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Das Ende

von

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Erkältung

Es war Januar. Keine wirkliche Zeit, um gute Laune zu versprühen. Das Wetter war durchwachsen und man verbrachte die Tage meist zu Hause im Warmen.

So auch an diesem diesigen Dienstag.
 

Das Wetter zollte seinen Tribut und so lag Steffi erkältet in ihrem Bett. Um sie herum lagen überall Taschentücher. Auf dem Bett, auf dem Nachttischschrank und sogar auf dem Boden.

Sie war schlichtweg zu faul, sie aufzuheben, da es eh stetig mehr wurden und sie den Kampf von vorn herein aufgab.
 

Mit einer Tasse Tee in der Hand klappte sie den Laptop auf und sah nach ihren E-Mails.

Neben den üblichen Penisverlängerungen und den "blue pills" wollte das berüchtigte Royal Club Casino ihr mal wieder 500€ schenken. Sie grinste leicht bei dem Gedanken an 500€ und löschte die Nachricht.

Eine weitere E-Mail befand sich im Eingang. Absender: der Fanclub von die ärzte.

Sie musste bei dem Namen lächeln und schweifte kurz mit ihren Gedanken an Vergangenes ab. Schon lange war sie Fan der Band und sie waren zu einem enormen Teil ihres Lebens geworden. Außenstehende würden sie vielleicht schon als süchtig bezeichnen. Verrückt war sie allemal-das gestand sie sich stolz selbst ein.

Sie öffnete die Mail, las die erste Zeile und stockte. Sie las sie noch ein paar Mal und konnte nicht glauben, was dort stand:

"die ärzte werden am 26.06.2015 ihr Abschiedskonzert im Berliner Olympiastadion spielen"

Fassungslos starrte sie auf den Monitor. War das wieder einer ihrer bizarren Scherze? Nein, dafür wäre das Thema zu ernst.

Sie öffnete die Seite des Fan-Forums um nachzusehen, was andere zu diesem Thema schrieben. Es war tatsächlich wahr: die ärzte würden sich entgültig trennen.

Die Chance, dass sie sich später erneut zusammentun würden, wie sie es 1993 nach der 5-jährigen Trennung taten war gleich Null.
 

Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen stießen.

Diese Band war ihr Leben. Für diese Band hätte sie alles getan. Und jetzt sollte alles vorbei sein.
 

Sie bestellte sich fast gedankenabwesend eine Karte. Dass sie das wirklich gerade tat, brachte sie endgültig zum weinen.

"Abschiedskonzert...", sagte sie fast unhörbar. Ein weiteres Taschentuch fand den Weg auf den Fußboden. Ihre Erkältung spürte sie schon lange nicht mehr.

Stoffbahnen

Die Tage vergingen langsam. Das Konzert rückte stetig näher und man überspielte seine Trauer über das Kommende mit Witzeleien und dummen Gerede.
 

Sie hatte sich bereits jetzt eine Pension in Berlin gebucht, obwohl dies alles andere als einfach war. Nahezu alle Pensionen und Jugendherbergen waren an diesem Tag ausgebucht. Steffi hatte jedoch Glück und fand eine bis Dato noch eher unbekannte, neue Pension. Diese war zwar etwas teurer als die anderen, aber das spielte keine Rolle.

Zu dem Abschlusskonzert wäre sie sogar bis Timbuktu geflogen. Auch wenn es dafür nötig gewesen wäre, dass sie eine Bank hätte ausrauben müssen und im Gefängnis gelandet wäre.

Es wäre egal gewesen.

Wahrscheinlich wäre sie die glücklichste Person, die je im Gefängnis gesessen hätte.

Sie musste lachen bei dem Gedanken daran, grinsend in einer Zelle zu sitzen und "Uwe sitzt im Knast" zu singen.
 

Mit ein paar ihrer Freundinnen hatte sie für das Konzert etwas geplant. Sie wollten während des letzten Liedes einen Banner hochhalten. Keinen kleinen Banner, nein. Einen, welcher über die gesamte 1. Reihe ragen sollte.

Hierzu nähte ihr ihre Mutter zwei Bettlaken aneinander und vernähte diese an 2 Stöcken, welche den Banner an den Seiten hielten.

