach der Ursache suchte, sah ich Watari mit einer Limousine vor uns stehen. Er war ausgestiegen und hielt uns die Tür auf. L nahm einfach meine Hand und zog mich mit sich. Er ließ mir den Vortritt und ich stieg ein. Nachdem ich mir einen Platz gewählt hatte, kam auch L rein und setzte sich neben mich. Obwohl in dem Auto massig Platz war, saßen wir dicht beieinander. Mir gefiel es einfach, L’s Wärme zu spüren.

Die ganze Fahrt über redeten wir kein Wort. Ich freute mich stumm auf das Konzert und L schien wieder einmal über Kira nachzudenken. Nach einer halben Stunde Fahrt waren wir auch am Tokyo Park angekommen, wo das Konzert stattfinden sollte. Man konnte schon von weitem sehen, dass er hell erleuchtet war. Die Flutlichter strahlten in den Nachthimmel und erhellten die Umgebung. In einer viertel Stunde sollte das Konzert beginnen. Wir stiegen aus dem Auto und L half mir dabei. Dann drückte er mir etwas in die Hand. Ich starrte fassungslos darauf.

„Eine… eine VIP-Karte…?“, stammelte ich und sah L entgeistert an.

„Ja. Ich dachte, dass du die Jungs vielleicht mal kennen lernen w…“

Bevor L das Wort aussprechen konnte, hing ich schon an ihm dran. Ich drückte ihn ziemlich fest an mich.

„Oh danke, danke, danke! Du glaubst gar nicht, wie geil das ist!“ Ich drückte ihm einen dicken Kuss auf die Wange und ließ ihn dann anschließend los, damit er wieder Luft bekam. Ich sah ihn freudestrahlend an.

„Dachte ich mir doch, dass dir das gefallen würde. Aber jetzt lass uns losgehen. Ich muss vorher noch etwas abklären.“

Mit diesen Worten schnappte er sich meine Hand und wir gingen auf die Konzerthalle zu. Dort drinnen herrschte eine wahnsinnige Enge, weil halb Tokyo gekommen zu sein schien. L führte mich an der Seite entlang, wo wir schließlich bis kurz vor die Bühne kamen. Dort zeigten wir unsere VIP-Karten und man ließ uns durch. Jetzt stand ich direkt vor der Bühne.

„Geh nicht weg. Ich bin gleich wieder da.“, sagte L und verschwand auf dem Weg, auf dem er gekommen war. Ich stand allein vor der Bühne und hatte nichts weiter im Kopf als Girugamesh. Ich hatte noch keinen Gedanken an Kira verschwendet und hatte es auch nicht vor.

Bevor das Konzert richtig losging, trat noch eine Vorband auf. Sie hieß ‚Nightmare’. Ich kannte diese Band ebenfalls von meinem Lieblingssender. Sie machten ähnliche Musik wie Girugamesh. Das heißt, sie spielten ziemlich klasse. Nachdem sie ihre Instrumente noch einmal überprüft hatten, begannen sie zu spielen. Ich sah mich etwas allein gelassen nach L um, aber es gab keine Spur von ihm. Irgendwie bedrückte mich das. Aber nichts desto trotz genoss ich die Musik von Nightmare. Sie spielten ‚The World’, ein einzigartigen Song, der mich seltsamerweise an L erinnerte… Wo blieb er bloß? Gleich kamen Girugamesh und er war immer noch nicht hier. Langsam machte ich mir Sorgen. War er noch bei den Polizisten, um mit ihnen noch etwas abzuklären? Ich wusste es nicht. Aber was ich wusste, war, dass ich mich sehr alleingelassen fühlte, weil L nicht da war. Etwas traurig sah ich zum Sänger von Nightmare empor. Er hatte seinen Blick gerade auf mich gerichtet. Er musste sehen, dass ich traurig aussah und schenkte mir beim Singen ein Lächeln. Da er nicht mal schlecht aussah, lächelte ich zurück. Er sang wirklich fabelhaft. Und nach einer Weile konnte ich den Refrain mitsingen. Das verschaffte mir wieder bessere Laune, aber L konnte ich dadurch nicht vergessen.

Nightmare hatten ihren Auftritt beendet und wurden mit tosendem Applaus verabschiedet. Drei Minuten später kamen Satoshi und co auf die Bühne. Ich freute mich wahnsinnig, sie live zu sehen und war voll auf die Band konzentriert. Somit bemerkte ich nicht, wie L zurückkam.

„Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat.“, kam es auf einmal von rechts. Ich schreckte zusammen und schaute in die Richtung, aus der die Stimme kam.

„Du bist es, L. Ich habe mich eben erschreckt… Das scheinst du gerne zu machen, oder? Mich erschrecken.“

„Nein. Das war keine Absicht. Ehrlich.“, verteidigte er sich.

„Schon gut. War doch nur Spaß.“, sagte ich und wehrte ab. Dann wandte ich mich wieder Girugamesh zu.

„Einen guten Abend wünsche ich euch!“, rief Satoshi durch das Mikro. Und als Erwiderung bekam er Applaus. „Ich find’s wahnsinnig cool, dass so viele zu unserem Konzert gekommen sind. Schon mal vielen Dank an euch!“ Wieder Applaus. „Okay. Lange Rede, kurzer Sinn. Wir fangen jetzt an!!!“

Und damit begann das Konzert. Sie spielten alle Songs aus ihrem neuen Album und auch Titel, aus den Alben davor. Etwas fiel mir aber auf. Sie spielten nicht meine zwei Lieblingslieder vom neuen Album. Hatten sie die vergessen oder so? Etwas komisch fand ich das schon, aber sollte ich mich etwas beschweren? Ha! Hauptsache, die spielen überhaupt etwas und die Songs waren sowieso alle klasse.

Nach zwei Stunden sollte das Konzert eigentlich beendet sein, aber die Fans verlangten nach einer Zugabe. Und die sollten sie auch bekommen.

„Diese Zugabe heute wird eine ganz besondere. Wir spielen zwei Songs, die einem besonderen Mädchen zuteil werden sollen.“

Was erzählte er da? Besonderes Mädchen? Hier gab es bestimmt tausende Mädchen, die sich für besonders hielten.

„Ihr Name ist Sayuki und sie ist heute unter den VIP-Gästen.“

Ich habe mich doch eben verhört, oder? Ja, so musste es sein. Er hatte nicht meinen Namen gesagt. Das hat er nicht…

„Es war der Wunsch ihres Freundes, ihr eine Nachricht zukommen zu lassen.“

Jetzt konnte ich nicht anders, als Satoshi anzustarren, der mich ebenfalls ansah. Hintergründig bemerkte ich, dass die Leute hinter mir sich hektisch umsahen, um die gemeinte Person zu finden.

„Die Nachricht lautet: ‚Sai, bleib bei mir und hilf mir, Gerechtigkeit in der Welt zu verbreiten.’ Ist das nicht süß?“

Mir wurde es auf einmal klar. Und steif und mit offenem Mund drehte ich mich langsam zu L um. Dieser grinste verlegen und sah verstohlen zu mir hoch, da er wieder seine gebückte Haltung eingenommen hatte.

„Das hast du nicht gemacht.“, sagte ich. „Ich bin damit nicht gemeint.“

„Doch. Das war der Grund, weshalb ich dich so lange allein gelassen hatte.“

Ohne jeden ersichtlichen Grund traten Tränen in meine Augen und ich fing an mit Heulen. Ich sah L durch einen Tränenschleier an und dann nahm er mich in die Arme.

„Ich bleibe bei dir. Ich werde dir helfen…“, sagte ich unter Tränen.

Dann drückte L mich etwas von sich weg und küsste mich. Spätestens jetzt hatte auch der letzte mitbekommen, dass ich gemeint gewesen war. Zumindest die Leute, die direkt hinter mir standen. Ich hielt mich fest an L geklammert und spürte seinen Körper eng an meinem.

Dann hörte ich endlich das von Girugamesh, was ich hören wollte. Sie spielte ‚Freesia’. L’s Lippen lösten sich von meinen, doch wir blieben immer noch eng umschlungen stehen. Dann spielten sie noch Fukai no Yami. Es war einfach nur wunderbar. Ich versank zusammen mit L in eine andere welt, die nur uns beiden gehörten. Da die Lieder etwas ruhiger waren und sehr melancholisch klangen, stiegen mir neuerliche Tränen in die Augen. Ich krallte meine Hände in L’s Shirt und er streichelte meinen Rücken.

„Einfach nur schön…“, flüsterte ich. „Fukai no Yami – Welle der Dunkelheit…“

„Deine Zeit der Dunkelheit ist vorbei, Sai.“, sagte L und strich über meinen Kopf.

„Nein, noch nicht…“, sagte ich melancholisch. „Ich werde es dir erklären… Aber nicht jetzt…“

Wir genossen noch die letzten Klänge des Liedes und lösten uns dann voneinander, um zu Applaudieren. Dann verschwanden Girugamesh von der Bühne und L schnappte sich meine Hand. Er zog mich den Weg entlang der Bühne mit sich und wir gelangten an einen Gang, der Richtung Backstage führte. Wieder mussten wir unsere Pässe zeigen, damit wir durchkamen und dann waren wir in den heiligen Hallen von Girugamesh. Ich konnte es nicht fassen. Und noch weniger konnte ich es fassen, als wir vor dem Umkleideraum standen. Ich betone: Umkleideraum. Und weil das Konzert gerade vorbei war, schätze ich, dass die Jungs sich gerade umzogen. Aber L schien zu vergessen, dass ich eine Frau war und er klopfte ohne Zögern an die Tür.

„Aber L. Die Jungs ziehen sich bestimmt gerade um…“, sagte ich. Doch bevor ich sonst noch irgendwelche Einwände erheben konnte, öffnete sich die Tür und Satoshi stand mit einem Handtuch in der Hand vor uns. Und er hatte nur eine Hose an.

Verdammt.

Ich drehte meinen Kopf weg, um ihn nicht anzustarren. Doch da er auf mich zukam, ging das schlecht.

„Hey Ryuzaki. Schön, dass du gekommen bist. Ist das Sai?“, fragte Satoshi mit einem Blick auf mich.

„Ja. Das ist sie. Ich dachte, dass ich ihr hiermit eine Freude mache.“, erwiderte L.

„Die Freude ist ganz auf unserer Seite.“, sagte Satoshi und verbeugte sich vor mir. Als er wieder gerade stand, verbeugte ich mich ebenfalls. Dann bat er uns herein.

Heute hatte ich wirklich keinen guten Tag. Außer ShuU waren alle oben ohne. Nii und Ryo hatten ebenfalls Handtücher auf ihren Schultern. Sie grinsten mich einfach an. Verdammt, ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte… Ich grinste zurück. Dann bot uns Satoshi einen Platz an und wir setzten uns.

Ich dachte erst, dass ich kaum ein Wort über meine Lippen bringen würde, doch dem war nicht so. Wir unterhielten uns alle, als wären wir schon ewig Freunde. Es war eine lockere und tolle Atmosphäre. Doch dann schlug Satoshi vor, dass wir doch ein paar Bilder machen sollten.

Auf den ersten war ich mit Girugamesh drauf. L fotografierte. Nur nebenbei: Die Jungs hatten keine Anstalten gemacht, sich irgendetwas drüber zu ziehen. Das würden bestimmt die geilsten Bilder meines Lebens werden.