Da das Teil nicht gerade klein war, musste sie es mehrmals umschlagen und legte es auf den Boden in ihrem Zimmer. Sie betrachtete das weiße Laken und setzte zum Zeichnen an. Riesige Buchstaben zierten nun die Stoffbahnen. Stolz sah sie ihr Werk an und machte ein paar Fotos, welche sie ihren Freundinnen schickte.

Seufzend rollte sie den Banner zusammen und stellte ihn beiseite-schließlich waren es noch 2 Monate hin bis zum Konzert.

Hurra

Bäume und Häuser zogen an ihr vorbei, Regentropfen prasselten an die Scheibe des Zuges.

"...wenn's vorbei ist, ist's vorbei. Nimm's nicht so schwer, denn das Wichtigste ist doch: du hattest eine schöne Zeit, eine herrliche Zeit.", Farins Worte taten ihr weh. Farin-jener Mensch, der immer einen lustigen Spruch auf den Lippen hatte und doch immer mit seinen Liedern den Kern eines jeden Menschen traf. Sie würde ihn am nächsten Tag zum letzten Mal auf der Bühne stehen sehen. Zum letzten Mal...
 

In Berlin angekommen traf sie sich am Bahnhof mit ihren Feundinnen. Sie wollten sich alle ein letztes Mal treffen. Gemeinsam den Abschied ihrer Band miterleben. Gemeinsam kommen, gemeinsam feiern, gemeinsam für immer gehen...
 

In ihrer Pension angekommen legte sie zuerst den Banner vorsichtig aufs Bett, packte ein paar Sachen aus ihrer Tasche, räumte einige Mitbringsel auf den Nachttisch und ging mit einem ihrer Handtücher ins Bad.

Die warmen Wasserstrahlen taten gut. Eine ganze Zeit lang stand sie einfach nur unter dem Wasser und genoss die Wärme.

Ihr Handy klingelte. Sie schaltete das Wasser ab und wickelte sich schnell ein Handtuch um. Ihre Freundin Anja rief an um sie zu fragen, wann sie sich treffen wollten. Irritiert blickte sie zur Uhr und musste etwas perplex feststellen, dass sie anscheinend eine dreiviertel Stunde unter der Dusche gestanden aben musste.
 

Schnell packte sie alles zusammen: Schlafsack, Essen, Trinken, Jacke, Pullover, Regenschirm und ihren Banner.

Morgen sollte das Konzert stattfinden und dieses sollte das erste und auch das letzte Konzert sein, bei welchem sie einen Tag vorher schon vor dem Stadion wartete.
 

Nach einer zwanzig-minütigen Fahrt kam sie am Olympiastadion an. Ihre Freundinnen saßen bereits vor dem Eingang und gröhlten laut diverse Lieder ihrer Lieblingsband mit.

Freudig wurde sie von allen empfangen und zeigte stolz ihr Kunstwerk. Auf einmal wurde es still. Nur der CD-Player lief noch im Hintergrund zu dieser grotesk wirkenden Situation:

Die 11 Mädchen, die eben noch herumtobten wie eine Horde aufgeschreckter Hühner standen nun da und blickten traurig ein Stück Stoff an, während im Hintergund "Hurra" lief.
 

Plötzlich wurde jedem wieder schmerzlich klar, warum sie hier waren. Nicht etwa um zu feiern, nein. Sie sollten morgen Abschied nehmen. Abschied von dem Wichtigsten, was manche Mädchen in ihrem Leben noch hatten.
 

Das Radio wurde etwas leiser gestellt und die Mädchen machten es sich bequem. So bequem man es sich eben machen kann auf einem Betonfußboden...

Alle 12 Mädchen saßen nebeneinander im Halbkreis und blickten auf den Boden. Die letzten Töne von "Himmelblau" erklangen. Denise unterbrach das Schweigen der anderen: "Jaja, Himmelblau, war das fies als Opener. Immer dieser scheiß schwarze Vorhang, den man nach spätestens zwei Konzerten immer mehr verfluchte.", lachte sie und die anderen mussten unweigerlich mitlachen.

Den ganzen Abend lang wurden die absurdesten Konzert-Geschichten erzählt. Es wurden Tränen gelacht und nicht selten wurde resignierend der Kopf geschüttelt bei manchen Geschichten.