Nach einer Stunde wurden die Jungs müde. Nur Satoshi nicht. Er wurde mutiger. Während er mich anflirtete, knipste L munter weiter. Die Bilder wurden auch immer - wie sollte ich sagen – sexier? Satoshi deutete mir, meine Hand auf seinen Bauch zu legen und die andere ruhte auf seiner Schulter. Ich stand etwas seitlich zu ihm, sodass ich nicht sah, was er mit seinem Gesicht machte. Kurz bevor L abdrückte, spürte ich etwas Warmes an meiner Wange. Ich drehte mich zu Satoshi um. Er hatte mir gerade einen Kuss auf die Wange verpasst. Als ich ihn mit großen Augen ansah, grinste er nur frech. Ich sah aus den Augenwinkeln, dass seine Kumpels ebenfalls grinsten. Dann bemerkte ich, dass ich immer noch meine Hände auf seinem Körper hatte und ließ ihn schnell los. Ich stand etwas verlegen herum, aber Satoshi störte es scheinbar nicht. Gemächlich ging er zum Tisch und nahm sein Handy. Schnell tippte er eine Nummer ein und gab einen kurzen Befehl durch. Nach wenigen Minuten klopfte es an der Tür und ein Kerl mit einem Girugamesh-Rucksack kam herein. Er übergab ihn an Satoshi und verschwand dann wieder.

„So Jungs. Jetzt ist unterschreiben angesagt!“, sagte er motivieren du kippte den Inhalt des Rucksackes auf einem leeren Sofa aus. Unter anderem fielen CDs, DVDs, T-Shirts, Kaputzenshirts und Autogrammkarten heraus. Satoshi begann mit dem Unterschreiben und gab das Teil dann an ShuU weiter. Dieser dann an Nii und zu guter letzt durfte Ryo sein Signum auch noch draufsetzten. Nach einer viertel Stunde waren alle Dinge unterschrieben (außer die Buttons, die waren zu klein) und wieder ordentlich im Rucksack. Satoshi überreichte mir den Rucksack.

„Hier. Ich hoffe, dir gefällt, was hier drin ist. Auf eine Karte habe ich meine E-Mail-Adresse drauf geschrieben, damit du mir ein paar von den Fotos schicken kannst und wir in Verbindung bleiben können. Wenn du mal wieder auf eins unserer Konzerte willst, schreibst du mich einfach an und ich schicke dir per Post VIP-Karten zu.“

„Ich… ich… Danke!“, sagte ich und strahlte. Die Ereignisse hatten sich irgendwie überschlagen und ich war von den ganzen Nettigkeiten völlig überwältigt. Ich hatte nie etwas geschenkt bekommen und jetzt gleich einen ganzen Rucksack voll mit Dingen von Girugamesh. Es war einfach nur unglaublich.

„Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder.“, sagte Satoshi, als wir zur Tür gingen. Es war schon nach Mitternacht und Watari wartete bestimmt schon sehr lange. Außerdem zog L einen Gusche und ich wusste nicht, wieso.

„Hoffe ich auch.“, sagte ich und strahlte noch immer. Ich winkte den Jungs zu, die den Abschiedsgruß erwiderten. Satoshi brachte uns noch bis vor die Tür.

„Pass gut auf Sai auf, Ryuzaki. Und macht’s gut!“

Damit gingen wir den Gang hinunter, den wir vor fast zwei Stunden gekommen waren. Ich hatte den Rucksack fest umklammert in meinen Armen und wollte ihn gar nicht mehr loslassen. So ging ich auch mit L zum Auto, wo Watari ausstieg, um uns die Tür zu öffnen. Ich stieg ein und legte den Rucksack auf einen anderen Sitz. Dann folgte mir L und setzte sich auf den Platz neben mir.

Während wir fuhren, beobachtete ich ihn aus den Augenwinkeln. Seit wir das Gelände verlassen hatten, machte er irgendwie ein seltsames Gesicht. Ich drehte mich zu ihm hin.

„Was hast du?“, fragte ich vorsichtig. Trotzdem reagierte er etwas gereizt.

„Nichts.“

„Du lügst.“

„Nein.“

„Doch. Und jetzt hör auf, mir zu widersprechen.“

L sah mich etwas grimmig an, doch sobald ich meine traurige Miene aufsetzte, glätteten sich die Wogen. Ich versuchte aus seinen Augen zu lesen, was er hatte. Und dann traf es mich wie einen Blitz.

„Du bist eifersüchtig.“

Er sah mich entrüstet an. „Auf wen denn?“

Ich grinste hinterlistig. „Auf Satoshi und die anderen Jungs von Girugamesh.“

L drehte sich weg. Also hatte ich recht.

„Bin ich nicht.“, erwiderte er.

„Hör auf zu lügen. Ich hab es in deinen Augen gelesen.“

„Welchen Grund sollte ich denn haben?“, sagte er und drehte sich mit verschränkten Armen wieder zu mir. Ich saß nun so, dass mein linkes Bein auf dem Boden des Autos stand und ich die Sitzlehne rechts mit der Schulter berührte. So konnte ich L am besten sehen.

„Keine Ahnung. Sag du es mir…“, entgegnete ich und sah ihn mit einem lasziven Blick an.

„Es gibt keinen Grund. Die sehen auch nicht besser als ich aus.“, sagte er trotzig.

Ich fing an mit lachen.

„Was ist?“, fragte er verdutzt.

„Nichts. Aber du hast recht. Ich dachte nur, dass du auf Satoshi eifersüchtig wärst, weil er so extrem mit mir geflirtet hat.“

„Kann sein…“

Ich grinste L an. „Aber gut sieht Satoshi auf jeden Fall aus.“ Jetzt ärgerte ich ihn nur noch. Und die Reaktion kam sofort. Aber nicht so, wie ich sie erwartete hätte. L schob sein Shirt so weit hoch, dass ich seinen Oberkörper komplett sehen konnte.

„Was hat der, was ich nicht habe?“, fragte er mich mit einem grimmigen Blick. Ich jedoch hatte meine Augen weiter als beabsichtigt aufgerissen, weil ich damit nicht gerechnet hatte. Ich war sichtlich erstaunt. Dann lächelte ich und meine Augen gingen wieder in ihre Ausgangsform zurück.

„Jetzt wo du es sagst… Keine Ahnung. Dein Körper ist auch sehr schön…“ Ich sprach aus irgendeinem Grund gedämpft.

Nun sah L mich seltsam an. Er ließ seine Hände sinken und das Shirt rutschte wieder herunter. Ich drehte mich wieder so, dass ich richtig auf dem Sitz saß und grinste stumm vor mich hin. L beobachtete mich von der Seite, aber ich ließ mir nichts anmerken.

Nach einer halben Stunde waren wir wieder am Hotel und Watari half uns aus der Limousine. Er verabschiedete sich von uns und gemeinsam mit L ging ich ins Hotel. Als wir wieder im Zimmer waren, brachte ich erstmal meinen neuen obergeilen Rucksack ins Schlafzimmer. Ich legte ihn neben meine Bettseite. Als ich mich umdrehte, um wieder zu gehen, stand L plötzlich hinter mir.

„Mann! Musst du mich so erschrecken?“, sagte ich erschrocken.

„Ich wollte mit dir reden.“

Ich sah ihn fragend an. „Worüber?“

„Über das, was du mir während ‚Fukai no Yami’ geantwortet hast. Du wolltest es mir erklären.“

Verdammt. Jetzt war meine Stimmung wieder ganz unten. Der Zeitpunkt war gekommen, um L über meine Vergangenheit aufzuklären. Ich stand aber gerade nur da mit einem ausdruckslosen Gesicht. Ich wusste nicht was ich tun oder sagen sollte. Wie ich beginnen sollte. L jedoch sah mich geduldig an.

„Wieso ist deine Dunkelheit noch nicht vorbei?“, fragte er mich schließlich.

„Weil… die Dunkelheit zwar meine Vergangenheit ist, sie mich aber noch immer verfolgt… Und darüber wollte ich dich aufklären… Aber ich habe… Angst…“

“Wovor?“

Ich sah zu Boden und kämpfte mit mir und meinen Gefühlen.

„Davor, dass du mich hassen und ausstoßen wirst, nachdem ich dir alles erzählt habe… Oder du wirst mich festnehmen lassen…“

„Hast du ein Verbrechen begangen?“ Seine Stimme war noch immer ruhig. Irgendwie machte mich das noch fertiger, als wenn er mich anschreien würde.

„…Ja…“

„Du musst es mir sagen. Wenn du es nicht tust, wird dich das dein Leben lang verfolgen. Und außerdem würde ich dich so lange danach fragen, bis du entweder gehen würdest oder mich umbringst. Also raus damit.“

„Na ja… Also meine Kindheit war scheiße. Wenn man das, was ich erlebt habe, überhaupt als Kindheit bezeichnen kann…“ Ich musste erstmal den Faden finden, um L zu dem Punkt zu führen, dem ich ihm ausführlich erklären wollte. „Ich war ein ungewolltes Kind und meine Eltern ließen mich das auch spüren. Ich bekam gerade so viel Nahrung, dass ich nicht verhungerte. Trotzdem war mein Leben eine Qual. Jedes Mal nach Weihnachten erzählten die anderen aus meiner Klasse sich gegenseitig, was sie alles bekommen hatten. Ich saß nur da und lauschte ihnen. Natürlich hatte ich nichts bekommen. Der Weihnachtstag war ein Tag wie jeder andere für mich auch. Ich stand früh auf, machte meinen Eltern Frühstück und sie aßen. Dann gingen sie und ich räumte wieder ab. Die Reste aß ich dann meistens auf. Während meine Eltern einkaufen waren oder sich anderweitig vergnügten, durfte ich den Haushalt schmeißen. Wenn nicht alles bei ihrer Rückkehr glänzte, bekam ich Schläge. So auch an Weihnachten. Nachdem ich meine Strafe bekommen hatte, ging ich in mein Zimmer und nahm ein Blatt Papier. Darauf malte ich mir ein Geschenk mit dem, was ich mir wünschte. Dann legte ich es unter meine Matratze. Dort lagen auch alle meine anderen Bilder, die ich Wehnachten immer gemalt hatte.“ Ich machte eine Pause, weil die ganzen Erinnerungen wieder hochkamen. „Als ich dreizehn war, geschah dann das Verbrechen. Am Vormittag hatte mich meine Mutter wieder geschlagen, damit ich ihr bei der Arbeit helfe. Ich hätte es auch so tun müssen, aber damit hatte sie wenigstens ihren Spaß. Sie stand gerade am Tisch und trank schon seit einer viertel Stunde Kaffee, während ich gerade Salat schnitt. Sie kam von hinten auf mich zu und schlug mir auf den Hinterkopf. Ich mache das falsch, sagte sie. Dann reichte es mir. Ich drehte mich mit dem langen Messer in der Hand um und rammte es ihr in den Brustkorb. Sie sah mich mit großen Augen um, bevor sie zusammensackte und auf die Erde fiel. Sie war aber noch nicht tot. Ich setzte mich auf sie und stach solange mit dem Messer auf sie ein, bis sie sich nicht mehr rührte und ihre Augen glanzlos aus den kalten Höhlen zu mir aufsahen. Auch nach ihrem Tod stach ich immer noch wie wild auf sie ein. Irgendwann kam mein Vater herein. Er erblickte mich und stürzte auf mich zu, um mich von Mutter herunterzuziehen. Als er sah, dass sie tot war, ging er auf mich los. Er prügelte mich halbtot bevor er das Messer nahm, was auf die Erde gefallen war. Dann schnitt er sich die Kehle durch.“

Während ich das erzählte, stieg die kalte Wut in mir auf. Vom Prinzip her war es falsch, was ich getan hatte. Aber es fühlte sich so richtig an.

„Von da an musste ich mein Leben so gut wie allein meistern.“

Ich schritt an L vorbei auf den Schrank zu. Ich öffnete ihn und nahm meinen Koffer heraus. Ich begann damit, meine Sachen darin zu verstauen. Als ich gerade eine Hose in der Hand hatte, wurde ich zurückgezerrt.

„Was tust du da?“, fragte mich L verwundert.

„Packen. Ich werde gehen.“

„Was? Wieso?“

„Wieso? Ich habe dir gerade das dunkelste meiner Seele offenbart und ich nahm an, dass du mich jetzt verabscheust und ich gehen muss.“

„Hör auf… so eine Scheiße zu erzählen…“ L sah mich traurig und etwas wütend zugleich an. „Ich werde dich nicht gehen lassen. Und auch nicht einsperren lassen oder so.“

Ich sah L verwundert an. Aber wieso nicht? Er musste mich doch verabscheuen… Ganz im Gegenteil. L zog mich an sich ran und küsste mich leidenschaftlich. Nach einem Moment der Verwunderung schlang ich meine Arme um seinen Körper. Das fühlte sich so gut an. Und richtig. Wie der Mord an meiner Mutter. Nach einigen Augenblicken lösten wir uns voneinander.

„Erzählst du mir, was danach war?“, fragte L vorsichtig.

Ich nickte und wir gingen zum Bett, um uns darauf zu setzen. Ich holte tief Luft und erzählte dann weiter.

„Ich wischte das Messer sorgfältig ab, welches mein Vater hatte fallen lassen. Damit verschwanden meine Spuren. Ich drückte es meinem Vater wieder in die Hand und passte auf, selbst keine Abdrücke zu hinterlassen. Dann rief ich die Polizei. Ich setzte mich verängstigt tuend unter den Tisch und die Polizisten gingen ihrer Arbeit nach. Ich kam zu einer Pflegemutter, die eine Ausbildung zur Psychiaterin hatte. Sie versuchte sich an mir, doch ich war und blieb für sie ein Buch mit sieben Sigeln. Trotzdem kümmerte sie sich einige Jahre um mich, bis es mir reichte. Ich war fünfzehn und wollte erstmal in die Wohnung meiner Eltern zurück. Doch das komische Amt, das für mich zuständig war, hatte etwas dagegen. Somit suchten sie mir eine neue Wohnung und bezahlten sie mir auch.“

„Ist ja nett…“, sagte L und klang dabei sehr sarkastisch.

„Doch ein Studium wollten sie mir nicht finanzieren. Ich habe mir dann selbst eine Arbeit gesucht, mit der ich etwas Geld verdienen konnte. Ich wollte etwas aus mir machen. Nicht, dass du jetzt lachst, aber ich wollte Kriminalistin werden. Ironie des Schicksals, nicht?“, fragte ich L, doch er sah mich mit verschlossenem Blick an. Ich konnte nicht sehen, was in seinem Innersten vorging. „Na ja, aber ich hatte nur Geld um mir vier Semester zu finanzieren. Aber man braucht ja sechs zur Ausbildung…“

L sah mich durchdringend an. Er blickte in meine Augen auf den Grund meiner Seele. Ich hatte ihm alles geschildert. Nun wusste er um meine Vergangenheit. Ich wollte es so. Etwas zu verbergen, hätte nichts gebracht. Irgendwie fühlte ich mich jetzt erleichtert, weil ich mir alles von der Seele geredet hatte, was mich schon Jahre verfolgte. Ich hatte auch das Gefühl gehabt, es ihm erzählen zu müssen.

Jetzt saß ich noch immer stumm auf dem Bett und wartete darauf, dass L was sagen würde. Doch auch er blieb still.

„Wir sollten ins Bett gehen. Morgen, beziehungsweise heute, kommen bestimmt die Polizisten wieder und da solltest du ausgeschlafen sein…“, durchbrach ich die Stille endlich. L sah mich an und nickte nur langsam. Wortlos stand ich auf und nahm meine Sachen, mit denen ich ins Bad verschwand. Dort zog ich sie an, bevor ich mich noch eine Weile im Spiegel betrachtete.

„Bin das wirklich ich?“, fragte ich in die Stille hinein. Ich würde keine Antwort bekommen, aber was soll’s. Ich stand einfach da und betrachtete mich. In meinem Kopf schwirrten einige Fragen herum. Jedoch waren sie so durcheinander, dass ich sie nicht verstand und auseinander halten konnte. Dann kam mir auf einmal Kira in den Sinn. Sollte er oder sie wirklich so wie ich sein, wenn die Polizisten mich schon für Kira gehalten hatten?

Ich schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken wie eine lästige Fliege zu verscheuchen und es gelang mir. Ich warf einen letzten Blick in den Spiegel. So fiel mein Augenmerk auf die Tür. L stand dort und beobachtete mich. Und er hatte nur seine Hose an. Verdammt, wollte er mich fertig machen? Ich drehte mich langsam zu ihm um und sah im direkt in die Augen. Darin lag etwas mir Unbekanntes und Seltsames. Aber es war nicht beängstigend seltsam. Ganz im Gegenteil. Es zog mich an wie das Licht die Motten. Genau. L war mein Licht…

L musste meinen verträumten Blick gesehen haben, denn er kam langsam auf mich zu. Als er bei mir war, nahm er lediglich meine Hand und zog mich vorsichtig mit sich. Wie im Schlaf drückte ich den Lichtschalter und das Licht im Bad ging aus. L’s Weg führte uns ins Schlafzimmer. Plötzlich fiel mir auf, wie müde ich eigentlich war. Das Girugamesh-Konzert war natürlich allererste Sahne gewesen, aber trotzdem hatte mich das ganz schön geschlaucht. Und L, der sowieso nur wenig schläft, auch. Da kam mir das bequeme Hotelbett ganz recht. In diesem Punkt fand ich es lohnenswert in einem Fünf-Sterne-Hotel zu sein.

L führte mich sachte zum Bett und stieß mich sanft darauf. Mein Kopf war absolut gedankenfrei. Ich nahm die Situation wahr, aber es war irgendwie ein seltsames Gefühl. Mein Herz schlug laut, als würde es wollen, dass es gehört würde. Das Blut rauschte durch meine Adern, als würde flüssiges Feuer hindurch fließen. Ich konnte mir dieses Phänomen nicht erklären. Auch L sagte nichts sondern sah mich nur stumm und lächelnd an, während er langsam mein sorgfältig verschlossenes Hemd öffnete. Seine Hände glitten immer noch langsam darunter und er tastete sich behutsam vorwärts. Mittlerweile hatte L sich auf das Bett gestützt und war über mich gebeugt. Ich konnte mich jetzt auch nicht mehr beherrschen. Ich musste seinen Körper berühren… Zu diesem Zweck streckte ich meine Hand nach oben aus und legte sie flach auf L’s Brust. Wahnsinn… Seine Muskeln zuckten unter meinen Fingern und sein Körper erschauderte. Ich streckte nun auch meine andere Hand aus. Doch mit dieser griff ich hinter L’s Kopf und zog diesen zu mir herunter. Unsere Lippen trafen sich nachdem ich meine Augen geschlossen hatte. Auch seine Bewegungen auf meiner nackten Haut hatten aufgehört. So wie ich genoss er den Moment einfach nur und ich hätte gewollt, dass er nie mehr endet. Wenige Augenblicke später sah ich L wieder in die Augen. In der ganzen Zeit in diesem Zimmer hatte noch keiner ein Wort gesagt. Dadurch entstand eine seltsam ruhige Atmosphäre, die mich lockerte. Ich wusste durchaus, was L mit mir vorhatte. Jedoch hatte ich keine Ahnung von dem Akt selbst, da ich mit meinem ersten Freund nicht mal annährend so weit gegangen war. Ich war etwas nervös, aber doch in freudiger Erwartung auf das Folgende.

L zog mir nun ganz mein Hemd aus, weil es eh nutzlos an meinen Schultern hing. Meine Hände hatten sich auf L’s Rücken verirrt und nun ließ ich sie langsam an seiner Seite hinab gleiten, bis sie den Hosenbund fanden. Einen Moment später war L nur noch in Unterhose. Meine Schlafhose lag mittlerweile auch schon auf der Erde und L warf einen kurzen, aber doch alles kennenden Blick auf meine Hotpants, die meinem Körper nun als einziges geblieben war. Letzten Endes verschwand auch der Rest von unseren Körpern.

Die darauf folgende halbe Stunde war einfach nur unglaublich. Ich hätte mir das ganze niemals so vorgestellt. Es war besser, als gedacht hatte. Und in dieser Nacht verlor ich auch den letzten Rest Unschuld, der mir noch geblieben war.

Zuwachs und weitere Ermittlungen

Die Sonne strahlte total ungünstig durchs Fenster und genau in mein Gesicht. Ich drückte mein Gesicht noch enger an L, um den Sonnenstrahlen zu entgehen. Ich lag in seinen Armen. Er selbst schien noch zu schlafen. Er rührte sich jedenfalls nicht. Lediglich sein Atmen konnte ich vernehmen. Plötzlich klopfte es an der Tür. Scheiße. Weder L noch ich hatten etwas an. Und es gab nur eine Decke…

L wurde wach und sah mich verschlafen an.

„Ich bin es. Watari. Ich wollte nur Bescheid geben, dass in einer Stunde die Polizisten wieder da sind. Ich räume dann mal weiter auf…“

Erleichtert ließ ich mich wieder zurücksinken und sah L an. Der rieb sich eben die Augen und hatte sich auf einen Ellenbogen abgestützt. Ich grinste ihn an.

„Wir sollten bald aufstehen. Ich hab keine Lust, dass einer der Polizisten plötzlich hier im Zimmer steht…“, sagte ich.

„Dann haben sie wenigstens mal etwas zu gucken.“, scherzte L. Ich fand das ganze in real aber nicht so toll. „Okay. Dann werde ich mich mal aus dem Bett bewegen…“ Und schon saß er aufrecht und schwang seine Beine aus dem Bett. Er suchte erstmal seine Klamotten zusammen und warf sie dann einfach in einen Wäscheeimer. Watari wusch sogar unsere Wäsche. Ich hatte es immer selbst erledigt. Es war ein seltsames Gefühl, wenn man so betüddelt wurde und man kaum noch etwas selbst macht. Dass ich mich trotzdem ab und zu in der Küche wieder fand, war die Macht der Gewohnheit.

Ich stand jetzt ebenfalls auf und marschierte gleich zum Schrank, wo ich mir frische Unterwäsche und eine Hose raussuchte. Das alles zog ich auch gleich an. Ich ging zu meinem neuen Girugamesh-Rucksack und suchte dort eines der T-Shirts heraus. Ich streifte es über und folgte dann L aus dem Schlafzimmer.

„Geh du ruhig zuerst ins Bad, Sai.“, sagte er und ich schritt an ihm vorbei. L ging weiter ins Wohnzimmer, während ich mich im Bad fertig machte.

Nach wenigen Minuten war ich fertig und ging ins Wohnzimmer. L saß dort in seiner üblichen Haltung über einige Notizen gebeugt und studierte sie aufmerksam.

„Scheinbar war Kira eins oder Kira zwei doch auf dem Konzert.“, meinte L leise.

„Was meinst du?“, erwiderte ich verwundert.