Da war es wieder: dieses Zusammenhaltsgefühl, welches man nur in dieser Form bei die ärzte-Konzerten fand. Das war es, was alle so liebten. Dieses "Klassenfahrt"-Gefühl. Man hatte so viele neue Freunde auf vergangenen Touren gefunden und sich sofort verstanden.

Man hatte Spass zusammen, jeder kannte sich irgendwie, obwohl sich im Grunde alle fremd waren. Und zum Abschluss wurde abends auf dem Konzert zusammen gefeiert.

Jeder wusste es, wenn er den anderen ansah, dass dieser gerade dasselbe dachte. Keiner wollte in diesen Stunden woanders sein als hier-bei den Gleichgesinnten, die man eigentlich nur oberflächlich kannte, jedoch nie wieder missen wollte.

Das Ende

Am Morgen des Konzerts kamen noch die restlichen Leute, mit denen sich Steffi und Anja treffen wollten. Nun waren sie insgesamt 33 Leute. Sie waren aus ganz Deutschland und teilweise sogar aus Österreich angereist. Man lernte sich auf Tour kennen und verabredete sich für diesen Tag.

Es wurden viele Fotos gemacht. Zudem auch ein Gruppenfoto, auf denen jeder irgendwelche merkwürdigen Posen einnahmen. Umstehende Fans lachten Tränen über die Gruppe und schossen Fotos als Beweis für spätere Generationen....
 

Gegen 17Uhr wurde es eng-der Einlass begann. Ein Gequetsche und Gedränge hielt sich jedoch in Grenzen, da die Securitys nach zweihundert Leuten abgesperrt hatten und diese alle Bändchen für die erste Welle erhielten.

Nach 5 Minuten war die komplette erste Reihe durch die Gurkentruppe besetzt worden. Steffi reichte das andere Ende des Banners durch bis der Stock bei Denise vor Rod ankam. Er wurde an das Gitter vor ihre Füße gelegt und verharrte dort bis zum letzten Lied.
 

Das Stadion füllte sich stetig bis gegen 19Uhr alle 70.000 Menschen den Weg ins Stadion gefunden hatten.

Eine unglaubliche Kulisse. Schon jetzt sah man überall Leute, die diesen Tag festhalten wollten und ein Foto nach dem anderen Schoss.
 

Sah man sich einmal um, so konnte man in den Gesichtern der Leute teils pure Vorfreude entdecken, jedoch bei den meisten eher Trauer.

70.000 Menschen waren gekommen, um mit ihrer Band den letzten gemeinsamen Abend zu erleben.

Viele auf der Tribühne und im Innenraum sah man schon jetzt weinen.

Jeder dieser 70.000 hatte seine eigene Geschichte, wie er zu die ärzte gekommen ist, was er mit ihren Liedern verbindet, was sie so einzigartig und besonders macht.
 

Um 20Uhr war es soweit: die ärzte betraten zum letzten Mal die Bühne.

Steffi sah noch einmal über ihre Schultern nach hinten. Jeder wollte noch einmal für 180 Minuten ihre Band sehen und ihnen das beste Konzert bescheren.
 

Es folgten viele Sprüche, es wurde viel gelacht, ein letztes mal Laola-Diktatur, ein letztes Mal "Heyeyeehaaaa!"-rufe, ein letztes Mal Farin, Bela und Rod gemeinsam auf der Bühne.

Die Fans tobten und gaben ein letztes Mal alles. Die Stimmung war auf ihrem Höhepunkt, als die ärzte das letzte Lied des Abends anspielten - "Ein Lied für dich".
 

Nach den letzten Tönen nahm Farin die Gitarre und Rod den Bass zum letzten Mal ab.