„Um das Konzertgebiet herum wurden tote Menschen gefunden und auch in unserer Nähe wurden einige Leichen gefunden. Sie wurden spät entdeckt, weil sie im Getümmel nicht aufgefallen sind.“

„Das ist ja furchtbar… Haben wir irgendwelche Hinweise?“

„Es wurden mehrere auffällige Personen entdeckt, jedoch waren die Zeugenaussagen nicht sehr dienlich.“ L kratzte sich am Kopf und sah mich schief an. „Die Leute waren fast alle betrunken.“

„Na ist ja ganz toll.“

Ich lief im Zimmer umher und dachte nach. In der Zwischenzeit verschwand L schon im Bad. Ich blieb wieder am Tisch stehen und nahm mir die Augenzeugenberichte zur Hand. In einem stand eine detaillierte Beschreibung einer gesehenen Person: Sie war klein, weiblich, blond. Lange Haare zu seltsamen Zöpfen auf dem Kopf gebunden. Starrte gebannt auf die Menge. Wurde in der Nähe eines der Tatorte gesehen. Hatte ein schwarzes Notizbuch bei sich.

Schwarzes Notizbuch? War das eine Auffälligkeit? Ich erzähle es L später. Zuerst las ich die restlichen Berichte durch. Ich war so vertieft darin, dass ich gar nicht merkte, wie L plötzlich vor mir stand.

„Hast du noch etwas Interessantes gelesen?“, fragte er auf einmal. Ich erschreckte mich total und presste mich mit dem Rücken in den Sessel. Ich starrte L halb panisch an. Er war erschocken ein Stück zurück gegangen. Ich realisierte die Situation und entspannte mich wieder.

„Ich… ja. Ich denke schon. Der Bericht über das blonde Mädchen hat mich etwas grübeln lassen.“, sagte ich und auch L trat jetzt wieder zu mir ran.

„Was genau?“, hakte er nach.

„Die Sache mit dem Notizbuch…“

„Wieso?“

„Ich hab keine Ahnung…“

Ich sah L wieder an, der jetzt plötzlich vor mir hockte. Er sah mich wartend an und grinste.

„W-Was ist?“, fragte ich als ich etwas rot wurde. Verdammt. Wieso passierte das immer noch? Ich dürfte eigentlich keine Schüchternheit mehr haben. Nicht nach der letzten Nacht… Mist. Wenn ich daran dachte, wurde ich nur noch roter. Vor allem, weil ich ein ziemliches bildliches Gedächtnis hatte und jetzt in diesem Moment die Situation noch einmal vor mir sah.

„Du siehst süß aus, wenn du so nachdenkst…“, sagte er und grinste etwas verlegen. Ich senkte meinen Kopf, um meine Verlegenheit zu verstecken, doch das klappte nicht, weil L niedriger saß als ich und unter meinen gesenkten Kopf gucken konnte. Ich wollte aufstehen, doch L hockte noch immer vor dem Sessel und machte keine Anstalten sich auch nur einen Millimeter zu bewegen. Als ich stand, erhob auch er sich und baute sich zu voller Größe auf. Ich sah etwas nach oben, weil L doch gut zehn Zentimeter größer war als ich, wenn er mal grade stand.

Dann küsste er mich. Ich war einen Moment lang verdutzt, erwiderte aber den Druck dann. Wir wurden jedoch unterbrochen, als es an der Tür klopfte. Ich löste mich von L, während Watari aus der Küche kam und zur Tür ging, um diese zu öffnen. Die Polizisten traten ein.

Doch anders als beim ersten Mal, war ich nicht verschreckt oder erstarrt, sondern hasserfüllt und wütend. Ich sah auch jeden einzelnen von ihnen so an. L stand halb schützend vor mir, doch ich legte ihm eine Hand auf die Schulter, um ihm so zu signalisieren, dass alles in Ordnung war.

„Bist du sicher?“, fragte er mich halb flüsternd und sah zu mir über seine Schulter. Ich nickte nur und versuchte mich zu entspannen. Ich hatte meine Hand noch auf L’s Schulter und spürte so seine Wärme. Das entspannte mich wirklich.

Die Polizisten beobachteten mich ganz genau und als sie merkten, dass von mir keine Gefahr ausging, traten sie weiter in den Raum hinein. Ich bemerkte, wie in L etwas vorging. Er schien mit sich selbst zu kämpfen. Dann hob er seinen Kopf und sah die Polizisten an.

„Ich habe einen Entschluss gefasst.“, verkündete er uns. „Yagami-san. Ich habe beschlossen, dass wir Light in die Ermittlungen aufnehmen.“

Ich sah nur verwundert zu L. Wer war Light? Warum wollte er noch mehr Leute in die Ermittlungen einbinden? Es gab eine geringe Chance, dass genau dieser Typ Kira war. Es könnte natürlich jeder sein, aber ich stand neuen Sachen und Veränderungen normalerweise immer etwas argwöhnisch gegenüber.

Die Reaktion des angesprochenen Polizisten war allerdings anders.

„Ist das… dein Ernst?“, fragte er ganz aus der Fassung.

„Sehe ich aus, als würde ich scherzen?“, fragte L und hinter ihm musste ich etwas grinsen. Bis jetzt hatte mir L noch nichts erzählt, was auch nicht gestimmt hätte. Er war nicht so ein Typ, der mit wichtigen Sachen Scherze machte.

„Ich werde ihn sofort anrufen.“ Yagami ging Richtung Tür um dort zu telefonieren, während die anderen Beamten zu uns kamen und sich auf den Sofas niederließen. Sie hatten dabei immer einen etwas verschreckten Blick auf mich. Besonders der Jüngste von ihnen.

L ging zu seinem Sessel und ich folgte ihm, um mich anschließend auf die Sessellehne zu setzen. Wir warteten einen Moment, bis Yagami auch zu uns kam. Er nahm ebenfalls Platz und L begann mit seinen Ausführungen. Er fasste zusammen, erläuterte und gab seine Ideen dazu preis.

„Wir sollten die Zeugenaussagen trotz der Umstände ernst nehmen. Etwas Wahres ist auch im Suff.“, sagte er. Kaum hatte er den Satz beendet, klopfte es auch zum wiederholten Male an der Tür. Wieder war es Watari, der öffnete. Doch diesmal trat ein junger Mann ein, der genau mein Alter haben könnte. Er hatte dunkelblondes Haar und bernsteinfarbene Augen, in denen ein eiskalter Blick lag. Doch sein Lächeln täuschte über den Ausdruck in seinen Augen hinweg. Selbst sein Kleidungsstil war gut. Es war eigentlich nur ein schlichter Anzug, doch irgendwie hatte das was.

Er begrüßte zuerst Yagami-san. Der Typ musste mit ihm verwandt sein oder so. Sie sahen sich irgendwie ähnlich und gingen vertraut miteinander um. Dann sah er L an. Ihre Blicke trafen sich. Seine Miene verdunkelte sich etwas. Beide hatten etwas zu verbergen - das konnte ich spüren. Nachdem dieser Light L lange angesehen hatte, fiel sein Blick auf mich. Er lächelte mich an und verbeugte sich dann leicht.

„Mein Name ist Light. Wer bist du?“, fragte er höflich.

„Sai. Ich heiße Sai…“, sagte ich und erwiderte die Verbeugung im Sitzen. Ich konnte an seinem Blick sehen, dass er sich damit eigentlich nicht zufrieden gab, aber er sagte nichts weiter. Auch er setzte sich zu den anderen und lauschte L’s Worten. Dabei beobachtete ich die ganze Zeit Light, weil er mir so komisch vorkam. Sein Gesicht war wie versteinert und es sah aus, als könnte er keine Emotionen zeigen, außer seinem falschen Lächeln. Doch er dachte mit und beteiligte sich aktiv an der Diskussion, die geführt wurde. Ich versuchte dies ebenfalls.

„L… Mir ist da vorhin etwas aufgefallen, als ich die Berichte durchgegangen bin…“

„Wieso darf dieses Mädchen die Berichte einsehen?“, empörte sich einer der Polizisten. Bevor jedoch L etwas sagen konnte, antwortete ich selbst.

„Erstens bin ich schon 20 und damit lange kein Mädchen mehr und zweitens habe ich vier Semester Kriminalistik studiert. Ich denke, dass ich da schon einiges kann.“

Der Polizist sah mich verblüfft an und war gleichzeitig erstaunt. Auch die anderen schienen überrascht. Aus meinem Augenwinkel heraus konnte ich Light sehen, auf dessen Gesicht sich nun ein stummes Lächeln befand.

„Was ist dir aufgefallen, Sai?“, fragte L an mich gerichtet.

„Das schwarze Notizbuch. Ich weiß aber nicht, wieso mir das so extrem aufgefallen ist. Vielleicht… na ja, ich fand es schon ungewöhnlich, dass ein Mädchen mit starrem Blick auf eine Menschenmasse da steht und ein Notizbuch in der Hand hält. Vermutlich hat sie sich etwas darin aufgeschrieben. Aber was…?“, sagte ich und verfiel wieder in tiefes Grübeln.

„Gut beobachtet. Mir fiel das auch auf. Es ist ein seltsames Verhalten, was dieses Mädchen an den Tag legte.“ So diskutierten sie weiter über das Thema, das ich ins rollen gebracht hatte. Sie schienen wirklich interessiert an der ganzen Sache. Irgendwann konnte ich aber nicht mehr zuhören und stand einfach auf. Ich ging zum Balkon und niemand bemerkte, dass ich aufgestanden war. Dachte ich. Von den Sofas aus konnte man den Balkon nur schlecht einsehen, deshalb blieb ich unbeobachtet.

Mir kam ein lauer Wind entgegen, als ich hinaus trat. Es war eine angenehme Nacht. Die Polizisten waren nun schon den ganzen Tag hier und die Zeit verging so schnell…

Ich hatte immer meinen Mp3-Player in der Tasche und holte ihn gleich raus. Hier draußen war es so schön und etwas Musik war da nie verkehrt. Ich steckte mir die Stöpsel in die Ohren, während ich das Gerät einschaltete. Ich suchte in meinen Ordnern nach etwas Passendem. Ich stieß auf Abingdon Boys School. Sie hatten zwar einen seltsamen Stil, aber die Musik, die sie machten, war erste Sahne. Ich wählte per Zufall einen Song und die Musik begann sich in meinem Kopf auszubreiten. Der Titel hieß „Down to you“.
 

Nothing can steal my soul away

Nothing stands in my way

You'll never know I'm still thinkin' about you

Why don't you turn to me again

Why don't you heal me then

You'll never know I'm still livin' behind you

I'm coming down to you
 

Ich versank völlig in dem Song und schloss für einen Moment meine Augen. Ich spürte die warme Luft über meine Haut gleiten und ich war total weg. Dann spürte ich etwas anderes an meiner Hand. Erschrocken riss ich die Augen auf und wich ein Stück zurück. Vor mir stand Light. Ich beruhigte mich und zog die Stöpsle aus meinen Ohren, da er offensichtlich mit mir reden wollte.

„Musst du mich denn so erschrecken?“, sagte ich gespielt beleidigt.

„Tut mir leid. War keine Absicht. Du sahst so vertieft aus. Eigentlich wollte ich dich bloß betrachten, aber ich habe noch ein paar Fragen an dich, wenn das nicht zu aufdringlich erscheint.“, sagte er und schenkte mir wieder dieses wahnsinnige Lächeln, was er mir auch schon am Anfang zugeworfen hatte.

„Schon okay. Leg los.“ Ich kratzte mich etwas verlegen am Kopf.

„Wie bist du zu l gekommen?“ Wow, er legte wirklich ohne Umschweife los.

„Naja… Die Polizisten hatten mich schon seit einer Weile beschattet, weil sie vermuteten, dass ich Kira sei. Eigentlich total absurd. Ich wurde dann schließlich zu L gebracht. Später erfuhr ich, dass sie mich mit Gewalteinfluss verhört hatten, woran ich mich aber ich mich aber nicht erinnern kann, weil sie mir mehrere Schläge auf den Kopf verpasst hatten.“

„Autsch…“

„Hm. Jedenfalls hatten mich die Polizisten auch ganz schön fertig gemacht. Die Prellungen tun jetzt noch weh…“

„Sie haben dich geschlagen?“, fragte Light entsetzt.

„Ja. Als ich dann hierher kam, hat sich L gleich um mich gekümmert. Er schickte die Polizisten weg und versorgte meine Verletzungen. Da ich nun wusste, wo er war und wie er aussah, konnte er mich nicht mehr gehen lassen.“

„Ich glaube, dafür gibt es aber noch einen anderen Grund, oder?“ Light sah mich herausfordernd an.

„Was meinst du?“ Ich checkte echt gar nichts.

„L hat dich sicher auch aus einem anderen Grund hier behalten. So, wie du bei ihm auf dem Sessel gesessen hast…“

„Das muss doch gar nichts heißen.“ Ich drehte mich trotzig weg, sodass er nur mein Profil sehen konnte.

„Du hättest dich ja auch woanders hinsetzen können. Es waren genug freie Plätze da.“ Er spielte mit mir und ich dummes Mädchen ging auch noch darauf ein.

„Nein, konnte ich nicht, weil da die anderen Polizisten saßen. Ich habe ihnen gegenüber etwas Hemmungen, weil sie mich schließlich ziemlich fertig gemacht haben und das nur wegen eines unbestätigten Verdachtes.“

„Okay, das ist wahr.“

„Es gibt vermutlich viele mit meinen Eigenschaften und die haben dann wohl auf Kira gepasst. Es könnte jeder Student sein. Sogar du.“ Als ich den letzten Satz sagte, sah ich Light an. Er verzog keine Miene. Verdammt. Er spielte immer noch. Und er war gut.

„Mich würde echt interessieren, wie Kira tötet. Ich habe auch schon getötet, aber davon hat nie jemand erfahren.“

„Und warum erzählst du es mir dann?“

„Einmal darfst du raten, du Genie.“

„Der Mord ist verjährt.“

„Hundert Punkte für den Kandidaten.“ Warum war ich so zynisch? Light hatte mir nichts getan… Aber ich hatte einfach mal Lust darauf.

„Wen hast du ermordet und warum?“

„Ich habe nur meine Mutter beseitigt und mein Vater hat sich dann selbst erledigt.“ Ich erzählte ihm in groben Zügen die Geschichte, die ich L erzählt hatte. Jedoch nicht so detailliert und ausführlich. Doch Light verstand.

„Irgendwie verstehe ich dich, auch wenn ich nicht so beschissen aufgewachsen bin. Du kannst froh sein, dass der Mord schon verjährt ist, sonst hätte L dich sicher eingesperrt.“

„Nein.“

„Was?“

„Nein. Er hätte mich nicht eingesperrt. Ich habe ihn gefragt. Er hat es vermutlich gar nicht richtig realisiert, dass der Mord schon so lange her ist. Und als ich gehen wollte, ließ er nicht mal das zu…“ Ich schaute verträumt empor zur Skyline Tokyos.

„Das hätte ich vermutlich auch nicht zugelassen. Nicht bei so einer Frau wie dir…“, sagte er leise.

„Sag mal… wie alt bist du eigentlich?“, fragte ich, als hätte ich nichts gehört.

„Spielt das eine Rolle?“ Als ich nichts sagte und er in mein ausdrucksloses Gesicht sah, antwortete er einfach. „Ich bin 18.“

„Wirklich?“, stellte ich mehr fest, als das ich es fragte. „Dann lag ich ja nur zwei Jahre daneben.“

„Darf ich fragen, wie alt du bist?“

„20.“

„Weißt du, wie alt L ist?“

„Keine Ahnung. Ich schätze mal so um die 23.“

„Und weißt du seinen richtigen Namen?“

Langsam wurde ich stutzig. Warum wollte Light soviel über L wissen?

„Nein. Nur noch einen weiteren Decknamen. Aber den kann er dir ja selbst verraten.“

Light war innerlich sicher etwas sauer, aber er ließ sich nichts anmerken. Stattdessen kam er näher zu mir und baute sich vor mir auf. Er schien etwas so groß wie L zu sein. Er sah mir tief in die Augen und beugte sich zu mir vor. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt.

„Ich kann in deinen Augen lesen, dass du etwas über mich zu wissen vermutest, was du nicht denken solltest.“

„Meine Gedanken gehen dich einen Scheiß an…“, erwiderte ich trotzig.

„Ich werde es schon aus dir herausbekommen.“ Er sah sich kurz um. „Und hier sieht und niemand. Dein L kann dich nicht beschützen.“

Scheinbar wollte er mich küssen, doch kurz bevor seine Lippen meine trafen, klingelte das Handy in seiner Tasche. Genervt holte er es hervor und nahm ab.

„Ja?“, fragte er säuerlich.

Er drehte sich von mir weg, damit ich ihn nicht belauschte. Doch ich konnte teilweise etwas verstehen. Als er auflegte, drehte er sich zu mir um.

„So. Wo waren wir stehen geblieben?“, sagte er und näherte sich mir wieder.

„War das eben deine Freundin?“ Ich spielte gleich meine Trumpfkarte aus, weil ich unbedingt seine Reaktion sehen wollte. Und die folgte auch gleich.

„Ja.“ Er verzog das Gesicht und stellte sich wieder gerade hin. „Mehr oder weniger.“

„Hä?“ Jetzt hatte er mich.

„Ich kann dir die Wahrheit nicht sagen.“

„Warum nicht? Musst du mich dann töten?“ Ich lachte über meinen eigenen Witz. „Oder ist es jemand, der bekannt ist, du dich aber für sie… naja… schämst?“

„Wie… bist du darauf gekommen?“

„Kombinatorik.“ Ich tippte mir seitlich an den Kopf. „Also. Wer ist es?“

„Misa.“

„Misa Misa?“

„Jepp.“

Ich grinste und musste wieder lachen. „Ich kann dich verstehen. Ich find sie echt furchtbar. Wie bist du denn zu der gekommen?“

„Weiß ich gar nicht mehr, um ehrlich zu sein.“

Er log und ich wusste das. Und er wusste, dass ich es wusste.

„Ist ja auch egal. Darf ich fragen, was sie wollte?“

„Sie wollte wissen, wo ich bin und sich mit mir treffen. Manchmal nervt sie echt… Ich geh mal L fragen. Misa ist so naiv, sie wird das hier alles gar nicht verstehen.“

Light lächelte mir noch einmal zu und verschwand dann wieder im Hotelzimmer. Ich stöpselte mich wieder ein und ließ den Song weiter laufen. Es vergingen einige Songs und irgendwann wurde ich von den Lichtern Tokyos angestrahlt. Ich stand auf das Geländer gestützt und betrachtete diese Stadt voller Leben. Meine Gedanken schweiften völlig ab und selbst die Musik nahm ich kaum noch richtig wahr. Dann tippte mir plötzlich jemand auf die Schulter. Ich erschrak total und drehte mich panisch um. Vor mir stand L.

„Verdammt, L! Warum werde ich heute nur immerzu erschreckt?!“, fuhr ich ihn an. Er wurde etwas kleiner und sah schuldig zu mir rauf.

„Es tut mir leid…“, sagte er und schaute traurig zur Seite. Dass das Traurige gespielt war, wusste ich. Darum nahm ich ihn in meine Arme und drückte ihn an mich.

„Schon gut. Ich hab es nicht so gemeint.“

L erhob seine Arme und drückte mich ebenfalls an sich.

„Ich hab mir Sorgen gemacht, warum du nicht mehr rein kamst.“

„Ich dachte, du hättest es gar nicht bemerkt. Ich brauchte etwas frische Luft, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.“

„Kann ich nachvollziehen. Ich fühle mich auch ein wenig schlapp. Aber für dich würde ich trotzdem alles machen…“

Ich erwiderte nichts, sondern drückte L noch enger an mich ran. Aus irgendeinem Grund verglich ich L andauernd innerlich mit meinem ersten Freund. Bei ihm hatte ich mich nie so geborgen und beschützt gefühlt. Auch war ich jetzt selbstbewusster. Das hatte ich ja vorhin bei den Polizisten bewiesen.

„Warum bist du noch raus gekommen?“, fragte ich L, weil ich irgendwie spürte, dass da noch was war.

„Reicht es dir denn nicht, dass ich deinetwegen hergekommen bin?“, fragte er und klang gekränkt.

„Das habe ich nicht gesagt. Aber ich fühle, dass da noch was ist.“

„Du hättest wirklich Polizisten oder Detektivin werden sollen. Du hast ein gutes Gespür. Ja. Light war bei mir und fragte mich, ob seine Freundin herkommen dürfte. Sie sei wohl so naiv, dass sie das ganze hier nicht verstehen würde.“

„Hat er dir nicht gesagt, wer seine Freundin ist?“

„Ich habe ihn nicht danach gefragt und er sagte es mir auch nicht. Hat mich nicht interessiert…“

„Interessiert es dich jetzt?“

„Light hat es dir gesagt?“

„Jepp. Sie hat angerufen, als ich mich mit ihm… ähm… unterhalten habe. Sie hätte gesagt, dass sie gerne bei ihm sein würde und deswegen vorbeikommen wolle. Und jetzt sag bloß, du hast es erlaubt.“

„Warum nicht? Ich hab doch meine Freundin auch hier…“ L grinste mich erst an und küsste mich dann.

„Mit uns ist das aber was anderes. Ich war ja anfangs nicht freiwillig hier.“

„Stimmt. Aber das ist doch jetzt egal. Du bist da und das ist das wichtigste.“ Er küsste mich wieder. Diesmal länger. „Und sagst du mir jetzt wer Lights Freundin ist oder muss ich dich erst in die Mangel nehmen?“

„Es ist Misa Misa…“, sagte ich etwas angenervt.

Doch L’s Miene erhellte sich seltsamerweise.

„Misa? Ist das wahr?“

„Jetzt erzähl mir nicht, dass du ihr Fan bist. Dann sehe ich schwarz für uns.“

„Was hast du gegen sie?“

„Wo soll ich anfangen… Sie ist kindisch, nervt unheimlich und hat eine absolut beschissene und nervtötende Stimme. Ich hab noch mehr. Oder reicht dir das?“

„Schon gut, schon gut.“ L hatte mich losgelassen. „Schon okay, wenn du sie nicht magst, aber sei bitte trotzdem nett zu ihr, wenn sie da ist.“

„Ja ja…“, sagte ich säuerlich und ging hinter L wieder ins Hotel hinein. Im Wohnbereich saßen die Polizisten noch immer, doch die Situation hatte sich deutlich gelockert. Watari stand mit einer Schürze bekleidet vor einem Miniatureiswagen und verteilte Eiswaffeln an die Beamten. Als wir eintraten, reichte er uns ebenfalls welche. Ich nahm sie verwundert an, doch als ich das Eis auf meiner Zunge zergehen ließ, war mir alles egal. Es schmeckte wirklich gut. Ich bemerkte trotzdem, dass Watari nun vor mir stand und eine flache, rechteckige Tasche in den Händen hatte. Ich sah ihn fragend an.

„Was ist das?“

„Das ist Ihr neuer Laptop. Ich habe schon einige Sonderfunktionen installiert, sodass er zum Beispiel nicht mal von der Polizei zurückverfolgt werden könnte. Ich dachte mir, dass Sie vielleicht Interesse an ihm haben würden.“, erklärte er mir.