Alle 3 standen noch immer auf ihren Plätzen und schauten das Publikum an. Bela nahm einen Schluck aus seiner Flasche Bier und Farin setzte zum Sprechen an:

"70.000 Leute, die nur wegen uns heute hier sind. Ihr wisst nicht, was uns das bedeutet...", er musste abbrechen und ging an den Bühnenrand, um seine Tränen nicht zu zeigen. Bela sprach für ihn weiter: "...1982 hätten wir niemals damit gerechnet, dass irgnedwann einmal soviele Menschen tatsächlich Eintritt für uns bezahlen würden. Und heute... wir lieben euch! Es war eine geile Zeit mit euch. Rod und Farin werden mir da zustimmen. Ohne euch würden wir heute nicht hier stehen. Danke...", seine Stimme klang heiser, er kam vorm Schlagzeug vor und nahm Farin ein letztes Mal in den Arm. "Danke Jan, dieser Mensch hat mich mein ganzes Leben lang begleitet. Ohne ihn wäre ich heute wahrcheinlich nicht mehr hier." - Man sah, wie Farin krampfhaft versuchte, seine Tränen zu unterdrücken. Letztendlich scheiterte dies doch nach Belas Worten. Sie traten zu dritt ein letztes Mal an den Bühnenrand.
 

Steffi blickte unter Tränen zu Denise, welche durch ein Winken signalisierte, den Banner jetzt anzuheben.

Rechts und links von Denise und Steffi wurden rote Bengalen gezündet.
 

Und dann passierte es:

Das komplette Olympiastadion kniete sich hin und Feuerzeuge verwandelten das komplette Olympiastadion in ein einziges Lichtermeer.

70.000 Leute knieten hinter dem Banner und zollten ihrer Band ein letztes Mal Respekt und Dank.

Wenn man sich umsah, konnte man an einer Hand die Leute abzählen, die nicht weinten.

Alle Blickten auf die Bühne.
 

Sie weinten.

Bela, Farin und Rod schüttelten mit den Köpfen. Sie waren sprachlos. Tränen rannte ihren Wangen herunter.

Wie versteinert blickten Bela, Farin und Rod auf das Geschriebene:
 

DANKE FÜR ALLES, WAS IHR JE FÜR UNS GETAN HABT!

Wir werden euch nie vergessen...



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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von:  Kelandria13
2008-10-09T15:57:32+00:00 09.10.2008 17:57
Zum dritten mal gelesen... zum dritten mal geheult...
Neo wegen dir hab ich bald keine Tränen mehr ;-)
Das ist so unglaublich gut geschrieben... *neid*
naja
Auf dass das Abschiedskonzert noch ganz weit weg ist *hoff*
Hoffendlich liest man bald wieder mehr von dir.
Weiter so Süße!
:-*
Kela
Von: abgemeldet
2008-10-03T18:04:48+00:00 03.10.2008 20:04
richtig heftige vorstellung!!!
ist sehr gut geschrieben! wollen wir hoffen, dass das beschribene nicht allzu bald eintreten wird und uns die drei verrückten noch sehr lange erhalten bleiben!!!
sehr schön geschrieben ... aber beim nächsten mal bitte, bitte, bitte etwas erfreulicheres!?
lg jenny
(ps: wenn ich mich nicht total irre bekomme ich ja auch demnächst etwas hanfesteres von dir^^ "alabaster#3768")
Von: abgemeldet
2008-10-03T12:35:07+00:00 03.10.2008 14:35
boah das ist echt traurig!
gut dass das alles erst 2015 ist ;)
naja...es wird nicht vermeidbar sein dass dies irgendwann kommen wird!
trotzdem gerade irgendwie unvorstellbar^^

hast du echt toll geschrieben!

vlG
Von: abgemeldet
2008-10-03T09:41:13+00:00 03.10.2008 11:41
Das ist so...
Wunderbar traurig...und doch...schön...
Total schön!
*tränen in den Augen hab*
*__*
Ich weiss gar nicht was ich sagen soll...

Perfekt~

lG
Von: abgemeldet
2008-10-03T08:45:32+00:00 03.10.2008 10:45
Das is echt hamma *vorstell*
JA das hätt ich auch gern gesehn...ich hätt sogar mitgemacht
Allerdings liber nicht zu diesem Anlass!!!
Aber gefällt mir echt gut!
LG
Tenaro
Von: abgemeldet
2008-10-03T08:36:49+00:00 03.10.2008 10:36
NEIN NEIN NEIN,
Das geht nicht. Sowas darf man gar nicht denken...
Das wäre ja schrecklich, wenn DÄ ihr Abschiedskonzert jetzt schon ankündigen wprden...Nein Nein Nein!
Aber sonst sehr schön geschrieben.
Als du das mit den Mails geschrieben hast (z.B. Royal Casino usw.) hab ich nur gedacht "oh dir auch?!" ;D
LG
Tenaro


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