„Sie haben das schrottreife Teil in meiner Wohnung gesehen, nicht war?“, fragte ich und grinste.

Watari lächelte. „Ja, habe ich. Außerdem enthält diese Tasche alle Software, die Sie bei sich auch hatten. Die meisten sind jedoch jetzt auf dem neuesten Stand.“

„Vielen Dank, Watari. Sie glauben gar nicht, wie viel mir das bedeutet.“, sagte ich und strahlte ihn an.

Er jedoch winkte ab. „Ach was. Das ist doch selbstverständlich.“

„Sagen Sie das nicht immer.“

Er lächelte noch mal und wandte sich dann wieder dem Eis zu. Ich suchte mir einen ruhigen Platz hier im Zimmer und entpackte erstmal das Prachtstück. Es war wirklich das neuste vom neusten. Was der wohl gekostet haben musste…? Egal. Über so was denkt man nicht nach. Ich griff jetzt in meine Hosentasche und holte einen kleinen gefalteten Zettel hervor. Darauf stand Satoshis E-Mail-Adresse. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, warum ich sie mit mir herumtrug. Aber seitdem er sie mir gegeben hatte, war sie nur in der Nacht mit L weiter von meinem Körper entfernt gewesen. War ich nur ein durch geknallter Fan oder war da was anderes?

Keine Ahnung, aber jetzt würde ich Satoshi erstmal eine Nachricht schreiben. Leider hatte ich keinen Plan, was ich schreiben sollte.

Nachdem ich den PC angeschaltet und einige Minuten mit ihm herumexperimentiert hatte, ging ich auf meinen E-Mail-Account und öffnete einen leeren Brief.

„Hey, Satoshi.“, schrieb ich. „Ich wollte mich noch einmal bedanken. Für das tolle Konzert und die ganzen coolen Sachen.“ Und da hörte meine normalerweise sehr extreme Kreativität auf. Ich schloss meine Augen und dachte einen Moment nach. Dann fiel mir etwas ein. „Kannst du mir die Bilder ma schicken, die wir bei euch gemacht haben? Das wäre echt toll. Danke schon ma und bis denne! Greetz, Sai.“ So, das wär’s. Mehr ging nicht. Ich gab Satoshis E-Mail-Adresse ein und klickte auf ‚senden’. Dann hieß es warten. In der Zwischenzeit surfte ich einfach noch etwas im Net und suchte nach Musik und Bildern. Als ich auf einer Musikseite war, stach mir eine hässliche, grellbunte Anzeige ins Auge. Misa war darauf abgebildet und grinste ihr dummes kleines-Mädchen-Grinsen. Bei so was wurde mir echt schlecht und ich schloss das Fenster. Dann schaltete ich den PC aus, nachdem ich ihn heruntergefahren hatte. Ich klappte den Laptop zu und stellte ihn so auf die Erde, dass niemand drauftreten konnte. Ich zog meine Beine an und schlang meine Arme darum. Ich beobachtete die anderen, die hier im Zimmer waren. L saß wieder bei den Polizisten und diskutierte mit ihnen. Light lehnte an der Wand und beobachtete mich, was mir aber egal war. Ich sah einfach nicht hin. Watari war schon wieder in der Küche verschwunden und bereitete das Abendessen. Zehn Minuten später klopfte es an der Tür. Light stieß sich von der Wand ab und ging, um die Tür zu öffnen. Und wer da eintrat, brauche ich sicher nicht zu sagen. Mir wurde schlecht und meine Laune sank auf das niedrigste Niveau, seit ich ein Kind gewesen war. Misa trat, knallbunt gekleidet und im Gothic-Lolita-Style, der ihr nicht stand, in das Zimmer und warf sich gleich an Lights Hals. In diesem Moment tat er mir wirklich leid. Ich kauerte mich auf meinem Platz zusammen, in der Hoffnung, dass dieses laute, quietschende Etwas mich nicht gleich entdecken würde. Hätte ich den PC doch angelassen, dann hätte ich eine Ausrede gehabt, um nicht mit ihr reden zu müssen. Pech…

Ich schaute rüber zu L, der Misa eintreten sah. Sofort sprang er auf und ging auf sie zu. Allein das reichte schon, um mich eifersüchtig zu machen. Als er dann noch auf sie zuging und ihr schüchtern die Hand gab, reichte es mir. Okay, das ist vielleicht übertrieben. Aber ich habe L nun mal noch nicht so lange für mich allein gehabt und allzu lange kenne ich ihn ja auch noch nicht. Unsere Liebe ist im Moment am stärksten, deshalb wird man bei jeder noch so kleinen Kleinigkeit, die einen möglichen Rivalen betrifft, eifersüchtig.

Ich stand auf und marschierte wieder hinaus auf den Balkon. Wo sollte ich sonst hin? Ich schob die Vorhänge beiseite, die Watari zugezogen hatte und machte die Schiebetür auf. Bevor ich sie wieder schloss, zog ich die Vorhänge etwas zu, sodass es nur dem aufmerksamen Betrachter auffallen würde, dass sich jemand auf dem Balkon befinden musste. Und meiner Meinung nach konnte das nur L sein.

Ich war nun wieder dort, wo ich zu Zeit am liebsten war. Es war mittlerweile schon kurz vor zehn. Watari hatte den Polizisten Essen bereitet und auch Light, Misa und L saßen nun am Tisch. Ich beobachtete sie von dem Spalt im Vorhang, den ich offen gelassen hatte. Prima. Sie bemerkten nicht einmal, dass ich nicht mehr da war. Irgendwie fand ich das scheiße. Besonders, weil L sich nicht einmal nach mir umgesehen hatte und nur auf Misa starrte. Diese kleine Mistgöre. Warum brachte Kira nicht sie um? Sie hätte es verdient.

Ich drehte mich wieder dem Geländer zu. Während ich mich drehte, bemerkte ich, dass dieser Balkon größer war, als ich gedacht hatte. In einer Ecke nahm ich Notiz von einigen massiven Holzstühlen. So, wie es sich für ein Nobelhotel gehörte. Ich zerrte mir einen ran und ließ mich in das weiche Polster sinken, welches extra für diese Jahreszeit auf die Stühle gelegt wurde. Obwohl ich nun saß, konnte ich trotzdem Tokyo in seiner ganzen nächtlichen Pracht bewundern. Es war einfach zu bequem in diesem Zustand. Verdammt, jetzt wurde ich auch noch müde… Es war eine laue Nacht und den Mond konnte man trotz Tokyos nächtlicher Stromverschwendung recht gut sehen. Aber von Sternen war nichts zu finden. Der Mond reichte ja. Ich reckte meinen Kopf etwas weiter in mein Genick, um besser sehen zu können. Auf einmal musste ich über meine jetzige Situation nachdenken. Vor weniger als einem Monat war ich noch Kellnerin und jetzt saß ich mit einem gutaussehenden, reichen und berühmten Detektiv in einem Luxushotel und ermittelte gegen Kira. Es kam mir alles so unwirklich vor… Doch es war wahr. Sonst würde ich nicht hier sitzen und über das alles nachdenken können. Im Traum dachte man nicht nach. Das hatte ich mal gelesen. Aber egal. Ich widmete mich wieder dem Mond und starrte ihn weiter ab. Wenn man so was tat und dabei noch allein war, wurde man seltsamerweise melancholisch. Leider hatte ich im Moment nichts, worüber ich melancholisieren konnte. Also blieb mein Kopf leer. Nur die Musik befand sich noch in meinem Kopf. Deshalb bemerkte ich auch nicht, dass die Schiebetür hinter mir geöffnet wurde und derjenige auf den Balkon trat, der die vorherige Szene beenden wollte. Ich erschrak, als Light mir die Kopfhörer aus den Ohren zog und sich über die Liege beugte.

„Hallo.“, sagte er mit einem verführerischen Grinsen. Ich starrte ihn verdutzt an und musste mein Gehirn erstmal wieder in Gang bringen, damit ich die Situation begreifen konnte. Während mein Gehirn hochfuhr, kam Light um die Liege herum und setzte sich nah meiner angezogenen Beine auf sie. „Warum bist du denn schon wieder hier draußen? Und wieder allein?“

„Erstens wollte ich nicht mit Misa in einem Zimmer sein und zweitens bin ich ja jetzt nicht mehr allein.“, sagte ich, ohne eine Miene zu verziehen. Light grinste immer noch. Was wollte er nur?

„Du hasst sie ja wirklich.“, stellte er fest und kam ein Stück näher. Sein Kopf war nun nur noch eine Handbreite von meinem entfernt. Ich verzog noch immer keine Miene und versuchte so ausdruckslos wie möglich zu gucken. Doch bei Light klappte das irgendwie nicht richtig. Ich musste ihm einfach in seine bernsteinfarbenen Augen sehen und versank förmlich darin. Ich bemerkte deshalb auch nur unterschwellig, dass Light noch näher kam. Schließlich berührten sich unsere Lippen und ich schloss unwillkürlich meine Augen. Doch das ganze hier wurde mir zu viel und ich stieß Light zögerlich von mir weg.

„Du darfst das nicht…“, sagte ich kleinlaut.

„Warum denn nicht? Dir schien es doch eben gefallen zu haben.“

„Ich weiß, aber das sollte es nicht. Ich… habe mich doch… in L verliebt… Und du hast Misa…“

„Kann sein, aber die beiden schienen sich auch gut zu verstehen. Du warst ja nicht drin, aber ich habe die beiden beobachtet. Und im Gegensatz zu L habe ich bemerkt, dass du nicht mehr da warst. Aber L hatte nur noch Augen für Misa.“

Ich durchschaute ihn langsam. „Hör auf, mich gegen L aufbringen zu wollen.“

„Das will ich nicht. Aber es ist die Wahrheit. Schau doch selbst.“

Light stand auf und reichte mir seine Hand. Ich ergriff sie nach kurzem Zögern und er zog mich kraftvoll zu sich heran. Dann führte er mich zur Schiebetür und deutete mir, hindurchzusehen. Ich tat es und war sauer. Misa saß auf einer Sessellehne und hatte ihre Beine über L’s geschwungen, der auf dem besagten Sessel saß. Sie flirteten heftig miteinander, was man selbst aus dieser Entfernung mit einer Panzerglasscheibe dazwischen mitbekam.

Ich ging von der Tür weg, bevor ich sah, was da noch alles passieren konnte. Das fand ich schon heftig. Ich ging wieder zu meinem Platz und setzte mich auf die Liege. Sofort war Light bei mir und nahm ebenfalls Platz. Er saß so nah bei mir, dass ich seine Körperwärme spüren konnte. Nicht unangenehm, musste ich gestehen. Er sah mich eindringlich an.

„Kannst du ihm da vertrauen?“, fragte er mich mit einem seltsamen Unterton in seiner Stimme. Er wollte mich aus der Reserve locken.

Ich sah ihn an und plötzlich schossen alle Gedanken wild in meinem Kopf herum. Ein Gedanke kristallisierte sich jedoch allmählich heraus.

„Du… du bist… Kira…“, kam es über meine Lippen und ich sah ihn mit großen Augen an.

„Wie kommst du denn darauf?“, fragte er gelassen. Zu gelassen.

„Du wolltest L’s Namen. Ich habe ihn dir nicht gesagt, aber du glaubtest mir nicht, dass ich ihn nicht wirklich wüsste. Das hast du zwar nicht gesagt, aber ich konnte direkt sehen, wie es in deinem Kopf gearbeitet hat. Und dann hast du versucht über mich an L’s Identität zu kommen. Du hast Misa benutzt, um mich eifersüchtig zu machen und so sollte ich dann zu dir kommen. Ich würde Vertrauen zu dir fassen und weil L mir ja dann egal wäre, würde ich dir alles über ihn sagen, was du wissen würden wolltest.“, sprudelte ich los.

„Das wäre ja ein super Plan. Aber du hast dich getäuscht. Ich bin ganz bestimmt nicht Kira.“

Ich stand auf und trat in das Zimmer. Light saß noch immer auf der Liege und sah mir verwundert nach. Ich ging zu L, riss Misa von ihm runter und zerrte ihn in Richtung Schlafzimmer. Als wir drin waren, schloss ich die Tür und stellte mich vor L.

„Ich habe den Verdacht, dass Light Kira ist.“, sagte ich ohne Umschweife. L sah mich mit großen Augen an. Er hatte das eben nicht wirklich realisiert und war vermutlich noch immer über meine Aktion grade verwundert. Ich schaute tief in seine Augen und sah, dass sie klarer wurden. Das heißt, dass auch seine Gedanken wieder Gestalt angenommen hatten.

„Den Verdacht hatte ich auch. Deswegen habe ich Light ja auch zu uns eingeladen. Um ihn besser beobachten zu können.“

„Wirklich. Dann sag es ihm.“

„Hatte ich eben vor.“

„Glaub ich dir nicht.“

„Hä?“ L sah mich verwundert an.

„Du warst doch gerade mit Misa beschäftigt. Du hast nichtmal bemerkt, dass ich wieder draußen war. Du hattest die ganze Zeit nur Augen für diese kleine Schlampe.“, warf ich ihm mit ruhiger Stimme vor. Innerlich jedoch kochte ich. Und das konnte L auch in meinen Augen sehen.

„Ich werde es jetzt verkünden.“ Er ließ sich wirklich nichts anmerken. Doch genau das machte mich noch rasender. Aber ich konnte sein Spiel mitspielen. Ich tat so, als gäbe es im Moment nichts Wichtigeres als Light zu enttarnen. Vom Prinzip her war es auch wichtiger, aber nicht für mich.

„Gut. Tu das.“, erwiderte ich mit einer Stimme, die mir selbst eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Ich bemerkte, wie L sich leicht schüttelte. Also hatte es gewirkt.

Wir verließen den Raum wieder und alle sahen uns an. Light war mittlerweile wieder im Raum und sah mich mit einem verhaltenen Grinsen an, das ich nur kurz sah. Mein Blick war starr gegen die Wand gerichtet.

„Light. Ich habe mich eben mit Sai beraten. Wir sind zu einem Verdacht gelangt, der jedoch nicht ausreichend bestätigt ist.“, sagte L und sah Light durchdringend an.

„Und der wäre?“, fragte er wieder gelassen.

„Tu nicht so.“, zischte ich. „Du weißt es. Ich habe es dir vorhin gesagt.“

„Was hast du meinem Light gesagt?“, mischte sich Misa ein.

„Wir denken, Light ist Kira.“, sagte L.

Alle sahen und entsetzt an. Vor allem Lights Vater sah betroffen aus.

„Wir sind die Beweislage durchgegangen und kamen zu diesem Entschluss.“, log L. Sicher ist er in seinem Kopf die Lage durchgegangen, aber ich wusste nicht, wie er auf die Idee gekommen war, dass Light Kira ist.

„Ich bin nicht Kira. Und ich kann es auch beweisen.“, sagte Light.

Jetzt waren L und ich an der Reihe verwundert auszusehen. Wie wollte er das machen?

„Wie?“, fragte ich als einziges.

„Sperrt mich ein. Wenn die Morde weitergehen, wisst ihr, dass ich nicht Kira bin. Weder eins noch zwei.“

„Sperrt mich auch ein!“, sagte Misa mit ihrer nervigen Stimme.

„Mich auch!“, sagte Yagami-san. Ich sah ihn an.

„Aber warum denn?“

„L hat Light für eine ganze Weile beschattet. Auch mich und meine restliche Familie. Also müsste er auch einen Verdacht gegen mich hegen.“

„Und warum willst du eingesperrt werden?“, fragte L, ohne auf Yagami-sans Erklärung einzugehen. Warum musste diese dumme Kuh auch in so einem kurzen Kleidchen hier herumlaufen? Ich hasste sie. Es wäre gut, wenn man sie auch einsperren würde.

„Weil ich Light doch so liebe und ich will ihn nicht allein eingesperrt sehen. Das würde mein Herz nicht aushalten.“ Schmachtend sah sie Light an, der es kühl zur Kenntnis nahm.

Mir wurde schlecht von ihrem Gelaber. Als ich zu L sah, bemerkte ich, wie er Watari einen Fingerzeig gab. „Watari. Sie wissen bescheid.“ Dann drehte er sich zu den Polizisten. „Bringt sie weg.“

Nach wenigen Augenblicken waren alle verschwunden. Nur L und ich waren zurückgeblieben.

„Ich geh ins Bett.“, sagte ich emotionslos und ging schnellen Schrittes Richtung Schlafzimmer. Geräuschvoll schloss ich sie und ging zum Schrank, um mich umzuziehen. Ich war fast fertig und zog gerade das Oberteil meines Schlafzeugs über meinen Kopf, als die Tür geöffnet wurde. Natürlich war es L, aber ich drehte mich nicht um. Ich stand mit dem Gesicht zum Fenster und ich zog gerade die Vorhänge zu. Als ich mich zum Bett umdrehte, stand L plötzlich vor mir. Ich erschrak leicht, ließ mir aber nichts anmerken. Ich wollte an ihm vorbei, aber er bewegte sich keinen Zentimeter.

„Lass mich durch.“, sagte ich leicht gereizt.

„Was ist dein Problem?“, fragte L mit ruhiger Stimme.

„Mein Problem? MEIN Problem?! Das Problem heißt Misa!“, stieß ich hervor und funkelte ihn böse an.

„Du bist eifersüchtig.“

„Na und?! Kann sein! Ich hab ja auch allen Grund dazu! Wenn du so mit ihr flir…“ Ich konnte nicht weiter sprechen. Ich hatte mit meinen Armen herumgestikuliert und L hatte sie ergriffen, als sie über meinem Kopf waren. Jetzt drückte er mich an die Wand zwischen den Fenstern. Doch das war nicht der Grund, warum ich nicht weiter sprechen konnte. L’s Kopf kam näher an meinen und unsere Lippen trafen sich. Mein Mund war verschlossen. Eigentlich fühlte es sich gut an, aber ich war noch sauer auf L. Deshalb stieß ich ihn mit sanfter Gewalt von mir weg, weil ich ihm nicht wirklich wehtun wollte.

„Glaubst du wirklich, dass ich dir verzeihe, wenn du mich küsst?“, fragte ich ihn. Mir fiel auf, dass meine Stimme ruhiger war und meine innere Wut zu einem Häufchen zusammengeschrumpft war.

„Nein, aber ich wusste, dass es etwas bewirken würde. Ich kann in dein Innerstes sehen. Vergiss das nicht.“, sagte L.

Und er hatte verdammt recht. Meine Eifersucht rührte nicht von Misa direkt her. Es hatte einen anderen Grund.

„Es… es ist nur so… dass ich… Angst habe…“, stammelte ich und sah zu Boden.

„Wovor hast du Angst?“ Er sprach ganz leise.

„Dich zu verlieren. Ich habe doch niemanden. Ich bin ein seelisches Wrack und ich dachte, dass ich das immer bleiben müsste. Und dann wurde ich entführt und traf auf dich. Ich habe mich seit Jahren mal wieder gut gefühlt und ich wollte das Gefühl… behalten… Ich will dich… nicht teilen…“ Meine Stimme versagte und die Tränen fand den Weg über meine Wange. Ich drehte mein Gesicht weg, doch L streckte seine Hand danach aus und drehte es zu sich.

„Ich werde nicht verschwinden und du musst mich auch nicht teilen. Wen sollte ich denn sonst lieben, der so ist wie du?“, sagte er immer noch leise und lächelte mich an. Er wischte meine Tränen weg und ich brachte auch ein Lächeln zustande. Er zog mich zu sich in seine Arme und ich spürte das Herz, das nur für mich schlug. Ich schloss meine Augen und fühlte, wie L seine Hände um meinen Körper geschlungen hatte. Ich hätte ewig so dastehen können, doch L hatte anderes vor.

„Wir brauchen Schlaf. Lass uns ins Bett gehen.“

Ich nickte stumm und löste mich von ihm. Er ging zum Schrank und ich zum Bett. Während ich unter die Decke kroch, zog L sich um. Er stand mit dem Rücken zu mir und ich beobachtete ihn verstohlen aus dem Augenwinkel. Verdammt hatte der einen tollen Körper… Ich konnte meinen Kopf auch nicht wegdrehen, deshalb sah er es, als er sich umdrehte.

„Bin ich interessant?“, fragte L und grinste, während er auf das Bett hüpfte und sich vor mich hinhockte.

Ich wurde knallrot und drehte mich weg ohne etwas zu antworten.

„Das kannst du von mir aus stundenlang machen, aber dafür will ich dann auch was…“

„Wie?“ Ich drehte meinen Kopf so ruckartig um, dass eine leichte Erschütterung durch das Bett fuhr und L, der sowieso unsicher hockte, fiel nach vorn und genau auf mich drauf. Komischerweise war es mir auf einmal egal. Ich hob meine Hände und umklammerte damit L. Eine Hand war auf seinem Rücken, die andere vergrub ich in seiner Haarmähne. Ich atmete einmal tief ein und dabei fiel mir etwas auf.

„Du benutzt Vanilleshampoo?“, fragte ich und unterdrückte ein Lachen, was L aber trotzdem mitbekam.

„Ja. Stört dich das?“

„Nein. Ich finde es nur… äußerst passend.“

„Wie darf ich das verstehen?“

„Das Shampoo riecht süß und du bist es.“, sagte ich mit verlockender Stimme. Wieder musste ich lachen.

L richtete sich auf und sah mich an. „Wenn du lachst, kann ich das aber nicht ernst nehmen.“

„Halt die Klappe und küss mich…“, flüsterte ich und nahm L’s Kopf in meine Hände, um ihn meinem Gesicht näher zu bringen. Unsere Lippen trafen sich und verschmolzen förmlich miteinander. Wir lösten uns wieder voneinander und L’s Kopf sank auf meine Brust.

„Dein Herz schlägt schnell.“, stellte er fest. „Wieso?“

„Warum wohl?“, fragte ich.

„Hm… Wegen… mir?“

„Richtig…“

Wir sagten nichts mehr. Ich fühlte mich gerade so wohl, wie schon ewig nicht mehr. Meine Hände waren auf seinem Rücken und strichen sanft darüber. Nach einer Weile kam es mir aber doch etwas still vor.

„Lass mich mal kurz aufstehen. Ich will das Radio anmachen.“

Widerwillig rollte sich L von mir herunter und ließ sich auf die freie Seite des Bettes fallen. Ich robbte bis zum Ende des Bettes und stand dann auf, um zum Radio zu gehen. Ich hatte meinen Lieblingssender schon einprogrammiert, weshalb ich ihn sofort fand. Gerade lief Mucc mit einem ausnahmsweise ruhigen Lied. Ich drehte mich wieder zum Bett um. L saß - die Beine von sich gestreckt - auf dem Bett und hatte sich mit seinen Armen hinten aufgestützt. Dadurch spannten sich seine Muskeln an. Er hatte zwar nicht allzu viele, was ja nicht verwunderlich war, aber das fand ich auch am besten so. Ich ging auf ihn zu und krabbelte auf das Bett. Ich setzte mich rittlings auf L, als ich bei ihm angekommen war. Meine Hände streckte ich nach seinem Oberkörper aus und berührte ihn.

„Wie kannst du nur so toll aussehen und dabei den ganzen Tag nur Süßigkeiten essen?“, fragte ich.

„Keine Ahnung. Ist wohl so bei mir veranlagt…“ L beugte sich vor und küsste mich. Dann streckte er seine Hände aus und begann damit, mein Top hochzuschieben. Doch da klopfte es hektisch an der Tür zum Hotelzimmer. Widerwillig stand ich auf, richtete schnell meine Sachen und verließ das Schlafzimmer. Ich trug ziemlich kurze Sachen, aber trotz alledem war es mir verdammt egal, wer da jetzt vor der Tür stehen mochte. Umso überraschter war ich, als ich eine junge Frau vor mir stehen hatte, die ziemlich durcheinander wirkte. Ich musterte sie kurz. Die Frau hatte lange schwarze Haare. Ähnlich wie meine, nur dass sie lilafarbene Strähnen hatte. Sie war sehr dunkel geschminkt und gekleidet. Eine schwarze Tasche mit einem runden Totenkopf hatte sie sich an den Körper gepresst.

„Kann ich helfen?“, fragte ich vorsichtig.

„Ja… wohnt hier… L?“, fragte sie. Ich zerrte sie hektisch in das Zimmer und verschloss die Tür sorgfältig hinter der Frau.

„Woher weißt du das?“, zischte ich.

„Ich bin die Assistentin von Misa… Sie wurde ja jetzt eingesperrt. Ich habe wichtige Informationen für L.“

„Gut. Komm mit.“

Ich führte sie zu einem der Sofas und die junge Frau setzte sich. Dann verschwand ich im Schlafzimmer, wo ich mir einen Bademantel suchte. L war aufgestanden und trat von hinten an mich heran. Er umschlang mich mit seinen Armen und küsste meinen Hals.

„Wer war da?“, fragte er zwischen zwei Küssen.

„Da ist eine junge Frau, die behauptet, dass sie wichtige Informationen für dich hat. Also zieh dir bloß was an.“, sagte ich und zottelte auch gleich ein Shirt für L heraus. Ich drehte mich zu ihm und deutete ihm, seine Arme zu heben. Ich zog ihm das Shirt schnell an, warf dann meinen Mantel über und wir verließen gemeinsam das Schlafzimmer. Die Frau saß noch immer auf dem Sofa und wirkte so, als würde sie angestrengt über etwas nachdenken. Als sie die Tür klappen hörte, drehte sie sich zu uns um.

„Du hast Informationen für mich?“, fragte L. Er benutzte - wie auch bei mir – gleich die persönliche Anrede. „Aber erst sagst du uns noch deinen Namen.“

„Ich bin Flitti Nevermind. Mein Job ist das letzte, weil ich bei Misa arbeiten muss und zwar als ihre persönliche Assistentin.“

„Ich kann dich sehr gut verstehen.“, sagte ich und lächelte ihr aufmunternd zu. Das schien sie etwas zu entspannen.

„Jedenfalls bekomme ich da so gut wie alles mit. Und oft auch komische Sachen.“

Ich sah Flitti misstrauisch an.

„Ich meine komischere Sachen, als die, die Misa sonst macht.“

Ich nickte verstehend mit dem Kopf und wartete auf Flittis nächste Worte.

„Sie besitzt ein seltsames schwarzes Notizbuch.“

L riss die Augen auf und ich tat es ihm nach. Wir sahen uns an. Dann drehte ich meinen Kopf wieder zu Flitti.

„Erzähl uns mehr davon.“

„Auf dem Notizbuch steht ‚Death Note’. Ich habe keine richtige Ahnung, was das sein soll, aber Misa tötet damit Menschen. Sie saß einmal vor dem Fernseher und hatte einen starren Blick auf die Menschen auf dem Bildschirm. Manchmal schrieb sie etwas in ihr Notizbuch und keine Minute später kam eine Meldung, dass dieser Mensch gerade einen Herzinfarkt erlitten hatte.“

„Das ist… unglaublich…“, sagte ich.

L hatte sich in der Zeit zu den Monitoren umgedreht, die hier seit kurzem standen. Darauf sah man Light, Misa und Inspektor Yagami in ihren Zellen sitzen. Misa war auf einem komischen Gerät befestigt und ihre Augen waren mit einer an ihren Kopf angepassten Metallplatte verdeckt. Sie laberte die ganze Zeit, doch alle schienen es zu ignorieren. Ich ging ebenfalls auf die Bildschirme zu, um besser sehen zu können. Ich betrachtete gerade verachtungsvoll Misa, als sich wie von Geisterhand eine Haarsträhne von ihr bewegte.

„Das ist mir auch aufgefallen.“, sagte Flitti, die auch zum Bildschirm gekommen war. „Sie hat oft mit etwas oder jemandem gesprochen, aber es war nie jemand im Raum gewesen. Ab und zu hat sich auch das Notizbuch von allein bewegt und schwebte zu Misa. Obwohl es nicht wirklich schwebend war… Es sah mehr aus, als würde eine unsichtbare Person das Buch tragen.“

L und ich hörten ihr aufmerksam zu und dabei beobachteten wir intensiv Misa. Doch es geschah nichts mehr. Bis plötzlich ein unsichtbarer Blitz Misa zu durchzucken schien. Sie schrie und sofort eilten einige Sanitäter zu ihr, doch wirklich etwas tun konnten sie nicht. Irgendwie wollten sie es auch nicht. Jedoch schafften sie es, Misa von diesem Ding zu befreien. Zitternd lag sie auf der Erde und tat mir kein bisschen Leid. Ich drehte meinen Kopf zum anderen Bildschirm und beobachtete Light, der auf dem Boden vor seinem Bett saß. Dort passierte nichts.

Ich wandte mich zu Flitti. „Hast du eine Bleibe?“

Sie sah mich verwundert an, weil sie bis eben noch auf den Bildschirm gestarrt hatte, und Misa beobachtete, wie sie von den Sanitätern weggeschleift wurde.

„Ähm… nein. Eigentlich nicht. Seit ich bei Misa bin, habe ich meine Wohnung aufgegeben und wohnte bei ihr.“

Ich überlegte. „Du könntest hier vielleicht auf der Couch pennen. Oder?“ Ich sah L fragend an.

„Warum nicht. Ich ruf ma unten beim Hotel an, ob die noch eine Decke und so haben.“ L wandte sich zum Telefon um und wählte die Nummer des Hotelservices. Er sprach mit irgendjemandem, während ich mit Flitti zur Couch ging und wir sie mit vereinten Kräften auszogen. Jetzt fehlte nur noch das Bettzeug und Flitti konnte sich direkt ins Bett legen. Nach wenigen Minuten klopfte es an der Hoteltür und ich öffnete sie. Eine Frau übergab mir das Bettzeug und ging dann wieder. Ich brachte es zu Flitti und sie machte das Bett fertig.

„Morgen früh wird ein älterer Mann mit weißem Schnauzer kommen, also wundere dich nicht. Er heißt Watari und wird hier sauber machen. Brauchst du noch irgendetwas?“, fragte L an Flitti gerichtet.

„Nein. Danke. Geht schon.“, antwortete sie.

„Der Kühlschrank ist da hinten.“, sagte L und grinste, während er Richtung Küche zeigte.

Dann ging ich ins Schlafzimmer und L folgte mir. Es war jetzt verdammt spät geworden und ich wollte nur noch ins Bett. Ich warf meinen Mantel einfach auf die Erde und ließ mich rückwärts ins Bett fallen. Einen Moment blieb ich so liegen bis L sich zu mir gesellte. Dann kroch ich unter die Decke und knipste das Licht aus. Ich schloss meine Augen. Ich spürte, wie sich das Bett bewegte und wusste, dass L sich zu mir gedreht hatte und mich nun betrachtete. Ich ließ meine Augen solange geschlossen, bis ich mich auch zu ihm gedreht hatte.

„Was ist?“, fragte ich.

„Darf ich dich nicht ansehen?“

„Warte, bis ich schlafe.“

Ich schloss wieder meine Augen. Ich war vielleicht gerade etwas unhöflich gewesen, aber das lag nur daran, dass ich todmüde war. Dafür konnte L nichts. Ich öffnete meine Augen wieder.

„Tschuldigung. Aber ich bin so elendig müde…“, sagte ich und sah ihn mit einem entschuldigenden Blick an. Seine Miene war noch genauso weich wie vorher. Er hatte mir das nicht übel genommen.

„Schon gut. Dann schlaf.“, sagte er mit seiner tiefen sanften Stimme und ich schloss mit einem guten Gefühl die Augen. Dieses Gefühl verstärkte sich noch, als L seine Arme um mich legte und mich an seinen Körper presste. Kurz darauf war ich auch schon eingeschlafen…



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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von:  vhenari
2010-10-01T20:08:59+00:00 01.10.2010 22:08
echt schön <3*seufz*
ich freu mich auf die fortsetzung. wirklich su~pi~
lg ari~~
Von:  LittleSweetheart
2010-03-09T00:24:49+00:00 09.03.2010 01:24
hey!!

Ich muss dir ein riesen Kompliment für deine Geschichte aussprechen und möchte dich anflehen weiter zu schreiben. Man findet nämlich leider so selten geschichten wo L ma nich schwul is und er eine normale Beziehung hat.Was bestimmt auch schwer reinzubringen ist. Und wie schon gesagt ich liebe die geschichte.

lg

Von:  XIIICaiusXIII
2009-01-31T15:21:51+00:00 31.01.2009 16:21
schnell L hol die kopfschmerztabletten wieder raus xDDDDD
das kapi hat mir gut gefallen^^ genauso wie die anderen
ich mag deine art zu denken und das du band´s von uns genommen hast ist cool. mach weiter so.
Von:  Masanobu
2008-12-15T14:54:45+00:00 15.12.2008 15:54
Heyhey :)
Habe deine Geschichte heute gelesen und muss sagen, ich finde sie echt gut geschrieben...
Ich finde toll, wie du es geschafft hast, deinen eigenen chara so gut in das geschehen einzubringen!

Auch dein Schreibstil ist nicht schlecht ;)

Dein einzigen Kritikpunkt, den ich anzubringen hab (nicht böse sein ^__^):
Mir geht das ganze ein klein wenig zu viel in die Richtung Songfic/JRock... aber das ist sicherlich geschmackssache ^.^

Ansonsten, wirklich eine tolle FF!
Ich hoffe es werden bald weiter, genauso gute, Kapitel folgen :)

PS: Könntest du so nett sein, und mir eine ENS schicken wenns weiter geht? sonst verpass ich deine nächsten kapi's womöglich noch o_O XD

lg
Freakey
Von: abgemeldet
2008-10-19T18:35:14+00:00 19.10.2008 20:35
Joah... Ich denke schon. ^^ *verheißungsvoll grins*
Lass dich überraschen. =^.^=
Von:  Galax
2008-10-19T15:27:06+00:00 19.10.2008 17:27
*lacht*
das Kapitel ist schön
banedlt sich da eine Liebes geschichte an ?
mir gefelt es.^^
Von:  Galax
2008-10-19T15:22:31+00:00 19.10.2008 17:22
Dieser anfang klingt sehr gut ich bin schon gespannt auf mehr von dir
Tschüß Galax


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